Bilanzrecht: Handelsbilanz – Steuerbilanz – Prüfung – Offenlegung – Gesellschaftsrecht. Kommentar. 9783504384234

Hier finden Sie eine systematische, umfassende und kompakte Kommentierung der Normen des Handelsbilanzrechts mit gleichg

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German Pages 2650 [2653] Year 2017

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Bilanzrecht: Handelsbilanz – Steuerbilanz – Prüfung – Offenlegung – Gesellschaftsrecht. Kommentar.
 9783504384234

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Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen Bilanzrecht · Kommentar

Bilanzrecht Kommentar

Handelsbilanz · Steuerbilanz · Prüfung Offenlegung · Gesellschaftsrecht

herausgegeben von

Prof. Dr. Dirk Hachmeister Universität Hohenheim

Prof. Dr. Holger Kahle Universität Hohenheim

Dr. Sebastian Mock, LL.M. Privatdozent, Universität Hamburg

Prof. Dr. Matthias Schüppen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Stuttgart, Universität Hohenheim

2018

Zitierempfehlung: Verfasser in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, § 248 HGB Rz. 56

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-25376-9 ª 2018 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Bearbeiter Prof. Dr. Karsten Altenhain

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Dr. Marisa Baltromejus Steuerberaterin Stuttgart

Matthias Baschnagel, M.Sc.

Steuerberater Stuttgart

Prof. Dr. Thomas Berndt Universität St. Gallen

Dr. Bettina Beyer Stuttgart

Dr. Falko Braun, LL.M.

Rechtsanwalt und Steuerberater Recklinghausen

Dr. Michael Burg

Rechtsanwalt Köln

Marius Burth, M.Sc.

Universität Hohenheim

Dr. Martin Cordes

Steuerberater Bonn

Dr. Benjamin S. Cortez, LL.M.

Steuerberater Stuttgart

Karl-Heinz Dickau

Meik Eichholz, M.Sc.

Universität Hohenheim

Prof. Dr. Christina Escher-Weingart Universität Hohenheim

Jan Martin Faaß

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater München

Dr. Kerstin Fiederling Stuttgart

Dr. Andreas Glaser

Stuttgart

Susanne Goldschmidt Steuerberaterin Stuttgart

Sabrina Götz, M.Sc.

Universität Hohenheim

Friedrich Graf von Kanitz

Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt und Steuerberater Köln

Dr. Matthias Gröne

Steuerberater Iserlohn

Dr. Andreas Haaker Privatdozent Berlin

Prof. Dr. Dirk Hachmeister Universität Hohenheim

Steuerberater Berlin

Prof. Dr. Bernd Hacker

Moritz Diemers

Dr. Christian Haferkorn

Wirtschaftsprüfer Düsseldorf

Prof. Dr. Michael Dobler

Technische Universität Dresden

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen

Ludwig-Maximilians-Universität München

Hochschule Rosenheim

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Hannover

Prof. Dr. Reinhard Heyd

Hochschule Aalen/Universität Ulm

Prof. Dr. Matthias Hiller Steuerberater SRH Fernhochschule – The Mobile University

(Fortsetzung nächste Seite)

Bearbeiter Maximilian Holzmeier, M.Sc. Universität Hohenheim

Prof. Dr. Holger Kahle Universität Hohenheim

Prof. Dr. Holger Karrenbrock Universität Kassel

Prof. Dr. Alois Paul Knobloch

Universität des Saarlandes

Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M.

Rechtsanwalt, Steuerberater Bonn

Dr. Karoline Peters

Rechtsanwältin Düsseldorf

Prof. Dr. Lutz Richter Universität Trier

Dr. Matthias Schatz, LL.M. Rechtsanwalt Köln

Dr. Sebastian Schulz

Walldorf

Prof. Dr. Matthias Schüppen

Prof. Dr. Marcel Krumm

Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Stuttgart/Universität Hohenheim

Dr. Andreas-M. Kuhlewind

Dr. Arthur Stenzel

Dr. Dierk Kursatz

Prof. Dr. Michael Stöber

Westfälische Wilhelms-Universität Münster Hannover

Wirtschaftsprüfer New York

Universität St Gallen Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Dr. Ahmad Sultana

Dr. Marcus Lesser

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dortmund

Dr. Christiane Malke

Dr. Thorsten Vogel

Prof. Dr. Franz Jürgen Marx

Prof. Dr. Dominic Wader

Stuttgart

Steuerberaterin Walldorf

Universität Bremen

Dr. Daniel Melter Stuttgart

Prof. Dr. Stephan Meyering

FernUniversität Hagen

Dr. Sebastian Mock, LL.M. Privatdozent Universität Hamburg

Prof. Dr. Melanie Mühlberger

Hochschule für Technik Stuttgart

Dr. Welf Müller

Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Frankfurt/M.

Steuerberater Stuttgart

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Hochschule Reutlingen

Marcel Wildermuth, M.Sc.

Universität Hohenheim

Prof. Dr. Dirk Andreas Zetzsche, LL.M. Universität Luxemburg

Vorwort Rechnungslegung, Jahresabschlussprüfung und Offenlegung sind Rechtsgebiete, die durch die EU, aber auch durch die internationale Rechnungslegung in ständiger Bewegung sind. Allein in den letzten Jahren gab es zwei EU-Richtlinien zur Rechnungslegung, die einen umfassenden Einfluss auf die Rechnungslegung nach HGB hatten. Durch diese Entwicklung dürfte aber auch deutlich werden, dass das HGB weiter eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Bilanzrechts hat und haben wird und nicht durch die IFRS abgelöst wird. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch die Sicht auf eine vorsichtsgeprägte, umsatzorientierte, verlustantizipierende Gewinn- und Vermögensermittlung, die mit dem HGB erreicht wird, neu bewertet worden. Die Bedeutung der IFRS jenseits der börsennotierten Unternehmen ist nach der massiven Kritik am HGB in den 1990er Jahren mittlerweile einer realistischen Einordnung gewichen. Weitgehend zeitgleich wurden die EU-Verordnung zur Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse und die geänderte Abschlussprüferrichtlinie veröffentlicht. Soweit diese Regelungen nicht direkt in Deutschland anzuwenden sind, wurden mittlerweile alle Regelungen vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht transformiert. Diese ungebrochene Relevanz des HGB als Teil der steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen hat uns auch bewogen, im Otto Schmidt Verlag einen neuen HGB-Kommentar zum Bilanzrecht einschließlich der für die Rechnungslegung relevanten Normen der Steuerbilanz, der Abschlussprüfung, der Offenlegung und des Gesellschaftsrechts herauszugeben. Die Bezüge des Bilanzrechts zum Steuer- und Gesellschaftsrecht haben auch die inhaltlichen Ausführungen geprägt, ohne mit den jeweiligen themenspezifischen Kommentaren in Wettbewerb treten zu wollen. Neben den einschlägigen Paragraphen des HGB zur Rechnungslegung (§§ 238 ff. HGB), Abschlussprüfung (§§ 316 ff. HGB) und Offenlegung (§§ 325 ff. HGB) werden auch die im HGB, GmbHG oder AktG noch spezifischen Regelungen kommentiert; dass die Vorschriften für Genossenschaften und Großunternehmen nach PublG betrachtet werden, ist selbstverständlich, die branchenspezifischen Regelungen für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und für Unternehmen des Rohstoffsektors wurden ausgespart. Eine besondere Beachtung finden die Normen des Steuerbilanzrechts und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BFH. Aufgrund des Grundsatzes der Maßgeblichkeit ist die BFH-Rechtsprechung für das Handelsbilanzrecht nach wie vor von enormer Bedeutung; darüber hinaus wird auch die Rechtsprechung des EuGH zum Bilanzrecht in den einschlägigen Paragraphen beachtet. Die Regelungen des DRSC werden vor dem Hintergrund gewürdigt, dass für diese Regelungen vermutet wird, bei Bekanntmachung durch das Bundesministerium der Justiz den Charakter von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der (Konzern-)Rechnungslegung zu haben. Von den Bereichen abgesehen, in denen die IFRS einen unmittelbaren Einfluss auf die Normen des HGB gefunden haben, werden die Vorschriften bewusst nicht kommentiert. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass vergleichende Betrachtungen mittlerweile obsolet sind. Wer konkrete Antworten auf Fragen der IFRS-Rechnungslegung sucht, wird in den einschlägigen – auch internationalen – Werken fündig und ist an den konkreten Regelungen, weniger einer Gegenüberstellung mit den HGB-Regeln interessiert. Im Rahmen der Kommentierung der Paragraphen zur Abschlussprüfung wurden die Prüfungsstandards und Prüfungshinweise des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) kritisch gewürdigt. Auch wenn diese Vorschriften nicht verbindlich sind, stellen sie eine wichtige Entscheidungshilfe für den Anwender dar. Nach unserer Einschätzung kann das deutsche Bilanzrecht nicht mehr ohne diese Verbindungen zum Steuer- und Gesellschaftsrecht betrachtet werden. Der vorliegende Kommentar zum Bilanzrecht sieht sich daher auch als Angelpunkt zu den hervorragenden und gut platzierten Kommentierungen des Otto Schmidt Verlags zum Steuer- und Gesellschaftsrecht. Diese Scharnierfunktion ist und war uns ein Anspruch und Ansporn. Die Positionierung und Ausrichtung spiegelt sich auch in unserer Zusammensetzung als Herausgeberteam, das nicht nur durch jeweils zwei Ökonomen und Juristen gebildet wird, sondern in dem nicht nur universitäre Lehre und Forschung, sondern auch die anwaltliche Kompetenz und Berufserfahrung eines Wirtschaftsprüfers vertreten ist. Diese Vielfalt findet sich auch bei den Verfassern der Kommentierung zu den einzelnen Paragraphen. Wir sind als Herausgeber stolz darauf, dass wir renommierte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Praxis, Juristen und Ökonomen als Autorinnen und Autoren für das vorliegende Werk gewinnen konnten. Basierend auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Herausgebern und Autorinnen und Autoren spiegelt sich die daraus resultierende unproblematische Abstimmung der einzelnen Kommentierungen in der unseres Erachtens hohen Qualität der Kommentierung. Ohne das Engagement unseres Autorenteams wäre es nicht möglich gewesen, das Werk zu diesem Zeitpunkt vorlegen zu können. Dafür möchten wir uns ausdrücklich bedanken. Die Ausführungen berücksichtigen den Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Ende Juli 2017. VII

Vorwort

Der hier vorgelegte Bilanzrecht-Kommentar wendet sich nicht nur an die Angehörigen der wirtschaftsprüfenden und rechtsberatenden Berufe sowie Bilanzierende, sondern auch an Richterschaft und Kolleginnen, Kollegen und Studierende an Universitäten und andere Hochschulen. Um für die anwaltliche und anwenderorientierte Tagespraxis schnelle Informationen zu liefern, haben wir auf eine ausführliche Diskussion wissenschaftlicher Theorien verzichtet, wenngleich diese beim Aufbau der einzelnen Kommentierungen ihren Niederschlag gefunden haben. Wir als Herausgeber bedanken uns aber nicht nur bei den Autorinnen und Autoren der Kommentierung, sondern auch bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne die ein solches Werk nicht entstehen kann. Dank gilt auch dem Verleger und seinen Mitarbeitern, die uns bei der Konzeption ebenso wie bei vielen Einzelfragen in nimmermüder Weise wirksam unterstützt haben. Herausgeber und Verlag freuen sich, einen neukonzipierten HGB-Bilanzrechtskommentar in die Hände der Nutzer zu legen. Inhaltliche Anregungen werden unmittelbar an die Herausgeber erbeten ([email protected]). Stuttgart/Hamburg im September 2017

VIII

Die Herausgeber

Bearbeiterverzeichnis Prof. Dr. Karsten Altenhain Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

§§ 331–335c, 342e HGB, § 400 AktG

Dr. Marisa Baltromejus Steuerberaterin, Stuttgart

§ 246 HGB

Matthias Baschnagel, M.Sc. Steuerberater, Stuttgart

§ 246 HGB

Prof. Dr. Thomas Berndt Universität St. Gallen

§§ 270, 276 HGB

Dr. Bettina Beyer Stuttgart

§ 309 HGB

Dr. Falko Braun, LL.M. Rechtsanwalt Steuerberater, Recklinghausen

§§ 29, 32, 41, 42, 42, 46 GmbHG

Dr. Michael Burg Rechtsanwalt, Köln

§§ 317, 320, 321, 321a, 324, 324a HGB

Marius Burth, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 315b, 315c HGB

Dr. Martin Cordes Steuerberater, Bonn

Anh. 2 zu §§ 238–263 HGB

Dr. Benjamin S. Cortez, LL.M. Steuerberater, Stuttgart

§ 252 HGB

Karl-Heinz Dickau Steuerberater, Berlin

§§ 336–339 HGB

Moritz Diemers Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf

§§ 313, 314 HGB

Prof. Dr. Michael Dobler Technische Universität Dresden

§§ 315, 315a, 315d HGB

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Ludwig-Maximilians-Universität München

§§ 238–241a, 257–261, 265, 266 HGB

Meik Eichholz, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 252, 263 HGB

Prof. Dr. Christina Escher-Weingart Universität Hohenheim

§§ 107, 119 AktG

Jan Martin Faaß Wirtschaftsprüfer Steuerberater, München

§ 247 HGB

Dr. Kerstin Fiederling Stuttgart

§§ 291, 294 HGB

Dr. Andreas Glaser Stuttgart

§ 254 HGB

Susanne Goldschmidt Steuerberaterin, Stuttgart

§ 252 HGB

Sabrina Götz, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 296, 300 HGB

Friedrich Graf von Kanitz Wirtschaftsprüfer Rechtsanwalt Steuerberater, Köln

§§ 119–122, 161, 167–169 HGB

IX

Bearbeiterverzeichnis

Dr. Matthias Gröne Steuerberater, Iserlohn

§ 249 HGB

Dr. Andreas Haaker Privatdozent, Berlin

§§ 336–339 HGB

Prof. Dr. Dirk Hachmeister Universität Hohenheim

Vor § 290, § 290, Anh. 1 und 2 zu § 290, §§ 291–301, 307, §§ 315b, 315c HGB

Prof. Dr. Bernd Hacker Hochschule Rosenheim

§§ 311, 312 HGB

Dr. Christian Haferkorn Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Hannover

§§ 313, 314 HGB

Prof. Dr. Reinhard Heyd Hochschule Aalen/Universität Ulm

§§ 303–305 HGB

Prof. Dr. Matthias Hiller Steuerberater, SRH Fernhochschule – The Mobile University

§ 256a HGB

Maximilian Holzmeier, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 292, 311, 312, 315b, 315c HGB

Prof. Dr. Holger Kahle Universität Hohenheim

§§ 242, 246, 252 HGB

Prof. Dr. Holger Karrenbrock Universität Kassel

§§ 267, 267a, 274a HGB

Prof. Dr. Alois Paul Knobloch Universität des Saarlandes

§ 256 HGB

Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M. Rechtsanwalt Steuerberater, Bonn

Anh. 2 zu §§ 238–263 HGB

Prof. Dr. Marcel Krumm Westfälische Wilhelms-Universität Münster

§ 255 HGB

Dr. Andreas-M. Kuhlewind Hannover

§ 306 HGB

Dr. Dierk Kursatz Wirtschaftsprüfer, New York

§ 247 HGB

Dr. Marcus Lesser Stuttgart

§§ 293, 299 HGB

Dr. Christiane Malke Steuerberaterin, Walldorf

§ 243 HGB

Prof. Dr. Franz Jürgen Marx Universität Bremen

§ 253 HGB

Dr. Daniel Melter Stuttgart

§ 298 HGB

Prof. Dr. Stephan Meyering FernUniversität Hagen

§ 249 HGB

Dr. Sebastian Mock, LL.M. Privatdozent, Universität Hamburg

§§ 268, 271, 272, 274, 289–289f, 342– 342d HGB, §§ 170–172, 175, 176 AktG

Prof. Dr. Melanie Mühlberger Hochschule für Technik Stuttgart

§§ 308, 308a HGB

Dr. Welf Müller Rechtsanwalt Steuerberater Wirtschaftsprüfer, Frankfurt/M.

§§ 316, 318–319b, 322, 323 HGB

X

Bearbeiterverzeichnis

Dr. Karoline Peters Rechtsanwältin, Düsseldorf

§§ 284–288 HGB

Prof. Dr. Lutz Richter Universität Trier

§§ 250, 251 HGB

Dr. Matthias Schatz, LL.M. Rechtsanwalt, Köln

§§ 29, 32, 41, 42, 42, 46 GmbHG

Dr. Sebastian Schulz Walldorf

§ 243 HGB

Prof. Dr. Matthias Schüppen Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Stuttgart/Universität Hohenheim

§§ 244, 245, 275, 277, 330 HGB

Dr. Arthur Stenzel Universität St Gallen

§ 297 HGB

Prof. Dr. Michael Stöber Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

§§ 264–264d HGB

Dr. Ahmad Sultana Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Dortmund

§§ 310, 315e HGB

Dr. Thorsten Vogel Steuerberater, Stuttgart

§ 248, Anh. 1 zu §§ 238–263 HGB

Prof. Dr. Dominic Wader Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Hochschule Reutlingen

§§ 303–305 HGB

Marcel Wildermuth, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 242, 263 HGB

Prof. Dr. Dirk Andreas Zetzsche, LL.M. Universität Luxemburg

Vor § 325, §§ 325–329 HGB

XI

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . Bearbeiterverzeichnis . . . Abkürzungsverzeichnis . . Gesamtliteraturverzeichnis Abgekürzt zitierte Literatur

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Erster Unterabschnitt Buchführung. Inventar § 238 Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 239 Führung der Handelsbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 240 Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 241 Inventurvereinfachungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 241a Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars

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VII IX XIX XXIX XXXI

Drittes Buch Handelsbücher Erster Abschnitt Vorschriften für alle Kaufleute

Zweiter Unterabschnitt

Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß

Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 242 Pflicht zur Aufstellung . . . . § 243 Aufstellungsgrundsatz . . . . § 244 Sprache. Währungseinheit . . § 245 Unterzeichnung . . . . . . . .

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Zweiter Titel Ansatzvorschriften § 246 Vollständigkeit. Verrechnungsverbot. § 247 Inhalt der Bilanz . . . . . . . . . . . § 248 Bilanzierungsverbote und -wahlrechte § 249 Rückstellungen . . . . . . . . . . . . § 250 Rechnungsabgrenzungsposten . . . . § 251 Haftungsverhältnisse . . . . . . . . .

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Dritter Titel Bewertungsvorschriften § 252 Allgemeine Bewertungsgrundsätze . § 253 Zugangs- und Folgebewertung . . . § 254 Bildung von Bewertungseinheiten . § 255 Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . § 256 Bewertungsvereinfachungsverfahren § 256a Währungsumrechnung . . . . . . .

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Dritter Unterabschnitt Aufbewahrung und Vorlage § 257 Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen § 258 Vorlegung im Rechtsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . § 259 Auszug bei Vorlegung im Rechtsstreit . . . . . . . . . . § 260 Vorlegung bei Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . § 261 Vorlegung von Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern

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___ __ 1 14 21 30 35

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79 133 146 161 213 227 237 305 379 410 454 467 479 493 496 498 500 XIII

Inhaltsverzeichnis Seite

Vierter Unterabschnitt Landesrecht § 262 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 263 Vorbehalt landesrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1 zu §§ 238–263 Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2 zu §§ 238–263 Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften Zweiter Abschnitt

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503 503 505 525

Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften

Erster Unterabschnitt Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft und Lagebericht Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 264 Pflicht zur Aufstellung; Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 264a Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften § 264b Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 264c Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne des § 264a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 264d Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 265 Allgemeine Grundsätze für die Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Titel Bilanz § 266 Gliederung der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 267 Umschreibung der Größenklassen . . . . . . . . . . . . . . . § 267a Kleinstkapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 268 Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke § 269 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 270 Bildung bestimmter Posten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 271 Beteiligungen. Verbundene Unternehmen . . . . . . . . . . § 272 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 273 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 274 Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 274a Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Titel Gewinn- und Verlustrechnung § 275 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 276 Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 277 Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung § 278 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vierter Titel Bewertungsvorschriften §§ 279–283 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter Titel Anhang § 284 Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung § 285 Sonstige Pflichtangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 286 Unterlassen von Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 287 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 288 Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . .

XIV

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563 598 607 615 629 634 644 657 667 672 693 693 697 708 762 762 774 779 802 804 810 810 810 832 887 894 894

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Sechster Titel Lagebericht § 289 Inhalt des Lageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289a Ergänzende Vorgaben für bestimmte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289b Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen . . . . . . . . . . . . . § 289c Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289d Nutzung von Rahmenwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289e Weglassen nachteiliger Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289f Erklärung zur Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Unterabschnitt

Konzernabschluß und Konzernlagebericht

Vor §§ 290–315e HGB

Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung . . . . . .

Erster Titel Anwendungsbereich § 290 Pflicht zur Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1 zu § 290 HGB: Aufstellungspflicht nach § 11 PublG . . . . . . Anhang 2 zu § 290 HGB: Unternehmensverbindungen und Konzernrecht § 291 Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen . . . . . . . . . . § 292 Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten . . . . . . § 292a (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 293 Größenabhängige Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Titel Konsolidierungskreis § 294 Einzubeziehende Unternehmen. Vorlage- und Auskunftspflichten . . . . . . . . . . . . § 295 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 296 Verzicht auf die Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Titel Inhalt und Form des Konzernabschlusses § 297 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 298 Anzuwendende Vorschriften. Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 299 Stichtag für die Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Titel Vollkonsolidierung § 300 Konsolidierungsgrundsätze. Vollständigkeitsgebot § 301 Kapitalkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . § 302 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 303 Schuldenkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . § 304 Behandlung der Zwischenergebnisse . . . . . . . § 305 Aufwands- und Ertragskonsolidierung . . . . . . § 306 Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 307 Anteile anderer Gesellschafter . . . . . . . . . . .

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Fünfter Titel Bewertungsvorschriften § 308 Einheitliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 308a Umrechnung von auf fremde Währung lautenden Abschlüssen . . . . . . . . . . . . . . § 309 Behandlung des Unterschiedsbetrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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898 915 926 945 959 963 967

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978

1007 1048 1056 1082 1092 1116 1116 1124 1133 1134 1151 1178 1208 1218 1228 1300 1300 1325 1343 1359 1391 1403 1413 1433

XV

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Sechster Titel Anteilmäßige Konsolidierung § 310 Anteilmäßige Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebenter Titel Assoziierte Unternehmen § 311 Definition. Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 312 Wertansatz der Beteiligung und Behandlung des Unterschiedsbetrags . . . . . . . . . . Achter Titel Konzernanhang § 313 Erläuterung der Konzernbilanz und der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung. Angaben zum Beteiligungsbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 314 Sonstige Pflichtangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neunter Titel Konzernlagebericht § 315 Inhalt des Konzernlageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 315a Ergänzende Vorgaben für bestimmte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 315b Pflicht zur nichtfinanziellen Konzernerklärung; Befreiungen . . . . . . . . § 315c Inhalt der nichtfinanziellen Konzernerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . § 315d Konzernerklärung zur Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zehnter Titel Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards § 315e [Konzernabschluss nach internationalen Rechnungsstandards] . . . . . . . . . . . . . . Dritter Unterabschnitt Prüfung § 316 Pflicht zur Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 317 Gegenstand und Umfang der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 318 Bestellung und Abberufung des Abschlußprüfers . . . . . . . . . . . . . . § 319 Auswahl der Abschlussprüfer und Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . § 319a Besondere Ausschlussgründe bei Unternehmen von öffentlichem Interesse § 319b Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 320 Vorlagepflicht. Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 321 Prüfungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 321a Offenlegung des Prüfungsberichts in besonderen Fällen . . . . . . . . . . § 322 Bestätigungsvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 323 Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 324 Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 324a Anwendung auf den Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a . . . . . . . . . .

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Vierter Unterabschnitt Offenlegung. Prüfung durch den Betreiber des Bundesanzeigers Vor § 325 Offenlegung Prüfung durch den Betreiber des Bundesanzeigers . . . . . . . . . . . § 325 Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 325a Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland . . . . . . . . . . § 326 Größenabhängige Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften bei der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 327 Größenabhängige Erleichterungen für mittelgroße Kapitalgesellschaften bei der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 327a Erleichterung für bestimmte kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften . . . . . . .

XVI

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1454 1481 1494

1531 1551 1573 1589 1591 1606 1610 1612 1629 1643 1675 1724 1758 1789 1795 1807 1843 1850 1875 1903 1933 1936 1959 1984 1994 2000 2004

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 328 § 329

Form und Inhalt der Unterlagen bei der Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungs- und Unterrichtungspflicht des Betreibers des Bundesanzeigers . . . . . . . .

Fünfter Unterabschnitt Verordnungsermächtigung für Formblätter und andere Vorschriften § 330 Formblätter für Jahresabschlüsse. Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechster Unterabschnitt

Straf- und Bußgeldvorschriften. Ordnungsgelder

Erster Titel Straf- und Bußgeldvorschriften § 331 Unrichtige Darstellung . . . . . . . . . . . . . . § 332 Verletzung der Berichtspflicht . . . . . . . . . . § 333 Verletzung der Geheimhaltungspflicht . . . . . § 333a Verletzung der Pflichten bei Abschlussprüfungen § 334 Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Titel Ordnungsgelder § 335 Festsetzung von Ordnungsgeld; Verordnungsermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . § 335a Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld; Rechtsbeschwerde; Verordnungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Titel Gemeinsame Vorschriften für Straf-, Bußgeld- und Urdnungsgeldverfahren § 335b Anwendung der Straf- und Bußgeld- sowie der Ordnungsgeldvorschriften auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . § 335c Mitteilungen an die Abschlusspr;uuml;feraufsichtsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Abschnitt Ergänzende Vorschriften für eingetragene Genossenschaften § 336 Pflicht zur Aufstellung von Jahresabschluß und Lagebericht . . . . . . . . . § 337 Vorschriften zur Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 338 Vorschriften zum Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 339 Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Abschnitt

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2008 2022 2032

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2038 2094 2112 2131 2135 2163 2192

2197 2201 2202 2207 2211 2213

Ergänzende Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige

Erster Unterabschnitt Ergänzende Vorschriften für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute [§§ 340–340o] (nicht abgedruckt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Unterabschnitt [§§ 341–341p]

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Ergänzende Vorschriften für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds (nicht abgedruckt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Dritter Unterabschnitt

Ergänzende Vorschriften für bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors [§§ 341q–341y] (nicht abgedruckt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter Abschnitt Privates Rechnungslegungsgremium; Rechnungslegungsbeirat § 342 Privates Rechnungslegungsgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 342a Rechnungslegungsbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechster Abschnitt Prüfstelle für Rechnungslegung § 342b Prüfstelle für Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 342c Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2215

2216

2216 2216 2225 2228 2250 XVII

Inhaltsverzeichnis

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Seite

§ 342d Finanzierung der Prüfstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 342e Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anhang § 119 HGB [Gesellschaftsinterne Willensbildung] . . . . . . . . . § 120 HGB [Ergebnisermittlung, Kapitalanteil] . . . . . . . . . . . § 121 HGB [Ergebnisverteilung] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 122 HGB [Entnahmerechte] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 161 Abs. 2 HGB [Verweisung auf das Recht der OHG] . . . . . § 167 HGB [Gewinn und Verlust] . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 168 HGB [Ergebnisverteilung] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 169 HGB [Gewinnentnahmen von Kommanditisten] . . . . . . § 107 AktG Innere Ordnung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . § 119 AktG Rechte der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . § 170 AktG Vorlage an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . § 171 AktG Prüfung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . § 172 AktG Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . § 175 AktG Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 176 AktG Vorlagen. Anwesenheit des Abschlußprüfers . . . . . § 400 AktG Unrichtige Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . § 29 GmbHG Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32 GmbHG Rückzahlung von Gewinn . . . . . . . . . . . . . . § 41 GmbHG Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42 GmbHG Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42a GmbHG Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts § 46 Nr. 1–1b GmbHG Aufgabenkreis der Gesellschafter . . . . .

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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVIII

2252 2254 2261 2273 2312 2322 2333 2334 2341 2346 2359 2380 2385 2395 2413 2418 2425 2430 2436 2464 2467 2475 2489 2503 2513

Abkürzungsverzeichnis ABI. AcP ADHGB ADR AEUV AfA AfaA AfS AG AIG AktG ÄndG AnwBl. AO APAReG ARC AReG AStG AusfVO AuslInvestmG AuslInvG b&b BaBiRiLiG BaFin. BAG BAnz. BauGB BayObLG BB BBK BC Bdb. BDI BDSG BetrAV BetrAVG BewDV BewG BFH BFH/NV BFHE BFuP BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BHO BilKoG

Amtsblatt Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 American Depositary Receipt Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Absetzung für Abnutzung Absetzung für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung Absetzung für Substanzverringerung Aktiengesellschaft, auch: Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Auslandsinvestitionsgesetz Aktiengesetz Änderungsgesetz Anwaltsblatt (Zeitschrift) Abgabenordnung Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz Accounting Regulatory Committee Abschlussprüfungsreformgesetz Außensteuergesetz Ausführungsverordnung Auslandsinvestmentgesetz Auslandsinvestitionengesetz bilanz & buchhaltung – Zeitschrift für Rechnungswesen und Steuern Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Brandenburg Bundesverband der deutschen Industrie eV Bundesdatenschutzgesetz Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Betriebsrentengesetz Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bilanzkontrollgesetz XIX

Abkürzungsverzeichnis

BilMoG

BVerfG BVerfGE BW BZSt.

Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Bilanzrichtlinien-Gesetz Bundeministerium der Finanzen Bundesministerium der Justiz Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Börsengesetz Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse Betriebsprüfungskartei Betriebsprüfungsordnung (Steuer) Bundesrats-Drucksache Zeitschrift für Bilanzierung und Rechnungswesen Bausparkassengesetz Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische Kapitalgesellschaftsform) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betriebswirt (Zeitschrift); auch: Baden-Württemberg Bundeszentralamt für Steuern

CPA

Certified Public Accountant

DB DBA DBW DeckRV DepotG DI DIHK DIHT DIW DMBilG DNotZ DRS DRSC DSR DStJG DStR DStZ DStZ/A DStZ/B DSWR DV DVBl. DVFA DVO DVR

Der Betrieb (Zeitschrift), auch Durchführungsbestimmung Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen Depotgesetz Draft Interpretation Deutscher Industrie- und Handelskammertag Deutscher Industrie- und Handelstag Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung D-Markbilanzgesetz Deutsche Notar-Zeitschrift Deutscher Rechnungslegungsstandard (des DRSC) Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee eV Deutscher Standardisierungsrat Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Ausgabe A) Deutsche Steuer-Zeitung (Ausgabe B – Eildienst) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung eV Durchführungsverordnung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift)

EAR ED E-DRS EFG

European Accounting Review (Zeitschrift) Exposure Draft Entwurf Deutscher Rechnungslegungsstandard Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)

BilReG BilRUG BiRiLiG BMF BMJ BMWF BMWi BörsG BörsZulV Bp-Kartei BPO BR-Drucks. BRZ BSpG BStBl. BT-Drucks. BuW BV

XX

Abkürzungsverzeichnis

EFRAG EG eG EGAktG EGAO EGHGB EG-RL EGV EigVO ErbbauRG ErbbauVO ErbSt. ErbStDV ErbStG ErbStRG EStÄR ESt. EStDV EStG EStH EStR EU EuGH EuroEG EuZW eV EWIV EWIVG EWIVVO EWR EWS f. ff. FamFG FAS FASB FAUB FAZ FB FG FGG FGO Fifo FinMin. FIW FLF FM, FinMin. FMSA FMStG FMStFG FN-IDW FördG FR FRS

European Financial Reporting Advisory Group Einführungsgesetz; auch: Europäische Gemeinschaft eingetragene Genossenschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Eigenbetriebsverordnung Gesetz über das Erbbaurecht (= die vormalige ErbbauVO) Verordnung über das Erbbaurecht Erbschaftsteuer Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts – Erbschaftsteuerreformgesetz Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien Einkommensteuer Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise (im Amtlichen Einkommensteuer-Handbuch) Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Euro-Einführungsgesetz Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) und folgende(r) und folgende (Plural) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Accounting Standards Financial Accounting Standards Board Fachausschuss für Unternehmensberatung des IDW Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz Betrieb (Zeitschrift) Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung First in – first out Finanzministerium Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb eV Finanzierung Leasing Factoring (Zeitschrift) Finanzminister Finanzmarktstabilisierungsanstalt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz IDW-Fachnachrichten Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Financial Reporting Standard XXI

Abkürzungsverzeichnis

FS FTB

Festschrift FASB Technical Bulletin(s)

GAAP GAAS GAS GASC GBl. GbR GEFIU GenG GewSt. GewStDV GewStG GewStH GewStR GG GmbH GmbHG GmbHR GoA GoB GoBD

GWB gWG

Generally Accepted Accounting Principles Generally Accepted Auditing Standards (des ASB) German Accounting Standard German Accounting Standards Committee Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung e.V. Genossenschaftsgesetz Gewerbesteuer Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Hinweise (im Amtlichen Gewerbesteuer-Handbuch) Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme Grundsätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernbuchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Grundsteuer Grundsteuergesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geringwertige Wirtschaftsgüter

H Hess. HFA HFR HGB HRefG HV

Hinweis (in den Amtlichen Steuer-Handbüchern des BMF) Hessen Hauptfachausschuss des IDW Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Handelsrechtsreformgesetz Hauptversammlung

IAS IASB IASC IASCF IDW IDW HFA IDW PH IDW PS

International Accounting Standard(s) International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee International Accounting Standards Committee Foundation Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV IDW Hauptfachausschuss IDW Prüfungshinweis IDW Prüfungsstandard

GoBil. GoBS GoDV GoK GoS GrESt. GrEStG GrS GrSt. GrStG GRUR GuV GVBl. GVBlWi.

XXII

Abkürzungsverzeichnis

IDW RH IDW RS IDW S IFAC IFRIC

IKR Inf. InsO InsVV InvStG InvZulG IRZ ISA IStR IWB

IDW Rechnungslegungshinweis IDW Stellungsnahme zur Rechnungslegung IDW Standard International Federation of Accountants International Financial Reporting Interpretations Committee (= das ehemalige Standing Interpretations Committee – SIC) International Financial Reporting Standard(s) International Financial Reporting Standards Interpretations Committee (= das vormalige International Financial Reporting Interpretations Committee – IFRIC) Industriekontenrahmen Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Insolvenzordnung Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung International Standards on Auditing Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

JbFStR JMBl. JStG JuS JW JZ

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Justizministerialblatt Jahressteuergesetz Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAG KAGB KAGG KapAEG KapCoRiLiG KapErhG KapErhStG KapErtrSt. KG KGaA KiSt. KMU KO KonBefrV KonTraG KonÜV

Kapitalanlagegesellschaft Kapitalanlagegesetzbuch Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz Kapitalerhöhungsgesetz Kapitalerhöhungs-Steuergesetz Kapitalertragsteuer Kommanditgesellschaft, auch: Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchensteuer Kleine und mittlere Unternehmen Konkursordnung Konzernabschlussbefreiungsverordnung Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Verordnung über die Ermittlung der Eigenmittelausstattung von Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen bei Verwendung von Konzernabschlüssen und Zwischenabschlüssen auf Konzernebene – Konzernabschlussüberleitungsverordnung Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Änderungsrichtlinien Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Hinweise (im Amtlichen Körperschaftsteuer-Handbuch) Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift) Kapitalverkehrsteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen

IFRS IFRSIC

KoR KÖSDI KSt. KStÄR KStDV KStG KStH KStR KStZ KTS KVStG KWG

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

LAG LG LHO Lifo LLC LLP LM LSt. LStÄR LStDV LStH LStR M&A MaBV MDR MinBl. MitbestErgG MitbestG MoMiG

Lastenausgleichsgesetz; auch: Landesarbeitsgericht Landgericht Landeshaushaltsordnung Last in – first out Limited Liability Company Limited Liability Partnership Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Loseblattsammlung Lohnsteuer Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuer-Hinweise (im Amtlichen Lohnsteuer-Handbuch) Lohnsteuer-Richtlinien

Montan-MitbestG MV MwSt.

M&A-Review (Zeitschrift) Makler- und Bauträgerverordnung Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Ministerialblatt Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Montan-Mitbestimmungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Mehrwertsteuer

NB Nds. NJW nrkr. NRW NWB NZG

Neue Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Niedersachsen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift, Loseblattsammlung) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

OCI OECD OEEC OFD OGH OHG OLG OLGZ OVG OWiG

Other comprehensive income Organization for Economic Cooperation and Development Organization for European Economic Cooperation Oberfinanzdirektion Oberster Gerichtshof für die britische Zone Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz

PiR Pos. PrüfO PublG

Praxis der internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift) Posten, Position(en) Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer Publizitätsgesetz

R RAO RAP RBerG RdF RDG

Richtlinie Reichsabgabenordnung Rechnungsabgrenzungsposten Rechtsberatungsgesetz Reichsminister der Finanzen Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen – Rechtsdienstleistungsgesetz Reichsminister der Justiz Rundschreiben

RdJ Rdschr. XXIV

Abkürzungsverzeichnis

RdVfg. RechKredV RechVersV RegBl. RegE RegVBG REIT rev. RFH RFHE RG RGBl. RGSt. RGZ Rh.-Pf. RIW RJM rkr. Rn. RStBl. RVO RWP Rz.

Rundverfügung Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen Regierungsblatt Regierungsentwurf Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz Real Estate Investment Trust überarbeitet („revised“); auch: Revision eingelegt Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofes Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Reichsjustizministerium rechtskräftig Randnummer Reichssteuerblatt Reichsversicherungsordnung; auch: Rechtsverordnung Rechts- und Wirtschaftspraxis, Blattei-Handbuch (Zeitschrift) Randzahl

Sa.-Anh. Saarl. SAB SABI SAC Sachs. sbr ScheckG Schl.-Holst. SE SEC SIC

Sachsen-Anhalt Saarland Staff Accounting Bulletin(s) (der SEC) Sonderausschuss Bilanzrichtlinien-Gesetz des IDW Standards Advisory Council Sachsen Schmalenbach Business Review (Zeitschrift) Scheckgesetz Schleswig-Holstein Societas Europaea Securities and Exchange Commission Standing Interpretations Committee (des IASB), Verlautbarungen des Standing Interpretations Committee Small and medium sized entities Sparprämiengesetz Steueranpassungsgesetz Staatsanzeiger Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland Steuerberater (Berufsbezeichnung und Zeitschrift) Städtebauförderungsgesetz Steuerberatungsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkammer Steuerberaterkongress-Report Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuererlasse in Karteiform, Loseblattsammlung Steuer und Studium (Zeitschrift) Strafgesetzbuch Steuerpflichtige(r) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuerwarte (Zeitschrift) Steuer- und Zollblatt Süddeutsche Zeitung

SME SparPG StAnpG StAnz. Stat. Jahrb. StB StBauFG StBerG Stbg. StbJb. StBK StbKongrRep. StBp. StEK SteuerStud. StGB Stpfl. StuB StuW StWa. StZBl. SZ

XXV

Abkürzungsverzeichnis

Thür. TransPuG Tz.

Thüringen Gesetz zur weiteren Reform des Aktien und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz und Publizitätsgesetz) Textzahl, Textziffer

Ubg. UBGG UKV UmwBerG UmwG UmwStG UNO UR UrhG US-GAAP USt. UStAE UStDV UStG UStR UV UVR UWG

Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Umsatzkostenverfahren Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts Umwandlungsgesetz Urnwandlungssteuergesetz United Nations Organization Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urheberrechtsgesetz United States Generally Accepted Accounting Principles Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Anwendungserlass Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift); auch: Umsatzsteuerrichtlinien Umlaufvermögen Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VAG VerglO VermBG VersRiLiG VG vGA VO VOBl. VSt. VStG VStR VVaG VVG VwGO VZ

Versicherungsaufsichtsgesetz Vergleichsordnung Vermögensbildungsgesetz Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz Verwaltungsgericht verdeckte Gewinnausschüttung Verordnung Verordnungsblatt Vermögensteuer; auch: Vermögen & Steuer (Zeitschrift) Vermögensteuergesetz Vermögensteuer-Richtlinien Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Veranlagungszeitraum

WEG WG WGG WGGDV WiSt. WISU WM WoBauG WPg. WpHG WPK WPK-Mitt. WPO WpPG

Wohnungseigentumsgesetz Wechselgesetz Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Wohnungsbaugesetz Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Gesetz über den Wertpapierhandel Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen Wirtschaftsprüferordnung Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist – Wertpapierprospektgesetz Der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)

WPr. WRP XXVI

Abkürzungsverzeichnis

WSJE WT WuW WZG

Wall Street Journal Europe (Zeitschrift) Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift) Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Warenzeichengesetz

ZBB ZfB zfbf ZfG ZfgK ZfhF ZfO ZfR ZGR ZHR

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung (ab 1964 zfbf) Zeitschrift für Organisation Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (bis 123. Bd. [1960] Zeitschrift für das gesamte Handels- und Konkursrecht) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift Interne Revision Zeitschrift für Kommunalfinanzen Konkurs- und Treuhandwesen (Zeitschrift, ab 16. Jg. [1955] Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen) Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

ZIP ZIR ZKF ZKT ZKW ZPO ZRP ZVG

XXVII

Gesamtliteraturverzeichnis Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1994 ff. Apitz/Bruschke, Der GmbH-Jahresabschluss, Loseblatt (Stand Febr. 2017) Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 14. Aufl. 2017 Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.), Bilanzrecht, Loseblatt (Stand Jan. 2017) Baetge/Kirsch/Thiele, Konzernbilanzen, 11. Aufl. 2015 Ballwieser/Coenenberg/v. Wysocki (Hrsg.), Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 3. Aufl. 2002 Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016 Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017 Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2016 Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012 Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Der Jahresabschluss, 6. Aufl. 2014 Blümich, EStG – KStG – GewStG mit Nebengesetzen, Loseblatt (Stand Juni 2017) Böcking/Castan/Heymann/Pfitzer/Scheffler (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt (Stand Juni 2017) Bolin/Dreyer/Schäfer (Hrsg.), Handbuch Handelsrechtliche Rechnungslegung, 2013 Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand Aug. 2017) Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015 Brönner/Bareis/Hahn/Maurer/Poll/Schramm (Hrsg.), Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 11. Aufl. 2016 Budde/Moxter/Offerhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen – Festschrift Beisse, 1997 Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017 Busse von Colbe/Ordelheide/Gebhard/Pellens, Konzernabschlüsse, 9. Aufl. 2009 Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 24. Aufl. 2016 Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 2011 Dötsch/Pung/Möhlenbrock (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Loseblatt (Stand Febr. 2017) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2014 Eilers/Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014 Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens, 8. Aufl. 2011 Eisgruber, Umwandlungssteuergesetz, 2016 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl. 2016 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Aufl. 2013 Ensthaler (Hrsg.), HGB, 8. Aufl. 2015 Erle/Sauter (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2010 Ernst & Young (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt (Stand März 2017) Farr/Niemann/Bruckner, Jahresabschlusserstellung, 3. Aufl. 2016 Federmann/Kußmaul/Müller (Hrsg.), Handbuch der Bilanzierung, Loseblatt (Stand Okt. 2015) Frotscher/Drüen, KStG – GewStG – UmwStG, Loseblatt (Stand Juli 2017) Frotscher/Geurts, EStG, Loseblatt (Stand Aug. 2017) Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 3. Aufl. 2017 Geßler, AktG, Loseblatt (Stand Aug. 2016) Glade, Praxishandbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2. Aufl. 1995 Gosch (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2015 Gräfer, Rechnungslegung, 5. Aufl. 2016 Grigoleit, AktG, 2013 Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2005 Grottel/Schmidt/Schubert/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanzkommentar, 10. Aufl. 2016 Haag/Löffler (Hrsg.), HGB, 2. Aufl. 2014 Haase/Hruschka (Hrsg.), UmwStG, 2. Aufl. 2017 Haritz/Menner (Hrsg.), Umwandlungssteuergesetz, 4. Aufl. 2015 XXIX

Gesamtliteraturverzeichnis

Heidel/Schall (Hrsg.), HGB, 2. Aufl. 2015 Helmrich, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986 Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 1999 Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Bd. II, 2013 Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016 Herrmann/Heuer/Raupach, EStG – KStG, Loseblatt (Stand Juli 2017) Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns (Hrsg.), Handbuch GmbH & Co. KG, 21. Aufl. 2016 Hofbauer/Kupsch (Hrsg.), Rechnungslegung, Loseblatt (Stand März 2017) Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 8. Aufl. 2017 Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017 Hopt/Merkt, Bilanzrecht, 2010 Horn/Heymann/Balzer (Hrsg.), Heymann-Handelsgesetzbuch, Bd. 3, 2. Aufl. 1999 (Reprint 2012) Horschitz/Groß/Fanck, Bilanzsteuerrecht und Buchführung, 14. Aufl. 2016 Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016 Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 2000 IDW (Hrsg.), WP Handbuch, 15. Aufl. 2017 Jacobs/Scheffler/Spengel (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 5. Aufl. 2015 Kanzler/Kraft/Bäuml (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2. Aufl. 2017 Kirchhof (Hrsg.), EStG, 16. Aufl. 2017 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand Juli 2017) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993 Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004 ff. Korn (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand Febr. 2017) Kraft/Edelmann/Bron (Hrsg.), Umwandlungssteuergesetz, 2014 Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 3. Aufl. 1970/1978 Kuhn/Hachmeister, Rechnungslegung und Prüfung von Finanzinstrumenten, 2015 Künkele/Zwirner (Hrsg.), Bilanzierung bei Personengesellschaften, 2. Aufl. 2016 Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Loseblatt (Stand Nov. 2016) Küting/Weber, Die Bilanzanalyse, 11. Aufl. 2015 Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 13. Aufl. 2012 Küting/Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, 1998 Lademann, EStG, Loseblatt (Stand Juli 2017) Lademann, KStG, Loseblatt (Stand Juli 2017) Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987 Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 1986 Littmann/Bitz/Pust (Hrsg.), Das Einkommensteuerrecht, Loseblatt (Stand Aug. 2017) Lutter/Hommelhoff (Hrsg.), GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2016 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001 Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017 Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017 Mössner/Seeger (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2017 Moxter, Bilanzlehre, Bd. I und II, 3. Aufl. 2012 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl. 2007 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4: Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2015 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014 ff. Münchener Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 2015 Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 4, 3. Aufl. 2013 Oetker (Hrsg.), HGB, 5. Aufl. 2017 Pelka/Petersen (Hrsg.), Beck’sches Steuerberater-Handbuch 2017/2018, 2017 Petersen/Zwirner/Brösel, Handbuch Bilanzrecht, 2010 XXX

Gesamtliteraturverzeichnis

Petersen/Zwirner/Brösel (Hrsg.), Systematischer Praxiskommentar Bilanzrecht, 3. Aufl. 2015 Prinz/Kanzler (Hrsg.), NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht, 2. Aufl. 2014 Rödder/Herlinghaus/Neumann (Hrsg.), KStG, 2015 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut (Hrsg.), UmwStG, 2. Aufl. 2013 Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015 Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013 Russ/Janßen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, 2015 Saenger/Inhester, GmbHG, 3. Aufl. 2016 Scheffler, Besteuerung von Unternehmen, Bd. 2 Steuerbilanz, 8. Aufl. 2014 Scherrer, Konzernrechnungslegung nach HGB, 3. Aufl. 2012 Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 2016 Schmidt, L., EStG, 36. Aufl. 2016 Schmidt, K., Handelsrecht, 6. Aufl. 2014 Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015 Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, 2016 Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG – UmwStG, 7. Aufl. 2016 Schneider, Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 1994 Schnitger/Fehrenbacher (Hrsg.), Kommentar Körperschaftsteuer, 2012 Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012/2015 Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, 2005 Schreiber, Besteuerung der Unternehmen, 4. Aufl. 2017 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses, Loseblatt (Stand Mai 2017) Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015 Staub, Großkommentar zum HGB, Bd. 5–7/2, 5. Aufl. 2010 ff. Streck (Hrsg.), KStG, 8. Aufl. 2014 Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015 Ulmer, HGB-Bilanzrecht, 2002 (Reprint 2015) Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 15. Aufl. 2017 Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Loseblatt (Stand Juni 2017) Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016 Widmann/Mayer (Hrsg.), Umwandlungsrecht, Loseblatt (Stand Juni 2917) Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht, 3. Aufl. 2014 Winkeljohann/Förschle/Deubert (Hrsg.), Sonderbilanzen, 5. Aufl. 2016 Winkeljohann/Schäfer, Latente Steuern, 2015 Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015 Wöhe/Mock, Die Handels- und Steuerbilanz, 6. Aufl. 2010 Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, Loseblatt (Stand Mai 2017)

Abgekürzt zitierte Literatur ADS6

Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1994 ff.

Beck BilKomm.

Förschle/Grottel/Schmidt/Schubert/Winkeljohann (Hrsg.), Beck’scher Bilanzkommentar, 10. Aufl. 2016 Böcking/Castan/Heymann/Pfitzer/Scheffler (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt (Stand Juni 2017) Hofbauer/Kupsch (Hrsg.), Rechnungslegung, Loseblatt (März 2017) Baetge/Kirsch/Thiele

Beck HdR BHR BKT

XXXI

Gesamtliteraturverzeichnis

Großkomm.5

Staub, Großkommentar zum HGB, Bd. 5–7/2, 5. Aufl. 2010 ff.

Haufe BilKomm.7 HdJ

Bertram/Brinkmann/Kessler, Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2016 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses, Loseblatt (Stand Mai 2017) Küting/Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, 1998 Küting /Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Loseblatt (Stand Nov. 2016) Herrmann/Heuer/Raupach, EStG – KStG, Loseblatt (Stand Juli 2017) Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 1986

HdKR HdR HHR HuRB Kölner Komm. AktG3 Kölner Komm. RLR KSM MünchHdb. GesR MünchKomm. AktG4 MünchKomm. BilR MünchKomm. GmbHG2 MünchKomm. HGB3

XXXII

Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004 ff. Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 2011 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand: Juli 2017) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4: Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2015 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014 ff. Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Bd. II, 2013 Münchener Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 2015 Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 4, 3. Aufl. 2013

Drittes Buch Handelsbücher Erster Abschnitt Vorschriften für alle Kaufleute Erster Unterabschnitt Buchführung. Inventar § 238 Buchführungspflicht (1) 1Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. 2Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. 3Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. (2) Der Kaufmann ist verpflichtet, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe (Kopie, Abdruck, Abschrift oder sonstige Wiedergabe des Wortlauts auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datenträger) zurückzubehalten. A. I. II. III. IV. B. I. 1. 2. II. III. IV. V. 1. 2. 3.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Buchführungspflicht (Abs. 1) Buchführungspflichtiger (Abs. 1 Satz 1) Kaufmannspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Buchführungspflicht bei Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beginn der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ende der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) Buchführungszuständigkeit (Abs. 1 Satz 1) . . Funktionen der Buchführung (Abs. 1 Satz 2) Dokumentation der Geschäftsvorfälle . . . . . Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstinformation des Kaufmanns als Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ _ ___ __ _ 1 2 3 4

5 8

9 13 16 21 22

4. Vorlage und Beweiswert der Buchführung . . VI. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1 Satz 2, 3) 1. GoB als Zentralbegriff und Maßstab der Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen (Abs. 1 Satz 2, 3) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung . . . . . . . . . . c) Überschaubarkeit für sachverständige Dritte (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfolgbarkeit der Geschäftsvorfälle (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Dokumentation und Aufbewahrung von Briefkopien (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Folgen einer Verletzung der Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ _ _ _ _ _ _ 24

25 27 33 37 38 41 44 47

23

Literatur: Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 3. Aufl. 1978; Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – ein handelsrechtliches Faktum, von der Steuerrechtsprechung festgestellt, FS 75 Jahre Bundesfinanzhof – Reichsfinanzhof, 1993, 533; Ballwieser, Zur Frage der Rechtsform-, Konzern- und Branchenunabhängigkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in Förschle/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 1995, 43; Zepf, Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme – Erläuterungen zu den GoBS für die Praxis, DStR 1996, 1259; Beisse, Wandlungen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in: Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, 385; Kuhn, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und der Maßgeblichkeitsgrundsatz unter dem Aspekt des Entwurfs eines „Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz“, in Budde/Moxter/Offenhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, FS Beisse, 1997, 299; Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 2000; Beisse, Die paradigmatischen GoB, in Hommelhoff/Zätzsch/Erle (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Steuerrecht, FS Welf Müller, 2001, 731; Fülbier/Gassen, Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG): Handelsrechtliche GoB vor der Neuinterpretation, DB 2007, 2605; Kirsch, Neuinterpretation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, StuB 2008, 453; Moxter, IFRS als Auslegungshilfe für handelsrechtliche

Drüen

|

1

§ 238 Rz. 1 | Buchführungspflicht GoB?, WPg. 2009, 7; Stibi/Fuchs, Zur Umsetzung der HGB-Modernisierung durch das BilMoG: Konzeption des HGB – Auslegung und Interpretation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung unter dem Einfluss der IFRS?, DB 2009, 9; Marx, Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im geltenden Steuerbilanzrecht, FR 2016, 389; Weber-Grellet, Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspektiven des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, DB 2016, 1279.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 238 Abs. 1 HGB ist die Generalnorm für die Buchführung.1 § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB enthält die zentrale Regelung, welche die handelsrechtliche Buchführungspflicht begründet.2 Diese Grundnorm enthält zudem mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) den Zentralbegriff und Maßstab für die Erfüllung der Buchführungspflicht (s. Rz. 25 ff.). § 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB normieren in Übernahme des steuerrechtlichen Vorbilds des § 145 AO allgemeine Anforderungen an die Buchführung.3 Nach § 238 Abs. 2 HGB ist der Kaufmann zur Dokumentation der in der Buchführung verarbeiteten Geschäftsvorfälle verpflichtet, Briefkopien oder vergleichbare Wiedergaben zurückzubehalten. § 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 2 HGB sind nicht lediglich klarstellend.4 Die in diesen Teilen der Norm genannten Pflichten sind zwar Teil der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB zwingend einzuhaltenden GoB,5 allerdings bedarf der unbestimmte Rechtsbegriff der GoB zur praktischen Anwendbarkeit einer Konkretisierung, die zum Teil gesetzlich erfolgt. Insoweit kommt § 238 Abs. 1 Sätzen 2 und 3 sowie Abs. 2 HGB über eine über die reine Klarstellung hinausgehende gesetzliche Konkretisierungsfunktion gegenüber § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB zu.6 Aus dieser Systematik folgt für die Rechtsanwendung, dass – wie stets bei der Ermittlung und Anwendung von GoB – eine (gesetzliche) Konkretisierung der GoB (vgl. in § 252 HGB) der Auslegung des allgemeinen Zentralbegriffs der GoB vorgeht.7

II. Bedeutung und Zweck 2

Über den Regelungszweck und die Rechtsnatur der handelsrechtlichen Buchführungspflicht besteht allgemein weitgehend Konsens, wobei Einzelheiten und konkrete Ableitungen – gerade beim Inhalt einzelner GoB – durchaus umstritten sind. Die abstrakte Zweckbestimmung und -gewichtung der Buchführung schlägt zum Teil auf die Konkretisierung der GoB durch (s. Rz. 30). Die Buchführungspflicht wird heute nahezu einhellig als öffentlich-rechtliche Pflicht eingeordnet, die der Wahrung des Allgemeininteresses dient.8 Zwar lässt sich auch ein individuelles Interesse von Einzelpersonen feststellen (vgl. §§ 118, 166 HGB, § 51a GmbHG), allerdings ist der Individualschutz nur ein Reflex, aber nicht auslegungssteuernder Zweck des § 238 HGB.9 Es handelt sich bei den §§ 238 ff. HGB nach heute ganz hM nicht um Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB.10 Aufgabe der Buchführung ist zunächst die Dokumentation der Geschäftsvorfälle (s. Rz. 21). Die heute ganz hM geht davon aus, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung (sowie Bilanzierung) den Gläubigerschutz im Wege der Selbstkontrolle des Kaufmanns bezweckt (s. Rz. 22 f.).11 Im Gegensatz zu der im betriebswirtschaftlichen Schrifttum angenommenen Rechtspflicht zur Rechenschaft des Kaufmanns12 hat die Buchführung nicht den Zweck einer generellen Rechenschaft (s. Rz. 23).13 Zu den handelsrechtlichen Buchführungszwecken zählt auch nicht der Schutz der Belange 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

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BKT, Bilanzen13, 111. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 1. AA Wiedmann in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 238 Rz. 4. Darum ist § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB seinerseits nicht lediglich klarstellend (aA Graf in Haufe BilKomm.7, § 238 HGB Rz. 34). Ebenso Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 43. Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 166 ff., 443 f.; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 2 f.; Wiedmann in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 238 Rz. 1; ebenso Hennrichs, ZHR 2006, 498 (512); Hennrichs/Schubert, ZIP 2007, 563 (566); aA Claussen in Kölner Komm. RLR, Einl. Rz. 67 ff. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 4. BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (377); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 19; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 4; aA wurde teilweise im älteren Schrifttum vertreten, vgl. die Nachweise bei Hüffer in GroßKomm.4, § 238 HGB Rz. 4. BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (377 f.); Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 2; Begründung RegE 1. WiKG, BT-Drucks. 7/3441, 38; Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 13, 15 f. (Stand Okt. 2010). So Leffson, GoB7, 55. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 16 (Stand Okt. 2010); zust. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 3.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 4 § 238

des Fiskus.1 Das Steuerrecht übernimmt zwar durch § 140 AO die handelsrechtliche Buchführungspflicht für steuerrechtliche Zwecke und normiert nur ergänzend eine selbstständige steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 141 AO.2 Die „abgeleitete“3 oder verlängerte Buchführungspflicht im Steuerrecht hat aber keinen teleologischen Rückschlag auf das Handelsrecht. Die Nutzung der §§ 238 ff. HGB im steuerrechtlichen „Fremdrecht“ ist ein Annex der handelsrechtlichen Buchführungspflicht und nicht ihr Zweck, aus dem Vorgaben für ihre Ausgestaltung ableitbar sind.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Buchführungspflicht ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht (s. Rz. 2). §§ 238 ff. HGB sind zwingendes 3 Recht.4 Die Einhaltung der Buchführungspflicht ist jedoch nicht erzwingbar, soweit lediglich die Buchführung selbst betroffen ist, insbes. ist ein Zwangsgeldverfahren zur Einhaltung der Buchführungspflicht oder der GoB gesetzlich nicht vorgesehen.5 Freilich können Verstöße gegen die Buchführungspflicht Rechtsfolgen auslösen (s. Rz. 47). Pflicht und Umfang einer Vorlage der Buchführung bei gerichtlichen Verfahren regeln §§ 258–260 HGB. Besondere Bedeutung hat das mehrdimensionale Verhältnis zum Steuerrecht: Aufgrund der Übernahme einzelner Formulierungen des § 145 AO in § 238 HGB (s. Rz. 1, 4) und der steuerrechtlichen Anknüpfung an die handelsrechtliche Buchführungspflicht (s. Rz. 2) sowie an die handelsrechtlichen GoB bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 EStG6 bestehen zahlreiche Interdependenzen zwischen § 238 HGB und den steuerrechtlichen Buchführungspflichten der §§ 140 ff. AO7 und dem Bilanzsteuerrecht. Da das Steuerrecht früher die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung unter Achtung der GoB zur Voraussetzung von Steuervergünstigungen erhoben hat,8 haben die Finanzgerichte in einer Vielzahl von Verfahren die formellen GoB konkretisiert. Der Gesetzgeber hat 1977 diese richterliche Regelbildung „abgeschöpft“ und zum Teil wortidentisch in den §§ 145 ff. AO kodifiziert. Der Bilanzrechtsgesetzgeber hat wiederum daran 1986 angeknüpft (s. Rz. 4). Das rechtfertigt und erfordert den vergleichenden Blick auf die Regelungen der AO.9 Einzelne Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sind in Handels- und Steuerrecht deckungsgleich, zum Teil gehen die steuerrechtlichen aufgrund gesetzlicher Neuregelungen über die handelsrechtlichen hinaus.10 Bei der Konkretisierung der GoB kommt den Finanzgerichten und höchstrichterlich dem BFH weiterhin aufgrund der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerrechtliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 Abs. 1 EStG) traditionell quantitativ und qualitativ eine dominante Rolle zu. Zivilgerichtliche Entscheidungen zu GoB sind dagegen selten.11

IV. Rechtsentwicklung Die Entwicklung kaufmännischer Buchführung reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.12 § 238 HGB wurde in Umsetzung europäischer Richtlinienvorgaben durch das BiRiLiG13 eingeführt und ersetzte den früheren § 38 HGB. Das geltende Recht sollte im Wesentlichen unverändert fortgeführt werden.14 Die Vorschrift statuiert die Pflicht zur Buchführung als allgemeine Kaufmannspflicht (s. Rz. 5). Ausgestaltet wird die Buchführungspflicht durch den Verweis auf die GoB als oberste Buchführungsprinzipien.15 Durch die Übernahme der Formulierung des § 145 Abs. 1 AO in § 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB hat der Gesetzgeber eine Parallele zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Anforderungen an die Buchführung geschaffen.16 Da die internationalen Rechnungslegungsstandards keine Vorschriften zur formellen Buchführungspflicht und ihrer Ausgestaltung enthalten, hat die nationale Buchführungspflicht als solche – im GeZutreffend Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 3 mwN. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 238 Rz. 1. Rätke in Klein, AO13, § 140 Rz. 1. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 5. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 5. Zu historischen Entwicklung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes und Kritik zuletzt Weber-Grellet, DB 2016, 1279. Zuletzt Rätke in Klein, AO13, § 140 Rz. 4, 10, 14 f.; § 141 Rz. 12. Kruse, GoB3, 3. Darum ist insgesamt auf Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO (Stand Okt. 2010) zu verweisen. Drüen in Tipke/Kruse, Vor § 140 AO Rz. 2 (Stand Okt. 2012). Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 243 HGB Rz. 18. Nachweise bei Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 58 ff. Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), BGBl. I 1985, 2355. 14 Nachweise bei Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 48 f. 15 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 11. 16 Der RegE des BiLiRiG sah ursprünglich erhöhte Anforderungen an die handelsrechtliche Buchführungspflicht vor, vgl. dazu Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 238 HGB Rz. 1.

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§ 238 Rz. 5 | Buchführungspflicht gensatz zu materiellen Bilanzierungsprinzipien – keinen internationalen „Einschlag“ (zu GoB s. noch Rz. 32).

B. Buchführungspflicht (Abs. 1) I. Buchführungspflichtiger (Abs. 1 Satz 1) 1. Kaufmannspflicht 5

Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen. Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt, dh. einen Gewerbebetrieb mit in kaufmännischer Weise eingerichtetem Geschäftsbetrieb unterhält (§ 1 HGB). Die Handelsgewerbe- und damit die Kaufmannseigenschaft wird bei Betrieb eines Gewerbes1 grds. widerlegbar vermutet.2 Ob in Grenzbereichen ein nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtschau verschiedener Kriterien zu beurteilen.3

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Für Kleingewerbetreibende, deren Gewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB einen nach Art und Umfang eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, besteht keine Kaufmannseigenschaft, weshalb sie sind grds. nicht zur Buchführung verpflichtet sind. Jedoch hat der Kleingewerbetreibende das Recht, aber keine Pflicht, die Eintragung ins Handelsregister und damit die Kaufmannseigenschaft kraft Eintragung herbeizuführen (Eintragungsoption, § 2 Satz 2 HGB).4 Die Bilanzrechtsmodernisierung durch das BilMoG hat die Buchführungspflicht von der Kaufmannseigenschaft mit Einfügung des § 241a HGB abgekoppelt. Einzelkaufleute, die dessen Schwellenwerte nicht überschreiten, sind von der Buchführungspflicht befreit (s. § 241a HGB Rz. 4).

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Die Buchführungspflicht nach § 238 HGB gilt auch für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Kaufleute, Personengesellschaften und juristische Personen mit Kaufmannseigenschaft (vgl. §§ 13d–13g HGB).5 Dadurch wird – losgelöst vom Recht der Heimatsrechtsordnung – eine partielle Buchführungspflicht nach deutschem Recht begründet. 2. Buchführungspflicht bei Handelsgesellschaften

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Handelsgesellschaften sind nach §§ 6 Abs. 2, 238 Abs. 1 Satz 1 HGB buchführungspflichtig. Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH, SE6) sind danach buchführungspflichtig kraft Rechtsform (§§ 3 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG bzw. Art. 61-SE-VO iVm. § 3 Abs. 1 AktG);7 auf einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb kommt es bei ihnen nicht an (zur Buchführungspflicht in den Gründungsstadien einer Kapitalgesellschaft s. Rz. 12). Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) sind kraft Rechtsform (§§ 105 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB) bzw. vermögensverwaltende Personengesellschaften kraft Eintragung (§§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) buchführungspflichtig.

II. Beginn der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) 9

Bei Ist-Kaufleuten (§ 1 HGB) beginnt die Buchführungspflicht mit der Aufnahme des Handelsgewerbes, und zwar schon mit Aufnahme der Vorbereitungsgeschäfte.8 Kann-Kaufleute werden durch die (konstitutive) Eintragung der Firma ins Handelsregister buchführungspflichtig.9 Trotz Kaufmannseigenschaft be1 Der handelsrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs ist nicht deckungsgleich mit dem steuerrechtlichen Begriff des § 15 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, vgl. Wacker in Schmidt, EStG36, § 15 Rz. 9. 2 Zur Beweislast Hopt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 1 Rz. 25. 3 So bereits BGH v. 28.4.1960 – II ZR 239/58, BB 1960, 917; näher Drüen/Krumm, FR 2004, 685 (686); Hopt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 1 Rz. 23 mwN. 4 Zur Buchführungspflicht des Kaufmanns kraft Eintragung Hüttemann/Meinert, BB 2007, 1436. 5 ADS6, § 238 HGB Rz. 18; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 9; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 46; ebenso Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11 (Stand Okt. 2012) mwN.; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 138 (Stand Aug. 2015); aA Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 26, wonach allein das Recht des Sitzes der Hauptniederlassung entscheidet. 6 Vgl. zur Buchführungspflicht der SE mit (Register-)Sitz im Inland auch Fischer in MünchKomm. AktG4, Art. 61 SEVO (EG) 2157/2001 Rz. 15 ff. 7 Bei der eingetragenen Genossenschaft (eG) fingiert § 17 Abs. 2 GenG die Kaufmannseigenschaft, aus der die Buchführungspflicht resultiert. 8 ADS6, § 238 HGB Rz. 21; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 16: „mit dem ersten buchführungspflichtigen Geschäftsvorfall“; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 12. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 238 Rz. 14.

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1)

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Rz. 15 § 238

ginnt die Buchführungspflicht bei Neugründung und im laufenden Betrieb nicht, wenn die Voraussetzungen des § 241a HGB erfüllt sind. Danach tritt die Befreiung von der Buchführungspflicht zu Beginn des folgenden Geschäftsjahrs ein, nachdem an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren1 die Umsatzschwelle (seit 2016) von 600.000 € und die Gewinnschwelle von 60.000 € nicht überschritten sind. Beim erstmaligen Überschreiten eines Schwellenwerts endet die Befreiung des § 241a HGB und der Kaufmann unterliegt regulär der Buchführungspflicht. Für Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG), die ein Handelsgewerbe betreiben, beginnt die 10 Buchführungspflicht mit Aufnahme des Betriebs unter gemeinschaftlicher Firma. Für Personengesellschaften, deren Unternehmung nicht die Voraussetzungen eines Handelsgewerbes iSd. § 1 Abs. 1 HGB erfüllen, beginnt die Buchführungspflicht mit der Eintragung des Unternehmens in das Handelsregister.2 Bei Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH und SE) beginnt die Buchführungspflicht spätestens mit 11 der Eintragung ins Handelsregister, unabhängig davon, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird oder nicht.3 Dies gilt nach § 5a GmbHG auch für die UG (haftungsbeschränkt).4 Für die Buchführungspflicht einer Kapitalgesellschaft in Gründung ist nach Gründungsstadien zu diffe- 12 renzieren. Die sog. Vorgründungsgesellschaft, die vom Zusammenschluss der späteren Gesellschafter mit dem Vorhaben der Gründung einer Kapitalgesellschaft bis zum Abschluss des notariellen Gründungsvertrags besteht, ist im Regelfall eine GbR.5 Eine Buchführungspflicht besteht nur, wenn die Vorgründungsgesellschaft im Ausnahmefall6 als OHG anzusehen ist, weil sie bereits erste Vorbereitungsgeschäfte im Hinblick auf die spätere gewerbliche Tätigkeit ausführt oder bereits selbst handelsgewerblich tätig ist.7 Die nach Abschluss des notariellen Gründungsvertrags bestehende sog. Vorgesellschaft ist als Kaufmann buchführungspflichtig, wenn sie bereits Vorbereitungsgeschäfte im Hinblick auf eine spätere gewerbliche Tätigkeit vornimmt oder bereits gewerblich tätig ist.8 Jedenfalls ergibt sich eine Buchführungspflicht der Vorgesellschaft aus dem allg. Antizipationsgedanken, wonach das spätere Recht bereits auf die Vorgesellschaft anzuwenden ist, wenn beide zivilrechtlich identisch sind.9 Die Buchführungspflicht der Vorgesellschaft beginnt mit dem ersten Geschäftsvorfall.10

III. Ende der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) Die Buchführungspflicht des nicht eingetragenen Kaufmanns endet zeitgleich mit der Kaufmannseigenschaft, so zB mit dem Übergang zum Kleingewerbetreibenden (§ 1 Abs. 2 HGB) oder mit der Aufgabe des Geschäftsbetriebs.11 Bei Kaufleuten kraft Eintragung entfällt die Buchführungspflicht mit der Löschung im Handelsregister unmittelbar (ex nunc),12 nicht jedoch bei Weiterbetrieb eines Kleingewerbes.13

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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns beendet weder die Kaufmannseigenschaft noch die Buchführungspflicht (§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO),14 allerdings geht die Zuständigkeit für die Erfüllung der Buchführungspflicht auf den Insolvenzverwalter über (s. Rz. 18).

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AG, KGaA, GmbH und SE sind bis zum Ende ihrer Abwicklung einschließlich ihrer Löschung im Handelsregister buchführungspflichtig.15 Die Buchführungspflicht endet nicht bereits bei Eintritt der Vermögenslosigkeit oder vorzeitiger Löschung des Eintrags im Handelsregister.16 Die Form und Qualität der Buchführung in der Abwicklungsphase sind an die Größe der Abwicklung anzupassen, ggf. muss das

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1 Bei einer Neugründung reicht es nach § 241a Satz 2 HGB bereits aus, wenn die Schwellenwerte am Abschlussstichtag des ersten Geschäftsjahrs nicht überschritten werden. 2 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 21 (Stand Nov. 2014). 3 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 6 Rz. 3. 4 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 13. 5 Reuter in MünchKomm. BGB7, § 22 Rz. 79. 6 Ebenso Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 17. 7 BGH v. 29.11.1956 – II ZR 282/55, BGHZ 22, 240 (244). 8 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 44. 9 ADS6, § 238 HGB Rz. 17. 10 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 17. 11 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 1 Rz. 52; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 78. 12 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 2 Rz. 9. 13 AA OLG Dresden v. 29.1.2003 – 12 U 0805/02, rkr. 14 BGH v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 (318); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 8; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 60. 15 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 16; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 26 (Stand Okt. 2015). 16 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 25 (Stand Nov. 2014); Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 81.

Drüen

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§ 238 Rz. 16 | Buchführungspflicht Rechnungswesen im bisherigen Umfang fortgeführt werden. Davon unabhängig können Buchführungspflichten nach anderen Vorschriften fortbestehen; so macht zB die Pflicht zur Schlussrechnungslegung (§ 273 Abs. 1 AktG) eine Buchführung über die Beendigung der Geschäftstätigkeit hinaus erforderlich.1

IV. Buchführungszuständigkeit (Abs. 1 Satz 1) 16

Die Buchführungspflicht ist nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB die Pflicht des Kaufmanns. Im Allgemeinen trifft die Buchführungspflicht bei Einzelunternehmen den Inhaber, der regelmäßig als Unternehmer auch die Gewähr bietet, selbst zur Führung der Büchen in der Lage zu sein.2 Die Buchführungspflicht trifft bei (teil-)rechtsfähigen Gesellschaften die Gesellschaft selbst. Zuständig und verantwortlich3 für die Erfüllung der Buchführungspflicht sind bei der OHG nach hM alle Gesellschafter,4 nach der Gegenansicht nur die geschäftsführenden Gesellschafter.5 Bei der KG sind es die Komplementäre6 und die durch Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung berufenen Kommanditisten.7 Der nach der dispositiven Regelung des HGB (§§ 163, 164 HGB) nicht zur Geschäftsführung berufene Kommanditist ist für die Buchführung der Gesellschaft nicht verantwortlich. Bei Innengesellschaften (typisch/atypisch stille Gesellschaft) obliegt die Buchführungspflicht allein dem Inhaber des Handelsgeschäfts, weil die Innengesellschaft mangels eigenen Gesellschaftsvermögens nicht selbst buchführungspflichtig ist.8

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Für Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige haben die gesetzlichen Vertreter die Bücher zu führen. Bei AG (§ 91 AktG), Vereinen und Stiftungen obliegt die Buchführungspflicht dem Vorstand,9 bei der GmbH den Geschäftsführern (§ 41 GmbHG). Dabei sind stets der Gesamtvorstand bzw. die Gesamtheit aller Geschäftsführer für die Buchführung verantwortlich,10 nicht nur der im Rahmen der Geschäftsverteilung für Rechnungslegungs- und Finanzwesen Zuständige. Alle Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer haben Inventur und Jahresabschluss zu unterzeichnen. Auch bei ressortmäßiger Aufgabenverteilung bleibt die Verantwortlichkeit der intern nicht (primär) zuständigen Organmitglieder erhalten.11 Die nicht ressortzuständigen Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer haben von ihrer allgemeinen gegenseitigen Überwachungspflicht Gebrauch zu machen. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass bedeutsame Mängel in der Buchführung behoben werden.12 Das für Rechnungslegung- und Finanzwesen zuständige Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglied hat eine zivilrechtliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber dem einzelnen Gesellschafter.13 Die rechtliche Pflicht zur Unterhaltung einer Innenrevision und risikoorientierter Kontrollsysteme hängt von der Rechtsform (vgl. § 91 AktG),14 der Größe der Gesellschaft und dem anfallenden Buchführungsmaterial ab.

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Die Verantwortlichkeit für die Buchführung der Kapitalgesellschaft in Gründung hängt wiederum von den verwirklichten Gründungsstadien (s. Rz. 12) ab: Für die Vorgründungsgesellschaft gelten die Vorschriften für die Personengesellschaften, während die Vorgesellschaft wie die spätere Kapitalgesellschaft behandelt wird.15 Bei der in Liquidation befindlichen Handelsgesellschaft ist der Liquidator nach §§ 149, 161 Abs. 2, § 268 Abs. 2 Satz 1 HGB (OHG, KG), § 91 AktG (AG), § 71 Abs. 1, 4, § 41 GmbHG (GmbH), §§ 89 Satz 1, § 33 Abs. 1 Satz 1 GenG (Genossenschaft), bei in Insolvenz befindlichen Handelsgesellschaf-

1 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 16. 2 BGH v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012, 511. 3 Allgemein spricht Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 18 ff. von der Person des „Buchführungsverantwortlichen“. 4 Hopt in Baumbach/Hopt37, § 238 HGB Rz. 8; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 57. 5 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 Rz. 22 mwN.; ebenso für die Aufstellung der Bilanz einer Personengesellschaft BGH v. 27.9.1979 – II ZR 31/78, BB 1980, 121; BGH v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 (266). 6 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 57. 7 Ebenso für den allein geschäftsführenden Kommanditisten Pöschke in GroßKomm.5, § 238 Rz. 23. 8 Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 30. 9 Ebenso bei der SE durch den Verweis in Art. 61 SE-VO (EG) 2157/2001 auf nationale Vorschriften (§ 91 AktG), Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) durch den Verweis in § 34 Satz 2 VAG auf § 91 AktG und eG (§ 33 Abs. 1 GenG). 10 Merkt in Baumbach/Hopt37, § 238 HGB Rz. 8; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 24; Quick/Wolz in BKT Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 15 (Stand Nov. 2014); aA Mertens in GmbHG8, § 41 Rz. 2, nach dessen Ansicht jedes einzelne Vorstandsmitglied bzw. jeder einzelne Geschäftsführer zuständig ist. 11 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 24. 12 Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 238 HGB Rz. 8. 13 Fleischer, WM 2006, 2021 (2025 f.); Hefermehl in G/H/E/K, § 91 Rz. 6; Mertens in GmbHG8, § 41 Rz. 5. 14 Zutreffend zur AG Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 24. 15 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 43.

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1)

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Rz. 22 § 238

ten der Insolvenzverwalter (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO) für die Erfüllung der Buchführungspflicht zuständig.1 Buchführungspflicht und -zuständigkeit fallen insoweit auseinander.2 Im Fall der Rechtsnachfolge (Kauf, Umwandlung, Gesamtrechtsnachfolge) geht die Buchführungspflicht 19 auf den Rechtsnachfolger über, wenn dieser seinerseits Kaufmann ist oder durch die Rechtsnachfolge Kaufmann wird.3 Die Buchführungspflicht ist keine höchstpersönliche Pflicht. Der Buchführungspflichtige kann sie tradi- 20 tionell durch Hinzuziehung Dritter erfüllen,4 ohne allerdings die Verantwortung auf diese abwälzen zu können.5 Die Einschaltung Dritter zur Erfüllung der Buchführungspflicht ist intern (als Buchhalter, Handlungsgehilfe) oder extern (als mit der Buchhaltung beauftragter Steuerberater) möglich. Der Buchführungspflichtige muss aber einen sachverständigen Gehilfen oder Dritten mit der Buchführung betrauen und in Auswahl und Überwachung die notwendige Sorgfalt walten lassen. Er kann seine handelsrechtliche Verantwortung nicht vollständig auf die beauftragte Person überwälzen. Die abschließende Verantwortlichkeit für die Konformität mit den handelsrechtlichen Vorschriften verbleibt beim Buchführungspflichtigen selbst.6

V. Funktionen der Buchführung (Abs. 1 Satz 2) 1. Dokumentation der Geschäftsvorfälle Der „Hauptzweck der Buchführung“ als Dokumentation der Geschäftsvorfälle7 lässt sich aus der gesetzli- 21 chen Konkretisierung der Ausgestaltungsanforderungen an die Buchführung ableiten: Die Buchführung hat zunächst die Aufgabe, einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens zu vermitteln (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB). Dazu ist eine vollständige und chronologische Erfassung aller Geschäftsvorfälle ebenso erforderlich, wie das Vorhandensein einwandfreier (ggf. Eigen-)Belege für jede Buchung. Die Masse der abgewickelten Geschäftsvorfälle muss dergestalt aufbereitet sein, dass eine systematische Dokumentation vorliegt. Ein Ziel der Buchführung ist eine klare, übersichtliche und nachprüfbare Darstellung der (Vermögens-)Situation des Unternehmens.8 Der eigenständige Dokumentationszweck der Buchführung9 ist zugleich Anknüpfungspunkt weiterer gesetzlicher Regelungen (zB § 14 DepotG, § 283b StGB) wie auch Grundlage für die Beurteilung eines Unternehmens. 2. Gläubigerschutz Daneben ist Ziel der Buchführung der Schutz der Gläubiger des Kaufmanns.10 Allerdings hängt das Maß 22 der Verwirklichung des Gläubigerschutzes der Buchführung von den materiellen Ansatz- und Bewertungsregeln ab. Ob die Unterbewertung des Vermögens durch Bildung stiller Reserven in Höhe der Differenz als „Risikopuffer“ tatsächlich dem Gläubigerschutz dient, ist zweifelhaft.11 Fraglos werden jedoch durch die Dokumentation der Geschäftsvorfälle (s. Rz. 21) die Gläubigerinteressen mehr geschützt als im Fall eines gesetzlichen Verzichts. Fragwürdig erscheint der Versuch, aus dem Zweck der Buchführungspflicht des § 238 HGB Argumente für eine bestimmte (statische oder dynamische) Bilanzauffassung zu gewinnen.12 Einerseits sind derart abstrakte Buchführungszwecke keine tragfähige Grundlage für zwingende Konkretisierungsvorgaben hinsichtlich bilanzieller Einzelfragen (s. Rz. 30), andererseits gilt das Primat einzelner (gesetzlicher) Konkretisierungen von GoB (s. Rz. 1). Darum ist der Zweck der Buchführung nicht abhängig vom „Zweck der Bilanz“ und die umstrittenen Bilanzauffassungen wirken nicht auf die (formellen) Buchführungspflichten vor.13 1 BGH v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 (318); Heni, ZInsO 1999, 609 (613 f.); Mundt/Kunz, DStR 1997, 620 (624). 2 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 30. 3 Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 211. 4 Kruse, GoB3, 82. 5 Drüen in Tipke/Kruse, Vor § 140 AO Rz. 4, 17 (Stand Okt. 2012). 6 Kruse, GoB3, 83. 7 So bereits Kruse, GoB3, 201. 8 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 26 (Stand Nov. 2014). 9 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 3. 10 Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 238 Rz. 4; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 2; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 90. 11 Kruse, GoB3, 201 ff., 206. 12 So aber Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 2, der aus dem Zweck des Gläubigerschutzes eine Festschreibung der statischen Bilanzauffassung im Handelsrecht ableiten will (ebenda, Rz. 3). 13 AA Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 2.

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§ 238 Rz. 23 | Buchführungspflicht 3. Selbstinformation des Kaufmanns als Instrument 23

Die Information des Kaufmanns selbst wird vielfach an erster Stelle der Funktionen der Buchführung genannt.1 Die Buchführung soll dem Kaufmann bzw. seinem Handlungsorgan oder gesetzlichen Vertreter jederzeit einen Einblick in die Lage des Unternehmens verschaffen. Sie erleichtert die Kontrolle des Unternehmens und beeinflusst die Entscheidung über den Einsatz von Vermögenswerten. Der Jahresabschluss insgesamt ist eine wesentliche Ist- bzw. Soll-Größe bei der Unternehmensplanung.2 Allerdings ist die Buchführungspflicht kein Zwang des Kaufmanns zur Selbstinformation,3 vielmehr ist die Selbstinformationsfunktion der Buchführung Instrument der Gläubigerschutzfunktion.4 Nur ein hinreichend informierter Kaufmann kann dergestalt über seine Aktiva verfügen, dass er seine Solvenz nicht gefährdet und der Gläubiger die Nichterfüllung seiner Forderungen aufgrund Zahlungsunfähigkeit nicht befürchten muss. 4. Vorlage und Beweiswert der Buchführung

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Historisch war die Funktion der Buchführungsvorschriften, die frühere besondere Beweiskraft der Buchführung als Privileg des Kaufmanns durch Vorgaben an ihre Ausgestaltung abzusichern.5 Allerdings sind nach §§ 258–260 vorzulegende oder zum Beweis herangezogene Handelsbücher im geltenden zivilprozessualen Erkenntnisverfahren nur als Privaturkunden iSd. § 417 ZPO anzusehen. Im Zivilprozess kommt ihnen keine besondere (formelle) Beweiskraft (mehr) zu,6 aber weiterhin – wie §§ 258–260 HGB belegen – ein besonderer Beweiswert.7 Im Zusammenhang mit dem sonstigen Beweisaufnahme- und Verhandlungsergebnis unterliegt ihr Inhalt der freien Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO.8 Hierbei sprechen Handelsbücher, die ordnungsgemäß geführt werden, uU für eine hohe Wahrscheinlichkeit der Korrektheit einzelner Einträge und des Nichtvorliegens von ausweisungspflichtigen, aber nicht ausgewiesenen Vorgängen.9 Jedoch stellen sie keinen prima-facie-Beweis (Beweis des ersten Anscheins) dahingehend dar, dass der Beweis bestimmter widersprechender Tatsachen erforderlich ist, um ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern.10 Im Steuerverfahren kommt einer formell ordnungsmäßigen Buchführung die (widerlegbare) Rechtsvermutung zugunsten der Richtigkeit der Buchführung als Gesamtwerk nach Maßgabe des § 158 AO zu.11

VI. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1 Satz 2, 3) 1. GoB als Zentralbegriff und Maßstab der Buchführung 25

Der Kaufmann hat seine Bücher nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zu führen. Neben der Normierung von Einzelgrundsätzen (s. Rz. 37 ff.) lässt das Gesetz in weiten Teilen offen, welche genauen Maßstäbe an die Buchführung zu stellen sind. Die GoB wurden von Praxis, Rspr. und Wissenschaft entwickelt12 und sind auch heute stetiger Veränderung unterworfen. GoB als Regeln zur buchmäßigen Abbildung der wirtschaftlichen Realität sind planmäßig entwicklungsoffen.13 Auch das System der GoB selbst ist flexibel, so dass die Buchführungspflicht rechtsform- und branchenunabhängig ausgestaltet ist.14 Dem trägt bereits der Aufbau des Dritten Buchs des HGB mit dem Aufbauprinzip vom Allgemeinen zum Besonderen15 Rechnung.

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Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung iwS umfassen auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur, die Grundsätze ordnungsmäßiger Erfolgsrechnung und die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, also auf die Rechnungslegung bezogene GoB.16 Die GoB sind damit ein Zentralbegriff des Rech1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

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Zuletzt Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung7, § 238 HGB Rz. 13. BKT, Bilanzen13, 8. AA Leffson, Die GoB7, 55; ebenso ADS6, § 238 HGB Rz. 38: „Verpflichtung des Kaufmanns zur Selbstinformation“. So auch Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 3, § 242 HGB Rz. 2: „Gläubigerschutz durch Selbstkontrolle“. Kruse, GoB3, 200. Geimer in Zöller, ZPO31, § 416 Rz. 13. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 1. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 3; BGH v. 27.8.1986 – 3 StR 223/8, NJW 1987, 965. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 3. BGH v. 28.10.1954 – IV ZR 122/54, BB 1954, 1044; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 3. Näher zu Voraussetzungen und Grenzen der Beweiskraft der Buchführung Seer in Tipke/Kruse, § 158 AO Rz. 2 ff. (Stand Mai 2014). Zur Entstehungsgeschichte Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (388 ff.). Zur möglichen Neuinterpretation der GoB durch das BilMoG Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 (2612); Kirsch, StuB 2008, 453; Moxter, WPg. 2009, 7; Stibi/Fuchs, DB 2009, 9 (10). Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 55; differenzierend Ballwieser in FS Budde, 43 (46 ff.). Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, Einl. v. § 238 Rz. 65. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 11.

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1)

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Rz. 30 § 238

nungslegungsrechts.1 GoB sind revisibel und unterliegen der revisionsgerichtlichen Kontrolle2 und Fortbildung. Demgegenüber haben Standardisierungsausschüsse keine Kompetenz der rechtlich bindenden Konkretisierung von GoB.3 Auch das DRSC hat nicht den Auftrag (vgl. § 342 Abs. 1 HGB) einer institutionellen Ermittlung direkter GoB für den Einzelabschluss.4 Die Auslegungsvorschläge sachverständiger Gremien können allein aufgrund ihrer fachlichen Überzeugungskraft auf die Ermittlung der GoB einwirken.5 2. Rechtsnatur der GoB Die wichtigsten GoB sind Rechtsnormen6 (zB formelle GoB in §§ 238 Abs. 2, 243 Abs. 2, 247 Abs. 1 HGB, 27 materielle GoB in §§ 242 Abs. 1, 252 Abs. 1 Nr. 1–3, 253 HGB),7 die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung an sich sind ein unbestimmter Rechtsbegriff.8 Er ist erforderlich, weil kodifizierte Rechtssätze in weiten Bereichen weder ausreichend einzelfallbezogen noch flexibel sein können, um die vielfältigen Formen und Fragen moderner Buchführung hinreichend zu konkretisieren. Der auf rechtsstaatliche Erwägungen gestützten Forderung nach näherer gesetzlicher Konkretisierung und einer Normierung der bilanzrechtlichen Grundbegriffe und Grundtatbestände im HGB9 ist einerseits das Bedürfnis nach entwicklungsoffenen Abbildungsregeln der wirtschaftlichen Realität auch bei technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Weiterentwicklung10 und andererseits die erprobte Möglichkeit der methodisch abgesicherten Gewinnung und Fortentwicklung von GoB entgegenzuhalten. Die Grundform jedes GoB ist stets die „Natur der Sache“11 und die sich daraus entwickelnde Verkehrsanschauung. Die folgenden Stadien von Handelsbräuchen über Gewohnheitsrecht bis hin zu kodifiziertem Recht können die GoB durchlaufen, müssen es aber nicht zwingend. Die Entwicklung ist dabei ergebnisoffen, sie können sowohl erstarken als sich auch im Laufe der Zeit überholen.12 Veränderungen oder Neuerungen der abzubildenden wirtschaftlichen Realität können den Entwicklungsprozess (erneut) in Gang setzen.

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Insgesamt lässt sich daraus ableiten, dass die Buchführung ordnungsgemäß ist, wenn sie den gesetzlichen 29 Vorschriften, dem Gewohnheitsrecht und mangels solcher der Verkehrsanschauung und der Natur der Sache entspricht. Die Rspr. hat dieses Prinzip durch die Formulierung angenommen, dass die Buchführung dann ordnungsgemäß sei, wenn sie den Vorschriften des Gesetzes und den allg. Regeln einer kaufmännischen Buchführung entspreche.13 Die durch das BiRiLiG erfolgte Kodifizierung zahlreicher GoB hat die Problematik entschärft,14 macht allerdings die Herleitung der GoB aus anderem Rechtsgrund im offenen, entwicklungsoffenen System der GoB15 nicht obsolet. Dank der gesetzlichen Fixierungen konnte der interpretationsbedürftige Rechtsraum zumindest einengt werden. Zur Auslegung der gesetzlichen Regelungen ist jedoch auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen. Dabei sind kollidierende Prinzipien schonend auszugleichen.16 Im Rahmen der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der GoB werden im Schrifttum zur Ge- 30 winnung der GoB traditionell die deduktive und die induktive Methode unterschieden.17 Nach der induktiven Methode werden die GoB vorrangig empirisch, also auf Grundlage der Ansichten der Kaufleute, er1 2 3 4 5 6 7 8

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Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (386). Moxter, Grundsätze ordnungmäßiger Rechnungslegung, 9 f. Moxter, Grundsätze ordnungmäßiger Rechnungslegung, 10 f.; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 45. Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses nach HGB und IFRS9, 16 f. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 45 mwN. Moxter, Grundsätze ordnungmäßiger Rechnungslegung, 9 ff. Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB D. 43; Leffson, GoB7, 21 f.; differenzierend Kruse, GoB3, 100. BVerfGE v. 10.10.1961 – 2 BvL 1/59 Rz. 27; BKT, Bilanzen13, 111; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 43; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 42; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 243 HGB Rz. 12; näher und differenzierend Kruse, GoB3, 6 f., 104 ff.; aA Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht4, Rz. 62, nach deren Ansicht „der Gedanke vom unbestimmten Rechtsbegriff abwegig ist“, weil „Rechnungslegung … auf getreue Rechenschaft (ziele)“. Weber-Grellet, DB 2016, 1279 (1283), der vorzugsweise für eine Normierung im Steuerrecht unter Aufgabe des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (s. Rz. 3) plädiert. Marx, FR 2016, 389 (392). Ausführlich Kruse, GoB3, 88 ff. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 7 (Stand Okt. 2010); zu einer Rechtsfortbildung durch GoB Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (402 f.). BFH v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227 (229). Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 42. Crezelius in Kirchhof, EStG16, § 5 Rz. 37; Marx, FR 2016, 389 (392). Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 44a. BKT, Bilanzen13, 113.

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§ 238 Rz. 31 | Buchführungspflicht mittelt.1 Diese Methode wird heute weitgehend abgelehnt,2 weil es Kaufleuten an der Normsetzungskompetenz sowie an der erforderlichen Neutralität in Bilanzfragen fehlt und sich darüber hinaus die von ordentlichen und ehrenwerten Kaufleuten vertretenen Ansichten nur schwer bestimmen lassen.3 Entsprechend der deduktiven Methode4 sind die GoB nicht durch Beobachtung (empirisch), sondern deduktiv, also im Wege des Nachdenkens zu ermitteln.5 Maßgeblich sind die Zwecke des Jahresabschlusses.6 Zum Teil werden die Metazwecke der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit herangezogen, die indes zu abstrakt sind, um aus ihnen konkreten Buchführungs- und Bilanzregeln ableiten zu können.7 Bei der deduktiven Methode lässt sich die betriebswirtschaftliche und die handelsrechtliche deduktive Methode unterscheiden.8 Die Aussagekraft beider Spielarten der deduktiven Methoden leidet daran, dass weder ein betriebswirtschaftlich theoretisch eindeutiges, allgemein anerkanntes Zwecksystem noch ein eindeutiger primärer Jahresabschlusszweck als Deduktionsgrund gelegt werden kann.9 Zum Teil werden induktive und deduktive als sich ergänzende Methoden im Entwicklungsprozess von GoB verstanden, wobei die induktive im Konfliktfall der deduktiven weichen müsse.10 31

Da die Konkretisierung von GoB ein Verfahren der Rechtsfindung und Rechtsanwendung ist,11 lässt sich die Gewinnung und Ausfüllung der GoB nicht von der Gesetzesauslegung trennen.12 Nach der (neueren) hermeneutischen Methode werden GoB unter Heranziehung der üblichen Normauslegungsmethoden ermittelt.13 Hierdurch kann eine ganzheitliche Auslegung der handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften unter Berücksichtigung von Wortlaut, Bedeutungszusammenhang, historischer Entstehungsgeschichte, subjektiven Ansichten des Gesetzgebers, objektiv-teleologischen bzw. betriebswirtschaftlichen Aspekten und Lehrmeinungen14 und Verfassungsbestimmungen erreicht werden.15 Darüber hinaus werden im Rahmen der hermeneutischen Methode auch die Methoden der Induktion sowie der betriebswirtschaftlichen Deduktion berücksichtigt.16 Somit gewährleistet die hermeneutische Methode eine intersubjektiv nachprüfbare, ausgewogene und ganzheitliche Ermittlung von GoB.17 Gleichwohl gibt es auch Kritik an der hermeneutischen Methode und insgesamt keine allseits akzeptierte Methode zur Ermittlung der GoB.18

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International anerkannte Rechnungslegungsstandards verfolgen gegenüber den prinzipienorientierten deutschen GoB ein Rahmenkonzept, das den Anspruch erhebt, die Grundsätze für die Aufstellung und die Darstellung des Jahresabschlusses möglichst vollständig wiederzugeben.19 Die innerhalb dieses Rahmens schriftlich niedergelegten Grundsätze der Bilanzierung20 entsprechen nicht ohne weiteres deutschen GoB.21 Bei einer reinen IAS/IFRS-Buchführung sind damit technisch Anpassungsbuchungen zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten erforderlich.22 Im offenen System der GoB können IAS/IFRS-Rechnungslegungsstandards zumindest als Auslegungs„anregung“ für GoB dienen.23

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Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 51; BKT, Bilanzen13, 113. Crezelius in Kirchhof, EStG16, § 5 Rz. 35 f. BKT, Bilanzen13, 113. Grundlegend Leffson, Die GoB7, 28 ff. Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 52. BKT, Bilanzen13, 114. AA Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht4, Rz. 62: „Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit sind materiell die GoB; aus ihnen sind alle Buchführungs- und Bilanzregeln abzuleiten“. Vgl. im Einzelnen Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 52. BKT, Bilanzen13, 114. Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 243 HGB Rz. 17; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 44. Crezelius in Kirchhof, EStG16, § 5 Rz. 36; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 43. Zuletzt Marx, FR 2016, 389 (392) mwN. Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 53. Marx, FR 2016, 389 (392) betont zu Recht die erforderliche Kooperation von „Rechtswissenschaft und Ökonomie“. BKT, Bilanzen13, 116. BKT, Bilanzen13, 118. BKT, Bilanzen13, 120, mwN zu weiteren Modellen für GoB-Systeme. ADS6, § 243 HGB Rz. 19a f.; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 243 HGB Rz. 18. Wawrzinek/Lübbig in Beck’sches IFRS-Handbuch5, § 2 Rz. 17. Dazu Heuser/Theile, IFRS-Handbuch5, Rz. 32, 255. Helmschrott/Buhleier, WPg. 1997, 11; Moxter, WPg. 2009, 7. Kuhn in FS Beisse, 299 (303 ff.). Ähnlich Kirsch, StuB 2008, 453 (459); kritisch Moxter, WPg. 2009, 7 (12).

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1)

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Rz. 40 § 238

3. Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen (Abs. 1 Satz 2, 3) a) Allgemeines § 238 Abs. 1 HGB schreibt kein bestimmtes Buchführungssystem vor,1 sondern fixiert nur abstrakt den 33 Rahmen, in dem sich das Buchführungssystem und die Aufzeichnungen bewegen müssen. Innerhalb dieser Grenzen kann der Kaufmann die ihm nach seinen Verhältnissen als geeignet erscheinende Buchführungsform (gebunden, Loseblatt oder offene Posten) und Buchführungstechnik (von Hand, per Buchungsmaschine oder mittels EDV) frei wählen. Ebenso wenig trifft § 238 Abs. 1 HGB selbst eine Aussage in Bezug auf die Buchführungsart (einfache, 34 doppelte oder kameralistische Buchführung).2 Den Erfordernissen der §§ 238 ff. HGB wird allerdings grds. nur eine doppelte Buchführung gerecht.3 So ist im System der einfachen Buchführung die Ableitung der nach § 242 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen GuV-Rechnung nur mittels umständlicher Nebenrechnungen möglich.4 Mit Einführung von §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass eine Befreiung von den als Einheit verstandenen Buchführungs- und Jahresabschlusspflichten nur in den normierten Fällen vorgesehen ist. Darum muss die Buchführung als tatsächliche Vorstufe und Grundlage von Bilanz und GuV „jahresabschlusstauglich“ sein. Im System der doppelten Buchführung wird jeder Geschäftsvorfall zweifach verzeichnet, einmal als Haben 35 und einmal als Soll-Buchung, sog. „Doppik“. Der Vorteil der doppelten Buchführung gegenüber einer nur einfachen Buchführung besteht in der Kontrollmechanik der doppelten Aufzeichnung, weil die Summe der Soll- und die Summe der Habenbuchungen sich entsprechen müssen. Durch Abschluss dieser (Bestands- und Erfolgs-)Konten werden die erfassten Geschäftsvorfälle des Wirtschaftsjahres dann zur Bilanz und GuV-Rechnung komprimiert.5 Der Kontenrahmen als Grundlage der Verbuchung muss mit den Gliederungsanforderungen des Gesetzes 36 für die Bilanz und die GuV-Rechnung in Einklang stehen, gesetzliche Vorgaben gibt es nicht. Der Kontenrahmen muss jedoch zu dem anfallenden Buchungsmaterial angemessen sein. b) Formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung Formell ist die Buchführung ordnungsmäßig, wenn sie in ihrer Form den handelsrechtlichen Vorschriften 37 entspricht, sie inhaltlich so beschaffen ist, dass jederzeit ein Abschluss aus ihr erstellt werden kann und für alle Buchungen einwandfreie Belege vorliegen. Materiell ordnungsmäßig ist die Buchführung, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle in ihrer Auswirkung auf Gewinn und Verlust vollständig und richtig verbucht wurden. c) Überschaubarkeit für sachverständige Dritte (Abs. 1 Satz 2) § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB konkretisiert die GoB dadurch, dass die Buchführung so beschaffen sein muss, dass sie „einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann“.

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Da die Buchführungspflicht keinen Selbstzweck verfolgt (s. Rz. 21), müssen Bücher und Aufzeichnungen überprüfbar sein. Die Belege müssen daher zumindest so geordnet sein, dass eine Systematik erkennbar ist. Maßstab ist der „sachverständige Dritte“, damit kein Laie, sondern zB Buchhalter, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerberater.6 Sachkunde ist nicht allein aufgrund handels- oder steuerrechtlicher Kenntnisse anzunehmen.7

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Der Umfang der Sachkunde des Dritten sowie Art und Umfang der Bücher und Aufzeichnungen determi- 40 nieren die Angemessenheit der Frist, in der sich dieser den notwendigen Überblick verschaffen kann. Ein 1 ADS6, § 239 HGB Rz. 5; Pöschke in GroßKomm.5, § 239 HGB Rz. 6; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 33 (Stand Nov. 2014). 2 Zu den einzelnen Buchführungssystemen Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 34 ff. (Stand Nov. 2014); Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 118 ff. 3 ADS6; § 242 HGB Rz. 39; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 41 Rz. 9; zu den Erfordernissen, unter denen eine kameralistische Buchführung nach § 238 Abs. 1 HGB genügt, Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 18 (Stand Okt. 2010). 4 Wiedmann in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 238 Rz. 24; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 714; zur Frage der rechtlichen Notwendigkeit einer doppelten Buchführung Pöschke in GroßKomm.5, § 239 HGB Rz. 7. 5 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 36 (Stand Nov. 2014). 6 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 100 f.; kritisch ADS6, § 238 HGB Rz. 45. 7 Ebenso Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 58.

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§ 238 Rz. 41 | Buchführungspflicht Überblick kann jedenfalls nicht in angemessener Zeit vermittelt werden, wenn zeitintensive Vorbereitungshandlungen oder weitere Auskünfte des Buchführungspflichtigen der Überprüfbarkeit zwingend vorgeschaltet sind.1 Sachverstand des Dritten wird nicht in Bezug auf den Gewerbezweig vorausgesetzt. Insoweit ist es ausreichend, wenn ein in dieser Hinsicht Sachverständiger fachspezifische Angaben erläutern kann.2 d) Verfolgbarkeit der Geschäftsvorfälle (Abs. 1 Satz 3) 41

Neben einem Überblick über die Geschäftsvorfälle muss die ordnungsmäßige Buchführung auch gewährleisten, dass sich die Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“ (§ 238 Abs. 1 Satz 3 HGB). Der Zusammenhang zwischen Buchung und Beleg muss deutlich werden (Belegprinzip). Der Beleg ist der Nachweis der Identität des geschäftlichen Vorfalls mit der Buchung. Diese Identität muss innerhalb eines schlüssig nachvollziehbaren Systems für alle Geschäftsvorfälle sichergestellt werden.3 Der Beleg als Verbindungsglied von Geschäftsvorfall und Buchführung muss dabei den Geschäftsvorfall entweder selbst angeben oder auf die entsprechenden Geschäftsunterlagen verweisen.4 Darüber hinaus ist festzuhalten, wer auf Seiten des Buchführungspflichtigen entschieden hat, dass es sich um einen aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall handelt.5

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Wird das Rechnungswesen auf EDV-Anlagen verarbeitet, so kann die Belegfunktion nicht mit einem Stück Papier hergestellt werden. An die Stelle des schriftlichen Einzelbelegs treten die EDV-Listungen oder Dauerbelege. Grundsätzlich ergeben sich aus einer EDV-Buchführung keine Besonderheiten, weil das Buchführungssystem vom Kaufmann frei wählbar ist. Allerdings muss insbes. die Ordnungsmäßigkeit durch Belege dem Grad einer manuellen Buchführung entsprechen.6 So muss jeder Geschäftsvorfall bis zum (elektronischen) Ursprungsbeleg lückenlos verfolgbar sein.7 Der Buchführungspflichtige hat alle erforderlichen Unterlagen zu erstellen, um einem sachverständigen Dritten die Prüfung dieses Zusammenhangs zu ermöglichen. Die Art der zusätzlichen Belege (Disketten, CD-ROMs, DVDs, Mikrofilme etc.) werden durch die Art der EDV-Buchführung bestimmt.8 Dabei ist zu beachten, dass ein gesteigerter Grad der Verschlüsselung der EDV-Buchführung auch gesteigerte Anforderungen an das Belegprinzip stellt. Insbesondere Datenflusspläne oder Protokolle müssen den genauen Verarbeitungsverlauf wiedergeben können. Im Fall einer Buchführung mittels individueller EDV erstrecken sich die Aufbewahrungspflicht und Verfahrensdokumentation insbes. auch auf den Bereich der Softwareentwicklung.

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Detaillierte Anforderungen enthalten die vom BMF als Verwaltungsanweisung veröffentlichten Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)9 und die IDW-Stellungnahmen zu GoB bei Einsatz von EDV.10 Das Fehlen dieser präzisierten Voraussetzungen führt jedoch nicht notwendig zur NichtOrdnungsmäßigkeit der Buchführung.11 Da es sich bei den GoBD lediglich um von der Finanzverwaltung abgeleitete Grundsätze handelt,12 ist die Buchführung auch weiterhin an den generellen GoB zu messen.13 Nur soweit diese „Auslegungsvorschläge“14 die allgemeinen GoB für die speziellen Anforderungen EDVgestützter Buchführung bereichsspezifisch konkretisieren, sind sie als GoB anzusehen und verbindlich.15

1 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 32 (Stand Nov. 2014); Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 102. 2 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 22 (Stand Okt. 2010). 3 ADS6, § 238 HGB Rz. 33a. 4 Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 59. 5 ADS6, § 238 HGB Rz. 34. 6 IDW RS FAIT 1, WPg. 2002, 1157 (1160). 7 Schuppenhauer, WPg. 2000, 128 (129 ff.). 8 ADS6, § 239 HGB Rz. 55. 9 BMF v. 14.11.2014 – IV A 4 - S 0316/13/10003 – DOK 2014/0353090, BStBl. I 2014, 1450; zuvor Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS): AVW, GoBS und Qualitätssicherung gemäß DIN EN ISO 9001, 1999; BMF v. 7.11.1995 – IV A 8 - S 0316 - 52/95, BStBl. I 1995, 738. 10 IDW RS FAIT 1, WPg. 2002, 1157; IDW RS FAIT 2, WPg. 2003, 1258; IDW RS FAIT 3, WPg. 2006, 1465. 11 AA Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 238 HGB Rz. 21. 12 Zur Kritik an den GoBD Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 24 mwN. 13 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 35 (Stand Okt. 2010). 14 Allgemein Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 45. 15 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 25 mwN zur Rechtsqualität der GoBD.

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C. Dokumentation und Aufbewahrung von Briefkopien (Abs. 2)

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Rz. 47 § 238

C. Dokumentation und Aufbewahrung von Briefkopien (Abs. 2) Die Dokumentationspflicht ist ein Teilaspekt des Belegprinzips und wird in § 238 Abs. 2 HGB konkreti- 44 siert. Der Kaufmann ist verpflichtet, Kopien der abgesandten Handelsbriefe zurückzubehalten. Handelsbriefe sind nur Schriftstücke, die ein Handelsgeschäft betreffen (§ 257 Abs. 2 HGB). Sie müssen darüber hinaus rechtsverbindliche Erklärungen enthalten, die der Kaufmann nach außen hin abgegeben hat.1 Inhalt des Briefs muss die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts sein.2 Aufzubewahren sind insbes. Verträge oder Vertragsangebote, Aufträge, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Frachtbriefe, Rechnungen, Reklamationen samt Stellungnahmen, Gutschriften, Zahlungsbelege, Überweisungsträger, Kontoauszüge und -abschlüsse und Barquittungen.3 Rechtlich nicht verpflichtende schriftliche Erklärungen zu Handelsgeschäften des Kaufmanns sind gleichfalls zu dokumentieren, soweit sie zu Handelsgeschäften führen können.4 Ausgehende Korrespondenz ist ungeachtet der Form (Kopie, zweiter Ausdruck, gespeicherte Datei) auf- 45 zubewahren.5 Im Gegensatz zum Steuerrecht (§ 147 Abs. 2 AO) verlangt das HGB keine dauerhafte Reproduzierbarkeit, um den Einsatz von elektronischen Speichermedien zu ermöglichen.6 Das Aufbewahren unmittelbar lesbarer Kopien ist nicht erforderlich, es genügt das Festhalten auf einem dauerhaften Datenträger (§ 257 Abs. 3 Satz 1 HGB). „Briefe“ sind nicht nur Briefe im herkömmlichen Sinne, sondern auch Fernschreiben, Telefaxe, Telegramme, E-Mails7 und andere durch Datenfernübertragung übersendete Nachrichten. § 238 Abs. 2 HGB fordert nur die vollinhaltliche Wiedergabe8 abgesandter Handelsbriefe. Diktate, Tonbänder und Stenographie-Blöcke sind als Vorstufe ebenso wenig aufzubewahren wie Vorlagen oder Entwürfe des Handelsbriefs. Die Aufbewahrungsfrist für abgesandte Handelsbriefe beträgt nach § 257 Abs. 4 HGB sechs Jahre, die 46 Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Brief abgesandt wurde (§ 257 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 und 5 HGB). Darüber hinaus besteht eine steuerliche Aufbewahrungspflicht mindestens solange und soweit die Unterlagen für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 147 Abs. 3 Satz 2 AO) und die reguläre Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

D. Folgen einer Verletzung der Buchführungspflicht Die Verletzung der Buchführungspflicht kann im Einzelfall strafrechtliche9 Insolvenzdelikte (§§ 283–283b 47 StGB) erfüllen10 oder kann Kreditbetrug (§ 265b StGB) sein.11 Eine Strafbarkeit liegt nicht vor, wenn die Buchführung oder Bilanzierung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.12 Eine unrichtige Darstellung führt unter Umständen zu einer Strafbarkeit nach § 331 HGB.13 Im Innenverhältnis führt die Verletzung der Buchführungspflicht durch den Geschäftsführer (§ 43 Abs. 2 GmbHG) bzw. Vorstand (§ 93 Abs. 2 AktG) zu einer schadensersatzrelevanten Pflichtverletzung gegenüber denjenigen, deren vermögensrechtliche Interessen sie wahrnehmen,14 nicht jedoch gegenüber Dritten.15 In besonders gelagerten Fällen kann eine Missachtung der GoB die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zur Folge haben.16 Nach § 335 HGB kann bei Verletzung der Pflichten zur Offenlegung ein Zwangsgeld festgesetzt werden. Schließ1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Pöschke in GroßKomm.5, § 257 HGB Rz. 23. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 15. Seiler, NJW-CoR 1999, 166 (168); ähnlich Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 141. Mit Einschränkungen Höllig, DB 1965, 1061 (1062). Seiler, NJW-CoR 1999, 166 (169). Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 63; Schulze-Osterloh, WM 1977, 606; dazu auch IDW RS FAIT 3, WPg. 2006, 1465. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 12; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 141. ADS6, § 238 HGB Rz. 67. Zu zivilrechtlichen Schadenersatzpflichten näher Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 67. Vgl. BGH v. 15.7.1981 – 3 StR 230/81, BGHSt 30, 186; v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012, 511; Pöschke in GroßKomm.5, § 238 HGB Rz. 65 ff.; eingehend Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Strafrecht, 1983. Zu weiteren Straftatbeständen, die bei Verletzung der Buchführungspflicht erfüllt sein können, Maul, Handelsrechtliche Rechnungslegung, 1978, 19. BGH v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012, 511; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 18. Zu bußgeldbewerten Ordnungswidrigkeiten vgl. § 334 HGB; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 18. Fleischer, WM 2006, 2021 (2025 ff.); Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 61 (Stand Nov. 2014); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 19; BGH v. 9.5.1974 – II ZR 50/72, NJW 1974, 1468; v. 8.7.1985 – II ZR 198/ 84, NJW 1986, 55. Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 87. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 19.

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§ 239 | Führung der Handelsbücher lich ziehen Verletzungen der Buchführungspflicht auch steuerrechtliche Folgen nach sich. Neben der (partiellen) Verwerfung der Buchführung und Hinzuschätzungen des Gewinns (§§ 158, 162 AO) kommen Zwangsmittel in Betracht (§ 328 AO) und bestimmte Ordnungswidrigkeiten können mit einem Bußgeld geahndet werden (§§ 378, 379 AO).1

§ 239 Führung der Handelsbücher (1) 1Bei der Führung der Handelsbücher und bei den sonst erforderlichen Aufzeichnungen hat sich der Kaufmann einer lebenden Sprache zu bedienen. 2Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen. (2) Die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden. (3) 1Eine Eintragung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. 2Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. (4) 1Die Handelsbücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. 2Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. 3Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß. A. I. II. III. IV. B. I. II. III. C. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Anforderungen an die Buchführung (Abs. 1) Handelsbücher (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . Führung in lebender Sprache (Abs. 1 Satz 1) Verwendung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbolen (Abs. 1 Satz 2) . . Qualitative Anforderungen an die Buchführung (Abs. 2) Allgemeines (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz der Wahrheit (Abs. 2) . . . . . . . . Grundsatz der Klarheit (Abs. 2) . . . . . . . . .

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IV. Grundsatz der zeitgerechten und geordneten Verbuchung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Unveränderlichkeit der Eintragungen und Aufzeichnungen (Abs. 3) I. Feststellbarkeit des ursprünglichen Inhalts (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Feststellbarkeit der zeitlichen Abfolge der Eintragungen (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . E. Loseblatt-, Offene-Posten- und EDV-Buchführung (Abs. 4) I. Form der Buchführung (Abs. 4 Satz 1) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Loseblattbuchführung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Offene-Posten-Buchführung . . . . . . . . . . . . 4. EDV-Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügbarkeit und Lesbarkeit (Abs. 4 Satz 2) F. Ort der Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Offerhaus, Die neuen handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften, BB 1976, 1622; Biener, Die Neufassung handelsrechtlicher Buchführungsvorschriften, DB 1977, 527; Schulze-Osterloh, Die neuen handels- und steuerrechtlichen Buchführungsvorschriften nach dem 1. WiKG und dem EGAO 1977 sowie nach der AO 1977, WM 1977, 606; Schuppenhauer, EDV-Buchführung im Ausland, Wpg. 1984, 514; Kammerl, Vollständige und richtige Aufzeichnungen nach § 239 Abs. 2 HGB und die Organisation der Geschäftstätigkeit, DB 1991, 2352; Schmidt, Möglichkeiten der Führung und Aufbewahrung von Buchführungsunterlagen inländischer Gesellschaften im Ausland, StuB 1999, 689; Schuppenhauer, Grundsätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung im Rechnungswesen (GoDV 2000), Wpg. 2000, 128; Budde/Steuber, Die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Bestimmtheit sowie der Klarheit und die Rechnungslegung nach HGB, in Beisse (Hrsg.), Deutsches Bilanzrecht – in der Krise oder im Aufbruch?, 2001, 57; Goldshteyn/Thelen, Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung und Haftungsrisiken bei Verstößen gegen die GoBD, DB 2015, 1126; Herrfurth, Die neuen GoBD zur DV-gestützten Buchführung und zum Datenzugriff, StuB 2015, 250; Roderburg/Richter, Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland, IStR 2016, 456. 1 ADS6, § 238 HGB Rz. 62; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 238 Rz. 21.

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B. Allgemeine Anforderungen an die Buchführung (Abs. 1)

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Rz. 5 § 239

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Handelsbücher sind dazu bestimmt, die Handelsgeschäfte und die Lage des Vermögens der Gesellschaft 1 ersichtlich zu machen. § 239 HGB umschreibt, wie die Handelsbücher beschaffen sein sollen und zu führen sind und konkretisiert damit die in § 238 HGB aufgestellten Grundsätze.1

II. Bedeutung und Zweck Die Beschränkungen nach § 239 Abs. 1 HGB (Sprache und Zeichen), die Mindestanforderungen an die 2 Aufzeichnungen und Buchungen nach § 239 Abs. 2 HGB, das Veränderungsverbot nach § 239 Abs. 3 HGB sowie letztlich die Beschränkung nach § 239 Abs. 4 HGB auf mit den GoB entsprechenden Formen der Buchführung dienen der Konkretisierung der Vorgaben von § 238 HGB.2 § 239 HGB bezweckt neben dieser Konkretisierung auch einen sachgerechten Ausgleich von Buchführungspflichten und wirtschaftlichen Interessen der kaufmännischen Praxis, um Effizienz und Rationalisierung der Buchführung zu gewährleisten.3 Da die Buchführung kein Selbstzweck ist (s. § 238 Rz. 5), sollen die gesetzlichen Vorschriften über die Ausgestaltung der Buchführung einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen die Buchführungszwecke (s. § 238 Rz. 20 ff.) für den Kaufmann unter zumutbaren Buchführungslasten erfüllbar sind.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 239 HGB baut konkretisierend auf der Grundnorm des § 238 HGB auf (s. Rz. 1). Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 239 HGB4 entsprechen denen bei Verstoß gegen § 238 HGB (s. § 238 Rz. 46). § 239 HGB entspricht weitgehend inhaltlich den steuerrechtlichen Ordnungsvorgaben des § 146 Abs. 1, 3–5 AO. Allerdings verlangt § 146 Abs. 5 Satz 3 AO für das Steuerrecht weitergehend die maschinelle Auswertbarkeit im Rahmen der Außenprüfung.5 § 239 HGB wird als handelsrechtliche Ordnungsvorschrift nicht von internationalen Rechnungslegungsstandards überlagert, weil diese gerade keine Ordnungsvorgaben für die Buchführung enthalten.

3

IV. Rechtsentwicklung § 239 HGB entspricht § 43 HGB aF.6 Seit dem EGAO 19777 beschränkt sich das Gesetz auf eine Umschrei- 4 bung der Anforderungen in inhaltlicher Hinsicht durch § 239 Abs. 2 HGB und normiert ausdrücklich die Zulässigkeit von Handelsbüchern als geordnete Ablage von Belegen und von EDV-Buchführung nach § 239 Abs. 4 HGB.8 Gerade durch die Eröffnung maschinen- und EDV-gestützter Buchführung bringt das Gesetz den vom Gesetzgeber verfolgten Rationalisierungszweck9 (s. Rz. 2) zum Ausdruck.

B. Allgemeine Anforderungen an die Buchführung (Abs. 1) I. Handelsbücher (Abs. 1 Satz 1) Handelsbücher sind die Grund- und Hauptbücher sowie, falls erforderlich, Nebenbücher (Hilfsbücher).10 5 Das Grundbuch (Journal, Memorial oder Primanota) nimmt die aufgezeichneten Geschäftsvorfälle in ihrer zeitlichen Reihenfolge anhand von Belegen auf. Diese Buchungen werden in dem Hauptbuch nach sachgerechten Kategorien auf Sachkonten verteilt. Nebenbücher (oder Hilfsbücher) dienen dazu, bestimmte Geschäftsvorfälle zu sammeln und regelmäßig auf ein entsprechendes Sachkonto des Hauptbuchs zu übertragen. Sie sind immer dann zu führen, wenn die Fülle des Buchungsstoffs dazu führt, dass die Auf1 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 3 Vgl. Bieg/Waschbusch in Beck HdR, A 100 Rz. 90 (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit) (Stand Mai 2010, EL 32); Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 4 Dazu Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 45. 5 Zu den steuerrechtlichen Anforderungen als Vorbedingung der sog. digitalen Außenprüfung näher Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 40 ff., 60, 69 ff. (Stand Juli 2015). 6 Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 49; Claussen in Kölner Komm.-AktG3, § 239 HGB Rz. 1. 7 Einführungsgesetz zur AO v. 14.12.1976, BGBl. I 1976, 3341. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 9 Begründung RegE, BT-Drucks. 7/261, 51 ff.; dazu Biener DB 1977, 527 f.; Schulze-Osterloh, WM 1977, 606, 609 f. 10 Ausführlich Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 740 ff.

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§ 239 Rz. 6 | Führung der Handelsbücher zeichnungen in den Hauptbüchern unübersichtlich werden. Die Gesamtheit aller Handelsbücher unterliegt der Richtigkeits- und Aufbewahrungspflicht. Handelsbücher sind Urkunden iSd. § 267 StGB.

II. Führung in lebender Sprache (Abs. 1 Satz 1) 6

Das Erfordernis einer lebenden Buchführungssprache ist Ausfluss des Grundsatzes der Klarheit (s. Rz. 16). Eine lebende Sprache ist eine gegenwärtig gesprochene Sprache, daher nicht Latein1 oder Altgriechisch, ebenso wenig Programmier- oder Kunstsprachen wie Esperanto.2 Grds. ist jede lebende Sprache zulässig. Die Buchführung muss nicht in Deutsch erstellt werden.3 Die weite Formulierung des § 239 Abs. 1 Satz 1 HGB wird nur durch die Ausrichtung der Buchführung auf einen sachverständigen Dritten (s. § 238 Rz. 38) begrenzt. Die Sprache braucht allerdings nicht wie Englisch oder eine andere gängige Fremdsprache4 so weit verbreitet zu sein, dass jederzeit ein Dolmetscher zur Übersetzung erreichbar ist.5

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Zweck der Vorschrift ist es, dem Buchführungspflichtigen zu ermöglichen, die Bücher in seiner Muttersprache zu führen.6 Bei multinationalen Konzernen kann ua. aus Gründen der Vereinfachung der Konsolidierung und der periodischen Berichterstattung eine englischsprachige Buchführung angezeigt sein. Im Gegensatz zu den Handelsbüchern ist der Jahresabschluss stets in deutscher Sprache aufzustellen (§ 244 HGB).

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Die Buchführung in ausländischer Währung, etwa bei häufigen Fremdwährungstransaktionen, ist zulässig.7 Dies entbindet jedoch nicht von der Pflicht, den Jahresabschluss nach § 244 HGB in Euro aufzustellen.8

III. Verwendung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbolen (Abs. 1 Satz 2) 9

Die Verwendung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben und Symbolen ist grds. zulässig. Die Schriftzeichen müssen jedoch für einen sachverständigen Dritten (s. § 238 Rz. 38) verständlich und nachvollziehbar sein. Verständlichkeit für jedermann ist nicht erforderlich.9 Sachverstand wird hinsichtlich der Buchführung selbst, nicht in Bezug auf die verwendeten Schriftzeichen vorausgesetzt. Die Buchführung in Kurzschrift ist nicht zulässig.

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Abkürzungen sind zulässig, wenn sie entweder aus sich selbst heraus verständlich sind oder ein Abkürzungsverzeichnis ihre Bedeutung eindeutig festlegt.10 Zeichen und Abkürzungen können auch betriebsindividueller Art sein, ein Abkürzungsverzeichnis ist dann zwingend.11 Ziffern, Buchstaben und andere Symbole müssen in ihrer Bedeutung ebenfalls eindeutig festgelegt sein, die falls erforderlich durch ein entsprechendes Verzeichnis nachzuweisen ist.

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Insbesondere beim Einsatz von EDV-Buchführung ist das Eindeutigkeitserfordernis zu beachten. Die in der eingesetzten Software verwendete Programmiersprache ersetzt die Schriftzeichen der lebenden Sprache. Diese muss dergestalt dokumentiert und erläutert sein, dass ein eindeutiges Verständnis möglich ist.12 Die technischen Besonderheiten der verwendeten EDV- und IT-Systeme bestimmen Inhalt, Form und Umfang dieser Unterlagen.13

1 AA für das Bsp. eines vatikanischen Unternehmens Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung7, § 239 HGB Rz. 2. 2 Graf in Haufe BilKomm.7, § 239 HGB Rz. 12; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 11 (Stand Nov. 2014). 3 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung7, § 239 HGB Rz. 2. 4 Daür Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung7, § 239 HGB Rz. 2. 5 Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 52 (Stand Juni 2012); aA Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 11 (Stand Nov. 2014); Wiedmann, Bilanzrecht3, § 239 HGB Rz. 2; Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 5. 6 Biener, DB 1977, 527 (528); Graf in Haufe BilKomm.7, § 239 HGB Rz. 6; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung3, 50. 7 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 14 (Stand Nov. 2014). 8 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 7. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 4. 10 ADS6, § 239 HGB Rz. 15; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 13 (Stand Nov. 2014). 11 Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 8. 12 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 31. 13 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 26 ff. (Stand Okt. 2010).

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C. Qualitative Anforderungen an die Buchführung (Abs. 2)

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Rz. 19 § 239

C. Qualitative Anforderungen an die Buchführung (Abs. 2) I. Allgemeines (Abs. 2) Die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden.

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II. Grundsatz der Wahrheit (Abs. 2) Das Gebot vollständiger und richtiger Buchführung ergibt sich aus dem Wahrheitsgrundsatz. Danach 13 müssen Buchführung und Bilanz die Wirklichkeit mit Hilfe der für die Abbildung geltenden Normen darstellen.1 Vollständigkeit meint die lückenlose Aufzeichnung aller buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle.2 Eine räumliche Zuweisung enthält der Grundsatz der Vollständigkeit nicht, so dass auch eine Buchführung außer Haus zulässig sein kann (s. Rz. 34). Das Vollständigkeitsgebot für den Jahresabschluss ist in § 246 Abs. 1 HGB niedergelegt.

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Richtigkeit meint sachliche Richtigkeit. Die Buchung muss im Rückgriff auf das Belegprinzip (s. § 238 Rz. 40) auf richtigen Aufzeichnungen beruhen und den Geschäftsvorfall wahrheitsgetreu darstellen.3 Das Gebot der Richtigkeit schließt das Verbot der Veränderung oder Verfälschung des Beleginhalts, etwa durch Verbuchung von falschen Werten, Verbuchung unter falschem Namen oder durch Verbuchung erdichteter Geschäftsvorfälle, ein.4

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III. Grundsatz der Klarheit (Abs. 2) Neben sachlicher Richtigkeit verlangt der Grundsatz der Klarheit auch förmliche Richtigkeit der Buchführung.5 Die Buchungen müssen übersichtlich und deutlich sein, so dass ein sachverständiger Dritter den einzelnen Geschäftsvorfall6 ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann.7

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Bei konventioneller Buchführungstechnik setzt dies einen ordnungsmäßigen Buchungstext voraus, der 17 in lesbarer Form zumindest das Datum, einen Beleghinweis und die Angabe des Gegenkontos enthält.8 Ist kein Beleg vorhanden, muss die Nachvollziehbarkeit durch den sachverständigen Dritten durch den Buchungstext selbst gewährleistet sein. Durch den Einsatz von EDV-Buchführung verändern sich die Anforderungen an die Ausgestaltung der Buchungen.9 Statt mittels eines konventionellen Belegs wird der Zusammenhang zwischen Buchung und Geschäftsvorfall durch Sammelbelege oder verfahrensmäßigen Nachweis hergestellt. Damit sind erhöhte Anforderungen an die Verfahrensdokumentation zu stellen.10 Die Rückverfolgung der Buchung zum Geschäftsvorfall muss anhand von Zuordnungs- und Identifikationsmerkmalen gewährleistet sein.11

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IV. Grundsatz der zeitgerechten und geordneten Verbuchung (Abs. 2) Neben dem Gebot vollständiger und richtiger Buchführung enthält § 239 Abs. 2 HGB das Gebot zeitgerechter und geordneter Verbuchung der Geschäftsvorfälle. Der Begriff ist steuerrechtlicher Herkunft,12 es kann daher auf steuerrechtliche Konkretisierungen zurückgegriffen werden.13 1 Ausgesprochen kritisch zum Begriff der Bilanzwahrheit Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 193 ff., 200. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 9; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 22 (Stand Nov. 2014). 3 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 25 (Stand Nov. 2014). 4 ADS6, § 239 Rz. 23; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 9. 5 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 12. 6 Zur Einzelerfassung ADS6, § 239 Rz. 12 und (weitreichend für Kassenvorgänge) BFH v. 16.12.2014 – X R 29/13, BFH/NV 2015, 790. 7 Zust. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 12. 8 ADS6, § 238 HGB Rz. 37. 9 Ausführlich zu den zur Erfüllung der Belegfunktion notwendigen Angaben bei EDV-Buchführung IDW, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Einsatz von Informationstechnologie (RS FAIT 1), Wpg. 2002, 1157 (1160). 10 IDW, RS FAIT 1, Wpg. 2002, 1157 (1160). 11 Schuppenhauer, Wpg. 2000, 128 (130). 12 Dazu Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 9 (Stand Juni 2012). 13 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 13.

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§ 239 Rz. 20 | Führung der Handelsbücher 20

Zeitgerechte Verbuchung bedeutet, dass in einem Geschäftsbuch ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) im Anschluss an den Geschäftsvorfall gebucht werden muss.1 Das Erfordernis der zeitlichen Nähe trägt auch zur Richtigkeit der Buchungen bei,2 denn mit zunehmendem Zeitabstand verschwimmen die Fakten im Gedächtnis. Der Zeitpunkt des Auftretens eines Geschäftsvorfalls bestimmt sich nach der Leistungserbringung, nicht nach der Belegerstellung.

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Eine bestimmte Erfassungsfrist ist nicht vorgeschrieben. Mit Ausnahme der Bargeschäfte3 enthält der Grundsatz der zeitgerechten Verbuchung kein Gebot täglicher Verbuchung.4 Verzögerungen dürfen allerdings die Glaubwürdigkeit der Eintragungen nicht beeinträchtigen.5 Der Buchungsstoff darf gesammelt werden, sofern die Belege bis zur Verbuchung sicher und übersichtlich aufbewahrt werden.6 Der erlaubte Zeitraum bis zur Verbuchung richtet sich nach der Anzahl und Häufigkeit der Geschäftsvorfälle. So entspricht bei kleineren Betrieben mit wenigen Geschäftsvorfällen ein Buchungsrückstand bis zu einem Monat noch dem Erfordernis einer zeitgerechten Verbuchung. Die Rspr. lässt hingegen für den Regelfall nur einen Buchungsrückstand von 10 Tagen zu.7 Stets entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Insbesondere kommt es darauf an, ob die Vollständigkeit der in der Zeit bis zur Verbuchung angefallenen Belege gesichert ist.8 Sind Sicherungsvorkehrungen gegen die Gefahr des Verlusts der Belege getroffen, so kann auch bei größeren Betrieben ein Buchungsrückstand von einem Monat unschädlich sein.9

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Geordnete Verbuchung bedeutet, dass der Buchungsstoff sachlich richtig in kontenmäßiger Ordnung erfasst wird. Voraussetzung dieser kontenmäßigen Ordnung ist ein Kontenplan.10 Eines bestimmten Kontenrahmens muss sich der Buchführungspflichtige nicht bedienen. Ausreichend ist jede sinnvolle Ordnung der Buchungen, die einen sachverständigen Dritten in der Frist des § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB den erforderlichen Überblick erlangen lässt11 und die Selbstinformation des Kaufmanns laufend ermöglicht.12 Insbesondere ist eine chronologische Ordnung genügend, aber nicht erforderlich.13 Dies ermöglicht eine Speicherbuchführung, welche die Daten elektronisch auf maschinell lesbaren Datenträgern erfasst.14 Aufgrund der regelmäßig einheitlichen Verarbeitung vergleichbarer Vorgänge kommt der Verfahrensdokumentation auch in dieser Hinsicht entscheidende Bedeutung zu.15

D. Unveränderlichkeit der Eintragungen und Aufzeichnungen (Abs. 3) I. Feststellbarkeit des ursprünglichen Inhalts (Abs. 3 Satz 1) 23

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Zur Gewährleistung des Grundsatzes der Klarheit und des Dokumentationszwecks der Buchführung dürfen nach § 239 Abs. 3 HGB Veränderungen von Eintragungen und Aufzeichnungen nur im Rahmen eines kontrollierten und nachvollziehbaren Verfahrens vorgenommen werden.16 Organisatorisch und technisch ist Vorsorge zu treffen, um bewusste Manipulationen, aber auch unbeabsichtigte Änderungen an den Buchführungsunterlagen zu erkennen und auszuschließen.17 Nachträgliche Veränderungen, die dazu führen, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr nachvollziehbar ist, sind unzulässig (zB Durchstreichungen, Rasuren, Überkleben, Auslöschen, Radierungen oder Überschreibungen mit Tipp-Ex18). Stattdessen ist der ursprüngliche Inhalt von Eintragungen durch treffende Bezeichnungen kenntlich zu machen.19 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

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BFH v. 22.1.1988 – III R 171/82, BStBl. II 1988, 535 (536); v. 11.3.1988 – III R 62/87; BFH/NV 1989, 22. BFH v. 19.10.2005 – XI R 4/04, BStBl. II 2006, 509 (510). ADS6, § 239 HGB Rz. 27; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 15. BFH v. 24.3.1970 – I R 38/68, BStBl. II 1970, 540. BFH v. 26.3.1968 – IV 63/63, BStBl. II 1968, 527 (531); v. 7.7.1977 – IV R 205/72, BStBl. II 1978, 307 (309). ADS6, § 239 HGB Rz. 26. BFH v. 26.3.1968 – IV 63/63, BStBl. II 1968, 527 (532); v. 11.3.1988 – III R 62/87, BFH/NV 1989, 22; zur Kritik Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 12 mwN. ADS6, § 239 HGB Rz. 26. BFH v. 26.8.1975 – VIII R 109/70, BStBl. II 1976, 210 (212). ADS6, § 239 HGB Rz. 32. Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 13. ADS6, § 239 HGB Rz. 32. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 16. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 34. Ausführlich Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 10, 44 (Stand Juli 2015). ADS6, § 239 Rz. 36. Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 31 (Stand Nov. 2014). ADS6, § 239 HGB Rz. 40 f. Ähnlich Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 169, der sich zugleich für eine Beschränkung der Umbuchungskorrekturen auf das unbedingt erforderliche Maß ausspricht.

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Drüen

E. Loseblatt-, Offene-Posten- und EDV-Buchführung (§ 239 Abs. 4 HGB)

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Rz. 31 § 239

Eintragungen sind mit und auf dauerhaftem Schreibmaterial (Tinte, Tintenstift, Kugelschreiber, Maschinenschrift einschl. Durchschriften mit Kohlepapier) vorzunehmen, eine Buchführung mit Bleistift ist nicht zulässig.1 Das eingesetzte Schreibmaterial muss ausschließen, dass die Eintragungen beseitigt oder verändert werden können und gewährleisten, dass das Geschriebene innerhalb der Aufbewahrungsfrist leserlich ist (regelmäßig nicht bei der Verwendung von Thermopapier).2

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Die Art der Aufzeichnungen muss strukturell so angelegt sein, dass möglichst wenig Raum für Manipula- 26 tionen bleibt. Bei konventionellen Buchführungssystemen dürfen die Aufzeichnungen keine unausgefüllten Zwischenräume enthalten.3 EDV-Buchführungssysteme4 müssen software- oder hardwareseitig mit Sicherungen und Sperren versehen sein, die nach erstmaliger Speicherung eine nachträgliche Manipulation bereits eingegebener Daten verhindern.5 Jegliche Form eines digitalen „Radierens“ muss ausgeschlossen sein. Auch die eingesetzten EDV-Datenträger müssen so beschaffen sein, dass eine nachträgliche manipulative Löschung oder Veränderung der vorhandenen Daten ausgeschlossen ist. Änderungen müssen als solche erkennbar sein. Gleiches gilt bei Übertragung der Daten auf einen anderen Datenträger.6 Sind nachträgliche Veränderungen notwendig, muss der Buchführungspflichtige diese anhand von Protokollen (Umbuchungs- oder Fehlerlisten) dokumentieren. Falsche Buchungen sind unter Angabe des Zeitpunkts der Korrektur durch Stornobuchungen auszugleichen7 und mittels Stornierungsbeleg dauerhaft festzuhalten.8

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II. Feststellbarkeit der zeitlichen Abfolge der Eintragungen (Abs. 3 Satz 2) Nachträgliche Veränderungen, die dazu führen, dass die zeitliche Abfolge der Eintragungen nicht mehr 28 nachvollziehbar ist, sind ebenfalls unzulässig. Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter Rz. 23 ff. verwiesen werden.

E. Loseblatt-, Offene-Posten- und EDV-Buchführung (Abs. 4) I. Form der Buchführung (Abs. 4 Satz 1) 1. Allgemeines § 239 Abs. 4 HGB schreibt keine bestimmte Form der Bücher und Aufzeichnungen vor.9 Die Vorschrift ist 29 zugleich die gesetzliche Grundlage für die Loseblatt- bzw. Offene-Posten-Buchführung und die EDV-Buchführung. Die verwendete Buchführungsform muss lediglich in ihrer Art und Weise den GoB entsprechen.10 2. Loseblattbuchführung Bei der Loseblattbuchführung – als Vorstufe moderner EDV-gestützter Buchführungssysteme – können, 30 anders als bei der Verwendung gebundener Bücher, den Aufzeichnungen einzelne Seiten hinzugefügt oder entnommen werden. Deshalb ist es insbes. erforderlich, dass die Aufzeichnungen in der richtigen Reihenfolge vorliegen und diese beibehalten bleibt. Dies kann zB durch fortlaufende Nummerierung und Bildung von Anschlusssalden gewährleistet werden.11 Das verwendete Ordnungsprinzip muss Übersichtlichkeit und Vollständigkeit, etwa durch chronologische Ablage der Belege, gewährleisten.12 3. Offene-Posten-Buchführung Bei der vorrangig im Kontokorrentbereich eingesetzten Offene-Posten-Buchführung werden die einzelnen Geschäftsvorfälle buchmäßig erfasst und eingetragen. Die Rechnungen selbst werden als (offene bzw. erledigte) Posten zusammengefasst und erfüllen damit Buchfunktion. Sie müssen daher übersichtlich und in 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 18. ADS6, § 239 HGB Rz. 40. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 18. Ausführlich Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 26 ff. (Stand Okt. 2010). Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 35; Schuppenhauer, Wpg. 2000, 128 (132). Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 61 (Stand Juni 2012). Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 16. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 35. ADS6, § 239 HGB Rz. 5; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 6. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 19. Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 42 (Stand Nov. 2014). Dazu im Einzelnen Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 66 (Stand Juni 2012).

Drüen

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§ 239 Rz. 32 | Führung der Handelsbücher der richtigen Reihenfolge geordnet abgelegt werden und die Vollständigkeit der Ablage muss sichergestellt sein.1 Insbesondere bei der Offene-Posten-Buchführung kommt dem Ordnungsprinzip entscheidende Bedeutung zu. Klarheit muss auch hier gewährleistet sein,2 dies geschieht vor allem durch zweifache Kopie der Rechnungen, die sowohl eine chronologische Erfassung als auch Auskunft über die Höhe der Forderungen bzw. Verbindlichkeiten ermöglicht.3 4. EDV-Buchführung 32

Unter EDV-Buchführung ist jede computergestützte Buchführung zu verstehen, bei der die erzeugten Buchungen (elektronisch) auf Datenträgern gespeichert und dann auf Sichtgeräten und/oder als Druckausgabe, einzeln oder sachgerecht gruppiert, wieder lesbar gemacht werden. § 239 Abs. 4 Satz 1 HGB erklärt diese Form der Datenspeicherung für zulässig, soweit sowohl für die Buchführung selbst als auch für das Verfahren die GoB gewahrt sind. Aus Sicht der Finanzverwaltung hat das BMF Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)4 veröffentlicht, die weitreichende und die Unternehmenspraxis zum Teil herausfordernde Anforderungen aufstellen.5 Ebenso wie IDW-Stellungnahmen zu GoB bei Einsatz von EDV6 sind diese nicht qua Autorität rechtsverbindlich (s. § 238 Rz. 42). Überdies gibt es keine eigenständigen GoB für die EDV-Buchführung.7 Nur soweit diese fachkundigen Stellungnahmen die allgemeinen GoB für die speziellen Anforderungen EDV-gestützter Buchführung bereichsspezifisch konkretisieren, sind sie als GoB anzusehen und verbindlich.8 Darum lösen Abweichungen von den GoBD nicht automatisch eine Berichtspflicht des Abschlussprüfers wegen Verstoßes gegen „gesetzliche Vorschriften“ nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB aus.9

II. Verfügbarkeit und Lesbarkeit (Abs. 4 Satz 2) 33

§ 239 Abs. 4 Satz 2 HGB setzt Verfügbarkeit und potentielle Lesbarkeit der Daten innerhalb der Aufbewahrungsfrist voraus.10 Die Ausführungen zu der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung gelten für die EDV-Buchführung sinngemäß, die mangelnde physische Existenz von Büchern alten Stils führt jedoch zu einigen Besonderheiten. So sind erhöhte Anforderungen an die Verfahrensdokumentation zu stellen (s. Rz. 18), auch die Unveränderlichkeit der Eintragungen muss durch gesonderte technische Systeme sichergestellt werden (s. Rz. 26).11

F. Ort der Buchführung 34

§ 239 HGB trifft keine Aussage über den Ort der Buchführung. Auch die Außer-Haus-Buchhaltung, bei der die Bücher von einer Datenverarbeitungsgesellschaft an einem anderen Platz geführt werden, ist grds. zulässig. Insbesondere enthält das Gebot der Vollständigkeit keine räumliche Direktion und fordert nur eine vollständige (und unveränderte) Belegsammlung.12 Welche zeitliche Vorgaben bei der Erfassung der Geschäftsvorfälle durch externe Stellen einzuhalten sind, hängt von dem Umfang und der Komplexität des Buchführungsstoffs ab.13

35

Der Ort der Datenverarbeitung kann handelsrechtlich im Ausland liegen.14 Formelle und materielle Anforderungen richten sich jedoch nach deutschem Recht.15 Ebenfalls ist zu beachten, dass die Möglichkeit

15

Ausführlich Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 21. FinMin. NRW v. 10.6.1963 – S 2153 - 1 - V B 1, BStBl. II 1963, 93 (94). Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 43 (Stand Nov. 2014). BMF v. 14.11.2014 – IV A 4 - S 0316/13/10003 – DOK 2014/0353090, BStBl. I 2014, 1450. Dazu Goldshteyn/Thelen, DB 2015, 1126; Herrfurth, StuB 2015, 250. IDW RS FAIT 1, Wpg. 2002, 1157; IDW RS FAIT 2, Wpg. 2003, 1258; IDW RS FAIT 3, Wpg. 2006, 1465. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 27. Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 25. Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 45. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 29. Ausführlich zu den technischen Anforderungen an die EDV-Buchführung Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 48 ff. (Stand Nov. 2014); zur Verfahrensdokumentation nach den GoBD aus Sicht der Finanzverwaltung Henn, DB 2016, 254. ADS6, § 239 HGB Rz. 21. ADS6, § 239 HGB Rz. 30. Offerhaus, BB 1976, 1622 (1624); aA Biener, DB 1977, 527 (528); Schulze-Osterloh, WM 1977, 606 (610); zur Auslagerung von rechnungslegungsrelevanten Prozessen und Funktionen einschließlich Cloud Computing jüngst IDW, RS FAIT 5, IDW Life 1/2016, 35. Schmidt, StuB 1999, 689.

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Drüen

Inventar

| § 240

der Vorlage der Handelsbücher nach §§ 258 ff. HGB im Bedarfsfall sichergestellt sein muss.1 Grundaufzeichnungen müssen vom Kaufmann im Inland geführt werden,2 damit im Unternehmen selbst zugänglich und innerhalb einer angemessenen Frist nachprüfbar sein.3 Die Selbstinformation des Buchführungspflichtigen und Nachvollziehbarkeit durch einen sachverständigen Dritten4 setzen der Erfüllung der handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten im Ausland weiche Grenzen. Steuerrechtlich sind Bücher und Aufzeichnungen dagegen grundsätzlich im Inland zu führen und auf- 36 zubewahren (§ 146 Abs. 2 AO). Eine Verlagerung der elektronischen Buchführung in Mitgliedstaaten der EU oder Drittstaaten ist nur unter weiteren Voraussetzungen mit Zustimmung der Finanzbehörde nach § 146 Abs. 2a AO zulässig.5

§ 240 Inventar (1) Jeder Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben. (2) 1Er hat demnächst für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs ein solches Inventar aufzustellen. 2Die Dauer des Geschäftsjahrs darf zwölf Monate nicht überschreiten. 3Die Aufstellung des Inventars ist innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu bewirken. (3) 1Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können, wenn sie regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist, mit einer gleichbleibenden Menge und einem gleichbleibenden Wert angesetzt werden, sofern ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt. 2Jedoch ist in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen. (4) Gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden können jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden. A. I. II. III. IV. B. I. II. III. IV. C. D. I. II.

1 2 3 4 5

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inventaraufstellungspflicht (Abs. 1, Abs. 2) Allgemeines (Abs. 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . Eröffnungsinventar (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . Schlussinventar (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . Aufstellungsfrist (Abs. 2 Satz 2, 3) . . . . . . . . Die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung – GoI (Abs. 1) . . . . . Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4) Verfahrensüberblick (Abs. 3 und 4) . . . . . . . Festbewertung (Abs. 3)

__ __ __ __ _ _ 1 2 3 4

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1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelmäßiger Ersatz (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . 3. Nachrangige Bedeutung des Werts (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geringe Veränderungen des Bestands (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Körperliche Bestandsaufnahme und Anpassung des Festwertes (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . III. Gruppen- oder Sammelbewertung (Abs. 4) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick . . . . . . 2. Gleichartigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Annähernde Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . 4. Anwendung des gewogenen Durchschnittswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Berücksichtigung des Niederstwertprinzips . E. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung . . . . .

__ _ _ _ __ _ __ _ 24 27 28 29 30 32 35 36 37 38 39

Schuppenhauer, Wpg. 1984, 514. Winkeljohann/Henckel in Beck BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 133. Schmidt, StuB 1999, 689. ADS6, § 239 HGB Rz. 21. Dazu zuletzt Roderburg/Richter, IStR 2016, 456.

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§ 240 Rz. 1 | Inventar Literatur: Schulze zur Wiesch, Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur, 1961; Hoffmann, Die Aufgaben der Inventur, DB 1964, 1197; Spörlein, Die Inventur nach Handelsrecht und nach Steuerrecht, 5. Aufl. 1964; Weisse, Inventur in Recht und Praxis, 1964; Arbeitskreis Ludewig der Schmalenbach-Gesellschaft, Die Vorratsinventur: Herkömmliche und moderne Systeme und Verfahren, 1967; Wehe, Die Inventur, BB 1968, 1375; Nestle, Die Inventur zum Jahresende, BB 1973, 1620; AWV, Rationalisierung der Inventur unter Berücksichtigung neuer Techniken und Verfahren, 1976; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 1976; Harrmann, Aufnahmetechniken bei der körperlichen Bestandsaufnahme von Vorräten, DB 1978, 2377; Peter/v. Bornhaupt/Körner, Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 8. Aufl. 1987; Quick, Grundsätze ordnungsgemäßer Inventurprüfung, 1991; Scherrer, Gestaltungsmöglichkeiten der Inventur, DSWR 1995, 324; Quick, Inventur, 2000; Burghardt/ Gliesche/Wolz, Formulierung von Grundsätzen ordnungsmäßiger RFID-gestützter Inventur, DB 2006, 2245; Weidenbach-Koschnike, Kann eine RFID-gestützte Inventur handelsrechtlich zulässig sein?, BC 2007, 303; Hildebrandt, Führt die Nutzung von elektronischer Datenverarbeitung zur Abschaffung der Lifo-Bewertung?, DB 2011, 1999; Broemel/Endert, Das Festwertverfahren in Handels- und Steuerbilanz, BBK 2013, 507; Marx, Bestandsaufnahme und Bewertung des Vorratsvermögens, Steuer und Studium 2016, 346.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§§ 240, 241 HGB verpflichten den Kaufmann zur Durchführung einer Inventur und zur Aufstellung eines Inventars zum Beginn des Handelsgewerbes (Eröffnungsinventar) sowie zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Schlussinventar).1 Darüber hinaus werden die Dauer des Geschäftsjahres sowie die Voraussetzungen für Festbewertung und Gruppen- bzw. Sammelbewertung festgelegt.2 Die Inventur ist die lückenlose Aufnahme und Aufzeichnung aller Aktiv- und Passivwerte als Grundlage des Inventars als Bestandsverzeichnis.3

II. Bedeutung und Zweck 2

Das Inventar hat eine Dokumentations- und Beweissicherungsfunktion.4 Der Zweck der Inventaraufstellung liegt ebenso wie bei Bilanz und Buchführung im Gläubiger- und Gesellschafterschutz5 durch Selbstkontrolle des Kaufmanns.6 Wenngleich die erforderliche Vermögensübersicht bereits Bilanz und Buchführung enthalten, dient das Inventar dem Zweck des Gläubigerschutzes, weil es gegenüber der Bilanz eine Nachweisfunktion erfüllt.7 Weitere Zwecke der Aufstellung eines Inventars sind Dokumentation, Beweissicherung und Beweisführung sowie Vorbereitung von Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss.8 Die verschiedenen Vereinfachungen bei der Inventur in § 240 Abs. 3 und 4 HGB sowie nach § 241 HGB sollen einen sachgerechten Ausgleich schaffen, damit die genannten Zwecke der Inventur mit angemessenen Inventurlasten des Kaufmanns erfüllbar sind (allg. s. § 239 HGB Rz. 2) und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (s. Rz. 22) gewahrt wird.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

§ 240 HGB konkretisiert die Anforderungen der GoB. Die Normen, welche die Pflichten zur Aufstellung eines Inventars und der Vornahme einer Inventur begründen, sind öffentlich-rechtliche Vorschriften.9 Diese Qualifikation unterstreicht den Zweck des Gläubigerschutzes (s. Rz. 2). Auch §§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB, welche die verspätete Inventaraufstellung als Insolvenzdelikt unter Strafe stellen (s. Rz. 39), verdeutlichen die gläubigerschützende Bedeutung der §§ 240, 241 HGB. Das Steuerrecht baut ohne eine § 240 HGB entsprechende Vorschrift auf ihr auf über die Maßgeblichkeit der GoB10 und die abgeleitete Buchführungspflicht des § 140 AO (s. § 238 HGB Rz. 3). Alle Arten der Inventur nach §§ 240, 241 HGB sind auch steuerrechtlich zulässig.11 Unterlässt der Kaufmann die Bestands1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 1; Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 1. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 49 (Stand Okt. 2010); Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 4. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 HGB Rz. 2. Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 2. Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 4. Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 48 ff. (Stand Okt. 2010); speziell zur Gruppenbewertung Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 141.

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Drüen

B. Inventaraufstellungspflicht (Abs. 1, Abs. 2)

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Rz. 8 § 240

aufnahme und die Aufstellung des Inventars, verstößt er gegen die GoB, was zugleich steuerrechtliche Folgen hat (s. § 238 HGB Rz. 47). Bei der originären steuerrechtlichen Buchführungspflicht gilt § 240 HGB entsprechend (§ 141 Abs. 1 Satz 2 AO)1.

IV. Rechtsentwicklung § 240 HGB wurde durch das Bilanzrichtliniengesetz eingefügt und findet auf alle Rechtsformen An- 4 wendung. Die Pflicht in § 240 Abs. 1 und Abs. 2 HGB zur Aufstellung eines Inventars entspricht mit Ausnahme von wenigen redaktionellen Änderungen den Bestimmungen in §§ 239 Abs. 1 und 2, 240 HGB aF. Die Möglichkeit, statt der Einzelbewertung den Festwert nach § 240 Abs. 3 HGB heranzuziehen, fand sich bereits in § 239 Abs. 2a HGB aF sowie in § 240 Abs. 4 Nr. 2 HGB aF.2 Die Bewertungsvereinfachungen für das Vorratsvermögen in § 240 Abs. 3 und Abs. 4 HGB sind eine Fortführung der schon in § 153 Abs. 1 Satz 3 AktG 1965 enthaltenen Regelungen.3 Das BilMoG führte nicht zur Änderungen von § 240 HGB.

B. Inventaraufstellungspflicht (Abs. 1, Abs. 2) I. Allgemeines (Abs. 1, 2) Für jeden Kaufmann besteht die Pflicht, zu Beginn des Handelsgewerbes ein sog. Eröffnungsinventar und 5 zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein sog. Schlussinventar aufzustellen. Das Inventar dokumentiert alle einzelnen Vermögensgegenstände sowie Schulden mit entsprechenden Werten und Mengen.4 Für die Aufstellung des Inventars ist keine besondere gesetzliche Form vorgesehen.5 Grundlage des Inventars ist die Inventur (s. Rz. 1). Die Pflicht zur Inventaraufstellung setzt aus diesem Grund zugleich eine allgemeine Inventurpflicht voraus.6 Für die Erfassung und Bewertung besonderer Vermögensgegenstände gelten gesetzliche Erleichterungen: Nach § 240 Abs. 3 HGB sind Festwerte zulässig, § 240 Abs. 4 HGB erlaubt die Gruppen- oder Sammelbewertung und § 241 HGB sieht weitere Inventurvereinfachungsverfahren vor. Die Funktion des Inventars besteht vor allem in der Dokumentation und Beweissicherung (s. Rz. 2). 6 Durch das Aufführen sämtlicher Vermögensgegenstände soll deren Unterschlagung oder Veruntreuung erschwert werden.7 Darüber hinaus soll die Dokumentation der Schulden entsprechend dem Zweck des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes (s. Rz. 2) eine Überschätzung des Reinvermögens verhindern.8 Das Inventar soll die Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses vorbereiten. Abweichungen bezüglich der erfassten Mengen und Bewertungen im Hinblick auf die jeweilige Bilanz sind allerdings möglich.9 Maßgeblich ist der Grundsatz der Einzelerfassung und -bewertung.10 Die Inventaraufstellungspflicht und auch die Inventurpflicht gelten in persönlicher Hinsicht für jeden 7 Kaufmann unabhängig von der Rechtsform oder Branche. § 241a HGB enthält für kleine Einzelkaufleute Befreiungen von beiden Pflichten.

II. Eröffnungsinventar (Abs. 1) Nach § 240 Abs. 1 HGB hat jeder Kaufmann die Pflicht, zu Beginn des Handelsgewerbes ein sog. Eröff- 8 nungsinventar zu erstellen, das Ausgangspunkt für die Eröffnungsbilanz nach § 242 Abs. 1 HGB ist, ohne deren Bestandteil zu sein. Der Stichtag, auf den das Eröffnungsinventar zu erstellen ist, entspricht dem Beginn des Handelsgewerbes, so dass ein Gleichlauf mit dem Stichtag für die Eröffnungsbilanz besteht.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 68. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 3. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 2. ADS6, § 240 HGB Rz. 2. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 3. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 3. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 4; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 2. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 4.

Drüen

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§ 240 Rz. 9 | Inventar

III. Schlussinventar (Abs. 2 Satz 1) 9

Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 HGB muss der Kaufmann am Ende eines jeden Geschäftsjahres ein sog. Schlussinventar erstellen.1 Maßgeblich hinsichtlich des Stichtags ist der Bilanzstichtag für das Geschäftsjahr. Das Schlussinventar stellt die Grundlage für die Schlussbilanz nach § 242 HGB dar2, wobei es regelmäßig einer Überleitung vom Inventar auf die Bilanzposten bedarf.3

10

Zum Inhalt des Inventars bestimmt § 240 Abs. 1 HGB, dass der Kaufmann seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen hat. Diese Aufzählung ist lediglich beispielhaft und nicht abschließend.4 Der Kaufmann muss dabei die genaue Menge, den Wert und die exakte Bezeichnung des Vermögensgegenstands angeben (§ 240 Abs. 1 HGB). Der Begriff des Vermögensgegenstands ist nicht gesetzlich definiert. Die Begriffsbestimmung hat entsprechend den allgemeinen Regelungen für den Jahresabschluss zu erfolgen.5 Erfasst sind handelsrechtlich – im Gegensatz zum weitergehenden steuerrechtlichen Begriff des Wirtschaftsguts – grundsätzlich lediglich aktive Vermögensgegenstände,6 während die Gegenstände der Passivseite regelmäßig als Schulden bzw. Verbindlichkeiten einzuordnen sind.7

11

Für die Form und die Gliederung des Inventars ist auf die allgemeinen Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze zurückzugreifen.8 Eine Ordnung des Inventars entsprechend der Gliederung der Bilanz ist empfehlenswert, weil das Inventar die Grundlage für die zu erstellende Bilanz ist und so der Arbeitsaufwand reduziert werden kann. IdR ist das Inventar kein einheitliches Verzeichnis.9 Vielmehr setzt es sich meistens aus verschiedenen Teilen, die einzelnen Gruppen von Vermögensgegenständen bzw. Schulden zugeordnet werden können, zusammen. Eine Pflicht zur Unterzeichnung des Inventars ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.10 Dennoch ist bezüglich der einzelnen Teile des Inventars eine Unterzeichnung durch die jeweils verantwortliche Person zum Zweck der Dokumentation zu fordern.11

IV. Aufstellungsfrist (Abs. 2 Satz 2, 3) 12

In § 240 Abs. 2 HGB ist die Aufstellungsfrist für das Inventar geregelt. Danach muss der Kaufmann das Inventar „innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ (Satz 3) aufstellen. Das Inventar ist jedoch spätestens innerhalb der Aufstellungsfristen hinsichtlich des Jahresabschlusses aufzustellen (§ 243 Abs. 3 HGB oder kürzere Fristen in Abhängigkeit von der jeweiligen Rechtsform).12 Die Aufstellung des Inventars hat zeitnah zum Abschlussstichtag zu erfolgen.13 Maßgeblich für das Schlussinventar ist nach § 240 Abs. 2 Satz 1 HGB das Geschäftsjahr, dessen Dauer nach § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB zwölf Monate nicht überschreiten darf. Grundsätzlich sind auch kürzere Geschäftsjahre möglich.14 Eine Mindestdauer schreibt das Gesetz nicht vor.15

C. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung – GoI (Abs. 1) 13

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung (GoI) sind Grundlage des Inventurverfahrens und dienen der zweckgerechten Aufstellung des Inventars. Die Inventur ist der Vorgang der Bestandsaufnahme, der für die Erstellung des Inventars erforderlich ist (s. Rz. 1). Neben der körperlichen Bestandsaufnahme (Inventur ieS) sollen darüber hinaus alle Vermögensgegenstände sowie Schulden zum maßgeblichen Zeitpunkt erfasst werden.16 Forderungen und Schulden werden durch sog. Buchinventur erfasst. Eine ordnungsgemäße Inventur erfordert eine ausreichende Planung, Überwachung und Doku1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 49 (Stand Okt. 2010). Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 6. ADS6, § 240 HGB Rz. 66. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 7. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 7. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 2 f. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB36, § 240 Rz. 3. Näher ADS6, § 240 HGB Rz. 63 f. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB36, § 240 Rz. 7. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB36, § 240 Rz. 7. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 10; ebenso ADS6, § 240 HGB Rz. 65. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 8. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 17; ADS6, § 240 HGB Rz. 61. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 9 (Rumpfgeschäftsjahre). Dazu ADS6, § 240 HGB Rz. 69. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 11.

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C. Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung – GoI (Abs. 1)

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Rz. 18 § 240

mentation,1 für die das IDW praxisleitende Standards – allerdings ohne Rechtsnormcharakter (s. § 238 HGB Rz. 42) – entwickelt hat.2 Erforderlich ist eine zeitliche, räumliche und personelle Planung3 sowie die Aufstellung von Inventurrichtlinien und die Implementierung entsprechender Kontrollmaßnahmen.4 Bei der Inventur und der Erstellung des Inventars sind die sog. „Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur 14 und Inventarisierung“ (GoI) einzuhalten, die aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) abgeleitet werden.5 Maßgeblich für das Inventurverfahren sind daher auch die allgemeinen Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze der §§ 238, 239 HGB. Zu den GoI zählen der Grundsatz der Vollständigkeit, der Grundsatz der Richtigkeit der Bestandsaufnahme, der Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung, der Nachprüfbarkeitsgrundsatz sowie der Grundsatz der Klarheit und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (s. Rz. 16 ff.). Im Einzelnen lassen sich verschiedene Inventurverfahren unterscheiden: In Bezug auf die Art der Erfas- 15 sung der Vermögensgegenstände und Schulden wird zwischen körperlicher Bestandsaufnahme, Buchinventur, Risikoinventur und Vertragsinventur unterschieden. Hinsichtlich des Zeitpunkts bzw. des Zeitraums der Erfassung wird zwischen Stichtagsinventur, ausgeweiterter Stichtagsinventur, der permanenten Inventur sowie der vor- und nachverlegten Stichtagsinventur differenziert. Bei der Stichtagsinventur handelt es sich um die körperliche Bestandsaufnahme der am Bilanzstichtag vorhandenen Vermögensgegenstände.6 Die Stichtagsinventur als Inventur am Abschlussstichtag ist der gesetzliche Normalfall,7 von dem gesetzliche Abweichungen zur Vereinfachung zugelassen sind (s. Rz. 25). Eine Differenzierung entsprechend der Vollständigkeit der Erfassung ermöglicht eine Unterscheidung zwischen vollständiger Bestandsaufnahme (sog. Vollaufnahme) sowie der Stichprobeninventur nach § 241 Abs. 1 HGB. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, verschiedene Verfahren zu kombinieren.8 Der Grundsatz der Vollständigkeit erfasst alle dem Kaufmann wirtschaftlich zuzurechnenden Ver- 16 mögensgegenstände und Schulden.9 Ausgangspunkt sind hierbei die rechtlichen Eigentumsverhältnisse, wobei eine wirtschaftliche Betrachtung nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB den Ausschlag gibt.10 Im Inventar sind nur die Vermögensgegenstände des Kaufmanns und keine fremden Vermögensgegenstände aufzuführen. Auf die Art des Vermögensgegenstands kommt es im Rahmen der Inventurpflicht und der Pflicht zur 17 Aufstellung des Inventars nicht an. Die Pflicht zur Aufnahme erstreckt sich somit auch auf immaterielle Vermögensgegenstände sowie derivative Geschäfte, auch wenn letztere keine Vermögensgegenstände darstellen.11 Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ermöglicht für Vermögensgegenstände mit nur geringem Wert den Verzicht auf die Aufnahme oder die Durchführung eines vereinfachten Inventurverfahrens. Hinsichtlich der Erfassung von Schulden ist grundsätzlich auch eine Inventur der Risiken erforderlich. Keine Vermögensgegenstände sind Rechnungsabgrenzungsposten, Sonderposten mit Rücklageanteil sowie Bilanzierungshilfen. Der Grundsatz der Richtigkeit erfordert die zutreffende Erfassung der Vermögensgegenstände nach Art, 18 Menge und Wert.12 Hinsichtlich der Erfassung der Menge ist die Zuverlässigkeit von Zähl-, Maß- und Wiegevorgängen erforderlich. Der Wert wird durch die sachgerechte Ermittlung der Anschaffungs- sowie Herstellungskosten und weiterer bewertungsrelevanter Umstände erfasst. Doppelerfassungen müssen vermieden werden.13 Dies folgt nicht aus dem Grundsatz der Vollständigkeit,14 sondern aus dem Grundsatz der Richtigkeit.15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 11. IDW, HFA 1/1990 Zur körperlichen Bestandsaufnahme im Rahmen von Inventurverfahren, WPg. 1990, 143. Näher Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 35 ff. Zur Prüfung vgl. IDW, PS 301 Prüfung der Vorratsinventur, WPg. 2003, 715. Dazu Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 8 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 13. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010). Graf in Haufe BilKomm.7, § 240 HGB Rz. 16. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 12. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 19. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 14; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 20; zuvor bereits in diesem Sinne ADS6, § 240 HGB Rz. 20. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 16. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 23; näher Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. B Rz. 31. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 16; Pöschke in GroßKomm.5, § 240 Rz. 18. ADS6, § 240 HGB Rz. 20. Pöschke in GroßKomm.5, § 240 Rz. 11, 18.

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§ 240 Rz. 19 | Inventar 19

Der Grundsatz der Klarheit setzt die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit sämtlicher Unterlagen voraus. Sie müssen in einer lebenden Sprache abgefasst und zudem hinreichend übersichtlich sein (vgl. § 238 HGB). Darüber hinaus sind auch die Vorgaben des § 239 Abs. 2 und 3 HGB einzuhalten.

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Der Grundsatz der Einzelerfassung stellt die Grundlage des Grundsatzes der Einzelbewertung nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB dar. Bereits bei der Inventur muss eine Einzelerfassung sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden erfolgen.1 Schließlich sind im Inventar Art, Menge und Wert der erfassten Posten aufzuführen. Einschränkungen des Grundsatzes der Einzelerfassung ergeben sich im Rahmen der Festund Gruppen- bzw. Sammelbewertung hinsichtlich der Objektabgrenzung sowie der Häufigkeit der körperlichen Bestandsaufnahme.2

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Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit ist eine konkretisierende „Verlängerung“ der allgemeinen Forderung nach Überschaubarkeit für sachverständige Dritte (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB) bei der Inventur. Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit erfordert eine sachgerechte Dokumentation des Verfahrens der Inventuraufnahme und des Ergebnisses der Inventur.3 Erforderlich ist, dass ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit ein ausreichendes Bild hinsichtlich Art, Menge und Wert der erfassten Vermögensgegenstände gewinnen kann.4

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Im Rahmen der Durchführung der Inventur und schließlich bei der Aufstellung des Inventars sind die einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden nach § 240 Abs. 1 HGB grundsätzlich einzeln zu erfassen und auch einzeln zu bewerten. Die Grundsätze der Einzelerfassung und Einzelbewertung gelten indes nicht absolut und werden durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit eingeschränkt.5 Dieser Grundsatz erlaubt Einschränkungen gegenüber der von § 240 Abs. 1 HGB geforderten Genauigkeit der Bestandsaufnahme und der übrigen Inventurgrundsätze (s. Rz. 16 ff.).6 Dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit dienen insbes. die gesetzlich geregelten Erleichterungen des Inventurverfahrens (s. Rz. 2). Der Arbeitsaufwand bei der Inventur muss unter Beachtung des allgemeinen Wesentlichkeitsgrundsatzes in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Arbeitsergebnis stehen.7 Stets muss der Inventuraufwand zumutbar sein.8

D. Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4) I. Verfahrensüberblick (Abs. 3 und 4) 23

Die gesetzlich geregelten Inventurvereinfachungsverfahren sind wichtige Einschränkungen des Grundsatzes der Einzelerfassung und des Grundsatzes der Einzelbewertung.9 Sie dienen einer Reduktion der Inventurlasten (s. Rz. 2) zur Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit (s. Rz. 22). Eine Vereinfachung bezüglich der Aufnahme und Bewertung der Vermögensgegenstände sehen die in § 240 Abs. 3 HGB geregelte Festbewertung, die in § 241 Abs. 1 HGB normierte Stichprobenbewertung sowie die vor- und nachverlegte Stichtagsinventur nach § 241 Abs. 3 HGB vor. Die Gruppen- oder Sammelbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB und das Verfahren ohne körperliche Bestandsaufnahme nach § 241 Abs. 2 HGB stellen Vereinfachungsverfahren hinsichtlich der Aufnahme des Vermögensgegenstands dar.

II. Festbewertung (Abs. 3) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick (Abs. 3 Satz 1) 24

Nach § 240 Abs. 3 Satz 1 HGB können Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe mit gleichbleibender Menge und gleichbleibendem Wert angesetzt werden (Festbewertung).10 Zweck dieser Festbewertung ist die Vereinfachung der Bestandaufnahme und Bewertung hinsichtlich bestimmter, näher umschriebener Vermögensgegenstände.11 Folge, aber nicht der eigentliche

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 20. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 14. Ähnlich Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 23. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 14. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 28. ADS6, § 240 HGB Rz. 25. ADS6, § 240 HGB Rz. 25; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 22. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 27. Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 48 ff. (Stand Okt. 2010), insbes. zu technischen Hilfsmitteln in Rz. 53 f. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB36, § 240 Rz. 7. ADS6, § 240 HGB Rz. 74; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 24.

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D. Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4)

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Rz. 28 § 240

Zweck des Verfahrens ist eine Substanzerhaltung durch Verrechnung zu gegenwartsnahen Preisen.1 Die gleichbleibende Menge ist sog. Festmenge, der gleichbleibende Wert der sog. Festwert. § 240 Abs. 3 Satz 1 HGB normiert ein Wahlrecht. Danach ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auf eine gesonderte Bestandsaufnahme zu verzichten und Vermögenswerte mit gleichbleibender Menge sowie Wert im Inventar anzusetzen.2 Von einer jährlichen Bestandaufnahme und der im Regelfall erforderlichen Einzelbewertung kann demnach im Rahmen der Festbewertung abgesehen werden. § 256 Satz 2 HGB eröffnet diese Form der Bewertung auch beim Jahresabschluss.3 Im Anhang sind die Bewertungsmethoden und Abweichungen nach § 284 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 HGB zu erläutern.4 Anwendungsfälle der Festbewertung sind beispielhaft: Hotelgeschirr, Schreib- und Rechenmaschinen, 25 Werkzeuge, Büromöbel, Laboreinrichtungen, Gerüst- und Schalungsteile, Signal- und Gleisanlagen, Kantinenvorräte, Ersatzteile und Brennstoffe.5 Die Anwendung des § 240 Abs. 3 HGB setzt voraus, dass es sich um Vermögensgegenstände des Sach- 26 anlagevermögens oder um Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe handelt. Hinsichtlich der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dienen die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Anhaltspunkte für die Bewertung.6 Orientierungsgröße für die Festbewertung des abnutzbaren Sachanlagevermögens sind die um planmäßige Abschreibungen geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.7 Darüber hinaus müssen die Vermögensgegenstände regelmäßig ersetzt werden, in ihrem Gesamtwert von nachrangiger Bedeutung sein und dürfen hinsichtlich Größe, Wert und Zusammensetzung nur geringe Veränderungen aufweisen. Eine körperliche Bestandaufnahme muss idR alle drei Jahre durchgeführt werden, selbst wenn die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. 2. Regelmäßiger Ersatz (Abs. 3 Satz 1) Zunächst ist ein regelmäßiger Ersatz der Vermögensgegenstände erforderlich. Ist dies der Fall, so liegt ein gleichbleibender mengen- und preismäßiger Bestand am jeweiligen Stichtag durch Ausgleich von Zu- und Abgängen sowie Abschreibungen vor.8 Nicht zwingend ist indes ein umgehender bzw. in zeitlichen Abschnitten (Monat, Jahr) erfolgender Ersatz. Vielmehr reicht ein Ersatz des Verbrauchs bis zum Ende des Jahres aus.9

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3. Nachrangige Bedeutung des Werts (Abs. 3 Satz 1) Darüber hinaus müssen die Vermögensgegenstände hinsichtlich ihres Gesamtwerts für das Unternehmen 28 von nur nachrangiger Bedeutung sein. Das Gesetz verzichtet auf eine Quantifizierung dieser Nachrangigkeit. Eine Orientierung bietet der Anteil des Festwerts am Eigenkapital, am Wert der übergeordneten Bilanzposition oder (maßgeblich) an der Bilanzsumme.10 Die vielfach geforderte Quantifizierung der nachrangigen Bedeutung von Festwerten hat zwar den Vorteil intersubjektiv nachprüfbarer Maßgrößen,11 allerdings variieren bereits die vorgeschlagenen zahlenmäßigen Konkretisierungen zwischen einzelnem Festwert12 und Bilanzsumme mit 5 % oder 10 %.13 Nach aA ist die Summe aller Festwerte maßgeblich,14 wobei eine Nachrangigkeit gegeben sei, wenn diese 5 % der Bilanzsumme nicht übersteige.15 Die Abgrenzung muss indes unter Berücksichtigung des Wesentlichkeitsgrundsatzes individuell für den Einzelfall erfolgen. Maßgeblich ist eine Interessenabwägung zwischen Arbeitsvereinfachung und Informationsverlust, wobei die einzelnen Bilanzrelationen zu überprüfen und heranzuziehen sind.16 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

ADS6, § 240 HGB Rz. 74; allgemein Drüen in GroßKomm.5, § 256 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 24. Drüen in GroßKomm.5, § 256 HGB Rz. 16. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 73; ADS6, § 240 HGB Rz. 110. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 26; weitere Anwendungsfälle bei Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 125. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 19. ADS6, § 240 HGB Rz. 100; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 19. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 21. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 21. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 28. So ADS6, § 240 HGB Rz. 80 mwN. Dafür ADS6, § 240 HGB Rz. 79 mwN. Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 48 mwN. Explizit Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 86 f. Dazu Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 48 mwN. ADS6, § 240 HGB Rz. 81; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 28; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 22; zustimmend Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 49.

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§ 240 Rz. 29 | Inventar 4. Geringe Veränderungen des Bestands (Abs. 3 Satz 1) 29

§ 240 Abs. 3 Satz 1 HGB setzt schließlich voraus, dass der Bestand nur geringen Veränderungen hinsichtlich Größe, Wert und Zusammensetzung ausgesetzt ist. Nach hM können verschiedene Vermögensgegenstände zusammengefasst werden, wobei stets ein Funktionszusammenhang gegeben sein muss.1 Die Auslegung des Begriffs „gering“ hat unter Heranziehung der Wesentlichkeit zu erfolgen.2 Das Merkmal „Größe“ ist als Menge der Vermögensgegenstände zu verstehen.3 „Wert“ meint die Preise, welche die Grundlage der Ermittlung des Festwerts darstellen.4 Wann eine Veränderung als gering anzusehen ist, muss im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Maßgeblich ist der jeweilige Stichtag, so dass unterjährige Schwankungen nicht zu beanstanden sind. Vermögensgegenstände mit hohen Preisschwankungen können nicht für eine Festbewertung herangezogen werden.5 Dasselbe gilt für abnutzbare Sachanlagen mit stark unterschiedlichen Restnutzungsdauern.6 Die Vermögensgegenstände, für die ein Festwert angesetzt wird, müssen nicht identisch oder gleichartig sein. Maßgeblich ist die Funktionsgleichheit, die auch wesentliche Preisgleichheit erfordert.7 5. Körperliche Bestandsaufnahme und Anpassung des Festwertes (Abs. 3 Satz 2)

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Nach § 240 Abs. 3 Satz 2 HGB hat eine Kontrolle im Wege der körperlichen Bestandsaufnahme spätestens im Abstand von drei Jahren zu erfolgen. Dabei sind vor allem mengenmäßige Veränderungen zu überprüfen. Darüber hinaus ist eine körperliche Aufnahme erforderlich, wenn der Festwert erstmalig gebildet wird oder wenn dieser notwendig angepasst wird.8

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Insbesondere bei wesentlichen Veränderungen bezüglich Menge, Preis oder Zusammensetzung des angesetzten Postens hat eine Anpassung des Festwerts zur erfolgen.9 Die Berücksichtigung von mengenmäßigen Veränderungen erfolgt im Rahmen einer Fortschreibung des Festwerts durch Zugänge und Zuschreibungen bzw. Abgänge und Abschreibungen.10 In Anknüpfung an die von der Finanzverwaltung in den Einkommensteuer-Richtlinien11 vorgesehene Abweichungstoleranz kann der Festwert bei Mehrmengen beibehalten werden, sofern die Werterhöhung höchstens 10 % beträgt.12 Im Handelsrecht sind im Interesse der erstrebten Vereinfachung grundsätzlich keine strengeren Maßstäbe anzulegen.13 Allerdings darf im jeweiligen Einzelfall der Einblick in die Finanz-, Vermögens- oder Ertragslage nicht beeinträchtigt werden.14 Bei Mindermengen ist stets eine Anpassung durch Abschreibung oder Abgang erforderlich.15 Nach hM bedürfen laufende Preissteigerungen handelsbilanziell mit Blick auf das Lifo-Verfahren und das Realisationsprinzip16 regelmäßig keiner Berücksichtigung durch Erhöhung des Festwerts.17 Dagegen können nicht geringfügige Preissenkungen den Ansatz eines niedrigeren beizulegenden Werts erfordern.18

III. Gruppen- oder Sammelbewertung (Abs. 4) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick 32

§ 240 Abs. 4 HGB normiert die sog. Gruppen- oder Sammelbewertung als Bewertungsvereinfachungsverfahren für die Inventur, das nach § 256 Satz 2 HGB ebenfalls beim Jahresabschluss zulässig ist.19 In diesem

19

ADS6, § 240 HGB Rz. 92; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 29. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 29. ADS6, § 240 HGB Rz. 82 ff. Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 50. Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 50. ADS6, § 240 HGB Rz. 85 f. ADS6, § 240 HGB Rz. 89. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 30. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. ADS6, § 240 HGB Rz. 103 f.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. R 5.4 Abs. 3 Satz 2 EStR zur bestandsmäßigen Erfassung des beweglichen Anlagevermögens: „Übersteigt der für diesen Bilanzstichtag ermittelte Wert den bisherigen Festwert um mehr als 10 %, ist der ermittelte Wert als neuer Festwert maßgebend.“ ADS6, § 240 HGB Rz. 102; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 105. Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 50. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 105. ADS6, § 240 HGB Rz. 102. ADS6, § 240 HGB Rz. 106; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 25. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 107; strikter Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. Drüen in GroßKomm.5, § 256 HGB Rz. 16.

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D. Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4)

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Rz. 37 § 240

Verfahren ist hinsichtlich bestimmter Vermögensgegenstände der Ansatz mit einem Durchschnittswert möglich. Die Bestandsaufnahme hat nach den allgemeinen Inventuranforderungen zu erfolgen.1 Im Rahmen der Bewertung ist allerdings ein Verzicht auf die Einzelbewertung bei Heranziehung eines gewogenen Durchschnittswerts möglich.2 Im Anhang bedarf es der Erläuterung nach § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Typische Anwendungsfälle der Gruppen- oder Sammelbewertung sind ua. Vorräte und Wertpapiere des Anlage- oder Umlaufvermögens sowie Garantie-, Urlaubs- und versicherungstechnische Rückstellungen (hinsichtlich Schulden).3

33

Der Anwendungsbereich des § 240 Abs. 4 HGB ist eröffnet, wenn es sich um gleichartige Vermögens- 34 gegenstände des Vorratsvermögens, andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände des Anlage- oder Umlaufvermögens und gleichartige oder annähernd gleichwertige Schulden handelt.4 2. Gleichartigkeit Gleichartigkeit bedeutet keine Gleichheit der jeweiligen Vermögensgegenstände.5 Das Merkmal ist auf die 35 Beschaffenheit bzw. Funktion der Vermögensgegenstände und Schulden bezogen.6 Zum Teil wird zusätzlich eine annähernde Gleichwertigkeit als ungeschriebene Voraussetzung der Gleichartigkeit gefordert.7 Diese Forderung findet im Gesetz keine Stütze,8 widerspricht der in § 240 Abs. 4 HGB ausdrücklich vorgenommenen Differenzierung beider Begriffe und ist nicht sachgerecht.9 Denn die annähernde Gleichwertigkeit als besondere gesetzliche Voraussetzung der Gruppenbewertung „anderer beweglicher Vermögensgegenstände“ kann nicht vor die Klammer gezogen werden, um contra legem eine allgemeine Voraussetzung der Gleichartigkeit zu begründen, die § 240 Abs. 4 HGB für Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens gerade nicht verlangt. 3. Annähernde Gleichwertigkeit Die annähernde Gleichwertigkeit bei anderen beweglichen Vermögensgegenständen setzt voraus, dass im 36 Rahmen einer Einzelerfassung und Einzelbewertung annähernd derselbe Wert ermittelt wird, wie bei der Gruppen- oder Sammelbewertung.10 Für das AktG 1965 wurde ein Spielraum von 20 % zwischen höchstem und niedrigstem Preis bei einem geringen Wert der jeweiligen einzelnen Vermögensgegenstände in der Gruppe noch als vertretbar angesehen.11 Für die Praxis sind derartige pauschale Wertgrenzen zwar hilfreich, allerdings überzeugen sie in theoretischer Hinsicht kaum und können darum allenfalls als „Orientierungsmarke“ fungieren.12 Sachgerecht ist eine differenzierte Beurteilung im Einzelfall anhand einer prognostizierten Fehlerauswirkung im Hinblick auf die Beurteilung der Finanz-, Vermögens- oder Ertragslage.13 4. Anwendung des gewogenen Durchschnittswerts Die zu einer Gruppe zusammengefassten Vermögenswerte und Schulden sind mit dem gewogenen Durchschnittswert anzusetzen.14 Der einfache Durchschnittswert ist unzulässig.15 Zulässig ist die Bewertung sowohl mit dem einfach gewogenen als auch mit dem gleitend gewogenen Durchschnittswert.16 Im Rah1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 33. ADS6, § 240 HGB Rz. 112 f. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 32. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 32. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 36. ADS6, § 240 HGB Rz. 120; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 25; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 136. ADS6, § 240 HGB Rz. 121 mwN, daran trotz Kritik festhaltend Rz. 123. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 28. Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 61; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 136. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 28; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 36. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 29. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 137; zur Kritik ADS6, § 240 HGB Rz. 127; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 29. Zutreffend Pöschke in GroßKomm.5, § 240 HGB Rz. 62. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 37. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 138. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 139 mit Berechnungsbeispielen.

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37

§ 240 Rz. 38 | Inventar men des einfachen gewogenen Durchschnittswerts werden die jeweiligen Mengen von Anfangsbestand und Zugänge des Jahres mit den jeweils zugehörigen Preisen multipliziert, anschließend die Werte addiert und die sodann erhaltene Summe durch die Summe aus Anfangsbestandmenge und Zugangsmenge dividiert.1 Demgegenüber wird beim gleitenden gewogenen Durchschnittswert nach jedem neuen Zugang ein neuer Durchschnittspreis gebildet und jeder Abgang mit dem neuen Durchschnittspreis bewertet.2 5. Berücksichtigung des Niederstwertprinzips 38

Nach § 253 Abs. 3 HGB ist auch das Niederstwertprinzip zu berücksichtigen, wenn zB die Inventur Qualitätsminderungen oder vergleichbare Beeinträchtigungen der Verwendbarkeit ergibt.3

E. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung 39

Das Handelsrecht sieht keine besonderen Sanktionen bei Verletzung der in § 240 HGB normierten Pflichten vor. Allerdings kommt uU eine Verwirklichung der Straftatbestände der §§ 283, 283b StGB in Betracht.4 Im Rahmen der Abschlussprüfung nach §§ 316 ff. HGB kann eine Verletzung der Pflichten des § 240 HGB die Versagung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks zur Folge haben (§ 322 Abs. 3, 4 HGB).5

§ 241 Inventurvereinfachungsverfahren (1) 1Bei der Aufstellung des Inventars darf der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden. 2Das Verfahren muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. 3Der Aussagewert des auf diese Weise aufgestellten Inventars muss dem Aussagewert eines auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme aufgestellten Inventars gleichkommen. (2) Bei der Aufstellung des Inventars für den Schluss eines Geschäftsjahrs bedarf es einer körperlichen Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt nicht, soweit durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden anderen Verfahrens gesichert ist, dass der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch ohne die körperliche Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festgestellt werden kann. (3) In dem Inventar für den Schluss eines Geschäftsjahrs brauchen Vermögensgegenstände nicht verzeichnet zu werden, wenn 1. der Kaufmann ihren Bestand auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme oder auf Grund eines nach Absatz 2 zulässigen anderen Verfahrens nach Art, Menge und Wert in einem besonderen Inventar verzeichnet hat, das für einen Tag innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten beiden Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahrs aufgestellt ist, und 2. auf Grund des besonderen Inventars durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahrens gesichert ist, dass der am Schluss des Geschäftsjahrs vorhandene Bestand der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt ordnungsgemäß bewertet werden kann. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stichprobeninventur (Abs. 1) I. Allgemeines und Voraussetzungen (Abs. 1)

. . . . .

__ __ _ 1 2 3 4 5

II. Anerkannte mathematisch-statistische Methoden (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahrung der GoB (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . IV. Gesicherter Aussagewert (Äquivalenz) (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Permanente Inventur (Abs. 2) . . . . . . . . . . D. Vor- und nachverlegte Stichtagsinventur (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ 6 7

8 10 17

1 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 30; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38. 2 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38; ADS6, § 240 HGB Rz. 129 ff. zu Einzelheiten der Ermittlung des Durchschnittswerts mit Beispielen sowie Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 30. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 39; ADS6, § 240 HGB Rz. 136 f. 4 Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 67. 5 Pöschke in GroßKomm.5 § 240 HGB Rz. 67.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 2 § 241

Literatur: Scherrer/Obermeier, Stichprobeninventur, 1981; AWV, Stichprobeninventur in Vertriebseinrichtungen des Handels, 1984; AWV, Sequentialtest für die Inventur mit Stichproben bei ordnungsmäßiger Lagerbuchführung, 1985; Bruse/Riedlinger, Stichprobeninventuren, DB 1987, 2001; Burkel, Zur Problematik der Lagerinventur mittels Stichprobenverfahren. Die unveränderte Zulässigkeit der Stichprobeninventur nach § 241 Abs. 1 HGB, BB 1987, 29; AWV, Systemgestützte Werkstattinventur, 1989; Gans/Quick, Inventurvereinfachungen: Die Stichprobeninventur, insbesondere das Sequentialtestverfahren, DStR 1995, 1162; Eckmann/Peters, Durchführung der Stichprobeninventur, DB 1996, 488; Jaspers/Meinor, Kostensenkung durch Stichprobeninventur – Zeitliche Gestaltung der Stichtagsinventur durch Kombination mit der Stichprobeninventur, WPg. 2005, 1077; Jaspers, Inventur von Vertriebseinrichtungen des Handels mit Hilfe von Stichprobenverfahren, WPg. 2010, 692; Köhler, Grundlagen der Verfahren der Stichprobeninventur, StBp. 2013, 185; sowie Literatur zu § 240 HGB.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 241 HGB regelt verschiedene Inventurvereinfachungsverfahren gegenüber den regulären Inventuranforderungen des § 240 HGB. In Abs. 1 wird die Stichprobeninventur, in Abs. 2 die permanente Inventur und in Abs. 3 die vor- oder nachverlegte Inventur eröffnet und näher geregelt. Zulässig ist auch eine Kombination aus unterschiedlichen Vereinfachungsverfahren hinsichtlich verschiedener Vermögensgegenstände unter Berücksichtigung der jeweiligen Effizienz des Verfahrens.1 Das gilt auch für die Kombination verschiedener Inventurverfahren miteinander.2 Ebenso besteht die Möglichkeit zur Kombination zwischen Stichprobeninventur und vollständiger körperlicher Erfassung.3 Darüber hinaus ist der Wechsel der Inventurverfahren und somit auch der Inventurvereinfachungsverfahren zulässig, weil das Gebot der Bewertungsmethodenstetigkeit (§ 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB) nicht für das Inventurverfahren gilt.4

1

II. Bedeutung und Zweck Zweck dieser Verfahren ist die Vereinfachung der Inventur gegenüber den regulären Voraussetzungen 2 nach § 240 Abs. 1 und 2 HGB.5 § 241 HGB ermöglicht eine Abweichung vom Grundsatz der körperlichen Aufnahme.6 Eine solche körperliche Bestandsaufnahme am Ende eines Geschäftsjahrs führt unter Umständen zu erheblichen Kosten und organisatorischen Schwierigkeiten im laufenden Geschäft. Das hat den Gesetzgeber zu handels- und steuerrechtlichen Inventurerleichterungen in Abkehr von den reinen Inventurgrundsätzen bewogen.7 Diese Vereinfachungen sind aufgrund technischer Probleme erforderlich sowie aus ökonomischen Gründen sinnvoll.8 Die Grundform der Inventur stellt die Einzelerfassung im Wege der Vollaufnahme aller Vermögensgegenstände zum Bilanzstichtag dar.9 Die Stichprobeninventur verlangt demgegenüber keine Vollaufnahme bzw. -erhebungen, wodurch das Inventurverfahren erleichtert wird.10 Die permanente und die vor- oder nachverlegte Inventur sind Ausnahmen vom sog. Prinzip der Stichtagsbezogenheit.11 Die Vereinfachungen sind auf das Inventursystem bezogen12 und verteilen den inventurbezogenen Arbeitsaufwand auf das Geschäftsjahr.13 Im Gegensatz zum Festwertverfahren (§ 240 Abs. 3 HGB) kann im Rahmen von § 241 HGB nicht auf die Einzelerfassung verzichtet werden. Diese wird lediglich zu einem anderen Zeitpunkt oder in einem anderen Verfahren als nach allgemeinen Grundsätzen vorgenommen.14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 4. ADS6, § 240 HGB Rz. 45 f. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 4. IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. ADS6, § 241 HGB Rz. 42; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 3; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 241 HGB Rz. 63. Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 2. ADS6, § 241 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 1; Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm.3, § 241 Rz. 1; Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. ADS6, § 241 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1.

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§ 241 Rz. 3 | Inventurvereinfachungsverfahren

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

§ 241 HGB legt die Voraussetzungen für vereinfachte Verfahren im Rahmen der Aufstellung des Inventars fest.1 Die Inventurvereinfachungsverfahren nach § 241 HGB ergänzen modifizierend die in § 240 Abs. 1 und 2 HGB normierten Vorgaben zur Inventur und zum Inventar.2 Daneben enthält bereits § 240 HGB in Abs. 3 und Abs. 4 Inventurerleichterungen durch Festbewertung sowie Gruppen- und Sammelbewertung (s. § 240 HGB Rz. 24 ff.). Insgesamt sollen die Vereinfachungen einen sachgerechten Ausgleich schaffen, damit die Zwecke der Buchführung mit angemessenen Inventurlasten des Kaufmanns erfüllbar sind (s. § 240 HGB Rz. 2). Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich nach ihrem Wortlauft auf Vermögensgegenstände.3 § 241 HGB ist nicht analog auf Schulden anwendbar.4 Im Verhältnis zum Steuerrecht gilt dasselbe wie für die Inventur-Grundnorm des § 240 HGB (s. § 240 HGB Rz. 5).

IV. Rechtsentwicklung 4

§ 241 HGB wurde durch das BiRiLiG eingefügt und entspricht weitgehend § 39 Abs. 2–4 HGB aF.5

B. Stichprobeninventur (Abs. 1) I. Allgemeines und Voraussetzungen (Abs. 1) 5

Unter Stichprobeninventur ist die Bestandserhebung von Vermögensgegenständen ohne Vollerhebung zu verstehen.6 Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf mathematisch-statistische Verfahren zur Bestandsermittlung bezüglich Art, Menge und Wert der Vermögensgegenstände zurückgegriffen werden.7 Zunächst erfolgt eine zufällige Auswahl einer vorher bestimmten Zahl von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamtbestand (Stichprobe). Bei der Stichprobeninventur handelt es sich mithin nicht um eine eigenständige Inventurmethode, sondern um ein auf Statistik gegründetes Verfahren, um die herkömmliche Totalaufnahme durch ein effizienteres Verfahren zu ersetzen.8 Zweck dieses aufgrund von Stichproben erstellten Inventars ist die Rationalisierung und die damit einhergehende Ersparnis von Kosten und Zeit, weil nicht jede einzelne Bestandsposition erfasst wird.9 Im Wege mathematisch-statistischer Verfahren ist es schließlich möglich, auf Grundlage der Wertverhältnisse hinsichtlich der Vermögensgegenstände eine Aussage bezüglich der Wertverhältnisse der Grundgesamtheit zu treffen.10 Der Aussagewert eines auf diese Weise erstellten Inventars muss nach § 241 Abs. 1 Satz 3 HGB einem durch volle körperliche Bestandsaufnahme entstandenen Inventar entsprechen.11 Demnach müssen folgende Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein: Die Stichprobeninventur muss nach § 241 Abs. 1 HGB eine anerkannte mathematisch-statistische Methode verwenden, das Verfahren muss den GoB entsprechen und der Aussagewert muss derjenigen einer körperlichen Inventur gleichkommen (Aussageäquivalenz).12

II. Anerkannte mathematisch-statistische Methoden (Abs. 1 Satz 1) 6

Mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden ist es möglich, die Genauigkeit von durch Stichproben geschätzten Gesamtwerten durch wahrscheinlichkeits-theoretische Methoden der Intervallschätzung zu erhöhen und zu verifizieren.13 Die durch Stichproben gewonnen Werte werden im Rahmen dieser Methoden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet, so dass ein Schluss von Ergebnissen der Stichprobe auf die Grundgesamtheit möglich ist.14 Daraus folgt eine für Dritte nachprüfbare Quantifizierung der Aussagesicherheiten und der Bestandswerte auf Grundlage einer Zufallsauswahl.15 Darüber hinaus kann auch dem Vorwurf einer selektiven Auswahl der jeweiligen Stichprobe vorgebeugt werden. Eine hin1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Ballwieser in MünchKomm.3, § 241 Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 5. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 2; Pöschke in GroßKomm.5, § 241 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 1; aA ADS6, § 241 HGB Rz. 2. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 3. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 6. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 52 (Stand Feb. 2015); Jaspers, WPg. 2010, 692. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 52 (Stand Feb. 2015). Quick, Grundsätze ordnungsmäßiger Inventurprüfung, 163; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 6. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 3. Scherrer/Obermeier, Stichprobeninventur, 5; näher IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 8. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 4. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 5.

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C. Permanente Inventur (Abs. 2)

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Rz. 11 § 241

reichende Zahl der auszuwählenden Stichprobenelemente ist Voraussetzung für die Anwendung mathematisch-statistischer Methoden.1

III. Wahrung der GoB (Abs. 1 Satz 2) Im Rahmen der Stichprobeninventur müssen die allgemeinen Inventurgrundsätze beachtet werden, um die GoB zu wahren (s. § 240 HGB Rz. 14 ff.).2 Danach müssen die Grundsätze der Vollständigkeit, der Richtigkeit, der Einzelerfassung und der Nachprüfbarkeit erfüllt werden.3

7

IV. Gesicherter Aussagewert (Äquivalenz) (Abs. 1 Satz 3) Das Erfordernis der Aussageäquivalenz (s. Rz. 5) ist sowohl auf den Einzelnachweis im Inventar als auch 8 auf den Gesamtwert des Inventars bezogen.4 In Bezug auf den Gesamtwert des auf Stichproben begründeten Inventars ist ein Sicherheitsgrad von mindestens 95 % erforderlich, wobei ein statistischer Schätzfehler (relativer Stichprobenfehler) von maximal 1 % des Grundgesamtwerts zulässig ist.5 Erforderlich ist, dass alle nach Stichprobenverfahren (Stichprobenplan) ausgewählten Stichprobenglieder 9 vollständig aufgenommen und ausgewertet werden.6 Der in § 240 HGB vorausgesetzte Einzelnachweis bzw. die geforderte Einzelerfassung der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert ist im Rahmen bestimmter Stichprobenverfahren lediglich durch eine bestandszuverlässige Lagerbuchführung möglich.7 Dabei ist erforderlich, dass Bestände sowie deren Bewegungen art-, mengen- und unter Umständen wertmäßig exakt erfasst werden.8 Zur Sicherung der Bestandzuverlässigkeit der Lagerbuchführung ist ein geeignetes internes Kontrollsystem erforderlich.9 Durch die Stichprobeninventur kann diese Zuverlässigkeit bestätigt werden.10

C. Permanente Inventur (Abs. 2) Nach § 241 Abs. 2 HGB muss bei der Aufstellung des Inventars für den Schluss eines Geschäftsjahres (Bilanzstichtag) eine körperliche Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden, soweit durch Anwendung eines den GoB entsprechenden anderen Verfahrens (Fortschreibungsverfahren) gesichert ist, dass der Bestand nach Art, Menge und Wert auch ohne körperliche Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festgestellt werden kann.11 Hierbei kann die permanente Inventur, welche die körperliche und die buchmäßige Bestandsaufnahme kombiniert, als ein solches Verfahren angesehen werden, das den GoB entspricht.12 Die systemgesteuerte Werkstattinventur und die sog. Einlagerungsinventur sind in diesem Zusammenhang ebenfalls als den GoB entsprechende Verfahren zu nennen.13 Es handelt sich dabei um Sonderformen der permanenten Inventur.

10

Die permanente Inventur stellt eine Buchinventur mit körperlicher Aufnahme dar.14 Art, Menge und Wert der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag werden aus der Lagerbuchhaltung in die Bilanz übernommen.15 Die Inventaraufstellung und die körperliche Bestandsaufnahme erfolgen nicht zum identischen Zeitpunkt. Die körperliche Bestandaufnahme wird unterjährig vorgenommen.16 Dadurch wird der Inventuraufwand zeitlich auf das Geschäftsjahr verteilt (s. Rz. 2).

11

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 8; Scherrer/Obermeier, Stichprobeninventur, 26; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. 2 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 12; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. 3 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 8; vgl. IDW, HFA 1/1981 idF 1990, WPg. 1990, 650 (ohne Einzelerfassung); ADS6, § 241 HGB Rz. 9; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 241 HGB Rz. 17 ff. (ohne Einzelerfassung). 4 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 9. 5 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 10. 6 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 52 (Stand Feb. 2015) mwN. 7 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 11; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 241 HGB Rz. 25 f. „systemnotwendig“. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 11. 9 ADS6, § 241 HGB Rz. 15, 13; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 241 HGB Rz. 25 ff. 10 ADS6, § 241 HGB Rz. 18; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 11. 11 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 17. 12 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 17. 13 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 15 f. 14 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 18. 15 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 51 (Stand Okt. 2010) mwN sowie zum Anwendungsbereich für automatisch gesteuerte Lager mit Freiplatzsystem. 16 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 18; Quick, Inventur, 47.

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§ 241 Rz. 12 | Inventurvereinfachungsverfahren 12

Hinsichtlich der bei der körperlichen Bestandsaufnahme bestimmten Arten, Mengen und Werte von Vermögensgegenständen erfolgt eine Fortschreibung auf den Bilanzstichtag, indem der festgestellte Ist-Bestand auf Grundlage der Buchungsunterlagen fortgerechnet wird.1 Das setzt eine Aufzeichnung der Abund Zugänge zuverlässig nach Tag, Art, Menge und Wert voraus, die im Wege körperlicher Bestandaufnahme regelmäßig zu kontrollieren ist.2 Erforderlich ist eine Dokumentation der Bestandsbewegungen durch Belege (sog. Belegfunktion).3

13

Darüber hinaus ist mindestens einmal zwischen den jeweiligen Inventurstichtagen ein Vergleich der fortgeschriebenen Soll-Bestände jedes Vermögensgegenstands mit den Ist-Beständen auf Grundlage einer körperlichen Bestandsaufnahme vorzunehmen.4 In der Dokumentation, die zu den Inventurunterlagen gehört, sind sowohl die Durchführung, das Ergebnis als auch der Zeitpunkt der körperlichen Aufnahme aufzuführen.5 Eine Korrektur der Bestandsbuchführung hat nach den Ergebnissen der Ist-Aufnahme zu erfolgen.6

14

Aufgrund von möglichen unkontrollierbaren Bestandsabgängen ist die permanente Inventur nicht bei Vermögensgegenständen mit Gefahr von Schwund, Verdunstung oder Verderb zulässig.7 Dasselbe gilt aus Sicherheitsgründen für besonders wertvolle Vermögensgegenstände. Somit erfolgt die permanente Inventur meist bezüglich des beweglichen Anlagevermögens und bei Gegenständen des Vorratsvermögens.8 Erforderlich ist hierbei ein fortlaufendes Verzeichnis, in dem sämtliche Zu- und Abgänge erfasst sind (sog. Lagerkarteien oder Lagerbücher).9

15

Im Rahmen der Einlagerungsinventur wird die körperliche Bestandsaufnahme grundsätzlich lediglich bei der Einlagerung angewendet.10 Dabei müssen die für die permanente Inventur aufgeführten Bedingungen hinsichtlich der zuverlässigen Bestandsermittlung und -bewertung auf Grundlage von Aufzeichnungen gesichert werden.11 Diese Art der Inventur ist möglich, weil bei vollautomatischen Lagersystemen menschliche Eingriffe nicht zu erwarten sind.

16

Die systemgestützte Werkstattinventur stellt eine weitere Sonderform der permanenten Inventur dar. Bei dieser Form der Inventur erfolgt eine Übernahme der im computergestützten Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS) zum Inventurstichtag festgestellten Bestände in das Inventar.12 Werkstattbestände sind hierbei Aufträge in unterschiedlichen Phasen eines Produktionsprozesses.13 Wie im Rahmen der Einlagerungsinventur sind die für die permanente Inventur aufgeführten Bedingungen hinsichtlich der zuverlässigen Bestandsermittlung und -bewertung sicherzustellen.14

D. Vor- und nachverlegte Stichtagsinventur (Abs. 3) 17

Bei der vor- oder nachverlegten Stichtagsinventur wird die Inventur nicht auf den Bilanzstichtag, sondern aus Vereinfachungsgründen ganz oder teilweise auf einen früheren Stichtag (vorverlegte) oder auf einen späteren Stichtag (nachverlegte Stichtagsinventur) bezogen.15 Eine Abweichung vom Bilanzstichtag ist hierbei bis zu zwei Monate später und bis zu drei Monate früher möglich.16 Im Gegensatz zur Stichtagsinventur und zur permanenten Inventur erfolgt die Aufnahme des Mengengerüsts der Vermögensgegenstände in das Inventar nicht zum Abschlussstichtag.17 Der Bestand ist nach Art, Menge und Wert in einem besonderen Inventar zu erfassen (§ 241 Abs. 3 Nr. 1 HGB). Nach § 241 Abs. 3 Nr. 2 HGB muss bezüglich des Bestands durch ein Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahren unter Beachtung der GoB eine 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 19. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 14; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 19. IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 20. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 21. IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 21. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 14; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 23; Quick, Grundsätze ordnungsmäßiger Inventurprüfung, 152 f. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 23. Quick, Inventur, 56. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 15. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 16; Vgl. IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 148; ADS6, § 241 HGB Rz. 31; Bruse/Riedlinger, DB 1987, 2001. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 16. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 16. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 17. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 17. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 26; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 18.

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Drüen

Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars

| § 241a

ordnungsgemäße Bewertung auf den Bilanzstichtag erfolgen.1 Im Rahmen dieses Inventurverfahrens ist die wertmäßige Fortschreibung oder Rückrechnung ausreichend. Sie muss nicht artikelgenau und mengenmäßig vorgenommen werden. Innerhalb des gegebenen Zeitraums ist eine Wahl des Inventurstichtags grundsätzlich nach Belieben möglich.2 Dieses Verfahren wird auch als Inventur mit Wertrückrechnung oder Wertfortschreibung bezeichnet.3 Im Rahmen der Bewertung muss das Anschaffungskosten- und Niederstwertprinzip berücksichtig werden.4 Wegen der Gefahr fehlerhafter Bewertungen ist dieses Inventurverfahren mit Wertfortschreibung für Vermögensgegenstände mit erheblichen Preisschwankungen, Schwund bzw. Verderb nicht anzuwenden.5

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Von der vor- und nachverlegten Stichtagsinventur zu trennen ist die ausgeweiteten Stichtagsinventur,6 bei der die Vornahme der körperlichen Inventur wenige Tage (maximal 10) vor oder nach dem Inventurstichtag erfolgt.7 Wegen der geringen Zeitdifferenz zum Schluss des Geschäftsjahrs müssen dabei die genannten Anforderungen der vor- oder nachverlegten Stichtagsinventur nicht erfüllt werden.8 Dennoch muss sichergestellt sein, dass Veränderungen des Bestands durch Belege oder Aufzeichnungen ordnungsgemäß berücksichtigt werden.9

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§ 241a Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars 1Einzelkaufleute,

die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600.000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. 2Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht I. Normadressat (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

__ __ _ 1 2 3 6

II. Ermittlung und Erfüllung der Schwellenwerte (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beginn und Ende der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verhältnis zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO . . . . . . .

7

_ _ _ _ 9

11 13 15

Literatur: Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, Stellungnahme zu dem Entwurf eines BilMoG: Grundkonzept und Aktivierungsfragen, BB 2008, 155; Kersting, Handels- und gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Befreiung „kleiner“ Kaufleute und Personenhandelsgesellschaften von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht, BB 2008, 790; Kußmaul/Meyering, BilMoG-Regierungsentwurf: Wen entlastet § 241a HGB-E?, DB 2008, 1445; Schulze-Osterloh, Ausgewählte Änderungen des Jahresabschlusses nach dem Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, DStR 2008, 63; Richter, BilMoG: Befreiung von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht gem. § 241a HGB, FR 2009, 804; Ebner, Insolvenzstrafrechtliche Konsequenzen der Einführung der §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB zum 29.5.2009, wistra 2010, 92; Marten/Maccari, Die Abschaffung der Buchführungspflicht gemäß § 241a HGB: Zur möglichen Wirkung einer Deregulierungsmaßnahme, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Krawitz, 2010, 650; Brähler/Krenzin/Scholz, Bürokratieabbau durch das BilMoG – Eine empirische Untersuchung der Befreiung kleiner Einzelkaufleute von der Bilanzierungspflicht; StuW 2013, 173; Zwirner/Kähler, Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars nach § 241a HGB, DStR 2015, 2732. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 18; Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010). Quick, Inventur, 37 f.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 28. ADS6, § 241 HGB Rz. 32. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 241 HGB Rz. 54; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 29. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 30; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. B Rz. 105. ADS6, § 241 HGB Rz. 34. ADS6, § 240 HGB Rz. 38; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 31. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 31. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010).

Drüen

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§ 241a Rz. 1 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 241a HGB befreit Einzelkaufleute, die grundsätzlich nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB der Buchführungspflicht unterliegen, von den handelsrechtlichen Buchführungs- und Inventarisierungsvorschriften, wenn sie bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich des Jahresüberschusses und der Umsatzerlöse nicht überschreiten.1

II. Bedeutung und Zweck 2

§ 241a HGB bezweckt nach dem Willen des Gesetzgebers die Entlastung von Einzelkaufleuten, die nur ein relativ geringes Umsatzvolumen aufweisen.2 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass diese Einzelkaufleute idR auf eine zahlungsorientierte Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG als kostengünstigere Rechnungslegung zurückgreifen.3 § 241a HGB soll kleine Einzelkaufleute unterjährig von Buchführungsangelegenheiten entlasten, indem sie sich auf die Erfassung und Verwahrung von Belegen beschränken können.4 Durch die weitgehende Reduzierung von Beratungserfordernissen können kleine Kaufleute in erheblichem Maße Kosten und Zeit sparen. Umstritten ist, ob die bezweckte umfassende Deregulierung mit erheblichen Einsparungspotentialen5 tatsächlich durch § 241a HGB erreicht wird.6 Jedenfalls hält der Gesetzgeber durch Anhebung der Schwellenwerte seit 2016 (s. Rz. 6) an dem Deregulierungsziel fest.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

§ 241a HGB ist eine Befreiungsvorschrift. Trotz der Kaufmannseigenschaft besteht keine Pflicht zur Buchführung,7 wenn der Kaufmann nach § 241a HGB hiervon befreit ist.8 Rechtsfolge des § 241a ist ein Wahlrecht für Einzelkaufleute.9 Da es sich bei § 241a HGB nach dem eindeutigen Wortlaut um eine Kann-Bestimmung handelt, besteht kein Verbot der Buchführung und Bilanzierung, wenn die angegebenen Schwellenwerte eingehalten werden.10 Der Kaufmann muss die Befreiung von §§ 238–241 HGB nicht in Anspruch nehmen.11 § 241a HGB ergänzt § 242 Abs. 4 HGB mit der Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung von Eröffnungsbilanz und Jahresabschlüssen.12 § 242 Abs. 4 HGB setzt voraus, dass der Einzelkaufmann die Voraussetzungen des § 241a HGB erfüllt und die eröffnete Befreiung in Anspruch nimmt.

4

§ 241a HGB hat denkbare Rückwirkungen auf die Kaufmannseigenschaft, die der Gesetzgeber teilweise nicht intendiert hat und die umstritten sind.13 Die Buchführungspflicht ist Kaufmannspflicht (s. § 238 HGB Rz. 5). Der Gesetzgeber hat durch § 241a HGB bewusst die bisher bestehende Verknüpfung zwischen Kaufmannseigenschaft und der daran anknüpfenden handelsrechtlichen Buchführungspflicht teilweise aufgegeben.14 § 241a HGB bewirkt eine Abkoppelung der Kaufmannseigenschaft von der Buchführungspflicht und hat eine neue Kategorie des nichtbuchführungspflichtigen Kaufmanns eingeführt.15 Für den von der Buchführungs- und Inventarpflicht befreiten Einzelkaufmann bleibt die Kaufmannseigenschaft er1 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241a Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 1. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 2. 3 Vgl. BR-Drucks. 344/08, 70; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241a Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 2. 4 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 3. 5 Vgl. Begründung RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 1. 6 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 2; zur Empirie Brähler/Krenzin/Scholz, StuW 2013, 173. 7 AA Kußmaul/Meyering in Petersen/Zwirner, BilMoG, 2009, 381, wonach dennoch eine „formelle“ Buchführungspflicht bestehe. 8 Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). 9 Merkt, in Baumbach/Hopt, HGB36, § 241a Rz. 1; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 9; Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 9 bezeichnet § 241a HGB als „Rechtswohltat“. 10 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 9. 11 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 8 mwN, auch zur Frage einer partiellen Inanspruchnahme der Befreiung. 12 BT-Drucks. 16/10067, 47; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 1. 13 Dazu Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12 mwN. 14 BT-Drucks. 16/10067, 46; Ernst/Naumann, Das neue Bilanzrecht 2009, 49. 15 Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); ähnlich Kersting, BB 2008, 790 (792): „Kaufmann minderen Rechts“. Kritisch Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71: „§ 241a HGB als Fremdkörper“.

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Drüen

B. Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht

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Rz. 8 § 241a

halten.1 § 241a HGB lässt die von ihm nicht erfassten Pflichten des Kaufmanns unberührt.2 Dagegen hat die Einführung des § 241a HGB keinen Rückschlag auf die Definition des Kaufmanns und des in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes nach § 1 HGB.3 Die handelsrechtliche Befreiung steht entwicklungsgeschichtlich (s. Tz. 6) und systematisch in engem Ver- 5 hältnis zu §§ 140, 141 AO (s. Rz. 15 f.).

IV. Rechtsentwicklung § 241a HGB wurde im Zuge der Bilanzrechtsmodernisierung eingeführt.4 Einen direkten Vorläufer der 6 Vorschrift gibt es – abgesehen von Wesentlichkeitsgrundsätzen – ebenso wenig wie europarechtliche Vorgaben zur Freistellung von Kleinunternehmen von der Pflicht zur Bilanzierung.5 Die Schwellenwerte des § 241a HGB orientieren sich bewusst an den steuerrechtlichen Buchführungsgrenzen des § 141 Abs. 1 AO.6 Im Referentenentwurf für das BilMoG war noch neben der Befreiung für Einzelkaufleute die Befreiung für (kleine) Personengesellschaften vorgesehen.7 Der Regierungsentwurf beschränkte die Anwendung der Befreiung nach § 241a HGB schließlich auf Einzelkaufleute.8 Im Bundesrat wurde anschließend erneut eine Befreiung für kleine Personengesellschaften verlangt.9 Dem folgte die Bundesregierung nicht, weil sie es für tunlich hielt, zunächst der Wissenschaft eine fundierte Auseinandersetzung hinsichtlich der mit der Befreiung für Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften verbundenen gesellschaftsrechtlichen Folgefragen zu ermöglichen.10 § 241a HGB beschränkt in seiner Endfassung die Deregulierungsfunktion ausschließlich auf Einzelkaufleute.11 Die Befreiung für Einzelkaufleute nach § 241a HGB ist erstmals für das Geschäftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.2007 begonnen hat (Art. 66 Abs. 1 EGHGB). Der Gesetzgeber hat an seinem Entlastungswillen für Einzelkaufleute festgehalten und durch das Bürokratieentlastungsgesetz v. 28.7.201512 die Schwellenwerte des § 241a HGB für die Umsatzerlöse von 500.000 € auf 600.000 € und für den Jahresüberschuss von 50.000 € auf 60.000 € angehoben. Die Erhöhung ist erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 beginnen (Art. 76 Satz 1 EGHGB). Parallel wurden auch die steuerrechtlichen Buchführungsgrenzen des § 141 Abs. 1 AO ab 2016 erhöht.13

B. Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht I. Normadressat (Satz 1) Nach § 241a HGB müssen Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgen- 7 den Geschäftsjahren nicht mehr als 600.000 € Umsatzerlöse und 60.000 € Jahresüberschuss aufweisen, die §§ 238–241 HGB nicht anwenden. Die Befreiung nach § 241a HGB ist begrenzt auf „Einzelkaufleute“, während Formkaufleute (§ 6 Abs. 2 8 HGB) und Personengesellschaften (s. Rz. 6) nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Norm fallen.14 Einzelkaufleute sind natürliche Personen mit Kaufmannsstatus. Dazu muss der Unternehmer ein Handelsgewerbe betreiben, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1 und 2 HGB). Auf die Art des Unternehmensgegenstands des Einzel-

1 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12; aA nur im Ansatz Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 3, der § 241a HGB rechtsdogmatisch als Ausnahme von der herkömmlichen Kaufmannsdefinition des § 1 HGB ansieht. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12; insoweit auch Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 3, unter Hinweis auf fortbestehende „außergesetzliche Kaufmannspflichten“ und die „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmannes“, wozu er ua. die Organisation eines zweckentsprechenden Einkaufs, eines Verkaufs und einer Fertigung und die „Pflicht zur angemessenen Menschenführung“ rechnet. 3 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12; aA Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 2. 4 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 1102. 5 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 1. 6 BT-Drucks. 16/10067, 46. 7 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 1. 8 RegE des BilMoG, BT-Drucksache 16/10067, 146. 9 Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 344/08, 1. 10 BT-Drucks. 16/10067, 47; Ernst/Naumann, Das neue Bilanzrecht 2009, 51. 11 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 2. 12 BürokratieEntlG v. 28.7.2015, BGBl. I 1400. 13 Dazu Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1 ff. (Stand Okt. 2015). 14 Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 2.

Drüen

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§ 241a Rz. 9 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars kaufmanns und seine Finanzierungsaktivitäten1 kommt es nicht an.2 § 241a HGB gilt auch für den KannKaufmann nach § 2 HGB3 und eingetragene Land- und Forstwirte nach § 3 Abs. 2 HGB.4

II. Ermittlung und Erfüllung der Schwellenwerte (Satz 1) 9

Die Schwellenwerte des § 241a HGB von 600.000 € für den Umsatz und 60.000 € hinsichtlich des Jahresüberschusses sind auf den Umsatz sowie Jahresüberschuss des Geschäftsjahres bezogen und müssen kumulativ erfüllt sein.5 Für die Ermittlung dieser Begriffe sind beim Jahresüberschuss die §§ 252 Abs. 1 Nr. 5, 266 Abs. 3 Nr. A V, 275 Abs. 2 Nr. 20 oder Abs. 3 Nr. 19 HGB und bei den Umsatzerlösen die Grundsätze in § 277 HGB maßgeblich.6 § 241a HGB knüpft die Befreiung an starre gesetzlich vorgegebene Schwellenwerte,7 die trotz des mit ihnen einhergehenden „Fallbeileffekts“8 weder eingegrenzt noch ausgeweitet werden können.9

10

Die Ermittlung der Schwellenwerte erfolgt ohne eine Pflicht zu deren Entnahme aus einer handelsrechtlichen GuV nach § 275 Abs. 2 Nr. 1 HGB, weil dies dem Zweck der Befreiungsnorm (s. Rz. 2) und der Gesetzesbegründung10 zuwiderlaufen würde.11 Eine Ermittlung der Umsatzerlöse und des Jahresüberschusses aufgrund einer Überschlagsrechnung unter Beachtung von handelsrechtlichen allgemeinen Grundsätzen ist ausreichend.12 Sofern sich Einzelkaufleute hinsichtlich der Schwellenwerte dauerhaft im Grenzbereich befinden, sollten sie im Wege der realistischen Prognosen und Planung prüfen, ob sie trotz ihres Finanzierungsbedarfs und etwaiger Kreditaufnahmen von § 241a HGB Gebrauch machen wollen.13

III. Beginn und Ende der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1, 2) 11

Bei einem laufenden Unternehmen tritt die Befreiung nach § 241a HGB zu Beginn des folgenden Geschäftsjahres ein, nachdem die Schwellenwerte zweifach unterschritten wurden.14 Im Fall von Neugründungen tritt die Befreiung aufgrund der besonderen Anordnung in § 241a Satz 2 HGB bereits dann ein, wenn die Voraussetzungen des § 241a Satz 1 HGB am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung vorliegen. Somit ist der erste Abschlussstichtag nach der Gründung abzuwarten und zu prüfen, ob beide Schwellenwerte nicht überschritten werden.15 Für das Rumpfgeschäftsjahr der Neugründung sind Umsatzerlöse und Gewinne auf volle zwölf Monate hochzurechnen, um das Unterschreiten der Schwellenwerte sachgerecht beurteilen zu können.16

12

Das erstmalige Überschreiten eines Schwellenwerts führt zum Ende der Befreiung nach § 241a HGB.17 Mit Ende der Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 241a HGB ist der Kaufmann wieder handelsrechtlich zur Buchführung verpflichtet.18 Aufgrund der Tatsache, dass ein Entfallen der Befreiung nur für die Zukunft möglich ist,19 finden ab Beginn des der Überschreitung folgenden Geschäftsjahres die regulä1 Eine im Gesetzgebungsverfahren erwogene Ausnahme von der Befreiung bei kapitalmarktorientierten Einzelkaufleuten wurde nicht umgesetzt. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 3; unrichtig der überholte Bezug auf „nicht kapitalmarktorientierte Einzelkaufleute“ bei Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 5. 3 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 4. 4 Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 2. 5 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 6. 6 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem BilMoG, 2009, 3. 7 Kritisch insgesamt Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71; Richter, FR 2009, 804 f. 8 Kußmaul/Meyering, DB 2008, 446. 9 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 5. 10 BT-Drucks. 16/10067, 46 f.: „Es ist nicht erforderlich, dass ein Jahresabschluss nach Maßgabe der handelsrechtlichen Vorschriften aufgestellt werden muss, um festzustellen, dass eine gesetzliche Verpflichtung dazu nicht besteht. Es genügt hier, wenn nach überschlägiger Ermittlung unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Vorschriften zum Jahresabschluss ein Überschreiten der Schwellenwerte nicht zu erwarten ist. In entsprechender Weise ist fortdauernd zu überwachen, ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen.“ 11 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 7, 13. 12 BR-Drucks. 43/08, 100; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 Rz. 20a (Stand Okt. 2012). 13 Dies ratend Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 8. 14 Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012); weitere Einzelheiten zum Beginn der Befreiung nach § 241a HGB s. Richter, FR 2009, 804, 807 ff. 15 Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). 16 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 7; aA Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 5. 17 Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71. 18 Steuerlich über § 140 AO; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). 19 Zutreffend Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 10 mwN.

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Drüen

C. Verhältnis zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO

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Rz. 16 § 241a

ren kaufmännischen Abschluss- und Buchführungspflichten Anwendung.1 Die Schwellenwerte der § 241a HGB sind nicht rückwirkend,2 sondern zukunftsgerichtet zu beurteilen. Denn das Wahlrecht des § 241a HGB ist nicht rückwirkend anzuwenden, sondern kann nur für die Zukunft ausgeübt oder versagt werden.3

IV. Rechtsfolgen der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1) Die Rechtsfolge des § 241a HGB ist ein Wahlrecht (s. Rz. 3) der Befreiung von den Kaufmannspflichten der §§ 238–241 HGB. § 241a HGB dispensiert nicht von der Pflicht zur Aufbewahrung des § 257 HGB, so dass auch Einzelkaufleute, die nach § 241a HGB von der Buchführungspflicht befreit sind, ihre an Stelle der Bücher tretenden Aufzeichnungen (s. Rz. 14) aufzubewahren haben.4

13

§ 241a HGB regelt nicht, was an die Stelle der Vorgaben der §§ 238 ff. HGB tritt, so dass im Ausgangs- 14 punkt handelsrechtlich „alles offen ist“.5 In der Praxis tritt – entsprechend der Intention des Gesetzgebers (s. Rz. 2) – eine primär zahlungsorientierte betriebliche Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG.6 Eine handelsrechtliche Pflicht dazu begründet § 241a HGB indes nicht. Vielmehr ist der Kaufmann hinsichtlich seiner Dokumentation frei, solange er beurteilen kann, ob er die Schwellenwerte des § 241a HGB überschreitet. Dafür sind auch im Fall einer an § 4 Abs. 3 EStG ausgerichteten Überschussrechnung handelsrechtliche Prinzipien (insbes. die Erfolgsneutralität von Anschaffungskosten und eine periodengerechte Gewinnermittlung) maßgebend.7

C. Verhältnis zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO Die Befreiungsvorschrift des § 241a HGB steht entwicklungsgeschichtlich und systematisch in engen Zu- 15 sammenhang zu der steuerrechtlichen Buchführungspflicht. Das zeigt bereits die Bezugnahme auf § 141 AO im Gesetzgebungsverfahren bei Einführung des § 241a HGB und die jüngste parallele Anhebung der Schwellenwerte ab 2016 (s. Rz. 6). § 241a HGB korrespondiert betragsmäßig mit den Schwellenwerten der steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 AO.8 Voraussetzungen und Rechtsfolgen beider Regelungen sind aber nicht deckungsgleich,9 vielmehr bestehen sachliche und zeitliche Diskrepanzen.10 Neben den Bezugsgrößen Umsatz und Gewinn11 ist bereits der Beurteilungszeitraum abweichend, weil das Handelsrecht – außer bei Neugründungen – auf einen Zwei-Jahreszeitraum abstellt, während eine steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 AO grundsätzlich auch bei einmaligem Überschreiten der Buchführungsgrenzen eingreift.12 Für § 241a HGB sind verfahrensrechtliche Vorkehrungen hinsichtlich Beginn und Ende der Befreiung entsprechend § 141 Abs. 2 AO gesetzlich nicht vorgesehen. Steuerrechtlich endet die Buchführungspflicht nicht wie nach § 241a HGB automatisch nach zweimaligem Unterschreiten der Schwellenwerte, sondern erst mit dem Ablauf des Wirtschaftsjahres, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde die Voraussetzungen nach § 141 Abs. 1 AO als nicht mehr gegeben feststellt.13 Insgesamt besteht danach keine Kongruenz zwischen der Befreiung nach § 241a HGB und der Buchführungspflicht nach § 141 AO,14 sondern lediglich eine „Annäherung“ durch das BilMoG.15 Das Zusammenwirken von § 241a HGB mit § 140 AO ist einfach: § 140 AO knüpft akzessorisch an das Handelsrecht an. Die handelsrechtliche Befreiung nach § 241a HGB führt zugleich dazu, dass auch keine abgeleitete steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 140 HGB besteht.16 Endet die handelsrecht1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). Dafür aber Zwirner/Kähler, DStR 2015, 2732 f. Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 8. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1. So Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 7. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 11; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 7. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 5. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11 f.; Rätke in Klein, AO13, § 141 Rz. 2; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 10. Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 50 ff.; Richter, FR 2009, 804, 806 f. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11. Dazu und zum Folgenden Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1a (Stand Okt. 2015). Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11. Bereits BT-Drucks. 16/10067, 46 räumte ein, dass beide Vorschriften „in Randbereichen nicht kongruent“ seien. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 12. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 4; Rätke in Klein, AO13, § 140 Rz. 5.

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§ 241a Rz. 17 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars liche Befreiung nach § 241a HGB, ist der Kaufmann auch steuerrechtlich über § 140 AO zur Buchführung verpflichtet, ohne dass es einer Mitteilung der Finanzbehörde bedarf.1 17

Schwieriger ist das Zusammenwirken von § 241a HGB mit § 141 AO: Trotz der handelsrechtlichen Befreiung nach § 241a HGB kann im Einzelfall eine originär steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 141 AO bestehen.2 § 241a HGB hat keine Auswirkung auf die originäre Buchführungspflicht3 und sperrt diese nicht. So tritt handelsrechtlich nach zweifacher Unterschreitung der Schwellenwert die Befreiung nach § 241a HGB ein, während steuerrechtlich die Buchführungspflicht wegen der Mitteilung nach § 141 Abs. 2 AO fortbestehen kann.4 Die Befreiung des Kaufmanns nach § 241a HGB kann, muss aber wegen divergierender Voraussetzungen nicht mit einer Freistellung von einer steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach § 141 AO einhergehen (s. Rz. 15). Das Auseinanderlaufen beider Regelungen beeinträchtigt indes das gesetzgeberische Deregulierungsziel (s. Rz. 2) und ist rechtspolitisch fragwürdig. Bei der Rechtsanwendung ist der fehlende Gleichlauf aber mangels eines verfassungsrechtlichen Ansatzpunkts hinzunehmen.

Zweiter Unterabschnitt Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 242 Pflicht zur Aufstellung (1) 1Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen. 2Auf die Eröffnungsbilanz sind die für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. (2) Er hat für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs (Gewinn- und Verlustrechnung) aufzustellen. (3) Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bilden den Jahresabschluss. (4) 1Die Absätze 1 bis 3 sind auf Einzelkaufleute im Sinn des § 241a nicht anzuwenden. 2Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen nach Satz 1 schon ein, wenn die Werte des § 241a Satz 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. A. I. II. III. 1. 2.

IV. B. I. 1.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu steuerlichen Vorschriften . . c) Verhältnis zum PublG . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 1) Aufstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ _ __ __ _ 1 4 8

11 12 13 14

15

2. Aufstellungszeitpunkt a) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . c) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . d) Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufstellungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschriften zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sanktionen bei Pflichtverletzung . . . . . . . . . II. Jahresbilanz (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . C. Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2) . . . D. Bestandteile des Jahresabschlusses (Abs. 3) E. Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ __ __ _ _ 24 25 26 27 28 34 41 47 51 57 62

1 Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). 2 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 4; Rätke in Klein, AO13, § 141 Rz. 2; ebenso BMF, AEAO § 141 Rz. 1 Satz 2. 3 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 12. 4 Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1a (Stand Okt. 2015) mwN.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 5 § 242

Literatur: Blumers, Bilanzierungsfristen, DB 1986, 2033; Schellein, Rechnungslegung der Personenhandelsgesellschaften, WPg. 1988, 693; Sarx, Bilanzierungsfragen im Rahmen einer Eröffnungsbilanz, DStR 1991, 692; Rodewald, Aufstellung von GmbH-Eröffnungsbilanzen, BB 1993, 1693; Mösbauer, Grenzen der Buchführungs- und Abschlußpflicht, DB 1995, 397; Joswig, Gründungsbilanz von Kapitalgesellschaften, DStR 1996, 1907; Kersting, Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht, BB 2008, 790; Richter, Handelsrechtliche Buchführungspflicht, FR 2009, 804; IDW, RS HFA 7, Handelsrechtliche Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, FN-IDW 2012, 189; Scheller/Baier/Göcke, Die Betriebsstätte einmal aus anderer Sicht, Stbg. 2014, 256; Wiechers/Wolf, Erstellung, Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses, BBK 2015, 506.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jeder Kaufmann dazu verpflichtet, zu Beginn seines Handelsgewerbes 1 eine Eröffnungsbilanz und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz nach handelsrechtlichen Vorschriften aufzustellen. Die Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres wird – im Unterschied zur Rechtslage vor dem BiRiLiG1 – durch § 242 Abs. 2 HGB nunmehr ausdrücklich vorgegeben.2 Der auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Jahresabschluss besteht gem. § 242 Abs. 3 HGB aus der Bilanz (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB) und der GuV (§ 242 Abs. 2 HGB). Nach § 242 Abs. 4 HGB besteht für Einzelkaufleute die Möglichkeit, neben der größenabhängigen Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und zur Erstellung eines Inventars (§§ 238–241 HGB) auch von der Befreiungswirkung des § 241a HGB in Bezug auf die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und eines Jahresabschlusses Gebrauch zu machen. Die Vorschrift des § 242 HGB bildet die Generalnorm zur Aufstellung eines handelsrechtlichen Ab- 2 schlusses (Eröffnungsbilanz, Bilanz) für alle Kaufleute, unabhängig von der Rechtsform und der Branche. Sie tritt neben die Generalnorm zur Buchführung (§ 238 HGB); zusammen bilden die §§ 238, 242 HGB die Grundlage für die Pflicht zur Rechnungslegung für alle Kaufleute. Neben der Aufstellungspflicht hält § 242 HGB Legaldefinitionen für die Begriffe Eröffnungsbilanz (Abs. 1), Bilanz (Abs. 1), GuV (Abs. 2) sowie Jahresabschluss (Abs. 3) bereit. Diese Begriffe sind damit für alle nachfolgenden Vorschriften definiert.

3

II. Bedeutung und Zweck Die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes sowie eines Jahres- 4 abschlusses zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Kaufmanns dar.3 Als öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist die Aufstellung der Eröffnungsbilanz sowie des Jahresabschlusses eine höchstpersönliche Verpflichtung des Kaufmanns bzw. dessen gesetzlicher Vertreter und nicht delegationsfähig.4 Davon ausgenommen sind jedoch Hilfspersonen, deren sich der Kaufmann bzw. dessen gesetzliche Vertreter bedienen.5 Die Zwecke der Eröffnungsbilanz sowie des Jahresabschlusses sind nach überwiegender Auffassung in der 5 Dokumentations-, Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion zu sehen.6 Als Elementarzweck der Buchführung und Bilanzierung gilt die Dokumentationsfunktion. Die Buchführung als Grundlagenfunktion für den Jahresabschluss soll dem Kaufmann – und bei Bedarf einem sachverständigen Dritten – innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und damit eine Auskunft über die Lage des Unternehmens verschaffen können (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB).7 Wenngleich ein expliziter Hinweis in § 242 HGB wie auch in § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB auf die „Lage des 1 Ges. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 2 Vgl. zum deklaratorischen Charakter der Vorschrift Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 12 (Stand Aug. 2010). 3 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 1; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB Rz. 1; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 242 HGB Rz. 1; Wiechers/Wolf, BBK 2015, 506 (508). 4 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 29. 5 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 29; Hentschel in Beck HdR, B 101 Rz. 4 (Stand Jan. 2009); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 19; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 12. 6 Vgl. etwa Leffson, Buchführung7, 41 ff.; Ballwieser in Beck HdR, B 105 Rz. 70 ff. (Stand Okt. 2009); Moxter, Rechnungslegung, 3 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss24, 18 ff.; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 4; Baetge/Zülch in HdJ, Abt. I/2 Rz. 30 (Stand Sept. 2010). Zu den Funktionen der Eröffnungsbilanz vgl. auch Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 13 ff.; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4013. 7 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 3; Baetge/Zülch in HdJ, Abt. I/2 Rz. 31 (Stand Sept. 2010).

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§ 242 Rz. 6 | Pflicht zur Aufstellung Unternehmens“ fehlt, hat auch der Jahresabschluss – wenngleich auch nur mittelbar über die Buchführung – ein Bild über die Lage des Unternehmens zu vermitteln (Informationsfunktion).1 Diese Zielvorstellung wird dadurch erreicht, dass die nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB aufzustellenden Bilanzen die Informationen über die Lage des Unternehmens auf einen Stichtag, nämlich auf den Beginn des Handelsgewerbes (Eröffnungsbilanz) und auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Jahresbilanz), komprimieren. Die Aufstellung einer Bilanz zu Beginn und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB steht neben der Rechenschaft gegenüber Dritten zugleich aus Gründen der Selbstinformation und Selbstkontrolle im Interesse des Kaufmanns.2 Schließlich trägt der verpflichtende Charakter der Bilanzaufstellung dazu bei, dass im Interesse des Gläubigerschutzes gehandelt wird.3 6

Die handelsrechtliche Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 1 HGB hat auch für die steuerliche Gewinnermittlung Bedeutung. So verlangt das Steuerrecht über § 140 AO die Anwendung der handelsrechtlichen Buchführungspflichten auch für steuerliche Zwecke. Daneben knüpft die steuerliche Gewinnermittlung über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG an die nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellten Abschlüsse (Eröffnungsbilanz, Bilanz) und über § 60 EStDV an die handelsrechtlichen Jahresabschlussunterlagen an.4

7

Darüber hinaus kann der Jahresabschluss weitere Funktionen haben, wie die Bemessungsfunktion für Ausschüttungen bzw. Entnahmen oder die Offenlegungsfunktion zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nach § 18 KWG bei Kreditaufnahmen.5

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich 8

Persönlicher Geltungsbereich. Die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes sowie eines Jahresabschlusses zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres erstreckt sich – vorbehaltlich der Befreiung nach § 242 Abs. 4 HGB – auf alle Kaufleute iSd. §§ 1 ff. HGB. Die Aufstellungspflicht hängt damit wie auch die Buchführungspflicht (§ 238 HGB) maßgeblich von der Kaufmannseigenschaft ab. Zur Aufstellung verpflichtet ist danach, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB). Für die Aufstellungspflicht ist nicht entscheidend, aufgrund welcher Rechtsnorm die Kaufmannseigenschaft erlangt wurde.6 Die Branche ist ebenfalls unerheblich. Allerdings werden die an alle Kaufleute gestellten Anforderungen rechtsformspezifisch, in Abhängigkeit von Größenmerkmalen und Geschäftszweigen, weiter ausdifferenziert.

9

Sachlicher Geltungsbereich. Die Aufstellungspflicht des § 242 HGB umfasst das Bilanzierungsobjekt „Handelsgewerbe“.7 Ein Handelsgewerbe wird als erkennbar planmäßige, auf Dauer angelegte, selbstständige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete oder jedenfalls wirtschaftliche Tätigkeit am Markt unter Ausschluss freiberuflicher, wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit definiert, die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.8 Die Verpflichtung zur Aufstellung gem. § 242 Abs. 1 HGB umfasst die gesamte unternehmerische Tätigkeit bzw. das gesamte Unternehmensvermögen. Einzelkaufleute, die mehrere Handelsgewerbe betreiben und für diese jeweils verschiedene Firmen führen, haben alle Firmen in einen einheitlichen Jahresabschluss und damit auch in eine Eröffnungsbilanz einzubeziehen (personenbezogen).9 Es ist nicht für jede Firma eines Einzelkaufmanns ein gesonderter Jahresabschluss bzw. eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Im Ergebnis richtet sich die Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB somit an den Kaufmann und seine gesamte unternehmerische Tätigkeit und nicht an die Firma, unter der der Kaufmann auftritt.10 Zu einem Handelsgewerbe können auch mehrere Zweigniederlassungen iSv. § 13 HGB (im steuerlichen Sinne Betriebsstätten, § 12 Nr. 2 AO) gehören.11 Für diese Zweigniederlassungen besteht keine gesonderte Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 3; Baetge/Zülch in HdJ, Abt. I/2 Rz. 34 (Stand Sept. 2010). Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 2; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB Rz. 3. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 2; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB, Rz. 3. Vgl. etwa Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB Rz. 2. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 29; Kuhn in Heidel/Schall2, § 242 HGB Rz. 11. Vgl. Morck in Koller/Kindler ua.8, § 242 HGB Rz. 1. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 242 HGB Rz. 1. Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt37, § 1 HGB Rz. 12, 23. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 35; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 10. Förschle/Kropp, in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 20 f. 10 So ausdrücklich klarstellend § 1 Abs. 5 PublG. 11 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 242 HGB Rz. 1. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 11 § 242

Pflicht zur Rechnungslegung nach §§ 242 ff. HGB.1 Die Zweigniederlassungen sind somit in einen einheitlichen Jahresabschluss einzubeziehen.2 § 242 HGB enthält hinsichtlich seines sachlichen Anwendungsbereichs auch keine territoriale Begrenzung. Für den Fall, dass das Bilanzierungsobjekt „Handelsgewerbe“ auch Zweigniederlassungen im Ausland umfasst, sind diese somit ebenfalls von der Aufstellungspflicht des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB erfasst und in den Jahresabschluss einzubeziehen.3 Die handelsrechtlichen Grundsätze zum Bilanzierungsobjekt „Handelsgewerbe“ gelten für die steuerlichen Pflichten, die sich aus außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben, gleichermaßen (§ 140 AO). Die handelsrechtliche Verpflichtung umfasst alle (Teil-)Betriebe im steuerlichen Sinne.4 Im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Aufstellungspflichten, die auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit abstellen (personenbezogen), stellt die originäre steuerliche Verpflichtung zur Bilanzierung gem. § 141 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf das gesamte Unternehmen, sondern auf jeden einzelnen Betrieb des Steuerpflichtigen (betriebsbezogen) ab.5 Zeitlicher Geltungsbereich. § 242 Abs. 1–3 HGB idF des BiRiLiG6 gilt gem. Art. 23 Abs. 1 EGHGB zwin- 10 gend seit dem Geschäftsjahr 1987, wahlweise bereits seit dem Geschäftsjahr 1986. Die im Wege des BilMoG7 eingefügte Befreiungsvorschrift in § 242 Abs. 4 HGB ist gem. Art. 66 Abs. 1 EGHGB erstmals für Geschäftsjahre nach dem 31.12.2007 anzuwenden. Die im Wege des Bürokratieentlastungsgesetzes8 erhöhten Schwellenwerte in § 241a HGB sind für die Befreiung von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 4 HGB gem. Art. 76 EGHGB erstmals auf das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des HGB § 238 HGB. Die Pflicht zur Aufstellung eines Abschlusses zu Beginn des Handelsgewerbes (Eröffnungs- 11 bilanz) sowie eines Abschlusses jeweils zum Schluss eines Geschäftsjahres (Bilanz) knüpft an die Buchführungspflicht nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB an. Beide (General-)Normen zusammen bilden die Grundlage für die Rechnungslegungspflicht für alle Kaufleute und verfolgen das Ziel, einen Einblick in die Lage des Unternehmens zu ermöglichen.9 § 240 HGB. Das verpflichtend aufzustellende Eröffnungsinventar zu Beginn des Handelsgewerbes (§ 240 Abs. 1 HGB) sowie Schlussinventar zum Ende eines jeden Geschäftsjahres (§ 240 Abs. 2 Satz 1 HGB) bilden die Grundlage für die nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB aufzustellende Eröffnungsbilanz sowie die zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Bilanz.10 § 243 ff. HGB. Die Aufstellung eines Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) jeweils zum Schluss eines Geschäftsjahres nach handelsrechtlichen Vorschriften hat unter Berücksichtigung der allgemeinen Vorschriften (§§ 243–245 HGB), der Ansatz-, Bewertungs-, Gliederungs- und Ausweisvorschriften (§§ 246–256a HGB) sowie der Vorschriften über die Aufbewahrung und Vorlage (§§ 257–261 HGB) zu erfolgen. Für die Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes gelten die Vorschriften des Jahresabschlusses, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen (§ 242 Abs. 1 Satz 2 HGB). § 264 ff. HGB. Neben den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften zur Bilanzierungspflicht in § 242 HGB finden auf Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB die weitergehenden Vorschriften der §§ 264 ff. HGB Anwendung; sie haben jedoch keine Ausstrahlungswirkung auf die für alle Kaufleute geltenden Vorschriften. Nach der Generalklausel des § 264 Abs. 2 HGB sollen die §§ 264 ff. HGB unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB vermitteln. Die weitergehenden Vorschriften beziehen sich insbes. auf

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Scheller/Baier/Göcke, Stbg. 2014, 256 (257). Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 242 HGB Rz. 1. Vgl. Scheller/Baier/Göcke, Stbg. 2014, 256 (257). Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 164. Vgl. Cöster in Koenig3, § 141 AO Rz. 11; Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 8 (Stand Okt. 2015). Siehe auch Mösbauer, DB 1995, 397 (398); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 160. Ges. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. Ges. v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. Ges. v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400. Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 1, 5 (Stand Feb. 2010). Vgl. Sarx, DStR 1991, 692 (692).

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§ 242 Rz. 12 | Pflicht zur Aufstellung die Pflichtbestandteile des Jahresabschlusses, die Form- und Gliederung von Bilanz und GuV, die Bilanzansatz- und Bewertungsvorschriften wie auch die zusätzlichen Erläuterungs- und Angabepflichten. §§ 336 ff. HGB. Für Genossenschaften gelten nach §§ 336 ff. HGB weitergehende Aufstellungspflichten hinsichtlich des Umfangs der in den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) verpflichtend einzubeziehenden Bestandteile. §§ 340 ff. HGB. Für Kreditinstitute iSd. § 1 Abs. 1 KWG und Finanzdienstleistungsinstitute iSd. § 1 Abs. 1a KWG gelten nach §§ 340 ff. HGB weitergehende Aufstellungspflichten hinsichtlich des Umfangs der in den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) verpflichtend einzubeziehenden Bestandteile. §§ 341 ff. HGB. Für Unternehmen, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben und nicht Träger der Sozialversicherung sind (Versicherungsunternehmen), sowie Pensionsfonds gelten nach §§ 341 ff. HGB weitergehende Aufstellungspflichten hinsichtlich des Umfangs der in den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) einzubeziehenden Bestandteile. b) Verhältnis zu steuerlichen Vorschriften 12

§ 140 AO. Für Zwecke der Besteuerung verlangt auch das Steuerrecht die Führung von Büchern und Aufzeichnungen. Die Verpflichtung eines jeden Kaufmanns zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und einer Bilanz nach handelsrechtlichen Grundsätzen gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB gilt nach § 140 AO auch für steuerliche Zwecke. § 140 AO verzahnt den handelsrechtlichen Aufstellungsgrundsatz (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB) mit den für steuerliche Zwecke notwendigen Aufzeichnungspflichten, indem er die Erfüllung der in außersteuerlichen Gesetzen verankerten Pflichten auch für steuerliche Zwecke verlangt.1 § 141 AO. Für bestimmte Einzelkaufleute sieht § 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB neben einer größenabhängigen Befreiung von der Buchführung (§ 238 HGB) und der Erstellung eines Inventars (§ 240 HGB) auch eine Befreiung von der Aufstellung eines handelsrechtlichen Abschlusses (Eröffnungsbilanz, Bilanz) vor. Die originären steuerlichen Aufzeichnungspflichten bleiben hiervon jedoch unberührt (§ 141 Abs. 1 Satz 1 AO).2 Zwar stimmen die normierten Schwellenwerte der §§ 241a HGB, 141 AO seit der Annäherung durch das BilMoG betragsmäßig überein, dennoch sind die §§ 241a HGB, 141 AO „in Randbereichen nicht vollständig kongruent“3. Im Ergebnis kann es deshalb trotz handelsrechtlicher Befreiung von der Aufstellungspflicht (§ 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB) zu einer originär steuerlichen Pflicht, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse4 zu erstellen, kommen.5 Mangels Verweis auf § 242 Abs. 2 und 3 HGB ist für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten gem. § 141 AO keine doppelte Buchführung mit zusätzlicher GuV erforderlich; eine einfache Buchführung reicht mithin aus.6 Die originär steuerlichen Pflichten stellen im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Aufstellungspflichten jedoch nicht auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit (personenbezogen), sondern auf den einzelnen (Teil-)Betrieb oder die inländische Betriebsstätte als Besteuerungsobjekt ab (betriebsbezogen).7 Unter den Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 Satz 1 AO kann sich so auch für einzelne (Teil-)Betriebe oder inländische Betriebsstätten eine originäre steuerliche Pflicht zur Buchführung und zur Erstellung von Abschlüssen ergeben, sofern nicht bereits eine handelsrechtliche und damit steuerliche Pflicht zur Rechnungslegung nach § 140 AO bestand.8 § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Handelsbilanz ist über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG mit der steuerlichen Gewinnermittlung verknüpft; § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG transformiert die Bilanzierungspflicht gem. § 242 HGB zu

1 Vgl. Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 31 f.; Crezelius in Kirchhof15, § 5 EStG Rz. 17, 20. 2 Vgl. Rätke in Klein13, § 141 AO Rz. 2. 3 BT-Drucks. 16/10067, 46. Für einen Überblick über die unterschiedlichen Schwellenwerte vgl. Winnefeld, BilanzHandbuch5, Kap. A Rz. 1124 ff. Kritisch hierzu Richter, FR 2009, 804 (806 ff.); Müller/Reinke, Stbg. 2008, 336 (339 f.). 4 Unter Abschlüssen sind ieS die Eröffnungs- und Jahresbilanz gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB und iwS der Jahresabschluss gem. § 242 Abs. 3 HGB zu verstehen, vgl. Weber-Grellet in Schmidt35, § 5 EStG Rz. 6. 5 Vgl. Rätke in Klein, AO13, § 141 Rz. 2; Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 50. Vgl. für einen Überblick möglicher Fallgruppen aufgrund sachlicher und zeitlicher Abweichungen Richter, FR 2009, 804 (808). 6 Vgl. Crezelius in Kirchhof15, § 5 EStG Rz. 19; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 73 (Stand Okt. 2015). Siehe auch Cöster in Koenig, AO3, § 141 Rz. 27 mwN; Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 35 (Stand Okt. 2015). 7 Vgl. Cöster in Koenig, AO3, § 141 Rz. 11; Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 8 (Stand Okt. 2015); Mösbauer, DB 1995, 397 (398); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 160. 8 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 160.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 14 § 242

einer steuerlichen Verpflichtung.1 Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG haben Gewerbetreibende, die ihren Gewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich ermitteln (§§ 140, 141 AO oder freiwillig), für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist (materielle Maßgeblichkeit).2 Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bilden somit auch nach BilMoG die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung. Die (enge) Verknüpfung der beiden Rechenwerke wurde durch das BilMoG jedoch abgeschwächt. Mit der Streichung der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG aF) und der Einfügung eines neuen § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG können steuerliche Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden.3 § 5b EStG. Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermitteln, besteht die Verpflichtung, den Inhalt der Handelsbilanz nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu übermitteln (§ 5b Abs. 1 Satz 1 EStG).4 Enthält die Handelsbilanz Ansätze oder Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, so sind diese Ansätze und Beträge gem. § 5b Abs. 1 Satz 2 EStG durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen und ebenso elektronisch zu übermitteln (sog. „Überleitungsrechnung“).5 § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG gilt gem. § 5b Abs. 1 Satz 5 EStG auch für die Eröffnungsbilanz. § 60 EStDV. Der Kaufmann ist verpflichtet, seiner Steuererklärung die handelsrechtlichen Jahresabschlussunterlagen beizufügen (§ 60 Abs. 3 EStDV). Das Steuerrecht greift somit über § 60 EStDV auf die nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellten Bestandteile des Jahresabschlusses (Bilanz, GuV, Anhang) sowie des Lage- und Prüfungsberichts zurück. Im Fall der Eröffnung eines Betriebs umfassen die Pflichtunterlagen auch eine Abschrift der Eröffnungsbilanz (§ 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV). c) Verhältnis zum PublG Neben die handelsrechtliche Pflicht zur Aufstellung eines Abschlusses (Eröffnungsbilanz, Bilanz) treten 13 ferner die Vorschriften des PublG für große Unternehmen ausgewählter Rechtsformen.6 Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften außerhalb des § 264a HGB, die die Größenmerkmale (§ 5 Abs. 1 Nr. 1–3 PublG) überschreiten.7 Das PublG begründet aber keine eigene Rechnungslegungspflicht; es geht vielmehr davon aus, dass die unter das PublG fallenden Unternehmen einen Jahresabschluss nach § 242 HGB aufstellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PublG).8 Die unter das PublG fallenden Unternehmen haben in Ergänzung zu den Vorschriften für alle Kaufleute die Vorschriften, die das HGB für die Bilanz und die GuV der Kapitalgesellschaften bereithält, sinngemäß anzuwenden.9

IV. Rechtsentwicklung Bis zum Inkrafttreten des BiRiLiG10 war die Pflicht zur Aufstellung eines Abschlusses zu Beginn des Han- 14 delsgewerbes (Eröffnungsbilanz) sowie zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Bilanz) in § 39 HGB aF gesetzlich kodifiziert. Erst durch Einfügung des neuen Dritten Buches des HGB durch das BiRiLiG ergibt sich die Aufstellungspflicht des Kaufmanns aus § 242 HGB. Mit der Aufnahme der Bilanzierungspflicht für alle Kaufleute wurde zugleich die Verpflichtung zur Aufstellung einer GuV zum Ende eines jeden Geschäftsjahres erstmals in das HGB aufgenommen. 1 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 3 (Stand Okt. 2012); Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 65. 2 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239; Weber-Grellet in Schmidt35, § 5 EStG Rz. 28; Anzinger in HHR, § 5 EStG Rz. 257 f. 3 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239; Weber-Grellet in Schmidt35, § 5 EStG Rz. 60 ff. 4 Vgl. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009 – DOK 2011/0770620, BStBl. I 2011, 855; aktualisiert durch BMF v. 5.6.2012 – IV C 6 - S 2133-b/11/10016, BStBl. 2012, 598 – DOK 2012/0492960. Vgl. auch Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 1260 ff. 5 Vgl. hierzu etwa Gosch in Kirchhof15, § 5b EStG Rz. 5; Weber-Grellet in Schmidt35, § 5b EStG Rz. 3. 6 Ein Unternehmen gilt dann als groß iSd. PublG, wenn gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 PublG an drei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen jeweils mindestens zwei der drei nachfolgenden Kriterien überschritten werden: Bilanzsumme größer 65 Mio. €, Umsatzerlöse größer 130 Mio. € und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl im Geschäftsjahr größer 5.000. 7 Vgl. Schulze-Osterloh in HdJ, Abt. I/1 Rz. 81 (Stand Sept. 2016). 8 Vgl. Kuhn in Heidel/Schall2, § 242 HGB Rz. 20. Für einen Überblick über die Rechnungslegungspflicht nach dem PublG vgl. IDW, WP Handbuch14, Band I, 907 ff. 9 Vgl. zur Reichweite der Verweisung in § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG Schulze-Osterloh in HdJ, Abt. I/1 Rz. 83 (Stand Sept. 2016). 10 Ges. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355.

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§ 242 Rz. 15 | Pflicht zur Aufstellung Im Zuge der durch das BilMoG1 erwirkten Erleichterungen in Bezug auf die Buchführungs- und Inventarpflicht (§ 241a HGB) wurde § 242 Abs. 4 HGB neu eingefügt, der die Befreiung von Einzelkaufleuten von der Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB regelt. Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz2 wurde die Anwendung der Befreiung von der Aufstellungspflicht durch die Anhebung der Schwellenwerte in § 241a HGB auf eine größere Anzahl von Einzelkaufleuten ausgedehnt.

B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) I. Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 1) 1. Aufstellungspflicht 15

Den Ausgangspunkt der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung bildet die Eröffnungsbilanz. Neben der Pflicht zur Buchführung (§ 238 HGB) hat jeder Kaufmann – mit Ausnahme von § 242 Abs. 4 HGB – zu Beginn seines Handelsgewerbes für das erste Geschäftsjahr bzw. Rumpfgeschäftsjahr einen Abschluss (Eröffnungs- bzw. Gründungsbilanz) gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB aufzustellen. Dieser soll das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellen und somit einen Vermögensstatus auf den Zeitpunkt des Beginns seiner gewerblichen Tätigkeit angeben.3 Zugleich bildet er die Basis für die laufende Buchführung und die zukünftigen Jahresabschlüsse.4

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Die Eröffnungsbilanz beinhaltet nach dem Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) alle Vermögensgegenstände und Schulden, die zum Betriebsvermögen gehören. Das Privatvermögen des Einzelunternehmers bzw. des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft darf nicht in die Bilanz und die auf das Privatvermögen entfallenden Aufwendungen und Erträge nicht in die GuV aufgenommen werden (§ 5 Abs. 4 PublG). Für die Abgrenzung zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen gibt es jedoch keine expliziten handelsrechtlichen Regelungen.

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Bei Einzelunternehmen ist die Zuordnung unproblematisch für die Vermögensgegenstände oder Schulden, die nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB) eindeutig nur dem Betrieb (notwendiges Betriebsvermögen) oder der privaten Sphäre (notwendiges Privatvermögen) dienen. Werden Vermögensgegenstände nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sowohl gewerblich als auch privat genutzt, ist eine eindeutige Zuordnung oftmals schwierig. In diesen Fällen steht dem Kaufmann ein Widmungswahlrecht zu,5 sofern seine Zurechnung nicht willkürlich ist.6 Eine Orientierung bieten auch die steuerlichen Zuordnungskriterien.7

18

Bei Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) müssen nach dem Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) alle Vermögensgegenstände und Schulden, die im Gesamthandsvermögen stehen, in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen werden. Auf die betriebliche Nutzung kommt es nicht an;8 entscheidend ist die Haftungswirkung für die Gesamthandsgläubiger.9 Steuerliches Sonderbetriebsvermögen ist handelsrechtlich hingegen nicht bilanzierungsfähig. Zur steuerlichen Abgrenzung des Betriebsvermögens bei Personenhandelsgesellschaften s. Anh. 2 zu §§ 238–263 HGB.

19

Bei Kapitalgesellschaften ist die Abgrenzung unproblematisch, da es sich um eine juristische Personen handelt. In der Eröffnungsbilanz der Kapitalgesellschaft sind das gesamte in ihrem (wirtschaftlichen) Eigentum stehende Vermögen und die entsprechenden Schulden anzusetzen.10

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Die Verpflichtung zur handelsrechtlichen Rechnungslegung und damit zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und eines Jahresabschlusses trifft den Einzelunternehmer als Geschäftsinhaber persönlich.11 Bei Personenhandelsgesellschaften trifft die Verpflichtung im Außenverhältnis die vertretungsberechtigten 1 Ges. v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 2 Ges. v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400. 3 Vgl. Sarx, DStR 1991, 692 (692); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 13. 4 Vgl. Sarx, DStR 1991, 692 (692). 5 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 10. 6 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 18; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 10. 7 Vgl. R 4.2 EStR 2012; Kanzler in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 480 ff. 8 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 47 (Stand. Feb. 2010); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 10; IDW, RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 10. 9 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 18; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 31. 10 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 8. 11 Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock, Jahresabschluss5, 120; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 10.

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B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1)

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Rz. 24 § 242

Gesellschafter; intern handelt es sich um eine Maßnahme der Geschäftsführung gem. §§ 114, 116 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB und damit um eine Verpflichtung der geschäftsführenden Gesellschafter.1 Die Verpflichtung zur Aufstellung obliegt bei Kapitalgesellschaften als Maßnahme der Geschäftsführung den gesetzlichen Vertretern (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Anlass für eine Eröffnungsbilanz kann neben dem (Neu-)Beginn eines Handelsgewerbes auch die Erweite- 21 rung eines Kleingewerbes, die Übernahme eines bestehenden Handelsgewerbes unter Lebenden oder von Todes wegen oder die Neugründung infolge einer Umwandlung (Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung) sein.2 Eine Eröffnungsbilanz ist allerdings idR nicht erforderlich, wenn lediglich ein Gesellschafterwechsel bei einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft stattfindet und die Gesellschaft unverändert weitergeführt wird.3 Ein Formwechsel begründet ebenso keine Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz.4 Dasselbe gilt infolge von Rechtsänderungen zur Bilanzierung (zB BilMoG).5 Die Eröffnungsbilanz schließt die notwendigen rechnungslegungsbezogenen Arbeiten zu Beginn eines 22 Handelsgewerbes ab.6 Der exakte Zeitpunkt der Aufstellung für die Eröffnungsbilanz ist jedoch nicht allgemein zu bestimmen, er ist vielmehr abhängig von der Kaufmannsart und der Rechtsform des Unternehmens (s. Rz. 21 ff.).7 Die handelsrechtliche Verpflichtung, eine Eröffnungsbilanz aufzustellen, gilt über § 140 AO auch für Zwe- 23 cke der Besteuerung. Danach hat der Einzelkaufmann bzw. haben die Geschäftsführer (Personenhandelsgesellschaften) oder die gesetzlichen Vertreter (Kapitalgesellschaften) eine steuerliche Eröffnungsbilanz aufzustellen.8 Aufgrund der ertragsteuerlichen Behandlung des „kreuzenden“ Formwechsels (§§ 190 ff. UmwG) als Vermögensübertragung (§§ 9, 25 UmwStG), ist – im Gegensatz zum Handelsrecht – auch bei einem Formwechsel eine steuerliche Eröffnungsbilanz aufzustellen.9 2. Aufstellungszeitpunkt a) Einzelkaufmann Nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB ist die Eröffnungsbilanz zu Beginn des vollkaufmännischen Handelsgewer- 24 bes aufzustellen. Ein Einzelkaufmann betreibt dann ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe, wenn er gewerblich tätig ist und sein Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 2 HGB). Beginn des vollkaufmännischen Handelsgewerbes und damit Beginn der Buchführungspflicht sowie Zeitpunkt für die Aufstellung der Eröffnungsbilanz ist regelmäßig die erste nach außen gerichtete Vorbereitungshandlung.10 Bei umfangreichen Vorbereitungshandlungen ist die Feststellung dieses Zeitpunktes zT schwierig; hier wird es als zulässig erachtet, auf den Abschluss der Vorbereitungshandlungen abzustellen, spätestens jedoch auf den ersten nach außen gerichteten GuV-wirksamen Geschäftsvorfall.11 1 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C 15 ff.; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 11. 2 Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 22 ff.; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 2. Für einen Überblick über die Aufstellungsanlässe vgl. auch Sarx, DStR 1991, S. 692 (692 f.); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/ Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 30 ff.; Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 42. 3 Vgl. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 4. 4 Vgl. etwa Deubert/Hoffmann in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. L Rz. 30; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz7, § 17 UmwG Rz. 84. Siehe hierzu auch IDW, RS HFA 41, IDW-FN 2012, 539 Rz. 3. 5 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 242 HGB Rz. 5; aA Zwirner, DB 2010, 1844 ff. 6 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 10; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 19. 7 Vgl. Morck in Koller/Kindler ua.8, § 242 HGB Rz. 1; Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 3. 8 Vgl. etwa für die steuerliche Eröffnungsbilanz des Einzelkaufmanns Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/ Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 158 ff.; für die steuerliche Eröffnungsbilanz der Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 163 ff.; für die steuerliche Eröffnungsbilanz der Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 268 ff. sowie für die steuerliche Eröffnungsbilanz bei Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung) zur Neugründung Klingberg in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. K Rz. 113. 9 Vgl. Klingberg in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. L Rz. 190; Forst/Schaaf in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 1934. 10 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 13; ADS6, § 242 HGB Rz. 19; Sarx, DStR 1991, 692 (692); Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 29. 11 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 13; Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 7 (Stand Juli 2003). Vgl. zur weiteren Diskussion ADS6, § 242 HGB Rz. 19.

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§ 242 Rz. 25 | Pflicht zur Aufstellung Kleingewerbetreibende, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB nicht erfüllen und auch nicht im Handelsregister eingetragen sind, jedoch in die Größenordnung eines Handelsgewerbes (§ 1 Abs. 2 HGB) hineinwachsen (Erweiterung eines Kleingewerbes), haben die Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt aufzustellen, zu dem die Voraussetzungen eines Handelsgewerbes erfüllt sind.1 Es wird hierbei auf die hinreichende Dokumentation der entsprechenden Geschäftsvorfälle ankommen.2 Ein Kaufmann, der die Kaufmannseigenschaft iSd. HGB erst durch die Eintragung in das Handelsregister (konstitutive Wirkung) erlangt, hat auf den Tag der Eintragung eine Eröffnungsbilanz aufzustellen.3 Wer hingegen bereits vor der Eintragung mit einer unternehmerischen Tätigkeit begonnen hat, die einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert, hat die Eröffnungsbilanz auf den früheren Zeitpunkt aufzustellen.4 Der Erwerb der Kaufmannseigenschaft und damit der Beginn der handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ist gem. § 140 AO auch für steuerliche Zwecke maßgebend.5 Setzt die Pflicht zur Buchführung und Bilanzierung aus steuerlichen Gründen nicht bereits nach handelsrechtlichen Vorschriften ein (§ 140 AO), so ist bei Überschreiten der Grenzwerte des § 141 Abs. 1 Satz 1 AO auf Anordnung des Finanzamts eine steuerliche Eröffnungsbilanz auf den Beginn des Wirtschaftsjahres aufzustellen, das auf die wirksame Bekanntgabe der Mitteilung folgt (§ 141 Abs. 2 Satz 1 AO).6 Es steht dem Einzelkaufmann jedoch auch frei, auf den früheren Tag der Geschäftseröffnung eine steuerliche Eröffnungsbilanz aufzustellen.7 b) Personenhandelsgesellschaften 25

Die geschäftsführenden Gesellschafter haben die Eröffnungsbilanz auf den Tag des ersten Geschäftsvorfalls aufzustellen, wenn der Zweck der Gesellschaft von Beginn an auf den gemeinsamen Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes gerichtet ist,8 da die Personengesellschaft bereits von Beginn an als Handelsgesellschaft anzusehen ist (§ 1 Abs. 2 HGB). Personengesellschaften, die zunächst nur eine kleingewerbliche Tätigkeit ausgeübt haben, im Verlauf jedoch die Kriterien für das Erfordernis eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs erfüllen, haben die Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt zu erstellen, ab dem die Anmeldepflicht zum Handelsregister besteht; der Zeitpunkt der Eintragung ist demnach nicht maßgeblich.9 Für eine Personengesellschaft ohne vollkaufmännisches Handelsgewerbe kann die Kaufmannseigenschaft schließlich auch dadurch begründet werden, dass sie von der Möglichkeit zur Eintragung in das Handelsregister Gebrauch macht (§§ 6 Abs. 1 iVm. 105 Abs. 2 Satz 1 HGB). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aufstellung der Eröffnungsbilanz ist dann der Tag der Eintragung in das Handelsregister.10 Wegen § 140 AO gelten die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten bezüglich des maßgeblichen Aufstellungszeitpunkts für die handelsrechtliche Eröffnungsbilanz auch für die steuerliche Eröffnungsbilanz. Eine originär steuerliche Pflicht zur Aufstellung einer steuerlichen Eröffnungsbilanz (§ 141 Abs. 1 AO) ist bei Überschreiten der steuerlichen Grenzwerte und auf Anordnung des Finanzamts auf den Beginn des Wirtschaftsjahres aufzustellen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt.11

1 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 32 (Stand Feb. 2010); Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 7 (Stand Juli 2003). 2 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 22. 3 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 32 (Stand Feb. 2010); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 54. 4 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 56; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 3. 5 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 18 (Stand Okt. 2012); Cöster in Koenig3, § 140 AO Rz. 26; Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 33. 6 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 47 (Stand Okt. 2015); Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 48; Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 163. 7 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 163. 8 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 34; Ellerich/ Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 7 (Stand Juli 2003). 9 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 34 (Stand Feb. 2010); Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 36. 10 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 34 (Stand Feb. 2010); Förschle/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap C Rz. 35. 11 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 166 mwN.

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B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1)

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Rz. 27 § 242

c) Kapitalgesellschaften Die Gründung einer Kapitalgesellschaft besteht aus mehreren Phasen.1 Die erste Phase des Gründungs- 26 vorgangs erstreckt sich über den Zeitraum vom Gründungsbeschluss bis zum Abschluss des notariell zu beurkundenden Gesellschaftsvertrags. Die zu gründende Gesellschaft wird als Vorgründungsgesellschaft bezeichnet und geht nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags in die Vorgesellschaft über. Die Vorgesellschaft erlangt durch Eintragung in das Handelsregister ihre Eigenschaft als Kapitalgesellschaft. In formaler Hinsicht existiert die Kapitalgesellschaft somit erst mit der Eintragung in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG, § 41 Abs. 1 AktG).2 Der für die Aufstellung der Eröffnungsbilanz maßgebende Zeitpunkt liegt nach Auffassung der hM zwischen dem Tag der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und damit dem Tag der Errichtung der Vorgesellschaft und dem Tag der Eintragung in das Handelsregister.3 Nimmt bereits die Vorgesellschaft eine über die Gründungsmaßnahmen hinausgehende Geschäftstätigkeit auf, ist die Eröffnungsbilanz auf den Tag der Errichtung aufzustellen.4 Buchführungspflicht und Aufstellungspflicht fallen in diesem Fall zusammen. Betreibt die Vorgesellschaft hingegen kein Handelsgewerbe, ist die Eröffnungsbilanz auf den Tag der Eintragung im Handelsregister aufzustellen.5 Als Formkaufmann ist die Kapitalgesellschaft stets zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich verpflichtet (§ 5 Abs. 1 EStG iVm. § 8 Abs. 1 KStG); die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten sind daher auch für die Besteuerung von Bedeutung (§ 140 AO).6 Die steuerliche Eröffnungsbilanz ist nach Möglichkeit auf den Tag der Errichtung der Vorgesellschaft aufzustellen.7 Die Aufstellung der steuerlichen Eröffnungsbilanz auf einen späteren Zeitpunkt ist ebenso zulässig, sofern weder eine handelsrechtliche noch eine steuerliche Rechnungslegungspflicht besteht.8 d) Umwandlungen Bei Umwandlungsfällen zur Neugründung (Verschmelzung nach § 2 Nr. 2 UmwG, Spaltungen nach § 123 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 UmwG) ist die Eröffnungsbilanz beim übernehmenden Rechtsträger auf den Beginn des Handelsgewerbes aufzustellen. Als maßgeblicher Stichtag der Eröffnungsbilanz ist der Übergang des rechtlichen Eigentums durch Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister (§§ 20 Abs. 1, 131 Abs. 1 UmwG) oder der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums denkbar. Nach richtiger Auffassung ist bei den Umwandlungen zur Neugründung wie auch bei den Umwandlungen zur Aufnahme die Eröffnungsbilanz zum Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums auf den übernehmenden Rechtsträger aufzustellen.9 Die Aufstellung einer steuerlichen Eröffnungsbilanz in den Fällen der Umwandlung zur Neugründung hat auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zu erfolgen.10 Beim Formwechsel (§ 190 ff. UmwG) hat der neu entstandene Rechtsträger eine steuerliche Eröffnungsbilanz ebenso auf den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellen (§ 25 Satz 2 iVm. § 9 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG).11 Dies ist – vorbehaltlich § 9 1 Vgl. zum Begriff der Gründung Joswig, DStR 1996, 1907 (1907). 2 Vgl. Morck in Koller/Kindler ua.8, § 242 HGB Rz. 1. 3 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 26; Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 68 mwN. 4 Vgl. Rodewald, BB 1993, 1693 (1695); Joswig, DStR 1996, 1907 (1909 f.); Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 8 (Stand Juli 2003); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 38 ff. (Stand Feb. 2010); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB Rz. 6; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 26. 5 Vgl. Joswig, DStR 1996, 1907 (1909); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 37 (Stand Feb. 2010); Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 8 (Stand Juli 2003); für das Datum der Anmeldepflicht als Stichtag Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 75. 6 Vgl. Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 268. 7 Vgl. Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 269. 8 Vgl. Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 269. 9 Vgl. Deubert/Hoffmann in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. K Rz. 12; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 14; Bula/Pernegger in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen4, § 10 Rz. 92, § 19 Rz. 71; Philipp, Verschmelzung, 146 f.; IDW, RS HFA 42 Rz. 40. AA (Umwandlungsstichtag) Moszka in Semler/Stengel3, § 24 UmwG Rz. 18; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz7, § 24 UmwG Rz. 8. 10 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.03, 12.02 iVm. 04.03. Siehe auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut2, § 4 UmwStG Rz. 8; Rödder in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut2, § 12 UmwStG Rz. 18. 11 Vgl. etwa Klingberg in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. L Rz. 191, 211; Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut2, § 9 UmwStG Rz. 34; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz7, § 25 UmwStG Rz. 42. Siehe auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 09.01.

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§ 242 Rz. 28 | Pflicht zur Aufstellung Satz 3 UmwStG, § 25 Satz 2 iVm. § 9 Satz 3 UmwStG – der Tag der Wirksamkeit des Formwechsels, also der Tag der Eintragung im Handelsregister. 3. Aufstellungsfrist 28

Eine Aufstellungsfrist ist für die Eröffnungsbilanz mangels Praktikabilität nicht gesondert gesetzlich geregelt.1 Die gesetzliche Vorgabe des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB, die Aufstellung habe „zu Beginn seines Handelsgewerbes“ zu erfolgen, soll lediglich eine gewisse Zeitnähe zum Ausdruck bringen, eine konkrete Frist ist darin jedoch nicht zu sehen.2 Es wird allgemein als ausreichend angesehen, wenn die Eröffnungsbilanz unter Berücksichtigung der Verhältnisse des betreffenden Unternehmens zeitnah nach dem Ende des Geschäftsjahres aufgestellt wird.3 Allerdings kann die abstrakte Regelung des § 243 Abs. 3 HGB, wonach die Aufstellung des Jahresabschlusses innerhalb „der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ zu erfolgen hat, aufgrund § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB auch für die Eröffnungsbilanz von Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften in Anspruch genommen werden.4 Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gelten demnach die Aufstellungsfristen für den Jahresabschluss auch für die Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 264 Abs. 1 HGB).5

29

Einzelkaufleute, die nicht von der Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 4 HGB ausgenommen sind, haben danach ihre Eröffnungsbilanz nach Möglichkeit innerhalb von drei Monaten, jedoch maximal von sechs Monaten aufzustellen.6

30

Personenhandelsgesellschaften außerhalb von § 264a HGB haben nach § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm. § 243 Abs. 3 HGB eine Aufstellungsfrist für die Eröffnungsbilanz von sechs Monaten einzuhalten.7

31

Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gelten die Aufstellungsfristen für den Jahresabschluss gem. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm. § 264 Abs. 1 Satz 2 von drei Monaten.8 Kleine Kapitalgesellschaften (ebenso Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB) und kleine Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB haben gem. § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB eine Frist von sechs Monaten einzuhalten, sofern dies einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entspricht.9

32

Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften außerhalb des § 264a HGB, die die Größenkriterien des § 1 Abs. 1 PublG erfüllen, verkürzt sich die Aufstellungsfrist für die Eröffnungsbilanz auf drei Monate (§ 5 Abs. 1 PublG). Bedeutung erlangt die kurze Aufstellungsfrist nach dem PublG insbes. in Einbringungs- und Übernahmefällen.10

33

Eine eigenständige steuergesetzlich normierte Aufstellungsfrist für die steuerliche Eröffnungsbilanz existiert ebenso nicht. Für die steuerliche Eröffnungsbilanz erlangen deshalb die handelsrechtlichen Aufstellungsfristen (§ 243 Abs. 3 iVm. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB) zugleich Gültigkeit, da die handelsrechtlichen Pflichten auch für Zwecke der Besteuerung zu erfüllen sind (§ 140 AO) sowie § 141 Abs. 1 Satz 2 AO auf 1 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 63; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 28. 2 Vgl. (noch zur Vorgängernorm § 39 HGB aF) Blumers, Bilanzierungstatbestände, 51 ff. Ebenso Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 63. 3 Vgl. BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423 (1424). Siehe auch Förschle/Kropp in Winkeljohann/ Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 63. 4 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 27; Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 28; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB Rz. 8; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 15; Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 6 (Stand Juli 2003). 5 Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 30; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 15; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 12. 6 Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 29. Tendenziell für eine Frist von sechs Monaten Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 6 (Stand Juli 2003); ADS6, § 242 HGB Rz. 27. 7 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap C Rz. 40. 8 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 15; Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 43 (Stand Feb. 2010). 9 Vgl. nur Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 30; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 15; Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 6 (Stand Juli 2003). Die Fristverlängerung mangels ordnungsmäßigen Geschäftsgangs ablehnend Langseder, Beck’sches Handbuch der GmbH5, § 9 Rz. 52; Merkt in Baumbach/Hopt37, § 242 HGB Rz. 1; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 28. Ebenso bereits Blumers, DB 1986, 2033 (2036) („unverzüglich zu erstellen“). 10 Vgl. für Einzelkaufleute Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap B Rz. 66; für Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap C Rz. 41.

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B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1)

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Rz. 38 § 242

die handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze verweist.1 Darüber hinaus hat sie in jedem Fall vor der Aufstellung der Steuerbilanz am nächstfolgenden Bilanzstichtag zu erfolgen, da sie als Ausgangspunkt des Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) gilt sowie gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV als Abschrift den Steuererklärungen beizufügen ist.2 4. Vorschriften zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 2) Nach § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB sind auf die Eröffnungsbilanz die für den Jahresabschluss geltenden Vor- 34 schriften entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. Damit betrifft der Verweis nur (1) die Vorschriften über die Aufstellung des Jahresabschlusses und (2) die Vorschriften, die die Bilanz als eigenständigen Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) betreffen. Für die GuV bleibt demnach kein Anwendungsbereich.3 Die Anordnung, die Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend anzuwenden, umfasst die allgemeinen Vorschriften (§§ 243–245 HGB), die Ansatz-, Bewertungs-, Gliederungs- und Ausweisvorschriften (§§ 246–256a HGB) sowie die Vorschriften über die Aufbewahrung und Vorlage (§§ 257–261 HGB).4

35

Für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften iSd. § 264a HGB sind zusätzlich die ergänzenden 36 Vorschriften der §§ 264 ff. HGB zu beachten. Die Aufstellung eines Anhangs und eines Lageberichts steht allerdings dem Wortlaut des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB („Eröffnungsbilanz“) entgegen und ist deshalb nicht notwendig.5 Die entsprechenden Angaben und Davon-Vermerke sind vielmehr direkt in der Eröffnungsbilanz vorzunehmen.6 Für die Eröffnungsbilanz besteht grundsätzlich keine gesetzliche Prüfungspflicht, da die Vorschriften 37 über die Prüfung (§§ 316 ff. HGB) keine „für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften“ gem. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB darstellen.7 Eine Prüfung auf freiwilliger Basis (zB durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss) steht dem allerdings nicht entgegen. Die gesetzliche Prüfung der Bilanzwerte der Eröffnungsbilanz erfolgt bei den der Prüfungspflicht unterliegenden Gesellschaften im Rahmen der Prüfung des ersten Jahresabschlusses.8 Eine gesetzliche Prüfungspflicht ergibt sich allerdings für die AG und KGaA aus § 33 AktG.9 Nach § 33 38 Abs. 1 AktG haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung zu prüfen. Eine zusätzliche Prüfung durch einen externen Gründungsprüfer hat – vorbehaltlich der Ausnahmen in § 33a AktG – nur unter den Umständen des § 33 Abs. 2 Nr. 1–4 AktG zu erfolgen (§ 33 Abs. 2–5 AktG). Wenngleich im Unterschied zur AG der Hergang der Gründung der GmbH deutlich weniger geprüft wird, besteht auch bei der GmbH für die Gründergesellschafter einer GmbH die Pflicht zur Aufstellung eines Sachgründungsberichts im Fall von Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG).10

1 Vgl. Joswig, DStR 1996, 1907 (1911). 2 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 64; Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 268; Joswig, DStR 1996, 1907 (1909). Siehe auch Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 36 (Stand Okt. 2015). 3 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 29; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4018. 4 Vgl. für eine Übersicht etwa ADS6, § 242 HGB Rz. 26; Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 25. 5 Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 32; Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 68 f. (Stand Feb. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 33. AA Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/ Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 11, die die Aufstellung eines Anhangs für zweckmäßig halten. So wohl auch Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4019. 6 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 68 (Stand Feb. 2010). 7 So die ganz hM, vgl. etwa für den Einzelkaufmann Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 24, 143; für Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 148; für Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Schellhorn in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 254. Ebenso Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 64 (Stand Feb. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 33; Merkt in Baumbach/Hopt37, § 242 HGB Rz. 1. 8 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 65 (Stand Feb. 2010); Kuhn in Heidel/Schall2, § 242 HGB Rz. 6. 9 Vgl. hierzu ausführlich Zätzsch/Maul in Müller/Rödder, Handbuch der AG2, § 2 Rz. 23 ff. 10 Vgl. Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4048.

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§ 242 Rz. 39 | Pflicht zur Aufstellung 39

Für die Eröffnungsbilanz besteht auch keine Offenlegungspflicht nach § 325 HGB, weil die Offenlegungsvorschriften nicht zu den Vorschriften gem. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB gehören.1 Eine Offenlegung der Werte der Eröffnungsbilanz bei publizitätspflichtigen Gesellschaften erfolgt jedoch indirekt über die Offenlegung des ersten Jahresabschlusses.2

40

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV ist mit der Steuererklärung im Fall der Eröffnung eines Betriebs eine Abschrift der Eröffnungsbilanz beim Finanzamt einzureichen. 5. Sanktionen bei Pflichtverletzung

41

Für Einzelkaufleute und Personengesellschaften sind gesetzliche Strafen im HGB nicht ausdrücklich vorgesehen. Sanktionen können sich jedoch aufgrund besonderer Vorschriften (zB §§ 17 ff. PublG) oder bei besonderen Umständen (zB Bankrott) ergeben.3

42

Bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB können bereits unrichtige Darstellungen in der Eröffnungsbilanz und im Jahresabschluss mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen gem. § 331 HGB geahndet werden. Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf Form, Inhalt, Bewertung, Gliederung oder weitere Angaben in der Eröffnungsbilanz und im Jahresabschluss (§§ 243 ff. HGB) werden als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen bis zu 50.000 € geahndet (§ 334 Abs. 3 HGB). Für den Fall, dass der Jahresabschluss wesentliche Gliederungs- und/oder Bewertungsmängel aufweist, kann dieser gem. § 256 Abs. 4 und 5 AktG nichtig sein,4 was nach § 253 Abs. 1 Satz 1 AktG auch die Nichtigkeit des darauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses zur Folge hat.5 Etwaig getätigte Gewinnausschüttungen sind daraufhin zurückzufordern.6

43

Im Fall einer Nichtaufstellung kann der Jahresabschluss nicht geprüft und somit auch nicht festgestellt werden (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB). Darüber hinaus können – im Wesentlichen – aus der Nichtaufstellung erwachsende Verstöße gegen die Offenlegungspflichten bei Kapitalgesellschaften (§ 325 HGB) mit einem Ordnungsgeld gem. § 335 Abs. 1 HGB belegt werden.

44

Für bestimmte Branchen (zB Kreditinstitute oder Versicherungen) oder Rechtsformen (zB Genossenschaften) können Sondervorschriften zu den Folgen bei Nichtbeachtung der Aufstellungspflichten hinsichtlich des Jahresabschlusses bestehen.

45

Die unterlassene oder verspätete Aufstellung kann auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Unabhängig von der Rechtsform und den o.g. Folgen gelten §§ 283–283b StGB.7

46

Die Verletzung handelsrechtlicher Aufstellungspflichten hat zumeist auch die Verletzung steuerlicher Pflichten zur Folge. Steuerrechtlich kann die Nichtbeachtung der Aufstellungspflicht die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO zur Folge haben. Darüber hinaus kann die Verletzung der Aufstellungspflicht als Steuerstraftat (§ 370 AO) oder Ordnungswidrigkeit (§§ 378, 379 AO) geahndet werden.8 Schließlich besteht auch die Möglichkeit, die Eröffnungsbilanz mit Zwangsmitteln zu erzwingen (§§ 328 ff. iVm. 140 AO).

1 So die ganz hM, vgl. etwa für den Einzelkaufmann Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 24, 147; für Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/ Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 154; für Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Schellhorn in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 261. Ebenso Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 67 (Stand Feb. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 33; Merkt in Baumbach/Hopt37, § 242 HGB Rz. 1. 2 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 67 (Stand Feb. 2010); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 26. 3 Vgl. Grottel/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 331 HGB Rz. 1. 4 Vgl. Koch in Goette/Habersack4, § 256 AktG Rz. 50, 55; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 41. Die Regelungen des § 256 AktG gelten auch für die GmbH, vgl. etwa Vetter in Henssler/Strohn3, § 256 AktG Rz. 4. 5 Vgl. Koch in Goette/Habersack4, § 253 AktG Rz. 9; ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 41. 6 Vgl. Wiechers/Wolf, BBK 2015, 506 (512). 7 Vgl. für eine Übersicht über die einzelnen Straftatbestände in Bezug auf die Verstöße gegen die Aufstellungspflicht der Eröffnungsbilanz für den Einzelkaufmann Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 69 ff.; für die organschaftlich handelnden Personen der Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 70 f.; für die verantwortlichen Personen bei Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 91 ff. Vgl. auch Blumers, DStR 1983, 707 ff. 8 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 76.

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C. Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2)

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Rz. 52 § 242

II. Jahresbilanz (Abs. 1 Satz 1) Neben der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes ist der Kaufmann – vor- 47 behaltlich des § 242 Abs. 4 HGB – dazu verpflichtet, „für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss [..] aufzustellen“ (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB). Im Gegensatz zur Eröffnungsbilanz, die das Vermögen zu Beginn der gewerblichen Tätigkeit zeigt, bildet die Jahresbilanz das Vermögen und die Schulden des Kaufmanns zum Bilanzstichtag ab. Zusammen bilden sie die bedeutsamsten Bilanzen in der Praxis.1 Die Verpflichtung gilt auch für den Fall, dass sich das Handelsgewerbe so weit reduziert, dass das Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb mehr erfordert. Die Jahresbilanz ist sodann für das letzte (Rumpf-)Geschäftsjahr auf den Zeitpunkt, ab dem die Kaufmannseigenschaft nicht mehr vorliegt, innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen.2 Das Ende des Geschäftsjahres ist der letzte Tag des jeweiligen Geschäftsjahres um 24.00 Uhr.3 Der Zeit- 48 raum für ein Geschäftsjahr umfasst idR 12 Monate. Ein längerer Zeitraum ist nicht zulässig (§ 240 Abs. 2 Satz 2 HGB). Bei einem Rumpfgeschäftsjahr kann der Zeitraum jedoch kürzer als 12 Monate sein. Auf eine Übereinstimmung des Geschäftsjahres mit dem Kalenderjahr kommt es nicht an.4 Die Aufstellungsfrist richtet sich nach §§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB. Für die Bilanzierung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden sind die bis zum Bilanzstichtag 49 angefallenen Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen (Stichtagsprinzip). Die Bewertung hat sich nach den Verhältnissen am jeweiligen Bilanzstichtag zu richten.5 Die Verhältnisse am Tag der Bilanzerstellung sind somit nicht maßgeblich. Erkenntnisse, die zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzerstellung gewonnen werden, sind in werterhellende und wertbegründende Tatsachen zu unterscheiden.6 Wertaufhellende Tatsachen sind Erkenntnisse, die sich über die am Bilanzstichtag bestehenden Umstände bis zur Aufstellung der Bilanz ergeben. Sie sind bei der Aufstellung der Jahresbilanz zu berücksichtigen. Demgegenüber sind wertbegründende Tatsachen solche Erkenntnisse, die ihre Ursache nach dem Bilanzstichtag haben. Sie sind bei der Aufstellung der Jahresbilanz nicht zu berücksichtigen.7 Form und Inhalt der Jahresbilanz richten sich nach §§ 243 ff., 264 ff. HGB. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, 50 das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, sofern nicht durch steuerliche Wahlrechtsausübung ein anderer Ansatz gewählt wird. Aufgrund dieses Maßgeblichkeitsprinzips bildet die Jahresbilanz gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung.

C. Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2) Der Kaufmann wird nach § 242 Abs. 2 HGB – vorbehaltlich § 242 Abs. 4 HGB – dazu verpflichtet, neben 51 einer Bilanz auch eine GuV, dh. eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres, aufzustellen. Sie ist ein Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB). Für die Aufstellungsfrist gilt § 243 Abs. 3 HGB. Im Gegensatz zu der stichtagsbezogenen Bilanz stellt die GuV jedoch ein zeitraumbezogenes Informationsinstrument dar;8 sie zeigt die Ursachen der Entstehung des Jahresergebnisses nach Art, Höhe und Quelle auf.9 Die Pflicht zur Aufstellung einer Bilanz sowie einer GuV zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres beinhaltet implizit für alle Kaufleute die Verpflichtung zur doppelten Buchführung; beide Rechenwerke (Bilanz, GuV) sind mithin rechnungstechnisch verknüpft.10 § 242 Abs. 2 HGB enthält im Vergleich zu den Vorgaben über den Inhalt der Bilanz (§ 247 HGB) keine ex- 52 pliziten Vorgaben zum Inhalt der GuV. Die Aufstellungsgrundsätze sind vielmehr aus für den gesamten Jahresabschluss geltenden GoB (§ 243 Abs. 1 HGB) abzuleiten; sie muss demnach klar und übersichtlich 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Blumers, DStR 1983, 707 (708). Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 5; Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 4. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 5. Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 13 (Stand Aug. 2010). Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 6. Scheffler, Steuerbilanz8, 49. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 6. ADS6, § 242 HGB Rz. 36; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 20. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 1; Kleindiek, in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 29. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 2.

Kahle/Wildermuth

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§ 242 Rz. 53 | Pflicht zur Aufstellung gegliedert (§ 243 Abs. 2 HGB), vollständig (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) sowie unsaldiert (§ 246 Abs. 2 HGB) sein.1 53

Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften sind in Ermangelung besonderer Aufstellungsvorschriften die allgemeinen Aufstellungsgrundsätze wie Klarheit und Übersichtlichkeit, Vollständigkeit und das Saldierungsverbot maßgebend. Die GuV kann somit grundsätzlich nach Staffelform oder Kontoform unter Anwendung des Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahrens aufgestellt werden. In praxi führen die allgemeinen Aufstellungsgrundsätze regelmäßig zu einer Übernahme der für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 275 HGB) geltenden Anforderungen, um der Informationsfunktion der GuV ausreichend Rechnung zu tragen.2 Für kleine und mittelgroße Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften gelten sodann die Erleichterungen des § 276 HGB analog.

54

Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB haben neben den allgemeinen Aufstellungsgrundsätzen die speziellen Vorgaben der §§ 275–278 HGB zu beachten. So haben diese Gesellschaften gem. § 275 Abs. 1 Satz 1 HGB die GuV in Staffelform, allerdings wahlweise nach dem Gesamtkosten- oder dem Umsatzkostenverfahren aufzustellen (§ 275 Abs. 2, 3 HGB). Für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie kleine und mittelgroße Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gelten die Erleichterungen nach § 276 HGB.

55

Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die dem PublG unterfallen, haben ihre GuV nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG aufzustellen. Entsprechende Erleichterungen ergeben sich für diese Unternehmen aus § 5 Abs. 5 iVm. § 9 Abs. 2 PublG.

56

Über § 60 EStDV erlangt die GuV auch steuerrechtlich an Bedeutung. Für den Fall, dass Bücher geführt werden, ist die GuV zusammen mit der Bilanz beim Finanzamt einzureichen (§ 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV). Für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns wird jedoch regelmäßig keine eigene steuerliche GuV, sondern vielmehr auf Basis der handelsrechtlichen GuV (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) eine Überleitungsrechnung aufgestellt.3

D. Bestandteile des Jahresabschlusses (Abs. 3) 57

§ 242 Abs. 3 HGB enthält die Legaldefinition für den Jahresabschluss. Danach setzt sich der für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Jahresabschluss (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB) aller Kaufleute aus den Pflichtbestandteilen Bilanz und GuV zusammen. Die Dauer des Geschäftsjahres richtet sich nach § 243 Abs. 2 Satz 2 HGB. Für die persönliche Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses s. Rz. 17.

58

Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB sind neben den für alle Kaufleute geltenden Grundsätzen die ergänzenden Vorschriften der §§ 264–289a HGB zu beachten. So erweitert § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – vorbehaltlich etwaiger Erleichterungs- und Befreiungsvorschriften (zB für Kleinstkapitalgesellschaften) – die unverzichtbaren Bestandteile des Jahresabschlusses (Legaldefinition, § 242 Abs. 3 HGB), die für alle Kaufleute gelten, bei diesen Gesellschaften um einen Anhang. Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften iSd. § 267 HGB sowie Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB sind darüber hinaus verpflichtet, einen Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 HGB). Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften iSd. § 264d HGB, die für den in praxi „eher selten[en]“4 Fall nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, erweitert § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB die verpflichtend einzubeziehenden Bestandteile des Jahresabschlusses um eine Kapitalflussrechnung sowie einen Eigenkapitalspiegel; fakultativ kann eine Segmentberichterstattung erstellt werden.

59

Für Genossenschaften (§§ 336 ff. HGB), Kreditinstitute (§§ 340 ff. HGB) und Versicherungsunternehmen (§§ 341 ff. HGB) sind neben den für alle Kaufleute geltenden Grundsätzen die ergänzenden rechtsform- bzw. branchenspezifischen Grundsätze zu beachten.

60

Für die Aufstellung des Jahresabschlusses zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres gelten die Aufstellungsfristen gem. § 243 Abs. 3 HGB. Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften haben danach 1 Vgl. hierzu ausführlich Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 247 HGB Rz. 620 ff. Ebenso Schellein, WPg. 1988, 693 (694); Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 11; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 52; Kleindiek, in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 34. 2 So die hM, vgl. etwa ADS6, § 242 HGB Rz. 37 f.; Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 11; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 24; Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 10. 3 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 7. Vgl. auch Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 247 HGB Rz. 664 ff. 4 Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 5. So auch die Regierungsbegründung zum BilMoG, vgl. BT-Drucks. 16/10067, 43. Zustimmend auch Zwirner/Petersen/König, DB 2012, 61 (62).

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Kahle/Wildermuth

E. Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4)

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Rz. 63 § 242

den Jahresabschluss in einem Zeitraum, „der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang“ entspricht, aufzustellen. Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gilt nach § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB eine Frist von drei Monaten. Kleine Gesellschaften iSd. § 267 HGB haben eine Aufstellungsfrist von sechs Monaten, sofern dies einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entspricht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB) Unternehmen, die unter das PublG fallen, haben gem. § 5 Abs. 1 PublG drei Monate Zeit. Für Sanktionen bei Pflichtverletzungen s. Rz. 38 ff. Die Pflichtbestandteile des handelsrechtlichen Jahresabschlusses erlangen auch für die steuerliche Ge- 61 winnermittlung Bedeutung. Denn nach § 60 Abs. 1 EStDV sind – vorbehaltlich § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG – die nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellte Bilanz und GuV der Steuererklärung beizufügen, sofern die Handelsbilanz nicht gegen steuerliche Vorschriften verstößt (sog. Einheitsbilanz). Ein etwaiger Anhang, Lagebericht sowie Prüfungsbericht ist als Abschrift ebenso der Steuererklärung beizufügen (§ 60 Abs. 3 Satz 1 EStDV). Verzichtet der Steuerpflichtige auf die Aufstellung einer eigenständigen Steuerbilanz (§ 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV), sind die Ansätze oder Beträge der Handelsbilanz, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV), was regelmäßig in Form einer sog. Mehr- oder Weniger-Rechnung geschieht. Für steuerliche Zwecke gelten mangels explizit normierter steuerlicher Aufstellungsfristen die Aufstellungsfristen gem. § 243 Abs. 3 iVm. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB.1 In begrenztem Umfang greifen für die Steuerbilanz auch die Abgabefristen für die Steuererklärungen (ESt./KSt.) gem. § 149 Abs. 2 AO, da sie den Steuererklärungen als „Unterlage“ gem. § 150 Abs. 4 Satz 1 AO beizufügen ist.2

E. Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4) Die handelsrechtliche Verpflichtung zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz sowie eines Jahresabschlusses 62 (Bilanz und GuV) gilt nicht uneingeschränkt. Der durch das BilMoG neu eingefügte § 242 Abs. 4 HGB ermöglicht es Einzelkaufleuten, sich von allen die Aufstellung betreffenden Vorschriften zu befreien, sofern in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Umsatzerlöse des Einzelunternehmers nicht mehr als 600.000 € und der Jahresüberschuss nicht mehr als 60.000 € betragen (§ 242 Abs. 4 Satz 1 iVm. § 241a HGB). Im Fall der Neugründung entfällt die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses für Einzelkaufleute bereits dann, wenn die effektiven Umsatz- und Jahresüberschussgrenzen nach dem ersten Geschäftsjahr nach der Neugründung nicht überschritten werden (§ 242 Abs. 4 Satz 2 HGB).3 Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften werden von § 242 Abs. 4 HGB nicht erfasst.4 Die Befreiung der betroffenen Einzelunternehmer von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 1 HGB folgt 63 aus dem Regelungszusammenhang mit den Befreiungen von der Buchführungspflicht (§ 238 HGB) sowie von der Pflicht zur Aufstellung eines Inventars (§ 240 HGB) gem. § 241a iVm. §§ 238–241 HGB.5 Ohne die Befreiung von der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und eines Jahresabschlusses wären die Einzelkaufleute trotz § 241a HGB zur Buchführung faktisch verpflichtet.6 Die Inanspruchnahme der Befreiung nach § 242 Abs. 4 HGB setzt jedoch nicht voraus, dass die Befreiung nach § 241a HGB auch tatsächlich in Anspruch genommen wird.7 Führt der Einzelkaufmann trotz Unterschreiten der Schwellenwerte des § 241a HGB freiwillig Bücher, ist daraus keine Aufstellungspflicht abzuleiten.8 § 242 Abs. 4 HGB „ergänzt“9 § 241a HGB lediglich für den Fall, dass die Befreiung nach § 241a HGB auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die freiwillige Aufstellung einer Eröffnungsbilanz sowie eines Jahresabschlusses bleibt davon allerdings ebenso unberührt.10 1 Vgl. Usinger/Schmidt in Beck BilKomm.10, § 243 HGB Rz. 94; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua.3, § 243 Rz. 21. 2 Vgl. Usinger/Schmidt in Beck BilKomm.10, § 243 HGB Rz. 94; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua.3, § 243 Rz. 21. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/10067. In Bezug auf die Berücksichtigung der effektiven Größenkriterien in Analogie zu § 267 HGB vgl. Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 5, § 267 HGB Rz. 8. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 47. 5 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 Rz. 4; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 242 HGB Rz. 1. 6 Vgl. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 14; Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 16 (Stand Aug. 2010); Morck in Koller/Kindler ua.8, § 242 HGB Rz. 5; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 1120. 7 So auch Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 17. Für ein Wahlrecht vgl. auch Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 6. AA Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 14; Ellerich/Swart in HdR, § 242 HGB Rz. 17 (Stand Aug. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 47. 8 Vgl. Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 17. 9 BT-Drucks. 16/10068, 47. 10 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 47.

Kahle/Wildermuth

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§ 242 Rz. 64 | Pflicht zur Aufstellung 64

Für die Beurteilung, ob ein Wahlrecht zur Befreiung von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB besteht, reicht die Erkenntnis, „wenn nach überschlägiger Ermittlung unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Vorschriften zum Jahresschluss ein Überschreiten der Schwellenwerte nicht zu erwarten ist.“1 Die Aufstellung eines Jahresabschlusses zur Beurteilung ist damit nicht erforderlich;2 sie würde auch der vom Gesetzgeber intendierten Kosteneinsparung zuwiderlaufen.3

65

Die wirksame Ausübung der Befreiung von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB erstreckt sich auch auf die steuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht gem. § 140 AO. Die steuerliche Aufstellungspflicht gem. § 141 AO bleibt von den Befreiungen des § 242 Abs. 4 HGB hingegen unberührt,4 wodurch es zu einer handelsrechtlichen Befreiung und einer steuerlichen Aufstellungspflicht kommen kann.

66

Liegt weder eine handelsrechtliche noch eine steuerrechtliche Bilanzierungspflicht vor, ist der Einzelkaufmann lediglich verpflichtet, seine Einkünfte durch die Aufstellung einer Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln.5 Die für steuerliche Zwecke aufzustellende Einnahme-Überschuss-Rechnung ist damit auch für handelsrechtliche Zwecke wie die Ausschüttungsbemessung nutzbar.6 Nicht zuletzt aufgrund der neuerlichen Anhebung der Schwellenwerte in § 241a HGB durch das Bürokratieentlastungsgesetz v. 28.7.20157 wird die Bedeutung der Einnahme-Überschuss-Rechnung in Zukunft wohl weiter zunehmen.8

§ 243 Aufstellungsgrundsatz (1) Der Jahresabschluß ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen. (2) Er muß klar und übersichtlich sein. (3) Der Jahresabschluß ist innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen. A. I. II. 1. 2. B. I. II. 1. 2. III. 1. 2.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) Begriff und Rechtsnatur der GoB . . . . . . . . Kategorisierung von GoB Kodifizierte und nicht kodifizierte GoB . . . . Gewinnanspruchs-GoB und InformationsGoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GoB-Systembildung Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschüttungsstatik . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ _ _ _ __ 1 4 6

10 18 19 24 25

IV. (Potenzielle) Einflüsse der IFRS auf die GoB . V. Bedeutung der GoB für die steuerliche Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (Abs. 2) I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) I. Überblick und Zweck der Vorschrift . . . . . . II. Rechtsprechung und Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stichtagsprinzip und Fast Close . . . . . . . . . . IV. Folgen bei Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ __ _ __ _ 35 38 40 44 52 58 66 71

Literatur: Döllerer, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, deren Entstehung und Ermittlung, BB 1959, 1217; Moxter, Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und das neue Bilanzrecht, ZHR 1980, 1 BT-Drucks. 16/10067, S. 46. Vgl. auch Noodt, in Haufe BilKomm.7, § 242 HGB Rz. 13; Zülch/Hoffmann, DB 2009, 745 (745, „begründete Schätzung“). 2 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 46. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 46; BT-Drucks. 18/4948, 19. 4 Vgl. Oser/Roß ua., WPg. 2008, 675 (675 f.); Wenk/Jagosch, DStR 2009, 2330 (2331); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 110 (Stand Feb. 2010). 5 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 46. Zustimmend Zülch/Hoffmann, DB 2009, S. 745; Wenk/Jagosch, DStR 2009, 2330 (2331); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 110 (Stand Feb. 2010). 6 Vgl. Richter, FR 2009, 804 (805). 7 Ges. v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400. 8 So bereits nach Einfügung des § 241a HGB sowie der Ergänzung des § 242 HGB um einen neuen Abs. 4 durch das BilMoG Herzig, DB 2008, 1339 (1341); Oser/Roß ua., WPg. 2008, 675 (676). AA Kußmaul/Meyering, DB 2008, 1445 (1447).

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Kahle/Wildermuth/Malke/Schulz

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 3 § 243

254; Schneider, Rechtsfindung durch Deduktion von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aus gesetzlichen Jahresabschlußzwecken?, StuW 1983, 141; Beisse, Zum Verhältnis von Bilanzrecht und Betriebswirtschaftslehre, StuW 1984, 1; Ballwieser, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und neues Bilanzrecht, ZfB-Ergänzungsheft 1/ 1987, 3; Beisse, Rechtsfragen der Gewinnung von GoB, BFuP 1990, 499; Beisse, Zum neuen Bild des Bilanzrechtssystems, in Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt, FS Moxter, 1994, 3; Ballwieser, Zur Frage der Rechtsform-, Konzern- und Branchenunabhängigkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in Förschle/Kaiser/Moxter (Hrsg.) Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 1995, 43; Moxter, Zum Verhältnis von handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung und True-and-fair-view-Gebot bei Kapitalgesellschaften, in Förschle/Kaiser/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 1995, 419; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996; Schneider, Betriebswirtschaftliche Analyse von Bundesfinanzhofurteilen als Grundlage einer Deduktion handelsrechtlicher GoB, in Baetge/Börner/Forster/Schruff (Hrsg.), Rechnungslegung, Prüfung und Beratung – Herausforderungen für den Wirtschaftsprüfer –, FS Ludewig, 1996, 922; Beisse, Wandlungen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Hundert Jahre „GoB“, in Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, 385; Hüttche/Diemer, Fast Close – Ordnungsmäßigkeit eines verkürzten Aufstellungszeitraums, BB 2000, 2035; Eggemann/Petry, Fast Close – Verkürzung von Aufstellungs- und Veröffentlichungszeiten für Jahres- und Konzernabschlüsse, BB 2002, 1635; Hommel/Schmidt/Wüstemann, Adolf Moxter und die Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung – Kontinuität und Zukunft eines Forschungsleitbildes, WPg.-Sonderheft 2004, S84; Hommel/Schulte, Schätzungen von Rückstellungen in Fast-Close-Abschlüssen, BB 2004, 1671; Wüstemann/Wüstemann, Betriebswirtschaftliche Bilanzrechtsforschung und Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung für Werkverträge, ZfB 2009, 31; Moxter, IFRS als Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB?, WPg. 2009, 7; Wüstemann/Wüstemann, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Krawitz, 2010, 751; Kahle, Entwicklung der Steuerbilanz, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22; Moxter, Von den überkommenen betriebswirtschaftlichen Bilanztheorien zur modernen Bilanztheorie, in Dobler/Hachmeister/Kuhner/Rammert (Hrsg.), Rechnungslegung, Prüfung und Unternehmensbewertung, FS Ballwieser, 2014, 507; Polka, Fast Close im Mittelstand – Ein potenzieller Optimierungsmotor?!, BC 2014, 197; Polka, Fast Close im Mittelstand – Ein unerkannter Optimierungsmotor? Durchführung der Prozessanalyse zum Fast Close, BC 2014, 369; Polka, Fast Close im Mittelstand – Praxisbeispiele zur beschleunigten Berichterstattung, Anlagevermögen und Einkauf, BC 2014, 409; Polka, Fast Close im Mittelstand – Die Umsetzung in der Praxis, BC 2014, 505.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsinhalt § 243 HGB enthält den Aufstellungsgrundsatz. Indem § 243 Abs. 1 HGB fordert, dass der handelsrecht- 1 liche Jahresabschluss „nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung“ (GoB) aufzustellen ist, bringt die Norm zum Ausdruck, dass der handelsrechtliche Jahresabschluss dem „Geiste der traditionellen GoB“1 zu entsprechen hat. Der Aufstellungsgrundsatz gem. § 243 Abs. 1 HGB verweist damit „auf ein System von Prinzipien, Folgeprinzipien und Einzelnormen“2. So dürfte es der wohl noch immer hM entsprechen, dass die in Bezug genommenen GoB, jedenfalls bezogen auf die bilanzielle Gewinnermittlung (Ansatz- und Bewertungsnormen), zentral vom Gläubigerschutzgedanken und mithin vom Vorsichtsprinzip geleitet werden.3 Ebendiese Wertungsentscheidung des deutschen Gesetzgebers, dem traditionellen Gläubigerschutzprinzip innerhalb der Gewinnermittlung den Vorrang einzuräumen, findet ihren Niederschlag in § 243 Abs. 1 HGB.4 Die Norm gilt daher als die „Generalnorm des allgemeinen Bilanzrechts“5. § 243 Abs. 2 HGB enthält einen speziellen (Informations-) GoB, den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.6 Dieser GoB dient, wie alle Informations-GoB, der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses (vgl. Rz. 40 ff.).

2

§ 243 Abs. 3 HGB enthält die Frist, innerhalb derer der handelsrechtliche Jahresabschluss aufzustellen ist (sog. Aufstellungsfrist).

3

1 So Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400). 2 Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400). Zum Systemcharakter der GoB vgl. auch Beisse in FS Moxter, 3 ff.; Beisse, BFuP 1990, 499 ff.; Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (757 f.). 3 Vgl. grundlegend Beisse in FS Beusch, 79 ff.; Beisse, BB 1990, 2007 (2008); Beisse in FS Moxter, 3 (15); Beisse, BFuP 1990, 499 (500 f.); Wüstemann/Bischof/Kierzek in HdJ, I/2 Rz. 292 (Stand Juni 2007); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758). 4 Beisse in FS Moxter, 3 (15); vgl. auch Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (399): „Kernstück des allgemeinen Bilanzrechts“. 5 Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400); vgl. auch Beisse, BB 1999, 2180 (2182). 6 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 1; Walz in Heymann-HGB2, § 243 HGB Rz. 10 ff.; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 20 ff.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 243 Rz. 4 ff.

Malke/Schulz

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§ 243 Rz. 4 | Aufstellungsgrundsatz

II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich 4

Der persönliche Anwendungsbereich des Aufstellungsgrundsatzes gem. § 243 HGB ergibt sich aus dessen Stellung innerhalb des HGB: Die Norm ist Bestandteil der „Vorschriften für alle Kaufleute“ (§§ 238 ff. HGB). Damit gilt § 243 HGB für alle bilanzierungspflichtigen Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften sowie Kapitalgesellschaften.1 Dieser (relativ) weite Geltungsbereich unterscheidet § 243 HGB von anderen Generalnormen, wie etwa die sog. Einblicks-Generalnorm iSd. § 264 Abs. 2 HGB, die für Kapitalgesellschaften (bzw. Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB) gilt.

5

Außerhalb des persönlichen Anwendungsbereichs des § 243 HGB liegen indes nicht bilanzierungspflichtige Einzelkaufleute iSd. §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB.2 2. Sachlicher Anwendungsbereich

6

Der in § 243 Abs. 1 HGB enthaltene Begriff „Jahresabschluss“ ist nach zutreffender Ansicht dem Jahresabschluss iSd. § 242 Abs. 3 HGB gleichzusetzen.3 Jener besteht mindestens4 aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung.

7

Der GoB-Verweis in § 243 Abs. 1 HGB umfasst sämtliche GoB.5 Es sind mithin nicht nur die kodifizierten, sondern auch die nicht-kodifizierten GoB bei der Aufstellung des Jahresabschlusses verbindlich zu berücksichtigen.6 Die zentralen (oberen) GoB sind seit dem BiRiLiG7 gesetzlich verankert.8 Sie müssen folglich „nicht mehr aus der Generalklausel des § 243 Abs. 1 [HGB] hergeleitet werden“9.

8

Die in § 243 Abs. 1 HGB in Bezug genommenen GoB sind im Rahmen des gesamten Jahresabschlusses zu berücksichtigen, nicht etwa nur bei dem Ansatz oder der Bewertung einzelner Bilanzposten.10

9

Neben § 243 Abs. 1 HGB verweisen auch andere Normen auf die handelsrechtlichen GoB. Im Wege des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 EStG) strahlen die GoB in die steuerrechtliche Gewinnermittlung ein (s. Rz. 38). De lege lata wird das Maßgeblichkeitsprinzip jedoch bekanntlich an zahlreichen Stellen durchbrochen; sein Fortbestand de lege ferenda erscheint weiterhin diskutabel.11

B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) I. Begriff und Rechtsnatur der GoB 10

Der in § 243 Abs. 1 HGB genannte Begriff „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ (GoB) wird weder in der Norm selbst noch in anderen Normen mit GoB-Verweis (z.B. §§ 238 Abs. 1, 256 HGB) definiert.12 Es handelt sich bei den GoB mithin um einen unbestimmten Rechtsbegriff.13 1 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 4. 2 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 4. 3 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 5; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 243 Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 1. 4 Bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB hat der Jahresabschluss darüber hinaus einen Anhang zu enthalten (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB); ausgenommen sind Kleinstkapitalgesellschaften (§ 264 Abs. 1 Satz 5 iVm. § 267a HGB). Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (gem. § 264d HGB) ist der Jahresabschluss zudem um eine Kapitalflussrechnung sowie um einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern; dies gilt aber nur, wenn diese nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften können den Jahresabschluss zudem um eine Segmentberichterstattung ergänzen (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Lagebericht ist als solcher nicht Bestandteil des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Vgl. zum Ganzen Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 5. 5 Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (19); vgl. auch Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 7. 6 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 5. 7 Vgl. Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 8 Vgl. Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 3, 6; Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 58. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 7. 10 Vgl. Ballwieser in FS Budde, 43. 11 Zum Diskussionsstand s. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 ff.; Weber-Grellet, DB 2016, 1279 ff. 12 Vgl. Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 1 f. (Stand September 2010). 13 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 16; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 3 mwN; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 1; Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8,

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B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1)

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Rz. 16 § 243

GoB lassen sich im Allgemeinen definieren als „überindividuelle Verhaltensnormen, die eine zweckgerechte Rechnungslegung sicherstellen sollen“1. GoB stellen mit der h.M. Rechtsnormen dar;2 sie haben m.a.W. normativen Charakter.

11

GoB gelten nach hM als rechtsform-, branchen- und konzernunabhängig.3

12

Das herrschende Verständnis der GoB als Rechtsnormen bedingt, dass ihre Ermittlung bzw. Auslegung Rechtsfindung ist.4 Hierzu ist auf den tradierten Kanon der juristischen Methodenlehre abzustellen.5

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Die induktive Methode, als die früher vorherrschende Methode,6 setzt die GoB der Übung bzw. Anschau- 14 ung ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute gleich. Versteht man die GoB indes richtigerweise als Rechtsnormen, kann die Entscheidung darüber, „was“ GoB sind, nicht allein in die Hände der Bilanzierungspraxis gelegt werden; hierüber haben vielmehr der Gesetzgeber sowie die Rspr. zu befinden. Ohnedies versagt die induktive Methode bei neuartigen Bilanzierungsfragen, für die sich noch keine Bilanzierungsübung herausgebildet hat.7 Einer Deduktion von GoB iS einer streng formal-logischen Ableitung aus übergeordneten Zwecksetzun- 15 gen8 (deduktive Methode) steht entgegen, dass sich das kodifizierte deutsche Bilanzrecht weiterhin nicht explizit zu „dem“ übergeordneten Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als Deduktionsgrundlage bekennt.9 Diese fehlende Zielvorgabe ist insbes. von Schneider aufgegriffen worden, um das auf den tradierten GoB basierende System der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung im Ganzen abzulehnen.10 Die heute wohl herrschende Methode zur Gewinnung bzw. Auslegung von GoB ist die teleologisch-hermeneutische Methode.11 In diesem Zusammenhang wird auch von einem hermeneutischen Zirkel (oder auch Interdependenzthese) gesprochen, weil der Jahresabschlusszweck, dessen Kenntnis für eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung zwingend bekannt sein muss, im Gesetz eben nicht explizit vorgeben wird, sondern erst unter wechselseitiger Berücksichtigung der Einzelnormen entwickelt werden muss.12 Hierbei fließt die wirtschaftliche Betrachtungsweise ein, die jedoch, als Ausprägung der (juristischen) teleologischen Methode, nicht mit einer rein betriebswirtschaftlichen Sichtweise gleichzusetzen ist.13

1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12 13

§ 243 Rz. 1; Thiele/Brötzmann in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 21 (Stand September 2002); Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 12; Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 58; Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 79 mwN. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 6; ähnlich Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 2: „Gesamtsystem von Regeln, die eine zweckadäquate Rechnungslegung sicherstellen sollen“. Vgl. auch bereits BFH v. 31.5.1967 – I 208/63, BStBl. III 1967, 607: „Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung sind die Regeln, nach denen der Kaufmann zu verfahren hat, um zu einer dem gesetzlichen Zweck entsprechenden Bilanz zu gelangen, nicht aber die Regeln, die tatsächlich eingehalten werden“. Vgl. grundlegend Döllerer, BB 1959, 1217. Zur Rechtsnormeigenschaft der GoB vgl. auch Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 und passim; Beisse, BFuP 1990, 499 (500); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (755); Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35); Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 209 (Stand August 2015). Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 72 ff.; Ballwieser in FS Budde, 43 ff.; zur Diskussion auch Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 98 ff. Vgl. Beisse, BFuP 1990, 499 (502). Vgl. auch Wüstemann/Kierzek/Bischof in HdJ, I/3 Rz. 82 (Stand Juni 2007); Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 209 (Stand August 2015). Vgl. Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (755). Zur induktiven Methode vgl. Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 20 (Stand September 2010). Zur Kritik an der induktiven Methode vgl. zB Thiele/Brötzmann in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 27 f. (Stand September 2002); Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 12 f.; Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 84 f. Zur deduktiven Methode vgl. Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 21 f. (Stand September 2010). Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (19 f.); Schulz, Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung in der Europäischen Union, 14 mwN. Vgl. Schneider in FS Ludewig, 922 ff.; Schneider, StuW 1983, 141 ff.; hiergegen Beisse, StuW 1984, 1 ff. und Mellwig, BB 1983, 1613 ff. Vgl. Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35). Zur Hermeneutik vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 11 ff.; Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 23 ff. (Stand September 2010); Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 86 ff.; Tiedchen in HHR, § 5 EStG Rz. 314 f. (Stand Juni 2016); aA Crezelius in Kirchhof, EStG15, § 5 Rz. 36, der die deduktive Methode als die hM bezeichnet. Vgl. zB Rößler, Abgrenzung und Bewertung von Vermögensgegenständen, 10 f.; Schulz, Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung in der Europäischen Union, 14, jeweils mwN. Vgl. Beisse, BB 1980, 637 (643 f.); Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 915 f.; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 209 mwN (Stand August 2015); Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882 (888); Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35).

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§ 243 Rz. 17 | Aufstellungsgrundsatz 17

Die Konkretisierung der GoB erfordert grundlegende Wertungsentscheidungen, weil eine Balance gefunden werden muss zwischen den widerstreitenden Schutzinteressen, nämlich dem Schutz der Gewinnanspruchsberechtigten vor Gewinnverkürzung auf der einen Seite und dem Schutz der Gläubiger, Gesellschafter usw. vor einem Abfluss überhöhter Gewinne auf der anderen Seite.1 Diese Wertungsentscheidung obliegt dem deutschen Gesetzgeber, hilfsweise der höchstrichterlichen Judikatur.2

II. Kategorisierung von GoB 1. Kodifizierte und nicht kodifizierte GoB 18

Die in § 243 Abs. 1 HGB in Bezug genommene Gesamtheit der GoB lässt sich unter formellen (s. diese Rz.) sowie materiellen (s. Rz. 19) Gesichtspunkten kategorisieren.3 Aus formeller Sicht ist zwischen kodifizierten und nicht kodifizierten GoB zu unterscheiden. Zu den kodifizierten GoB zählen vor allem die „fundamentalen“ GoB, namentlich das Vorsichtsprinzip sowie das aus diesem abgeleitete Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Weitere GoB, die nach hM jedoch nicht den Status von Fundamentalprinzipien aufweisen, sind etwa das Vollständigkeitsgebot (§§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB), das Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB), das Prinzip wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 246 Abs. 1 Sätze 2, 3 HGB), das Bilanzidentitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB), das Fortführungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), das Einzelbewertungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), das Stichtagsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), das Wertaufhellungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), das Periodisierungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB), das Stetigkeitsprinzip (§§ 252 Abs. 1 Nr. 5, 265 Abs. 1 Satz 1 HGB) sowie das Anschaffungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB).4 Auch der in § 243 Abs. 2 HGB verankerte Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses (s. Rz. 40 ff.) ist ein geschriebener (Informations-) GoB. Nicht kodifiziert, aber allgemein als GoB anerkannt sind beispielsweise der Grundsatz der Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit), der Grundsatz der Wesentlichkeit sowie der Grundsatz der Objektivierung.5 2. Gewinnanspruchs-GoB und Informations-GoB

19

Um GoB (materiell) zu systematisieren, ist der jeweils verfolgte Regelungs- bzw. Schutzzweck heranzuziehen; dies führt zur Trennung von Gewinnanspruchs-GoB und Informations-GoB.6 Der allgemeine GoBVerweis in § 243 Abs. 1 HGB bezieht sich sowohl auf Gewinnanspruchs-GoB als auch auf InformationsGoB.7

20

Als Gewinnanspruchs-GoB wird die Gesamtheit jener Grundsätze bezeichnet, die die Bilanzierung im eigentlichen Sinne betreffen (Ansatz- und Bewertungsregeln), indem sie die „Vermögens- und Gewinnhöhe“8 beeinflussen. Ihr Primärzweck liegt mithin in der Gewinnanspruchs- bzw. Zahlungsbemessung; sie sollen einen Gewinn bestimmen, der dem Unternehmen unter Vorsichtsgesichtspunkten „entziehbar“ (also gewissermaßen „ausschüttbar“ bzw. „entnehmbar“) ist.

21

Informations-GoB dienen der Konkretisierung von Informationsansprüchen. In ihrem Schutzbereich liegen „jene an Jahresabschlussinformationen Interessierten, die rechtliche durchsetzbare Informationsansprüche haben“9. Zugleich gilt es, die genuinen Schutzinteressen des Unternehmens zu wahren.

22

Die Formel des Gesetzgebers zum Zeitpunkt des BilMoG10, die Bilanzrechtsmodernisierung intendiere eine Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses,11 ist in der Literatur 1 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 f.; Moxter in FS Ballwieser, 507 (512); Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489. 2 Vgl. Moxter in FS Ballwieser, 507 (512); Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 f. 3 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 243 Rz. 1. 4 Vgl. die Übersicht bei Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 9; s. auch Crezelius in Kirchhof, EStG15, § 5 Rz. 38. 5 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 7 ff.; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 8; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 12; Crezelius in Kirchhof, EStG15, § 5 Rz. 53. 6 Zur Unterscheidung von Gewinnanspruchs-GoB und Informations-GoB vgl. auch Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758). Beisse spricht von „Bemessungsnormen“ und „Informationsnormen“; vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (24 f.). 7 Vgl. Wüstemann, Institutionenökonomik und internationale Rechnungslegungsordnungen, 17 f. 8 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 8. 9 Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S93). 10 Vgl. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 11 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-Drucks. 16/10067.

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B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1)

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Rz. 27 § 243

zum Teil dahingehend (miss-) verstanden worden, die Informationsfunktion habe die Gewinnanspruchsbemessung als Primärziel abgelöst. Dass diese Auffassung im Ergebnis nicht überzeugt, zeigt sich schon darin, dass das Vorsichtsprinzip und mithin das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip unverändert den konzeptionellen Nukleus des deutschen Bilanzrechts bilden.1 Mit diesen tradierten GoB lässt sich aber nur ein dominantes Ziel vereinbaren, nämlich das der Gewinnanspruchsbemessung.2 Die Vorrangigkeit der Gläubigerschutzperspektive im Rahmen der Gewinnermittlung heißt allerdings weiterhin nicht, dem handelsrechtlichen Jahresabschluss seien andere Zwecke, wie insbes. die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen, fremd.3 Letztere Aufgabe wird indes durch die handelsrechtlichen Informationsnormen erfüllt (Informations-GoB). Damit hat die Abkopplungsthese4 uE auch nach dem BilMoG Bestand, dh. die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen ist in erster Linie durch Angaben im Anhang und die gesetzlichen Gliederungs- und Erläuterungsvorschriften sicherzustellen.5

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III. GoB-Systembildung 1. Übersicht In der Literatur sind verschiedene GoB-Systeme entwickelt worden. Am wohl bekanntesten dürften die 24 „klassischen“ GoB-Lehren Leffsons, Baetges und Moxters sein.6 Hiervon dürfte die sog. Ausschüttungsstatik Moxters (s. Rz. 25 ff.) den größten Einfluss auf die höchstrichterliche Rspr. gehabt haben.7 Dass sich die jüngere BFH-Rspr. in einzelnen Bilanzierungsfragen von der ausschüttungsstatischen Lehre zu lösen scheint (etwa bei der Bestimmung des weiterhin umstrittenen Passivierungszeitpunkts von Rückstellungen8), ist uE nicht als grundsätzliche Abkehr von dieser Bilanzrechtstheorie zu verstehen. Für die praktische Anwendung des § 243 Abs. 1 HGB dürfte die Ausschüttungsstatik weiterhin den besten Orientierungspunkt geben. 2. Ausschüttungsstatik Nach der ausschüttungsstatischen Lehre, die von Moxter sowie von ehemaligen (Vorsitzenden) Richtern 25 des BFH, allen voran Döllerer und Beisse, begründet wurde, bilden die handelsrechtlichen GoB iSd. § 243 Abs. 1 HGB ein geschlossenes System, dh. ein „umfassendes, widerspruchsfreies Gefüge von Grundsätzen und Einzelnormen“9. Dieses System wird konstituiert aus kodifizierten sowie nicht-kodifizierten Grundsätzen und Einzelnormen, wobei hierarchisch zwischen „oberen“ (fundamentalen) und „unteren“ (speziellen) GoB differenziert wird. Das zentrale Konstruktionsprinzip der Ausschüttungsstatik ist das Vorsichtsprinzip.10 Es findet seine 26 Ausprägung in dem Realisationsprinzip sowie dem Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Entsprechend wird dem Vorsichtsprinzip innerhalb der ausschüttungsstatischen Bilanzrechtstheorie der Rang eines Fundamentalprinzips zuerkannt (oberer GoB).11 Ein weiteres Fundamentalprinzip ist das sog. Objektivierungsprinzip.12 Diese beiden Fundamentalprinzipien – Vorsichtsprinzip und Objektivierungsprinzip – bilden die Grund- 27 pfeiler des ausschüttungsstatischen GoB-Systems; aus ihnen sind alle weiteren GoB als Subprinzipien 1 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-Drucks. 16/10067, 35: „Die bisher bestehenden handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bleiben weiterhin gültig […] [D]ie Auslegung der handelsrechtlichen Vorschriften [hat] weiterhin im Lichte der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu erfolgen, letztlich also aus den eigenen handelsrechtlichen Wertungen heraus.“ 2 Vgl. Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (insbes. 758 f.); Marx, FR 2016, 389 (390). 3 Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (15); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758). 4 Vgl. Moxter in FS Budde, 419 ff.; zur Kritik an der Abkopplungsthese s. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 264 Rz. 12 mwN. 5 Vgl. Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758 f.). 6 Vgl. die Übersicht und kritische Würdigung bei Ballwieser, ZfB-Ergänzungsheft 1/1987, 3 ff. 7 Zur Entwicklung dieser Bilanzrechtstheorie vgl. anschaulich Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S90 ff.). 8 Vgl. BFH v. 6.2.2013 – I R 8/12, BStBl. II 2013, 686; BFH v. 17.10.2013 – IV R 7/11, BStBl. II 2014, 302; dazu kritisch Euler/Hommel, BB 2014, 2475 ff. 9 Beisse, BFuP 1990, 499 (500), im Original ohne Fettdruck. 10 Vgl. Beisse, BB 1999, 2182; Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489 ff. 11 Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10); Ballwieser, ZfB-Ergänzungsheft 1/1987, 3 (11 f.). 12 Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10). Zum Objektivierungsprinzip vgl. eingehend Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 120 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 f.; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 40 ff.

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§ 243 Rz. 28 | Aufstellungsgrundsatz (untere GoB) abzuleiten.1 Dadurch bleibt das System konzeptionell geschlossen. Auch nach dem BilMoG bilden das Vorsichtsprinzip bzw. das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip „die tragende[n] Grundsätze der handelsrechtlichen Rechnungslegung“2. 28

Nach der Ausschüttungsstatik liegt der dominante Sinn und Zweck der (Gewinnanspruchs-) GoB in der Gewinnanspruchsbemessung (Ausschüttungsbemessung) zum Zweck des Gläubigerschutzes.3 Dieser Bilanzprimärzweck ergibt sich im Wege der Hermeneutik unter Berücksichtigung der im HGB kodifizierten GoB (s. Rz. 16).4

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Durch die Beachtung der GoB im Rahmen der Gewinnermittlung (und nicht erst im Rahmen der Gewinnverwendung) soll ein Ausgleich geschaffen werden zwischen den verschiedenen Schutzbedürfnissen, die mit dem handelsrechtlichen Jahresabschluss verknüpft sind.5 So gilt es zum einen, die Gewinnberechtigten vor Gewinnverkürzungen zu schützen. Aus dieser Sicht dienen die GoB der Ermittlung einer Ausschüttungsmindestgrenze.6 Zum anderen müssen gleichermaßen die Gläubiger, Gesellschafter, Beschäftigten usw. vor einem überhöhten Mittelentzug geschützt werden, insoweit dieser den Unternehmensfortbestand gefährden könnten (GoB als Ausschüttungsobergrenze). Diese widerstreitenden Schutzbedürfnisse – im Wesentlichen durch Konkretisierung des Vorsichtsprinzips – auszutarieren, ist die Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, hilfsweise der Judikatur.7

30

Wird die Ausschüttungsbemessung als Primärziel der handelsrechtlichen Bilanzierung anerkannt, so folgt, dass der nach GoB ermittelte Gewinn einem vorsichtig bemessenen, verlustantizipierenden und liquiden bzw. liquiditätsnahen (Umsatz-) Gewinn zu entsprechen hat.8 Daraus ergibt sich, dass der Zeitpunkt der Ertragsrealisation nach herrschender Auslegung des kodifizierten Realisationsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB) an den Umsatzakt gebunden wird.9 Der Ertrag ist erst dann zu vereinnahmen, wenn die wirtschaftliche Erfüllung des Leistenden iSd. Risikoabbaus „so gut wie sicher“10 ist. Eine ertragswirksame Vereinnahmung von Zeitwertänderungen am ruhenden Vermögen (ohne Umsatzakt) ist unter Geltung dieses Realisationsverständnisses ausgeschlossen. Dies unterscheidet die Ausschüttungsstatik grundlegend von der Zeitwertstatik, die den IFRS zunehmend das konzeptionelle Gepräge gibt.11 Damit stellt etwa die durch das BilMoG eingeführte Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 HGB) einen Fremdkörper innerhalb des tradierten GoB-Systems dar.12

31

Das Realisationsprinzip wird durch das Imparitätsprinzip iS eines Verlustantizipationsprinzips ergänzt und zugleich eingeschränkt. So sind nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB „alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind“. Indem die „Chancen und Risiken von Umsatzprozessen“13 als Ausdruck vorsichtiger Gewinnermittlung ungleich (eben imparitätisch) behandelt werden, führt das Imparitätsprinzip im Allgemeinen „zu einem geringeren Gewinn, als er sich bei alleiniger Gültigkeit des Realisationsprinzips ergeben würde“14.

32

Die Gewinnermittlungsprinzipien (Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip) werden nach ausschüttungsstatischer Bilanzauffassung durch die sog. Vermögensermittlungsprinzipien begrenzt.15 Letztere sollen in erster Linie der Objektivierung des Bilanzinhalts dienen. So werden nach geltendem Recht keine 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (19); Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882 (887 f.). Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (5) mwN. Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10); Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882 (888). Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S91). Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 4 f.; Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S91). Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S91). Vgl. Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 54. Das Realisationsprinzip geht nach herrschender Auslegung aber nicht so weit, für die Gewinnverwirklichung den Zahlungseingang abzuwarten (iS eines Barrealisationsprinzips), wofür es jedoch zumindest aus steuertheoretischer Sicht überzeugende Argumente gäbe. Zur Diskussion vgl. insbes. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (15 ff.) mwN. Wörner, FR 1984, 489 (494). Zum Prinzip des quasi-sicheren Anspruchs (Gewinns) vgl. eingehend Wüstemann/ Kierzek, ZfbF 2007, 882 ff. Vgl. Hommel in FS Ballwieser, 347 (353 ff.). Zur Diskussion s. Kahle/Schulz in BKT, Bilanzrecht, § 255 Abs. 4 HGB Rz. 330 ff. (Stand Januar 2016). Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 34. Ballwieser, BFuP 1990, 481. Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 109 ff.; Hommel in FS Ballwieser, 347 (350 ff.); Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S92).

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B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1)

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Rz. 38 § 243

Einnahmen oder Ausgaben bilanziert, statt dessen hat die handelsrechtliche Bilanz (im Wesentlichen) Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten abzubilden (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB).1 Dieser „‚Vergegenständlichung‘“2 der Bilanz entspricht es, dass der entziehbare Gewinn im Wege eines Vermögensvergleichs bemessen wird (bilanzieller Reinvermögenszugang). Obgleich die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsnormen dem Gläubigerschutz verpflichtet sind, stellen auch sie bestimmte Informationen für den Jahresabschlussadressaten bereit. Allerdings sind diese Informationen potenziell durch das Vorsichts- bzw. Imparitätsprinzip verzerrt.3 Nach der sog. Abkopplungsthese wird diese (vermeintliche) Schwäche dadurch geheilt, dass die Informationsfunktion im Konfliktfall hinter die Ausschüttungsbemessungsfunktion zurücktritt.4 Die Bereitstellung relevanter Informationen ist vielmehr durch die gesetzlichen Gliederungs- und Erläuterungsvorschriften sowie den Anhang (§§ 284, 285 HGB) sicherzustellen (Informations-GoB).

33

Das ausschüttungsstatische GoB-System gilt als konzeptionell geschlossen. Es ist aber keineswegs unabänderlich, sondern vielmehr offen, beweglich und mithin auch revisibel, wenn die Gewinnung neuer GoB oder die Weiterentwicklung bestehender GoB mit Blick auf neuartige Bilanzierungssachverhalte geboten ist.5 Bilanzierungsfragen, die nicht explizit im HGB geregelt sind, müssen aus dem GoB-System heraus gelöst werden. Dies geschieht durch fortschreitende Detailkonkretisierung, indem untere GoB unter Beachtung der oberen (fundamentalen) GoB neu entwickelt bzw. weiter differenziert werden. Neu gewonnene GoB haben sich widerspruchsfrei in das bestehende GoB-System einzufügen.

34

IV. (Potenzielle) Einflüsse der IFRS auf die GoB Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass im Zuge des BilMoG einige GoB partiell neu interpretiert wurden. Das 35 Vorsichtsprinzip und somit auch das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip bilden jedoch nach zutreffender Ansicht auch nach dem BilMoG den Dreh- und Angelpunkt der bilanziellen Gewinnermittlung. Schon angesichts der abweichenden Primärzwecke erschiene es wenig überzeugend, in den IFRS die maßgebende Interpretationsquelle für handelsrechtliche GoB zu sehen.6 Eine breitflächige Einstrahlung der IFRS in das deutsche Bilanzrecht ist seitens des Gesetzgebers erkennbar nicht gewollt.7 Auch aus dem Urteil des EuGH in der Rs. BIAO8 ergibt sich keine zwingende Auslegung der GoB auf Basis der IFRS oder gar eine IFRS-Maßgeblichkeit.9 Die IFRS sind hiernach nur als eine denkbare Rechtserkenntnisquelle zu betrachten; sie haben für das nationale (deutsche) Bilanzrecht keinen verpflichtenden Charakter. Wohl nur bei handelsrechtlichen Vorschriften, die erkennbar an die IFRS angelehnt sind, ist eine Bezugnahme auf die IFRS iS eines Rechtsvergleichs zu erwägen.10

36

Der BFH hat in seinem Urteil vom 25.8.2010 zutreffend herausgestellt, „dass die International Accounting 37 Standards bzw. die IFRS die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht bestimmen“11. Auch in seinem Urteil vom 14.4.2011 hat der BFH einer Auslegung der GoB auf Basis der IFRS im Ergebnis eine klare Absage erteilt.12

V. Bedeutung der GoB für die steuerliche Gewinnermittlung Über den sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 EStG) wirken die GoB iSd. § 243 HGB in die steuerliche Gewinnermittlung ein. Nach der bekannten Teilhaberthese sollten die Gewinnansprüche des Fiskus – iS eines stillen Teilhabers – nicht anders bemessen werden als die Gewinnansprüche anderer Teilhaber (zB Anteilseigner) am betreffenden Unternehmen.13 Aus dieser Sicht erscheint eine Maßgeblichkeit der vorsichtsgeprägten GoB konzeptionell wohlbegründet.14 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Euler/Hommel, BB 2014, 2475 (2476); Hommel in FS Ballwieser, 347 (351). Beisse in FS Moxter, 3 (16); vgl. zB auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 44. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 55. Vgl. Moxter in FS Budde, 419 ff.; Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 755 (758). Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 3. Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 ff.; Kahle, StuB 2013, 759 f. Vgl. Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 9 Rz. 68. Vgl. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99 (BIAO), DB 2003, 181 ff.; hierzu grundlegend Hennrichs, NZG 2005, 783 ff. Zum Diskussionsstand vgl. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (15). Vgl. Prinz, GmbHR 2009, 1027 (1031 f.). BFH v. 25.8.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011, 215. Vgl. dazu auch Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (14 f.). Vgl. BFH v. 14.4.2011 – IV R 46/09, BStBl. II 2011, 696; hierzu Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (14 f.). Vgl. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (5) mit zahlreichen Schrifttumnachweisen. Zur Kritik an der Teilhaberthese vgl. Wagner in FS Ballwieser, 917 (924 ff.).

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§ 243 Rz. 39 | Aufstellungsgrundsatz 39

Spiegelt man die tradierten GoB indessen an den theoretischen Leitlinien, denen eine steuerliche Gewinnermittlung idealerweise folgen sollte, so zeigt sich, dass deren Maßgeblichkeit weder zu einer verbesserten Entscheidungsneutralität noch zu einer verbesserten Gleichmäßigkeit der Besteuerung führt.1 Vielmehr steht das Vorsichtsprinzip beiden Postulaten diametral entgegen und sollte demnach aus der steuerlichen Gewinnermittlung de lege ferenda verbannt werden. Zugleich sollte das tradierte Realisationsprinzip in Richtung eines Barrealisationsprinzips umgedeutet werden (Gewinnrealisierung bei Marktleistungsabgabe und Zahlungsmittelzufluss).2 Grundvoraussetzung für die Aufgabe des bilanziellen Vorsichtsprinzips wäre jedoch die Gewährung eines sofortigen Verlustausgleichs (oder ökonomisch gleichwertiger Verlustnutzungsmöglichkeiten). Hält man einen sofortigen Verlustausgleich auch in Zukunft (allein schon aus fiskalischen Gründen) für unrealistisch, erscheint die Maßgeblichkeit der GoB als zweitbester Ansatz weiterhin vertretbar.3

C. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (Abs. 2) I. Regelungszweck 40

Nach § 243 Abs. 2 HGB muss der handelsrechtliche Jahresabschluss „klar und übersichtlich sein“. Dieser Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit ist kein Selbstzweck, sondern dient der übergeordneten Informationsaufgabe des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.4 Diese dient im Allgemeinen dazu, den Informationsadressaten interessengerechte Entscheidungen zu ermöglichen, wobei das Interesse der Anteilseigner in erster Linie auf die Breite, zeitliche Struktur und Wahrscheinlichkeit ihres finanziellen Zielstroms richten dürfte.5 Sachverständige Dritte können sich aber nur dann in angemessener Zeit ein Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zeichnen (vgl. § 238 Abs. 1 HGB), wenn die Inhalte des Jahresabschlusses klar und übersichtlich sind.6

41

Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gilt (personell) für alle Bilanzierungspflichtigen im Anwendungsbereich des § 243 HGB (s. Rz. 4 ff.); er bezieht sich sachlich auf alle Elemente des Jahresabschlusses bzw. Konzernabschlusses, die pflicht- oder wahlweise aufzustellen sind.7

42

Auch wenn der Lagebericht (§ 289 HGB) selbst keinen Bestandteil des Jahresabschlusses bildet, sollte dieser gleichwohl klar und übersichtlich sein.8

43

Aus steuerrechtlicher Sicht hat § 243 Abs. 2 HGB nach hM zwar (formal) keine eigenständige Relevanz,9 es versteht sich jedoch, dass auch eine Steuerbilanz klar und übersichtlich sein sollte.10

II. Einzelfragen 44

So einleuchtend die Forderung nach „Klarheit“ und „Übersichtlichkeit“ in § 243 Abs. 2 HGB auf den ersten Blick erscheint, so vage bleibt sie ohne weiteren Konkretisierungsmaßstab. Denn beide Begrifflichkeiten können zwar durch weitere, mehr oder weniger synonyme Begrifflichkeiten (Transparenz, Eindeutigkeit, Konkretheit, Nachvollziehbarkeit und dergleichen mehr) umschrieben werden; sie gewinnen dadurch aber nicht zwingend an inhaltlicher Schärfe.

45

Das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist vielmehr anhand des Systems der Informations-GoB zu konkretisieren.11 Um die externen Jahresabschlussleser bei ihrer Ergebnisanalyse zu unterstützen, muss der Geschäftsjahresgewinn insbes. hinreichend erläutert und aufgegliedert werden.12 Die nach § 243 Abs. 2 HGB verlangte „Klarheit“ sowie „Übersichtlichkeit“ 1 2 3 4 5 6

10 11 12

Vgl. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (4 ff.). Vgl. bereits Schneider, WPg. 1971, 607 ff.; zur Diskussion auch Kahle/Schulz, BFuP 2011, 455 ff. Vgl. Kahle, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22, 1 (18 ff.). Vgl. auch zB Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 22 mwN. Vgl. Moxter in FS Ballwieser, 507 (515 ff.). Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 13; Thiele/Brötzmann in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 85 (Stand September 2002); Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 22. Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 11. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 20; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 11; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 24. Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 14; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 70. Vgl. Sigloch/Weber in Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG2, §§ 41–42a Rz. 578. Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S94 ff.). Vgl. eingehend Dexheimer, BB 2002, 451 ff.

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D. Aufstellungsfrist (Abs. 3)

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Rz. 52 § 243

obliegt mithin in erster Linie den gesetzlichen Gliederungs- und Erläuterungsvorschriften (Informations-GoB).1 Sämtliche in der Bilanz bzw. GuV enthaltenen Posten müssen eindeutig, sachlich zutreffend, verständlich, 46 nachvollziehbar und konsistent bezeichnet werden, und diese Bezeichnungen sollten auch im Zeitverlauf konsequent beibehalten werden.2 Diese Anforderungen (s. Rz. 46) gelten für andere – je nach Rechtsform – zusätzlich bzw. freiwillig auf- 47 gestellte Elemente des Jahresabschlusses bzw. Konzernabschlusses analog, zB für die Erläuterungen im Anhang: Auch diese „müssen so hinreichend geordnet sein, dass sie sich den entsprechenden Positionen des Zahlenwerks (Bilanz; GuV) klar und eindeutig zuordnen lassen“3. Materielle Grundsätze, die aus dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit hergeleitet werden, 48 sind bspw. das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 HGB),4 das Bruttoprinzip bzw. Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB),5 das Gebot der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB),6 das Gebot der hinreichenden Aufgliederung (§ 247 Abs. 1 HGB)7 sowie das Gebot der Ausweisstetigkeit.8 Die Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird im Allgemeinen durch 49 § 247 Abs. 1 HGB konkretisiert,9 der ein Gebot des gesonderten Ausweises und der hinreichenden Aufgliederung enthält. Hierdurch wird die Mindestaufgliederung der Bilanz festgelegt.10 Im Einzelnen sind „das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern“ (§ 247 Abs. 1 HGB). § 247 HGB gilt für alle Kaufleute. Für einzelne Rechtsformen existieren speziellere Gliederungsvorschriften, die § 247 Abs. 1 HGB im Rang vorgehen. Für Kapitalgesellschaften gilt die Bilanzgliederung nach § 266 HGB. Mittelgroße und große Kapitalgesell- 50 schaften iSd. § 267 Abs. 2 und 3 HGB haben ihre Bilanz nach den in § 266 Abs. 2 (Aktivseite) und Abs. 3 HGB (Passivseite) vorgegebenem Schemata aufzugliedern. Bei kleinen Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 1 HGB genügt eine verkürzte Bilanz (§ 266 Abs. 1 Satz 2 HGB); eine weitere Verkürzung der Bilanz wird Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB gewährt (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB). Für Einzelheiten wird auf die entsprechende Kommentierung verwiesen. Für die Gewinn- und Verlustrechnung enthalten die § 275 ff. HGB spezielle Gliederungs- und Erläute- 51 rungsvorgaben. Auch diese haben den Sinn und Zweck, die gebotene Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses iSd. § 243 Abs. 2 HGB sicherzustellen. Für Einzelheiten wird auf die entsprechende Kommentierung verwiesen.

D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) I. Überblick und Zweck der Vorschrift Gem. § 243 Abs. 3 HGB ist der Jahresabschluss (zu den Bestandteilen des Jahresabschlusses s. Rz. 6) „in- 52 nerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ aufzustellen (sog. Aufstellungsfrist). Ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist, ist demnach nicht allein davon abhängig, ob die Aufzeichnung in den Büchern ordnungsgemäß erfolgt ist, sondern auch davon, ob die Bilanz in einem ordnungsgemäßen Zeitrahmen aufgestellt wurde.11 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11

Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 80. Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 13. Kleindiek in MünchKomm. BilR, Rz. 23 m.w.N. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 61. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 12; Walz in Heymann-HGB2, § 243 Rz. 11; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 81, 85, 370; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 61; Crezelius in Kirchhof, EStG15, § 5 Rz. 52. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 14. Vgl. Thiele/Brötzmann in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 85 (Stand September 2002); Küting/Tesche, DStR 2009, 1491 (1492). Auch die Verpflichtung, den Jahresabschluss in deutscher Sprache aufzustellen (§ 244 HGB), wird als Folgeprinzip des Grundsatzes der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) betrachtet; dasselbe gilt für die Verpflichtung, Jahresabschlüsse und Buchungsunterlagen geordnet aufzubewahren (§ 257 Abs. 1 HGB); vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 81. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 2. Vgl. z.B. Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 247 Rz. 1; wohl auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 61. Vgl. BFH v. 12.12.1972 – VIII R 112/69, BStBl. II 1973, 555.

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§ 243 Rz. 53 | Aufstellungsgrundsatz 53

Die Vorschrift ist grundsätzlich für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute iSd. §§ 1 ff. HGB maßgeblich.

54

Für bestimmte Kaufleute erfolgt in Sondervorschriften eine Konkretisierung der Aufstellungsfrist. Diese gehen als leges speciales der Generalnorm in § 243 Abs. 3 HGB vor. Es ergeben sich demnach, differenziert nach Größe, Rechtsform und Branche, die folgende Fristen – Bezugspunkt ist jeweils das dem Abschlussstichtag nachfolgende Geschäftsjahr: – Große und mittelgroße (§ 267 Abs. 2 und 3 HGB) Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB): 3 Monate; – Kleine (§§ 267 Abs. 1, 267a HGB) Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB): 6 Monate; – Unternehmen, die unter das PublG fallen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PublG): 3 Monate; – Institute iSd. KWG (§ 26 Abs. 1 Satz 1 KWG): 3 Monate; – Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 und 5 HGB): 4 bzw. 10 Monate; – Genossenschaften (§ 336 Abs. 1 Satz 2 HGB): 5 Monate. Für den Fall, dass ein Unternehmen zusätzlich einen Konzernabschluss aufzustellen hat, greifen weitere Aufstellungsfristen, insbes. nach §§ 290 Abs. 1, 340i Abs. 1, 341i Abs. 3 HGB, § 13 Abs. 1 PublG.

55

Sofern keine Sondervorschrift kodifiziert ist, greift die Generalnorm des § 243 Abs. 3 HGB. Die Vorschrift hat damit im Wesentlichen Bedeutung für den handelsrechtlichen Abschluss von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften, für die die oben dargestellten Konkretisierungen nicht maßgeblich sind.

56

§ 243 Abs. 3 HGB ist zudem relevant für den steuerrechtlichen Abschluss,1 denn auch hier fehlt es an einer gesetzlich normierten Sondervorschrift. Die Fristen zur Abgabe der Einkommen-/Körperschaftsteuererklärungen nach § 149 Abs. 2 AO (mit Verlängerungsmöglichkeit nach § 109 Abs. 1 AO) sind nur von eingeschränkter Bedeutung, da die Steuerbilanz lediglich als „Unterlage“ gilt, die einer Steuererklärung beizufügen ist (§ 150 Abs. 4 Satz 1 AO).2 Gleichwohl ist nach Meinung der Literatur und der Rspr. die Steuerbilanz in der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen, da nur dies einer ordnungsgemäßen Buchführung nach § 243 Abs. 1 HGB entspricht.3 Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermitteln, dh. für diejenigen, die ihren Gewinn nach den entsprechenden handels- oder steuerrechtlichen Bestimmungen aufzustellen haben oder freiwillig aufstellen, besteht hierbei grundsätzlich die Verpflichtung, den Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung (und etwaiger weiterer Anlagen wie Anhang) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (§ 5b EStG, sog. E-Bilanz).4

57

Die Aufstellungsfrist des § 243 Abs. 3 HGB ist Ausfluss des Schutzprinzips zugunsten der Gläubiger und, sofern vorhanden, der weiteren Gesellschafter. Hierdurch wird gewährleistet, dass diese Personen jährlich Rechenschaft über den Stand des Geschäfts bekommen.5 Sie dient zudem dem Zweck, dem Kaufmann selbst Einblick in den Stand seines Geschäfts zu geben, wobei es ihm zeitlich ermöglicht werden soll, den Jahresabschluss neben dem laufenden Geschäftsbetrieb fristgerecht aufzustellen.6

II. Rechtsprechung und Meinungsstand in der Literatur 58

Der in § 243 Abs. 3 HGB enthaltene Wortlaut „innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Mithin ist die Aufstellungsfrist in den Fällen, in denen die in Rz. 54 aufgeführten Sondervorschriften nicht greifen, auszulegen.

59

Eine allgemeingültige Zeitspanne für einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang gibt es nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht. Auch die historische Untersuchung der Gesetzesvorschrift führt zu keinem sinnvollen Ergebnis. Telelogisch jedoch zeigt sich, dass der Gesetzgeber ganz bewusst keine feste Frist normiert hat. Somit hat sich die Frist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen, dh. die Beson1 Zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz und Entwicklungstendenzen s. Rz. 38 f. sowie Schmidt/ Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 111. 2 Vgl. Rätke in Klein, AO13, § 152 Rz. 6; Seer in Tipke/Kruse, § 150 AO Rz. 23, § 152 AO Rz. 10 (Stand August 2016); aA Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz. 41a, 42 (Stand Juli 2016). 3 Vgl. BFH v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 94. 4 Zu Einzelheiten s. auch BMF vom 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009 – DOK 2011/0770620, BStBl. I 2011, 855; v. 13.6.2014 – IV C 6 - S 2133-b/11/10016 :004 – DOK 2014/0522315, BStBl. I 2014, 886. 5 Vgl. Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 91. Siehe ebd. auch zu Besonderheiten bei einer Liquidation. 6 Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 43.

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D. Aufstellungsfrist (Abs. 3)

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Rz. 64 § 243

derheiten und Anforderungen des Unternehmens sind zu berücksichtigen, wobei der jeweilige Bilanzadressat mit seinem Informationsinteresse ein besonderes Gewicht hat.1 Gegebenenfalls könnten IFRS für die Auslegung herangezogen werden (s. auch oben Rz. 35). Allerdings ist auch hier keine explizite Frist zur Erstellung des Abschlusses enthalten. Aus den Prinzipien „Timeliness“ (F.QC 29) und „Relevance“ (F.QC 5) lässt sich lediglich schlussfolgern, dass die Abschlusserstellung in angemessener zeitlicher Nähe zum Abschlussstichtag erfolgen sollte, um dem Bilanzleser entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen.2

60

Eine Vorgabe für die GoB ergibt sich hieraus nicht.3 IFRS gelten nach deutschem Recht nur für kapital- 61 marktorientierte Mutterunternehmen, die nach § 315e Abs. 1 und 2 HGB ihren Konzernabschluss nach IFRS aufstellen müssen, für Mutterunternehmen, die von ihrem Wahlrecht nach § 315e Abs. 3 HGB beim Konzernabschluss Gebrauch machen, oder für publizitätspflichtige Unternehmen, die ihren Einzelabschluss nach IFRS offenlegen möchten gem. § 325 Abs. 2a HGB. Die GoB hingegen gelten für alle Kaufleute, die nach §§ 238 ff. HGB verpflichtet sind, Bücher zu führen.4 Insofern entfalten die IFRS und ihr Framework keine rechtliche Bindungswirkung bei der Auslegung der GoB (s. Rz. 35 ff.). Hinzu kommt, dass IFRS eine andere Zielsetzung haben5 und zu unbestimmt sind, um Auslegungshilfe zu sein.6 Die Rspr. hingegen bietet Anhaltspunkte für die Ermittlung der ordnungsgemäßen Aufstellungsfrist. Auch hier hat sich jedoch keine einheitliche Frist herausgebildet, da der jeweilige Einzelfall betrachtet wird und unterschiedliche Zwecke zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.7

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Für steuerrechtliche Zwecke hat der BFH entschieden, dass eine Bilanz, die nach Ablauf von 12 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres aufgestellt wurde, nicht mehr innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Frist aufgestellt worden ist.8 Hieraus ergibt sich eine Einschränkung des Zeitraums „der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ auf einen Zeitpunkt bis spätestens 12 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres.9

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Für handelsrechtliche Zwecke wird zwischen dem normalen Geschäftsgang und Krisensituationen unter- 64 schieden. Nach der hM.10 wird im normalen Geschäftsgang für Einzelkaufleute und Personengesellschaften, die nicht den in Rz. 54 aufgeführten Sondervorschriften unterliegen, eine Aufstellungsfrist von 6–9 Monaten – teilweise auch bis 12 Monate – als ordnungsgemäß eingestuft. Begründet wird dies einerseits damit, dass die Einzelkaufleute bzw. Gesellschafter der relevanten Personengesellschaften größere Rechte, insbes. Mitspracherechte, haben als bei anderen Gesellschaftsformen (zB großen Kapitalgesellschaften), die einen längeren Zeitraum als 3–6 Monate im Einzelfall vertretbar erscheinen lassen. Andererseits wird dieser längere Zeitraum wiederum durch die Urteile des BFH11 begrenzt, wonach eine Bilanz, die nach Ablauf von 12 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres aufgestellt wurde, nicht mehr innerhalb der

1 Ausführlich hierzu ADS6, § 243 HGB Rz. 40 ff.; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 92. Vgl. zu den Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren zudem BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 31. 2 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 33; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 60; Wawrzinek/Lübbig in Beck IFRS HdB5, § 2 Rz. 57 ff., 83. Zur Entwicklung bzgl. Fast Close-Abschlüssen vgl. unten Rz. 66 f. 3 Ein Ausnahmefall kann sich bei der Bewertung ergeben, wenn die internationale Vergleichbarkeit einen verbesserten Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens gibt. Hier kann vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit abgewichen werden – zugunsten der IFRS-Regeln. Allein die Verbesserung des handelsrechtlichen Ergebnisses stellt aber keinen Grund für eine Ausnahme dar; s. hierzu Winkeljohann/Büssow in BeckBilKomm.10, § 252 HGB Rz. 77. 4 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 1; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 46. 5 Der handelsrechtliche Einzelabschluss verfolgt die Informationsfunktion unter Beachtung der Schutzfunktion der Gewinnanspruchsbemessung, der IFRS-Abschluss allein die Informationsfunktion, vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10). 6 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 82 ff.; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 243 Rz. 28; ausführlich Moxter, WPg. 2009, 7 ff.; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 59. 7 So auch BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; ADS6, § 243 HGB Rz. 38; Walz in Heymann-HGB2, § 243 Rz. 22 f.; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 33. 8 Vgl. BFH v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227. 9 Zwei bzw. fünf Jahre wurden hingegen als zu lang eingestuft: BFH v. 5.3.1965 – VI 154/63 U, BStBl. III 1965, 285; v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; hierzu auch ADS6, § 243 HGB Rz. 38; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 32; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 93. 10 Ausführlich zum Meinungsstand Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 32. 11 Vgl. BFH v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227.

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§ 243 Rz. 65 | Aufstellungsgrundsatz einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufgestellt worden ist.1 Diese Begrenzung stellt sicher, dass die Wertansätze nicht unzulässigerweise nach dem Ergebnis mehrerer inzwischen abgelaufener Wirtschaftsjahre gebildet werden.2 In Summe werden diese Fristen im normalen Geschäftsgang dem Zweck des § 243 Abs. 3 HGB gerecht, da es sich einerseits um einen zumutbaren Zeitrahmen für den Rechnungslegungspflichtigen handelt, um den Jahresabschluss neben dem laufenden Geschäftsbetrieb aufzustellen, und andererseits die Informationsinteressen der Gläubiger und ggf. anderen Gesellschafter gewahrt werden.3 Schmidt/Usinger weisen zudem darauf hin, dass eine darüber hinausgehende Fristverlängerung per Gesellschaftsvertrag nicht wirksam ist.4 Auch Ungewissheiten bei Schätzungen (zB von Rückstellungen), die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt klären, führen zu keiner Fristverlängerung.5 65

Hiervon unbenommen ist in besonderen Krisensituationen eine deutlich kürzere Frist erforderlich. In Krisensituationen sind nach diversen Entscheidungen im strafrechtlichen Bereich6 Aufstellungsfristen von nur 2–3 Monaten als ordnungsgemäß eingestuft worden; während Aufstellungsfristen von mehr als 7 Monaten als nicht mehr ordnungsgemäß eingeschätzt wurden.7 Der Kaufmann hat in einem solchen Fall „unverzüglich“ iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu handeln, dh. den Jahresabschluss zeitnah und ohne schuldhaftes Zögern nach Ablauf des Abschlussstichtags aufzustellen. Hintergrund ist zum einen, dass der Kaufmann sich auf diese Art und Weise möglichst schnell einen Überblick über die Lage des Unternehmens verschaffen soll, und zum anderen, dass das besondere Interesse der Gläubiger gewahrt wird.8

III. Stichtagsprinzip und Fast Close 66

Die Aufstellungsfrist für den handelsrechtlichen Jahresabschluss bezieht sich auf einen davor liegenden Abschlussstichtag. Dieser Abschluss- bzw. Bilanzstichtag ist der letzte Tag (24 Uhr) des Geschäftsjahres iSd. § 240 Abs. 2 HGB. Das Geschäftsjahr darf hierbei einen 12-Monats-Zeitraum nicht überschreiten; bei einem Rumpfgeschäftsjahr ergibt sich ein kürzerer Zeitraum. Grundsätzlich darf der Stichtag frei festgesetzt bzw. geändert werden. Sofern das (handelsrechtliche) Geschäfts- bzw. (steuerrechtliche) Wirtschaftsjahr jedoch nicht dem Kalenderjahr entsprechen soll, ist das Einvernehmen des Finanzamts einzuholen (§ 4a EStG).

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Grundsätzlich ist für die Aufstellung des Jahresabschlusses der Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Abschlussstichtags maßgebend (Stichtagsprinzip, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Folglich sind alle Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen, die bis zum Abschlussstichtag stattgefunden haben, bewertet nach den Verhältnissen des Stichtags.9 Dies beinhaltet auch sog. wertaufhellende Tatsachen, dh. Erkenntnisse über vor dem Abschlussstichtag zugetragene Geschäftsvorfälle, die erst nach dem Abschlussstichtag, aber vor Aufstellung der Bilanz bekannt werden (ausdrücklich § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB für Risiken und Verluste). Wertbegründende Tatsachen, dh. Erkenntnisse über nach dem Abschlussstichtag zugetragene Geschäftsvorfälle, bleiben dagegen ausdrücklich unberücksichtigt (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). 1 Im Ergebnis ähnlich ADS6, § 243 HGB Rz. 43; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 28; Morck in Koller/ Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 243 Rz. 5; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 33, der allerdings eine längere Frist als 6 Monate nur im Ausnahmefall – mit Beweislast des Aufstellers – als zulässig erachtet; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 34; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 93; aA Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 78, der eine Zeit von 12 Monaten angesicht der Schutzfunktion der Rechnungslegung als zu lang erachtet; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 243 Rz. 11, der stets von einer entsprechenden Anwendung der Sechsmonatsfrist für kleine Kapitalgesellschaften ausgeht, als Begründung jedoch die Rspr. zum Konkursstrafrecht heranzieht (OLG Düss. v. 27.9.1979 – 5 Ss 391-410/79 I, NJW 1980, 1292); auch Walz in Heymann-HGB2, § 243 Rz. 23 spricht sich für eine Frist von 6 Monaten aus, vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften mit kleinen Kapitalgesellschaften. 2 Vgl. BFH v. 12.12.1972 – VIII R 112/69, BStBl. II 1973, 555. 3 Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 43. 4 Vgl. Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 93. 5 Vgl. Schubert in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 156. 6 Vgl. BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; BGH v. 19.4.1956 – 4 StR 409/55, BB 1957, 274; v. 31.1. 1961 – 1 StR 463/60, BeckRS 1961, 00103; OLG Düss. v. 27.9.1979 – 5 Ss 391-410/79 I, NJW 1980, 1292. 7 Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 39. 8 Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 39, 44.; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 29; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 35; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 95. 9 Siehe hierzu die Kommentierung zu § 252 HGB sowie Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 52; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 243 Rz. 13, § 252 Rz. 11; Winkeljohann/Büssow in BeckBilKomm.10, § 252 HGB Rz. 34 ff.; Winkeljohann/Philipps in BeckBilKomm.10, § 242 HGB Rz. 6, jeweils mit Beispielen. Die in der Vergangenheit kodifizierte Ausnahme vom Stichtagsprinzip in § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB aF zum Ausgleich von Wertschwankungen in nächster Zukunft mittels Abschreibungen wurde durch das BilMoG gestrichen; s. hierzu Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 243 Rz. 12, § 252 Rz. 21.

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Malke/Schulz

D. Aufstellungsfrist (Abs. 3)

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Rz. 70 § 243

In der Literatur finden sich zu den wertaufhellenden Tatsachen zudem weitere Diskussionspunkte. In die- 68 sem Zusammenhang wird zwischen wesentlichen und unwesentlichen Risiken und Wertminderungen unterschieden. Sofern es sich um unwesentliche Risiken und Wertminderungen handelt, wird es als zulässig erachtet, bereits den Tag als Stichtag zu nehmen, an dem die Bewertung des betroffenen Bilanzpostens abgeschlossen wurde, unabhängig von weiteren unwesentlichen Tatsachen nach diesem Tag.1 Dem ist uE zuzustimmen, soweit die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht beeinträchtigt wird, da dies eine wesentliche Vereinfachung im Jahresabschlussprozess darstellen kann. Sofern es sich um wesentliche Risiken und Wertminderungen handelt, wird in der Literatur eine Ausdehnung der Berücksichtigungsfähigkeit befürwortet, und zwar über den Tag der Aufstellung der Bilanz hinaus bis hin zum Tag der Feststellung der Bilanz. Eine Nichtberücksichtigung würde zwar – aufgrund des anderslautenden Gesetzeswortlauts – wohl nicht zu einer bilanzrechtlichen Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses führen; gleichwohl läge eine Verletzung der Verantwortung der entsprechenden Organe bei Kapitalgesellschaften vor (§§ 93, 116 AktG, §§ 43, 52 Abs. 1 GmbHG). Folglich ist in solchen Fällen eine Änderung des Jahresabschlusses geboten, ggf. durch eine erneute Aufstellung des Abschlusses.2 Sofern sich die Feststellung noch im ordnungsgemäßen Geschäftsgang bewegt,3 ist dieser Vorgehensweise uE zuzustimmen. Eine weitere bedeutsame Tendenz ist die beschleunigte Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung von 69 Jahres- und Konzernabschlüssen, die als „Fast Close“ bezeichnet wird. Sie wird insbes. von international aufgestellten, börsennotierten Konzernen genutzt, um den gestiegenen Anforderungen der Kapitalmärkte an aktuellen Informationen über die Unternehmenslage Rechnung zu tragen und gleichzeitig der internen Steuerung mittels aktueller und relevanter Informationen in einem schnelllebigen, komplexen Unternehmensumfeld zu dienen, kann aber auch für den Mittelstand eine interessante Alternative darstellen.4 Denn die Veröffentlichung des Abschlusses bereits kurz nach dem Abschlussstichtag kann einen strategischen Wettbewerbsvorteil darstellen.5 Gleichzeitig haben diese Abschlüsse weiterhin den GoB zu entsprechen (§ 243 Abs. 1 HGB) und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage zu vermitteln (§ 264 Abs. 2 HGB).6 Wertaufhellende Tatsachen werden dabei relativ unwichtiger, da der Fast Close-Abschluss nah am Stichtag veröffentlicht wird und daher dem reinen Stichtagsprinzip näher ist.7 Im Gegenzug werden zum einen die Anforderungen an die angewandten Schätzverfahren und zum anderen an die ggf. notwendigen Anhangangaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB höher.8 Für den Übergang zu einem Fast Close ist es wichtig, die Abschlussarbeiten gleichmäßiger über das ge- 70 samte Geschäftsjahr zu verteilen. In diesem Zusammenhang ist es zielführend, Bearbeitungsschleifen, hohen Korrekturaufwand und andere nicht wertschöpfende Tätigkeiten zu vermeiden, die Systemunterstützung im Hinblick auf eine Verringerung manueller Tätigkeiten und potenzieller Fehlerquellen zu optimieren und eine engere Verzahnung mit der Abschlussprüfung herzustellen.9 Zentrale Maßnahmen zur Beschleunigung sind dabei ua. die Vorverlagerung von Abschlussarbeiten, die Kürzung von Prozessen sowie die Festlegung konzernweiter bilanzpolitischer Maßnahmen, zB die Nutzung von Bewertungsvereinfachungen bzw. die Vorabverständigung mit dem Management und dem Abschlussprüfer zu komplizierten bzw. ungelösten Bilanzierungsfragen.10 Eine Möglichkeit ist, im Vorfeld zu einem vorgezogenen Bilanzstichtag einen dem Jahresabschluss qualitativ gleichwertigen Abschluss zu erstellen, dessen Ergebnisse auf den finalen Abschlussstichtag fortgeschrieben werden (sog. „Hard Close“).11 Diese Maßnahme eignet sich insbesondere für vorhersehbare Positionen, deren Schätzung für den Überleitungszeitraum nur noch angepasst werden muss, was mit einer entsprechenden Zeitersparnis einhergeht.12 Zudem können hier1 Vgl. ADS6, § 252 HGB Rz. 77; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 39. 2 Vgl. ADS6, § 252 HGB Rz. 78; Kropff, WPg. 2000, 1137; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 39; Winkeljohann/Büssow in BeckBilKomm.10, § 252 HGB Rz. 39; aA Küting/Kaiser, WPg. 2000, 577. 3 Vgl. Grottel in BeckBilKomm.10, Vor § 325 HGB Rz. 74, 131, 148, 151, 155 f., 160, zum Feststellungs-/Änderungsverfahren bei verschiedenen Rechtsformen. 4 Vgl. hierzu im Detail Polka, BC 2014, 197 ff.; 369 ff.; 409 ff.; 505 ff. 5 Vgl. Eggemann/Petry, BB 2002, 1635 ff.; Polka, BC 2014, 197 ff., mit weiteren Gründen für die Erstellung eines Fast Close; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 38. 6 Denkbar ist auch, dass der Jahresabschluss bereits vor dem Bilanzstichtag aufgestellt wird, sofern er die o.g. Voraussetzungen erfüllt, vgl. Polka, BC 2014, 197 (198 f.). 7 Vgl. Hüttche/Diemer, BB 2000, 2035 (2036). 8 Vgl. Schubert in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 156. Zur Schätzung von Rückstellungen in Fast Close-Abschlüssen s. Hommel/Schulte, BB 2004, 1671 ff. 9 Vgl. Eggemann/Petry, BB 2002, 1635 (1637); s. ebd. mit weiteren Details zu den verschiedenen Handlungsfeldern; s. auch Polka, BC 2014, 369 ff., der weitere Anhaltspunkte für die Durchführung der Prozessanalyse gibt. 10 Siehe auch Polka, BC 2014, 409 ff.; 505 ff. 11 Vgl. Hüttche/Diemer, BB 2000, 2035 f. 12 Vgl. Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 38.

Malke/Schulz

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§ 243 Rz. 71 | Aufstellungsgrundsatz durch vorab offene Bilanzierungsfragen aufgedeckt werden. In jedem Fall ist die Sicherstellung der Qualität aller Daten und Verarbeitungsprozesse entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung des Fast CloseKonzepts.1

IV. Folgen bei Verstoß 71

Aus dem Gesetzestext des § 243 Abs. 3 HGB lässt sich keine konkrete Sanktionierung bei einer Überschreitung der Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses entnehmen, wenngleich eine Fristüberschreitung den GoB nach § 243 Abs. 1 HGB widerspricht.2 Hieraus ergibt sich für Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB3 jedoch keine Straftat nach § 331 HGB.4 Zudem lässt sich uE auch keine Ordnungswidrigkeit nach § 334 HGB herleiten, da § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB § 243 Abs. 3 HGB gerade nicht auflistet.5

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Für Unternehmen, die sich in einer insolvenzrechtlichen Krisensituation befinden, gelten hingegen andere Regeln. In diesen Fällen können Fristenüberschreitungen sehr wohl mit Geld- oder Freiheitsstrafen gem. §§ 283, 283b StGB geahndet werden, denn hier stehen die Interessen der Gläubiger im Vordergrund.6

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Auch für publizitätspflichtige Unternehmen, bei denen eine nicht rechtzeitige Aufstellung des Jahresabschlusses zur Verletzung der Offenlegungspflicht (§§ 325 ff. HGB) führt, greifen Sanktionen. Demnach hat das Bundesamt für Justiz bei einer Verletzung der Publizitätspflicht gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder dieser gleichgestellten Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a HGB7 ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB einzuleiten.8

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Die Steuerbilanz gilt lediglich als „Unterlage“, die einer Steuererklärung beizufügen ist (s. Rz. 56). Ihre Vorlage ist zwar erzwingbar nach §§ 328 ff. AO; ein Verspätungszuschlag bei verspätetem Beifügen darf jedoch nicht erhoben werden.9 Allerdings kann die Nichtvorlage der Steuerbilanz aufgrund verspäteter Erstellung gegen die steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten nach §§ 140 ff. AO verstoßen und damit eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt nach § 162 AO nach sich ziehen.10

§ 244 Sprache. Währungseinheit Der Jahresabschluß ist in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen. A. I. II. 1. 2. 3.

1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

70

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . Bedeutung und Zweck Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

......... ......... ......... .........

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III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 4. Sprache und Währung im Steuerrecht . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

__ __ _ 6 9 10 13 14

Vgl. Eggemann/Petry, BB 2002, 1635 (1638). Vgl. BFH v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227. Vgl. § 335b HGB. So auch Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 37. Sehr strittig; glA Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 30; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 37; Schmidt/Usinger in BeckBilKomm.10, § 243 HGB Rz. 95, die dies weitergehend damit begründen, dass eine analoge Auslegung des § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB gegen das Analogieverbot iSd. Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG verstößt; aA ADS6, § 243 HGB Rz. 45; Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 243 Rz. 6; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 48, die aufgrund der GoB-Verletzung § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB analog anwenden. Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 47; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 31. Vgl. § 335b HGB. Siehe hierzu auch Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 31; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 37. Vgl. Rätke in Klein, AO13, § 152 Rz. 6; Seer in Tipke/Kruse, § 150 AO Rz. 19, 23; § 152 Rz. 10; § 153 Rz. 9; § 162 Rz. 43 (Stand August 2016); aA Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz. 41a, § 152 Rz. 11 (Stand Juli 2016). Vgl. Rätke in Klein, AO13, § 162 Rz. 24 f.; Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 43 (Stand August 2016). Liegen lediglich formelle Mängel bei der Buchführung vor, die die sachliche Richtigkeit der Bilanz nicht beeinträchtigen (§ 158 AO), ist die Schätzung unzulässig, s. die vorstehenden Nachweise, zudem: ADS6, § 243 HGB Rz. 46; Ruppelt in BeckOnlineKomm.13, § 243 HGB Rz. 49; Winkeljohann/Philipps in BeckBilKomm.10, § 242 HGB Rz. 12.

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Malke/Schulz/Schüppen

A. Grundaussagen der Vorschrift B. Verpflichtende Vorgabe von Sprache und Währung I. Aufstellung in deutscher Sprache . . . . . . . .

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II. 1. 2. III.

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Rz. 5 § 244

Aufstellung in Euro Euro als gesetzliches Zahlungsmittel . . . . . . Begrenzte Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Csik/Schneck, Fremdwährungsumrechung in einem Weltabschluß, WPg. 1983, 293; Groh, Zur Bilanzierung von Fremdwährungsgeschäften, DB 1986, 869; Ernst, Bilanzrechtliche Regelungen anläßlich der Einführung des Euro, ZGR 1998, 20; Ballwieser/Zimmermann, Bilanzrecht und Sprache, WPg. Sonderheft 2004, 7.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 244 HGB legt für den Jahresabschluss der nach den Vorschriften des HGB rechnungslegungspflichtigen Kaufleute die Verwendung einer Sprache, konkret der deutschen Sprache, und einer Währung, konkret des Euro, rechtsverbindlich fest. Gäbe es eine solche ausdrückliche Norm nicht, wäre der Aufsteller in der Wahl von Sprache und Währung frei und nur durch allgemeine Grundsätze, insbes. die Prinzipien der Verständlichkeit und der Stetigkeit, in einem gewissen Rahmen gebunden.

1

II. Bedeutung und Zweck 1. Bedeutung Sprache und Währung, die bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses angewandt werden, sind prägende, 2 unmittelbar ins Auge fallende formale Elemente eines Jahresabschlusses. Ist der bilanzierende Rechtsträger grenzüberschreitend in verschiedenen Währungszonen tätig, hat die anwendbare Währung wegen der sich dann ergebenden Effekte aus notwendigen Währungsumrechnungen auch ganz erhebliche materielle Ansatz- und Ergebnisauswirkungen. Für Tochtergesellschaften mit Mutterunternehmen mit Sitz im Ausland, deren Konzernsprache eine andere als deutsch ist, ist die Notwendigkeit der Verwendung der deutschen Sprache häufig aufwändig und lästig. Die Norm bringt für das Bilanzrecht auch die staatliche Währungshoheit zum Ausdruck1 und unterstreicht insoweit den öffentlich-rechtlichen Charakter der Rechnungslegung. 2. Zweck Normzweck ist die Verständlichkeit der Rechnungslegung als Ausprägung des Prinzips der Bilanzklar- 3 heit.2 Diese ist allerdings kein Selbstzweck und wäre auch bei Verwendung einer anderen allgemein verständlichen Sprache und einer allgemein gebräuchlichen Währung gegeben. Eigentliche Regelungszwecke sind die Schaffung von Rechtssicherheit und die Verbesserung der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen, beides Ziele, die sich aus der öffentlich-rechtlichen Funktion der gesetzlich vorgeschriebenen externen Rechnungslegung ergeben. Die Norm ist zwingend und steht nicht zur Disposition der Rechnungsleger. Durch die ausdrückliche Re- 4 gelung erübrigen sich Regelungen in Gesellschaftsverträgen und Satzungen und sonst denkbare Diskussionen zwischen Gesellschaftern oder innerhalb der Geschäftsleitungsorgane. Da die Verwendung unterschiedlicher Währungen erfahrungsgemäß eine erhebliche relative Volatilität von Bilanzausweisen und Ergebnissen und damit eine stark eingeschränkte Vergleichbarkeit von auf unterschiedliche Währungen lautenden Zahlenwerken im Zeitablauf mit sich bringt, verbessert die einheitliche Festlegung auf den Euro zugleich die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse der nach deutschem Recht rechnungslegenden Rechtsträger. 3. Kritik Die Vorgabe der dem Rechnungslegungsstatut entsprechenden nationalen Sprache und Währung ist nur 5 vordergründig selbstverständlich und nur auf den ersten Blick naheliegend. Aufgrund der schon bei Inkrafttreten des BiRiLiG 1986 bestehenden und seitdem zunehmenden Internationalität und Globalisierung der deutschen Wirtschaft ist die Sinnhaftigkeit, die Verwendung einer einheitlichen, nicht deutschen Konzernsprache kategorisch auszuschließen und die Wahl einer etwaigen anderen funktionalen Währung der 1 Hüffer in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 2. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 1; Hüffer in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 1.

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§ 244 Rz. 6 | Sprache. Währungseinheit Unternehmensgruppe auch für den Jahresabschluss zu verbieten, durchaus zweifelhaft.1 Den Erfordernissen der Rechtssicherheit wäre durch eine zur Disposition ausdrücklicher anderweitiger, ggf registeröffentlicher Regelung stehende Normierung genügt. Die materielle Vergleichbarkeit wird weniger durch die verwendete Währung, sondern mehr durch das Gewicht und die Ertragsauswirkungen von Währungsgewinnen und -verlusten beeinflusst, das man ohnehin erst bei vertiefter Bilanzanalyse erkennen kann.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich 6

Die Norm betrifft ausweislich ihres klaren Wortlauts den Jahresabschluss, der nach der Legaldefinition in § 242 Abs. 3 HGB grundsätzlich aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung besteht. Bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personengesellschaften (§ 264a HGB) ist auch der Anhang Teil des Jahresabschlusses, da dieser gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB eine „Erweiterung“ darstellt und mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung „eine Einheit“ bildet. Eine identische Bestimmung als „Erweiterung“ und „Einheit“ – und somit Bestandteile des Jahresabschlusses – trifft § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB für Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel und Segmentberichterstattung, soweit diese erstellt werden (müssen).

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Gesondertes Rechnungslegungsinstrument und nicht Teil des Jahresabschlusses ist der Lagebericht (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB: „sowie … aufzustellen …“). Nach allgemeiner Auffassung soll § 244 HGB dennoch auch für den Lagebericht gelten; soweit dies überhaupt begründet wird, wird auf „Sinn und Zweck“ der Norm verwiesen.2 Dem ist jedoch nicht zu folgen, nachdem § 239 HGB für die Führung der Handelsbücher auf entsprechende Festlegungen bewusst verzichtet und der Wortlaut des § 245 HGB eindeutig entgegensteht. Es könnte sich allenfalls um eine analoge Anwendung handeln. Angesichts der Regelung des § 239 HGB ist aber schon keine Regelungslücke ersichtlich, zudem ist § 244 HGB wegen § 334 Abs. 1 Nr. 1 HGB Tatbestandselement einer Strafnorm (das strafrechtliche Analogieverbot gilt auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten), so dass eine analoge Anwendung ausscheidet. Anforderungen an Berichtswährung und Sprache des Lageberichts können daher nicht § 244 HGB entnommen werden, sondern nur allgemeinen, insbes. aus § 289 HGB abzuleitenden Grundsätzen. Im Hinblick auf das auch insoweit ausdrücklich in Bezug genommene „true and fair view“-Gebot ist es in der Tat erforderlich, dass die Berichtswährung des Lageberichts mit der im Jahresabschluss verwendeten Währung übereinstimmt. Demgegenüber dürfte die Verwendung einer identischen Sprache nicht erforderlich sein, sondern mit Blick auf § 239 HGB die Verwendung einer lebenden, allgemein verständlichen Sprache ausreichen.

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Entsprechend anwendbar ist § 244 HGB kraft ausdrücklicher Verweisung auf die Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 Satz 2 HGB), den Konzernabschluss (§ 298 Abs. 1 Satz 1 HGB; auch bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards: § 315e Abs. 1 HGB) und den für Offenlegungszwecke erstellten IFRSEinzelabschluss (§ 325 Abs. 2a Satz 3 HGB). Als Verweis auch auf § 244 HGB ist es ebenfalls anzusehen, wenn eine entsprechende Anwendung der „Vorschriften über den Jahresabschluss“ gesetzlich angeordnet ist, wie dies für die meisten Sonderbilanzen (Beispiel: Liquidationseröffnungsbilanz gem. § 71 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) der Fall ist. Zur Relevanz für die Steuerbilanz s.u. Rz. 13. 2. Persönlicher Geltungsbereich

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Der persönliche Anwendungsbereich des § 244 HGB ergibt sich aus der in § 242 Abs. 1–3 HGB normierten Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und erstreckt sich daher auf alle inländischen Kaufleute. Mit erfasst werden daher ausländische Betriebsstätten und Zweigniederlassungen, nicht jedoch ausländische Tochtergesellschaften.3 Umgekehrt werden Betriebsstätten und Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger idR nicht erfasst, während deren inländische Tochtergesellschaften Kaufmannseigenschaft haben und daher in den Anwendungsbereich fallen. Inländische Zweigstellen von ausländischen Kreditinstituten gelten nach § 53 KWG als inländische Kreditinstitute, die sich daraus ergebende Pflicht zur Aufstellung eines eigenen Jahresabschlusses führt auch zur Anwendbarkeit des § 244 HGB.4

1 Kritisch auch Hüffer in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 1. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 2; Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 244 HGB Rz. 2; ADS6, § 244 HGB Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 244 Rz. 2; Hüffer in GroßKomm.5 § 244 HGB Rz. 4 unter Berufung auf ein Redaktionsversehen. 3 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 244 Rz. 1. 4 KölnerKommRele/Braun, § 244 HGB Rz. 2.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 14 § 244

3. Verhältnis zu anderen Vorschriften Die für den Jahresabschluss geltende Norm ist abzugrenzen von der in § 239 HGB getroffenen generellen Regelung über die Führung die Handelsbücher; für diese ist weder die Verwendung einer bestimmten Währung noch einer bestimmten Sprache vorgeschrieben; nach § 239 Abs. 1 Satz 1 HGB hat sich der Kaufmann „einer lebenden Sprache“ zu bedienen. Liberalere Sprachenregelungen finden sich auch häufig im Kapitalmarktrecht, beispielsweise in § 19 WpPG, wo in grossem Umfang die Verwendung „einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“ zugelassen wird.

10

Mehrere europäische Verordnungen und verschiedene Euro-Einführungsgesetze legen den Euro in der 11 Bundesrepublik als gesetzliches Zahlungsmittel fest.1 Aus § 244 BGB ergibt sich, dass eine in einer anderen Währung als Euro ausgedrückte Geldschuld im Inland in Euro bezahlt werden kann, wenn die Zahlung in der anderen Währung nicht ausdrücklich vereinbart ist. § 244 HGB regelt die Berichtswährung des Jahresabschlusses, trifft aber keine Regelung zur im Unterneh- 12 men zu verwendenden funktionalen Währung. Da Forderungen und Verbindlichkeiten in Fremdwährungen bestehen und gebucht werden, unter Umständen auch in Euro bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten in Fremdwährungen erfüllt werden und schließlich in den Konzernabschluss einzubeziehende Jahresabschlüsse auf andere Währungen lauten können, bedarf der Ausweis im Jahresabschluss und im Konzernabschluss der Währungsumrechnung. Hierzu und zum Ausweis der sich hieraus ergebenden Effekte enthalten die §§ 256a, 284 Abs. 2 Nr. 2, 308a spezielle Regelungen (ausführlich zu Fragen der Währungsumrechnung § 256a HGB Rz. 19 ff.). 4. Sprache und Währung im Steuerrecht Aus der systematischen Stellung der Norm im Dritten Buch des HGB folgt, dass diese zunächst nur für 13 den handelsrechtlichen Jahresabschluss, nicht jedoch für eine etwaige Steuerbilanz gilt. § 140 AO, der für buchführungspflichtige Kaufleute eine Geltung der handelsrechtlichen Vorschriften auch für Besteuerungszwecke anordnet, betrifft nur Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, nicht jedoch den Jahresabschluss.2 Insoweit lässt § 146 Abs. 3 AO – in Übereinstimmung mit § 239 HGB – die Verwendung einer (beliebigen) „lebenden Sprache“ zu. Für die Steuerbilanz, die gem. § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV aufgestellt werden kann, nicht muss, gelten jedoch weder § 140 AO noch § 244 HGB. Deshalb kann die Steuerbilanz in jeder lebenden Sprache erstellt werden; gem. § 87 Abs. 2 AO ist jedoch auf Verlangen der Finanzbehörde eine Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen (nicht einschlägig ist insofern § 146 Abs. 3 AO,3 der nur Buchungen und Aufzeichnungen betrifft, nicht jedoch steuerliche Jahresabschlüsse). Für die Steuerbilanz gilt gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zwar die so genannte „Maßgeblichkeit“ der Handelsbilanz, diese betrifft aber nur den „Ausweis des Vermögens“. Darunter kann jedenfalls nicht die Sprache subsumiert werden, allenfalls die verwendete Währung. Der BFH hat – ohne Rückgriff auf eine ausdrückliche gesetzliche Regelung – entschieden, dass eine in einer ausländischen Währung aufgestellte Bilanz für steuerliche Zwecke unter Verwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung entsprechenden Verfahrens in die inländische Währung umzurechnen ist (damals DM, heute Euro); er hat dies damit begründet, dass diese „inländischen Besteuerungszwecken dient“.4

IV. Rechtsentwicklung § 244 HGB ist als Teil der Bilanzrechtsreform durch das BiRiLiG am 1.1.1986 in Kraft getreten, eine Vor- 14 gängerregelung gab es nicht. Die Aufstellung in Euro ist seit dem 1.1.1999 verpflichtend;5 allerdings bestand aufgrund der Übergangsregelung in Art. 42 Abs. 1 Satz 2 EGHGB ein Wahlrecht, längstens für Geschäftsjahre, die innerhalb des Jahres 2001 endeten, den Jahresabschluss noch in Deutscher Mark aufzustellen.

1 Ausführlicher und mit Nachweisen Berger in Jauernig, BGB16, § 244 Rz. 5. 2 AA ohne Begründung Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 244 HGB Rz. 2 aE; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 2 aE. 3 Unklar und unzutreffend Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 244 HGB Rz. 4. 4 BFH v. 13.9.1989 – R 117/87, NJW 1990, 1439; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. 5 Art. 4 § 1 Nr. 1 EuroEG, BGBl. I 1998, 1242; BT-Drucks. 13/9347.

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§ 244 Rz. 15 | Sprache. Währungseinheit

B. Verpflichtende Vorgabe von Sprache und Währung I. Aufstellung in deutscher Sprache 15

Eine normative Festlegung dessen, was unter „deutscher Sprache“ zu verstehen ist, existiert nicht. Da es sich bei dem Jahresabschluss um in Textform zu erstellende Dokumente handelt, ist nicht auf die gesprochene Sprache, sondern auf die Schriftsprache abzustellen. Man wird die Norm daher so verstehen müssen, dass eine im deutschen Sprachraum nach allgemeinem Sprachempfinden als solche verstandene Schriftsprache zu verwenden ist. Dies schließt die Verwendung der im österreichischen oder schweizerischen Sprachraum benutzten Schriftsprache trotz des zum Teil vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abweichenden Wortschatzes ein.

16

Zulässig bleibt selbstverständlich die Anfertigung von Übersetzungen oder eine von vornherein zweioder mehrsprachige Aufstellung des Jahresabschlusses. Auch in diesen Fällen ist aber aufgrund der Regelung des § 244 HGB stets die deutsche Fassung die maßgebliche.

17

Die Sprachregelung des § 244 HGB gilt nicht für den Lagebericht (s.o. Rz. 7) und grundsätzlich auch nicht im Steuerrecht (s.o. Rz. 13).

II. Aufstellung in Euro 1. Euro als gesetzliches Zahlungsmittel 18

Der Euro ist durch europäsiche Verordnungen und deutsche Einführungsgesetze als gesetzliches Zahlungsmittel und in der Bundesrepublik geltende Währung eingeführt. Der gesetzlich festgelegte Umrechnungskurs der früheren Deutschen Mark in Euro beträgt 1 € = 1,95583 DM. Die Verwendung des Euro als gesetzliche Berichtswährung schließt es nicht aus, den Jahresabschluss zusätzlich in einer anderen Währung aufzustellen.1 Allerdings müssen in diesem Fall zur Wahrung von Bilanzklarheit und -verständlichkeit die „Vorrangigkeit“ der Euroangaben deutlich und Angaben zu Umrechnungsmethode und funktionaler Währung gemacht werden. 2. Begrenzte Bedeutung

19

Die Norm trifft keine Regelung zu Fragen der Währungsumrechnung (s.o. Rz. 12). Ebenso stellt sie keine Entscheidung für das bilanzielle Nominalwertprinzip dar, lässt also die Frage einer etwaigen Berücksichtigung von Kaufkraftverlusten, zB durch die Berücksichtigung höherer Wiederbeschafftungspreise statt der Anschaffungs- und Herstellungskosten, unberührt.2

20

Die Entscheidung für die Währung Euro bedingt auch, dass grundsätzlich der Stückelung dieser Währung entsprechend Centangaben zu machen und daher zwei Stellen nach dem Komma anzugeben sind. Die Möglichkeit zur Rundung auf volle Euro (oder gar volle hundert oder volle tausend Euro) ergibt sich jedenfalls nicht aus § 244 HGB, sondern kann allenfalls aus allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen abgeleitet werden.3

III. Sanktionen 21

Verstöße gegen § 244 HGB führen bei prüfungspflichtigen Kaufleuten als Gesetzesverstöße zur Angabe im Prüfungsbericht (§ 321 Abs. 1 Satz 3 HGB); da es sich um einen rechnungslegungsbezogenen Verstoß handelt, ist auch der Bestätigungsvermerk einzuschränken (§ 321 Abs. 4 HGB).4

22

Für die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtsrats von Kapitalgesellschaften oder gleichgestellten Personengesellschaften handelt es sich bei vorsätzlicher Verletzung der Norm um eine Ordnungswidrigkeit (§ 334 Abs. 1 Nr. 1 HGB), die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € geahndet werden kann.5 1 Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 244 HGB Rz. 5. 2 ADS6, § 244 HGB Rz. 7; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 244 Rz. 5; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 7; ebenso Hüffer in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 8 mit Hinweis darauf, dass sich das Nominalwertprinzip über § 244 HGB auf die Gewinnermittlung auswirke. 3 AA wohl Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 7; Schmidt/Ries in Beck Bilkomm.10, § 244 HGB Rz. 6. 4 Siehe IDW PS 400 (Bestätigungsvermerk) und IDW PS 450 (Berichterstattung). 5 Nach der Änderung des § 334 durch das CSR-Richtlinie-UmsetzungsG gilt bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften ein erhöhter Bußgeldrahmen von 2 Mio. €.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 4 § 245

§ 245 Unterzeichnung 1Der

Jahresabschluß ist vom Kaufmann unter Angabe des Datums zu unterzeichnen. 2Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu unterzeichnen. A. I. II. III. 1. 2. IV. B. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Sachlicher und persönlicher Geltungsbereich Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterzeichnung des Jahresabschlusses Unterzeichnungsobjekt (Satz 1) . . . . . . . . . . Art der Unterzeichnung und Datierung (Satz 1)

__ __ _ _ 1 2 4 8 9

10

1. Unterzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterzeichnungsverpflichtete (Satz 1 und Satz 2) 1. Kaufleute unterschiedlicher Rechtsform und Kollegialorgane (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen und Sanktionen 1. Rechtswirkungen der Unterzeichnung . . . . . 2. Rechtsfolgen fehlender Unterzeichnung . . . . 3. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ __ _ 13 15

16 19 21 22 23

Literatur: Maluk/Göbel, Die Unterzeichnung der Bilanz nach § 41 HGB, WPg. 1978, 624; Erle, Unterzeichnung und Datierung des Jahresabschlusses bei Kapitalgesellschaften, WPg. 1987, 637; Küting/Kaiser, Aufstellung oder Feststellung: Wann endet der Wertaufhellungszeitraum?, WPg. 2000, 577; Weiß, Die Pflicht zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses der AG bei seiner Aufstellung und die Folgen ihrer Verletzung, WM 2010, 1010; Oser/Eisenhardt, Zur Unterzeichnungspflicht von Jahresabschlüssen im Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschäftsführern, DB 2011, 717.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Gegenstand der Norm sind mit der Datierung und Unterzeichnung Formalien des Jahresabschlusses.

1

II. Bedeutung und Zweck Die Bestimmung zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses ist eine bloße Ordnungsvorschrift. Ihre praktische Bedeutung ist vor dem Hintergrund der Bestimmung des Unterzeichnungsobjekts durch die zwar nicht unbedenkliche, aber eindeutige Rspr. (s.u. Rz. 10) gering.

2

Zweck der Regelung ist die Dokumentation der Übernahme der Verantwortung für die Richtigkeit und 3 Vollständigkeit des Jahresabschlusses durch den/die Unterzeichnenden.1 Die Tatsache dieser Verantwortlichkeit ergibt sich allerdings nicht aus § 245 HGB, sondern aus den die Pflichtenstellung des Geschäftsführungsorgans und den die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses betreffenden Normen (§§ 242, 264 HGB). Die Norm selbst ist mit ihren formalen Anforderungen auf eine Dokumentationsund Beweisfunktion beschränkt.2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher und persönlicher Geltungsbereich Die Norm betrifft ausweislich ihres klaren Wortlauts den Jahresabschluss, der nach der Legaldefinition in 4 § 242 Abs. 3 HGB grundsätzlich aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung besteht. Bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personengesellschaften (§ 264a HGB) ist auch der Anhang Teil des Jahresabschlusses, da dieser gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB eine „Erweiterung“ darstellt und mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung „eine Einheit“ bildet. Eine identische Bestimmung als „Erweiterung“ und „Einheit“ – und somit Bestandteile des Jahresabschlusses – trifft § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB für Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel und Segmentberichterstattung, soweit diese erstellt werden (müssen). 1 ADS6, § 245 HGB Rz. 1; Hüffer in GroßKomm.5, § 245 HGB Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 1; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 1. 2 Hennrichs in BKT, Bilanzrecht, § 245 HGB Rz. 2 f.; ähnlich Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 1 mit Hinweis auf § 416 ZPO.

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§ 245 Rz. 5 | Unterzeichnung 5

Gesondertes Rechnungslegungsinstrument und nicht Teil des Jahresabschlusses ist der Lagebericht (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB: „sowie … aufzustellen …“). Anders als für § 244 HGB (vgl. § 244 Rz. 7) besteht für § 245 HGB weitgehend Einigkeit, dass der Lagebericht nicht in den Anwendungsbereich der Norm und damit der Unterzeichnungspflicht fällt.1 Eine Unterzeichnung des Lageberichts ist zwar gleichwohl empfehlenswert2 und ganz üblich, eine Pflicht hierzu ergibt sich aber aus § 245 HGB nicht.

6

Entsprechend anwendbar ist § 245 HGB kraft ausdrücklicher Verweisung auf die Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 Satz 2 HGB), den Konzernabschluss (§ 298 Abs. 1 Satz 1 HGB; auch bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards: § 315e Abs. 1 HGB) und den für Offenlegungszwecke erstellten IFRSEinzelabschluss (§ 325 Abs. 2a Satz 3 HGB). Als Verweis auch auf § 244 HGB ist es ebenfalls anzusehen, wenn eine entsprechende Anwendung der „Vorschriften über den Jahresabschluss“ gesetzlich angeordnet ist, wie dies für die meisten Sonderbilanzen (Beispiel: Liquidationseröffnungsbilanz gem. § 71 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) der Fall ist.

7

Der persönliche Anwendungsbereich des § 244 HGB ergibt sich aus der in § 242 Abs. 1–3 HGB normierten Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und erstreckt sich daher auf alle inländischen Kaufleute (zu den rechtsformbezogenen Besonderheiten s.u. Rz. 13). 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften

8

Für die gesetzliche Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft oder gleichgestellten Personengesellschaft (genauer: einer Inlandsemittentin iSd. § 2 Abs. 7 WpHG) besteht – zusätzlich zur Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB – gem. § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB die Verpflichtung, den so genannten „Bilanzeid“ zu leisten: sie haben bei der Unterzeichnung schriftlich zu versichern, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt und der Anhang die gesetzlich geforderten Angaben enthält. Entsprechende Versicherungen sind bezogen auf den Lagebericht (§ 289 Abs. 1 Satz 5 HGB) und den Konzernabschluss (§ 297 Abs. 2 Satz 4 HGB) abzugeben. Die unrichtige Abgabe einer solchen Versicherung ist bei vorsätzlichem Handeln (bedingter Vorsatz ist bereits schädlich) Bilanzstraftat gem. § 331 Nr. 3a HGB.

IV. Rechtsentwicklung 9

Die Vorschrift ist durch das BiRiLiG 1985 eingeführt worden und zum 1.1.1986 in Kraft getreten und wurde seitdem nicht geändert. Sie entspricht bis auf die Verwendung des Worts „Jahresabschluss“ an Stelle von „Bilanz“ dem § 41 HGB aF.

B. Unterzeichnung des Jahresabschlusses I. Unterzeichnungsobjekt (Satz 1) 10

Unterzeichnungsobjekt ist entsprechend dem Wortlaut der Jahresabschluss (s.o. Rz. 4). Viel diskutiert und umstritten ist aber, ob hierbei auf den aufgestellten oder erst auf den festgestellten Jahresabschluss abzustellen ist. Einigkeit besteht nur insoweit, als eine Unterzeichnung auch schon des aufgestellten Jahresabschlusses ohne Weiteres zulässig ist.3 Nach der höchstrichterlichen Rspr.4 und einer wohl als „herrschend“ zu qualifizierenden Auffassung im Schrifttum5 bezieht sich die gesetzliche Pflicht aber (nur) auf den festgestellten Abschluss.

11

Das Ziel, an die Verletzung einer als solche empfundenen Formalie keine schwerwiegenden Rechtsfolgen zu knüpfen, dürfte hierbei das Mittel einer auf tönernen Füßen stehende Entscheidungsbegründung geheiligt haben. Der BGH begründet seine Position explizit mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Bilanzierungspflicht;6 öffentlich-rechtlich ist aber nur die Verpflichtung zur Aufstellung der Bilanz, während die Feststellung eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde und damit privatrechtliche Frage ist. Das OLG Stuttgart stellt darauf ab, dass der aufgestellte Abschluss bis zur Feststellung jederzeit geändert werden könne;7 1 Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 4; ADS6, § 245 HGB Rz. 3; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 5; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 4. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 5; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 4. 3 ADS6, § 245 HGB Rz. 8. 4 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567; OLG Stuttgart v. 5.11.2008 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521. 5 ADS6, § 245 HGB Rz. 7; Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 5. 6 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567. 7 OLG Stuttgart v. 5.11.2008 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521 (1522 f.).

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B. Unterzeichnung des Jahresabschlusses

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Rz. 15 § 245

das ist zwar zutreffend, ändert aber nichts daran, dass die als Zweck der Norm postulierte Übernahme der Verantwortung für den Abschluss bereits bei der Aufstellung zu erfolgen hat. Es ist fernliegend anzunehmen, dass das Geschäftsführungsorgan an das zur Feststellung des Abschlusses kompetente Organ – beispielsweise der Vorstand an den Aufsichtsrat – nur einen unverbindlichen Entwurf weitergeben könne, für den keine Verantwortlichkeit besteht. Im Ergebnis ist es daher unter Berücksichtigung des Normzwecks und in Übereinstimmung mit der klaren Absicht des Gesetzgebers1 richtig, die gesetzliche Unterzeichnungspflicht bereits auf den aufgestellten Abschluss zu beziehen.2 In jedem Fall ist es im Eigeninteresse der Aufstellungsverantwortlichen unverzichtbar, den Aufstellungszeitpunkt durch Unterzeichnung des aufgestellten Abschlusses oder in anderer Weise aktenkundig zu machen.3 Ist bereits der aufgestellte Abschluss unterzeichnet (sei es „freiwillig“ oder auf der Basis der hier befürwor- 12 teten Auslegung aufgrund Gesetzesbefehls), so ist eine erneute Unterzeichnung des festgestellten Abschlusses nicht erforderlich, soweit es nicht zu Änderungen gekommen ist.4 Haben sich im Zuge des Feststellungsprocedere Änderungen ergeben, so ist in jedem Fall eine (erneute) Unterzeichnung erforderlich,5 weil die zur Unterzeichnung verpflichteten Mitglieder des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans auch für gesetzmäßige und aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung verbindliche Änderungen und die diese beinhaltende Letztfassung des Abschlusses die Verantwortung übernehmen müssen. Eine erneute Unterschrift ist auch erforderlich, wenn ausnahmsweise der bereits festgestellte Jahresabschluss geändert und erneut festgestellt wird.6

II. Art der Unterzeichnung und Datierung (Satz 1) 1. Unterzeichnung Die Unterschrift muss den Jahresabschluss räumlich abschließen; die verschiedenen Bestandteile sind so 13 miteinander zu verbinden, dass eine nachträgliche Trennung sichtbar würde, anderenfalls ist jeder einzelne Teil des Jahresabschlusses zu unterzeichnen.7 Allerdings ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften keine zwingende Reihenfolge, in der die unterschiedlichen Bestandteile des Jahresabschlusses (oben Rz. 4) angeordnet werden müssen. Erforderlich ist eine höchstpersönliche Originalunterschrift des Unterzeichnungsverpflichteten; weder 14 die Verwendung von Faksimilestempeln oder eingescannten Unterschriften noch Stellvertretung sind zulässig.8 Das so produzierte „Original“ des Jahresabschlusses muss der Kaufmann gem. § 257 Abs. 1 HGB selbst aufbewahren. Allerdings ist die Unterzeichnung mehrerer Ausfertigungen ohne Weiteres zulässig. Zum Handelsregister ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift oder ein Originalexemplar einzureichen.9 2. Datierung Mit Datum bezeichnet das Gesetz, dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend, die Angabe von Tag, Mo- 15 nat und Jahr.10 Da die Unterzeichnung „unter Angabe des Datums“ erfolgt, handelt es sich dabei zwingend um das Unterzeichnungsdatum. Nicht zulässig wäre es, statt dessen das Datum der materiellen Beendigung der Aufstellung oder der Feststellung anzugeben, wenn dieses nicht tatsächlich mit dem Tag der Unterschrift übereinstimmt.

1 Die Regierungsbegründung zum 1. WiKG, mit dem das Datierungserfordernis im damaligen § 41 HGB aF eingeführt worden ist, erläutert (BT-Drucks. 7/3442, 46), dass durch die Angabe des Tags der Unterzeichnung nachträglich rechtssicher feststellbar sein soll, wann die Aufstellung des Abschlusses erfolgt ist. 2 So im Ergebnis bereits Erle, WPg. 1987, 637 (641 f.); Maluck/Göbel, WPg. 1978, 624 f.; Schubert, WPg. 1956, 393. 3 Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 6; Hennrichs in BKT, Bilanzrecht, § 245 HGB Rz. 24. 4 ADS6, § 245 HGB Rz. 8. 5 ADS6, § 245 HGB Rz. 8. 6 Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 5. 7 Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 11; ADS6, § 245 HGB Rz. 6; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 3; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 1. 8 Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 9; ADS6, § 245 HGB Rz. 9; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 2; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 2. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 6; ADS6, § 245 HGB Rz. 4. 10 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 7 unter Hinweis auf die Beweisfunktion.

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§ 245 Rz. 16 | Unterzeichnung

III. Unterzeichnungsverpflichtete (Satz 1 und Satz 2) 1. Kaufleute unterschiedlicher Rechtsform und Kollegialorgane (Satz 2) 16

Die in Satz 1 angeordnete Unterzeichnung durch „den Kaufmann“ ist nur für den eingetragenen (Einzel-) Kaufmann ohne Weiteres klar. Sobald mehrere zur organschaftlichen Vertretung des Kaufmanns berechtigte Personen existieren, wird fraglich, ob die Unterzeichnung nach allgemeinen Vertretungsregeln genügt, also etwa bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern („der Kaufmann“ ist in diesem Fall die Gesellschaft) durch einen Geschäftsführer, wenn dieser einzelvertretungsberechtigt ist.

17

Satz 2 ordnet für die OHG die Unterzeichnung alle persönlich haftenden Gesellschafter an. Die ganz einhellige Ansicht in Rspr. und Schrifttum folgert hieraus, dass auch bei allen anderen Rechtsformen die Unterzeichnung durch sämtliche Mitglieder des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans zu erfolgen hat.1 Im Hinblick auf die mit der Unterschrift zum Ausdruck gebrachte Übernahme der Verantwortung und der gerade für die Rechnungslegung zwingend bestehenden, „ressortfesten“ Gesamtverantwortung ist dies zutreffend. Für hybride Rechtsformen wie die GmbH & Co KG oder die KGaA folgt hieraus, dass die Unterzeichnung durch sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter oder – wenn es sich bei diesem oder diesen wiederum um eine Gesellschaft handelt – durch sämtliche bei dieser vertretungsberechtigen Personen zu erfolgen hat.2

18

Die Unterzeichnungsverpflichtung besteht auch, wenn das Organmitglied mit der Ausübung von Bilanzierungs- oder Ausweiswahlrechten oder der sonstigen Nutzung legaler Spielräume nicht einverstanden ist, wenn und solange der Jahresabschluss nicht gegen Gesetze verstößt und die zu unterzeichnende Fassung im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung durch eine Mehrheit wirksam beschlossen worden ist.3 2. Personelle Veränderungen

19

Immer wieder begegnen Fälle, in denen sich zwischen dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung und dem Zeitpunkt der Unterzeichnung personelle Veränderungen im Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan ergeben haben. Zur Unterzeichnung verpflichtet sind derjenige und diejenigen, die die Position im Unterzeichnungszeitpunkt innehaben.4 Bei Neueintritten in das Geschäftsführungsorgan führt dies zu der Notwendigkeit, sich mit dem die Vergangenheit vor dem eigenen Amtsantritt betreffenden Jahresabschluss intensiv vertraut zu machen. Die in der Unterzeichnung liegende Verantwortungsübernahme schließt es aus, sich gegenüber späteren zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorwürfen darauf zu berufen, dass etwaige Fehler Vorgängern unterlaufen sind.

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Demgegenüber sind ausgeschiedene Organmitglieder nicht mehr zur Unterschrift verpflichtet. Eine Unterzeichnungspflicht entfällt ebenfalls, wenn die betroffene Person aus wichtigen und nicht nur vorübergehenden Gründen für längere Zeit nicht zur Unterschriftsleistung in der Lage ist (schwerste Krankheiten und Unfälle, Weltreise auf Segeljolle etc.).5 Die bloße Tatsache der Freistellung von der Tätigkeit – bei Fortbestehen der Organstellung – entbindet demgegenüber nicht von der Unterschriftsverpflichtung, weil sie an die Organstellung, nicht an die tatsächliche Wahrnehmung anknüpft und durch die „Suspendierung“ ohne gleichzeitige Abberufung auch keine Entbindung von zwingenden Kernpflichten des Organmitglieds erfolgen kann.6

1 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35; Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 10; Winkeljohann/ Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 2. 2 Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 13; Hennrichs in BKT, Bilanzrecht, § 245 HGB Rz. 25; aA (aber inkonsequent) ADS6, § 245 HGB Rz. 11, wonach in diesem Fall Unterzeichnung in vertretungsberechtigter Zahl ausreichen soll. 3 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35 (37); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 11. 4 OLG Stuttgart v. 5.11.2008 – 20U 8/08, DB 2009, 1521 (1524); Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 10; ADS6, § 245 HGB Rz. 14. 5 Winkeljohann/Schellhorn in Beck Bilkomm.10, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 13a. 6 AA ADS6, § 245 HGB Rz. 14.

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Vollständigkeit. Verrechnungsverbot

| § 246

IV. Rechtsfolgen und Sanktionen 1. Rechtswirkungen der Unterzeichnung Die Unterzeichnung hat Dokumentations- und Beweisfunktion in Bezug auf die Erfüllung der Bilanzie- 21 rungspflichten, stellt aber kein Anerkenntnis, beispielsweise der bilanzierten Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern, dar.1 Auch sonst hat die Unterzeichnung keine in § 245 HGB wurzelnden zivilrechtlichen Wirkungen; solche können allenfalls kraft Vereinbarung an die Unterzeichnung des Abschlusses geknüpft werden.2 Wie die Pflicht zur Aufstellung ist auch die Pflicht zur Unterzeichnung eine öffentlichrechtliche Verpflichtung.3 2. Rechtsfolgen fehlender Unterzeichnung Die Unterzeichnung hat Dokumentations- und Beweisfunktion, ihr kommt aber keine konstitutive Wirkung zu. Deshalb führt auch das Fehlen der Unterschrift nicht etwa zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.4 Zwar wäre die Nichtigkeit Folge einer fehlenden Aufstellung des Abschlusses (Beispiel: der Leiter des Rechnungswesens hat den Abschluss ohne jede Mitwirkung des Geschäftleitungsorgans produziert und den Gesellschaftern übersandt); die ordnungsgemäße Aufstellung kann aber auch anders als durch die Unterschrift bewiesen werden. Umgekehrt kann die Feststellung trotz erfolgter Unterzeichnung anfechtbar oder unwirksam sein.5

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3. Sanktionen Ein Verstoß gegen § 245 HGB stellt bei vorsätzlicher Begehung (§ 10 OWiG) eine Ordnungswidrigkeit gem. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a dar. Der Bußgeldrahmen beträgt bis zu 50.000 € (§ 334 Abs. 3 HGB).6

23

Aufgrund der nicht konstitutiven, sondern bloß formalen Bedeutung der Unterzeichnung kann deren Feh- 24 len weder den Tatbestand einer Bilanzstraftat gem § 331 HGB noch einer Insolvenzstraftat nach § 283 ff. StGB begründen. Allerdings kann sich eine Verschlechterung der prozessualen Situation des Betroffenen ergeben, wenn es auf den Nachweis der rechtzeitigen Aufstellung des Jahresabschlusses ankommt. Auswirkungen auf das Ergebnis der Abschlussprüfung scheiden von vornherein aus, wenn man das Unterzeichnungserfordernis erst auf den festgestellten Abschluss bezieht (s.o. Rz. 10 f.). Soweit man auf den aufgestellten Abschluss abstellt, würde die Korrektivfunktion der Abschlussprüfung dafür sorgen, dass sich keine Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis ergeben.

Zweiter Titel Ansatzvorschriften § 246 Vollständigkeit. Verrechnungsverbot (1) 1Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 2Vermögensgegenstände sind in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; ist ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. 3Schulden sind in die Bilanz des Schuldners aufzunehmen. 4Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im 1 Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 2; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 3; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 245 HGB Rz. 6; ADS6, § 245 HGB Rz. 15. 2 Zutreffend und ausführlicher Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 3. 3 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 2; Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 1. 4 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35 (37); Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 14; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 20. 5 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 20. 6 Für kapitalmarktorientierte Unternehmen wurde durch das CSR-RichtlinienUmsG ein deutlich erhöhter Bußgeldrahmen eingeführt, vgl. § 334 HGB Rz. 10a.

Schüppen/Kahle/Baltromejus/Baschnagel

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25

§ 246 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand. (2) 1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite, Aufwendungen nicht mit Erträgen, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden. 2Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, sind mit diesen Schulden zu verrechnen; entsprechend ist mit den zugehörigen Aufwendungen und Erträgen aus der Abzinsung und aus dem zu verrechnenden Vermögen zu verfahren. 3Übersteigt der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände den Betrag der Schulden, ist der übersteigende Betrag unter einem gesonderten Posten zu aktivieren. (3) 1Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatzmethoden sind beizubehalten. 2§ 252 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. A. I. II. III. IV. B. I. 1.

80

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Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständigkeit (Abs. 1) Vollständigkeit der Bilanz (Abs. 1 Sätze 1–4) Vermögensgegenstände (Abs. 1 Sätze 1 und 2) a) Definition und Abgrenzung zu Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Zurechnung (Abs. 1 Satz 2) aa) Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Asset Backed Securities (Forderungsbesicherte Wertpapiere) . . . . . . . . . cc) Derivative Finanzinstrumente (Option/Termingeschäft/Swap) . . . . dd) Factoring/Forfaitierung . . . . . . . . . . ee) Gebäude/Gebäudeteile/Betriebsvorrichtungen/Scheinbestandteile/Mietereinbauten und Mieterumbauten, jeweils auf fremdem Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Leasinggüter (inkl. „sale-and-leaseback-Güter“) . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Kommissionsgüter . . . . . . . . . . . . . hh) Nießbrauchsgüter . . . . . . . . . . . . . . ii) Pensionsgüter („sale-and-buy-backGüter“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Wertpapierleihe . . . . . . . . . . . . . . . ll) Sicherungsgüter (zB bei Verpfändung, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung) . . . . . mm) Total Return-Swap . . . . . . . . . . . . . nn) Treuhandverhältnisse . . . . . . . . . . . c) Sachliche Zurechnung (Betriebs- vs. Privatvermögen) aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . cc) Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . dd) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . d) Zeitliche Entstehung aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinnansprüche aus Kapitalgesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . .

Kahle/Baltromejus/Baschnagel

__ __ 1 4

8 14

_ _ _ __ _ __ _ __ __ _ __ __ _ _ _

2.

17 32 38 42 48

51 56 66 69

3.

72 76 78 80 81 87 88 89 90 91 92 94

4. 5.

6. II. 1. 2.

dd) Gewinnansprüche aus Personengesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . ee) Gewinnansprüche aus Gewinnabführungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aktivierungspflichten, -wahlrechte, -verbote aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht-Bilanzierung schwebender Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulden (Abs. 1 Sätze 1 und 3) a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Zurechnung (Abs. 1 Satz 3) aa) Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Treuhandschulden . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtschulden . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schuldbeitritt/Schuldmitübernahme . c) Sachliche Zurechnung (Betriebs- vs. Privatvermögen) aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . cc) Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . dd) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . d) Zeitliche Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . e) Passivierungspflichten, -wahlrechte, -verbote aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rangrücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Drohverlustrückstellungen . . . . . . . Eigenkapital (Abs. 1 Satz 1) a) Definition, Komponenten und Abgrenzung von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Debt-Equity-Swaps/Debt-MezzanineSwaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Variable Gesellschafterkonten bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . Rechnungsabgrenzungsposten (Abs. 1 Satz 1) Geschäfts- oder Firmenwert (Abs. 1 Satz 4) a) Aktivierungspflicht bei entgeltlichem Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzungsdauer/Abschreibung . . . . . . . . c) Negativer Geschäfts- oder Firmenwert . . Ausnahmen von der Vollständigkeit (Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständigkeit der GuV (Abs. 1 Satz 1) Inhalt der GuV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungen (Begriff und Eigenschaften, Komponenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ __ __ __ __ _ __ _ __ _ _ __ __ _ _ _ _ 95 96 97 99

102 106 108 109 110 111 112 114 116 117 122 124 140 142 153 162 167 173 185 188 193 194 196 203 207

3. Erträge (Begriff und Eigenschaften, Komponenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verrechnungsverbot (Abs. 2) I. Grundsätzliches Verrechnungsverbot (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmsweises Verrechnungsgebot (Abs. 2 Sätze 2 und 3) 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich und Voraussetzungen a) Erfasste Altersversorgungsverpflichtungen und vergleichbare langfristige Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deckungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweckexklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ __ __ _

A. Grundaussagen der Vorschrift

210 213

III. 1.

217

222 226 229 233 237

2.

D.

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Rz. 1 § 246

f) Saldierung und Auswirkungen in der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Saldierung und Auswirkungen in der GuV Nicht kodifizierte Verrechnungswahlrechte Verrechnungswahlrechte in der Bilanz a) Bei Aufrechnungsmöglichkeit gem. § 387 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei Gesamtschuldverhältnissen gem. § 421 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verrechnungswahlrechte in der GuV a) Bei Bestandsveränderungen . . . . . . . . . . b) Innerhalb des Rohergebnisses . . . . . . . . . c) Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . d) Anlagenverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansatzstetigkeit (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . .

__ _ _ __ __ __

241 244

245 247 248 249 251 252 253 255

Literatur: Baetge/Ballwieser, Ansatz und Ausweis von Leasingobjekten in Handels- und Steuerbilanz, DBW 1978, 3; Roland, Der Begriff des Vermögensgegenstandes im Sinne der handels- und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften, 1980; Wrede, Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften in der Handelsbilanz und der Steuerbilanz, FR 1990, 293; Tiedchen, Der Vermögensgegenstand im Handelsbilanzrecht, 1991; Prahl/Naumann, Überlegungen für eine sachgerechte Bilanzierung der Wertpapierleihe; WM 1992, 1173 ff.; Beckmann, Termingeschäfte und Jahresabschluß, 1993; Breker, Optionsrechte und Stillhalterverpflichtungen im handelsrechtlichen Jahresabschluß, 1993; Hartung, Wertpapierleihe und Bankbilanz. Ist § 340b HGB richtlinienkonform?, BB 1993, 1175; Schön, Gewinnübertragungen nach § 6b EStG zwischen Kapital- und Personengesellschaft in Handels- und Steuerbilanz, FR 1994, 658; Bürkle/Knebel, Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften, DStR 1998, 1067; Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften – unter besonderer Berücksichtigung der EG-Bilanzrichtlinie, 1999; Fromm, Wert des Betriebsvermögens bei Veräußerung oder Vererbung der Obergesellschaft einer doppelstöckigen Personengesellschaft, GmbHR 2005, 425; Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2006; Kahle/Heinstein, Ansatz von Grundstücken in der Steuerbilanz, DStZ 2006, 824; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut – Veränderung der Aktivierungskriterien durch das BilMoG?, in Schmiel/Breithecker (Hrsg.), Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, 69; Fischer/Günkel/Neubeck/Pannen, Die Bilanzrechtsreform 2009/10, 2009; Gelhausen/Kämpfer/Frey, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009; Steinhauff, Die Treuhand im Ertragsteuerrecht, SteuK 2010, 249; Graf von Kanitz, Bilanzierung von Anteilen an Personenhandelsgesellschaften, WPg. 2007, 57; Günther, Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch: Die rechtzeitige Gestaltung ist das A & O, MBP 2011, 86; Beyer, Die handels- und steuerrechtliche Behandlung eines Debt-Equity-Swap mit Genussrechten bei Kapitalgesellschaften, DStR 2012, 2199; Lechner/Haisch, Besteuerung von Debt-Mezzanine-Swaps – Kritische Anmerkungen zu Kurzinformation der OFD Rheinland v. 14.12.2011, Ubg. 2012, 115 ff.; Schulze zur Wiesche, Anteile an vermögensverwaltenden Personengesellschaften im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, DStZ 2012, 833; Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 5. Aufl. 2013; Baschnagel, Der Rangrücktritt von Forderungen und der Forderungsverzicht in der Handelsbilanz, im Überschuldungsstatus und in der Steuerbilanz, Ubg. 2014, 769; Lipp, Die stille Gesellschaft im nationalen und internationalen Kontext: Eine Analyse unter steuergestalterischen Aspekten, 2014; Bergmann/Clemens, Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktrittsvereinbarungen, DB 2015, 1867; Helios/Kröger, Aktuelle steuerliche Rechtsfragen von Rangrücktrittsvereinbarungen – zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil v. 15.4.2015, DStR 2015, 2478 ff.; Rau, Zu den Voraussetzungen für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei Wertpapierdarlehensgeschäften und anderen OTC-Transaktionen über girosammelverwahrte Aktien, DStR 2015, 2048; Schmidt, Rangrücktritt insolvenzerchtlich/ Rangrücktritt steuerrechtlich, DB 2015, 600; Schmidt-Herrn, Anforderungen an Rangrücktrittsvereinbarungen, DB 2015, 1153; Weber-Grellet, Rangrücktritt im Bilanzsteuerrecht, BB 2015, 2667 ff.; Kahlert, Aktuelle Rechtsfragen von Rangrücktrittsvereinbarungen – Anmerkung zu Helios/Kröger, DStR 2016, 209 ff.; Prinz, Realisationsprinzip bei Abschlagszahlungen – Neues „Dauerstreitfeld“ mit der Finanzverwaltung?, DB 2016, 371; Westphal/Kresser, Rangrücktrittsvereinbarungen in der Beratungspraxis – zugleich eine Besprechung von BGH, Urteil v. 05.03.2015, DB 2016, 33 ff.; Pagels/Lüder, Die Saldierung mit Planvermögen nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB, DB 2016, 901; Althoff, Einbringung immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens – mit Ausschüttungssperre?, BB 2016, 2027; Ditz/Tcherveniachki, Zurechnung des wirtschaftlichen Eigenums im Rahmen einer Wertpapierleihe, DB 2016, 2995; Wacker, Zu den steuerbilanziellen Folgen eines Rangrücktritts nach der jüngeren Rechtsprechung des I. BFH-Senats, DB 2017, 26.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 246 Abs. 1 HGB kodifiziert den Grundsatz der Vollständigkeit. Gem. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der 1 Kaufmann in seiner Bilanz grundsätzlich sämtliche ihm zuzurechnenden Vermögensgegenstände und aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren sowie sämtliche ihm zuzurechnenden Schulden und pasKahle/Baltromejus/Baschnagel

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§ 246 Rz. 2 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot siven Rechnungsabgrenzungsposten zu passivieren. Dies gilt nicht, soweit spezielle Verbote etwas anderes gebieten (zB kodifiziert in § 248 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 2 HGB sowie nicht kodifiziert, jedoch aus den GoB ableitbar für Rechte und Pflichten aus schwebenden Geschäften). Entsprechendes gilt, soweit spezielle Wahlrechte etwas anderes erlauben (zB kodifziert in §§ 248 Abs. 2 Satz 1, 250 Abs. 3 HGB oder Art. 28 Abs. 1 EGHGB). Entsprechend hat der Kaufmann in seiner GuV sämtliche Erträge und Aufwendungen zu erfassen (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). § 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB normieren den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nämlich die personelle Zurechnung bzw. Aktivierung der Vermögensgegenstände beim wirtschaftlichen Eigentümer sowie die personelle Zurechnung bzw. Passivierung der Schulden beim rechtlichen Schuldner. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB fingiert einen entgeltlich erworbenen (derivativen) Geschäfts- oder Firmenwert als abnutzbaren Vermögensgegenstand. 2

§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB untersagt die Verrechnung von Vermögensgegenständen mit Schulden, von Aufwendungen mit Erträgen sowie von Grundstücksrechten mit Grundstückslasten. Gem. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB gilt dieser GoB jedoch explizit nicht für die Verrechnung von sog. (zweckgebundenem, insolvenzsicherem) Planvermögen mit den hierdurch abgesicherten Schulden. Insoweit besteht vielmehr sogar ein Verrechnungsgebot. Ein möglicher aktiver Verrechnungsüberhang ist gem. § 246 Abs. 2 Satz 3 HGB als „Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung“ (§ 266 Abs. 2 E HGB) zu aktivieren.

3

§ 246 Abs. 3 Satz 1 HGB normiert den Grundsatz der Ansatz(methoden)stetigkeit. Dieser ergänzt den in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB kodifizierten Grundsatz der Bewertungs(methoden)stetigkeit sowie den aus § 243 Abs. 2 HGB ableitbaren Grundsatz der Gliederungsstetigkeit. Von den Stetigkeitsgeboten darf der Kaufmann gem. § 246 Abs. 3 Satz 2 HGB iVm. § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abweichen.

II. Bedeutung und Zweck 4

Primär dienen die Grundsätze der Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 HGB), der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB) sowie des Verrechnungsverbots (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB) den Jahresabschlusszwecken Dokumentation, Rechenschaft und Kapitalerhaltung. Während sich der Rechenschaftszweck in der Bereitstellung von Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage konkretisiert (§ 264 Abs. 2 Satz 1 HGB), zielt der Kapitalerhaltungszweck auf die Sicherstellung einer zutreffend ermittelbaren Ausschüttungsbemessungsrichtgröße zum Gläubigerschutz ab.1 Diese GoB unterstützen die Einhaltung der Dokumentations-, Rahmen- (zB der in § 243 Abs. 2 HGB kodifizierten Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses) und Ansatzgrundsätze.2

5

Das Ansatz- und Abschreibungsgebot für einen entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäfts- oder Firmenwert (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB) fördert insbes. eine tatsächlichere Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie deren bessere Vergleichbarkeit.3

6

Das Verrechnungsgebot für in bestimmter Art und Weise rückgedeckte Altersvorsorge- oder vergleichbar langfristig fällige Verpflichtungen (§ 246 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HGB) nützt vor allem der tatsächlicheren Abbildung des wirtschaftlichen Gehalts eingegangener Pensionsverpflichtungen.4

7

Schließlich dient der Grundsatz der Ansatz(methoden)stetigkeit (§ 246 Abs. 3 HGB) besonders der besseren intertemporalen Vergleichbarkeit aufeinander folgender Jahresabschlüsse sowie der Willkür- bzw. Manipulationsfreiheit der Rechnungslegung.5

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) 8

Der Grundsatz der Vollständigkeit fordert bereits in § 239 Abs. 2 HGB, alle Eintragungen in Büchern und sonst erforderliche Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Gem. § 240 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann seine Vermögensgegenstände und Schulden vollständig zu inventari1 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 1; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 2; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 4 (Stand Okt. 2014). 2 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 1; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 2; ADS6, § 246 HGB Rz. 2. 3 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 5.2 (Stand Okt. 2014); Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BTDrucks. 16/10067, 48. 4 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 6 (Stand Okt. 2014); Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BTDrucks. 16/10067, 35, 48 f.; BRDrucks. 344/08, 104. 5 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 2; Hennrichs, Wahlrechte, 272 mwN.

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Kahle/Baltromejus/Baschnagel

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 15 § 246

sieren. Hierauf aufbauend hat der Kaufmann gem. § 242 Abs. 1–3 HGB eine vollständige Eröffnungsbilanz sowie einen jährlich vollständigen Jahresabschluss aufzustellen. Das in § 246 Abs. 1 Satz 1 kodifizierte grundsätzliche Vollständigkeitsgebot wird durch konkrete, vor- 9 rangige Ansatzgebote ergänzt (zB für das Eigenkapital in § 247 Abs. 1 HGB oder latente Steuern in § 274 Abs. 1 HGB). Ferner wird es durch Ansatzwahlrechte (zB in §§ 248 Abs. 2 Satz 1, 250 Abs. 3 HGB oder Art. 28 Abs. 1 EGHGB) und Ansatzverbote (zB kodifiziert in § 248 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 HGB oder nicht kodifiziert, jedoch aus den GoB ableitbar für Rechte und Pflichten aus schwebenden Geschäften) durchbrochen. Aufgrund des Kapitalerhaltungszwecks des Jahresabschlusses bestehen handelsrechtlich keine Passivierungsverbote.1 Der Vollständigkeitsgrundsatz bezieht sich auch auf den Anhang (gem. § 264 Abs. 1 HGB für bestimmte 10 Kaufleute vollwertiger Teil des Jahresabschlusses). Hiernach hat der anhangpflichtige Kaufmann ua. Haftungsverhältnisse (§ 251 HGB iVm. § 268 Abs. 7 HGB), nicht verbuchte Geschäftsvorfälle (gem. § 285 Nr. 3 HGB zB Leasinggeschäfte, gem. § 285 Nr. 3a HGB zB Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften oder gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen) sowie Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB) vollständig abzubilden bzw. zu erläutern.2 Zur verbesserten Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sieht § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB für 11 Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Absicherung von Altersversorgungsverpflichtungen dienen, statt der Bewertung nach dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) eine Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert vor.3 Dies kann entgegen dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) zum Ausweis nicht realisierter Gewinne führen. Für einen entstehenden oder sich erhöhenden aktiven Unterschiedsbetrag aus der Verrechnung des sog. (zweckgebundenen, insolvenzsicheren) Planvermögens mit den hierdurch abgesicherten Schulden (§ 246 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HGB iVm. § 266 Abs. 2 E HGB) abzüglich darauf entfallender latenter Steuern regelt § 268 Abs. 8 Satz 3 HGB eine Ausschüttungssperre. Die Verrechnung ist gem. § 285 Nr. 25 HGB im Anhang zu erläutern. Der Grundsatz der Ansatz(methoden)stetigkeit (§ 246 Abs. 3 HGB) ergänzt den Grundsatz der Bewertungs(methoden)stetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) sowie den Grundsatz der Gliederungsstetigkeit (§ 243 Abs. 2 HGB).

12

In der Steuerbilanz ist das Betriebsvermögen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG prinzipiell nach den handelsrechtlichen GoB anzusetzen (materielle Maßgeblichkeit). Damit gilt der Vollständigkeitsgrundsatz auch in der Steuerbilanz. Allerdings wird der Maßgeblichkeitsgrundsatz zunehmend durch steuerrechtliche Spezialvorschriften eingeschränkt bzw. durchbrochen. Zu den Einschränkungen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes zählen zB steuerrechtlich höhere Anforderungen an die Passivierung von Rückstellungen und Verbindlichkeiten (zB gem. § 5 Abs. 2a, 3, 4 EStG). Zu den Durchbrechungen der Maßgeblichkeit zählen zB steuerrechtliche Spezialvorschriften außerhalb der handelsrechtlichen Bandbreite (zB ein steuerrechtliches Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter gem. § 5 Abs. 2 EStG oder ein steuerrechtliches Passiverungsverbot für Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a EStG).

13

IV. Rechtsentwicklung § 246 HGB entstand durch das BiRiLiG – Bilanzrichtliniengesetz (Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts) v. 19.12.1985. Die damals neue Vorschrift bestand aus zwei Absätzen mit je einem Satz. Das Vollständigkeitsgebot (bislang gem. §§ 39 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 2 HGB aF nur auf die Bilanz und das Inventar, jetzt auf den gesamten Jahresabschluss bezogen) fand Eingang in § 246 Abs. 1 HGB. Das Verrechnungsverbot (bislang gem. § 153 Abs. 3 AktG 1965 nur für AGs, jetzt für alle buchführungspflichtigen Kaufleute gültig) fand Eingang in § 246 Abs. 2 HGB.

14

Durch das BaBiRiLiG – Bankbilanzrichtlinie-Gesetz (Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates 15 der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten) v. 30.11.1990 – wurde § 246 Abs. 1 HGB um die Sätze 2 und 3 erweitert. Damit wurden erstmals Zurechnungsvorschriften für bestimmte Einzelsachverhalte (Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Verpfändung) eingeführt. 1 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 10 mwN (Stand Okt. 2014). 2 Vgl. Kußmaul in HdR5, § 246 HGB Rz. 2 (Stand Nov. 2009). 3 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BTDrucks. 16/10067, 35, 48 f.; BRDrucks. 344/08, 104.

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§ 246 Rz. 16 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot 16

Mit der Einführung des BilMoG – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts) v. 25.5.2009 – wurde § 246 HGB grundlegend überarbeitet: In § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB wurde das grundsätzliche Vollständigkeitsgebot und in § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB das grundsätzliche Verrechnungsverbot beibehalten. In § 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB wurden die einzelfallbezogenen Zurechnungsregelungen durch die neue Zurechnung zum wirtschaftlichen Eigentümer ersetzt. In § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB wurde das bislang in § 255 Abs. 4 HGB aF geregelte Ansatzwahlrecht für einen entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäfts- oder Firmenwert durch eine nun geltende Ansatzpflicht ersetzt. An § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB wurden die Sätze 2 und 3, eine Durchbrechung des Verrechnungsverbots für in bestimmter Art und Weise rückgedeckte Altersvorsorge- oder vergleichbar langfristig fällige Verpflichtungen, angehängt. Schließlich wurde in § 246 Abs. 3 HGB erstmals klargestellt, dass das Stetigkeitsgebot nicht nur für Bewertungs-, sondern auch für Ansatzvorschriften gilt.

B. Vollständigkeit (Abs. 1) I. Vollständigkeit der Bilanz (Abs. 1 Sätze 1–4) 1. Vermögensgegenstände (Abs. 1 Sätze 1 und 2) a) Definition und Abgrenzung zu Wirtschaftsgütern 17

Der Begriff des Vermögensgegenstands ist gesetzlich nicht definiert. Kodifizierte Anhaltspunkte liefern zB § 240 HGB, der die Inventarisierung der Vermögensgegenstände „Grundstücke“, „Forderungen“ und „bares Geld“ regelt, § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, der einen entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäfts- oder Firmenwert als Vermögensgegenstand fingiert, oder § 266 HGB, der die Bilanzgliederung für Kapitalgesellschaften vorschreibt. Darüber hinaus ist der Begriff des Vermögensgegenstands nach den GoB unter Beachtung der Jahresabschlusszwecke auszulegen.1 Im Konfliktfall tritt dabei der Informationszweck hinter den Ausschüttungsbemessungszweck zum Gläubigerschutz zurück.2 Nach der entsprechenden Begründung des BilMoG ist „vom Vorliegen eines Vermögensgegenstandes [..] auszugehen, wenn das selbst erstellte Gut nach der Verkehrsauffassung einzeln verwertbar ist, sei es durch Veräußerung oder anderweitig, beispielsweise durch Verarbeitung, Verbrauch oder Nutzungsüberlassung“.3

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In der Literatur ist die Begriffsabgrenzung des Vermögensgegenstands umstritten.4 Während körperliche Gegenstände wie Sachen und Tiere iSd. §§ 90 bzw. 90a BGB grundsätzlich als Vermögensgegenstände anerkannt werden,5 ist sich die Literatur vor allem bei der Qualifikation immaterieller Werte uneins.6 Als mögliche Abgrenzungskriterien eines Vermögensgegenstands werden ua. dessen a) selbständige Verkehrsfähigkeit, b) Einzelbewertbarkeit, c) entgeltlicher Erwerb, d) konkrete Bilanzierbarkeit oder auch e) Einlagefähigkeit angeführt.7

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Nach der herrschenden8 und auch hier vertretenen Auffassung charakterisiert sich ein Vermögensgegenstand maßgeblich durch a) dessen selbständige Verkehrsfähigkeit. Diese Charakterisierung fußt auf dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB),9 das der Kapitalerhaltungs- bzw. Gläubigerschutzfunktion des Jahresabschlusses dient.10 Hinsichtlich des Gläubigerschutzes kommt es für die Annahme eines Ver1 Vgl. Jacobs in Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung3, Sp. 2501 f.; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 70. 2 Vgl. Moxter in FS Goerdeler, 361 ff.; Ballwieser in Beck HdR, B 105 Rz. 72 f. (Stand Dez. 2005); Jacobs in Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung3, Sp. 2502; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 70. 3 Vgl. BMJ, BilMoG-RefE, 98. 4 Vgl. zur Diskussion zB ADS6, § 246 Rz. 9 ff.; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 13 ff.; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 31 ff. (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen13, 166 ff. 5 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 37 ff.; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 5; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 246 Rz. 3; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 51 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen13, 173. Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 71. 6 Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 246 Rz. 4 f.; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 52 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen13, 173. 7 Vgl. zu den einzelnen Kriterien ADS6, § 246 Rz. 15 ff. 8 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 15; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; Kußmaul in HdR5, § 246 HGB Rz. 6 (Stand Nov. 2009). 9 Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 246 Rz. 5. 10 Vgl. BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, NJW 1982, 2825.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1)

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Rz. 23 § 246

mögensgegenstands auf dessen Schuldendeckungsfähigkeit an. Die Schuldendeckungsfähigkeit eines Vermögensgegenstands konkretisiert sich dahingehend, dass ein Vermögensgegenstand in Geld umgewandelt werden und hierdurch zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen kann.1 Hiernach setzt die selbständige Verkehrsfähigkeit eines Vermögensgegenstands voraus, dass dieser einzeln veräußerbar oder notfalls auch einzeln verwertbar ist. Ein Vermögensgegenstand hat nicht einzeln beschaffbar zu sein;2 andernfalls könnte es auch überhaupt nicht zu einer Aktivierung zusammengesetzter Vermögensgegenstände (zB Gebäude, bestehend aus Rohbau, Fenstern, Türen etc.) kommen.3 Nach der herrschenden und auch hier vertretenen Auffassung ist ein Gut einzeln veräußerbar, wenn es 20 „die abstrakte Möglichkeit der Veräußerung“ bietet4 bzw. „seiner Natur nach veräußerbar ist“5. Bei der Prüfung auf Veräußerbarkeit gilt eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise. Rein rechtliche Veräußerungsbeschränkungen (zB Zessionsverbote für Forderungen, gem. § 1059 Satz 1 BGB nicht übertragbare Nießbrauchsrechte, gem. § 29 UrhG nicht übertragbare Urheberrechte, bestimmte nicht übertragbare gewerbliche Konzessionen, Schutzrechte oder Lizenzen) stehen der hier geforderten Veräußerbarkeit des Vermögensgegenstands nicht entgegen. Denn Veräußerungsbeschränkungen setzen grundsätzlich Veräußerbarkeit voraus.6 Entsprechend unschädlich sind fehlende Erwerbsinteressen.7 Jeder einzeln veräußerbare Vermögensgegenstand ist regelmäßig auch einzeln pfänd- bzw. vollstreckbar8 21 sowie auch anders einzeln verwertbar. Das Kriterium der Einzelverwertbarkeit erweitert die Abgrenzung des Vermögensgegenstands beispielsweise auf kommerziell einzeln verarbeitbare, verbrauchbare oder zur Nutzung überlassbare Güter (zB gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten). Entscheidend für die Annahme eines Vermögensgegenstands ist letztlich das Vorhandensein eines wirtschaftlich verwertbaren Potentials zur Schuldendeckung des Kaufmanns.9 Eine bloße Gebrauchsmöglichkeit eines Guts führt noch nicht zu dessen Einzelverwertbarkeit.10 Voraussetzung sowohl für die Einzelveräußerbarkeit als auch für die Einzelverwertbarkeit ist das oben ge- 22 nannte Kriterium b) Einzelbewertbarkeit.11 Die erforderliche Einzelbewertbarkeit ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Ein Vermögensgegenstand ist einzeln bewertbar, wenn ihm ein gedachter Erwerber bei fiktivem Erwerb des ganzen Unternehmens einen eigenen, greifbaren (ins Gewicht fallenden) Wert beimessen würde.12 Einzeln bewertbare Vermögensgegenstände sind dementsprechend individualisierbar und nicht wie Investitionen in Werbefeldzüge oder „Public Relations“ Bestandteil des Geschäfts- oder Firmenwerts.13 Als nicht zur Abgrenzung eines Vermögensgegenstands geeignet erweisen sich die oben genannten Kriterien c) entgeltlicher Erwerb, d) konkrete Bilanzierbarkeit oder auch e) Einlagefähigkeit. Denn ein unentgeltlich erworbenes Gut kann ebenso zur Schuldendeckung des Kaufmanns geeignet sein wie ein entgeltlich erworbenes. Dementsprechend besteht nach dem Vollständigkeitsgebot auch für unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände eine grundsätzliche Aktivierungspflicht, soweit nicht Aktivierungsverbote etwas anderes gebieten oder Aktivierungswahlrechte etwas anderes erlauben.14 Unentgeltlich erworbene 1 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 Rz. 34 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen13, 168 f.; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 70 mwN. 2 AA zB Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 14. 3 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 16. 4 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 19; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 246 Rz. 5; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 415; kritisch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 15. 5 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 37 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen13, 169. 6 Vgl. Roland, Vermögensgegenstand, 155. 7 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8. 8 Vgl. zur Voraussetzung der Einzelvollstreckbarkeit im Einzelnen Tiedchen, Vermögensgegenstand, 44 ff. 9 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 27 f.; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; BKT, Bilanzen13, 171. 10 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 20. 11 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 29; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 9. 12 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 9; BKT, Bilanzen13, 172 f.; zur ständigen BFH-Rspr. der erforderlichen Einzelbewertbarkeit steuerlicher Wirtschaftsgüter BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 24); v. 10.8.1989 – X R 176-177/87, BStBl. II 1990, 15 (juris, Rz. 14); v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14 (juris, Rz. 9). 13 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 Rz. 50 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen13, 173; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 76. 14 Vgl. Kahle in BKT, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 75 (Stand Jan. 2016); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 34.

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§ 246 Rz. 24 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot Vermögensgegenstände sind nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich mit dem Marktpreis1 bzw. unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert, im Fall der Einlage gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 1 EStG grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen.2 Dass die konkrete Aktivierungsfähigkeit erst nach der abstrakten Annahme als Vermögensgegenstand zu beurteilen ist, zeigt ua. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB, der verschiedene abstrakt aktivierungsfähige immaterielle Vermögensgegenstände aufzählt, diese jedoch konkret für nicht aktivierungsfähig erklärt.3 Die Einlagefähigkeit stellt lediglich auf den Umfang der betrieblichen Nutzung ab. Einlagefähig können daher sowohl Vermögensgegenstände als auch bloße Aufwendungen sein. 24

Selbständig verkehrsfähige immaterielle Vermögensgegenstände sind Vorteile, die rechtlich so gesichert sind, dass sie dem Berechtigten gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden können. Hierzu zählen zB ungeschützte Erfindungen, Schutzrechte, Emissionsrechte,4 nicht jedoch bloße wirtschaftliche Gegebenheiten oder sonstige tatsächliche Verhältnisse wie zB günstige Standortfaktoren.5 Anders als vor BilMoG kommt es für die konkrete Aktivierungsfähigkeit6 immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens seit BilMoG nicht mehr auf deren entgeltlichen Erwerb an. Während für unentgeltlich erworbene (steuerrechtlich gem. § 5 Abs. 2 EStG anders) wie entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens unverändert eine Aktivierungspflicht besteht, gilt für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens seither ein Aktivierungswahlrecht (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB), soweit dieses nicht durch ein in § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB geregeltes Aktivierungsverbot durchbrochen wird.7 Für Kapitalgesellschaften gilt im Fall der gewählten Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB; für anhangpflichtige Bilanzierende eine verpflichtende Anhangangabe gem. § 285 Nr. 28 HGB.8 § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB kodifiziert Aktivierungsverbote für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Für immaterielle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens besteht mangels abweichender Regelungen in § 248 HGB grundsätzlich eine Aktivierungspflicht. Dies gilt sowohl für unentgeltlich erworbene (steuerrechtlich gem. § 5 Abs. 2 EStG anders), entgeltlich erworbene als auch für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände. Hier haben sich durch das BilMoG keine Änderungen ergeben.9

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Durch § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB ist seit BilMoG abschließend geregelt, dass ein entgeltlich erworbener (sog. derivativer) Geschäfts- und Firmenwert als Vermögensgegenstand fingiert wird und aktivierungspflichtig ist. Das bisher nach § 255 Abs. 4 HGB aF bestehende Aktivierungswahlrecht wurde gestrichen. Damit erübrigt sich die Diskussion, ob ein entgeltlich erworbener (sog. derivativer) Geschäfts- oder Firmenwert ein Vermögensgegenstand oder eine bloße Bilanzierungshilfe ist. Ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert ist weiterhin nicht aktivierungsfähig.10

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In der Steuerbilanz ist das Betriebsvermögen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG prinzipiell nach den handelsrechtlichen GoB anzusetzen (materielle Maßgeblichkeit). Hiernach fordert das Steuerrecht handelsrechtliche Vermögensgegenstände, die es steuerrechtlich als (aktive) Wirtschaftsgüter bezeichnet, auch in der Steuerbilanz anzusetzen. Aufgrund dieses Maßgeblichkeitsgrundsatzes hält der BFH die Begriffe 1 Vgl. Kahle in BKT, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 76 (Stand Jan. 2016); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 45; aA ADS6, § 246 Rz. 44 und 77, nach denen der Ansatz iH eines Erinnerungswerts (in regelmäßiger Höhe von 1 DM bzw. 0,50 €) erfolgt; nach Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 100 „ist der gesetzlichen Vorstellung des erfolgsneutralen Anschaffungsvorgangs […] ein Ansatz zu Null Euro geboten“. 2 Vgl. Kahle in BKT, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 77 (Stand Jan. 2016). 3 Vgl. zur im Schrifttum vorgenommenen Unterscheidung zwischen abstrakter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: Aktivierungskriterien nach den GoB) und konkreter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: UU von den GoB abweichende handelsrechtliche Aktivierungsvorschriften) BKT, Bilanzen13, 166. 4 Vgl. zu Emissionsrechten IDW RS HFA 15, FN-IDW 4/2006, 273 ff. 5 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 36 ff. mwN. 6 Vgl. zur im Schrifttum vorgenommenen Unterscheidung zwischen abstrakter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: Aktivierungskriterien nach den GoB) und konkreter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: UU von den GoB abweichende handelsrechtliche Aktivierungsvorschriften) BKT, Bilanzen13, 166. 7 Vgl. zur ursprünglich geplanten Verbesserung des Informationsniveaus im handelsrechtlichen Jahresabschluss durch geplante Einführung einer Aktivierungspflicht für sämtliche (selbst geschaffenen) immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens bei gleichzeitiger Implementierung einer die Gläubiger schützenden Ausschüttungssperre BMJ, BilMoG-RefE, 64, 97. 8 Vgl. zur Nichtanwendbarkeit der Ausschüttungssperre und verpflichtenden Anhangsangabe im Falle unentgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstände Althoff, BB 2016, 2027 (2030). 9 Vgl. WP Handbuch 2012, Band I14, Kap. E, 275 f. Rz. 94; zu den Änderungen durch BilMoG: Gelhausen/Kämpfer/ Fey, BilMoG, 74; Fischer/Günkel ua., Die Bilanzrechtsreform 2010/11, 112. 10 Vgl. Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 62 mwN.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1)

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Rz. 29 § 246

Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut für grundsätzlich deckungsgleich. Insbes. erlaube es der Maßgeblichkeitsgrundsatz nicht, den Begriff des Wirtschaftsguts weiter auszulegen als den Begriff des Vermögensgegenstands.1 Entgegen der herrschenden Literaturmeinung sieht er die Abgrenzung des selbständig verkehrsfähigen Vermögensgegenstands allerdings als „zu eng“ an.2 Daher legt der BFH die Begriffe des Vermögensgegenstands bzw. des Wirtschaftsguts „unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise“3 „weit [er]“4 aus. Nach ständiger BFH-Rspr. umfassen die Begriffe Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut „alle Gegen- 27 stände iSd. § 90 BGB (Sachen und Rechte), darüber hinaus aber auch sonstige Vorteile. Darunter sind tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb zu verstehen, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind“.5 Solche Zustände, Möglichkeiten und Vorteile sind nach ständiger BFHRspr. einer im Verkehr besonderen Bewertung zugänglich, wenn sie ein Erwerber des gesamten Betriebs greifen und für sie im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt entrichten würde.6 Für die Annahme als Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut muss nach Auffassung des BFH zum Stichtag ein realisierbarer, wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen.7 Dieser Vermögensvorteil muss keinen mehrjährigen Nutzen vermitteln.8 Anders als dingliche oder obligatorische Nutzungsrechte stellen bloße Nutzungsvorteile (zB Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können) weder Vermögensgegenstände noch Wirtschaftsgüter dar.9 Die Auslegungspraxis des BFH geht nach der hier vertretenen Auffassung zu weit.10 So nimmt der BFH – 28 nicht auf die Schuldendeckungsfähigkeit des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts abstellend – ua. nicht erst selbständig veräußer- bzw. verwertbare, sondern bereits selbständig bewertbare, wirtschaftlich bedeutende Wettbewerbsverbote als Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter an.11 Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung, herrschender und auch hier vertretener Auffassung stellt 29 sowohl der Anteil an einer Kapitalgesellschaft12 als auch der Anteil an einer Personengesellschaft13 einen handelsrechtlichen Vermögensgegenstand dar. Denn sowohl beim Anteil an einer Kapitalgesellschaft als auch beim Anteil an einer Personengesellschaft handelt es sich um ein einzeln veräußerbares 1 Vgl. zB BFH v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382 (juris, Rz. 10); v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13 (juris, Rz. 32 f.); v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (juris, Rz. 68); v. 26.11.1998 – IV R 52/96, BStBl. II 1999, 547 (juris, Rz. 24); v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (juris, Rz. 45); v. 21.9.2004 – IX R 36/01, BStBl. II 2006, 12 (juris, Rz. 22); v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298 (juris, Rz. 29); Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 77; zustimmend Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 93; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 303a (Stand Aug. 2015); vorsichtiger aber BFH v. 5.6.2008 – IV R 67/05, BStBl. II 2008, 960 (juris, Rz. 30: „weitgehend übereinstimmt“). 2 Vgl. zB BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13 (juris, Rz. 33); v. 17.2.1998, VIII R 28/95, BStBl. II 1998, 505 (juris, Rz. 21); Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 78. 3 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 23); v. 14.3.2006 – I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812 (juris, Rz. 16). 4 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 23); v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382 (juris, Rz. 10); v. 8.4.1992 – XI R 34/88, BStBl. II 1992, 893 (juris, Rz. 13). 5 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 23); v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382 (juris, Rz. 10); v. 8.4.1992 – XI R 34/88, BStBl. II 1992, 893 (juris, Rz. 13 f.); v. 5.6.2008 – IV R 67/05, BStBl. II 2008, 960 (juris, Rz. 30). 6 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 9; BKT, Bilanzen13, 172 f.; zur ständigen BFH-Rspr. der erforderlichen Einzelbewertbarkeit steuerlicher Wirtschaftsgüter BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 24); v. 10.8.1989 – X R 176-177/87, BStBl. II 1990, 15 (juris, Rz. 14); v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14 (juris, Rz. 9). 7 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 24); v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14 (juris, Rz. 9). 8 Vgl. klarstellend BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 28, 32). 9 Vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (juris, Rz. 69); Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 100; ADS6, § 246 Rz. 396; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros3, § 246 HGB Rz. 19. 10 GlA Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 78. 11 Vgl. BFH v. 26.7.1972 – I R 146/70, BStBl. II 1972, 937 (juris, Rz. 14); v. 14.2.1973 – I R 89/71, BStBl. II 1973, 580 (juris, Rz. 6); v. 23.6.1981 – VIII R 43/79, BStBl. II 1982, 56; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 78, 81; aA Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 246 Rz. 7. 12 Vgl. Bürkle/Knebel, DStR 1998, 1067 (1068). 13 Vgl. BFH v. 23.7.1975 – I R 165/73, BStBl. II 1976, 73 (juris, Rz. 15); v. 22.1.1981 – IV R 160/76, BStBl. II 1981, 427 (juris, Rz. 10); v. 10.12.1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385 (juris, Rz. 54); v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48); zustimmend Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1112a (Stand Aug. 2015); IDW RS HFA 18, FN-IDW 1/2012, 24 ff. Rz. 2; Graf von Kanitz, WPg. 2007, 57.

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§ 246 Rz. 30 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot und daher auch um ein einzeln bewertbares Gut. Die Zugangsbewertung erfolgt gem. § 253 Abs. 1 HGB mit den Anschaffungskosten. Liegt der beizulegende Zeitwert am Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten, kann bzw. muss die jeweilige Beteiligung gem. § 253 Abs. 2 oder 3 HGB auf diesen beizulegenden Zeitwert abgeschrieben werden.1 30

Entgegen den höchstrichterlich definierten und einschlägigen Tatbestandsmerkmalen des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts (selbständig bewertbares, greifbares, sogar einzeln veräußerbares Gut) und entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG lehnen allerdings sowohl der BFH als auch offenkundig die Finanzverwaltung die Annahme eines Anteils an einer Personengesellschaft als steuerrechtliches Wirtschaftsgut ab. Vielmehr verkörpere der Anteil an einer transparent zu besteuernden Personengesellschaft sämtliche ideellen Anteile ihr gehörender Wirtschaftsgüter.2 Hierdurch entfällt für den Gesellschafter sowohl die steuerbilanzielle Aktivierung des Personengesellschaftsanteils nach dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB)3 als auch die Möglichkeit, auf diesen Anteil eine steuerliche Teilwertabschreibung vorzunehmen.4

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Zwar entschied der BFH den zwingenden Ansatz der Beteiligung an einer Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) erzielenden Personengesellschaft in der Steuerbilanz des Gesellschafters.5 Mangels Bedeutung für die steuerliche Gewinnermittlung des Gesellschafters bleibt es diesem jedoch überlassen, ob er die Personengesellschaftsbeteiligung in der Steuerbilanz a) mit einem „Merkposten“6 oder b) mit dem Spiegelbild seines dort passivierten Kapitalkontos7 ansetzt. Demgegenüber hat der Beteiligte einer Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) erzielenden Personengesellschaft seine Anteile an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als eigene Wirtschaftsgüter in der eigenen Steuerbilanz zu bilanzieren.8 b) Persönliche Zurechnung (Abs. 1 Satz 2) aa) Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums

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Handelsrechtlich werden Vermögensgegenstände nach § 246 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB in der Bilanz des Eigentümers ausgewiesen. Unterscheidet sich der wirtschaftliche vom zivilrechtlichen Eigentümer bzw. Inhaber, ist der Vermögensgegenstand gem. § 246 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB in der Bilanz des wirtschaftlichen Eigentümers aufzunehmen.9 Davon abweichend regelt zB der speziellere § 340b HGB, dass Vermögensgegenstände bei echten Pensionsgeschäften gem. § 340b Abs. 1, 2, 4 HGB grundsätzlich in der Bilanz des Pensionsgebers bzw. bei unechten Pensionsgeschäften gem. § 340b Abs. 1, 3, 5 HGB grundsätzlich in der Bilanz des Pensionsnehmers aufzunehmen sind. Unabhängig davon regelt zB der ebenfalls speziellere § 6 Abs. 1 RechKredV, dass treuhänderisch gehaltene Vermögensgegenstände und Schulden prinzipiell in der Bilanz des Kreditinstituts auszuweisen sind.

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Steuerrechtlich gilt § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG entsprechend für Wirtschaftsgüter. Inhaltlich übereinstimmend10 rechnet auch die nachrangige Generalvorschrift des § 39 Abs. 1 1 Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 268 erkennt die sog. Spiegelbildmethode entgegen der hM auch handelsrechtlich an. 2 Vgl. zB BFH v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1978, 730 (juris, Rz. 7); v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (juris, Rz. 101); v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48); v. 25.6.2014 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27 (juris, Rz. 22); BMF v. 29.4.1994 – IV B 2 - S 2241 - 9/94, BStBl. I 1994, 282 (juris, Rz. 5). 3 Vgl. noch Wrede, FR 1990, 293 (300); Schön, FR 1994, 658 (662). 4 Vgl. BFH v. 20.6.1985 – IV R 36/83, BStBl. II 1985, 654 (juris, Rz. 13); v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48). 5 Vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804 (juris, Rz. 15); aA Fromm, GmbHR 2005, 425. 6 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 690 mwN. 7 So zB BFH v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48); v. 25.6.2014 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27 (juris, Rz. 25); Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 690 mwN; Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 268; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1112b mwN (Stand Aug. 2015); OFD Koblenz v. 28.2.2007 – S 2243 A - St 31 3, DStR 2007, 992. 8 Vgl. BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (juris, Rz. 29); v. 26.4.12 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142 (juris, Rz. 19); v. 25.6.14 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27 (juris, Rz. 22); Wendt, StbJb. 2012/2013, 29 (33 f.); Schulze zur Wiesche, DStZ 2012, 833 (834). 9 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1–2/2007, 83 ff. Rz. 6. 10 Vgl. BTDrucks. 16/12407, 84; Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 8; vorsichtiger BFH v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 741 (8. Orientierungssatz: „Die handelsrechtliche Zurechnung von Vermögensgegenständen entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977“); Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 5: „Im Regelfall ist davon auszugehen …“.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1)

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Rz. 37 § 246

AO Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zu.1 Unterscheidet sich der wirtschaftliche vom zivilrechtlichen Eigentümer bzw. Inhaber, ist das Wirtschaftsgut auch gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen. Davon abweichend regelt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO exemplarisch,2 dass Wirtschaftsgüter bei Treuhandverhältnissen grundsätzlich dem Treugeber, beim Sicherungseigentum grundsätzlich dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz grundsätzlich dem Eigenbesitzer zuzurechnen sind. Ausgangspunkt der Zuordnung der Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter ist das zivilrechtliche 34 Eigentum bzw. die zivilrechtliche Inhaberschaft. Nach dem Abstraktionsprinzip bestimmt sich das zivilrechtliche Eigentum (bei Sachen) bzw. die Inhaberschaft (bei Rechten) nicht anhand einer schuldrechtlich vorliegenden Vereinbarung (zB anhand eines Kaufvertrags iSd. § 433 BGB), sondern anhand des sachenrechtlich bestehenden Eigentums.3 Nach der Auffassung des IDW ist wirtschaftlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstands derjenige, 35 dem für wesentliche Teile der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands Besitz (§§ 854 ff. BGB), Gefahr, Nutzungen (§ 100 BGB) und Lasten zustehen. Dabei müssen diese Tatbestandsmerkmale nicht kumulativ vorliegen. Auch sind sie nicht gleichrangig zu verstehen. Vielmehr ist ihre Bedeutung von der Art des Vermögensgegenstands abhängig zu machen.4 Im Besonderen kommt es für die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an Immobilien, Mobilien und Kapitalanlagen maßgeblich auf die eigenen gegenüber den überlassenen Nutzungsrechten (laufende Fruchtziehungs- sowie einmalige Veräußerungsrechte) an. Darüber hinaus kommt es für die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalanlagen auch maßgeblich auf die Gefahr bzw. die Chance und das Risiko aus der laufenden Nutzung (Gewinnbezugs- bzw. Zinsänderungsrisiko) und auf die Gefahr bzw. die Chance und das Risiko aus der Wertsteigerung, Wertminderung sowie des endgültigen Verlusts (Bonitätsrisiko) an. Können die oben genannten Tatbestandsmerkmale mit unterschiedlicher Ausprägung gleichzeitig mehreren Rechtssubjekten zugeordnet werden (zB bei „sale-and-buy-back-Geschäften“, [un]echten Pensionsgeschäften, Verkäufen mit Garantievereinbarungen), ist der wirtschaftliche Eigentümer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu bestimmen. Dabei tritt wegen der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Befugnisse ein nur formales Recht, über den Vermögensgegenstand verfügen oder diesen belasten zu können, in seiner Bedeutung hinter die wirtschaftliche Verfügungsmacht zurück.5 In besonderen Fällen, zB bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen, kann es hiernach gar zu einem doppelten Ansatz des Vermögensgegenstands, sowohl beim Erwerber als bereits zivilrechtlichem und schon teilweise wirtschaftlichem Eigentümer als auch beim Veräußerer als gerade noch teilweise wirtschaftlichem Eigentümer, kommen6 – nur einer der Kritikpunkte des DIHK, BDI, BdB und GDV7 am bis heute nicht abschließend verabschiedeten Entwurf IDW ERS HFA 13 nF zu Einzelfragen zum Übergang von wirtschaftlichem Eigentum und zur Gewinnrealisierung nach HGB. Nach der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf des BilMoG ist für die Zuweisung des wirtschaftlichen Eigentums insbes. die Verteilung der Chancen und Risiken ausschlaggebend.8

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Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung zum Leasing9 sowie der darauf zurückgehenden 37 Kodifizierung in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO10 ist wirtschaftlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts, wer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den evtl. abweichenden zivilrechtlichen Eigentümer bzw. Inhaber im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirt-

1 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz. 12 (Stand Jun. 2012); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 3; Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 4. 2 Vgl. Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 1. 3 Vgl. BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, BStBl. II 1994, 645 (juris, Rz. 47); Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz. 20 (Stand Jun. 2012); Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 9. 4 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1–2/2007, 83 ff. Rz. 7. 5 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1–2/2007, 83 ff. Rz. 8; ADS6, § 246 Rz. 263; Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 246 Rz. 6. 6 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1-2/2007, 83 ff. Rz. 6; Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 10; nach Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 664 mwN mit den steuerrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen des § 39 AO unvereinbar. 7 Vgl. Stellungnahme des DIHK, BDI, BdB, GDV v. 3.9.2007; 2, http://www.idw.de/idw/download/ID WERSHFA13_DIHK_BDI_BdB_GDV.pdf?id=423278&property=Datei (letzter Abruf am 16.4.2016). 8 Vgl. BRDrucks. 344/08, 102. 9 Vgl. BFH v. 26.1.1970 – IV R 144/66, BStBl. II 1970, 264 (juris, Rz. 69). 10 Vgl. Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 14; Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 18.

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§ 246 Rz. 38 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot schaftlich ausschließen kann.1 Das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Herrschaft stellt maßgeblich auf den Besitz (§§ 854 ff. BGB), darüber hinaus auf die Zurechnung der Gefahren, Nutzungen und Lasten ab.2 Ausreichend ist uU mittelbarer Besitz (zB bei der kurzfristigen Vermietung einer für die Nutzungsdauer unkündbar geleasten Sache).3 Zivilrechtlich ist der Eigentümer bzw. Inhaber für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung ausgeschlossen, solange er das Wirtschaftsgut nicht wegnehmen, zerstören, beschädigen oder benutzen darf.4 Wirtschaftlich ist der Eigentümer bzw. Inhaber für die gewöhnliche Nutzungsdauer5 von der Einwirkung ausgeschlossen, a) wenn ihm für das Wirtschaftsgut kein Herausgabeanspruch zusteht6 oder b) wenn ein solcher für ihn zumindest keine wirtschaftliche Bedeutung hat.7 Von a) einem nicht vorhandenen Herausgabeanspruch ist zB auszugehen, wenn der Nutzende berechtigt oder verpflichtet ist, das Wirtschaftsgut nach Ablauf der Nutzungszeit zu beseitigen.8 Von b) einem wirtschaftlich bedeutungslosen Herausgabeanspruch ist auszugehen, wenn der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber aa) einen entschädigungslosen Herausgabeanspruch erst nach dem technischen oder wirtschaftlichen Verbrauch des Wirtschaftsguts durchsetzen kann,9 bb) einen entschädigungslosen Herausgabeanspruch zwar vor Ablauf der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts durchsetzen kann, das Wirtschaftsgut aber derart auf die Bedürfnisse des Nutzers zugeschnitten ist, dass eine anderweitige wirtschaftlich sinnvolle Nutzung oder Verwendung ausscheidet10 oder cc) einen Herausgabeanspruch zwar jederzeit durchsetzen kann, allerdings nur gegen Entschädigung in voller Höhe des Verkehrswerts des Wirtschaftsguts (gem. § 951 BGB regelmäßig gegeben, jedoch abdingbar).11 Wirtschaftlicher Miteigentümer ist, wer die oben genannte tatsächliche Herrschaft mit anderen gemeinsam ausübt.12 bb) Asset Backed Securities (Forderungsbesicherte Wertpapiere) 38

Asset Backed Securities (Forderungsbesicherte Wertpapiere) sind ein Finanzierungsmodell, bei dem ein Forderungsbegründer (Originator) handelsrechtliche Vermögensgegenstände bzw. steuerrechtliche Wirtschaftsgüter in Form von Finanzaktiva (idR ein Portfolio von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder von Darlehensforderungen) gem. §§ 398 ff. BGB gegen einen Kaufpreis an eine Zweckgesellschaft (special purpose vehicle, kurz SPV) abtritt. Den Kaufpreis refinanziert die Zweckgesellschaft durch kapitalmarktorientierte Wertpapieremissionen (Securities), die durch die erhaltenen Forderungen besichert (asset backed) werden. Ob die übertragenen Forderungen hiernach (noch) beim Forderungsbegründer oder aber bei der Zweckgesellschaft zu bilanzieren sind, richtet sich danach, wer ihr wirtschaftlicher Eigentümer (geworden) ist.

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Nach Auffassung des IDW, des BFH und weiter Teile der Literatur kommt es bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers von Forderungen nicht nur auf die allgemeinen Merkmale (Besitz, Gefahr,

1 Vgl. BFH v. 18.11.1970 – I 133/64, BStBl. II 1971, 133 (juris, Rz. 20); v. 26.3.1987 – IV R 20/84, BStBl. II 1987, 561 (juris, Rz. 25); v. 28.7.1993 – I R 88/92, BStBl. II 1994, 164 (juris, Rz. 27); v. 27.11.1996 – X R 92/92, BStBl. II 1998, 97 (juris, Rz. 19 mwN); v. 12.4.2000 – X R 20/99, BFH/NV 2001, 9 (juris, Rz. 21 mwN); v. 18.7.2001 – X R 39/97, BStBl. II 2002, 284 (juris, Rz. 18); v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 741 (juris, Rz. 18); v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 (juris, Rz. 25); v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409 (juris, Rz. 19). 2 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 26/05, BFH/NV 2007, 386 (juris, Rz. 19 f. mwN); Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 20. 3 Vgl. BFH v. 6.8.1971 – III R 89/68, BStBl. II 1972, 28 (juris, Rz. 11); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 15. 4 Vgl. Bassenge in Palandt, BGB75, § 903 Rz. 6. 5 Vgl. zum nicht ausreichenden tatsächlichen Herrschaftsausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers bzw. Inhabers auf unbestimmte Zeit BFH v. 12.4.2000 – X R 20/99, BFH/NV 2001, 9 (3. Leitsatz). 6 Vgl. BFH v. 22.8.1984 – I R 198/80, BStBl. II 1985, 126 (juris, Rz. 19); v. 12.9.1991 – III R 233/90, BStBl. II 1992, 182 (juris, Rz. 17); v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409 (juris, Rz. 19). 7 Vgl. BFH v. 26.1.1970 – IV R 144/66, BStBl. II 1970, 264 (juris, Rz. 69 mwN); v. 12.9.1991 – III R 233/90, BStBl. II 1992, 182 (juris, Rz. 17); v. 1.10.1997 – X R 91/94, BStBl. II 1998, 203 (juris, Rz. 13); v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/ NV 2015, 1409 (juris, Rz. 19). 8 Vgl. zu Bauten auf fremdem Grund und Boden BFH v. 22.8.1984 – I R 198/80, BStBl. II 1985, 126 (juris, Rz. 19); Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 198; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 321 ff. (Stand Okt. 2015). 9 GlA BMF v. 15.1.1976 – IV B 2 - S 2133 - 1/76, BStBl. I 1976, 66 Nr. 6 a); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 19; kritisch Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 26: „im Zweifel [..] wirtschaftliche[n], nicht die technische[n]“. 10 Vgl. BFH v. 15.2.2001 – III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041 (juris, Rz. 34). 11 Vgl. BFH v. 18.7.2001 – X R 69/00, BFH/NV 2002, 171 (3. Leitsatz); v. 18.7.2001 – X R 23/99, BStBl. II 2002, 281 (juris, Rz. 18); v. 8.4.2003 – IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171 (juris, Rz. 16); v. 29.4.2008 – VIII R 98/04, BStBl. II 2008, 749 (juris, Rz. 16); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 19; Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 27. 12 Vgl. Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 20 mwN; Ratschow in Klein, AO12, § 39 Rz. 28 mwN.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1)

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Rz. 43 § 246

Nutzungen1 und Lasten), sondern ganz wesentlich auf die Zurechnung des Forderungsausfall-2 bzw. Bonitätsrisikos („Risiko der Verwertbarkeit der Forderungen auf der Grundlage der Fähigkeit und des Willens des Drittschuldners, die Forderung bedienen zu können“) an.3 Trägt das Bonitätsrisiko wie beim echten Factoring bzw. der echten Forfaitierung die Zweckgesellschaft, ist sie wirtschaftliche Eigentümerin geworden und damit Bilanzierende der Forderungen. Der Forderungsbegründer hat die Forderung auszubuchen. Sind der Forderungsbegründer und die Zweckgesellschaft allerdings nahestehende Personen, spricht uU auch einiges dafür, dass die übertragenen Forderungen lediglich treuhänderisch auf die Zweckgesellschaft übertragen und folglich weiterhin beim treugeberischen Forderungsbegründer zu bilanzieren sind.4 Trägt das Bonitätsrisiko dagegen wie beim unechten Factoring bzw. der unechten Forfaitierung der For- 40 derungsbegründer, ist er weiterhin wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender der Forderungen. Ein Verbleib des Bonitätsrisikos und damit des wirtschaftlichen Eigentums bzw. der Forderungsbilanzierung beim Forderungsbegründer ist insbes. in folgenden Fällen anzunehmen: a) bei im Voraus betragsmäßig vereinbartem Rückübertragungsrecht der Zweckgesellschaft (Put-Option, anders beim unechten Pensionsgeschäft), b) bei Übernahme einer Ausfallgarantie durch den Forderungsbegründer, c) bei Vereinbarung nachträglicher Preisanpassungsklauseln, d) bei Beteiligung des Forderungsbegründers am Eigenkapital der Zweckgesellschaft, e) bei Vereinbarung eines sog. Total Return-Swaps (Übertragung des Marktpreis- und Bonitätsrisikos auf den Forderungsbegründer), f) bei nicht unwesentlicher Übernahme der emittierten Asset Backed Securities (forderungsbesicherte Wertpapiere) durch den Forderungsbegründer, g) bei Vereinbarung überhöhter excess spreads (der Zweckgesellschaft zufließende Zinserträge aus den erhaltenen Forderungen abzüglich von ihr aufgewendeter Refinanzierungszinsaufwendungen) zugunsten des Forderungsbegründers oder h) bei rückwirkend vereinbarten Kaufpreisabschlägen, wenn diese unangemessen hoch sind.5 Ein im Voraus vereinbarter Kaufpreisabschlag führt unabhängig seiner Höhe zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und damit der Forderungsbilanzierung auf die Zweckgesellschaft. Ein rückwirkend vereinbarter Kaufpreisabschlag führt nur bei Angemessenheit (bei Einhaltung marktüblicher Delkrederesätze oder Orientierung an Erfahrungswerten) zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und damit der Forderungsbilanzierung auf die Zweckgesellschaft.6 Beim Verbleib des Bonitätsrisikos und damit des wirtschaftlichen Eigentums bzw. der Forderungsbilanzierung beim Forderungsbegründer hat der Forderungsbegründer die zugeflossenen liquiden Mittel zu aktivieren und eine Verbindlichkeit gegenüber der Zweckgesellschaft zu passivieren. Anhangpflichtige Forderungsbegründer haben diese besicherte Verbindlichkeit gem. § 285 Satz 1 Nr. 1 41 Buchst. b und Nr. 2 HGB im Anhang anzugeben. Korrespondierend hat die Zweckgesellschaft eine Forderung gegen den Forderungsbegründer zu aktivieren.7 cc) Derivative Finanzinstrumente (Option/Termingeschäft/Swap) Bei einem derivativen Finanzinstrument (Option/Termingeschäft/Swap) handelt es sich im Allgemeinen 42 um eine Geldanlageform, deren Wert sich aus einem Basiswert (zB einer Aktie, Anleihe oder Devise) ableitet. Eine Option berechtigt den Optionsnehmer, zum Fälligkeitszeitpunkt (Europäische Option) oder wäh- 43 rend eines definierten Zeitraums vor der Fälligkeit (Amerikanische Option) eine bestimmte Menge des Basiswerts zu einem bestimmten Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Hierfür erhält der korrespondierend zum Verkauf bzw. Kauf verpflichtete Optionsgeber (Stillhalter) bei Vertragsabschluss eine Optionsprämie (Stillhalterprämie). Angeschaffte, dem Gebrauch bzw. der Ausübung 1 Vgl. zum notwendigen aber nicht hinreichenden (Forderungs)Verwertungsrecht durch Veräußerung bzw. Verpfändung und zum nicht notwendigen (Forderungs)Verwaltungs- bzw. Einzugsrecht IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 10; Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 31. 2 Vgl. BFH v. 20.1.1999 – I R 69/97, BStBl. II 1999, 514 (juris, Rz. 36); v. 2.3.2010 – I R 44/09, BFH/NV 2010, 1622 (juris, Rz. 19); v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143 (juris, Rz. 18). 3 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 7 ff., 16 ff.; BFH v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143 (1. Leitsatz); glA ADS6, § 246 HGB Rz. 326; Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 270 „Factoring“, „Forfaitierung“; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1085 (Stand Aug. 2015); Crezelius in Kirchhof, EStG15, § 5 Rz. 163 „Asset Backed Securities“; aA Häuselmann, DStR 1998, 826 (829); Rist, StuB 2003, 386 (389 f.); Schmid, DStR 2010, 145 (147 ff.), nach denen zur Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums an Forderungen nicht auf die Verteilung des Bonitätsrisikos, sondern auf die Verfügungsmacht abgestellt werden sollte. 4 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 326; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 67. 5 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 16; WP Handbuch 2012, Band I14, Kap. E, 295 Rz. 59; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 65. 6 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 22; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 65. 7 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 41.

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§ 246 Rz. 44 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot dienende, nicht verbriefte Optionsrechte hat der Optionsnehmer als immaterielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter (entsprechend verbriefte Optionsscheine als Wertpapiere) des Anlagevermögens zu aktivieren. Angeschaffte, dem Verbrauch bzw. Verkauf dienende, nicht verbriefte Optionsrechte hat der Optionsnehmer als sonstige Vermögensgegenstände (entsprechend verbriefte Optionsscheine als sonstige Wertpapiere) des Umlaufvermögens zu aktivieren.1 Korrespondierend erhaltene Stillhalteprämien hat der Optionsgeber (Stillhalter) als Rückstellungen oder sonstige Verbindlichkeiten zu passivieren.2 44

Ein Termingeschäft (nicht börsengehandeltes „Forward“, börsengehandeltes „Future“) verpflichtet sowohl den Käufer zum Fälligkeitszeitpunkt, eine feste Zahlung zu leisten, als auch den Verkäufer, zu diesem Zeitpunkt den Basiswert bzw. einen entsprechenden Barersatz zu liefern. Anders als bei Optionsgeschäften wird bei Termingeschäften jedoch keine Stillhalteprämie bezahlt bzw. aktiviert resp. passiviert. Auch wird das schwebende (Termin)Geschäft an sich als solches grundsätzlich nicht bilanziert. Handelsrechtlich ist nach der hier vertretenen Auffassung im Fall eines drohenden Verlusts uU eine Drohverlustrückstellung zu passivieren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Steuerrechtlich ist eine Drohverlustrückstellung jedoch grundsätzlich ausgeschlossen (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG).3

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Ein Zinsswap verpflichtet die Vertragspartner, zu bestimmten Fälligkeitszeitpunkten gegenseitig bestimmte Zinszahlungen (meist feste gegen variable) auf bestimmte Nennbeträge zu leisten. Ein Währungsswap verpflichtet die Vertragspartner, die Inhaberschaft deckungsgleicher verzinslicher Kapitalanlagen unterschiedlicher Währungen zu tauschen und zu einem bestimmten Fälligkeitszeitpunkt zurück zu tauschen. Ein Zins-Währungsswap kombiniert die beiden vorgenannten Swapformen. Anders als bei Optionsgeschäften, nämlich wie bei Termingeschäften, wird bei Swaps keine Stillhalteprämie bezahlt bzw. aktiviert resp. passiviert. Entstehende Zahlungsansprüche werden als Ansprüche aus schwebenden Geschäften grundsätzlich nicht bilanziert. Vorweggenommene Ausgleichszahlungen sind als vorausbezahlte Zinsen aktiv bzw. passiv abzugrenzen. Handelsrechtlich ist nach der hier vertretenen Auffassung im Fall eines drohenden Verlusts uU eine Drohverlustrückstellung zu passivieren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Steuerrechtlich ist eine Drohverlustrückstellung jedoch ausgeschlossen (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG).4

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Für derivative Sicherungsinstrumente gelten gem. § 254 HGB abweichende Regelungen. Danach sind ein Grundgeschäft und ein Sicherungsderivat nicht getrennt, sondern verrechnet als Bewertungseinheit zu bilanzieren. Für Kreditinstitute gelten zudem die Spezialvorschriften des § 340e Abs. 3 HGB. Danach sind Finanzinstrumente des Handelsbestands zum beizulegenden Zeitwert abzgl. eines Risikoabschlags zu bewerten; es kommt zur Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips.5 Gem. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG sind in der Handelsbilanz gebildete Bewertungseinheiten zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken auch in der Steuerbilanz zu bilden. Überwiegen bei einer solchen Bewertungseinheit nicht realisierte Verluste nicht realisierte Gewinne, erlaubt es § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG dafür die in der Handelsbilanz zu passivierende Drohverlustrückstellung ausnahmsweise auch in der Steuerbilanz zu passivieren.

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Anhangpflichtige Bilanzierende haben gem. § 285 Satz 1 Nr. 19 bzw. 20 HGB für ein nicht zum beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 Satz 1 oder 2 HGB) bilanziertes derivatives Finanzinstrument Anhangangaben zu machen. Dies gilt gem. § 285 Satz 1 Nr. 23 HGB nicht, wenn das derivative Finanzinstrument in eine Bewertungseinheit (§ 254 HGB) eingegangen ist, für die eigene Anhangangaben zu machen sind. dd) Factoring/Forfaitierung

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Zur Liquiditätssteigerung (Finanzierungsfunktion), aber auch zur Auslagerung der Debitorenbuchhaltung, des Inkassos etc. (Dienstleistungsfunktion) tritt beim Factoring ein Forderungsverkäufer (Factoringkunde, Zedent) laufende und optional auch künftige Kundenforderungen (durch Einzel- bzw. Globalzession, Gattungskauf), bei der Forfaitierung konkret bestimmte Forderungen (entsprechend, Spezieskauf) gem. §§ 398 ff. BGB an einen Forderungskäufer (Factor, Zessionar) ab. Als Gegenleistung erhält der Forderungsverkäufer regelmäßig den Nominalwert seiner abgetretenen Forderungen abzüglich einer vom Forderungskäufer einbehaltenen Provision. Je nach Ausgestaltung der Abtretungsvereinbarung ergeben sich Zurechnungsprobleme hinsichtlich der abgetretenen Forderungen: 1 Vgl. Breker, Optionsrechte und Stillhalterverpflichtungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss, 76; Beckmann, Termingeschäfte und Jahresabschluß, 227; nach ADS6, § 246 HGB Rz. 372 mwN sind Optionsrechte vom Optionskäufer grundsätzlich unter den sonstigen Vermögensgegenständen auszuweisen; nach Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 70 handelt es sich bei Optionen um finanzielle, nicht um immaterielle Vermögensgegenstände. 2 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 371 ff. 3 GlA ADS6, § 246 HGB Rz. 376 ff.; Eisele/Knobloch, DStR 1993, 617 (621). 4 Vgl. Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 72; aA ADS6, § 246 HGB Rz. 378 ff. (380 mwN), nach denen die Passivierung einer Drohverlustrückstellung auch bei negativen Zinsdifferenzen aus Swaps ausscheidet. 5 Vgl. Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 74 f.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1)

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Rz. 51 § 246

Beim echten Factoring bzw. der echten Forfaitierung (Forderungskauf)1 verkauft und überträgt der For- 49 derungsverkäufer definierte Kundenforderungen inkl. des Ausfall- bzw. Verzugsrisikos2 an den Forderungskäufer. Hierdurch wird der Forderungskäufer sowohl zivilrechtlicher Inhaber als auch wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender der Forderungen.3 Der Forderungsverkäufer hat die abgetretenen Forderungen aus- und die neuen Forderungen gegen den Forderungskäufer einzubuchen. Beim Forderungsverkäufer verbleibende Delkredererisiken (hier zB Vertragsstrafe-, Schadensersatz-, Garantierisiken etc.) sind in seiner Bilanz zurückzustellen bzw. zumindest als Haftungsrisiken darunter zu vermerken (§ 251 HGB).4 Beim unechten Factoring bzw. der unechten Forfaitierung (Kreditgeschäft)5 gewährt der Forderungs- 50 käufer dem Forderungsverkäufer einen Kredit iH definierter Kundenforderungen des Forderungsverkäufers. Zur Sicherung und Befriedigung dieses Kredits (erfüllungshalber, § 364 Abs. 2 BGB) überträgt der Forderungsverkäufer dem Forderungskäufer die definierten Kundenforderungen. Das Ausfall- bzw. Verzugsrisiko verbleibt beim Forderungsverkäufer. Hierdurch wird der Forderungskäufer zwar zivilrechtlicher Inhaber. Wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender der definierten Kundenforderungen bleibt jedoch regelmäßig der Forderungsverkäufer.6 Lediglich beim offenen Factoring, bei dem die Kunden – anders als beim stillen Factoring – aufgefordert werden, nicht mehr an den Forderungsverkäufer, sondern an den Forderungskäufer zu bezahlen (§ 407 BGB), erfolgt die Bilanzierung der sicherheitshalber abgetretenen Kundenforderungen aus Praktikabilitätsgründen beim Forderungskäufer statt beim Forderungsverkäufer.7 Den vom Forderungskäufer erhaltenen Kredit hat der Forderungsverkäufer stets als Verbindlichkeit zu passivieren. Beim Forderungsverkäufer verbleibende Delkredererisiken (hier insbes. Ausfall- bzw. Verzugs-, aber auch Vertragsstrafe-, Schadensersatz-, Garantierisiken etc.) sind in seiner Bilanz zurückzustellen bzw. zumindest als Haftungsrisiken darunter zu vermerken (§ 251 HGB).8 ee) Gebäude/Gebäudeteile/Betriebsvorrichtungen/Scheinbestandteile/Mietereinbauten und Mieterumbauten, jeweils auf fremdem Grund und Boden Zivilrechtlich ist gem. § 946 BGB der Eigentümer des Grund und Bodens bzw. gem. § 12 ErbbauRG der 51 Inhaber eines daran bestellten Erbbaurechts auch Eigentümer der wesentlichen Grundstücksbestandteile. Entsprechendes gilt für den Inhaber anderer bestellter dinglicher Rechte, zB einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), eines Nießbrauchs (§ 1030 BGB), einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) oder einer Reallast (§ 1105 BGB).9 Wesentliche Grundstücksbestandteile sind gem. § 94 BGB dauerhaft fest mit dem Grundstück verbundene Gebäude inkl. gem. § 93 BGB nur durch Zerstörung trennbare Gebäudeteile bzw. sog. Betriebsvorrichtungen (gem. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören).10 Keine wesentlichen Grundstücksbestandteile sind dagegen sog. Scheinbestandteile (gem. § 95 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück bzw. Gebäude verbundene bzw. nur zu einem vorübergehenden Zweck in das Gebäude eingefügte Gebäudeteile). Von einem nur vorübergehenden Zweck ist auszugehen, wenn kumulativ a) die Nutzungsdauer der verbundenen bzw. eingefügten Sachen länger als die voraussichtliche Mietdauer ist, b) die verbundenen bzw. eingefügten Sachen auch nach ihrem Ausbau nicht nur einen Schrottwert, sondern noch einen beachtlichen Wiederverwendungswert repräsentieren und c) nach den gesamten Umständen, insbes. nach Art und Zweck der Verbindung bzw. Einfügung damit gerechnet werden kann, dass die verbundenen bzw. eingefügten Sachen später wieder entfernt werden.11

1 Vgl. BGH v. 19.9.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254 (juris, Rz. 57). 2 Vgl. BFH v. 15.12.2012 – VI R 28/10, BStBl. II 2010, 966 (Leitsatz); v. 6.6.2013 – IV R 28/10, BFH/NV 2013, 1810 (juris, Rz. 22). 3 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 384; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 195; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 50; Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 270 „Factoring“, „Forfaitierung“. 4 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 195; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 201. 5 Vgl. BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, BGHZ 82, 50 (2. Orientierungssatz). 6 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 270 „Factoring“, „Forfaitierung“; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 54; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 197; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 202. 7 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 54; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 197; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 203. 8 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 197; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 202. 9 Vgl. Füller in MünchKomm. BGB7, § 946 Rz. 7, 16. 10 Vgl. Stresemann in MünchKomm. BGB7, § 94 Rz. 6. 11 Vgl. BFH v. 24.11.1970 – VI R 143/69, BStBl. II 1971, 157 (juris, Rz. 17); v. 4.12.1970 – VI R 157/68, BStBl. II 1971, 165 (juris, Rz. 10).

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§ 246 Rz. 52 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot 52

Handels- bzw. steuerrechtlich stellen Grund und Boden1 und wesentliche Grundstücksbestandteile (zB unbewegliche Gebäude,2 selbständige Gebäudeteile,3 Miteigentumsanteile an selbständigen Gebäude[teilen],4 Außenanlagen wie Einfriedungen, Grünanlagen, oder Bodenbefestigungen im Hof und auf Parkplätzen,5 bewegliche Betriebsvorrichtungen6) sowie bewegliche Scheinbestandteile7 jeweils selbständige materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter dar.8 Fallen dabei der wirtschaftliche und zivilrechtliche Eigentümer auseinander (zB bei Gebäuden, Gebäudeteilen, Miteigentumsanteilen an Gebäude[teile]n oder Betriebsvorrichtungen, jeweils auf fremdem Grund und Boden), erfolgt die Zurechnung und Bilanzierung nach den allgemeinen Grundsätzen beim wirtschaftlichen Eigentümer. Bei Scheinbestandteilen ist stets der zivilrechtlich berechtigte Hersteller wirtschaftlicher Eigentümer und nicht der davon abweichende zivilrechtliche Eigentümer des fremden Grund und Bodens. Bei Gebäuden, Gebäudeteilen, Miteigentumsanteilen an Gebäude(teile)n und Betriebsvorrichtungen ist der Hersteller wirtschaftlicher Eigentümer und nicht der davon abweichende zivilrechtliche Eigentümer des fremden Grund und Bodens, wenn dem Hersteller für wesentliche Teile der wirtschaftlichen Nutzungsdauer dieser Vermögensgegenstände Besitz (§§ 854 ff. BGB), Gefahr, Nutzungen und Lasten bzw. Chancen und Risiken zustehen9 resp. der Hersteller nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die tatsächliche Herrschaft über diese Wirtschaftsgüter in der Weise ausübt, dass er den abweichenden zivilrechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Wirtschaftsgüter wirtschaftlich ausschließen kann.10

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Ist der Hersteller nach den vorgenannten Grundsätzen nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts auf dem fremdem Grund und Boden anzusehen, hat er seine Herstellungskosten handelsrechtlich als „Nutzungsrecht“ zu aktivieren und auf die vereinbarte Nutzungsdauer dieses Rechts abzuschreiben.11 Steuerrechtlich hat ein solcher Hersteller seine Herstellungskosten als „Quasi-Wirtschaftsgut“ bzw. „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu aktivieren und nach den gesetzlichen Vorschriften abzuschreiben (unbewegliche Gebäude, Gebäudeteile nach § 7 Abs. 4 bis 5a EStG, bewegliche Betriebsvorrichtungen nach § 7 Abs. 1 EStG und § 7g Abs. 5 EStG). Diese steuerrechtlich typisierende Aufwandsverteilungspraxis verwirklicht das objektive Nettoprinzip sowie die Gleichbehandlung von Eigentümern und lediglich nutzungsbefugten Herstellern. Gleichzeitig verhindert sie jedoch bei lediglich nutzungsbefugten Herstellern die Entstehung, Realisierung und Übertragung stiller Reserven (zB nach § 6b EStG). Endet die Nutzung des Wirtschaftsguts zur Einkunftserzielung des Herstellers, bevor die Aufwendungen vollständig vom Hersteller abgezogen werden konnten, ist der verbleibende Betrag den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Eigentümers zuzurechnen.12 1 Vgl. Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 19 (Stand Nov. 2015). 2 Vgl. BFH v. 28.7.1999 – X R 116/96, BFH/NV 2000, 182 (juris, Rz. 13); v. 18.7.2001 – X R 111/96, BFH/NV 2002, 173 (juris, Rz. 18); Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 21 (Stand Nov. 2015). 3 Vgl. BFH v. 26.11.1973 – GrS 5/71, BStBl. II 1974, 132 (juris, Rz. 47: „eigenbetrieblich, […] fremdbetrieblich, […] zu Wohnzwecken, […] durch Eigengebrauch genutzt[e…] Gebäudeteile [sind] gesondert zu behandeln“); v. 27.7. 2004 – IX R 54/02, BFH/NV 2004, 1645 (juris, Rz. 9); R 4.2 Abs. 4 EStR; zur Behandlung betrieblich genutzter Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung R 4.2 Abs. 8 EStR; ausführlich zur steuerrechtlichen Abgrenzung eines Gebäudes gegenüber selbständigen Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten, Schalterhallen von Kreditinstituten sowie ähnlichen Einbauten, die einem schnellen Wandel des modischen Geschmacks unterliegen, und anderen selbständigen Wirtschaftsgütern R 4.2 Abs. 3 EStR sowie Kahle/Heinstein, DStZ 2006, 824 (826 f.). 4 Vgl. BFH v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 (3. Orientierungssatz). 5 Vgl. Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 18 (Stand Nov. 2015). 6 Vgl. BFH v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 (juris, Rz. 20); v. 26.11.1973 – GrS 5/71, BStBl. II 1974, 132 (juris, Rz. 42); Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 24 (Stand Nov. 2015). 7 Vgl. BFH v. 28.2.2013 – III R 35/12, BStBl. II 2013, 606 (1. Orientierungssatz). 8 Vgl. Schwarz in Schwarz/Pahlke, § 39 AO Rz. 42 (Stand Feb. 2006). 9 Vgl. zu den Voraussetzungen die Ausführungen des IDW oben, Rz. 34 bzw. der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf des BilMoG Rz. 35. 10 Vgl. zu den Voraussetzungen die Ausführungen der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung oben, Rz. 36; zur unterschiedlichen Behandlung von Bauten auf fremdem Grund und Boden durch unterschiedliche BFH-Senate Weber-Grellet, DStR-Beih. 2016, 20 (23), nach dem der IV. Senat (BFH v. 12.2.2015 – IV R 29/12, BFH/NV 2015, 895) Gebäude auf fremdem Grund und Boden lediglich als Wirtschaftsgüter fingiert, während der X. und XI. Senat (BFH v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 und v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409) sie als Wirtschaftsgüter des Fremdbauers einordnen. 11 Vgl. BGH v. 6.11.1995 – II ZR 164/94, NJW 1996, 458 (juris, Rz. 12); Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 199. 12 Vgl. BFH v. 30.1.1995 – GrS 4/92, BStBl. II 1995, 281 (juris, Rz. 48 ff.); v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 (juris, Rz. 63); v. 25.2.2010 – IV R 2/07, BStBl. II 2010, 670 (1. Leitsatz); v. 19.12.2012 – IV R 29/09, BStBl. II 2013, 387 (juris, Rz. 27 ff.); BMF v. 5.11.1996 – BBMF v. 5.11.1996 – IV B 2 - S 2134 - 66/96, BStBl. I 1996, 1257; zu Recht kritisch Weber-Grellet, BB 2000, 1024 f.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1)

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Rz. 58 § 246

Mietereinbauten und Mieterumbauten sind Baumaßnahmen des Mieters an einem gemieteten Gebäude 54 oder Gebäudeteil, die keine Erhaltungsaufwendungen darstellen.1 Entstehen durch solche Baumaßnahmen selbständige materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter in Form beweglicher Scheinbestandteile, sind diese entsprechend den oben gemachten Ausführungen stets von ihrem herstellenden Mieter als wirtschaftlichem und gleichzeitig zivilrechtlichem Eigentümer zu bilanzieren. Entstehen durch solche Baumaßnahmen dagegen selbständige materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter in Form beweglicher Betriebsvorrichtungen oder unbeweglicher sonstiger Mietereinbauten und Mieterumbauten, sind diese entsprechend den oben gemachten Ausführungen stets von ihrem, nach den allgemeinen Grundsätzen zu bestimmenden, wirtschaftlichen Eigentümer zu bilanzieren.2 Ist der herstellende Mieter nach den vorgenannten Grundsätzen nicht als wirtschaftlicher Eigentümer 55 der Betriebsvorrichtungen oder sonstigen Mietereinbauten und Mieterumbauten anzusehen, hat er seine Herstellungskosten entsprechend den oben gemachten Ausführungen handelsrechtlich als „Nutzungsrecht“ zu aktivieren und auf die vereinbarte Nutzungsdauer dieses Rechts abzuschreiben3 und steuerrechtlich als „Quasi-Wirtschaftsgut“ bzw. „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu aktivieren und nach den gesetzlichen Vorschriften abzuschreiben (bewegliche Betriebsvorrichtungen nach § 7 Abs. 1 EStG und § 7g Abs. 5 EStG, unbewegliche Gebäude, Gebäudeteile nach § 7 Abs. 4–5a EStG).4 Vorstehend unbewegliche sonstige Mietereinbauten und Mieterumbauten sind anzunehmen, wenn sie kumulativ a) unmittelbar den besonderen betrieblichen oder beruflichen Zwecken des Mieters dienen (eine unmittelbare sachliche Beziehung zum Betrieb aufweisen) und b) mit dem Gebäude nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (zB Ladenein- und umbauten, Schaufensteranlagen, nicht jedoch Fahrstuhlanlagen, Heizungsanlagen, Be- und Entlüftungseinrichtungen).5 ff) Leasinggüter (inkl. „sale-and-lease-back-Güter“) Der Begriff des Leasinggeschäfts ist gesetzlich nicht definiert und wird in der Literatur nicht einheitlich 56 abgegrenzt. In der Wirtschaftspraxis umfassen Leasinggeschäfte spezielle Nutzungsüberlassungsverträge, bei denen ein Leasinggeber einen zivilrechtlich ihm gehörenden Vermögensgegenstand bzw. ein zivilrechtlich ihm gehörendes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (da hier entsprechend, im Folgenden Leasinggut) einem Leasingnehmer gegen wiederkehrende Zahlungen überlässt. Dabei reichen die Vertragsgestaltungen von atypischen Miet- bzw. Pachtverträgen bis hin zu besonderen Miet- bzw. Ratenkaufverträgen. Ein Miet- bzw. Pachtgegenstand (§§ 535 ff., 581 ff. BGB) ist stets in der Bilanz des Vermieters bzw. Verpächters aufzunehmen.6 Im Unterschied zum Miet- und Mietkaufvertrag gehen beim Leasingvertrag Wartungs-, Instandhaltungs- und Gewährleistungsverpflichtungen auf den Leasingnehmer über. Anders als dem Leasingnehmer steht dem Mietkäufer dafür immer eine Kaufoption zu.7 Ob das Leasinggut in der Handels- bzw. Steuerbilanz (da hier entsprechend, im Folgenden Bilanz) des Leasinggebers oder in der Bilanz des Leasingnehmers aufzunehmen ist, richtet sich nach der Vertragsgestaltung im Einzelfall. Beim Operating Leasing bleibt der Leasinggeber sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentü- 57 mer bzw. Inhaber und damit Bilanzierender des Leasingguts. Bezogen auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingguts charakterisiert sich Operating Leasing durch verhältnismäßig kurzfristige Mietbzw. Pachtverträge. Operating Leasing ist also insbes. dadurch gekennzeichnet, dass das Leasinggut nach der Grundmietzeit wirtschaftlich noch nicht verbraucht ist und hiernach nicht selten Gegenstand eines sog. Secondhand-Leasings wird.8 UU ist der Leasingnehmer hier jedoch zu Anhangangaben gem. § 285 Abs. 3a HGB verpflichtet.9 Beim Spezial-Leasing ist stets der Leasingnehmer wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender des Leasingguts. Spezial-Leasing charakterisiert sich dadurch, dass der Leasinggegenstand derart an die 1 Vgl. BMF v. 15.1.1976 – IV B 2 - S 2133 - 1/76, BStBl. I 1976, 66 Nr. 1. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen die Ausführungen des IDW oben, Rz. 34 bzw. der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf des BilMoG Rz. 35; zu den Voraussetzungen die Ausführungen der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung oben, Rz. 36. 3 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 200. 4 Vgl. für sonstige Mietereinbauten und Umbauten BFH v. 15.10.1996 – VIII R 44/94, BStBl. II 1997, 533 (juris, Rz. 16 ff.); entgegen der früheren Rspr. und Verwaltungsauffassung in BMF v. 15.1.1976 – IV B 2 - S 2133 - 1/ 76, BStBl. I 1976, 66 Nr. 10. 5 Vgl. BFH v. 26.11.1973 – GrS 5/71, BStBl. II 1974, 132 (juris, Rz. 34 ff. mwN); v. 26.2.1975 – I R 32/73, BStBl. II 1975, 443 (1. Leitsatz). 6 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 384. 7 Vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB75, vor § 535 Rz. 30 ff.; Noodt in Haufe BilKomm.7, § 246 HGB Rz. 29. 8 Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 246 Rz. 31. 9 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 213 mwN.

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§ 246 Rz. 59 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot Bedürfnisse des Leasingnehmers angepasst wird, dass er wirtschaftlich ausschließlich vom Leasingnehmer sinnvoll eingesetzt werden kann.1 59

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Beim Finanzierungs-Leasing werden die Verträge für eine längere, idR unkündbare Grundmietzeit geschlossen. Dabei enthalten sie oft Regelungen, die auf eine anschließende Weiternutzung durch den Leasingnehmer abzielen, zB Verlängerungs- oder Kaufoptionen des Leasingnehmers oder ein Andienungsrecht des Leasinggebers (Recht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer das Leasinggut nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit zu verkaufen). Wer beim Finanzierungs-Leasing wirtschaftlicher Eigentümer ist und damit das Leasinggut zu bilanzieren hat, ist steuerrechtlich und in der Praxis regelmäßig auch handelsrechtlich2 nach den typisierenden, praktikablen und auf die oberste Finanzrechtsprechung zurückgehenden3 Leasing-Erlassen zu bestimmen.4 Im Wesentlichen unterscheiden die Leasing-Erlasse bei der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums bzw. Leasingguts zwischen Voll-5 und Teilamortisationsleasing6 für Mobilien und Voll-7 und Teilamortisationsleasing8 für Immobilien: Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums bei Vollamortisationsverträgen (Anschaffungs- und Herstellungs- inkl. Neben-, insb. Finanzierungskosten des LG werden innerhalb der unkündbaren Grundmietzeit voll durch die Leasingraten des LN gedeckt)

Mobilien + Gebäude Grundmietzeit >= 40% und = 40% und = 40% und 50 %) in börsennotierten Aktien investiert ist.12 Der auf einer Un- oder Unterverzinslichkeit einer im Anlagevermögen gehaltenen Forderung beruhende Wert ist keine voraussichtlich dauernde Wertminderung und rechtfertigt deshalb keine Teilwertabschreibung.13 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002 – DOK 2014/0552934, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 11. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, DB 2009, 577 mit illustrativen Beispielen. Vgl. BFH v. 8.6.2011 – I R 98/10, BStBl. II 2012, 716. Vgl. Marx, StuB 2012, 667, Marx, StuB 2014, 591. Die Grundsätze gelten auch bei aktien-indexbezogenen Wertpapieren, die an einer Börse gehandelt und nicht zum Nennwert zurückgezahlt werden. Vgl. BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002 – DOK 2014/0552934, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 15. Vgl. BFH v. 21.9.2011 – I R 89/10, BStBl. II 2014, 612. Vgl. BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 :002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995. § 243 Abs. 3 HGB sieht für alle Kaufleute demgegenüber die Aufstellung des Jahresabschlusses innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit vor. Der bisher als zulässig angesehene Jahreszeitraum wird inzwischen kürzer interpretiert; vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 243 HGB Rz. 24. Vgl. zur steuerlichen „Wertaufhellungskonzeption“ Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 81. Vgl. Grosman/Stiglitz, AER 1980, 393–408; vgl. weiter die Nachweise bei Kaserer in Köhler/Küpper/Pfingsten, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft6, Sp. 863; Vollmer, Rechnungslegung auf informationseffizienten Kapitalmärkten, 92 ff.; Gerum/Mölls/Shen, zfbF 2011, 537, 539. Vgl. auch BFH v. 21.9.2011 – I R 7/11, BStBl. II 2014, 616; BMF v. 2.9.2016 – IV C6 - S 2171-b/09/10002 :002, – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995. Rz. 24. Vgl. BFH v. 24.10.2012 – I R 43/11, BStBl. II 2013, 162 = DStR 2013, 21 mit Anm. Hoffmann.

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| Marx

D. Bewertung des abnutzbaren Anlagevermögens (Abs. 3)

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Rz. 158 § 253

Bei der Folgebewertung des Geschäfts- oder Firmenwerts kann sich ebenfalls die Frage einer Teilwert- 156 abschreibung stellen. Nach der sog. Einheitstheorie kann diese nur geltend gemacht werden, wenn der Geschäftswert einschließlich der zwischenzeitlich angewachsenen originären Komponenten unter den Buchwert gesunken ist. Bewertungsobjekt ist danach der einheitliche Geschäftswert, dh. der derivative und der originäre, selbst geschaffene Teil.1 Die Rspr. verlässt hier die ansonsten geltenden Teilwertvermutungen und kehrt zur gesetzlichen Fiktion eines Erwerbers zurück, der stets einen einheitlichen Geschäftswert bewerten würde.2 Damit ist eine Teilwertabschreibung beim Geschäfts- oder Firmenwert regelmäßig nicht möglich. Nach der hier vorgetragenen Auffassung ist für die Frage der Teilwertabschreibung demgegenüber allein auf das bilanzierte Wirtschaftsgut abzustellen.3 Somit ist isoliert nur der entgeltlich erworbene Geschäftswert maßgebend,4 der unter Berücksichtigung geschäftswertbildender Faktoren (Standort, Kundenstamm, Wettbewerbsposition uÄ) neu zu bewerten ist. Konsequenterweise ist dann später auch regelmäßig keine Wertaufholung möglich.5 Derzeit ist noch offen, ob die sog. Einheitstheorie oder die hier vertretene getrennte Qualifikation des derivativen Geschäftswerts anzuwenden ist.6 Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten kann bei voraussichtlich dauernder Kurserhöhung der höhere 157 Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 iVm. Nr. 2 Satz 2 EStG). Auch hier übernimmt das BMF-Schreiben die Formel des BFH, nach der sich Währungsschwankungen idR ausgleichen und keine voraussichtlich dauernde Werterhöhung darstellen.7 Es wurde bereits dargestellt, dass der BFH die Entscheidungsgrundsätze, die bei der Bewertung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens entwickelt worden sind, auf die Bewertung von Verbindlichkeiten überträgt, da hier regelmäßig eine bestimmte Laufzeit zugrunde liege.8 Das vermag schon steuersystematisch nicht zu überzeugen, verweist doch § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der die Bewertung nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter regelt.9 Der apodiktisch unterstellte Ausgleich von Währungsschwankungen auf lange Sicht – im Streitfall bei zehnjähriger Restlaufzeit – erzeugt Abbildungsfehler in der Stichtags- und Folgebilanzierung.10 d) Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung Nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Ab- 158 nutzung (AfaA) zulässig. Wie bei der Teilwertabschreibung besteht auch bei der AfaA ein Wahlrecht zur Vornahme in dem Jahr, in dem die Wertminderung eingetreten ist.11 Die AfaA ist bei außergewöhnlicher technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung sämtlicher Wirtschaftsgüter zulässig und gilt im Gegensatz zur Teilwertabschreibung für sämtliche Einkunftsarten. Voraussetzung ist entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden Wirtschaftsguts (als technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (als wirtschaftliche Abnutzung).12 Typische Beispiele für eine außergewöhnliche technische Abnutzung sind Einbußen infolge von Hochwasser, Sturm, Brand, Explosion, Kontamination, tektonischen Störungen, Insektenfraß oder Sachbeschädigungen.13 Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit ergeben sich vor allem durch technische Entwicklungen oder durch Modeänderungen, nicht dagegen bei bloßen Rentabilitätseinbußen, die bspw. aufgrund eines Überangebots eintreten.14 Eine außergewöhnliche Abnutzung erfolgt durch Einwirken von außen auf das Wirtschaftsgut im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung.15 Eine AfaA ist nicht zulässig bei einer von Beginn an bestehenden Beeinträchtigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 766 (Stand Juli 2016) mit Rechtsprechungsnachweisen. Vgl. Kulosa in Schmidt35, § 6 Rz. 313. Vgl. Nolde in HHR, § 7 EStG Rz. 202 (Stand März 2001); Velte, StuW 2008, 282. Vgl. Adrian in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 3339. Vgl. Herzig/Briesemeister, DB 2009, 979; Ortmann-Babel ua., DStR 2009, 936 mit Hinweis auf § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB („impairment only approach“). Letztere wird von Adrian in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 3339, schon als hM bezeichnet. Vgl. BFH v. 23.4.2009 – IV R 62/06, DB 2009, 1439 mit Anm. Hoffmann. Marx, Ubg. 2013, 359. Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 369. Vgl. Hoffmann, DB 2009, 1140. Vgl. Scheffler in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 2761; vgl. ausführlich Marx in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG2, § 7 Rz. 301 ff. Vgl. stRspr. des BFH, zB BFH v. 30.8.1994 – IX R 23/92, BStBl. II 1995, 306; v. 9.7.2002 – IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21. Vgl. Brandis in Blümich, § 7 EStG Rz. 393 (Stand Juli 2016). Vgl. Falterbaum ua., Buchführung und Bilanz22, 810; Marx, in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG2, § 7 Rz. 311. BFH v. 14.1.2004 – IX R 30/02, BStBl. II 2004, 592, unter II.1.a, mwN.; v. 8.4.2014 – IX R 7/13, BFH/NV 2014, 1202.

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§ 253 Rz. 159 | Zugangs- und Folgebewertung oder auch bei einer überhöhten Entgeltzahlung.1 Bei Wirtschaftsgütern, bei denen die AfA in fallenden Jahresbeträgen bemessen wird, sind AfaA nicht zulässig (§ 7 Abs. 2 Satz 4 EStG). 159

Soweit der Grund für eine AfaA in späteren Wirtschaftsjahren entfällt, ist in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG eine entsprechende Zuschreibung vorzunehmen. Vergleichbar mit der Zuschreibungspflicht bei Wegfall der Gründe für eine Teilwertabschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG) besteht auch hier ein Wertaufholungsgebot. Dies kommt bei Beseitigung der Ursache für die AfaA in Betracht, nicht aber, wenn andere Gründe eingetreten sind.2

E. Bewertung des Umlaufvermögens (Abs. 4) I. Wertmaßstäbe 160

Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt. Zur Abgrenzung des Umlaufvermögens vgl. Erl. zu § 247 HGB. Das Abschreibungsgebot bei Vorliegen eines niedrigeren Werts ist auf das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifizierte Imparitätsprinzip zurückzuführen.3 Zukünftige marktbedingte Preisrückgänge, die sich bereits am Abschlussstichtag abzeichnen, sind schon vor Realisation zu berücksichtigen.4 Das ist Ausdruck des strengen Niederstwertprinzips, das die Berücksichtigung nachteiliger Wertveränderungen am Abschlussstichtag unabhängig von der Dauerhaftigkeit fordert. Im Unterschied zum Anlagevermögen sind damit auch nur vorübergehende Wertminderungen erfolgswirksam zu erfassen. Im Zweifel sollen diese Vermögensgegenstände eher zu niedrig als zu hoch bewertet werden.5

161

Zur Anwendung des Niederstwertprinzips auf das Umlaufvermögen muss ein Einzelvergleich der Bewertung des Vermögensgegenstands zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit dem niedrigeren beizulegenden Wert am Abschlussstichtag erfolgen. Im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung sind auch alle vorhersehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen, die bis zum Abschlussstichtag entstanden, aber erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind (Wertaufhellung, vgl. Erl. zu § 252 HGB).6 Kann ein Börsen- oder Marktpreis nicht festgestellt werden und liegen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten über dem Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 4 Satz 2 HGB). 1. Börsen- oder Marktpreis

162

Die Bewertungskonzeption des § 253 HGB stellt vorrangig auf vorhandene oder zu ermittelnde Marktwerte ab. Ein Börsenpreis ist ein an einer Börse oder im Freiverkehr festgestellter Kurs, unter der Voraussetzung, dass Umsätze stattgefunden haben.7 Neben inländischen kommen auch ausländische Börsen in Betracht. Es erscheint fraglich, der Heimatbörse den Vorzug einzuräumen.8

163

Als Marktpreis wird derjenige Preis definiert, der an einem Handelsplatz für Waren einer bestimmten Gattung von durchschnittlicher Art und Güte zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbart wurde.9 Maßgeblich ist derjenige Markt, an dem das Unternehmen üblicherweise aktiv ist.10 Ein Abweichen vom Stichtagspreis kann erforderlich sein, wenn dieser sich deutlich von den Preisen unmittelbar vor oder nach dem Stichtag unterscheidet. Dann soll die Ermittlung eines Durchschnittspreises für einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen vor oder nach dem Stichtag an die Stelle des Stichtagspreises treten.11 Ein so ermittelter 1 Vgl. Lambrecht in Kirchhof, EStG15, § 7 Rz. 66; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, § 7 EStG Rz. 137. 2 Vgl. Marx in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG2, § 7 Rz. 356. 3 Vgl. Marx/Recktenwald, BB 1992, 1526 (1528); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 134; Kozikowski/ Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 506. 4 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 99. 5 Zur Konzeption vgl. Brösel/Olbrich in HdR5, § 253 HGB Rz. 621 (Stand Juni 2010). 6 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 507. 7 WPHandbuch15, Bd. 1, F Rz. 189. 8 So aber Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 511. 9 ADS6, § 253 HGB Rz. 504; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 253 Rz. 16; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 137; Kozikowski/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 512; WPHandbuch15, F Rz. 189; Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 10 (Stand Mai 2014). 10 Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 137. 11 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 105; ADS6, § 253 HGB Rz. 511.

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E. Bewertung des Umlaufvermögens (Abs. 4)

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Rz. 167 § 253

Durchschnittspreis ist zugrunde zu legen, wenn dieser unter dem Stichtagskurs liegt.1 Ist der Stichtagskurs jedoch niedriger als der Durchschnittspreis, muss geprüft werden, ob die Bewertung zum niedrigeren Stichtagskurs, die sich aus dem strengen Niederstwertprinzip grundsätzlich ableitet, zwingend geboten ist.2 Da die Preisnotierung am Abschlussstichtag besonders hohe oder besonders niedrige Werte (Zufallskur- 164 se) aufweisen kann, ist zu prüfen, ob dieser Wert für die Bilanzierung relevant ist.3 Das Abweichen vom Zufallskurs ist möglich, da § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB nicht auf den tatsächlichen Börsen- oder Marktpreis abstellt, sondern auf einen aus dem Börsen- oder Marktpreis abgeleiteten Wert.4 Liegt der Zufallskurs unter dem üblichen Kursniveau, ist aus Vorsichtsgründen der niedrigere Wert maßgebend. Liegt der Zufallskurs über dem üblichen Kursniveau, spricht das Gebot kaufmännischer Vorsicht gegen den Ansatz des Zufallskurses. 2. Beizulegender Stichtagswert a) Ableitung im Allgemeinen Nach Abs. 4 Satz 2 ist bei fehlendem Börsen- oder Marktpreis der Wert maßgebend, der dem Vermögensgegenstand am Abschlussstichtag beizulegen ist. Dieser Bewertungsmaßstab findet sich schon in den inzwischen aufgehobenen Bewertungsregeln der § 40 HGB, §§ 154, 155 AktG 1965 und war immer dann relevant, wenn die Verwendung anderer Bewertungsmaßstäbe nicht vorrangig vorgeschrieben war.5

165

§ 253 Abs. 4 HGB lässt offen, auf welche Weise der niedrigere Wert konkret ermittelt werden soll. Bei 166 Marktpreisen kann die Bewertung grundsätzlich am Beschaffungs- oder Absatzmarkt ausgerichtet sein. Davon hängt ab, ob der Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionswert zum Ansatz kommt oder – bei einer Orientierung am Absatzmarkt – der Verkaufspreis abzüglich der bis zum Absatz noch anfallenden Aufwendungen.6 Als GoB hat sich die beschaffungsmarktorientierte Bewertung von marktfernen, noch wesentlich zu verändernden Vermögensgegenständen durchgesetzt.7 Maßgebend hierfür sind vor allem Vorsichts-, Vereinfachungs- und Objektivierungsgründe.8 Einer im Schrifttum vorgetragenen Auffassung,9 auch marktferne Vermögensgegenstände – in Anlehnung an IAS 2 – absatzmarktorientiert zu bewerten, wird hier nicht gefolgt. Zwar hat sich der Einwand mangelnder Praktikabilität einer absatzmarktorientieren Bewertung durch die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie erheblich relativiert. Eine retrograde Wertermittlung vom Absatzpreis des Fertigerzeugnisses zum Wert des Rohstoffs erscheint allerdings nicht zweckadäquat, insbes. bei wesentlichen Wertschöpfungsbeiträgen.10 Die Beachtung des Einzelbewertungsgrundsatzes und die erforderliche Objektivierung in der Wertableitung führen zu einer beschaffungsmarktorientierten Bewertung von marktfernen Vermögensgegenständen.11 Bei Ableitung von Seiten des Beschaffungsmarkts ist der Wiederbeschaffungswert, bei der Ableitung aus 167 dem Absatzmarkt der Verkaufswert maßgebend. Für die einzelnen Gruppen des Umlaufvermögens sind Hilfsmaßstäbe heranzuziehen. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe werden inputorientiert bewertet. Hier ist der beizulegende Wert aus dem Beschaffungsmarkt abzuleiten.12 Soweit allerdings auch ein Fremdbezug des Erzeugnisses möglich ist, soll es auf den Beschaffungsmarkt ankommen.13 Unfertige Erzeugnisse/Leistun1 Vgl. WPHandbuch15, E Rz. 189. 2 Für eine Bewertung zum niedrigeren Stichtagskurs WPHandbuch15, F Rz. 189; ADS6, § 253 HGB Rz. 512; relativierend Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3 § 253 HGB Rz. 105. 3 Vgl. Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 18 (Stand Mai 2014). 4 Vgl. zum Folgenden Brösel/Olbrich in HdR5, § 253 HGB Rz. 637 (Stand Juni 2010); ADS6, § 253 HGB Rz. 512; Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 18 (Stand Mai 2014); WPHandbuch15, Bd. 1, F Rz. 189. 5 Vgl. Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 9 (Stand Mai 2014). 6 Vgl. Haaker/Velte, DStR 2014, 971. 7 ADS6, § 253 HGB Rz. 247 ff., Rz. 488 ff.; Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 516 ff.; Hoffmann/ Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 253 HGB Rz. 230 ff.; Böcking/Kornin Beck HdR, B 164 Rz. 189 ff. (Stand Dez. 2014); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 135; WPHandbuch15, F Rz. 187 ff. 8 Gelhausen ua., WPg. 2012, 1235. 9 Gelhausen ua., WPg. 2012, 1235. 10 Haaker/Velte, DStR 2014, 973. 11 Haaker/Velte, DStR 2014, 973. 12 Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 358–382; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung von Vorräten, 213–230. Es wird allerdings eine absatzmarktorientierte Bewertung für zulässig erachtet, wenn die marktfernen Vermögensgegenstände zur Erfüllung konkreter, am Abschlussstichtag fest kontrahierter, gewinnbringender Aufträge eingesetzt werden sollen; vgl. ADS6, § 253 HGB Rz. 538 ff.; WPHandbuch15, F Rz. 187. 13 Kritisch Siegel, BFuP 1998, 593 (594).

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§ 253 Rz. 168 | Zugangs- und Folgebewertung gen und fertige Erzeugnisse/Leistungen sind outputorientiert zu bewerten. Hier wird auf die Verhältnisse auf dem jeweiligen Absatzmarkt abgestellt.1 Für Handelswaren wird die sogenannte doppelte Maßgeblichkeit vertreten, dh., es wird auf den niedrigeren Wert auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt abgestellt (sog. doppelte Maßgeblichkeit, doppeltes Minimum).2 Das soll auch für Überbestände an unfertigen oder fertigen Erzeugnissen gelten, bei denen der niedrigere Zeitwert des Beschaffungs- und Absatzmarkts relevant sein soll. Demgegenüber wird auch vertreten, bei Waren ausschließlich auf die Verhältnisse am Absatzmarkt abzustellen.3 Das ist überzeugend, denn diese Vermögensgegenstände sind auf die Verwertung ausgerichtet, es bedarf keiner Abschreibung, sofern am Absatzmarkt keine niedrigeren Preise feststellbar sind.4 Die Kombination aus absatz- und beschaffungsmarktorientierter Bewertung für Handelswaren und für Überbestände an unfertigen und fertigen Erzeugnissen kann zu einer Überdehnung des Vorsichtsprinzips führen, wenn auf der Beschaffungsseite im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten niedrigere Werte am Stichtag vorliegen, denen aber auf der Absatzseite höhere Werte gegenüberstehen.5 168

Für Forderungen kann sich ein niedrigerer beizulegender Stichtagswert im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners ergeben, dem mittels Einzelwertberichtigungen oder Pauschalwertberichtigungen Rechnung zu tragen ist. Auch die Un- bzw. Unterverzinslichkeit von Forderungen kann bei Restlaufzeiten von über einem Jahr zu einer Abwertung auf den niedrigeren beizulegenden Wert führen. Zur Bewertung von Wertpapieren des Umlaufvermögens ist unter Berücksichtigung einer Veräußerungsabsicht der Wert aus dem Absatzmarkt abzuleiten.6 Auch bei liquiden Mitteln kann eine Bewertung unterhalb des Nennwerts erforderlich sein. Neben Bonitätsproblemen auf Seiten der Kreditinstitute können auch Negativzinsen zu einer Abwertung führen. Zur Bewertung der liquiden Mittel in Fremdwährung vgl. Erl. zu § 256a HGB. b) Einzelfragen zur Bewertung von Vorräten aa) Retrograde Wertermittlung

169

Zur Ableitung des beizulegenden Werts im Vorratsvermögen wird die retrograde Bewertung eingesetzt. Sie gilt vor allem für unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen, Fertigerzeugnisse und -waren.7 Die retrograde Methode soll zur verlustfreien Bewertung führen. Dabei wird von dem vorsichtig geschätzten, voraussichtlich zu erzielenden Veräußerungserlös ausgegangen. Davon sind nicht nur sämtliche noch anfallenden Herstellungskosten abzuziehen, sondern darüber hinaus auch alle sonstigen bis zur Verkaufsreife noch entstehenden Kosten. Das sind beispielsweise Verpackungskosten, Ausgangsfrachten, allgemeine Vertriebskosten (einschließlich der Lagerkosten für den Zeitraum bis zur voraussichtlichen Veräußerung), Verwaltungskosten und Erlösschmälerungen (Rabatte, Skonti etc.) sowie Fremdkapitalzinsen für den Zeitraum bis zum voraussichtlichen Eingang des Veräußerungserlöses.8

1 ADS6, § 253 HGB Rz. 488; Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 516, 521 ff.; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 253 HGB Rz. 230. 2 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 516 und 519; WPHandbuch15, F Rz. 187, 191; ADS6, § 253 HGB Rz. 514; Böcking/Korn in Beck HdR, B 164 Rz. ff. (Stand Dez. 2014); Brösel/Olbrich in HdR5, § 253 HGB Rz. 661 (Stand Juni 2010); Kleindiek in Großkomm.5, § 253 HGB Rz. 72; Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 413 (Stand Sept. 2002); ablehnend Böcking/Korn in Beck HdR, B 164 Rz. 181 (Stand Dez. 2014). 3 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3 § 253 HGB Rz. 111; Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 136. 4 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3 § 253 HGB Rz. 101 und 111. 5 Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung6, 273 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 33 ff.; Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 134 (Stand Dezember 2014); Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3 § 253 HGB Rz. 102; Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 20 (Stand Mai 2014). 6 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3 § 253 Rz. 115; aA Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 516. 7 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 521. 8 Vgl. Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 415 (Stand Sept. 2002); Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 28 (Stand Mai 2014).

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E. Bewertung des Umlaufvermögens (Abs. 4)

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Rz. 174 § 253

Die retrograde Bewertung lässt sich wie folgt schematisch darstellen:

170

Zukünftiger Verkaufserlös ./.

noch anfallende Herstellungskosten

./.

Erlösschmälerungen

./.

Verpackungskosten und Ausgangsfrachten

./.

allgemeine Vertriebskosten

./.

Verwaltungskosten

./.

Kapitalkosten

=

beizulegender Stichtagswert

Die Erlösschmälerungen umfassen Preisnachlässe zum Beispiel in Form von Skonti oder Mengenrabatt.1 171 Allgemeine Vertriebskosten können in Form von Provisionen und Lizenzgebühren entstehen. Als Verwaltungskosten sind insbes. die Kosten der Lagerhaltung und -verwaltung zu berücksichtigen. Die zukünftigen Kosten werden nach der Vollkostenmethode bei Normalbeschäftigung ermittelt.2 Der steuerlich zulässige Abzug des durchschnittlichen Unternehmergewinns bei der retrograden Wertermittlung, der mit Blick auf den gedachten Erwerber im Rahmen der Teilwertdefinition gerechtfertigt wird, ist handelsrechtlich nicht zulässig.3 Bei langfristiger Fertigung kann neben einer Abschreibung der Vorräte auf den niedrigeren beizulegen- 172 den Wert auch eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB in Betracht kommen. Das gilt dann, wenn sich unter Berücksichtigung der zukünftig noch anfallenden Kosten eine Unterdeckung ergibt. Im Rahmen der Bewertung sind zunächst die Vorräte verlustfrei zu bewerten und danach eine Drohverlustrückstellung zu prüfen.4 Sogenannte Verlustprodukte, dh. Produkte, die bewusst nicht kostendeckend angeboten werden, sind 173 ebenfalls im Rahmen des strengen Niederstwertprinzips verlustfrei zu bewerten. Eine mögliche Kompensation mit damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteilen für das Unternehmen darf aufgrund des Einzelbewertungsgrundsatzes nicht erfolgen. Nur in den Fällen, in denen eine sehr enge wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Hauptprodukt und einem ergänzenden Nebenprodukt (Verlustprodukt) besteht, kann auf eine Abwertung verzichtet werden.5 bb) Gängigkeits- oder Reichweitenabschläge Gängigkeits- oder Reichweitenabschläge bei der Bewertung von Vorräten tragen der erheblichen Kapital- 174 bindung und der Risikoposition des Unternehmens Rechnung. Gängigkeitsabschläge erfassen die Risiken aus längerer Lagerdauer und möglicher Unverkäuflichkeit der Vorräte. Sie können insbes. für Ersatz- und Reserveteile in Betracht kommen, da hier ein großer Zeitraum der Lieferbereitschaft durch den Produzenten oder Händler abgedeckt werden muss. In der Automobilindustrie kann das Ende der Ersatzteilversorgung (EOS – End of Service) bis zu 15 Jahre nach Ende der Produktionszeit betragen; anschließend wird über eine End- oder Allzeitbevorratung entschieden. Neben den Mengenrisiken sind Risiken der Alterung der Bestände (Oxidation/Rost; technisches Ablaufdatum), marktliche oder rechtliche Verwertungsbeschränkungen und das Risiko des technischen Fortschritts zu beachten.6 Bilanziell ist es daher notwendig, die Lager- und Zinskosten sowie andere Risiken adäquat zu erfassen. Auch andere Vorratsposten können von Gängigkeitsrisiken betroffen sein. Größere Lagerbestände sind deshalb auf der Grundlage des Niederstwertprinzips unter Berücksichtigung der Reichweite abzuwerten.7 Dazu muss die Umschlaghäufigkeit des Vorratspostens ermittelt werden. Der Lagerumschlag gilt als Indiz für die Gängigkeit.8 1 Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 522. 2 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 522; Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 416 (Stand Sept. 2002). 3 Vgl. ADS6, § 253 HGB Rz. 526; Wohlgemuth in HdJ, I/11 Rz. 37 (Stand Mai 2014). 4 Vgl. IDW RS HFA 4. 5 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 525. 6 Vgl. Kemper/Beck/Konold, DStR 2014, 1370 (1372); Heinemann, DStR 2014, 2327; Kemper/Beck/Konold, DStR 2014, 2330. 7 Vgl. Kemper/Beck/Konold, DStR 2014, 1370 (1371). 8 ADS6, § 253 HGB Rz. 518; Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 529; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 142.

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§ 253 Rz. 175 | Zugangs- und Folgebewertung 175

Die Umschlagshäufigkeit wird wie folgt ermittelt: Umschlagsh¨aufigkeit ¼

Lagerabgang pro Jahr in St¨uck Inventurbestand in St¨uck

Anstelle des Inventurbestands wird auch der durchschnittliche Bestand im Nenner angesetzt. Alternativ kann der Zeitpunkt des letzten Lagerabgangs für die Beurteilung von Gängigkeitsabschlägen herangezogen werden.1 c) Anwendung des Niederstwertprinzips auf Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände aa) Einzelbewertung und Wertberichtigung 176

Forderungen sind nach § 253 Abs. 4 Satz 2 HGB auf den Wert abzuschreiben, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist. Dies betrifft sämtliche Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens. Neben Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind Forderungen gegen verbundene Unternehmen, Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, und sonstige Vermögensgegenstände einzubeziehen.2 Dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) wird im Rahmen der Forderungsbewertung durch eine individuelle Erfassung von Wertminderungen entsprochen.

177

Zweifelhafte Forderungen sind mit dem wahrscheinlichen Wert und uneinbringliche Forderungen mit Null (als Nettobetrag) anzusetzen.3 Wertberichtigungen sind grundsätzlich auf der Basis von Nettobeträgen zu ermitteln.4 Die Berichtigung der Umsatzsteuer erfolgt eigenständig nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben (§ 17 UStG). Individuelle Merkmale der Forderung können eine Einzelabwertung rechtfertigen. Diese können sich aus der Person des Schuldners oder der Eigenschaft der Forderung ergeben. Darüber hinaus können aber auch alle anderen Umstände, die den Forderungseinzug als zweifelhaft einstufen, von Bedeutung sein.5 Eine Einzelwertabschreibung wird nicht dadurch unzulässig, dass ein Kunde trotz bekannter Zahlungsschwierigkeiten weiter beliefert wird.6 Zum Zweck der Vornahme von Einzelwertberichtigungen dürfen Forderungen, die nach Art und Umfang mit etwa gleichen Risiken behaftet sind, zu Bewertungsgruppen zusammengefasst werden.7

178

Die den Forderungen anhaftenden Risiken lassen sich allgemein wie folgt gruppieren:8 – Das Ausfallrisiko, das in einer nur teilweisen Begleichung der Forderung oder sogar in einem vollständigen Ausfall der Forderung bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bestehen kann. – Das Risiko aus Forderungsverkäufen, das in möglichen negativen Erfolgsbeiträgen besteht, wenn die Forderungen unter ihrem Buchwert verkauft werden (zB beim Factoring). – Das Wechselkursrisiko bei möglichen negativen Entwicklungen des Wechselkurses bei Fremdwährungsforderungen. – Das Länderrisiko betreffend den möglichen Ausfall auf Basis länderspezifischer Ratings. – Das Risiko aus Zinserhöhungen, die – im Vergleich zu den sich in den Konditionen widerspiegelnden Refinanzierungskosten – zu einem negativen Erfolgsbeitrag führen. – Das Beitreibungsrisiko infolge der nötigen Mahn-, Gerichts-, Anwalts- und sonstigen Transaktionskosten. Für jede einzelne Forderung sind die og. Risiken gesondert festzustellen und im Rahmen der Einzelbewertung zu quantifizieren, so dass sich Einzelwertberichtigungen ergeben (können). Für die Bewertung ist auf die Verhältnisse am Abschlussstichtag abzustellen.9 Besteht allerdings eine Delkredereversicherung, dürfen das Risiko des Forderungsausfalls und die Leistung der Delkredereversicherung unter Berücksichtigung eiADS6, § 253 HGB Rz. 518; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 1135. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 559. Vgl. Bertram/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 253 HGB Rz. 307. Vgl. Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 433 (Stand Sept. 2002). Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 570. BFH v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl. II 2004, 941. ADS6, § 253 HGB Rz. 533. Vgl. Schäfer, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Forderungen2, 91; Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 429 (Stand Sept. 2002); Poullie in HdJ, II/6 Rz. 145 ff. (Stand Sept. 2010). 9 Poullie in HdJ, II/6 Rz. 147 (Stand Sept. 2010). 1 2 3 4 5 6 7 8

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E. Bewertung des Umlaufvermögens (Abs. 4)

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Rz. 182 § 253

nes Selbsteinbehalts saldiert werden. Die Durchbrechung des Grundsatzes der Einzelbewertung wird zugelassen, da das Ausfallrisiko und der Versicherungsanspruch eine Bewertungseinheit bilden.1 bb) Pauschalwertberichtigungen Über Einzelwertberichtigungen hinaus können bei Forderungen weitere Abwertungen in Betracht kommen, 179 die Risiken betreffen, die noch nicht im Rahmen von Einzelwertberichtigungen berücksichtigt worden sind oder für die keine Delkredereversicherung besteht. Auszuklammern sind auch unbestrittene Forderungen gegenüber öffentlichen Auftraggebern.2 Diese noch nicht berücksichtigten Risiken sind in Form von Pauschalwertberichtigungen zu erfassen. Es handelt sich um pauschalisierte Einzelwertberichtigungen für bestimmte Gruppen von Forderungen. Dabei sind die og. Risiken möglichst differenziert zu erfassen. Die Ermittlung erfordert große Sorgfalt hinsichtlich der Berücksichtigung von Besonderheiten der Branche und der Kundengruppen.3 Neben dem Ausfallrisiko sind die Kosten der Einziehung der Forderungen, die Kosten für Mahnungen, die gerichtliche Verfolgung und die Zwangsvollstreckung, noch zu erwartende Preisnachlässe und mögliche Skontoabzüge sowie Zinsverluste zu berücksichtigen.4 Die Praxis arbeitet hier mit differenzierten, nachvollziehbar abgeleiteten Prozentsätzen. Abgegrenzt werden muss gegenüber dem allgemeinen Geschäftsrisiko und einem allgemeinen Konjunkturrisiko, die eine Abwertung der Forderung nicht rechtfertigen. Ebenso unbeachtlich sind künftige Ereignisse in der Sphäre des Schuldners oder allgemeiner Art. Die Höhe der Pauschalwertberichtigung ist nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu schätzen. 180 Besteht ein Schätzungsrahmen, so soll innerhalb des Rahmens die ungünstigste Prognose für die Berechnung der Pauschalwertberichtigung zugrunde gelegt werden.5 Zur Fundierung der Schätzung dienen Daten, die die Erfahrungen der Vergangenheit reflektieren. Es sollten aber auch Erwartungen über die zukünftige Entwicklung der Zahlungsbereitschaft der Schuldner einfließen.6 Buchhalterisch wird die Wertberichtigung im Wege der direkten Abschreibung vorgenommen.7 cc) Bewertung unverzinslicher und unterverzinslicher Forderungen Unverzinsliche und unterverzinsliche Forderungen des Umlaufvermögens werden nach § 253 Abs. 4 181 Satz 2 HGB abgezinst und mit dem Barwert angesetzt. Die Diskontierung erfolgt unter Zugrundelegung des landestypischen Zinsfußes für festverzinsliche Wertpapiere mit entsprechender Restlaufzeit.8 Unterverzinsliche Forderungen sind mit dem Differenzzinssatz zu diskontieren. Bei Forderungen mit einer Restlaufzeit unter einem Jahr sollte aus Praktikabilitätsgründen auf eine Abzinsung verzichtet werden.9 Auch zinslose oder zinsbegünstigte Darlehen an Arbeitnehmer, Organmitglieder oder Handelsvertreter sind mit dem Barwert anzusetzen. Der Einzelbewertungsgrundsatz zwingt zu einer Erfassung des Zinsnachteils, obwohl mögliche Vorteile aus der Bindung an das Unternehmen gegenüberstehen.10 Das gilt auch für unverzinsliche Wohnungsbaudarlehen mit Belegungsrecht, zB für Arbeitnehmer des Unternehmens.11 dd) Bewertung von Forderungen gegen verbundene Unternehmen, Gesellschafter und gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht Auch für diese Forderungen gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 253 HGB, insbes. auch 182 das Niederstwertprinzip. Handelsrechtlich gibt es kein Gebot korrespondierender Bilanzierung von Forderungen und Verbindlichkeiten auf der Ebene des Schuldners. Für pauschale Wertabschläge dürfte regelmäßig kein Anlass bestehen, da eine hinreichend zuverlässige Einzelbewertung möglich ist.12 Ggf. können Bewertungsprobleme entstehen, wenn Forderungen und Verbindlichkeiten sich nicht entsprechen oder wenn Maßnahmen im Interesse der verbundenen Unternehmen getroffen oder unterlassen wurden.13 1 Vgl. Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 431 (Stand Sept. 2002); Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, F Rz. 446; Knüppe, DB 1985, 2361. 2 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, F Rz. 444. 3 Vgl. Poullie in HdJ, II/6 Rz. 165 (Stand Sept. 2010). 4 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 582. 5 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 586. 6 Vgl. Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 432 (Stand Sept. 2002). 7 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, E 1232. 8 Vgl. ADS6, § 253 HGB Rz. 532; Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 592. 9 Vgl. ADS6, § 253 HGB Rz. 532. 10 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 594. 11 Vgl. Schubert/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 594. 12 Vgl. Poullie in HdJ, II/6 Rz. 170 (Stand Sept. 2010). 13 Vgl. Poullie in HdJ, II/6 Rz. 171 (Stand Sept. 2010) mit Hinweis auf berichtspflichtige Beziehungen zu verbundenen Unternehmen gem. § 312 Abs. 1 AktG („Abhängigkeitsbericht“).

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§ 253 Rz. 183 | Zugangs- und Folgebewertung ee) Eingeforderte ausstehende Einlagen, rückständige fällige Einzahlungen auf Geschäftsanteile, Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA und eingeforderte Nachschüsse 183

„Eingeforderte ausstehende Einlagen“ bei Kapitalgesellschaftern, „Rückständige fällige Einzahlungen auf Geschäftsanteile“ bei eingetragenen Genossenschaften und „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ einer KGaA werden mit dem Nennwert bewertet.1 Rechtsgrundlagen sind § 272 Abs. 1 und § 337 Abs. 1 Satz 5 HGB. Für die Posten gelten die allgemeinen Bewertungsregeln, so dass im Fall mangelnder Bonität außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen sind. Die Frage der Werthaltigkeit stellt sich insbes. bei eingeforderten Nachschüssen. ff) Bewertung von Währungsposten

184

Bei Fremdwährungsforderungen kann sich ein Abwertungsbedarf am Abschlussstichtag ergeben, wenn der Devisenkassamittelkurs nach § 256a HGB der Fremdwährung gegenüber dem Euro im Vergleich zum Wechselkurs bei Entstehen der Forderung gesunken ist.2 Sofern keine Maßnahmen zur Absicherung getroffen wurden, ist unter Anwendung des Niederstwertprinzips zwingend auf den niedrigeren Wert abzuschreiben.3 Sind Fremdwährungsforderungen Teil einer Bewertungseinheit nach § 254 HGB, sind diese ausdrücklich von den Regelungen des § 256a HGB in dem Umfang und für den Zeitraum befreit, in dem sich die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme ausgleichen.4 Zur Bewertung von Fremdwährungsposten vgl. die Kommentierung zu § 256a HGB. gg) Bewertung von Optionen und Termingeschäften

185

Prämien für Optionen und ähnliche Rechte sind nach den allgemeinen Regeln zu Anschaffungskosten oder mit dem niedrigeren Börsenpreis zu bewerten. Hilfsweise kommt eine Bewertung mit dem niedrigeren inneren Wert in Betracht. Zu prüfen ist die Bildung einer Bewertungseinheit mit dem Grundgeschäft, wenn die Option als Sicherungsgeschäft dient (vgl. Erl. zu § 254 HGB). hh) Bewertung von Wertpapieren

186

Die dem Umlaufvermögen zugeordneten Wertpapiere sind zum alsbaldigen Verkauf vorgesehen. Für die Anwendung des Niederstwertprinzips ist der am Abschlussstichtag erzielbare Absatzpreis heranzuziehen. Das ist im Fall einer Börsennotierung der Börsenpreis am Stichtag, anderenfalls der Marktpreis oder der beizulegende Wert unter Berücksichtigung anfallender Transaktionskosten.5 Die Gruppenbewertung und die Sammelbewertung (§ 240 Abs. 4 HGB) werden für die Bewertung von Wertpapieren für zulässig erachtet.6 ii) Bewertung liquider Mittel

187

Liquide Mittel (§ 266 Abs. 2 B. IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks HGB) sind grundsätzlich mit dem Nennwert zu bewerten. Guthaben bei Kreditinstituten können zwar regelmäßig als sicher angesehen werden.7 Bonitätsprobleme der Kreditinstitute, bei denen Guthaben bestehen, können aber eine Abwertung auf den niedrigeren beizulegenden Wert zur Folge haben.8 Guthaben bei insolventen Kreditinstituten sind wie Forderungen gegenüber insolventen Unternehmen mit dem niedrigeren beizulegenden Wert zu bewerten.9 Die Bewertung der flüssigen Mittel in Fremdwährung erfolgt grundsätzlich mit dem Devisenkassamittelkurs, es sei denn, es handelt sich um Sorten, die mit dem Devisenkassakurs umzurechnen sind (vgl. § 256a HGB). Nach § 256a Satz 2 HGB sind bei einer 1 Vgl. Poullie in HdJ, II/6 Rz. 172 (Stand Sept. 2010). 2 Vgl. Kozikowski/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 125; Küting/Mojadadr, HdR5, § 256a HGB Rz. 65 (Stand Juni 2010); Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 114; Poullie in HdJ, II/6 Rz. 157 (Stand Sept. 2010). 3 Vgl. Brösel/Olbrich in HdR5, § 253 HGB Rz. 667 (Stand Juni 2010). 4 Vgl. Poullie in HdJ, II/6 Rz. 158 (Stand Sept. 2010). 5 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 115. 6 Vgl. Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 436 (Stand Sept. 2002). 7 Vgl. Dobler/Maul in HdJ, II/7 Rz. 137 (Stand Feb. 2007). 8 Vgl. Dobler/Maul in HdJ, II/7 Rz. 137 (Stand Feb. 2007); Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 116; Bertram/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 253 Rz. 323; Brösel/Olbrich in HdR5, § 253 HGB Rz. 222 (Stand Nov. 2012); Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 253 HGB Rz. 246; Scheffler in Beck HdR, B 217 Rz. 30 (Stand Mai 2013). 9 Vgl. Dobler/Maul in HdJ, II/7 Rz. 137 (Stand Feb. 2007).

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E. Bewertung des Umlaufvermögens (Abs. 4)

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Rz. 192 § 253

Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB nicht anzuwenden. Die Durchbrechung des Realisationsprinzips wird mit der kurzfristigen Verfügbarkeit gerechtfertigt.1 Die Bewertung mit dem Nennwert ist in besonderen Situationen zu überprüfen. Die von der EZB berechneten Negativzinsen werden von den Kreditinstituten bei entsprechend hohen Einlagen an die Kunden weitergegeben („individuelle Guthabengebühr“). Negativzinsen führen dann zu einer Abwertung der liquiden Mittel auf den beizulegenden Wert in Höhe der zu erwartenden Einbuße.

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II. Steuerrechtliche Bewertungsregeln für Vorräte und Forderungen 1. Vorräte Für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige und fertige Erzeugnisse sowie Waren sind nach § 6 Abs. 1 189 Nr. 2 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Regelbewertungsmaßstäbe heranzuziehen. Ist der Teilwert am Bilanzstichtag aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, kann dieser angesetzt werden. Die Vornahme von außerplanmäßigen Abschreibungen im Vorratsvermögen der Handelsbilanz ist nicht zwingend in der Steuerbilanz durch eine Teilwertabschreibung nachzuvollziehen; in der Steuerbilanz kann darauf verzichtet werden.2 Eine Begrenzung durch das Stetigkeitsgebot wird offenbar nicht angenommen.3 Seit Inkrafttreten des BilMoG und der Neuausrichtung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes ist die Teilwertabschreibung damit auch ungeplant steuerbilanzpolitisches Mittel geworden.4 Bei einer Abweichung von der Handelsbilanz sind die Wirtschaftsgüter in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen stellt nach wie vor einen wesentlichen Streitpunkt mit der 190 Finanzverwaltung dar. Üblicherweise tendieren Unternehmen dazu, mit steuerlicher Wirkung außerplanmäßig abzuschreiben, um ihre aktuelle Fiskalbelastung zu reduzieren. Demgegenüber haben Rspr. und Verwaltung durch Entscheidungen und Interpretationen der Teilwertfiktionen zu einer tatsächlichen Begrenzung der Teilwertabschreibungen beigetragen.5 Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein fiktiver Erwerber des ganzen Betriebs im 191 Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut unter Annahme der Betriebsfortführung ansetzen würde. Finanzverwaltung und Rspr. stellen auch im Umlaufvermögen strenge Anforderungen an den Nachweis des niedrigeren Teilwerts und behelfen sich mit sog. Teilwertvermutungen, die im Ergebnis aber regelmäßig den bisherigen Buchwert bestätigen und somit eine Teilwertabschreibung versagen.6 Hierbei bilden (fortgeführte) Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Wiederbeschaffungs- oder Wie- 192 derherstellungskosten und der Einzelveräußerungspreis die Basis. Die Widerlegung dieser Vermutungen mittels Darlegung konkreter, nachprüfbarer Tatsachen oder Umstände obliegt dem Steuerpflichtigen. Ein negativer Teilwert kann nicht angesetzt werden.7 Ist der Unterschied zwischen Buchwert und Teilwert nur geringfügig, so soll dies keine Teilwertabschreibung rechtfertigen. Der I. Senat des BFH hat sich in seiner Entscheidung vom 13.4.1988 schon von Wesentlichkeitsüberlegungen leiten lassen und ein „nicht unerhebliches Unterschreiten“ vorausgesetzt.8 Wesentlichkeitsüberlegungen kommen auch in der Entscheidung des I. Senats des BFH vom 21.9.20119 zum Ausdruck. Eine restriktive Anwendung des Wesentlichkeitsgrundsatzes mit maßvoller Einwirkung auf den Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung

1 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 116. 2 R 6.8 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStR 2012; BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239 Rz. 15; zu Recht kritisch Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 9 Rz. 106 und 320, da weitreichende Wahlrechte mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung kaum vereinbar sind. 3 Dietel, DB 2012, 483 mwN.; Grieser/Faller, DStR 2012, 732. 4 Herzig/Briesemeister, DStR 2009, 978; Künkele/Zwirner, Stbg. 2012, 276 f.; kritisch Hoffmann, StuB 2010, 210; Hennrichs, Ubg. 2009, 538; Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 398; Marx, StuB 2012, 661: Außerplanmäßige Abschreibungen sind kein Gestaltungsmittel, da das Messziel durch beliebiges Unterlassen bzw. Durchführen wesentlich verfälscht werden kann. 5 Vgl. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, 2008, 83 ff. 6 Vgl. Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 919; Marx, StuB 2012, 661. 7 Vgl. Gabert in HHR, § 6 EStG Rz. 452 (Stand Sept. 2015) mwN. 8 BFH v. 13.4.1988 – I R 104/86, BStBl. II 1988, 892; Marx, FR 2011, 267; Hirschberger/Leuz, DB 2012, 2529 mit Hinweis auf den Entwurf der EU-Richtlinie 2013/34/EU. 9 BFH v. 21.9.2011 – I R 89/10, DStR 2012, 21 (mit Anm. Hoffmann). Auch BFH v. 19.7.2011 – X R 26/10, BStBl. II 2012, 856 ist von Wesentlichkeitsüberlegungen geprägt.

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§ 253 Rz. 193 | Zugangs- und Folgebewertung trägt dazu bei, die Vollzugskosten der Besteuerung in Form von Deklarations- und Kontrollkosten zu reduzieren.1 193

Seit der Neuregelung durch das StEntlG 1999/2000/2002 kann der niedrigere Teilwert nur bei voraussichtlich dauernder Wertminderung angesetzt werden, was die Beteiligten mit einem Prognoseproblem beschäftigt. Korrespondierend dazu besteht eine strikte Wertaufholungspflicht. Die vom Gesetzgeber damals beabsichtigte Gegenfinanzierungswirkung der Änderungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 stellt aus rechtsmethodischer Sicht kein geeignetes Argument dar, die Auslegungsmöglichkeiten zu verengen und ein eingeschränktes Normverständnis zu rechtfertigen.

194

Auch im Umlaufvermögen wird – wie beim Anlagevermögen – eine voraussichtlich dauernde Wertminderung iS eines nachhaltigen Absinkens gegenüber dem bisherigen Buchwert vorausgesetzt. Die Durchbrechung des Imparitätsprinzips ist rechtspolitisch fragwürdig, da Umlaufvermögen – insbes. das Vorratsvermögen – schnell umgeschlagen werden soll.2 Aus Sicht des Bilanzstichtags muss nach objektiven Anzeichen tendenziell mit einer langfristig anhaltenden Wertminderung gerechnet werden, die allerdings die Möglichkeit einer gegenläufigen Wertentwicklung in Zukunft nicht ausschließt. Es bedarf einer an der Eigenart des Wirtschaftsguts ausgerichteten Prognose durch den Steuerpflichtigen als sorgfältiger und gewissenhafter Kaufmann. Zu jedem folgenden Bilanzstichtag muss die Wertminderung erneut nachgewiesen werden.

195

Im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung entspricht der Teilwert den tatsächlich aufgewendeten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.3 Das gilt auch für die Bewertung in einem anschaffungs- oder fertigstellungsnahen Zeitpunkt oder bei Zahlung eines Überpreises.4

196

Zu späteren Zeitpunkten entspricht der Teilwert im Vorratsvermögen den Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten.5 Die Teilwertvermutungen sind allerdings durch den Steuerpflichtigen widerlegbar. Äußere Ursachen können ein Absinken der Wiederbeschaffungskosten oder ein Sinken der voraussichtlichen Verkaufserlöse unter die Selbstkosten darstellen.6 Als innere Ursachen kommen Wertminderungen durch Mängel, Lagerschäden und Überalterung in Betracht.7 Der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Vorratsvermögens, deren Einkaufspreis am Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist, deckt sich idR mit deren Wiederbeschaffungskosten unter Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten am Bilanzstichtag, und zwar auch dann, wenn mit einem entsprechenden Rückgang der Verkaufspreise nicht gerechnet zu werden braucht.8

197

Für Fertigerzeugnisse oder Waren, die durch Lagerung, Änderung des modischen Geschmacks oder aus anderen Gründen im Wert gemindert sind, ist als niedrigerer Teilwert der Betrag anzusetzen, der von dem voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös nach Abzug des durchschnittlichen Unternehmergewinns und des nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen Aufwands verbleibt (retrograde Ermittlung des Teilwerts).9 Voraussichtlich erzielbarer Nettoverkaufserlös

198

./.

noch anfallende Vertriebskosten

./.

durchschnittlicher Unternehmergewinn

=

Teilwert

Im Regelfall entspricht der Teilwert dem Betrag, der sich nach Kürzung des erzielbaren Verkaufserlöses um den nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden Teil des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags ergibt (Subtraktionsmethode).10 Bei unterschiedlichen Aufschlagsätzen ist der für die jeweilige Warengruppe 1 Vgl. Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 259 (Stand Aug. 2015): Wesentlichkeit als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; aA für Rechnungsabgrenzungsposten Tiedchen in HdJ, II/9 Rz. 99 (Stand Aug. 2013). 2 Vgl. Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 9 Rz. 321; zum Prognoseproblem Schneider in Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, 292. 3 Vgl. BFH v. 25.8.2001 – IV R 40/97, BStBl. II 2001, 717. 4 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht14, 178 f. 5 BFH v. 13.4.1988 – I R 104/86, BStBl. II 1988, 892; v. 31.1.1991 – IV R 31/90, BStBl. II 1991, 627; v. 25.11.1993 – I R 68/92, BStBl. II 1995, 336. 6 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht14, 178. 7 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht14, 178. 8 R 6 Abs. 8 Satz 2 EStR 2012. 9 R 6.8 Abs. 2 Satz 3 EStR 2012. 10 BFH v. 24.7.2003 – I B 107/02, BFH/NV 2004, 34; v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298.

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E. Bewertung des Umlaufvermögens (Abs. 4)

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Rz. 202 § 253

maßgebende Satz zu berücksichtigen.1 Der Teilwert kann aber auch nach der sog. Formelmethode ermittelt werden, die aber tendenziell zu einem höheren Teilwertansatz führt:2 X = Z : (1 + Y1 + Y2 × W) mit:

X

der zu suchende Teilwert

Z

der erzielbare Verkaufspreis

Y1

der Durchschnittsunternehmergewinnprozentsatz (bezogen auf die Anschaffungskosten)

Y2

der Rohgewinnaufschlagsrest

W der Prozentsatz an Kosten, der noch nach Abzug des durchschnittlichen Unternehmergewinnprozentsatzes vom Rohgewinnaufschlagssatz nach dem Bilanzstichtag anfällt. Durch den Abzug des durchschnittlichen Unternehmergewinns wird das nächste Wirtschaftsjahr entlas- 199 tet, damit bei der Veräußerung der Vorräte ein Gewinn entstehen kann. Das entspricht zwar der Teilwertdefinition, denn ein gedachter Erwerber würde auf den erzielbaren Gewinn nicht verzichten.3 Diese Betrachtung geht aber über eine reine Verlustantizipation hinaus.4 Besondere Problemfelder der Teilwertermittlung zeigen sich bei der Bewertung von Vorräten, die nicht 200 schnell umgeschlagen werden (können). Die Einteilung bestimmter Vorratsgüter (zB Ersatzteile) in Gängigkeitsklassen und die Feststellung der Umschlaghäufigkeit können im Einzelfall zu einem niedrigeren Teilwert führen.5 Die längere Lagerdauer legt eine Qualitätsminderung der Vorräte bis zur Unverkäuflichkeit nahe. Eine pauschale Teilwertabschreibung kann daraus aber nicht abgeleitet werden, wenn die Waren oder Erzeugnisse weiterhin zu den ursprünglichen oder gar zu erhöhten Preisen angeboten und verkauft werden.6 Neben einer detaillierten Ermittlung von Lagerumschlagshäufigkeit (bzw. Lagerreichweite) bedarf es eines aussagekräftigen Nachweises der erforderlichen Kosten oder Erlösminderungen.7 Die Finanzverwaltung verfügt über Statistiken mit Gängigkeitsabschlägen bei Beständen des Vorratsvermögens.8 Eine Fehlmaßnahme, die zur Teilwertabschreibung berechtigt, kann vorliegen, wenn sich ein hergestelltes Wirtschaftsgut als unverkäuflich erweist.9 Als unverkäuflich gekennzeichnete Ärztemuster sind als materielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens mit ihren Herstellungskosten zu bewerten, es sei denn, besondere Umstände (beispielsweise Überalterung) rechtfertigen eine Teilwertabschreibung.10

201

Die Finanzrechtsprechung hat eine Teilwertabschreibung verneint, wenn Erzeugnisse bewusst zu unter 202 den Selbstkosten liegenden Preisen verkauft werden (Verlustprodukte), beispielsweise um einen anderen Anbieter vom Markt zu verdrängen, um das Produkt in den Markt einzuführen, um diee Angebotspalette zu komplettieren und so den Absatz gewinnbringender anderer Produkte zu fördern oder um einen Konjunkturrückgang zu überbrücken.11 In diesen Fällen würde auch ein gedachter Erwerber Herstellung oder Vertrieb der Verlustprodukte fortsetzen.12 Bei einem insgesamt rentabel geführten Unternehmen liegt nach Ansicht des BFH keine Fehlmaßnahme vor. Zu Recht kritisiert das Schrifttum dies als Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz und das Imparitätsprinzip und betont die mangelnde Greifbarkeit kom-

1 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 260 mit Hinweis auf BFH v. 13.3.1964 – IV 236/63 S, BStBl. III 1964, 426. 2 R 6.8 Abs. 2 Satz 4 EStR 2012; Schlotter in MünchKomm. HGB3, § 253 Rz. 28. 3 So BFH v. 5.5.1966 – IV 252/60, BStBl. III 1966, 370. Zur Entwicklung der Rechtsprechung Kleinle/Dreixler in HHR, § 6 EStG Rz. 1014 (Stand Sept. 2015). 4 Vgl. Euler, ZfbF 1991, 210; Müller, DB 1996, 689 f.; Kleinle/Dreixler in HHR, § 6 EStG Rz. 582 (Stand Sept. 2015). 5 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 690 (Stand Sept. 2016). 6 BFH v. 24.2.1994 – IV R 18/92, BStBl. II 94, 514 mwN.; v. 3.10.1963 – IV 214/61 U, BStBl. III 1964, 7; v. 22.8.1968 – IV R 234/67, BStBl. II 1968, 801; v. 5.6.1985 – I R 65/82, BFH/NV 1986, 204; Moxter, Bilanzrechtsprechung6, 313. 7 Vgl. Hoffmann, DStR 1994, 970 f.; Kemper/Beck ua., DStR 2014, 1370 (1372 f.). 8 Vgl. Wünsch in Koenig, AO3, § 88a Rz. 5 zum Hinweis auf die Sammlung beim BZSt. 9 BFH v. 4.6.1959 – IV 115/59 U, BStBl. III 1959, 325, hierzu Moxter, Bilanzrechtsprechung6, 285; BFH v. 14.2.1956 – I 239/54 U, BStBl. III 1956, 102. 10 BFH v. 30.1.1980 – I R 89/79, BStBl. II 1980, 327. 11 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 690 (Stand Sept. 2016); BFH v. 29.4.1999 – IV R 14/98, BStBl. II 1999, 681; Werndl in KSM, § 6 EStG Rz. B 392 (Stand Mai 2008); Thiele/Prigge in BKT, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 420 (Stand Sept. 2002); Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 253 HGB Rz. 233. 12 AA Breidert, BB 2001, 979; vgl. dazu Herzig, StbJb. 2000/01, 281.

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§ 253 Rz. 203 | Zugangs- und Folgebewertung pensierender Vorteile.1 Die Teilwertvermutungen gelten auch bei überhöhten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.2 203

Teilfertige Bauten sowie unfertige Erzeugnisse können, auch wenn sie im Rahmen eines schwebenden Geschäfts hergestellt werden, mit dem niedrigeren Teilwert zu bewerten sein.3 Bei der Ermittlung des Teilwerts ist der gesamte drohende Verlust aus dem noch nicht erfüllten Bauauftrag zu berücksichtigen, allerdings begrenzt auf die Höhe der aktivierten Teilherstellungskosten. Die Teilwertdefinition schließt eine Teilwertabschreibung aus, die sich am Fertigstellungsgrad orientiert.4 An der Beurteilung hat sich nach Ansicht des BFH nichts durch die Einführung des § 5 Abs. 4a EStG geändert. Die Teilwertabschreibung hat demnach Vorrang vor der Verlustrückstellung.5

204

Wird das Lifo-Verfahren angewandt, ist zur Prüfung einer Teilwertabschreibung der Teilwert der zu einer Gruppe zusammengefassten Wirtschaftsgüter mit dem Wertansatz, der sich nach Anwendung der LifoMethode ergibt, zu vergleichen. Wurden Layer gebildet, ist der Wertansatz des einzelnen Layers mit dem Teilwert zu vergleichen und ggf. gesondert auf den niedrigeren Teilwert abzuschreiben.6

205

Die Bagatellgrenze für das Geltendmachen einer Teilwertabschreibung von 5 % soll für das Umlaufvermögen keine Relevanz haben.7

206

Zur Geltendmachung der Teilwertabschreibung muss der Steuerpflichtige die voraussichtlich dauernde Wertminderung nachweisen. Das gilt auch für den Ansatz am Ende des folgenden Wirtschaftsjahres (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Die vorzulegenden Unterlagen müssen eine sachgemäße Schätzung ermöglichen. IdR sind die tatsächlich erzielten Verkaufspreise für die im Wert geminderten Vorratsgüter in der Weise und in einer so großen Anzahl von Fällen nachzuweisen, dass sich daraus ein repräsentativer Querschnitt für die zu bewertenden Wirtschaftsgüter ergibt und allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden können.8 Wichtige Daten können aus dem Vorrätecontrolling gewonnen werden.9 Als Instrument eignet sich die ABC-Analyse.10 Bei Modewaren können Nachweise mittels Aufzeichnungen über die in der Vergangenheit erfolgten Preisnachlässe geführt werden.11 Eine Teilwertabschreibung ist bei sog. „bewussten Verlustprodukten“ nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung nicht zulässig, wenn das Unternehmen insgesamt Gewinne erzielt.12 Diese Auffassung begegnet Zweifeln, da auf diese Weise gegen die gebotene Einzelbewertung verstoßen wird.13

207

Für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens ist für die Beurteilung der Dauerhaftigkeit darauf abzustellen, ob die Minderung bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung oder dem vorangegangenen Verkaufs- oder Verbrauchszeitpunkt anhält. Werterhellende Erkenntnisse sind in die Beurteilung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung einzubeziehen. Kursänderungen bei börsennotierten Aktien zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzaufstellung sind als wertbegründender Umstand nicht zu berücksichtigen.14 Bei festverzinslichen Wertpapieren des Umlaufvermögens, die eine Forderung in Höhe des Nominalwerts der Forderung verbriefen, fehlt es nach Ansicht der Rspr. regelmäßig an einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Eine Teilwertabschreibung unter den Nennwert aufgrund gesunkener Kurse ist nicht zulässig, wenn kein Bonitäts- und Liquiditätsrisiko hinsichtlich der Rückzahlung der Nominalbeträge besteht und die Wertpapiere bei Endfälligkeit zu ihrem Nennbetrag eingelöst werden können.15 1 Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung6, 316; Breidert, BB 2001, 979; Weindel, DB 2013, 356. 2 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 690 (Stand Sept. 2016) mit Hinweis auf BFH v. 7.2.2002 – IV R 45/01, BFH/ NV 2002, 1021 mwN. 3 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 690 (Stand Sept. 2016) mit Hinweis auf BFH v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298; v. 25.11.2009 – X R 27/05, BFH/NV 2010, 1090. 4 Insoweit zustimmend Moxter, Bilanzrechtsprechung6, 316, 318. 5 Vgl. H 6.7 EStH 2012. 6 R 6.9 Abs. 6 EStR 2012. 7 BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 – DOK 2014/0552934, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 25b; v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 :002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 23. 8 R 6.8 Abs. 2 Satz 9 EStR 2012. 9 Vgl. Lachnit/Müller, Unternehmenscontrolling2,2012, 42 f. 10 Vgl. Fandel in Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Sp. 1464. 11 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 245. 12 Vgl. BFH v. 29.4.1999 – IV R 14/98, BStBl. II 1999, 681, vgl. dazu Breidert, BB 2001, 979. 13 Vgl. Schubert/Roscher in Beck Bilkomm.10, § 253 HGB Rz. 553; differenzierend Kleinle/Dreixler in HHR, § 6 EStG Rz. 582 (Stand Sept. 2015). 14 Vgl. BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 – DOK 2014/0552934, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 22 mit Hinweis auf BFH v. 21.9.2011 – I R 89/10, BStBl. II 2014, 612 und DStR 2012, 21 m. Anm. Hoffmann; BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 :002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 19. 15 BFH v. 24.10.2012 – I R 43/11, BStBl. II 2012, 716.

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F. Wertaufholungsgebot (Abs. 5)

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Rz. 212 § 253

2. Forderungen Der niedrigere Teilwert ist auch bei Forderungen zu ermitteln und optional anzusetzen. Dem Teilwert- 208 gedanken werden insbes. Einzelwertberichtigungen gerecht. Einer Wertberichtigung von Forderungen steht nicht entgegen, dass sie nach dem Tage der Bilanzaufstellung ganz oder teilweise erfüllt worden sind und der Gläubiger den Schuldner im neuen Wirtschaftsjahr weiterhin beliefert hat.1 Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung kann der Teilwert einer Forderung des Besitzunternehmens gegen die Betriebsgesellschaft nur nach den Maßstäben abgeschrieben werden, die für die Teilwertberichtigung der Beteiligung am Betriebsunternehmen durch das Besitzunternehmen bestehen. Die Rspr. fordert eine Gesamtbetrachtung der Ertragsaussichten von Besitz- und Betriebsunternehmen.2 Eine Form des Verzichts auf eine Teilwertabschreibung ist der fehlende Nachweis einer (weiter) bestehen- 209 den Wertminderung. Will oder kann der Steuerpflichtige die dauerhafte Wertminderung nicht geltend machen, führt dies (a) zur Versagung einer objektiv gebotenen Teilwertabschreibung oder (b) zur Wertaufholung.3

F. Wertaufholungsgebot (Abs. 5) I. Konzeptionelle Ausgestaltung Abs. 5 statuiert ein handelsrechtliches Wertaufholungsgebot (Zuschreibungsgebot) im Folgejahr einer au- 210 ßerplanmäßigen Abschreibung, wenn der Grund hierfür nicht mehr besteht. Das Wertaufholungsgebot bezieht sich auf außerplanmäßige Abschreibungen des Anlagevermögens (Abs. 3 Sätze 5 und 6) und des Umlaufvermögens (Abs. 4). § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB klammert allerdings eine Wertaufholung für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert aus. Der niedrigere Wertansatz muss hier beibehalten werden, auch wenn der Grund für eine außerplanmäßige Abschreibung weggefallen ist. Das Verbot ist auf eine mögliche Vermischung der Wertaufholung mit einer unzulässigen Aktivierung eines selbst geschaffenen Geschäftsoder Firmenwerts zurückzuführen.4 Die Wertaufholung könnte auf der eigenen Geschäfts- oder Betriebstätigkeit des Unternehmens beruhen und damit die unerlaubte Aktivierung eines originären Geschäftsoder Firmenwerts bewirken.5 Eine Trennung von Wertaufholung eines bereits bilanzierten Geschäftsoder Firmenwerts einerseits und der Schaffung eines originären Geschäfts- oder Firmenwerts andererseits ist wohl in den meisten Fällen nicht möglich. Das Wertaufholungsgebot gilt nur für Vermögensgegenstände. Mithin sind aktive Rechnungsabgrenzungsposten, aktive latente Steuern und Schulden von der Wertaufholung ausgeschlossen.

II. Voraussetzung der Wertaufholung Die Wertaufholung nach Abs. 5 setzt voraus, dass in einem vorangegangenen Geschäftsjahr entweder ein 211 Vermögensgegenstand des Anlagevermögens nach Abs. 3 Satz 5 wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßig auf einen niedrigeren Wert abgeschrieben wurde, von der optionalen Abschreibung nach Abs. 3 Satz 6 für Finanzanlagen Gebrauch gemacht oder ein Vermögensgegenstand des Umlaufvermögens nach Abs. 4 abgewertet wurde. Die Wertaufholung bezieht sich daher in Anwendung des Einzelbewertungsgrundsatzes auf den einzelnen Vermögensgegenstand, kann aber auch auf mehreren Ursachen beruhen. Wertaufholungen sind nicht zulässig bei vorausgegangener überhöhter Abschreibung auf einen Vermögensgegenstand des Anlagevermögens.6 Dem Wortlaut nach setzt Abs. 5 für eine Wertaufholung voraus, dass die Gründe nicht mehr bestehen. 212 Dazu müsste geprüft werden, ob die konkreten Abschreibungsgründe weggefallen sind. Zugleich können aber ein oder mehrere wertsteigernde Gründe eingetreten sein. Sinn und Zweck der Norm ist die zutreffende Darstellung der Vermögenslage.7 Daher ist nicht auf den jeweiligen konkreten Abwertungsgrund und dessen Wegfall abzustellen. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Wert des Vermögensgegenstands wieder über den nach Vornahme der Abschreibung anzusetzenden Buchwert gestiegen ist.8 1 2 3 4 5

BFH v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl. II 2003, 941. BFH v. 14.10.2009 – X R 45/06, BStBl. II 2010, 274. Vgl. BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 – DOK 2014/0552934, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 26. Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 57. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 253 Rz. 61. Schubert/Andrejewski/Roscher in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 676; Fasselt/Radde in Beck HdR, B 211a Rz. 97 (Stand Dezember 2014). 6 Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 145; Winkeljohann/Taetzner in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 636. 7 Vgl. Winkeljohann/Taetzner in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 637. 8 Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 146.

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§ 253 Rz. 213 | Zugangs- und Folgebewertung

III. Durchführung der Wertaufholung 213

Nach Abs. 5 wird vorausgesetzt, dass die Gründe für einen niedrigeren Wertansatz am Abschlussstichtag nicht mehr bestehen. Denkbar sind hier unterschiedliche Fallkonstellationen. Sind die ursprünglichen Abschreibungsgründe weggefallen, so ergibt sich zwingend eine Wertaufholung. Bestehen die Gründe für die außerplanmäßige Abschreibung jedoch weiterhin und ist eine Werterholung aufgrund anderer Ereignisse eingetreten, ist fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Wertaufholung erfüllt sind. Die hM sieht hier die Voraussetzungen für eine Wertaufholung als gegeben an.1 Über den Wortlaut des Gesetzes („Die Gründe“) hinaus wird nach dem Sinn und Zweck des Wertaufholungsgebots im Hinblick auf eine zutreffende Darstellung der Vermögenslage gefolgert, dass eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist und danach entschieden wird, ob dem Vermögensgegenstand wieder ein höherer Wert beizumessen ist.2 Auch bei teilweiser Werterholung soll eine Zuschreibung zwingend vorgenommen werden.3 Bei Erzeugnissen und Waren lässt sich die wieder erreichte Werthaltigkeit meistens nur durch den erfolgten Verkauf belegen.4 Die Obergrenze der Wertaufholung ergibt sich aus den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die sich ergeben hätten, wenn die außerplanmäßige Abschreibung unterlassen worden wäre.5 Sofern die Möglichkeit einer komponentenweisen Ermittlung der planmäßigen Abschreibung genutzt wird, vermindert sich der Zuschreibungsbetrag insoweit, als der Betrag der ursprünglichen außerplanmäßigen Abschreibung auf zwischenzeitlich ersetzte Komponenten entfällt.6

214

Das Wertaufholungsgebot erfordert, dass sich der Bilanzierende zu jedem Abschlussstichtag informiert, ob die Gründe für den niedrigeren Wertansatz noch bestehen. Wertaufhellende Informationen zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Bilanzaufstellung sind zu berücksichtigen.7 1. Bildung einer Wertaufholungsrücklage

215

Nach § 58 Abs. 2a AktG kann der Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens in andere Gewinnrücklagen eingestellt werden. Eine parallele Regelung findet sich in § 29 Abs. 4 GmbHG. Beide Regelungen sind nicht durch das BilMoG abgeschaffte Relikte aus der Zeit der umgekehrten Maßgeblichkeit.8 Als Eigenkapitalanteil ist der Zuschreibungsbetrag um die durch die Zuschreibung effektiv verursachte Steuerbelastung zu kürzen.9 2. Steuerrechtliches Wertaufholungsgebot

216

Korrespondierend zur Teilwertabschreibung besteht steuerrechtlich eine strikte Wertaufholungspflicht für Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG). Diese betrifft die Fälle, in denen der Grund für eine Teilwertabschreibung ganz oder teilweise weggefallen ist, aber auch Konstellationen, in denen sich in der weiteren Folgebilanzierung herausgestellt hat, dass die Wertminderung nicht dauerhaft war.10 Auch eine Erhöhung des Teilwerts aus anderen Gründen führt zur Wertaufholung. Obergrenze für die Zuschreibung ist der Wert, der sich bei Anwendung des Regelbewertungsmaßstabs ergeben würde.11

217

Als striktes Wertaufholungsgebot verpflichtet § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 u. Nr. 2 Satz 3 EStG zu einer Anpassung des Werts nach einer vorangegangenen Teilwertabschreibung, wenn die Gründe weggefallen sind. Es ist der Garant dafür, dass kein Steuersubstrat verloren geht.12 Das BMF-Schreiben v. 16.7.2014 weist in Tz. 26 darauf hin, dass nicht nur die jeweiligen konkreten Gründe für die erfolgte Teilwertabschreibung weggefallen sein können, sondern auch die „Erhöhung des Teilwerts aus anderen Gründen“ zu einer Anpassung des Bilanzansatzes führt. Hierbei gibt das BMF gezielt Hinweise zur Steuerbilanzpolitik, beispielsweise in Form fehlender Nachweisführung. Willkürliche Gestaltungen werden nicht nur akzeptiert, son1 Vgl. Winkeljohann/Taetzner in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 637; Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 121; WPHandbuch15, F Rz. 193. 2 Vgl. Winkeljohann/Taetzner in Beck BilKomm.10, § 253 HGB Rz. 638. 3 WPHandbuch15, Bd. 1, F Rz. 193; Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 HGB Rz. 122. 4 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 253 HGB Rz. 250. 5 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 253 Rz. 61. 6 Vgl. IDW RS IFA 2 Rz. 52. 7 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 253 Rz. 123. 8 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 253 HGB Rz. 256. 9 Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 253 HGB Rz. 151. 10 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 371. 11 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 372. 12 Vgl. Hannig, BB 2014, 753.

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Bildung von Bewertungseinheiten

| § 254

dern es wird sogar dazu angeregt.1 Mit dem Messziel der Steuerbilanz sind aber weder optionale Teilwertabschreibung noch wahlweise Wertaufholung vereinbar, da das Messergebnis wesentlich verfälscht werden kann. Die hM bejaht inzwischen die Teilwertabschreibung als Mittel der Steuerbilanzpolitik.2 Festgehalten werden soll allerdings eine andere Sichtweise, auch wenn sie sich derzeit nicht durchsetzen kann: Das über den GoB-Vorbehalt wirkende Imparitätsprinzip zwingt zu einer verpflichtenden Abwertung bei voraussichtlich dauernden Wertminderungen.3 Dann wären Teilwertabschreibung und Wertaufholung integrale Bestandteile einer objektivierten Gewinnermittlung und nicht Spielball zielgerichteter Steuerbilanzpolitik. Hinzu kommt, dass die hM eine Begrenzung des möglichen Wechselspiels durch das Stetigkeitsgebot offenbar nicht annimmt.4

G. Ausschüttungssperre (Abs. 6) Die durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften eingeführte Ausschüttungssperre soll die Wirkungen des geänderten Betrachtungszeitraums nach Abs. 2 Satz 1 begrenzen. Die Neuregelung soll nicht dazu führen, das Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB oder die Fähigkeit, die Vorsorgeversprechen zu erfüllen, einzuschränken.5 Da der Ertrag aus der Verlängerung des Betrachtungszeitraums sich ausschließlich aus einer geänderten gesetzlichen Vorgabe und nicht aus der Geschäftstätigkeit selbst ergibt, hat der Gesetzgeber eine spezifische Ausschüttungssperre geregelt, soll eine Ausschüttung des Unterschiedsbetrags nicht erfolgen können. Die Neuregelung dient der Abmilderung der Niedrigzinsphase und nicht dazu, das Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB oder die Fähigkeit, die Vorsorgeversprechen zu erfüllen, einzuschränken. Deshalb soll die jeweilige Entlastung beim Pensionsrückstellungsaufwand gegenüber der bisherigen Regelung das Unternehmen nicht verlassen und wird mit einer Ausschüttungssperre versehen.

218

Die Ausschüttungssperre wird in jedem Geschäftsjahr erhöht oder reduziert, so dass sie immer genau 219 dieselbe Höhe hat wie der für das jeweilige Geschäftsjahr ermittelte positive Unterschiedsbetrag zwischen neuer und alter Regelung. Auf diese Weise werden statt Rückstellungen teilweise Rücklagen gebildet. Ist der Unterschiedsbetrag negativ, entfällt die Ausschüttungssperre für dieses Geschäftsjahr. Eine Abführungssperre ist gesetzlich nicht vorgesehen. § 301 Satz 1 AktG begrenzt die Gewinnabführung 220 auf den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, um den Betrag, der nach § 300 AktG in die gesetzlichen Rücklagen einzustellen ist, und um den nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag. Eine Bezugnahme auf § 253 Abs. 6 HGB ist nicht erfolgt. Die Regelung zur Ausschüttungssperre hat kein steuerrechtliches Pendant iS einer Steuerzahlungssperre. Der ausschüttungsgesperrte Betrag entsteht allein auf Ebene des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. § 6a EStG ist insoweit nicht geändert worden.

§ 254 Bildung von Bewertungseinheiten 1Werden

Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst (Bewertungseinheit), sind § 249 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a in dem Umfang und für den Zeitraum nicht anzuwenden, in dem die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen. 2Als Finanzinstrumente im Sinn des Satzes 1 gelten auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren.

1 Kritisch Förster, DB 2014, 384. 2 Vgl. Herzig/Briesemeister, DStR 2009, 978; Künkele/Zwirner, Stbg. 2012, 276 f.; kritisch Hoffmann, StuB 2010, 210; Hennrichs, Ubg. 2009, 538; Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 398; Marx, StuB 2012, 661: Außerplanmäßige Abschreibungen sind kein Gestaltungsmittel, da das Messziel durch beliebiges Unterlassen bzw. Durchführen wesentlich verfälscht werden kann. 3 Vgl. Hoffmann, StuB 2010, 210; Hennrichs, Ubg. 2009, 538; Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 398. Zu konstatieren ist allerdings das implizite Wahlrecht über die Interpretation der Dauerhaftigkeit der Wertminderung. 4 Vgl. Dietel, DB 2012, 483 mwN.; Grieser/Faller, DStR 2012, 732. 5 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/7584, 158.

Marx/Glaser

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221

§ 254 Rz. 1 | Bildung von Bewertungseinheiten A. I. II. III. IV. B. I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsvoraussetzungen zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten (Satz 1) Anwendungsvoraussetzungen im Überblick . Voraussetzungen zur Anwendung von § 254 HGB auf bestehende Grundgeschäfte Ökonomischer Zusammenhang in Form vergleichbarer und absicherbarer Risiken . . . . . Bilanziell designierbare Grundgeschäfte . . . . Bilanziell designierbare Sicherungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentations- und Nachweispflichten . . Sicherungsabsicht/-fähigkeit bzw. hohe Durchhaltewahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . (In-)Effektivitätsmessung . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ __ __ __ 1 4

8 35 40

45 57 68 83 88 93

III. Voraussetzungen zur Anwendung von § 254 HGB auf antizipierte Grundgeschäfte . . . . . IV. Bilanzierung: Durchbuchungsmethode vs. Einfrierungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pflicht zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten 1. Erfordernis der bewussten Risikomanagemententscheidung und deren bilanzielle Abbildung: Konzept der zwei Ebenen . . . . . . . . 2. Verpflichtungsgrad auf Basis des Wortlauts von § 254 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. IDW RS HFA 35: Einschränkung des verpflichtenden Charakters von § 254 HGB . . . C. Handelsbilanzielle Abbildung von Warentermingeschäften (Satz 2) I. Zulässigkeit der Absicherung von Commodity-Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Warentermingeschäfte als Sicherungsinstrumente: eine kodifizierte Sonderregelung . . . . D. Steuerbilanzielle Berücksichtigung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten . . . . . . . . E. Verletzung von § 254 HGB: die Rechtsfolgen

_ _

100 108

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116 119 123

125 128 131 136

Literatur: Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009; Wiese, Hedge-Accounting im IFRS-Abschluss: Methoden der Effektivitätsmessung und Aspekte der Abschlussprüfung, 2009; Glaser/Hachmeister, Pflicht oder Wahlrecht zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten nach dem BilMoG, BB 2011, 555; Wulf, Bilanzierung von Bewertungseinheiten nach § 254 HGB unter Berücksichtigung des IDW RS HFA 35, DStZ 2012, 534; Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 5. Aufl. 2013; Christ, Ökonomische und konzeptionelle Analyse der Absicherung von Commodity-Risiken und Sicherungsbeziehungen in der externen Unternehmensrechnung, 2014; Glaser, Bilanzierung ökonomischer Sicherungsbeziehungen nach deutschem Handelsrecht bei Industrie- und Handelsunternehmen, 2015; Glaser/Hachmeister, „True and fair view“ aus europarechtlicher Sicht für Nicht-Kapitalgesellschaften, DB 2015, 565; Glaser/Kahle, Zum Einfluss der IFRS auf die steuerliche Gewinnermittlung: Die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten als Einfallstor für internationale Rechnungslegungstendenzen?, Ubg. 2015, 113.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Unternehmerische Tätigkeiten sind in besonderem Maße mit finanzwirtschaftlichen Risiken untrennbar verbunden. Über eine nicht rechtzeitige Erkennung und Bewältigung dieser Risiken kann die erfolgreiche Fortführung des bilanzierenden Unternehmens ernsthaft gefährdet werden. Um dieser Gefährdung entgegenzutreten, bedarf es der Implementierung und Anwendung eines ökonomischen Risikomanagements (erste Ebene; Sachverhaltsgestaltung). Von dieser ersten Ebene ist die Ebene der handelsbilanziellen Abbildung (zweite Ebene; Bilanzrechtsfolge) zu unterscheiden.1 Letztere überträgt im Grundsatz die auf der ersten Ebene durchgeführten Maßnahmen und deren Ergebnisse in die externe Rechnungslegung (Zwei-Ebenen-Konzept2).

2

Mit anderen Worten legt § 254 HGB fest, ob und wie die erste Ebene (ökonomische Sicherungsbeziehung) ihren Niederschlag in der handelsrechtlichen Rechnungslegung (bilanzielle Bewertungseinheiten) finden soll (Regelungsgegenstand). Der Regelungsgegenstand des § 254 HGB bezieht sich inhaltlich allein auf die Absicherung finanzieller Risiken in Form von Wertänderungs- oder Zahlungsstromänderungsrisiken3. Die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten im Zuge der sog. „kompensatorischen Bewertung“ zielt aufgrund des Kausalzusammenhangs auf eine „marktnahe Bewertung“ von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument ab.4

3

Schließlich wird unter Orientierung am Normzweck des § 254 HGB festgelegt, unter welchen Bedingungen ausgewählte Grundgeschäfte und Sicherungsinstrumente unter Berücksichtigung der absicherbaren 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

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Glaser, 20 und 120 mwN; Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 33. Glaser, 120 mwN; Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 33. IDW RS HFA 35 Rz. 21; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 4. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 80; Scharpf/Schaber, 409 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 7 § 254

Risiken zur handelsbilanziellen Bewertungseinheit zusammenzufassen sind.1 Hierzu lassen sich die einzelnen Regelungsgegenstände sowie begrifflichen Anknüpfungspunkte aus dem Wortlaut von § 254 HGB, wie nachfolgend dargestellt, ableiten (Legaldefinition Bewertungseinheit):2 „Werden [Wahlrecht der ökonomischen Sicherung; erste Ebene] Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen [Grundgeschäfte] zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme [Effektivität] aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken [abzusichernde Risiken] mit Finanzinstrumenten [Sicherungsinstrumente] zusammengefasst (Bewertungseinheit), sind [Verpflichtungsgrad zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten; zweite Ebene] § 249 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a [Rechtsfolgen/ Bilanzierung] in dem Umfang und für den Zeitraum [Effektivität] nicht anzuwenden [Rechtsfolgen/Bilanzierung], in dem die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen [Effektivität]. Als Finanzinstrumente im Sinn des Satzes 1 gelten auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren [Sicherungsinstrumente].“3

II. Bedeutung und Zweck Nach den allgemeinen handelsrechtlichen Normen sind Vermögensgegenstände und Schulden grundsätz- 4 lich einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), dh. (ökonomische) Abhängigkeiten zwischen einzelnen Vermögensgegenständen und/oder Schulden bleiben grundsätzlich unberücksichtigt. Dieser Einzelbewertungsgrundsatz steht dabei in direkter Verbindung zum handelsrechtlichen Realisations- und Imparitätsprinzip4 bzw. leitet sich aus diesen oberen Gewinnermittlungsgrundsätzen ab.5 Erfolgt jedoch die Absicherung von Risiken, die verschiedenen Bilanzposten oder Transaktionen (Grund- 5 geschäften) anhaften, durch ein geeignetes Sicherungsinstrument in einer Art und Weise, dass negative Entwicklungen der beizulegenden Zeitwerte oder Zahlungsströme des Grundgeschäfts ökonomisch ausgeglichen werden (ökonomischer Absicherungszusammenhang), führt die rein imparitätische Handhabung positiver und negativer Wertänderungen bzw. Änderungen von Zahlungsströmen (reine Einzelbewertung) zu einer nicht mehr zutreffenden Wiedergabe der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.6 Ökonomisch besteht über die Sicherungsmaßnahme kein Verlust mehr, wenn sich die gegenläufigen Entwicklungen beispielsweise vollständig kompensieren sollten (perfect hedge).7 Bereits vor der Umsetzung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) führte die vorstehende Pro- 6 blematik dazu, dass eine ökonomisch gebotene Auslegung des Einzelbewertungsgrundsatzes im Zuge der Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten mit der Folge einer Einschränkung des Einzelbewertungsgrundsatzes für sachgerecht erachtet wurde.8 Die im Zuge der Umsetzung des BilMoG erfolgte Neufassung des § 254 HGB diente folglich lediglich der gesetzlichen Verankerung der im bisherigen Schrifttum als Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung eingestuften bilanziellen Abbildung von Bewertungseinheiten. Die bisherige Bilanzierungspraxis sollte lediglich offiziell legitimiert werden.9 Änderungen der bisherigen Bilanzierungspraxis sollten mit § 254 HGB, der festschreibt, in welchem Umfang die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten zwingend erforderlich ist und welche Anforderungen an die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten zu stellen sind, nicht einhergehen. § 254 HGB hat folglich lediglich deklaratorischen Charakter (Bedeutung).10 Der ökonomische Normzweck des § 254 HGB stellt vor dem historischen Hintergrund der Norm sowie 7 seiner Entwicklung insbes. die handelsbilanzielle Abbildung der, im Speziellen erfolgsrechnerischen, Kompensationswirkung ökonomischer Sicherungsbeziehungen dar. Unter Beachtung einer der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entsprechenden Darstellung sollen die Erfolge eines ökonomischen Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 79; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 1. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 411. Erg. d. Verf. in […]. Vgl. vertiefend Glaser, 62 ff. sowie 122. Vgl. hierzu mwN Glaser, 66. Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 2; Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 5. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 75 ff. Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 2. Vgl. auch Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 3, die als wesentliche Erkenntnisquelle zur Beantwortung von Auslegungsfragen die Praxis vor der Verabschiedung des § 254 HGB sehen. 9 Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 3; Böcking/Gros/Wallek in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB3, § 254 Rz. 1. Vgl. Scharpf/Schaber, 410. 10 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 1; Scharpf/Schaber, 410. 1 2 3 4 5 6 7 8

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§ 254 Rz. 8 | Bildung von Bewertungseinheiten Risikomanagements bilanziell bzw. insbes. erfolgsrechnerisch zutreffend erfasst werden (Zweck).1 Dementsprechend darf es nur die alleinige Zwecksetzung der handelsrechtlichen Sicherungsbilanzierung sein, eine symmetrische bzw. zeitkongruente ergebniswirksame Bilanzierung der kompensatorischen Wirkung unter Berücksichtigung einer ökonomischen Auslegung der GoB zu gewährleisten.2 Tritt zB das gesicherte Grundgeschäft bilanziell in Erscheinung mit der Folge, dass damit seine erfolgswirksame Erfassung einhergeht, so sind gleichzeitig die entsprechenden effektiven Wertänderungen des Sicherungsinstruments ergebniswirksam zu erfassen.3 Cassel/Kessler sehen in § 254 HGB eine Lösung, wie dem „konzeptionellen Mangel der handelsbilanziellen Vermögensermittlungskonzeption“4 begegnet werden kann.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) 8

Die Gesetzesnorm findet sich im Dritten Buch des Handelsgesetzbuchs (Handelsbücher) und hier speziell in den Bewertungsvorschriften im Dritten Titel des zweiten Unterabschnitts (Eröffnungsbilanz/Jahresabschluss), der sich im ersten Abschnitt (Vorschriften für alle Kaufleute) befindet. § 254 HGB stellt folglich eine Bewertungsvorschrift dar. Mit Blick auf rechtsform-, größen- oder branchenspezifische Besonderheiten des § 254 HGB lässt sich Folgendes festhalten: die Vorschrift gilt aufgrund ihrer Stellung im Gesetz für alle Kaufleute, so dass unabhängig von der Rechtsform, Größe und Branche keine Besonderheiten zu beachten sind (Geltungsbereich).5 Aus dem Gesetz sowie aus der Regierungsbegründung zu § 254 HGB sind darüber hinaus, abgesehen von Aspekten der Wesentlichkeit,6 ebenfalls keine Hinweise zu entnehmen, die auf eine größenabhängige Erleichterung hindeuten.7

9

Mit Blick auf das Verhältnis zu anderen Vorschriften hat das Ausmaß an ermittelter (In-)Effektivität in Bezug auf die gesicherten Risiken direkten Einfluss auf die handelsbilanzielle Abbildung ökonomischer Sicherungsbeziehungen der Höhe nach. Denn ausschließlich für den effektiven Teil dieser Sicherungsbeziehungen tritt als Rechtsfolge des § 254 HGB im Verhältnis zu den nachstehend aufgeführten Normen deren Nichtanwendung ein, soweit es ausgeschlossen ist, dass die abgesicherten Risiken noch eintreten werden:8 – § 249 Abs. 1 HGB (Bildung von Drohverlustrückstellungen), – § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB (Einzelbewertungsgrundsatz), – § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB (Realisations- und Imparitätsprinzip), – § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB (Anschaffungskostenprinzip) und – § 256a HGB (Währungsumrechnung).

10

Damit geht § 254 HGB als Spezialvorschrift (lex specialis) den vorstehend genannten Normen mit Blick auf den effektiven Teil einer Sicherungsbeziehung vor bzw. setzt diese Normen partiell außer Kraft.

11

Für den ökonomisch nicht gesicherten Teil sowie den ineffektiven Teil einer Sicherungsbeziehung sind das Grundgeschäft und das Sicherungsinstrument nach den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen (insbes. dem Grundsatz der Einzelbewertung und dem Imparitätsprinzip) zu bilanzieren. Die Rechtsfolgen von § 254 HGB treten dann nicht ein; es erfolgt vielmehr eine imparitätische Einzelbewertung.

12

Zum Verhältnis von § 254 HGB und § 252 HGB (§ 252 HGB) lässt sich Folgendes festhalten:9 Im Grundsatz gilt, dass das Verhältnis von Vorschriften zueinander bzw. die Rangfolge der Vorschriften untereinander sowohl in der Bezeichnung als auch in der gesetzgeberischen Anordnung zum Ausdruck kommt.10 Die in § 252 HGB enthaltenen Normen werden als „Allgemeine Bewertungsgrundsätze“ bezeichnet. Diese kommen grundsätzlich jederzeit und im Allgemeinen zur Anwendung, wenn ihnen nicht „begründete Ausnahmefälle“ iSv. § 252 Abs. 2 HGB (§ 252 Abs. 2 HGB) entgegenstehen.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 481. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 78. Vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 343. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 2. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 64 sowie Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 1; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 474. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 66. Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 1. Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 5. Vgl. hierzu und im Folgenden auch Glaser, 127 ff. Vgl. Fülbier/Kuschel/Selchert in HdR5, § 252 HGB Rz. 16. Zu „begründeten Ausnahmefällen“ iSv. § 252 Abs. 2 HGB vgl. Förschle/Kropp, ZfB 1986, 884 ff. Vgl. zu einer ausführlichen Würdigung Jüttner, 277.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 15 § 254

Nach der Gesetzessystematik wird die Rangfolge der anzuwendenden Vorschriften dadurch formuliert, 13 dass den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen des § 252 HGB die Spezialvorschriften zur Bewertung in §§ 253–256a HGB vorgehen1 (Prioritätsregel).2 Fülbier/Kuschel/Selchert setzen hierzu voraus, dass „zwischen allg[emeinen] Bewertungsgrundsätzen und speziellen Bewertungsvorschriften ein sachliches Konkurrenzverhältnis besteht“3. Diese Voraussetzung ist zugunsten von § 254 HGB gegeben, denn die speziellen Bewertungsvorgaben des § 254 HGB machen ein Bewertungsverhalten des bilanzierenden Unternehmens erforderlich, das den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen des § 252 HGB entgegensteht. In Bezug auf das Verhältnis von § 254 HGB zu den übrigen (allgemeinen) handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften gilt somit, dass § 254 HGB als lex specialis den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen vorgeht.4 Damit können auch die Ausnahmeregelungen des § 252 Abs. 2 HGB, die oftmals als Einfallstor für die Wahlrechtsausübung in Bezug auf die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten5 interpretiert werden, insoweit nicht zur Anwendung kommen; ihnen ist die Grundlage entzogen. Die für bilanzielle Bewertungseinheiten iSv. § 254 HGB bestehenden speziellen Bewertungsvorschriften, die eine klar definierte Handlungsanweisung enthalten, greifen vorrangig. § 254 HGB regelt den Spezialfall, nicht einen Ausnahmefall.6

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Mit Blick auf die vorstehend genannte und im Schrifttum teilweise trotz Gültigkeit der Prioritätsregel ver- 15 tretene Wahlrechtsgewährung zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten auf Basis des § 252 Abs. 2 HGB lässt sich, insbes. für Kapitalgesellschaften7, noch Folgendes ergänzen: das durch die Vierte Richtlinie und das Bilanzrichtliniengesetz in deutsches Recht umgesetzte Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 HGB8 (§ 264 Abs. 2 HGB) entfaltet auch Auswirkungen für die Festlegung der Reichweite des § 252 Abs. 2 HGB bzw. § 254 HGB. Nach Art. 2 Abs. 5 der vierten EG-Richtlinie ist es im Zuge eines Mitgliedsstaatenwahlrechts gestattet, Ausnahmefälle von den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen festzulegen. Dies darf jedoch, nach Sinn und Zweck der Vorschrift, nur in dem Rahmen vollzogen werden, wie die im nationalen Recht geschaffenen Ausnahmefälle nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Gesellschaft dienlich sind.9 Vor diesem Hintergrund hat eine generelle Wahlrechtsausübung (nach § 252 Abs. 2 HGB oder nach § 254 HGB unter Beachtung des § 264 Abs. 2 HGB) dergestalt zu erfolgen, dass durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Sinn und Zweck der Vorschrift, namentlich dem Einblicksgebot (true and fair view), entsprochen wird. Eine generelle Wahlrechtsausübung mit Blick auf handelsbilanzielle Bewertungseinheiten, die sich auf § 252 Abs. 2 HGB bzw. § 254 HGB stützt, ist somit in Bezug auf bislang geltendes Europarecht (in Form der 4. EG-Richtlinie) mindestens kritisch zu hinterfragen bzw. grundsätzlich abzulehnen, denn das bilanzierende Unternehmen, das vorsichtig agiert und Risiken ökonomisch absichert, dürfte durch eine Wahlrechtsausübung (bilanzpolitisch) einen Verlust ausweisen und den Abschlussadressaten den Eindruck vermitteln, dass es sich um Bilanz und GuV eines nicht sichernden Unternehmens handle. Damit würde eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Vermögens-, Finanz- und Ertrags-Lage iSd. Generalnorm verfälscht dargestellt bzw. sie entspräche nicht den wirtschaftlichen Tatsa1 Vgl. Fülbier/Kuschel/Selchert in HdR5, § 252 HGB Rz. 14 und insbes. 16; ADS6, § 252 HGB Rz. 7. 2 Vgl. weiterführend zur „Prioritätsregel“ Baetge/Kirsch in HdR5, GoB Rz. 113; Fülbier/Kuschel/Selchert in HdR5, § 252 HGB Rz. 16. 3 Fülbier/Kuschel/Selchert in HdR5, § 252 HGB Rz. 24. 4 Vgl. ADS6, § 252 HGB Rz. 7. Vgl. weiterführend Wulf, DStZ 2012, 537 f. 5 Zu den ursprünglichen Befürwortern einer Anwendung von § 252 Abs. 2 HGB vgl. Treuberg/Scharpf, DB 1991, 661 ff.; Jüttner, 277 ff. und Finne, BB 1991, 1295 (1300 ff.), der trotz der Einschlägigkeit von § 252 Abs. 2 HGB keine Wahlrechtsausübung sieht. Vgl. ausführlich auch Glaser/Hachmeister, BB 2011, 555 ff. 6 Vgl. weiterführend Glaser, 127 ff. mwN. 7 Vgl. hierzu und im Folgenden Glaser, 130 ff. Zum Regelungskontext für Nicht-Kapitalgesellschaften vgl. Glaser/ Hachmeister, DB 2015, 565. 8 Nach § 264 Abs. 2 HGB gilt, dass der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat. Demnach müssen Kapitalgesellschaften bei der Bilanzierung das true and fair view-Gebot beachten. Nach Budde soll folglich die Ausübung von Bewertungs- und Bilanzierungswahlrechten über § 264 Abs. 2 HGB als sog. (handelsrechtliches) overriding principle eingeschränkt werden. Dabei wird § 264 Abs. 2 HGB als vorrangige Generalnorm interpretiert, ohne dabei die allgemeinen Bilanzierungsprinzipien (Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip) außer Kraft zu setzen. Budde fordert, dass Wahlrechte ermessensgerecht ausgeübt werden, dh. das bilanzierende Unternehmen ist angehalten, die Bewertungs- und Bilanzierungsvorschriften einschließlich etwaiger Wahlrechte in einer Form auszuüben, dass von „alternativ zulässigen Wertansätzen derjenige gewählt wird, der den besten Gesamteindruck vermittelt“. Vgl. Budde in Karoli-Wirtschaftsprüfung, Wirtschaftsprüfung und Wirtschaftsrecht: Beiträge zum 75-jährigen Bestehen der Treuhand-Vereinigung-Aktiengesellschaft, 109 ff. 9 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 475 mwN.

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§ 254 Rz. 16 | Bildung von Bewertungseinheiten chen. Auch ist eine bewusst zu schlechte Darstellung ebenso wie eine bewusst zu gute Darstellung nach der hier vertretenen Auffassung nicht sachgerecht iSd. Vierten Richtlinie. 16

Entsprechendes kann auch für die mittlerweile abgeschlossenen Bemühungen zur Aufhebung der 4. EGRichtlinie in Form der Rechnungslegungsrichtlinie 20131 festgestellt werden, da die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertrags-Lage ebenfalls als oberster Grundsatz in den allgemeinen Bestimmungen des Art. 4 Abs. 3 und 4 der Rechnungslegungsrichtlinie 2013 unverändert verankert wurde. Im Vergleich zur 4. EG-Richtlinie besteht auch nach den Regelungen des Art. 4 Abs. 4 der Rechnungslegungsrichtlinie 2013 die (dem Wortlaut nach identische) Möglichkeit zur Schaffung von Ausnahmetatbeständen, die von den Mitgliedstaaten näher bezeichnet werden. Auch auf Basis dieser neuen europarechtlichen Vorgabe lässt sich § 252 Abs. 2 HGB sowie § 254 HGB selbst nicht als Ausgangspunkt zur Gewährung eines (allgemeinen) Wahlrechts zur Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten darstellen, denn das ökonomische Risikomanagement iS eines true and fair view könnte uU keinen adäquaten Eingang in die Rechnungslegung finden.2

17

In der Literatur bislang eher weniger thematisiert wurde die Frage, ob die bislang gültige Vierte Richtlinie insgesamt sowie speziell der true and fair view-Grundsatz des Art. 2 Abs. 3–5 dieser Richtlinie (und seine Transformation in nationales Recht) auch auf Nicht-Kapitalgesellschaften eine (materielle) Wirkung ausübt, denn die Vierte Richtlinie entfaltete formal zunächst lediglich Wirkung für Kapitalgesellschaften.3 Die hierzu ergangene EuGH-Rspr.4 zeigt, dass die Vierte Richtlinie auch für Nicht-Kapitalgesellschaften eine Wirkung entfalten kann.5

18

Unabhängig von der Rechtsform besitzt die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes auch für den EuGH eine herausragende Bedeutung.6 Diese generelle Entwicklung zugunsten eines true and fair view zeigt sich auch im Wortlaut der Rechnungslegungsrichtlinie 2013, denn eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ hält auf Basis des true and fair view-Grundsatzes verstärkt Einzug in die externe Rechnungslegung (dem Grunde und der Höhe nach).7

19

Allerdings möchte der deutsche Gesetzgeber mit dem vorgelegten BilRUG der europarechtlichen Tendenz bislang nicht folgen, denn sowohl § 243 Abs. 1 HGB iVm. § 238 Abs. 1 HGB iVm. § 242 HGB (handelsrechtliche „Generalnorm für alle Kaufleute“), § 252 Abs. 2 HGB, § 264 Abs. 2 HGB wie auch § 254 HGB bleiben inhaltlich bis auf Weiteres unverändert (unzureichende Transformationsleistung).

20

Hierzu gilt anzumerken, dass aus heutiger Sicht jedoch eine richtlinienkonforme Auslegung handelsrechtlicher Vorschriften (auf Basis der Vierten Richtlinie wie auch der Rechnungslegungsrichtlinie 2013) unbestreitbar zu sein scheint, um dem allgemeinen Richtlinienzweck zu genügen. Mit anderen Worten ist eine unzureichende Transformation von Richtlinieninhalten in nationales Recht mit Hilfe der richtlinienkonformen Auslegung zu heilen.8

21

Die bestehende EuGH-Rspr., die teilweise unveränderte Übernahme von Inhalten der Vierten Richtlinie in die Rechnungslegungsrichtlinie 2013 (und bestehende Interpretationen hierzu), die ausdrückliche Forderung nach einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ in der Rechnungslegungsrichtlinie 2013 sowie das Konstrukt der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung stellen die „neuen“ Rahmenbedingungen dar. Vor diesem Hintergrund ist auch die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten nach § 254 HGB anders als bislang zu interpretieren, denn mit einer korrekten und vollständigen Transformation der Rechnungslegungsrichtlinie 2013 in das deutsche Handelsrecht dürfte sich eine Pflicht zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten ergeben. Diese Pflicht basiert im Wesentlichen auf einer stärkeren Orientierung am wirtschaftlichen Gehalt einer Vereinbarung iVm. dem true and fair view-Grundsatz iSd. Rechnungslegungsrichtlinie 2013.9

1 Vgl. Europäische Union, Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013, ABl. der EU L 182 v. 29.6.2013. 2 Vgl. in anderem Zusammenhang Glaser/Hachmeister, BB 2011, 555 ff. 3 Vgl. hierzu ausführlicher Glaser/Hachmeister, DB 2015, 565. 4 Vgl. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99 (BIAO), FR 2003, 561. Besonders hinzuweisen gilt es auf das Urteil des EuGH v. 27.6.1996 – Rs. C-234/94 (Tomberger), GmbHR 1996, 521. Dieses Urteil ist richtungsweisend im Hinblick auf die Begriffsreichweite des true and fair view-Grundsatzes. 5 Vgl. hierzu ausführlicher Glaser/Hachmeister, DB 2015, 565. 6 Vgl. hierzu Glaser/Hachmeister, DB 2015, 565. 7 Vgl. hierzu und im Folgenden vertiefend Glaser/Hachmeister, DB 2015, 565 mwN. 8 Vgl. ausführlicher Glaser/Hachmeister, DB 2015, 565 mwN. 9 Vgl. ausführlicher Glaser/Hachmeister, DB 2015, 565 mwN.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 25 § 254

Im Zuge der Währungsumrechnung sind beispielsweise Fremdwährungsverbindlichkeiten mit dem am 22 Tag der erstmaligen bilanziellen Erfassung gültigen Fremdwährungskurs (Devisenkassamittelkurs nach § 256a HGB) anzusetzen, denn zu diesem Zeitpunkt entsteht die Verpflichtung zur Gegenleistung: die Verwendung des Devisenterminkurses des voraussichtlichen Erfüllungszeitpunkts ist nicht zulässig. Sind Fremdwährungspositionen allerdings Bestandteil einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit nach § 254 HGB, so sind die Regelungen des § 256a HGB in dem Umfang und für den Zeitraum nicht anzuwenden, in dem sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen gegenseitig kompensieren. Unter Bezugnahme auf das Verhältnis von § 254 HGB zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung iSd. EStG 23 gilt es anzumerken, dass bereits weit vor der BilMoG-Umsetzung die bis dahin praktizierte Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten im Jahr 2006 steuerrechtlich durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen1 verankert wurde, indem eine Aufnahme des § 5 Abs. 1a EStG in das Einkommensteuerrecht erfolgte.2 Nach § 5 Abs. 1a Satz 1 EStG besteht steuerrechtlich im Grundsatz eine strenge Einzelbewertung; eine Verrechnung von Posten der Aktivseite mit Posten der Passivseite darf nicht erfolgen.3 Allerdings wird dieses Prinzip durch § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG wieder modifiziert und eingeschränkt, wo- 24 nach die „Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich“ sind (konkrete Maßgeblichkeit)4. Folglich werden die Resultate einer handelsrechtlich gebotenen kompensatorischen Bewertung iSd. § 254 HGB gänzlich auf die steuerliche Gewinnermittlung übertragen.5 Nach vorwiegender Meinung im Schrifttum soll eine Anknüpfung an die „konkrete handelsrechtliche Bilanzierungspraxis“6 erfolgen, und zwar sowohl in Bezug auf den Ansatz als auch auf die Bewertung.7 Dies setzt allerdings „sehr wohl eine den handelsrechtlichen GoB entsprechende Bildung von Bewertungseinheiten voraus“8, auch wenn § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG nicht explizit auf die handelsrechtlichen GoB verweist. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es daher grundsätzlich einer rein derivativen Orientierung an den Ergebnissen handelsrechtlicher Bewertungseinheiten im Zuge der steuerbilanziellen Gewinnermittlung. Originär steuerbilanzielle Bewertungseinheiten iS eines eigenständigen Steuerbilanzrechts sind bislang nicht vorgesehen.9 Entsprechend kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass für die Steuerbilanz eine andere bilanzielle Würdigung vorliegt als für handelsbilanzielle Zwecke.10 Die konkrete Auslegung des § 254 HGB wird auch vom Verhältnis zu anderen Rechtsquellen, insbes. zu diversen Verlautbarungen einschlägiger Fachgremien (zB des Hauptfachausschusses [HFA] des IDW) beeinflusst. Eine maßgebliche Grundlage, die für die Interpretation und Bestimmung von Inhalt und Reichweite des § 254 HGB herangezogen wird, bildet die IDW-Verlautbarung IDW RS HFA 35. Der Hauptfachausschuss des IDW hat am 10.6.2011 die finale Fassung dieser IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Bilanzierung von Bewertungseinheiten verabschiedet.11 In dieser Verlautbarung sind verschiedene Einzelfragen der bilanziellen Abbildung von handelsrechtlichen Bewertungseinheiten geregelt, die als Auslegungshilfe von § 254 HGB herangezogen werden können: Neben einer Darstellung der Arten und begrifflichen Abgrenzung von Bewertungseinheiten, einer Auseinandersetzung mit ausgewählten Fragestellungen zu Anhangangaben bzw. zur Lageberichterstattung, einer Darstellung der 1 Vgl. Ges. v. 28.4.2006, BGBl. I 2006, 1095. 2 Vgl. Schiffers, DStZ 2006, 401 f. 3 Vgl. hierzu und im Folgenden Glaser/Kahle, Ubg. 2015, 113 ff. mwN; vgl. im Einzelnen zB Hick in HHR, § 5 EStG Rz. 1700, 1710, 1715 f. sowie Förschle/Ries in Beck BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 100 ff. 4 So Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 254 HGB Rz. 127; Prinz in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 410; Herzig/Briesemeister, WPg. 2010, 65. Vgl. zusammenführend Glaser/ Kahle, Ubg. 2015, 113 ff.; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 473. 5 Vgl. Hick/Prinz, DStR 2007, 771; Prinz, StuB 2007, 126; Herzig/Breckheimer, DB 2006, 1452; Hahne, StuB 2008, 18; Micksch/Mattern, DB 2010, 579. Hingegen für den Vorrang des steuerlichen Bewertungsvorbehalts (§ 5 Abs. 6 EStG): Schick/Indenkämpen, BB 2006, 655. Vgl. zusammenführend Glaser/Kahle, Ubg. 2015, 113 ff. mwN. 6 Hahne, StuB 2007, 18; vgl. auch Hahne, BB 2006, 2293; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 236; Grützner, StuB 2006, 336. 7 Vgl. Herzig/Breckheimer, DB 2006, 1451; Schiffers in Korn, § 5 EStG Rz. 450. Siehe zusammenführend auch Glaser/ Kahle, Ubg. 2015, 113 ff. 8 Schiffers in Korn, § 5 EStG Rz. 450. 9 Vgl. Frotscher in Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 144b; Kraft/Bischoff in Breithecker/Schmiel, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 176; Broecker/Zwirner, BB 2012, 2938. 10 Vgl. hierzu auch Helios, DB 2012, 2898 mwN; Helios/Meinert, Ubg. 2011, 592. Mit § 254 HGB wurde entsprechend im Vergleich zum EStG auch eine Regelungslücke geschlossen. Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 3. 11 Vgl. hierzu IDW, IDW-FN 2011, 445.

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§ 254 Rz. 26 | Bildung von Bewertungseinheiten Voraussetzungen für die Anwendung von § 254 HGB sind insbes. die Möglichkeiten zur Abbildung von Bewertungseinheiten in Bilanz und GuV in Form der Einfrierungsmethode und Durchbuchungsmethode wesentlicher Gegenstand der Verlautbarung. 26

Am 18.2.2015 hat der HFA den Entwurf der IDW-Verlautbarung IDW ES 12: Wertermittlungen bei Beteiligungen an einer Immobilien-Gesellschaft nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 236 Abs. 1 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) verabschiedet. IDW ES 12 Rz. 77 konkretisiert ua. die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 26 Abs. 3 Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (KARBV), nach dem die Bildung von Bewertungseinheiten zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument in Investmentvermögen nicht zulässig ist. Aufgrund dieser besonderen Einschränkung der Anwendungsreichweite des § 254 HGB ergibt sich, dass Sicherungsinstrumente nach § 168 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) zum Verkehrswert und Verbindlichkeiten nach § 29 Abs. 3 KARBV mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen sind. Um Effekte aus bilanziellen Bewertungseinheiten nach § 254 HGB zu neutralisieren, wird regelmäßig eine entsprechende Korrektur der Vermögensaufstellung durch den Wirtschaftsprüfer erforderlich sein (IDW ES 12 Rz. 77).

27

Der Bankenfachausschuss (BFA) hat am 18.2.2015 die IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW RS BFA 1: Handelsrechtliche Behandlung von Kreditderivaten im Nichthandelsbestand verabschiedet. Die neu gefasste Verlautbarung regelt die handelsrechtliche Behandlung von Kreditderivaten in Jahresabschlüssen von Instituten (Nichthandelsbestand sowie Kreditderivate außerhalb von Bewertungseinheiten iSv. § 254 HGB). Insbesondere erfolgt eine Konkretisierung allgemeiner Grundsätze mit Blick auf Finanzinstrumente sowie Rückstellungen vor dem Hintergrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Besonderheiten des Einsatzes von Kreditderivaten bei Instituten. IDW RS BFA 1 Rz. 12 unterscheidet mit Bezug zu Kreditderivaten zwei wesentliche Verwendungszwecke: – als „freistehende Kreditderivate“, die mit keinem anderen Geschäft des bilanzierenden Unternehmens in Verbindung stehen und entweder der Erzielung von Prämieneinnahmen durch die Übernahme von Kreditrisiken (Sicherungsgeber) dienen oder mit der Absicht abgeschlossen wurden, durch Zahlung einer Prämie Ansprüche bei Eintritt unsicherer künftiger Ereignisse zu erwerben (Sicherungsnehmer); – Kreditderivate, die mit einem oder mehreren anderen Geschäften des bilanzierenden Unternehmens als Sicherungsnehmer insofern in Verbindung stehen, als sie der Absicherung des Ausfallrisikos aus diesen Geschäften dienen. Derartige Kreditderivate innerhalb von Sicherungsbeziehungen können ferner unterteilt werden in: – Kreditderivate, die der Absicherung dienen und durch bewusste Entscheidung des bilanzierenden Unternehmens in eine Bewertungseinheit iSv. § 254 HGB einbezogen werden, – Kreditderivate („erhaltene Kreditsicherheiten“), die der Absicherung dienen, ohne zugleich durch bewusste Entscheidung des bilanzierenden Unternehmens einer Bewertungseinheit iSv. § 254 HGB zugeordnet zu sein.

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Kreditderivate, die in bilanzielle Bewertungseinheiten iSv. § 254 HGB einbezogen werden, sind nach den Grundsätzen des IDW RS HFA 35 zu behandeln (IDW RS BFA 1 Rz. 1).1 Die übrigen Fallkonstellationen werden prinzipiell nach IDW RS BFA 1 behandelt.

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Am 24.8.2015 verabschiedete der Fachausschuss für öffentliche Unternehmen und Verwaltungen (ÖFA) die IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW RS ÖFA 3: Besonderheiten der Bilanzierung von Energiebeschaffungs- und Energieabsatzverträgen in handelsrechtlichen Abschlüssen von Energieversorgungsunternehmen.2 Erfolgt die konsequente Anwendung des Einzelbewertungsgrundsatzes iSv. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB auf kontrahierte Energiebeschaffungs- und/oder Energieabsatzgeschäfte (schwebende Geschäfte), können Energieversorgungsunternehmen Verluste drohen, für die nach § 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB eine Rückstellung zu bilden wäre, obwohl diese Verluste aufgrund des Geschäftsmodells der Energieversorgungsunternehmen und gebildeter Vertragsportfolios tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht in dieser Höhe eintreten werden.3 Da die Voraussetzungen des § 254 HGB nicht vollständig erfüllt sind,4 kann dieser Problematik nicht durch die Bildung einer Bewertungseinheit begegnet werden. Aufgrund 1 Zu einer ausführlichen Darstellung vgl. IDW RS BFA 1. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 964 und 410. 2 IDW RS ÖFA 3 gilt für die Aufstellung von Abschlüssen und Lageberichten für Zeiträume, die am oder nach dem 1.1.2017 beginnen. Eine frühere Anwendung ist zulässig, sofern die in IDW RS ÖFA 3 enthaltenen Regelungen vollständig beachtet werden. Zu IDW ERS ÖFA 3 vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 157–181. 3 Vgl. IDW RS ÖFA 3 Rz. 1. 4 Beispielsweise über die fehlende Möglichkeit zur Bewertung der abzusichernden Absatzverträge mit ihrem beizulegenden Zeitwert zur rechnerischen Ermittlung der Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung oder der fehlende Nachweis der Durchhalteabsicht über die gesamte Laufzeit der Bewertungseinheit.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 34 § 254

dessen legt IDW RS ÖFA 3 fest, unter welchen Voraussetzungen unter Anwendung des § 252 Abs. 2 HGB eine Abweichung vom Einzelbewertungsgrundsatz als „begründeter Ausnahmefall“ gerechtfertigt ist.1 In den übrigen Fällen, in denen dagegen eine bilanzielle Bewertungseinheit gebildet werden kann, wirft die 30 Anwendung der in IDW RS HFA 35 dargelegten Grundsätze zur Bilanzierung von Bewertungseinheiten (§ 254 HGB) auf Energiebeschaffungs- und Energieabsatzverträge im Fall von Makro- oder Portfolio-Bewertungseinheiten regelmäßig Fragen zur Umsetzung der dort beschriebenen zweistufigen Bewertungstechnik auf. Auf diese besonderen Fragestellungen nimmt IDW RS ÖFA 3 Bezug.2 IDW RS ÖFA 3 gilt für die Bilanzierung in handelsrechtlichen Abschlüssen (Jahres- und Konzernabschlüs- 31 se) von Energieversorgungsunternehmen. Diese werden auf Basis von § 3 Nr. 18 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) definiert als natürliche oder juristische Personen, die Energie an andere liefern, ein Energieversorgungsnetz betreiben oder an einem Energieversorgungsnetz als Eigentümer Verfügungsbefugnis besitzen. Vorstehend wurde das Verhältnis von § 254 HGB zu ausgewählten (nationalen) Normen und darauf Be- 32 zug nehmenden Verlautbarungen beleuchtet. § 254 HGB kann für ausgewählte Fragestellungen aber durchaus auch Bezüge zu internationalen Vorschriften (zB die IFRS/IAS) aufweisen:3 zu nennen sind hier insbes. die Methoden zur Messung der Wirksamkeit einer Sicherungsbeziehung sowie die konkrete Buchungssystematik in Bezug auf den effektiven Teil. Das deutsche Handelsrecht, insbes. § 254 HGB, sowie auch dessen Regierungsbegründung4 enthalten für 33 die bilanzierenden Unternehmen keine konkreten Vorgaben zur Wahl der angewandten Ermittlungsmethodik im Zuge der (In-)Effektivitätsmessung (grundsätzliche Methodenwahlfreiheit). Dabei können prinzipiell die bereits aus der internationalen Rechnungslegung (IFRS 9/IAS 39) bekannten Messmethoden Anwendung finden. Einschränkungen, die sich aus IFRS 9/IAS 39 sowie deren Auslegung ergeben, sind für die handelsbilanzielle Perspektive im Prinzip nicht relevant.5 Die gegenwärtig im Schrifttum für die Bilanzierung des effektiven Teils einer Sicherungsbeziehung als 34 zulässig erachteten Methoden sind die Einfrierungsmethode (sog. „kompensatorische Bewertung“) sowie die Durchbuchungsmethode.6 Insbesondere nach der letztgenannten Methode werden die sich ausgleichenden Wertänderungen aus dem abgesicherten Risiko tatsächlich bilanziert bzw. „durchgebucht“.7Dies geschieht sowohl für das Grundgeschäft als auch für das Sicherungsinstrument. Im Gegensatz zur Einfrierungsmethode führt die Berücksichtigung der Wertänderungen bei Anwendung der Durchbuchungsmethode zu einem unsaldierten Ausweis der Wertänderungen in Bilanz und GuV.8 Es bestehen damit durchaus Parallelen zum international üblichen fair value hedge accounting.9 Mit § 254 HGB sowie IDW RS HFA 35 tritt folglich neben die bislang in der historischen Bilanzierungspraxis vorherrschende Einfrierungsmethode nun eine eher an den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen der IFRS orientierte Durchbuchungsmethode.10 Im Hinblick auf die handelsrechtliche Anwendbarkeit der Durchbuchungsmethode bestehen generell unterschiedliche Auffassungen darüber, ob eine unter Anlehnung an den Regelungskontext des IFRS 9/IAS 39 erfolgswirksame Erfassung von Bestandteilen einer ökonomischen Sicherungsbeziehung mit entsprechender Gegenbuchung in der Bilanz handelsrechtlich tatsächlich gestattet werden sollte.11 1 Vgl. IDW RS ÖFA 3 Rz. 1. 2 Vgl. IDW RS ÖFA 3 Rz. 2. 3 Vgl. hierzu und im Folgenden ausführlich Glaser/Kahle, Ubg. 2015, 113 ff. mwN; s. auch Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 3. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 58 und 59. 5 Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 49. Zur handelsrechtlichen Würdigung vgl. weiterführend Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 284. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass unterschiedliche Messmethoden regelmäßig zu einem unterschiedlichen (In-)Effektivitätsergebnis führen werden. Über die Methodenwahlfreiheit bestehen entsprechende bilanzielle sowie erfolgsrechnerische Gestaltungsspielräume. 6 Vgl. ausführlich Glaser, 183 ff. mwN sowie Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 322 ff.; IDW RS HFA 35 Rz. 75. Vgl. Scharpf/Schaber, 409 ff. Diese Methode wird als die „informativere“ Methode gesehen; vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 44. 7 Durchbuchung des effektiven Teils der Sicherungsbeziehung. 8 Netto betrachtet hat die Durchbuchungsmethode die gleichen Erfolgswirkungen in der GuV wie die Einfrierungsmethode. 9 Siehe hierzu zB IFRS 9.BC6.1 iVm. IFRS 9.6.5.8. 10 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 324. Zu einer ausführlichen Gegenüberstellung der Einfrierungsund Durchbuchungsmethode am Bilanzierungsbeispiel vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 319–341. 11 Vgl. hierzu ausführlich Glaser, 183–241 sowie Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 322–347.

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§ 254 Rz. 35 | Bildung von Bewertungseinheiten

IV. Rechtsentwicklung 35

Die bilanzielle Abbildung des ökonomischen Risikomanagements in Form handelsbilanzieller Bewertungseinheiten basierte bis zur Änderung von § 254 HGB im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) im Jahr 2009 handelsrechtlich ausschließlich auf den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung (GoB), denn nach dem Wortlaut der Regierungsbegründung sollte eine bislang allgemein anerkannte und als (nicht gesetzlich kodifizierte1) GoB eingestufte Bilanzierung ökonomischer Sicherungsbeziehungen2 lediglich kodifiziert3 und nicht geändert werden (Kodifizierung bisheriger Bilanzierungspraktiken).4

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Mit der Kodifizierung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten wurden ua. erstmalig antizipative Transaktionen als designierbare Grundgeschäfte anerkannt (Absicherung von Opportunitätsverlusten5).

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Die Änderung von § 254 HGB selbst beruht historisch insbes. auf Art. 2 Abs. 5 Satz 3 der Bilanzrichtlinie.6 Mit § 254 HGB wird in der Folge die Darstellung der bilanziellen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage stärker als bisher und in Abweichung von Art. 31 Abs. 1 Buchst. e der Bilanzrichtlinie (Grundsatz der Einzelbewertung) an den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen eines Unternehmens orientiert. In anderem Zusammenhang bemerkt der Gesetzgeber hierzu, dass gerade die Erzeugung eines den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen entsprechenden Bildes der bilanziellen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage letztlich die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses stärkt.

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Auf Basis der im Zuge der Umsetzung des BilMoG vorgenommenen Änderung von § 254 HGB erarbeitete der Hauptfachausschuss des IDW (HFA) die IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Bilanzierung von Bewertungseinheiten (IDW RS HFA 35). Die Verabschiedung der finalen Fassung erfolgte am 10.6.2011. Die Stellungnahme soll insbes. als Auslegungshilfe im Zuge der Anwendung des § 254 HGB Verwendung finden.

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Steuerrechtlich bestand hingegen bereits seit 2006 mit § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG eine gesetzliche Grundlage, wonach die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich sind (konkrete Maßgeblichkeit).7

B. Anwendungsvoraussetzungen zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten (Satz 1) I. Anwendungsvoraussetzungen im Überblick 40

Um als handelsbilanzielle Bewertungseinheit iSd. § 254 HGB behandelt werden zu können, müssen die nachfolgenden Anforderungen kumulativ erfüllt sein. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Wahlrecht oder eine Verpflichtung zur handelsbilanziellen Darstellung ökonomischer Sicherungszusammenhänge besteht. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob die Absicherung von (bestehenden bzw. rechtlich bereits wirksam kontrahierten) Vermögensgegenständen, Schulden oder schwebenden Geschäften besteht (Absicherung bereits bestehender Positionen; Bestands-Hedge) oder ob antizipative Hedges, dh. die Sicherung von mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen, vorliegen. Im letztgenannten Fall sind zu den üblichen (nachfolgenden) Voraussetzungen weitere Anforderungen zu erfüllen: diese ergänzenden Anforderungen erstrecken sich im Wesentlichen auf die Identifizierbarkeit sowie die Hochwahrscheinlichkeit der künftig erwarteten Transaktion, wobei hier inhaltlich ein enger Bezug zur Durchhalteabsicht bzw. -fähigkeit besteht.8

1 Vgl. Rimmelspacher/Fey, WPg. 2013, 994 mwN. 2 Vgl. Groh, DB 1986, 875; Kirsch, StuB 2008, 456 mwN. 3 Insbesondere § 264 Abs. 2 HGB bewirkte in der Vergangenheit, dass sich Grundsätze der kompensatorischen Bilanzierung herausbildeten. Vgl. hierzu Kirsch, DStZ 2013, 257 mwN; Scharpf/Schaber, 409 ff. 4 Vgl. Wiechens/Helke, DB 2008 (Beilage), 26; Kraft/Bischoff in Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 175. AA sind Herzig/Mauritz, ZfbF 1998, 100. Vgl. zum „deklaratorischen Charakter“ von § 254 HGB Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 1. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 473 ff. 5 Vgl. Scharpf/Schaber, 415 sowie 420 ff. 6 Vgl. auch Scharpf/Schaber, 409. 7 Vgl. Prinz/Hick, DStR 2006, 771–775 sowie Glaser/Kahle, Ubg. 2015, 113 f. 8 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 103. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 453 f.; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 535 ff.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 43 § 254

Werden die nachfolgenden Anforderungen kumulativ erfüllt, so besteht eine Pflicht zur Bildung bilan- 41 zieller Bewertungseinheiten:1 – Ökonomischer Zusammenhang: Existenz identifizierbarer, zwischen dem Grundgeschäft und dem Sicherungsinstrument vergleichbarer und als absicherbar geltende Risiken; – Bilanziell designierbare Grundgeschäfte: Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte (oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen) liegen für handelsbilanzielle Zwecke als Grundgeschäfte unter Zugrundelegung der jeweils handelsrechtlichen Begriffsreichweite vor; – Bilanziell designierbare Sicherungsinstrumente: Finanzinstrumente werden als Sicherungsinstrumente eingesetzt. Das deutsche Handelsrecht enthält gegenwärtig keine definitorische Abgrenzung des Begriffs „Finanzinstrument“. Eine Orientierung an den Definitionen anderer, einschlägiger Normen (beispielsweise nach § 2 WpHG oder § 1 KWG) erscheint aber möglich; – Dokumentation/Risikomanagementnachweis: eine nachweisbare (ökonomische) Designation als Absicherungszusammenhang liegt vor. Diese wurde im ökonomischen Risikomanagement als solche dokumentiert. Eine rein bilanzielle Designation ohne zugrunde liegende (dokumentierte) ökonomische Sicherungsbeziehung ist für die Anwendung von § 254 HGB nicht zulässig; – Sicherungsabsicht/-fähigkeit bzw. hohe Durchhaltewahrscheinlichkeit: es besteht eine Durchhalteabsicht und insbes. eine nachgewiesene Durchhaltefähigkeit im Hinblick auf die designierte Absicherung; – (In-)Effektivitätsmessung: eine ökonomische Wirksamkeit (Effektivität) der Sicherungsbeziehung, verstanden als kompensatorische Wirkung von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument, besteht. Lediglich für den ökonomisch effektiven Teil werden die allgemeinen handelsrechtlichen Bilanzierungsvorgaben, namentlich die GoB, außer Kraft gesetzt. Die vorstehenden Anforderungen sollen auch dazu dienen, bilanzpolitisch motivierte Gestaltungen zu verhindern.2 Die vollständige Erfüllung dieser Anwendungsvoraussetzungen ist existenziell für die Anwendbarkeit des 42 § 254 HGB. Denn für Zwecke der externen Rechnungslegung ist es erheblich, ob Transaktionen zu ökonomischen Sicherungszwecken, zu reinen Handelszwecken (bzw. Transaktionen mit spekulativem Charakter) oder zu anderen Zwecken, mit denen weder eine Sicherungswirkung noch ein Handelszweck verbunden ist, eingegangen wurden. Die handelsbilanzielle Konsequenz muss zwingend, abhängig von der jeweils anderen ökonomischen Zielsetzung, jeweils eine andere sein.3 Sofern die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt werden, lässt § 254 HGB die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten in jeglicher Spielart zu. Die Aufzählung des Gesetzgebers in Form von Micro-, Macro- und Portfolio-Hedges ist daher als nicht abschließend zu betrachten.4 Die Ausgangsbasis für die Prüfung des bilanzierenden Unternehmens, ob die dargestellten Vorausset- 43 zungen zur Anwendung des § 254 HGB erfüllt werden können, bildet das ökonomische Risikomanagement und die sich daran anschließenden (Informations- und Dokumentations-)Systeme sowie die hierzu implementierten Prozesse.5 Entsprechendes gilt für die Prüfung im Zuge der Jahresabschlussprüfung durch den verantwortlichen Wirtschaftsprüfer. Die aufgeführten Anwendungsanforderungen stützen sich im Regelfall auf für Zwecke der Risikosteuerung generierte Informationen, so dass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für bilanzielle Zwecke als erfüllt gelten, zunächst eine Orientierung am ökonomischen Risikomanagement erfolgen muss (Maßgeblichkeit des ökonomischen Risikomanagements für die bilanzielle Abbildung).6 Dem bilanzierenden Unternehmen wird folglich jedoch unterstellt, dass es sich iS eines ordentlichen Kaufmanns Gedanken über Sinn, Zweck sowie ökonomische Verwendung einer Transaktion (zB eines Sicherungsinstruments) vor deren Abschluss bzw. deren Designation macht. Der Sicherungswille lässt sich stets über die (dokumentierte) Risikomanagementstrategie und -zielsetzung (implizit oder explizit) begründen und nachvollziehen.7 Oftmals wird in bilanzierenden Unternehmen kein formalisiertes Risikomanagement oder keine formelle Strategie-Dokumentation implementiert. In diesen Fällen kann die Beurteilung der Anwendungsanfor1 Vgl. ausführlich auch Scharpf/Schaber, 416 ff. mwN. Vgl. mit anderer Gewichtung Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 557. 2 Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 10. 3 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 101. Vgl. Scharpf/Schaber, 411. 4 Vgl. weiterführend Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 487 ff. sowie Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 8. 5 Beispielsweise die Sitzungsprotokolle und Entscheidungsvorlagen von Steuerungs- und Aufsichtsgremien. 6 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 105. 7 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 105.

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§ 254 Rz. 44 | Bildung von Bewertungseinheiten derungen des § 254 HGB auch auf informelleren Risikomanagementaktivitäten basieren, wenn diese als funktionierend eingestuft werden und als strategische Handlungsanweisung im Unternehmen aufgefasst werden. 44

Werden die Anwendungsanforderungen nicht kumulativ erfüllt, so erfolgt die bilanzielle Behandlung des Grundgeschäfts wie auch des Sicherungsinstruments jeweils nach den allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften (IDW RS HFA 35 Rz. 5).

II. Voraussetzungen zur Anwendung von § 254 HGB auf bestehende Grundgeschäfte 1. Ökonomischer Zusammenhang in Form vergleichbarer und absicherbarer Risiken 45

Der geforderte ökonomische Zusammenhang kommt grundsätzlich in einer homogenen Beeinflussung von Gewinnchance und Verlustrisiko bzw. der Wert- oder Zahlungsstromänderungen von Sicherungsinstrument und Grundgeschäft zum Ausdruck.1 § 254 HGB enthält über das erforderliche Ausmaß an homogener Beeinflussung jedoch keine weitergehenden Hinweise. Die Homogenitätsforderung kann zumindest dann gewährleistet werden, wenn sich die bewertungsrelevanten Konditionen prinzipiell gegenseitig entsprechen. Die Festlegung, ob eine gegenseitige Entsprechung der bewertungsrelevanten Konditionen vorliegt, hängt auch ab vom Verständnis des Risikobegriffs iSv. § 254 HGB.

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Das designierte Sicherungsinstrument wie auch das abzusichernde Grundgeschäft müssen gegenseitig „vergleichbaren Risiken“, deren möglicher Eintritt ökonomisch abgesichert werden soll, ausgesetzt sein.2 Im Grundsatz bedeutet Vergleichbarkeit, dass sowohl das Grundgeschäft als auch das Sicherungsinstrument „demselben Risiko bzw. denselben Risiken“ ausgesetzt sein muss. Allerdings bedeutet das Erfordernis eines „vergleichbaren Risikos“ nicht, dass es sich stets um ein ‚identisches Risiko‘ handeln muss. Die Designation lediglich „vergleichbarer Risiken“ ist handelsrechtlich offenkundig zulässig, da der Gesetzgeber nicht von „identischen“ oder „gleichen“ Risiken spricht. Die Abgrenzung der Begriffsreichweite des „vergleichbaren Risikos“ ist wesentlich, hat sie doch bereits alleine grundlegende Auswirkungen auf die (In-)Effektivitätsmessung, denn diese basiert auf dem Wirkungsgrad im Hinblick auf das „gesicherte Risiko“.3 Die Risikokompensation stellt folglich eine wesentliche Voraussetzung für die handelsbilanzielle Abbildung dar. Das Vorliegen von „Vergleichbarkeit der Risiken“ muss jedoch auf Basis einer aussagekräftigen Korrelationsanalyse,4 die auf hinreichendem Datenmaterial beruht, nachgewiesen und dokumentiert werden.5 Die Korrelation basiert allerdings auf einem rein statistischen Zusammenhang. Entsprechend ist es zusätzlich erforderlich, Kenntnis über bestehende (ökonomische) Preisbildungsmechanismen sowie deren wertbeeinflussenden Parameter zu erlangen, um die Existenz des kausalen Zusammenhangs zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument sicherzustellen.6 Dies scheint insbes. bei Commodity-Preisrisiken eine wesentliche Rolle zu spielen, da doch oftmals gerade in diesem Bereich keine Sicherungsinstrumente mit „identischem Risikoprofil“ wie das Grundgeschäft verfügbar sein werden.

47

Die Forderung einer Mindestkorrelation ist jedoch im Hinblick auf eine willkürliche Grenzziehung nicht zielführend. Denn bereits gering korrelierte Risikoentwicklungen legen eine kompensierende Wirkung iSd. Oberziels „Risikokompensation“ nahe. Letztlich wird bei der Auslegung dieser Frage eine Orientierung an der jeweiligen Risikomanagementmethode empfohlen. Eine Vergleichbarkeit dürfte bereits auch bei geringer Korrelation vorliegen, wenn der ökonomische Zusammenhang über die Kenntnis der Preisbildungsmechanismen nachvollziehbar ist.

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In diesem Zusammenhang müssen die gesicherten Risiken also solche auch identifizierbar und bewertbar sein. Unter Identifizierbarkeit ist hierbei die (regelmäßig mathematisch) eindeutige Zuordnung von Wertbeiträgen (und deren Veränderungen) auf die designierten Risiken zu verstehen.7 Darüber hinaus muss ebenso eine eindeutige Trennung zwischen gesicherten und nicht gesicherten Risiken und deren Bestand1 Vgl. Scharpf/Schaber, 416 ff.; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 42; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 508. 2 Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 25. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 416 f. 3 Vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 13. 4 Vgl. kritisch zur Verwendung von Korrelationskoeffizienten zur Sicherstellung der ‚objektiven Sicherungseignung‘ von Sicherungsinstrumenten Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 116 und 170. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 569 mwN. 5 Vgl. auch Scharpf/Schaber, 417. 6 Vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 170 mwN. 7 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 115.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 51 § 254

teilen möglich sein. Die grundsätzliche Möglichkeit der Wertbeimessung gesicherter Risiken führt dazu, dass Risiken und deren Bestandteile einer Bewertbarkeit unterliegen, dh. der Wertbeitrag (und dessen Veränderung) verflüchtigt sich nicht ins Allgemeine mit der Folge, dass dem Risiko ein bestimmtes (mathematisches) wertmäßiges Gewicht zugesprochen wird.1 Der für § 254 HGB maßgebende Risikobegriff lässt sich unterschiedlich weit fassen. Die Forderung nach 49 „vergleichbaren Risiken“ bedeutet, wie bereits angemerkt, nicht stets das Vorliegen eines „identischen Risikos“. Im Regelfall bestehen für Zwecke der ökonomischen Sicherung keine Sicherungsinstrumente, die im Vergleich zum Grundgeschäft ein „identisches Risiko“ aufweisen. Entweder sind diese Sicherungsinstrumente nicht am Markt erhältlich oder der Marktzugang fehlt generell, so dass auf alternative Sicherungsinstrumente mit zumindest „vergleichbarem Risikoprofil“ zurückgegriffen werden muss. Des Weiteren können die Grundgeschäfte und Sicherungsinstrumente (innerhalb einer Risikooberkategorie2) unterschiedlichen Bewertungsparametern unterliegen, so dass nicht zwangsläufig von einem „identischen Risiko“, auch iSv. identischen Risikoparametern, gesprochen werden kann. Dennoch scheint eine Sicherung auf Basis der Risikooberkategorie nach § 254 HGB möglich. Beispiel: Im Rahmen der Absicherung von Zinsänderungsrisiken (Risikooberkategorie) erfolgt die Bewertung von Zinsswaps regelmäßig auf Basis der swap-mid-Kurve, während das zu sichernde Grundgeschäft über eine andere Zinsstrukturkurve bewertet wird. Letztendlich unterscheiden sich die entsprechenden Bewertungsparameter.

Diese etwas weiter gefasste Definition des „vergleichbaren Risikos“ stellt auf die kompensierende Wirkung der ökonomischen Absicherung lediglich auf Ebene der Risikooberkategorie (zB Zinsrisiken, Rohstoffpreisrisiken oder Währungsrisiken) ab. Dies hat zur Folge, dass die sich ergebenden Risikoprofile von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument (mit Bezug zur Risikooberkategorie) vergleichbar sein müssen. Beispiel: Die Absicherung von Gaspreisen erfolgt innerhalb der Rohstoffpreissicherung mittels derivativer Finanzinstrumente, die den Ölpreis als Basiswert (underlying) aufweisen.

Der vorstehende Begriff „vergleichbarer Risiken“ soll im Zuge der Anwendung von § 254 HGB grundsätz- 50 lich Verwendung finden.3 Dieser Auffassung folgt auch das IDW, denn nur wenn das Grundgeschäft und das Sicherungsinstrument grundsätzlich demselben Risiko (zB USD-Fremdwährungsrisiko) bzw. denselben Risiken (zB USD-Fremdwährungsrisiko und US-Zinsrisiko) bzw. derartig vergleichbarer Risiken unterliegen, lassen sich gegenläufige Wertänderungen oder Zahlungsströme überhaupt erzielen und verlässlich4 messen. Eine etwas engere Definition des Risikobegriffs nach § 254 HGB umfasst regelmäßig Risiken der gleichen 51 Risikooberkategorie (zB Zinsrisiken, Währungsrisiken, Rohstoffpreisrisiken etc.) und zusätzlich „identische Risikoparameter“. Beispiel: Es erfolgt die Verwendung jeweils identischer Zinsstrukturkurven bei der Absicherung von Zinsrisiken bzw. der entsprechend identischen Rohstoffart im Zuge der Commodity-Preissicherung jeweils für das Grundgeschäft und das Sicherungsinstrument.

Hier steht die Risikooberkategorie mit identischen Risikoparametern (zB identischen Zinsstrukturkurven) im Fokus. Entsprechend weisen Grundgeschäft(e) und Sicherungsinstrument(e) jeweils dasselbe identische Risiko (bzw. dieselben identischen Risiken) auf. In der operativen Praxis stellt diese Variante allerdings die Ausnahme dar. Denn die Wertkompensation entspricht bei dieser etwas engeren Definition vollumfänglich der Risikokompensation.5 Folglich scheint für die praktische Umsetzung des § 254 HGB diese Begriffsreichweite, wenn auch im Einzelfall nicht ausgeschlossen, zu eng gewählt. Eine entsprechende Öffnung der Risikobegriffsreichweite scheint erforderlich. Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass es für die praktische Anwendung von § 254 HGB erforderlich ist, dass jeweils mindestens die Risikooberkategorie von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument übereinstimmen müssen. Lediglich dann kann nach dem gesetzgeberischen Willen von „demselben Risiko“ (zB USD-Währungsrisiko) gesprochen werden.6 1 2 3 4 5 6

Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 115. Beispielsweise können hier Zinsrisiken, Rohstoffpreisrisiken oder Währungsrisiken unterschieden werden. Vgl. hierzu und im Folgenden auch IDW RS HFA 35 Rz. 25. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 509. Vgl. weiterführend hierzu Glaser, 26 ff. und 47 ff.; Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 21–26. Vgl. BT-Drucks. 16/12407, 86. Vgl. Scharpf/Schaber, 416.

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§ 254 Rz. 52 | Bildung von Bewertungseinheiten Beispiel: Zur Risikoabsicherung von beizulegenden Zeitwerten oder Zahlungsströmen des Grundgeschäfts in Bezug auf die Risikooberkategorie können zB nachfolgende Sicherungsinstrumente eingesetzt werden, vorausgesetzt die Wert- oder Zahlungsstromentwicklungen verlaufen zum Grundgeschäft gegenläufig: Zinsänderungsrisiko: Zinsswap, Zinsoption, Zinsfuture, Forward Rate Agreement, Zinsbegrenzungsvereinbarung (cap, floor, collar) Währungsrisiko: Währungsswap, Währungsoption, Devisentermingeschäft Andere (Markt-)Preisrisiken (zB Commodity-Risiken): Future, Forward, Option Bonitätsrisiko: total return swap, credit default swap, credit linked note, credit spread option.

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Des Weiteren bedarf es eines „objektiven Sicherungsbedarfs“ für die gesicherten Risiken, um den von § 254 HGB geforderten Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme als Anforderung zur Anwendung erst erreichen zu können.1 In diesem Zusammenhang bedeutet Absicherungsbedarf auch, dass Grundgeschäfte und Sicherungsinstrumente keine Eigenschaften aufweisen, die nicht gesichert werden (können). Bei Vorliegen dieser Eigenschaften sind die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Wertänderungen und Zahlungsstromänderungen nach den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln (imparitätische Einzelbewertung). Zum Sicherungsinstrument und dessen objektiver Eignung zur Absicherung vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 3.2

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Der Absicherungsfähigkeit unterliegen lediglich Einzelrisiken. Beispielsweise kann entweder das Währungs- oder das Zinsrisiko gesichert werden.3 So soll im Prinzip eine unerwünschte, rein zufällige Kompensation vermieden werden (Ausgangspunkt des Kausalzusammenhangs sowie dessen Nachweis). Das Erfordernis „vergleichbarer Risiken“ soll folglich vermeiden, dass eine als effektiv eingestufte ökonomische Bewertungseinheit auch für handelsbilanzielle Zwecksetzungen angenommen wird, obwohl sich diese nur rein willkürlich ausgleichenden Wertänderungen oder Zahlungsströme aus unterschiedlichen (nicht vergleichbaren) Risiken ergeben.4 Die Betragsidentität vermeidet im Regelfall, dass sich Wert- oder Zahlungsstromänderungen nur zufällig ausgleichen.5

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In einer einzigen Sicherungsbeziehung dürfen jedoch nicht verschiedene Einzelrisiken gleichzeitig gesichert werden. Dennoch sind Grundgeschäfte, die mehrere Risiken beinhalten, trotzdem absicherungsfähig. Beispiel: Ein bilanzierendes Unternehmen mit Sitz im Euroraum (funktionale Währung: €) hält in seinem Aktivbestand eine variabel verzinsliche Anleihe in Schweizer Franken, die von einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in Zürich/Schweiz emittiert wurde. Das Finanzinstrument beinhaltet folgende Risiken: Zinsrisiko, Währungsrisiko, Bonitätsrisiko. Die isolierte Absicherung jedes Einzelrisikos ist möglich und handelsbilanziell isoliert abbildbar. Zinsrisiko: Kauf eines receiver-Zinsswaps Währungsrisiko: Abschluss eines Devisentermingeschäfts zum Fälligkeitstag der Anleihe Bonitätsrisiko: Kauf eines credit default swaps.

55

Für das ökonomische Risikomanagement und die daran anknüpfende handelsbilanzielle Abbildung ist das gesicherte Risiko eindeutig festzulegen und zu dokumentieren. Es ist allerdings nicht ausreichend, lediglich auf die Risikooberkategorie an sich (zB Zinsrisiken, Währungsrisiken) in der Dokumentation zu verweisen. Es wird empfohlen, die konkret gesicherten Risiken (zB die Veränderung der risikolosen Zinsstrukturkurve [einschließlich bewertungstechnisch relevanter Details] zuzüglich weiterer gesicherter Bestandteile [zB Restlaufzeiteneffekte], diverse Kostenbestandteile sowie Gewinnmargen) zu nennen (exakte Definition des zu sichernden Risikos) und das Sicherungsziel in diesem Zusammenhang zu erläutern.6

56

Nach § 254 HGB bedarf es zusätzlich des „Eintritt[s] vergleichbarer Risiken“. Die Forderung des „Eintritts“ betrifft somit die sog. „Deckungsfähigkeit“ von Grundgeschäften durch Sicherungsinstrumente. Dabei bedeutet Deckungsfähigkeit, dass die kompensierende Wirkung durch „zeitgleich anfallende Zahlungsvorgänge“ erfolgt.7 1 Vgl. auch Scharpf/Schaber, 419 mwN; Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 50; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 528, 570; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 10. 2 Vgl. Scharpf/Schaber, 418. 3 Vgl. auch Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 22. 4 Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 25. 5 Vgl. vertiefend zu Definition und Bedeutung der ‚Betragsidentität‘ Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 581 f. 6 Vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 47. 7 Vgl. Scharpf/Schaber, 415 bzw. 418 und 422; Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 54. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 127.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 60 § 254

Eine kompensatorische Wirkung kann ohne das Erfordernis der Deckungsfähigkeit, sichergestellt über die zeitgleich vollzogenen Zahlungsvorgänge, nicht eintreten. Zum jeweiligen Bewertungsstichtag gilt es zu überprüfen, ob die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument für eine absehbare Zeit noch gegeben ist oder ob Umstände eingetreten sind, die dieser Forderung entgegenstehen könnten. Eine nicht ausreichende zeitliche Deckungsfähigkeit hat mitunter negative Auswirkungen auf die Effektivitätsmessung. Wenn zwischen den nicht zeitgleich erfolgenden Zahlungsvorgängen ein Bewertungsstichtag liegt, dann ist dies besonders problematisch. Die „Deckungsfähigkeit“ lässt sich regelmäßig sicherstellen durch (a) Fälligkeitsidentität von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument oder (b) Sicherstellung der Fälligkeitsidentität durch geeignete (dokumentierte) Maßnahmen, wenn Zahlungsvorgänge zeitlich auseinanderlaufen.1 2. Bilanziell designierbare Grundgeschäfte Neben den typischen Grundgeschäften finanzieller Art (beispielsweise Wertpapierbestände, Forderungen 57 aus Lieferungen und Leistungen, Verbindlichkeiten gegenüber Kunden) sind auch Grundgeschäfte nichtfinanzieller Art (beispielsweise Sachanlagen, Commodities, Fertigerzeugnisse, halbfertige Erzeugnisse, Sachverbindlichkeiten, Edelmetalle sowie landwirtschaftliche Produkte) im Zuge der Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten handelsrechtlich designier- und abbildbar. Damit ist der Anwendungskreis des § 254 HGB in Bezug auf die Grundgeschäfte nicht nur auf Finanzinstrumente beschränkt.2 Es bestehen folglich keine Beschränkungen in Bezug auf die Designierbarkeit von Grundgeschäften, wenn entsprechende Voraussetzungen (beispielsweise im Hinblick auf die Übereinstimmung der zu designierenden Grundgeschäfte mit den handelsrechtlichen Begriffsdefinitionen des Vermögensgegenstands, der Schuld oder des schwebenden Geschäfts3) erfüllt werden. Darüber hinaus besitzt die konkrete Art der Bewertung (zB zum beizulegenden Zeitwert oder zu (fortgeführten) Anschaffungskosten) keine Auswirkungen auf die Designierbarkeit von Grundgeschäften.

58

Auch Derivate (stand-alone; Swaps, Optionen, Forwards, Futures), dh. folglich schwebende Geschäfte, 59 können im Gegensatz zu IFRS 9/IAS 39 ebenfalls handelsrechtlich designierbare Grundgeschäfte darstellen. Der Anwendungskreis ist im Vergleich zu den IFRS/IAS dahingehend größer. Designierbar dürften folglich auch derivative Bestandteile sein, die in strukturierte Finanzinstrumente eingebettet sind. Wenn das eingebettete Derivat allerdings nicht ohnehin gem. IDW RS HFA 22 bilanziell trennungspflichtig ist, bedarf es dennoch für die Feststellung des Ausmaßes an kompensatorischer Wirkung der betreffenden Sicherungsbeziehung einer wertmäßigen Trennung des eingebetteten Bestandteils vom Basisvertrag (host contract).4 Ob lediglich die Absicherung des Grundgeschäfts in seiner Gesamtheit zulässig ist oder ob auch partielle 60 Absicherungen für zulässig gehalten werden, ist bislang nicht klar geregelt worden. Der reine Wortlaut des § 254 HGB deutet jedoch darauf hin, dass nur Grundgeschäfte in ihrer Gesamtheit designiert werden können. Allerdings würde eine derartige Beschränkung aber nicht der ökonomischen Risikomanagementpraxis, die regelmäßig Teilabsicherungen vornimmt, gerecht werden. Unter enger Bezugnahme zur praktizierten Risikomanagementpraxis müssen folglich auch Teilvolumina (beispielsweise die Absicherung von 45% des Rückzahlungsbetrags einer Schuldposition), bestimmte Risikobestandteile eines Grundgeschäfts (beispielsweise die Absicherung des risikolosen Zinssatzes)5 oder ausgewählte Zeiträume (beispielsweise die letzten sieben Laufzeitmonate eines Vermögensgegenstands; part time hedges) handelsbilanziell nach § 254 HGB als Grundgeschäfte designierbar sein.6 Dies gilt unter der Voraussetzung, dass diese auch entsprechend in gleicher Form in das ökonomische Risikomanagement Eingang finden und sich isoliert bewerten lassen.7 Die Vornahme und handelsbilanzielle Designation von Teilabsicherungen muss sich auf Basis der Bestandsführung nachvollziehen lassen. Der jeweils nicht gesicherte Bestandteil wird nach den allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften bilanziert (imparitätische Einzelbewertung). Entsprechendes gilt für ineffektive Bestandteile bei der Absicherung lediglich eines Teils der Risiken, eine isolierte Bewertbarkeit der Risikobestandteile vorausgesetzt. 1 2 3 4

Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 62. Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 29. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 419. Dies ergibt sich bereits aus dem reinen Wortlaut des § 254 HGB. Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 31 und darauf Bezug nehmend Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 136. Vgl. weiterführend mwN Scharpf/Schaber, 419 f.; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 532. 5 Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 28. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 422 f. 6 Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 33. Vgl. auch Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 547 ff. 7 Vgl. auch Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 13 und Rz. 139 ff.

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§ 254 Rz. 61 | Bildung von Bewertungseinheiten 61

Jedoch darf bei der handelsbilanziellen Designation von Teilabsicherungen nicht die ursprüngliche Zielsetzung der ökonomischen Absicherung sowie der Normzweck des § 254 HGB, das fristenkongruente bzw. zeitgleiche Auftreten von Veränderungen der beizulegenden Zeitwerte oder der Zahlungsströme zwecks Kompensation, außer Acht gelassen werden. Andernfalls muss der Abschluss entsprechender Anschlussgeschäfte (dokumentiert) beabsichtigt und auch möglich sein (Prolongation).1

62

§ 246 Abs. 1 HGB differenziert ausdrücklich zwischen Vermögensgegenständen, Schulden sowie Rechnungsabgrenzungsposten. § 254 HGB bezieht sich zunächst lediglich auf die beiden erstgenannten Bilanzpostenarten. Entsprechend kommen aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten nicht als designierbare Grundgeschäfte in Frage.2 Zur Ablehnung von Pensionsrückstellungen als Grundgeschäfte vgl. Scharpf/Schaber.3

63

Für die Designation kommen im Grundsatz nur jene Grundgeschäfte in Betracht, deren akuter Ausfall in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann,4 dh. die Bonität des Kontraktpartners steht außer Zweifel. Diese Beurteilung ist im Designationszeitpunkt sowie an den darauffolgenden Bewertungsstichtagen durchzuführen. Allerdings wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, dass bestehende Ausfallrisiken nicht per se die Designierbarkeit von Grundgeschäften verhindern, wenn die mangelnde Bonität „sachgerecht“ Berücksichtigung findet.5 Dies kann beispielsweise durch eine partielle Designation erfolgen.6

64

Das Vorhandensein lediglich latenter Ausfallrisiken scheint unschädlich für eine Designation zu sein, wenn die Werthaltigkeit des Grundgeschäfts nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

65

Die Designation von (bilanziell noch nicht erfassten) „Eventualvermögensgegenständen“ sowie „Eventualschulden“ (ua. Haftungsverhältnisse) als Grundgeschäfte ist grundsätzlich nicht zulässig. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 254 HGB iVm. § 246 Abs. 1 HGB, denn der Jahresabschluss hat (soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist) sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, und Rechnungsabgrenzungsposten „zu enthalten“, dh. es muss sich mindestens um dem Grunde nach bilanziell erfasste Transaktionen handeln.7

66

Keine zulässigen Grundgeschäfte stellen Geschäfts- und Firmenwerte dar, unabhängig davon, ob sie derivativer oder originärer Natur sind.8 Denn sie geben im Regelfall ein allgemeines Unternehmensrisiko wieder und stellen darüber hinaus im Prinzip keine handelsrechtlichen Vermögensgegenstände dar.9

67

Mit § 254 HGB (als Öffnungsklausel) wird erstmals der Umfang an handelsbilanziell zulässigen Grundgeschäften auch auf mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen erweitert (sog. antizipative Hedges; der rechtswirksame Abschluss des Geschäfts erfolgte noch nicht, ist jedoch geplant und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet).10 An diese Grundgeschäfte sind ergänzende Anforderungen (beispielsweise eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit) zu stellen.11 3. Bilanziell designierbare Sicherungsinstrumente

68

Prinzipiell wird die konkrete Ausgestaltung, die Zwecksetzung sowie die Zulässigkeit eines (geeigneten) Sicherungsinstruments durch das zu sichernde Grundgeschäft (einschließlich des zu sichernden Risikos) als vorgegebene Größe bestimmt.12

69

Handelsrechtlich ist es zulässig, dass ein Grundgeschäft durch die Kombination mehrerer Sicherungsinstrumente gesichert wird.13 Ein explizites Verbot ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 254 HGB noch aus dessen Regierungsbegründung. Eine bloße 1:1-Beziehung ist nicht zwingend erforderlich; eine 1:n-Beziehung ist zulässig. Die nachstehend genannten Anforderungen, insbes. die Bewertbarkeit sowie der Nachweis der Sicherungseignung, sind entsprechend auf das Sicherungsinstrumente-Paket anzuwenden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 33. Vgl. weiterführend Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 549, 575 f. Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 10. Vgl. Scharpf/Schaber, 423 f. Siehe weiterführend IDW RS HFA 35 Rz. 30. Vgl. Scharpf/Schaber, 419; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 552. Vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 208. Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 14. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 143; Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 10. Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 254 Rz. 2. Vgl. hierzu auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 57; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 11. Vgl. Scharpf/Schaber, 409. Vgl. weiterführend Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 535 ff. Vgl. vertiefend Scharpf/Schaber, 448-455. Vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 114. Vgl. ausführlich auch Scharpf/Schaber, 424 ff. Vgl. auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 9; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 513 ff.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 75 § 254

Im Regelfall finden als Sicherungsinstrumente derivative und originäre Finanzinstrumente Verwendung. 70 Dabei stehen aus strukturierten Finanzinstrumenten auf Basis des IDW RS HFA 22 abgespaltene derivative Bestandteile den freistehenden derivativen Finanzinstrumenten mit Blick auf die Sicherungseignung im Grundsatz gleich.1 Als Grundsatz für die Designierbarkeit gilt: die als Sicherungsinstrumente vorgesehenen Finanzinstrumente müssen zur Absicherung gegen das spezifizierte Risiko des Grundgeschäfts (dem Grunde und der Höhe nach) „geeignet“ sein, dh. ein Sicherungsinstrument führt nachgewiesenermaßen zum angestrebten Sicherungserfolg.2 Die Eignung für Zwecke der Absicherung des designierten Risikos ist nachzuweisen und entsprechend bereits mit der Designation zu dokumentieren. Das Sicherungsinstrument muss einem oder mehreren gleichartigen sowie gegenläufig wirkenden Risikoarten ausgesetzt sein (Risikohomogenität3). Diese Anforderung gilt lediglich für die zu designierenden (Teil-)Risiken. Die Eignungsprüfung kann beispielsweise mit den verschiedenen Methoden des prospektiven Effektivitätstests4 erfolgen.5 Nach dem Wortlaut des § 254 Satz 1 HGB sind handelsrechtlich zunächst lediglich Finanzinstrumente als 71 Sicherungsinstrumente zulässig. Allerdings hat der Gesetzgeber an dieser Stelle keine Legaldefinition des Begriffs „Finanzinstrumente“ in das Gesetz aufgenommen, da die Arten vielfältig sind und sich laufend weiterentwickeln. Auch in der Gesetzesbegründung zu § 254 HGB finden sich keine Anhaltspunkte zur Reichweite der Begriffsdefinition. Rückstellungen eignen sich jedenfalls nicht als designierbare Sicherungsinstrumente iSv. § 254 HGB, da 72 sie handelsrechtlich keine Finanzinstrumente darstellen. Um den Finanzinstrumente-Begriff inhaltlich auszufüllen, wird auf die übrigen deutschen Gesetze zu- 73 rückgegriffen, in denen sich eine Legaldefinition finden lässt. Dabei gilt es allerdings den Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift zu berücksichtigen. So ist beispielsweise in § 1 KWG ein Katalog verschiedener Instrumente enthalten, die unter den Finanzinstrumente-Begriff, auch unter den des § 254 HGB, fallen können. Unter Zugrundelegung des Instrumente-Katalogs des KWG können als Sicherungsinstrumente sowohl originäre (zB finanzielle Vermögensgegenstände wie Währungsforderungen bzw. finanzielle Schulden wie Währungsverbindlichkeiten oder Eigenkapitalinstrumente, wie zB Aktien6) wie auch derivative Finanzinstrumente eingesetzt werden.7 Eine Beschränkung lediglich auf derivative Finanzinstrumente als zulässige Sicherungsinstrumente würde, obwohl deren Verwendung zum größten Teil üblich ist, die Risikomanagementpraxis nur unzureichend widerspiegeln. Eine Einschränkung macht das Handelsrecht in dieser Hinsicht nicht.8 Für die Designation auf Basis des § 254 HGB muss das Sicherungsinstrument bereits rechtlich wirksam 74 abgeschlossen sein. Ein mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteter Abschluss eines Sicherungsinstruments reicht nicht aus.9 § 254 HGB trifft keine Aussage dahingehend, ob abgespaltene derivative Bestandteile strukturierter Fi- 75 nanzinstrumente als Sicherungsinstrumente designiert werden können. In Anlehnung an die Vorgaben des IDW RS HFA 22 müssen die vom Basisvertrag abgespalteten derivativen Finanzinstrumente den freistehenden derivativen Finanzinstrumenten prinzipiell gleichstehen. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Eignung als Sicherungsinstrument.10 Werden vom Basisvertrag abgespaltene Derivate als Sicherungsinstrumente eingesetzt, so geht § 254 HGB der Anwendung von IDW RS HFA 22 vor.11

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11

Vgl. Scharpf/Schaber, 424. Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 38. Vgl. auch Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 27. Vgl. hierzu ausführlich Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 280 ff. sowie Glaser, 171 ff. und 288 ff. Zu einigen Beispielen für grundsätzlich nicht geeignete Sicherungsinstrumente vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 126. Dazu gehören zB USD-€-knock-out-caps oder payer-Zinsswaps mit stufenweiser Anpassung („ladder“Swap) der variablen Seite durch Kopplung an die Vorperiode sowie einen variablen Referenzzinssatz. Vgl. Böcking/Gros/Wallek in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 254 Rz. 7. Vgl. auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 7; IDW RS HFA 35 Rz. 10 iVm. Rz. 34. Darüber hinaus kann inhaltlich (auch in Anlehnung an die internationalen Vorgaben des IAS 32) ein Finanzinstrument im Prinzip als vertragliche Vereinbarung definiert werden, die für die eine Vertragspartei zu einem finanziellen Vermögensgegenstand und für die andere Vertragspartei zu einer finanziellen Schuld oder zu einem Eigenkapitalinstrument führt. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 502. Vgl. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 32. Vgl. Scharpf/Schaber, 425; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 501. Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 35. Vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 100; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 503.

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§ 254 Rz. 76 | Bildung von Bewertungseinheiten 76

Folgt man dem genauen Wortlaut des § 254 HGB, so kommen künftig zu erwartende Transaktionen, nicht-finanzielle Vermögensgegenstände (beispielsweise Vorräte an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen) sowie nicht-finanzielle Schulden (beispielsweise Sachverbindlichkeiten) als Sicherungsinstrumente nicht in Betracht.1 Geschriebene Optionen kommen im Grundsatz ebenso als Sicherungsinstrumente nicht in Frage.2

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Nach § 254 Satz 2 HGB „gelten“ als zulässige Sicherungsinstrumente auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren; diese stellen ebenfalls Finanzinstrumente dar. Auf Basis dieser normierten Fiktion werden die üblichen schwebenden Wareneinkaufs- und Warenverkaufsgeschäfte als designierbare Sicherungsinstrumente eingestuft (Öffnungsklausel). Allerdings fallen derivative Warentermingeschäfte, die ein cash settlement beinhalten, bereits als Finanzinstrumente unter § 254 Satz 1 HGB.

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Als Sicherungsinstrumente kommen prinzipiell lediglich die Instrumente in Frage, deren akuter Ausfall in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann,3 dh. die Bonität des Kontraktpartners steht außer Zweifel. Im Fall einer akuten Ausfallgefahr kann uU nicht von einer prospektiven Wirksamkeit ausgegangen werden. Unter Beurteilung der individuellen Umstände kann eine rein latente Ausfallgefahr gegebenenfalls unschädlich sein,4 wenn die Werthaltigkeit des Sicherungsinstruments nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Die Beurteilung der Ausfallgefahr ist im Designationszeitpunkt sowie an den darauffolgenden Bewertungsstichtagen durchzuführen. Allerdings wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, dass bestehende Ausfallrisiken nicht per se die Designierbarkeit von Sicherungsinstrumenten verhindern, wenn die mangelnde Bonität „sachgerecht“ Berücksichtigung findet.5 Dies kann beispielsweise durch eine partielle Designation erfolgen.6 Nach Merkt hingegen handelt es sich beim Ausfallrisiko um ein nicht abspaltbares Risiko.7

79

Auch Sicherungsinstrumente können, ähnlich wie die Grundgeschäfte in enger Anlehnung an die ökonomische Risikomanagementpraxis, lediglich mit einem Teil ihres Volumens als handelsbilanzielle Bewertungseinheit designiert und entsprechend nach den Vorgaben des § 254 HGB bilanziert werden (Teilabsicherungen8), sofern eine entsprechende Dokumentation vorliegt. Gleiches gilt auch für die Designation eines Sicherungsinstruments für einen Teil seiner Laufzeit (part time hedges).9 Entsprechendes gilt auch für die Absicherung eines Teils der Risiken, eine isolierte Bewertbarkeit vorausgesetzt. Bei Optionen und Termingeschäften ist es, ähnlich den internationalen Vorschriften der IFRS, gestattet, lediglich einen inhaltlich relevanten gegenläufigen Risikobestandteil (zB der innere Wert bei Optionsgeschäften oder die Kassakomponente bei Termingeschäften) als Sicherungsinstrument bilanziell zu designieren. Die Vornahme und bilanzielle Designation von Teilabsicherungen muss sich auf Basis der Bestandsführung nachvollziehen lassen. Bei einer Teildesignation ist der verbleibende, nicht designierte Teil generell nach den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen (imparitätische Einzelbewertung) zu behandeln.

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Die zuverlässige Quantifizierbarkeit der gesicherten Teilrisiken ist stets erforderlich im Zuge der partiellen (bilanziellen) Designation. Letztlich lässt sich eine Teilrisiko-Designation lediglich so lange vornehmen, wie sie im ökonomischen Risikomanagement praktiziert wird und eine hinreichende (quantitative) Konkretisierung vorgenommen werden kann.

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Letzteres ist im Fall des allgemeinen Unternehmensrisikos nicht mehr gegeben.10 Entsprechend kann hier auch nicht mehr von einem sicherungsfähigen Risiko gesprochen werden.11 Das Inflationsrisiko ist nur dann handelsbilanziell absicherbar, wenn es eindeutig identifizierbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn das Inflationsrisiko formelmäßig vertraglich erfasst wurde. Letztlich problematisch wird in jedem Fall die Wahl eines geeigneten Sicherungsinstruments sein.12 1 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 157; Scharpf/Schaber, 424 und 425; Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 186. 2 Vgl. weiterführend Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 524; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 21. 3 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 37. Vgl. Scharpf/Schaber, 425 f.; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 501. 4 Vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 113. 5 Vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 208. 6 Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 14. 7 Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 254 HGB Rz. 2. 8 Vgl. hierzu und im Folgenden weiterführend Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 131–134; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 518 ff. 9 Siehe hierzu auch IDW RS HFA 35 Rz. 40. 10 Vgl. Scharpf/Schaber, 417; s. auch IDW RS HFA 35 Rz. 26. 11 Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 26 mwN; zum „Gesamtrisiko einer Bewertungseinheit“, das seiner Natur nach nicht gesichert werden kann, s. Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 66. 12 Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 15.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 85 § 254

Sowohl direkt erworbene als auch bereits im Bestand befindliche Sicherungsinstrumente können als solche für die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten Verwendung finden. Die ökonomische Entscheidung über eine Absicherung und damit auch deren bilanzielle Designation kann sowohl zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Sicherungsinstruments als auch erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden. Zu Besonderheiten der prospektiven Effektivitätsmessung bei Designation in einem auf den Erwerb nachfolgenden Zeitpunkt s. insbes. IDW RS HFA 35 Rz. 56.1

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4. Dokumentations- und Nachweispflichten Eine Dokumentation dient regelmäßig dazu, den ökonomischen Sicherungswillen des bilanzierenden 83 Unternehmens in transparenter Art und Weise im Hinblick auf die ökonomische Zusammenschau von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument nachzuweisen. Es bestehen im Allgemeinen verschiedene Möglichkeiten, die Dokumentations- und Nachweispflichten zu erfüllen.2 Die Erfüllung dieser Pflichten lässt sich sowohl explizit (beispielsweise über eine direkte schriftliche Dokumentation) als auch implizit (beispielsweise indirekt über Arbeitsanweisungen/-richtlinien, Hinterlegung/Programmierung in IT-Systemen oder die systemseitige Erfassung in Datenbanken des jeweiligen Treasury-Systems) oder in Form einer Kombination hiervon bewerkstelligen.3 Für die Zwecke der handelsbilanziellen Bildung von Bewertungseinheiten bedarf es zunächst der nachweisbaren Designation von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument als ökonomischer Sicherungszusammenhang. Dieser wird regelmäßig im Zeitpunkt der ökonomischen Designation im Risikomanagement dokumentiert oder lässt sich aus dem laufenden Risikomanagementprozess nachvollziehen. Regelmäßig können derartige Designationsvorhaben, deren Beurteilung und Abschluss beispielsweise in Entscheidungsvorlagen und dazugehörigen Sitzungsprotokollen der Geschäftsführung, Jour-Fix-Memos der operativen Einheiten oder dem E-Mail-Verkehr zwischen beteiligten Abteilungen identifiziert werden. Für die Anwendung des § 254 HGB ist eine rein bilanzielle Designation ohne zugrunde liegende ökonomische Sicherungsbeziehung nicht ausreichend. Im umgekehrten Fall bedarf es auch für tatsächlich nachgewiesene und dokumentierte ökonomische Sicherungsbeziehungen einer Übertragung dieser sowie von deren Ergebnissen in die externe Rechnungslegung; sofern die übrigen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt werden können. Grundsätzlich ist eine Dokumentation im (ökonomischen) Designationszeitpunkt zu erstellen. Auf Basis 84 des Gebots einer willkürfreien Bilanzierung sowie aus Gründen der Beweisfunktion bedarf es einer Dokumentation der Sicherungsbeziehung unter Berücksichtigung der erforderlichen Zeitdauer der internen organisatorischen Abläufe spätestens mit dem rechtlich wirksamen Erwerb des Sicherungsinstruments. Die nachträgliche Dokumentation, die keinen engen zeitlichen/inhaltlichen Zusammenhang mit der erstmaligen handelsbilanziellen Abbildung der Bewertungseinheit aufweist, wird hier abgelehnt. Entsprechendes gilt für die Erstellung der Dokumentation bis spätestens zum Zeitpunkt der Aufstellung des (Zwischen-) Abschlusses, in dem die Bewertungseinheit erstmals einbezogen wird.4 Einschränkend gilt es allerdings anzumerken, dass nach den Vorgaben des § 254 HGB die Dokumenta- 85 tion kein ausdrückliches Tatbestandsmerkmal für die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten ist.5 Denn nach dem reinen Wortlaut von § 254 HGB bedarf es nicht zwingend der Existenz einer separaten Dokumentation für rein bilanzielle Zwecke. Zunächst scheint dies auch sinnvoll zu sein, da die bilanzierenden Unternehmen eine Pflicht zur Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten über eine absichtlich fehlende Dokumentation als vermeintliche Tatbestandsvoraussetzung faktisch umgehen könnten. Um allerdings für Zwecke der handelsbilanziellen Abbildung den ökonomischen Sicherungswillen offenkundig und für externe Dritte (zB den Wirtschaftsprüfer) nachvollziehbar zu machen, ist eine umfassende Dokumentation zwingend erforderlich.6 Als ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung soll die Dokumentationspflicht allerdings nicht verstanden werden, sondern eher als Nebenbedingung.7 Bereits in der Regie-

1 Vgl. auch Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 168. 2 Zum wesentlichen Inhalt der Dokumentation vgl. bereits erschöpfend Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 41 und Scharpf/Schaber, 430 ff. sowie IDW RS HFA 35 Rz. 43; detailliert und vertiefend vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 141–161; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 560-565. 3 Vgl. weiterführend auch IDW RS HFA 35 Rz. 46 sowie Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 184. 4 Vgl. auch Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 178; aA IDW RS HFA 35 Rz. 14. Vgl. Scharpf/Schaber, 453. 5 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 14. Vgl. Scharpf/Schaber, 430 sowie Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 35 ff. 6 Vgl. Scharpf/Schaber, 411. 7 Vgl. auch Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 180.

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§ 254 Rz. 86 | Bildung von Bewertungseinheiten rungsbegründung zu § 254 HGB wird klargestellt, dass mit einer hinreichenden Dokumentation insbes. die missbräuchliche (nachträgliche) Bildung von Bewertungseinheiten eingedämmt werden kann.1 86

Was unter der Dokumentation ökonomischer Sicherungsbeziehungen im Allgemeinen inhaltlich verstanden werden kann, wird in der operativen Praxis kontrovers diskutiert. Denn eine zwingende Vorgabe, wie die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten zu dokumentieren ist, scheint aufgrund der Masse an möglichen Formen ökonomischer Bewertungseinheiten letztlich nicht zielführend zu sein. Allgemeine Leitlinie einer jeden Dokumentation kann sein, dass aus der Dokumentation hervorgeht, ob ein Sicherungsinstrument im Designationszeitpunkt der ökonomischen Bewertungseinheit sowie während ihres Fortbestehens objektiv zur Absicherung des dokumentierten ökonomischen Risikos, das dem Grundgeschäft anhaftet, geeignet ist.2 In gewisser Weise werden hiermit die Grundlagen für die prospektive Effektivitätsmessung gelegt bzw. deren Ergebnis beschrieben. Die Dokumentation beinhaltet regelmäßig die wesentlichen bewertungsrelevanten und vertraglich vereinbarten Rahmendaten des zu sichernden Grundgeschäfts sowie des absichernden Sicherungsinstruments. Flankiert werden diese Angaben von der Darstellung der methodischen Vorgehensweise im Zuge der (prospektiven/retrospektiven) Effektivitätsmessung. Eine exakte Definition und Dokumentation insbes. der gesicherten Risiken stellt des Weiteren, zur Vermeidung einer willkürlichen Zusammenfassung von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument, eine wesentliche Grundlage für die (prospektive/retrospektive) Effektivitätsmessung dar. Entsprechend bedarf es der eindeutigen Nennung der gesicherten Risiken (bzw. deren Risikokomponenten).

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Eine für Zwecke der Anwendung internationaler Bilanzierungsvorschriften als ausreichend eingestufte Dokumentation kann auch für handelsrechtliche Zwecke Verwendung finden. Letztlich sollte sich aber die Dokumentation generell an der Dokumentation des ökonomischen Risikomanagements orientieren. 5. Sicherungsabsicht/-fähigkeit bzw. hohe Durchhaltewahrscheinlichkeit

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Handelsbilanzielle Bewertungseinheiten sind im Grundsatz zum Zweck der bilanziellen Abbildung ökonomischer Absicherungen zu bilden. Entsprechend ist es aufgrund des Gebots einer willkürfreien Bilanzierung untersagt, insbes. zur Steuerung des handelsrechtlichen Jahresergebnisses bilanzielle Bewertungseinheiten nachträglich zu bilden, denn dies wäre der tatsächlichen Darstellung der Vermögens- und Ertragslage abträglich.

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Aus dieser Zwecksetzung leitet sich, unter strenger Orientierung an den ökonomischen Sicherungsverhältnissen, auch der Grundsatz ab, dass im Zeitpunkt der Designation handelsbilanzieller Bewertungseinheiten die Absicht bestehen muss, diese auch bis zur Erreichung des ökonomischen Sicherungszwecks (zB bis zum Wegfall des gesicherten Risikos oder bis zum tatsächlichen Eintritt einer damit einhergehenden Kompensation) aufrechtzuerhalten (Durchhalteabsicht). Die Konstruktion ökonomischer Sicherungszusammenhänge erfolgt prospektiv für künftige Berichtsperioden. Daran hat sich auch die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten zu orientieren.3 Die Durchhalteabsicht korrespondiert eng mit der verfolgten (dokumentierten) Sicherungsstrategie, dem spezifischen Sicherungszweck sowie der angewandten ökonomischen Risikomanagementmethode.

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Der Grundsatz der Durchhaltefähigkeit flankiert die Durchhalteabsicht und ist zusätzlich zu beachten. Nach diesem Grundsatz dürfen im Prinzip keinerlei Hindernisse der (ökonomischen) Sicherungsbeziehung entgegenstehen, die bereits im Designationszeitpunkt die Durchhalteabsicht gefährden könnten. Insgesamt muss folglich eine hohe Durchhaltewahrscheinlichkeit der (ökonomischen) Sicherungsbeziehung bestehen.4 Das Erfordernis an die Durchhaltefähigkeit ist als Auffangkriterium eng zu fassen. Diese Bedingung darf lediglich durch außergewöhnliche, nicht im Ermessen des bilanzierenden Unternehmens stehende Ereignisse5, die folglich zu einer Auflösung der (ökonomischen und damit handelsbilanziellen) Sicherungsbeziehung führen, verletzt werden. Kam es beispielsweise in vergangenen Berichtsperioden (wiederholt) zu vorzeitigen Beendigungen der bilanziellen Sicherungsbeziehung und basieren diese Beendigungen nicht auf nachvollziehbaren ökonomischen Gründen, so sind an den Nachweis der Durchhalteabsicht und Durchhaltefähigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen.

1 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 58. 2 Vgl. hierzu und im Folgenden auch Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 181 ff. 3 Vgl. zur zeitlichen Bewertungsstetigkeit auch IDW RS HFA 35 Rz. 47. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 482 f., 585. Vgl. auch Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 22. 4 Vgl. auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 232. 5 Vgl. weiterführend auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 10. Vgl. Scharpf/Schaber, 421 mwN.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 94 § 254

Die ökonomischen Gegebenheiten bzw. die Veränderung der ökonomischen Bewertungseinheit dominie- 91 ren die Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung einer handelsbilanziellen Bewertungseinheit. Diese ist lediglich dann gegeben, wenn für die vorzeitige Beendigung einer handelsbilanziellen Sicherungsbeziehung auch im ökonomischen Risikomanagement nachvollziehbare wirtschaftliche Gründe vorliegen. Gründe, die Merkmale von Ergebnissteuerung (bewusstes Bilanzmanagement1), Spekulation bzw. zu Handelszwecken gehaltenen Instrumenten enthalten, dürfen nicht zu einer vorzeitigen Beendigung der handelsbilanziellen Sicherungsbeziehung führen. Im Designationszeitpunkt kann vom bilanzierenden Unternehmen berechtigterweise erwartet werden, dass es sich Gedanken über Sinn, Zweck und ökonomische Verwendung einer Transaktion (zB eines Sicherungsinstruments) vor deren Abschluss bzw. deren Designation macht. Letztlich lässt sich der Sicherungswillen stets über die (dokumentierte) Risikomanagementstrategie und -zielsetzung begründen und nachvollziehen. Eine handelsbilanzielle Bewertungseinheit darf unter direkter Bezugnahme zum ökonomischen Risiko- 92 management lediglich in den folgenden Fällen aufgelöst werden (Auflösungstatbestände):2 – Das Grundgeschäft oder das Sicherungsinstrument ist weggefallen oder es droht ein Ausfall des jeweiligen Kontrahenten, dh. dem ökonomischen Risikomanagement ist bereits die entsprechende Grundlage entzogen. – Über die prospektive Effektivitätsmessung wird ökonomisch nachgewiesen, dass eine künftig wirksame Sicherungsbeziehung nicht mehr angenommen werden kann. Entsprechend machen ein ökonomisches Risikomanagement und damit die bilanzielle Abbildung als solche keinen Sinn mehr, da der Sicherungszweck nicht erfüllt werden kann. – Die Endfälligkeit des Grundgeschäfts oder des Sicherungsinstruments, verbunden mit einem Abgang, ist erreicht. – Die Zwecksetzung der ökonomischen Sicherungsstrategie, die im Vorfeld bereits dokumentiert wurde, ist erreicht. Diese Forderung kann auch dynamische Sicherungsstrategien beinhalten. Insbesondere bei vorzeitiger Auflösung einer Sicherungsbeziehung mittels Glattstellung/Veräußerung eines Sicherungsinstruments ist bei der handelsbilanziellen Abbildung grundsätzlich nach der verwendeten Bilanzierungsmethode (Einfrierungs- oder Durchbuchungsmethode) zu differenzieren.3 6. (In-)Effektivitätsmessung Die Wirksamkeit einer Sicherungsbeziehung (Effektivität) beschreibt nach § 254 HGB das Ausmaß, in 93 dem sich die gegenläufigen und verlässlich bewertbaren Wert- oder Zahlungsstromänderungen im Hinblick auf das abgesicherte Risiko gegenseitig ausgleichen. Nach § 254 HGB ist eine kompensatorische Betrachtung handelsbilanziell für den Zeitraum und in dem Umfang erforderlich, für den bzw. in dem sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen tatsächlich ausgleichen, dh. es erfolgt eine Saldierung der gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen lediglich bis zur sog. Nulllinie.4 In diesem Zeitraum und Umfang ist die Sicherungsbeziehung wirksam, dh. effektiv, und es erfolgt eine handelsbilanziell besondere Behandlung der Aufwendungen (zB des Grundgeschäfts) und Erträge (zB des Sicherungsinstruments), indem die allgemeinen handelsrechtlichen Bilanzierungsvorgaben, namentlich die GoB, außer Kraft gesetzt werden. Ein verbleibender unwirksamer Teil des Grundgeschäfts und Sicherungsinstruments (Ineffektivität) ist handelsbilanziell nach den allgemeinen Vorschriften einer imparitätischen Einzelbewertung zu unterwerfen.5 Im Prinzip können zwei Arten der (In-)Effektivitätsmessung unterschieden werden, die beide handels- 94 rechtlich verpflichtend zur Anwendung kommen müssen: die prospektive6 sowie die retrospektive7 (In-) Effektivitätsmessung. Diese Messung an sich hat immer für das jeweils abgesicherte Risiko zu erfolgen. Folglich hat das bilanzierende Unternehmen im Designationszeitpunkt der Sicherungsbeziehung (prospektiv) sowie an jedem darauffolgenden Abschlussstichtag (prospektiv und retrospektiv) festzustellen, ob und in welchem Umfang eine Wirksamkeit auf Basis des jeweils abgesicherten Risikos gegeben ist bzw. 1 2 3 4 5 6

Scharpf/Schaber, 411 sprechen in anderem Zusammenhang von „Earnings Management“. Vgl. auch Scharpf/Schaber, 447 f.; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 590. Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 51. Vgl. Scharpf/Schaber, 410 mwN. Vgl. vertiefend Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 627 ff. Vgl. zu einem Überblick Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 594–607; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 28–32. 7 Vgl. zu einem Überblick Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 610–624; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 33–34.

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§ 254 Rz. 95 | Bildung von Bewertungseinheiten war (Effektivitätsmessung). Dies korrespondiert für rein handelsbilanzielle Zwecke mit der Forderung, dass an jedem Abschlussstichtag für jedes abgesicherte Risiko (retrospektiv) eine rechnerische Ermittlung der ineffektiven Beträge in Form buchungsrelevanter Salden1 zwecks imparitätischer Einzelbewertung erforderlich ist (Ineffektivitätsmessung). 95

Mit der prospektiven Effektivitätsmessung werden die Sicherungsstrategie sowie der Sicherungszweck untermauert. Die prospektive Prüfung hat grundsätzlich quantitativ zu erfolgen. Die retrospektive Messung hat insbes. zur Zielsetzung, dass der ineffektive Betrag einer imparitätischen Einzelbewertung zugeführt wird.2

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Die (In-)Effektivitätsmessung stellt ein wesentliches Bindeglied zwischen ökonomischem Risikomanagement und handelsbilanzieller Abbildung der Höhe nach dar, denn abhängig von der gewählten Messmethode können die handelsrechtlichen (In-)Effektivitätsergebnisse höchst unterschiedlich sein und Spielräume für Bilanz- bzw. Ergebnisgestaltung lassen. Über die Ermittlung des (In-)Effektivitätsgrads werden das ökonomische Risikomanagement und die externe Rechnungslegung verknüpft. Auch im Zuge der Abschlussprüfung sollte diesem Aspekt dementsprechend eine ausreichende Aufmerksamkeit gewidmet werden.

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Für die prospektive und retrospektive (In-)Effektivitätsmessung können verschiedene Methoden Anwendung finden. Im Prinzip kann dabei eine methodische Orientierung an den Vorgaben des IAS 39 sowie dessen Nachfolgestandards IFRS 9 erfolgen. Die Methodenwahlfreiheit wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass die gewählte Methode der Risikomanagementstrategie sowie der Risikomanagementzielsetzung entsprechen muss. Für die Zwecke der retrospektiven Ermittlung der (In-)Effektivität ist im Hinblick auf die Methodenwahl bzw. deren methodische Ausgestaltung zu beachten, dass sich ein später nach den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen zu bilanzierender Betrag der (In-)Effektivität indirekt oder direkt tatsächlich über die angewandte Messmethode ermitteln lässt. Unabhängig von der Messmethode muss keine Mindesteffektivität oder Effektivitätsbandbreite eingehalten werden.3

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Sowohl bei der prospektiven als auch bei der retrospektiven Effektivitätsermittlung ist zwischen gesicherten und ungesicherten Risiken sowie innerhalb des Kreises gesicherter Risiken zwischen wirksamen (effektiven) und unwirksamen (ineffektiven) Wert- oder Zahlungsstromänderungen zu unterscheiden. Die Zuverlässigkeit der Messung des (In-)Effektivitätsgrads einer Sicherungsbeziehung bzw. die Messbarkeit der (In-)Effektivität an sich stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung von § 254 HGB dar.

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Die Effektivitätsbeurteilung ist für jede Art von gesichertem Risiko individuell und separat durchzuführen. So wird ua. verhindert, dass eine bloße Wertkompensation zwischen verschiedenen Risikoarten stattfindet, die nur bedingt eine Risikokompensation darstellt.4 Werden die vorstehenden Anforderungen kumulativ erfüllt, so kann die bilanzielle Abbildung in Abhängigkeit von der Risikosteuerung bzw. Risikomanagementstrategie als fair value hedge (Absicherung von Wertänderungsrisiken) oder als cash flow hedge (Absicherung von Zahlungsstromänderungsrisiken) erfolgen.5 Beispiel: Das bilanzierende Unternehmen (funktionale Währung: €) hält eine Fremdwährungsforderung. Der Forderungsbetrag soll per dessen Endfälligkeitstermin mittels Devisentermingeschäft vollständig in € getauscht werden, um fremdwährungsbasierte Schwankungen des beizulegenden Zeitwerts zu vermeiden; es liegt ein fair value hedge vor. Erfolgt hingegen die Sicherung gegen fremdwährungsbasierte Schwankungen in Bezug auf die Einzahlungen aus der Fremdwährungsforderung, so kann von einem cash flow hedge gesprochen werden.

III. Voraussetzungen zur Anwendung von § 254 HGB auf antizipierte Grundgeschäfte 100

Die Absicherung erwarteter (geplanter) Transaktionen bzw. noch nicht rechtlich wirksam bestehender Positionen (antizipative Hedges) sowie deren Anerkennung als antizipative Sicherungsbeziehungen nach den handelsrechtlichen Vorgaben des BilMoG in Form des § 254 HGB stellt eine Neuerung dar.6 Da insbes. bei antizipierten Grundgeschäften die bewusste Bilanzgestaltung bzw. das Missbrauchspotenzial durch 1 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 7 iVm. Rz. 50 iVm. Rz. 65. 2 Zur Möglichkeit des Verzichts auf einen retrospektiven Nachweis der (In-)Effektivität unter bestimmten Bedingungen vgl. Scharpf/Schaber, 444 f. 3 Vgl. Scharpf/Schaber, 429; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 28. 4 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 217. Vgl. ausführlich auch Scharpf/Schaber, 434–446. 5 Vgl. weiterführend Scharpf/Schaber, 415 sowie Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 35 ff. mit Beispielen. Vgl. Kuhn/ Hachmeister, Abschn. F Rz. 494 ff. 6 Vgl. Böcking/Gros/Wallek in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 254 Rz. 6. Vgl. ausführlich bereits Scharpf/ Schaber, 420 ff.; vgl. auch Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 474.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 103 § 254

die bilanzierenden Unternehmen mangels wirksam abgeschlossener Rechtsgeschäfte besonders groß erscheint, bedarf es der Erfüllung zusätzlicher Anwendungsvoraussetzungen, denn lediglich die unternehmerische Rahmen- und Finanzplanung sowie die in die Zukunft projizierten Erfahrungen aus der Vergangenheit1 stellen die wesentliche Basis für die Designation antizipativer Hedges dar. Nach Ballwieser können diese Missbrauchspotenziale auch nicht dadurch geschlossen werden, indem der verantwortliche Jahresabschlussprüfer in die Pflicht genommen wird.2 Letztlich sind zur Erfüllung des Prüfungsauftrags nachvollziehbare Ermessensentscheidungen sowie nachprüfbare Bedingungen erforderlich. Obwohl die mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen ausdrücklich als zulässige Grundgeschäfte nach § 254 HGB genannt werden, ist diese Grundgechäftskategorie bilanzrechtlich besonders kritisch. Beispiel: Ein Flugzeughersteller möchte im Zuge seiner Absicherung gegen Fremdwährungsrisiken Umsatzerlöse in Fremdwährung, die in künftigen Berichtsperioden erwartet werden, absichern. Hierzu sollen Devisentermingeschäfte und verschiedenartige Optionsgeschäfte eingesetzt werden. Den erwarteten Umsatzerlösen liegen allerdings noch keine rechtlich wirksam kontrahierten Geschäfte zugrunde. Beispiel: Um ein künftiges Bauprojekt zu finanzieren, plant ein Unternehmen, in zwölf Monaten einen Kredit bei einer Bank aufzunehmen. Um sich gegen Zinsänderungsrisiken in diesem Zeitraum zu schützen, erfolgt der Abschluss eines Forward-Swaps.

Bei antizipativen Hedges ist ein tatsächliches Durchhalten der Sicherungsbeziehung ganz entscheidend, 101 um potenzielle Missbräuche zu vermeiden. Wie bereits bei den handelsbilanziellen Bewertungseinheiten mit bestehenden Grundgeschäften ist auch bei antizipierten Grundgeschäften eine Durchhalteabsicht und -fähigkeit von Bedeutung. Die Erfüllung dieser Voraussetzung hängt allerdings vom tatsächlichen Eintritt der ursprünglich im Designationszeitpunkt identifizierten und als hochwahrscheinlich erwarteten Transaktionen ab. Die beiden Kriterien „Identifizierbarkeit“ (im Hinblick auf Zeitpunkt/Zeitintervall, Gegenstand der Transaktion, Umfang der Transaktion)3 sowie der „Hochwahrscheinlichkeit“ sollen folglich als Hilfskriterien für den Nachweis der Durchhalteabsicht bzw. Durchhaltefähigkeit verwendet werden.4 Hierbei beinhaltet die „Identifizierbarkeit“ eine zeitliche und inhaltliche Komponente in Form eines „so 102 gut wie sicheren Eintritts“ der Transaktion. Eine antizipierte Transaktion ist zeitlich identifizierbar, wenn mindestens ein enges Zeitintervall hinreichend genau bestimmt werden kann. Die zeitliche Perspektive ist relevant, weil die Wert- oder Zahlungsstromänderungen aus dem Grundgeschäft und dem Sicherungsinstrument im Vergleich zueinander zeitnah bzw. näherungsweise synchron verfügbar sein müssen. Dies ergibt sich bereits aus der Zielsetzung des hedging (zeitliche Synchronisierung von Wert- oder Zahlungsstromänderungen). Problematisch sind hier regelmäßig sehr lange Planungshorizonte, da mit zeitlich längeren Planungshorizonten die Unsicherheit zunimmt. Es empfiehlt sich für die Designation erwarteter Transaktionen als Grundgeschäfte einen möglichst kurzen Planungshorizont (zB maximal zwölf Monate) zu verwenden. Weiter müssen die aus den Grundgeschäften bzw. den Sicherungsinstrumenten resultierenden zukünftigen Zahlungsströme zeitgerecht zur Verfügung stehen, da die Transaktionen ansonsten nicht fristgerecht abgewickelt werden können. Des Weiteren ist eine inhaltliche Identifizierbarkeit erforderlich, denn für die Abschätzung der handelsbilanziellen Wirkung bedarf es der Kenntnis über die Art des antizipierten Grundgeschäfts, dessen Umfang (zB Transaktionsvolumina), dessen Risikoprofil sowie wesentlicher weiterer bewertungsrelevanter Parameter. Letztere Informationen werden regelmäßig erst gegen Ende der Phase der Geschäftsanbahnung bzw. im Zuge beispielsweise der Angebotserstellung vorliegen, es sei denn, es handelt sich um wiederkehrende, gleichartige oder sogar identische Transaktionen. An das Kriterium „Hochwahrscheinlichkeit“ sind ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen.5 Letztlich soll verhindert werden, dass auf Basis des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips ein unrealiserter Verlust aus spekulativ abgeschlossenen derivativen Finanzinstrumenten nicht unentdeckt bleibt, wenn über die vermeintliche Deklarierung als Sicherungszusammenhang mit hochwahrscheinlich erwarteten Transaktionen willkürlich eine kompensatorische Wirkung vorgetäuscht wird.6 Denn diese Maßnahmen können zu einer

1 2 3 4 5 6

Siehe IDW RS HFA 35 Rz. 61. Vgl. Scharpf/Schaber, 450. Vgl. hierzu und im Folgenden Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 11 mwN. Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 60. Vgl. hierzu und im Folgenden Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 535 ff. Vgl. Scharpf/Schaber, 451. Vgl. Scharpf/Schaber, 453; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 535.

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§ 254 Rz. 104 | Bildung von Bewertungseinheiten bewussten Verlustverlagerung in nachfolgende Berichtsperioden führen. Eine Eintrittswahrscheinlichkeit der antizipierten Transaktionen von 50% ist damit regelmäßig nicht ausreichend. Die geforderte Hochwahrscheinlichkeit bedeutet vor dem Hintergrund des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips vielmehr, dass die antizipierte Transaktion „so gut wie sicher“ eintreten wird.1 Bei der Beurteilung dieses Kriteriums gilt es neben der allgemeinen Markt- und Branchenlage auch kontrahentenspezifische Sachverhalte, wie zB die Bonität, in die Betrachtung miteinzubeziehen. Die Anforderung „so gut wie sicher“ ist wörtlich zu verstehen und bedeutet indessen nicht „Eintritt mit der höchsten Wahrscheinlichkeit“. Aufgrund des Gewichts des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips sollte zumindest der erwartete Eintritt antizipierter Transaktionen an eine (fortgeschrittene) Geschäftsanbahnung gekoppelt sein. Darunter dürfte im Regelfall zB auch die Erstellung eines bindenden Angebots fallen, wobei nach den Umständen des Einzelfalls mit dessen Annahme durch die Gegenpartei ernsthaft zu rechnen ist. Letztlich beinhaltet die Beurteilung der Hochwahrscheinlichkeit nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis auch eine Analyse, welche Ermessensentscheidungen die Vertragsparteien ausüben können und welche aufschiebenden Bedingungen möglicherweise existieren.2 104

Die Annahme der Hochwahrscheinlichkeit einer antizipierten Transaktion kann beispielsweise über die nachfolgenden, beobachtbaren Tatsachenbelege innerhalb des bilanzierenden Unternehmens gestützt oder verworfen werden:3 – Finanzausstattung zur tatsächlichen Ausführung der antizipierten Transaktion; – Operative Ressourcen und fachliches Know-How; – Konkret auftretende Auswirkungen, wenn die erwartete Transaktion nicht zustande kommt; – Vergleich des designierten Volumens zum insgesamt geplanten Volumen; – Produktlebenszyklen sowie durchschnittliche Produktlebenserwartungen; – Geschäfts-/Finanzplanung einschließlich des Prognosehorizonts (kurz-, mittel- und langfristige Unternehmensplanung); – Häufigkeit vergleichbarer Transaktionen in vergangenen Berichtsperioden (historische Erfahrungswerte).

105

Die Einhaltung der zusätzlichen Voraussetzungen zur Anwendung von § 254 HGB auf antizipierte Grundgeschäfte ist laufend, mindestens jedoch zu jedem (Zwischen-)Abschlussstichtag zu prüfen. Dies gilt insbes. im Hinblick auf die Sicherstellung von Volumengleichheit von antizipiertem Grundgeschäft und Sicherungsinstrument.4 Kann das Sicherungsinstrument im Fall wesentlich veränderter Erwartungen über den tatsächlichen Eintritt der antizipierten Transaktion keine (oder nur eine unzureichende) Effektivität erzielen, ist die handelsbilanzielle Bewertungseinheit aufgrund fehlender Sicherungseignung unverzüglich aufzulösen und das Sicherungsinstrument imparitätisch einzeln zu bewerten. Dies hat ggf. die nachträgliche Bildung einer Rückstellung zur Folge.5

106

Liegen hingegen bereits rechtlich wirksam vereinbarte Transaktionen vor, so besteht keine Möglichkeit, einen antizipativen Hedge zu bilden.6

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Die Hochwahrscheinlichkeitsannahme antizipierter Transaktionen muss einer näheren Untersuchung unterzogen werden, wenn das bilanzierende Unternehmen bereits in der Vergangenheit mehrmals antizipierte Transaktionen als Grundgeschäfte iSv. § 254 HGB designiert hat und mit fortschreitender Designationsdauer festgestellt wurde, dass die antizipierten Transaktionen nicht mehr eintreten werden oder sich der Eintritt der Transaktionen zeitlich nicht unwesentlich verzögert oder vorverlagert hat. Dies könnte Zweifel an den planerischen Fähigkeiten des bilanzierenden Unternehmens aufkommen lassen.7

IV. Bilanzierung: Durchbuchungsmethode vs. Einfrierungsmethode 108

Der gesetzliche Wortlaut enthält keine Vorgaben darüber, auf welche Art der effektive Teil eines nachgewiesenen Sicherungszusammenhangs handelsbilanziell abzubilden ist. Nach der Begründung zum Regie1 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 32. Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 12 mwN. 2 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 246 ff. 3 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 537 mwN. Bloße Absichtserklärungen reichen nicht aus. Vgl. Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 12. 4 Vgl. weiterführend auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 245–248. 5 Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 64. 6 Siehe auch Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 2. Vgl. im Hinblick auf Besonderheiten von bereits geschlossenen Rahmenverträgen Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 2. 7 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 61.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 112 § 254

rungsentwurf des BilMoG sind prinzipiell zwei Methoden der handelsrechtlichen Bilanzierung zulässig:1 die sog. „kompensatorische Bewertung“ in Form der Einfrierungsmethode sowie die „Bruttomethode“ in Form der Durchbuchungsmethode (mit und ohne GuV-Wirkung).2 Allerdings bestehen generell unterschiedliche Auffassungen darüber, ob eine nach internationalem Vorbild erfolgswirksame Erfassung von Bestandteilen einer ökonomischen Sicherungsbeziehung mit entsprechender Gegenbuchung in der Bilanz (Durchbuchungsmethode) handelsrechtlich tatsächlich gestattet werden sollte.3 Diese beiden Methoden unterscheiden sich im Hinblick auf die Bewertung der handelsbilanziellen Bewertungseinheit insgesamt jedoch nicht. Der wesentliche Unterschied stellt allerdings der (saldierte bzw. unsaldierte) Ansatz von Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen in der Bilanz und, falls einschlägig, in der Gewinn- und Verlustrechnung dar. Nach der Einfrierungsmethode werden die sich ausgleichenden Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen 109 im Hinblick auf das abgesicherte Risiko (effektiver Teil) nicht bilanziert. Die §§ 249 Abs. 1 HGB, 252 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 HGB sowie 256a HGB werden insoweit nicht angewendet. Diese Methode entspricht der üblichen Methode der handelsrechtlichen Bilanzierung von Sicherungszusammenhängen, die bereits vor der Umsetzung des BilMoG gültig war. Aus konzeptionellen Gründen wird die Anwendung der Einfrierungsmethode empfohlen.4 Nach der Durchbuchungsmethode werden die sich ausgleichenden Wert- bzw. Zahlungsstromänderun- 110 gen aus dem abgesicherten Risiko (effektiver Teil) ‚durchgebucht‘, dh. handelsbilanziell, in Anlehnung an die IFRS, vollständig erfasst. Die Durchbuchung wird sowohl für das Grundgeschäft als auch für das Sicherungsinstrument vorgenommen. Die Anwendung von § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB wird insoweit ausgesetzt. Die handelsbilanzielle Berücksichtigung der Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen führt Im Gegensatz zur Einfrierungsmethode zu einem unsaldierten Ausweis der Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen in der Bilanz (und gegebenenfalls auch in der GuV).5 Die Durchbuchungsmethode weist allerdings die gleichen Erfolgswirkungen in der Gewinn- und Verlustrechnung auf wie die Einfrierungsmethode, denn das Netto-Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung bleibt von der Methodenwahl unabhängig.6 Allerdings wird hier empfohlen, die Durchbuchungsmethode nicht anzuwenden. Dies ergibt sich aus rein konzeptionellen Gründen.7 Nach Scharpf/Schaber ist die Durchbuchungsmethode nur in den Fällen gerechtfertigt, wenn die Wertänderungen des Sicherungsinstruments in demselben Posten der Bilanz gezeigt werden, wie die Wertänderung des Grundgeschäfts. Auch Scharpf/Schaber sehen keinen erkennbaren Grund, in der Bilanz eine von der Einfrierungsmethode abweichende Darstellung zuzulassen.8 Das IDW empfiehlt die Anwendung der in der bisherigen Bilanzierungspraxis vorherrschenden Einfrierungsmethode.9 Für den ineffektiven Teil, resultierend aus einer ausbleibenden kompensatorischen Wirkung, finden die 111 allgemeinen handelsrechtlichen Bewertungs- und Bilanzierungsvorschriften Anwendung. Es bedarf folglich einer (verlustantizipierenden) handelsbilanziellen aufwandswirksamen Erfassung von verbleibenden Kompensationslücken (Verlustüberhänge). Unrealisierte Gewinne müssen aufgrund des handelsrechtlichen Realisierungsgrundsatzes prinzipiell unberücksichtigt bleiben. Bewertungstechnisch besteht in Form der ‚Sicherungsbeziehung‘ keine eigenständige Bewertungsobjekt- 112 einheit bzw. kein neues Bewertungsobjekt.10 Dennoch wird faktisch das Imparitätsprinzip auf die Sicherungsbeziehung insgesamt, bestehend aus Grundgeschäft und Sicherungsinstrument, im Zuge der Verrechnung bis zur sog. Nulllinie angewendet.11

1 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 95. 2 Vgl. auch IDW RS HFA 35 Rz. 75. Vgl. weiterführend Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 322 ff.; Scharpf/ Schaber, 458 f. 3 Vgl. hierzu auch Petersen/Zwirner/Froschhammer, StuB 2009, 453 ff. 4 Vgl. ausführlich hierzu Glaser, 183 ff.; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 651. 5 Das IDW sieht bei der Anwendung der Durchbuchungsmethode ein zusätzliches Wahlrecht zur erfolgswirksamen Bruttobuchung. Vgl. IDW RS HFA 35, Rz. 81. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 652 ff. 6 Zu einer methodisch ausführlichen Gegenüberstellung am Bilanzierungsbeispiel vgl. Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 319–341. 7 Vgl. vertiefend Glaser, 183 ff. sowie Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 13, der die Durchbuchungsmethode als GoBwidrig einstuft. 8 Vgl. Scharpf/Schaber, 459. 9 Vgl. IDW RS HFA 35, Rz. 76. 10 AA sind Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 638. 11 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 330 sowie ursprünglich Scharpf/Schaber, 435 ff. und 410.

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§ 254 Rz. 113 | Bildung von Bewertungseinheiten 113

In der Literatur wird zwecks einer handelsbilanziellen Ermittlung der effektiven sowie ineffektiven Beträge eines Sicherungszusammenhangs eine Vorgehensweise in zwei Stufen vorgeschlagen.1 Die vollständigen Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument werden dabei in der Form gegenübergestellt, dass zunächst zwischen Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen aus ungesicherten Risiken und Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen aus gesicherten Risiken unterschieden wird.2 Im nächsten Schritt werden die effektiven Bestandteile, die aus Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen gesicherter Risiken resultieren, ermittelt (effektive Bestandteile). Darauf aufbauend erfolgt die gleichzeitige Ermittlung der zu buchenden ineffektiven Beträge des Sicherungszusammenhangs. Das nachfolgende Beispiel soll die Vorgehensweise verdeutlichen:3 Alle Angaben in Mio. € Ausgangssituation

Messung der Effektivität

Bilanz und GuV

Grundgeschäft Sicherungsinstrument Beizulegender Zeitwert im Designationszeitpunkt

+100,0

0,0

Beizulegender Zeitwert am Bewertungsstichtag

+90,0

+7,0

Wertänderungen insgesamt:

-10,0

+7,0

-3,0

a) aus gesicherten Risiken

-8,0

+6,5

-1,5

b) aus nicht gesicherten Risiken

-2,0

+0,5

1. Stufe: -1,5 gesichertes Risiko (Ineffektivität) (-8,0 + 6,5) 2. Stufe: nicht gesichertes Risiko

-2,0

saldiert +0,5

brutto

114

Einer handelsbilanziellen Kompensationspflicht unterliegen lediglich die Wert- oder Zahlungsstromänderungen des designierten Grundgeschäfts und Sicherungsinstruments, die in Bezug auf das gesicherte Risiko nach dem (dokumentierten) Designationszeitpunkt eingetreten sind.4 Es ist nicht zulässig, eine Saldierung eines (positiven) Betrags der bisherigen Unwirksamkeit aus dem abgesicherten Risiko (Stufe 1) mit dem Betrag der Änderung des beizulegenden Zeitwerts aufgrund nicht abgesicherter Risiken (Stufe 2) vorzunehmen (keine stufenübergreifende Saldierung).5 Dies ergibt sich bereits aus dem fehlenden, aber erforderlichen kausalen Zusammenhang zwischen gesicherten und nicht gesicherten Risiken.6

115

Bei antizipativen Hedges bietet sich lediglich die Anwendung der Einfrierungsmethode an.7 Denn das Grundgeschäft tritt mangels rechtswirksamen Vertragsabschlusses noch nicht bilanziell in Erscheinung.8 Die wertmäßige Entwicklung des Grundgeschäfts wird im Nebenbuch erfasst. Entsprechendes gilt für die effektiven Wert- bzw. Zahlungsstromänderungen, die dem Sicherungsinstrument zugeordnet werden. Ist die Bewertungseinheit wirksam, ergeben sich insoweit keine Effekte auf die Bilanz bzw. die GuV.9 Wertbzw. Zahlungsstromänderungen des Sicherungsinstruments, die auf ungesicherte Risiken zurückgeführt werden können oder nachweislich aus Ineffektivtäten resultieren, werden nach den allgemeinen handelsbilanziellen Grundsätzen imparitätisch einzeln erfasst. Folglich stellt sich in diesen Fällen eine Bilanz- und GuV-Wirkung ein.

1 Vgl. grundlegend Scharpf/Schaber, 435 ff. und 455 sowie insbesondere IDW RS HFA 35 Rz. 67 ff. Zu einem Bilanzierungsbeispiel unter Vergleich der Einfrierungs- und Durchbuchungsmethode vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 653, 656. 2 Vgl. weiterführend IDW RS HFA 35 Rz. 65 ff. 3 Vgl. hierzu ausführlich Scharpf/Schaber, 436 sowie ursprünglich IDW RS HFA 35 Rz. 67 und konzeptionell Glaser, 159 ff. und 282 ff.; vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 338; Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 639. 4 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 71. 5 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 69. 6 Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 341. 7 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 92 iVm. Rz. 77. 8 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 91. 9 Vgl. IDW RS HFA 35 Rz. 92.

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B. Anwendungsvoraussetzungen (Satz 1)

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Rz. 119 § 254

V. Pflicht zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten 1. Erfordernis der bewussten Risikomanagemententscheidung und deren bilanzielle Abbildung: Konzept der zwei Ebenen Für die handelsbilanzielle Abbildung ökonomischer Sicherungsbeziehungen gilt es im Prinzip zwei unter- 116 schiedliche Betrachtungsebenen zu unterscheiden (Zwei-Ebenen-Konzept): – die Ebene des ökonomischen Risikomanagements (erste Ebene; Sachverhaltsgestaltung auf Basis der ökonomischen Risikoabsicherung) sowie – die Ebene der handelsbilanziellen Darstellung (zweite Ebene; handelsbilanzielle Rechtsfolgen einer ökonomischen Risikoabsicherung). Auf der ersten Ebene bleibt es im Zuge des ökonomischen Risikomanagements alleinige Entscheidung des bilanzierenden Unternehmens, ob bestimmten Transaktionen anhaftende Risiken durch geeignete Sicherungsinstrumente ökonomisch abgesichert werden sollen oder nicht. Unter Vernachlässigung branchenspezifischer Vorgaben mit Blick auf die spezifische Gestaltung eines ökonomischen Risikomanagements (zB über die Vorgaben der MaRisk) ist diese Entscheidung alleiniger Gegenstand des innerbetrieblichen Risikomanagementprozesses. Im Prinzip besteht eine Abkopplung des Risikomanagements als gegebener Größe von der späteren handelsbilanziellen Abbildung.1 Erfolgt beispielsweise die Aufnahme eines festverzinslichen Darlehens durch ein bilanzierendes Unternehmen, so kann es eigenständig entscheiden, ob die Darlehensaufnahme ökonomisch unter Zuhilfenahme eines Receiver-Zinsswaps (pay variable interest, receive fix interest) synthetisch in eine variabel verzinsliche Darlehensaufnahme umgewandelt werden soll. Entsprechendes gilt zB auch für Fremdwährungsrisiken mit Hilfe von Währungsswaps. Vom Aspekt des reinen Bestehens einer ökonomischen Risikoabsicherung ist auf einer zweiten Ebene deren bilanzielle Abbildung in der externen Rechnungslegung nach den handelsrechtlichen Normvorgaben zu unterscheiden (bilanzielle Rechtsfolge). Auf dieser zweiten Ebene besteht die grundsätzliche Frage, ob eine für Zwecke des ökonomischen Risikomanagements eingegangene Risikoabsicherung für Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtend zur Bildung einer handelsbilanziellen Bewertungseinheit führen muss. Mithin gilt es zu fragen, ob das bilanzierende Unternehmen trotz bestehender ökonomischer Sicherungsbeziehung ein (zusätzliches) Wahlrecht zur Anwendung der Normen über die bilanzielle Abbildung von Sicherungszusammenhängen hat und somit lediglich zu deren Anwendung berechtigt ist.2 Auf Basis dieser zweiten Ebene erfolgt im Prinzip die Übertragung der auf der ersten Ebene durchgeführten Maßnahmen und deren Ergebnisse in die externe Rechnungslegung. Insoweit, wie die externe Rechnungslegung (zweite Ebene) das ökonomische Risikomanagement des bilan- 117 zierenden Unternehmens (erste Ebene) abbilden soll, kommt es notwendigerweise zu einem Über-/Unterordnungsverhältnis.3 Letztlich stellt dann die handelsbilanzielle Abbildung eine Funktion des ökonomischen Risikomanagements dar. Die ökonomische Sachverhaltsgestaltung zieht folglich verpflichtend definierte Bilanzrechtsfolgen nach sich (Rechnungslegung als Reflex des Risikomanagements). Nach dem Wortlaut des § 254 Satz 1 Halbs. 1 HGB bedarf es zur Bildung einer bilanziellen Bewertungsein- 118 heit zunächst einer bewussten Entscheidung durch das bilanzierende Unternehmen, bestehende Risiken absichern zu wollen (Absicherungsabsicht).4 2. Verpflichtungsgrad auf Basis des Wortlauts von § 254 HGB Allerdings enthält weder § 254 HGB selbst noch die Regierungsbegründung zum Entwurf des Gesetzes- 119 wortlauts5 konkrete Hinweise dahingehend, ob eine solche (ökonomische) Entscheidung bereits durch Herstellung eines ökonomischen Sicherungszusammenhangs für Zwecke des reinen Risikomanagements als wirksam auch für bilanzielle Zwecke getroffen gilt (bilanzielle Verpflichtung) oder ob die Entscheidung zur Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten unabhängig vom ökonomischen Risikomanagement iS eines Wahlrechts nochmals getroffen werden darf mit der möglichen Folge, dass das ökonomische Risikomanagement und dessen bilanzielle Abbildung inhaltlich auseinander fallen, wenn sich das bilanzie-

1 2 3 4 5

Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 34. Vgl. weiterführend Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 480 ff. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 35. Vgl. Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 36. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 6. Siehe BT-Drucks. 16/10067, 57.

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§ 254 Rz. 120 | Bildung von Bewertungseinheiten rende Unternehmen handelsrechtlich trotz wirksamer Risikoabsicherung gegen die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten entscheidet (bilanzielles Wahlrecht). Auch im Schrifttum1 hat sich gegenwärtig noch keine eindeutige Meinung gebildet, ob es sich bei der Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten nach § 254 HGB um ein Wahlrecht handelt oder um eine Vorschrift, die bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen die Ergebnisse der ökonomischen Risikomanagementpraxis in die externe Rechnungslegung verpflichtend überträgt.2 Letztlich verhindert die Anwendung des § 254 HGB den Ausweis „theoretisch denkbarer Verluste“3. 120

Unter Orientierung am reinen Wortlaut von § 254 HGB könnte man, entgegen der Auffassung des IDW in IDW RS HFA 35 Rz. 4 iVm. Rz. 10–12, aufgrund der Verwendung der Begriffe „werden“ (iSv. Wahlrecht/bewusste Entscheidung zur ökonomischen Risikoabsicherung) und „sind“ (iSv. Rechtsfolge für handelsbilanzielle Zwecke als Reflex) zur Ansicht gelangen, dass bereits aus dem reinen Gesetzeswortlaut nur eine pflichtgemäße Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten folgen kann.

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Förschle/Usinger vertreten zwar die Ansicht, dass ein echtes Wahlrecht zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten besteht, dh. die Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten wird unabhängig vom praktizierten Risikomanagement in das vollständige Ermessen des bilanzierenden Unternehmens gestellt,4 empfehlen jedoch (in Anlehnung an IDW RS HFA 35 Rz. 12) die handelsbilanzielle Bildung von Bewertungseinheiten in Übereinstimmung mit dem praktizierten Risikomanagement. Eine andere Auffassung vertritt Göllert und sieht ein faktisches Wahlrecht.5 In ähnlicher Weise argumentieren Gelhausen/Fey/Kämpfer6 sowie Löw/Torabian7 oder Drewes8. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis des Gesetzeswortlauts von § 254 HGB, dessen historischer Entwicklung sowie der Regierungsbegründung zu § 254 HGB hat nach der hier vertretenen Auffassung die handelsbilanzielle Abbildung zwingend dem ökonomischen Risikomanagement zu folgen,9 mit anderen Worten das ökonomische Risikomanagement ist maßgeblich für die handelsbilanzielle Abbildung, sofern die Voraussetzungen zur Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten erfüllt werden können. Ballwieser gibt zu Recht den Hinweis auf die Rechtsfigur des „konkludenten Verhaltens“; diese kann hier Verwendung finden.10

122

Über § 254 HGB erfolgte die Kodifizierung und Konkretisierung einer bislang bestehenden Bilanzierungspraxis in Form allgemein anerkannter GoB.11 Die Wahlrechtsgewährung ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht mit unbedingt geltenden GoB, namentlich der Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten, in Einklang zu bringen. Auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung des BilMoG, die Informationsfunktion der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse zu stärken, kann ein Wahlrecht nicht bestehen, denn es gefährdet die Informationsfunktion. Zu einer ausführlichen Darlegung, dass aus rein konzeptioneller Sicht handelsrechtlich eine unbedingte Pflicht zur Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten besteht, vgl. Glaser/ Hachmeister.12

1 Vgl. für ein Wahlrecht Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 2683 f.; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Abschn. H Rz. 86; Kohl/ Meyer, Corporate Finance biz 2013, 178; Oser/Hahn/Breitweg/Eisenhardt/Kuhn, StuB 2012, 91. AA Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 19 ff., aber auch Bleck, BBL 2010, 528 ff.; Klein/Jonas, BFuP 1995, 231–241; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 11. Vgl. zur Auffassung vor Umsetzung des BilMoG Kupsch in FS Forster, 356 f.; Bertsch in FS Sigloch, 538–540; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 5. 2 Zur Diskussion vgl. auch Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 254 HGB Rz. 11 f. sowie Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 264 ff. 3 Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 2. 4 Vgl. hierzu und im Folgenden Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 5. 5 Siehe Göllert, DB 2008, 1167. 6 Siehe Gelhausen/Fey/Kämpfer, Abschn. H Rz. 86. 7 Siehe Löw/Torabian, ZKW 2008, 613. 8 Siehe Drewes, DB 2012, 242. 9 Vgl. hierzu in anderem Kontext auch Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2010, 58. Vgl. hierauf Bezug nehmend Scharpf/Schaber, 411 f.; vgl. unter Bezug auf den true and fair view-Grundsatz Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 7. 10 Siehe auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 254 Rz. 19. Vgl. auch Glaser/Hachmeister in Beck HdR, B 737 Rz. 268. 11 Vgl. Scharpf/Schaber, 409 f. 12 Glaser/Hachmeister, BB 2011, 555 ff. sowie weiterführend Scharpf in HdR5, § 254 HGB Rz. 3–13; Scharpf/Schaber, 411 ff.

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C. Handelsbilanzielle Abbildung von Warentermingeschäften (Satz 2)

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Rz. 128 § 254

3. IDW RS HFA 35: Einschränkung des verpflichtenden Charakters von § 254 HGB Das IDW geht in IDW RS HFA 35 Rz. 4 iVm. Rz. 10–12 gegenwärtig davon aus, dass ein Wahlrecht zur Anwendung von § 254 HGB besteht, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten erfüllt sind. In diesem Fall „dürfen das Grundgeschäft und das Sicherungsinstrument für Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung in der Weise verknüpft werden, als ob ein einheitliches neues Bewertungsobjekt bestünde“.1

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Das IDW führt in IDW RS HFA 35 Rz. 11 aus, dass seitens des Unternehmens in eigener Verantwortung 124 die Entscheidung getroffen wird, ob eine bestimmte Risikoposition durch ein Sicherungsinstrument abgesichert werden soll; diese Entscheidung betrifft das Risikomanagement. Über die Herstellung einer (ökonomischen) Sicherungsbeziehung erfolgt die Absicherung dieser Risikoposition auf dieser ersten Ebene. Hiervon zu unterscheiden ist nach Auffassung des IDW die bilanzielle Abbildung einer solchen Sicherungsbeziehung in der externen Rechnungslegung durch die Bildung einer Bewertungseinheit iSd. § 254 HGB. § 254 Satz 1 HGB setzt nach Ansicht des IDW für die Bildung einer (bilanziellen) Bewertungseinheit eine (weitere) bewusste Entscheidung des bilanzierenden Unternehmens voraus, dh. man geht von einem zusätzlichen Wahlrecht aus. Allerdings empfiehlt das IDW die Bildung bilanzieller Bewertungseinheiten in Übereinstimmung mit dem praktizierten Risikomanagement vorzunehmen.

C. Handelsbilanzielle Abbildung von Warentermingeschäften (Satz 2) I. Zulässigkeit der Absicherung von Commodity-Risiken Mit Blick auf die absicherbaren Risiken nimmt § 254 HGB keine Einschränkungen vor.2 Folglich ist auch 125 die handelsbilanzielle Bildung von Bewertungseinheiten im Zuge der Absicherung von Commodity-Risiken zulässig.3 Die Absicherung und handelsbilanzielle Designation einzelner Risikokomponenten bzw. Teilrisiken nicht-finanzieller Grundgeschäfte ist grundsätzlich möglich. Dies setzt jedoch eine hinreichend genaue Identifizier-/Abgrenzbarkeit sowie eine verlässliche Bewertbarkeit der Teilrisiken voraus. Im Vergleich zur vollumfänglichen Designation eines Grundgeschäfts erhöht die Designation von Risikokomponenten regelmäßig die Effektivität einer Sicherungsbeziehung.4 Nach dem Wortlaut des § 254 HGB wird mit Blick auf die designierbaren Grundgeschäfte nicht zwischen 126 finanziellen und nicht-finanziellen Grundgeschäften unterschieden; entsprechend gibt es keine Designationsbeschränkungen zu berücksichtigen. Als zulässige Grundgeschäfte kommen demnach Vermögensgegenstände (zB Vorratsvermögen), Schulden, schwebende leistungs- oder finanzwirtschaftliche Warentermingeschäfte sowie hochwahrscheinlich erwartete Beschaffungs- oder Absatztransaktionen in Betracht.5 Nach § 254 Satz 1 HGB sind lediglich originäre und derivative Finanzinstrumente als Sicherungsinstru- 127 mente designierbar. Folglich sind schwebende Geschäfte, die keine Finanzinstrumente darstellen (und auch Vorratsvermögen), keine zulässigen Sicherungsinstrumente, obwohl sie ökonomisch zur Sicherung von Warenpreisrisiken herangezogen werden.6 Nach § 254 Satz 1 HGB kommen damit im Grundsatz lediglich finanzwirtschaftliche Geschäfte für eine Designation als Sicherungsinstrument in Frage. Nicht alle derivativen Instrumente sind gleichzeitig auch derivative Finanzinstrumente; folglich wären zB Warentermingeschäfte, die zwar Derivate, aber keine Finanzinstrumente iSv. § 254 Satz 1 HGB sind, nicht als designierbare Sicherungsinstrumente geeignet. Dies schränkt die bilanzielle Abbildung der Sicherungspraxis ein.

II. Warentermingeschäfte als Sicherungsinstrumente: eine kodifizierte Sonderregelung § 254 Satz 2 HGB erweitert als Sonderregelung den Umfang designierbarer Sicherungsinstrumente um Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren.7 Damit können fortan alle Arten von Warentermingeschäften als Sicherungsinstrumente designiert werden und eine Unterscheidung zwi1 IDW RS HFA 35 Rz. 4. Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 482. 2 Zur Absicherung von Commodity-Risiken vgl. bereits ausführlich Christ. Vgl. auch Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 184. 3 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 184. 4 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 185. 5 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 184. 6 Vgl. hierzu und im Folgenden Kuhn/Hachmeister, Abschn. J Rz. 185. 7 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F Rz. 504.

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§ 254 Rz. 129 | Bildung von Bewertungseinheiten schen finanz- und leistungswirtschaftlichen Transaktionen ist grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Die Sicherungspraxis findet so konsequent Eingang in die handelsbilanzielle Abbildung. Denn unabhängig davon, ob Warentermingeschäfte mittels Barausgleich (cash settlement) oder tatsächlich physisch erfüllt werden, steht regelmäßig nicht die Erfüllungsart, sondern die Erzielung der beabsichtigten Sicherungswirkung im Mittelpunkt (Sicherungsabsicht). Nach Kuhn/Hachmeister umfassen Warentermingeschäfte auch diejenigen Geschäfte, die auf den Eigenbedarf des bilanzierenden Unternehmens abstellen.1 129

Dabei fallen unter die Begriffsdefinition „Waren“ sämtliche handelbaren materiellen und immateriellen Güter (beispielsweise Metalle, flüssige sowie gasförmige Rohstoffe, CO2-Emissionsrechte oder Energie). Die Begriffsdefinition ist unabhängig von der tatsächlichen Handelsabsicht des bilanzierenden Unternehmens zu verstehen und ist vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Vorschrift weit auszulegen.2

130

Handelt es sich um standardisierte Warenterminkontrakte, die keine physische Lieferung des Basiswerts (underlying) beinhalten, sondern lediglich die Möglichkeit zu einem oder ein tatsächliches cash settlement gewähren, so fallen diese Verträge bereits unter § 254 Satz 1 HGB, da sie ein Finanzinstrument darstellen und entsprechend als Sicherungsinstrument designiert werden können.3

D. Steuerbilanzielle Berücksichtigung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten 131

Nach § 5 Abs. 1a Satz 1 EStG darf eine Verrechnung von Posten der Aktivseite mit Posten der Passivseite nicht erfolgen.4 Dieser Grundsatz wird durch § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG modifiziert, wonach die ‚Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich‘ sind (konkrete Maßgeblichkeit).5

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Mit der „Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken“ iSv. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG sind Sicherungsgeschäfte zur Absicherung von Kursrisiken gemeint,6 also primär Risiken aus Aktienkursen, Warenpreisen, Währungskursen und Zinssätzen.7 Nach hM soll eine Anknüpfung an die „konkrete handelsrechtliche Bilanzierungspraxis“8 erfolgen, und zwar sowohl in Bezug auf den Ansatz als auch auf die Bewertung.9

133

Neben der bloßen Pflicht zur Bildung steuerbilanzieller Bewertungseinheiten in Anlehnung an die handelsrechtliche Bilanzierungspraxis erstreckt sich die Konsequenz des Sicherungszusammenhangs auch für Zwecke der Besteuerung ausschließlich auf die Bewertung der Bilanzposten. Folglich ist § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG als Bewertungsvorschrift einzuordnen,10 denn die Norm bezieht sich auf die laufende bewertungstechnische Behandlung von Sicherungszusammenhängen. „Inwieweit die kompensatorische Bewertung in Einklang mit den allgemeinen stl. Bewertungsvorschriften des § 6 Abs. 1 steht“11, ist dabei nicht erheblich.12 Entsprechend finden auch innerhalb des effektiven Teils des Sicherungszusammenhangs die Vorschriften über steuerfreie Erträge bzw. nicht abziehbare Aufwendungen keine Anwendung. Dies gilt solange, wie die Bewertungseinheit wirksam besteht.13

134

Nach § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG gilt, dass Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht gebildet werden dürfen. Um die handelsbilanzielle Kompensatorik mit dem Steuerrecht in 1 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F, Rz. 504. Damit besitzt das sog. Own-use-Kriterium nach den IFRS handelsrechtlich keine Bedeutung. 2 Vgl. Kuhn/Hachmeister, Abschn. F, Rz. 504 mwN; Cassel/Kessler in Haufe BilKomm.7, § 254 HGB Rz. 20. 3 Vgl. Scharpf/Schaber, 425. 4 Vgl. im Einzelnen Hick in HHR, § 5 EStG Rz. 1700, 1710, 1715 f. sowie Förschle/Ries in Beck BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 100 ff. 5 So Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 254 HGB Rz. 127; Prinz in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 410; Herzig/Briesemeister, WPg. 2010, 65. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/634, 10. 7 Vgl. Schiffers in Korn, § 5 Rz. 452. 8 Hahne, StuB 2007, 18; Grützner, StuB 2006, 336. 9 Vgl. Herzig/Breckheimer, DB 2006, 1451. 10 Vgl. Prinz/Hick, DStR 2006, 774; Schiffers in Korn, § 5 Rz. 445. 11 Hick in HHR, § 5 EStG Rz. 1711. 12 Vgl. Glaser/Kahle, Ubg. 2015, 117 mwN. 13 Vgl. Prinz, DStJG 34 (2011), 159; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 238. Zur steuerlichen Erfolgsneutralität unter Berücksichtigung steuerlicher Spezialfragen vgl. Häuselmann, Ubg. 2008, 391 ff.; Herzig/Briesemeister, Ubg. 2009, 160. Vgl. zur Auffassung der Finanzverwaltung BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/07/10001 – DOK 2009/ 0743135, DB 2010, 2024; OFD Rheinland v. 11.3.2011 – S 2133 - 2011/0002 - St 141, DB 2011, 737; OFD Frankfurt/M. v. 22.3.2012 – S 2133A - 30 - St 210, DStR 2012, 1389; Helios/Niedrig, DStR 2012, 1301; Helios, DB 2012, 2897 f. Zur erfolgsneutralen Auflösung von Bewertungseinheiten s. Hennrichs, WPg. 2010, 1188 f.; Micksch/Mattern, DB 2010, 581 und Hahne, StuB 2008, 183 ff.

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E. Verletzung von § 254 HGB: die Rechtsfolgen

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Rz. 139 § 254

Einklang zu bringen, war es erforderlich, dieses Verbot rein für die Zwecke der Bildung (steuer-)bilanzieller Bewertungseinheiten auszusetzen (§ 5 Abs. 4a Satz 2 EStG).1 Dieser Verlust lässt sich nicht konkret zuordnen und unterliegt daher auch nicht den Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG, § 3c EStG und § 8b KStG.2 Ein eigenständiges Steuerbilanzrecht für Bewertungseinheiten mit der Folge originär steuerbilanzieller Bewertungseinheiten besteht nicht.3 Im Grundsatz besteht für die Steuerbilanz keine Abweichung von der für handelsbilanzielle Zwecke durchgeführte Würdigung.4

135

E. Verletzung von § 254 HGB: die Rechtsfolgen Das Handelsgesetzbuch sieht keine besonderen Zivilrechtsfolgen vor, wenn die Anforderungen des § 254 HGB verletzt werden.5

136

Liegt allerdings ein Verstoß vor, kann dies im Grundsatz insbes. bei Kapitalgesellschaften zur Nichtigkeit 137 des festgestellten Jahresabschlusses iSd. § 256 Abs. 5 AktG führen (unzulässige bzw. nicht sachgerechte Über- oder Unterbewertungen von Posten). Bei Vorliegen eines nichtigen Jahresabschlusses ist in der Folge auch der auf diesem Jahresabschluss aufbauende Beschluss über die Gewinnverwendung nichtig (§ 253 Abs. 1 Satz 1 AktG). Des Weiteren führt ein nichtiger Jahresabschluss im Grundsatz auch zur Anfechtbarkeit der Entlastung des Aufsichtsrats.6 Die Nichtigkeit kann grundsätzlich dann gegeben sein, wenn beispielsweise eine handelsbilanzielle Bewertungseinheit gebildet wird, obwohl die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, sind oder eine pflichtgemäße Bildung handelsbilanzieller Bewertungseinheiten unterlassen wird. Entsprechendes gilt auch, wenn generell die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft unter Vorsatz unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird, beispielsweise durch handelsbilanzielle Berücksichtigung einer überhöhten Bewertung im Zuge der Ermittlung des wirksamen bzw. unwirksamen Teils eines ökonomischen Sicherungszusammenhangs. Bei prüfungspflichtigen Unternehmen hat der Abschlussprüfer nach § 322 Abs. 1 HGB das Ergebnis der 138 Prüfung in einem Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss oder zum Konzernabschluss zusammenzufassen. Der Bestätigungsvermerk hat Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung zu beschreiben und dabei die angewandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze anzugeben; er hat ferner eine Beurteilung des Prüfungsergebnisses zu enthalten. Ein Verstoß gegen die Anforderungen des § 254 HGB kann uU eine Einschränkung oder sogar die Versagung des Bestätigungsvermerks nach sich ziehen,7 denn nach § 322 Abs. 4 HGB darf ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk ferner nur erteilt werden, wenn der geprüfte Abschluss unter Beachtung der vom Abschlussprüfer vorgenommenen, in ihrer Tragweite erkennbaren Einschränkung ein den tatsächlichen Verhältnissen im Wesentlichen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt. Insbesondere im HGB wie auch im AktG finden sich darüber hinaus weitergehende Regelungen, die im 139 Zuge einer individuellen Einzelfallprüfung bei einer Verletzung von § 254 HGB diverse straf- und bußgeldrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen können. Nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung) wird beispielsweise mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluss, im Lagebericht oder im Zwischenabschluss nach § 340a Abs. 3 HGB unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Entsprechendes gilt nach § 400 Abs. 1 AktG. Ergänzend sei an dieser Stelle noch auf das Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 AktG verwiesen, denn nach § 131 Abs. 3 Nr. 4 AktG darf der Vorstand die Auskunft verweigern über die Bilanzierungsund Bewertungsmethoden, soweit die Angabe dieser Methoden im Anhang ausreicht, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft iSd. § 264 Abs. 2 HGB zu vermitteln. Problematisch dürfte hier regelmäßig eine unterlassene Bildung handelsrechtlicher Bewertungseinheiten sein, da die Nichtanwendung von § 254 HGB regelmäßig auch die Unterlassung von Anhangangaben iSv. § 285 Nr. 23 HGB nach sich zieht. 1 Vgl. im Einzelnen Hick in HHR, § 5 EStG Rz. 1072 ff. 2 Vgl. BMF v. 25.8.2010 – IV C 6 - S 2133/07/10001 – DOK 2009/0743135, DB 2010, 2024; OFD Rheinland v. 11.3. 2011 – S 2133 - 2011/0002 - St 141, DB 2011, 737; Micksch/Mattern, DB 2010, 579; aA Schmitz, DB 2009, 1620. 3 Vgl. Frotscher in Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 144b; Broecker/Zwirner, BB 2012, 2938. 4 Vgl. hierzu auch Helios, DB 2012, 2898 mwN; Helios/Meinert, Ubg. 2011, 592. 5 Vgl. hierzu und im Folgenden Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 59 mwN. 6 Vgl. OLG Stuttgart v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, DB 2003, 1944. Vgl. BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, DB 1994, 84 zu den Rechtsfolgen nichtiger Jahresabschlüsse. 7 Vgl. Förschle/Usinger in Beck BilKomm.10, § 254 HGB Rz. 59 mwN.

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§ 255 | Bewertungsmaßstäbe

§ 255 Bewertungsmaßstäbe (1) 1Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. 2Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. 3Anschaffungspreisminderungen, die dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, sind abzusetzen. (2) 1Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. 2Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. 3Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. 4Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden. (2a) 1Herstellungskosten eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens sind die bei dessen Entwicklung anfallenden Aufwendungen nach Absatz 2. 2Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. 3Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. 4Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen. (3) Zinsen für Fremdkapital gehören nicht zu den Herstellungskosten. Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet wird, dürfen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen; in diesem Falle gelten sie als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands. (4) 1Der beizulegende Zeitwert entspricht dem Marktpreis. Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen. 2Lässt sich der beizulegende Zeitwert weder nach Satz 1 noch nach Satz 2 ermitteln, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 253 Abs. 4 fortzuführen. 3Der zuletzt nach Satz 1 oder 2 ermittelte beizulegende Zeitwert gilt als Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinn des Satzes 3. A. I. II. III. IV. V. VI. VII. B. I. II. 1. 2. 3. 4.

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Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . Angaben im Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen bei Verstößen gegen § 255 HGB Anschaffungskosten (Abs. 1) Anschaffungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . Anschaffungskosten (Abs. 1 Satz 1) Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung wegen des Erwerbs eines Vermögensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung zur Versetzung des erworbenen Vermögensgegenstands in einen betriebsbereiten Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelzuordnungsfähigkeit der Aufwendungen

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__ __ __ _ _ _ _ __ 1 2

5 7 11 12 13 16 22 26 34 37

III. Anschaffungsnebenkosten (Abs. 1 Satz 2 1. Fall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anschaffungskostenminderungen (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zeitpunkt der Aufwendungen 1. Dem Zurechnungswechsel vorausgehende Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Veränderung der Anschaffungskosten (insbesondere nachträgliche Anschaffungskosten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einzelfälle zu den Anschaffungskosten . . . . . C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3) I. Herstellungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertuntergrenze der Herstellungskosten 1. Aufwendungen (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . 2. Pflichtbestandteile der Herstellungskosten (Abs. 2 Satz 2) a) Produktionsbezogenes Vollkostenprinzip b) Material- und Fertigungseinzelkosten sowie Sonderkosten der Fertigung . . . . . . .

_ _ _ __ _ _ _ _ 41 44 46 47 50 51 57 59 60

III. 1. 2. IV.

c) Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie Wertverzehr des Anlagevermögens . . d) Sog. Kuppelproduktion . . . . . . . . . . . . . e) Steuerrechtliche Sonderregelung des sog. anschaffungsnahen Herstellungsaufwands (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) . . . . . . . . . . . . . Wahlbestandteile der Herstellungskosten Kosten der allgemeinen Verwaltung und Sozialgemeinkosten (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . Finanzierungskosten (Abs. 3) . . . . . . . . . . . Nicht einbeziehungsfähige Bestandteile der Herstellungskosten (Forschungs- und Vertriebskosten, Abs. 2 Satz 4) . . . . . . . . . . . . .

__ _ __ _ 65 72 73 77 82

Bewertungsmaßstäbe

| § 255

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V. Einzelfälle zu den Herstellungskosten . . . . . D. Herstellungskosten selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (Abs. 2a) I. Entwicklungskosten als Herstellungskosten iSv. Abs. 2 (Abs. 2a Sätze 1 ff.) . . . . . . . . . . . II. Zeitpunkt der erstmaligen Aktivierung . . . . III. Nachträgliche Herstellungskosten . . . . . . . . IV. Aktivierungsverbot (Abs. 2a Satz 4) . . . . . . . E. Beizulegender Zeitwert (Abs. 4) . . . . . . . .

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__ __ _ 90 94 96 97 98

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Literatur: Selchert, Probleme der Unter- und Obergrenze von Herstellungskosten, BB 1986, 2298; Ordelheide, Zu den Anschaffungsnebenkosten nach Handels- und Steuerrecht, in Calé/Korn/Stahl (Hrsg.), FS Felix, 1989, 223; SchulzeOsterloh, Herstellungskosten in der Handels- und Steuerbilanz, StuW 1989, 242; Küting, Zur Problematik von Löhnen und Lohnnebenkosten im Rahmen der handelsrechtlichen Herstellungskostenermittlung, in Förster/Rössler (Hrsg.), FS Ahrend, 1992, 377; Ordelheide, Zum Verbot der Aktivierung von Vertriebskosten in den Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 6 HGB, in Moxter ua. (Hrsg.), FS Forster, 1992, 507; v. Wysocki, Zur Ermittlung der Untergrenze der Herstellungskosten von Vorräten aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in Beisse ua. (Hrsg.), FS Beusch, 1993, 929; Egger, Die Herstellungskosten im Spannungsfeld zwischen Kostenrechnung und Jahresabschluß, in Ballwieser ua. (Hrsg.), FS Moxter, 1994, 195; Kraus-Grünewald, Zur Bewertung von Halb- und Fertigerzeugnissen mit den Herstellungskosten, ZfbF 46. Jg. (1994), 32; Küting/Lorson, Grundsatzfragen der Ermittlung von Herstellungskosten in der Handelsbilanz, DStR 1994, 666; Schulze-Osterloh, Verdeckte Gewinnausschüttungen im Grenzgebiet zwischen Handels- und Steuerrecht, StuW 1994, 131; Mellwig, Herstellungskosten und Realisationsprinzip, in Förschle ua. (Hrsg.), FS Budde, 1995, 397; Moxter, Kosten der allgemeinen Verwaltung als Bestandteil der steuerrechtlich einrechnungspflichtigen Herstellungskosten?, in Elschen ua. (Hrsg.), FS D. Schneider, 1995, 445; Multerer, Zur Problematik der Konkretisierung des Herstellungskostenbegriffs im Handels- und Steuerrecht, 1995; Siegel, Herstellungskosten und Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in Elschen ua. (Hrsg.), FS D. Schneider, 1995, 635; Baetge, Herstellungskosten: Vollaufwand versus Teilaufwand, in Baetge ua. (Hrsg.), FS Ludewig, 1996, 53; Nordmeyer, Anschaffungsnaher Aufwand im Handelsrecht, in Fischer/Hömberg (Hrsg.), FS Baetge, 1997, 373; Witt, Der Umfang der Herstellungskosten im handelsrechtlichen Jahresabschluß, 1997; Angermayer, Handelsrechtliche Anschaffungskosten von Sacheinlagen, DB 1998, 145; Karrenbrock, Der Umfang der Herstellungskosten nach Handels- und Steuerrecht, in Meffert/Krawitz (Hrsg.), FS Börner, 1998, 3; Beiser, Die Angemessenheit der Material- und Fertigungsgemeinkosten im Rahmen der Herstellungskosten, DB 2003, 2557; Groß/Georgius/Matheis, Aktuelles zur bilanziellen Behandlung von ERP-Systemen – Die Gretchenfrage nach Anschaffung oder Herstellung, DStR 2006, 339; Beiser, Herstellungskosten bei Gebäuden: Opfertheorie trotz Gebäudeabbruch?, DB 2004, 2007; Meyering, Denkanstöße zu den Anschaffungskosten und ihre Ermittlung, StuW 2009, 42; Peter/Graser, Zu kurz gegriffen: Due Diligence-Kosten als Anschaffungsnebenkosten beim Beteiligungserwerb, DStR 2009, 2032; Seidel/Grieger/Muske, Bilanzierung von Entwicklungskosten nach dem BilMoG, BB 2009, 1286; Witteler/Lewe, Abbruch- und Entsorgungskosten als Herstellungskosten von ortsgebundenen Folgeinvestitionen, DB 2009, 2445; Kahle/Haas, Herstellungskosten selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, WPg. 2010, 34; Pyszka, Abzugsfähigkeit von Aufwendungen der Muttergesellschaft für den Unternehmenskauf durch eine nachgeordnete Konzerngesellschaft, DStR 2010, 1468; Schülke, Zur Aktivierbarkeit selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände, DStR 2010, 992; Küting/Ellmann, Die Herstellungskosten von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, DStR 2011, 1300; Ditz/Tcherveniachki, Behandlung von Akquisitionsaufwendungen im Rahmen des unmittelbaren und mittelbaren Erwerbs von Beteiligungen, DB 2011, 2676; Rade, „Angemessene“ Herstellungskkosten nach BilMoG – Keine Irrelevanz der Abgrenzung von Einzel- und Gemeinkosten, DStR 2011, 1334; Schüttler/Berthold, Bilanzierung ungeschützter Erfindungen am Beispiel von Arzneimitteln – Ungeahnte Aktivierungsmöglichkeiten dank BilMoG, DStR 2011, 932; Fey/Deubert, Bedingte Anschaffungskosten für Beteiligungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss des Erwerbers, BB 2012, 1461; Velte/Haaker, Entwicklung der Zeitwertbilanzierung im Handels- und Steuerrecht, StuW 2012, 56; Kahle/Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, WPg. 2013, 403; Kahle/Hiller, Anschaffungs- und Herstellungskosten nach HGB, EStG und IFRS, DStZ 2013, 462; Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 2014; Köhler, Leerkosteneliminierung anstelle einer Teilwertabschreibung, DB 2015, 763; Tiedchen, Anschaffungskosten als ungeeignetes Kriterium für Forderungen, StuW 2015, 281; Hiller, Der beizulegende Zeitwert, DStZ 2016, 198; Rohleder, Die Bilanzierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, DB 2016, 1645; Ettinger, Interne Anschaffungsnebenkosten beim Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen, Ubg. 2017, 41; Prinz/Otto, Steuerbilanzielle Behandlung von Entwicklungskosten für immaterielle Wirtschaftsgüter in Zeiten vernetzten Wirtschaftens, DStR 2017, 275.

Krumm

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§ 255 Rz. 1 | Bewertungsmaßstäbe

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 255 HGB definiert die zentralen handelsrechtlichen Bewertungsmaßstäbe. Die Anschaffungskosten (Abs. 1) und Herstellungskosten (Abs. 2 bis 3) werden insbes. in § 253 HGB für die Zugangsbewertung von Vermögensgegenständen, aber auch als Grundlage ihrer Folgebewertung verwendet. § 255 Abs. 4 HGB enthält die Konkretisierung des beizulegenden Zeitwerts.

II. Bedeutung und Zweck 2

Zentraler Bestandteil der Rechnungslegung ist das Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip. Dieses wiederum verwirklicht den Grundsatz der Erfolgsneutralität von Anschaffungs- und Herstellungsvorgängen und sichert das Realisationsprinzip ab (dazu § 252 Rz. 146 ff.). Dies bedingt zum einen, dass nicht danach gefragt wird, was am Markt für den Vermögensgegenstand zu erzielen wäre, sondern was tatsächlich für ihn in der Vergangenheit aufgewendet worden ist. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten markieren in diesem Geist die Bewertungsobergrenze; selbst bei Wertsteigerungen erfolgt die Bewertung grundsätzlich nur mit den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Zum anderen kann diese Erfolgsneutralität nur erreicht werden, wenn man in die Anschaffungs- und Herstellungskosten den anlässlich des Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgangs bilanziell erfassten Güterverzehr einfließen lässt. Die Verwendung des Wortes „Kosten“ darf insoweit nicht irritieren. Es besteht über die pagatorische Ableitung der Anschaffungs- und Herstellungskosten Einigkeit:1 Aufwendungen iSv. Abs. 1 und Abs. 2 sind rein zahlungsabhängig zu verstehen. Erforderlich sind (periodisierte) Ausgaben, dh. der Abgang oder die Verringerung eines Aktivpostens bzw. der Zugang oder die Erhöhung eines Passivpostens. Keine Relevanz erlangen also kalkulatorische Kosten, die von der Zahlungsebene abstrahieren und denen kein bilanziell erfasster Güterverzehr zugrunde liegt. Dies führt ua. zu einer (hinzunehmenden) Differenzierung je nach Organisationsform: Die Tätigkeit des Einzelunternehmers bleibt irrelevant (nur kalkulatorischer Unternehmerlohn), während die vergütete Tätigkeit eines Gesellschafters für „seine“ Personen- oder Kapitalgesellschaft bilanziell erfassten Güterverzehr auslöst; bei Personengesellschaften ist insoweit irrelevant, dass die Vergütung ertragsteuerlich als Sondervergütung dem Gewinn (wieder) hinzugerechnet wird.2 – Absolute Erfolgsneutralität erreichen freilich weder die Anschaffungs- noch die Herstellungskosten. Denn in die Anschaffungskosten fließen nur Einzelkosten ein (Rz. 37 ff.), dies geschieht dafür im Grundsatz aber vollständig und ohne Wahlrecht (s. allerdings auch noch zu den unechten Gemeinkosten Rz. 38). Die Herstellungskosten wiederum sind nur iS eines produktionsbezogenen Vollkostenbegriffs verpflichtend (Rz. 59 ff.); § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB sieht für andere Gemeinkosten ein Wahlrecht vor (Rz. 77 ff.). Im Ergebnis wird die Erfolgsneutralität aber im Kern erreicht. Der vergangenheitsorientierte Ansatz hat schließlich zur Folge, dass sich selbst bei ein und demselben Kaufmann für ein und denselben Vermögensgegenstand anlässlich verschiedener Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgänge unterschiedliche Anschaffungs- und Herstellungskosten ergeben können. Diese Relativität ist wegen des Grundsatzes der Erfolgsneutralität systembedingt.3

3

§ 255 Abs. 2a HGB konkretisiert die Herstellungskosten für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Die Norm setzt die positive Ausübung des nunmehr von § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB gewährten Aktivierungswahlrechts voraus und konkretisiert sodann die Herstellungskosten. Dazu unterscheidet sie die Entwicklungs- von den Forschungskosten. Letztere dürfen nicht aktiviert werden. Können Entwicklungs- und Forschungskosten nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ordnet Satz 4 ein vollständiges Aktivierungsverbot an. Das Wahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB geht also verloren. Erfolgt zulässigerweise eine Aktivierung mit den Entwicklungs(-herstellungs-) kosten, dann richtet sich die Folgebewertung nach § 253 Abs. 3 HGB (s. § 253 HGB Rz. 125).

4

§ 255 Abs. 4 HGB konkretisiert den beizulegenden Zeitwert. Er ist anders als die Anschaffungs- und Herstellungskosten kein auf Erfolgsneutralität und die Absicherung des Realisationsprinzips gerichteter pagatorischer Wert. Er ist vielmehr ein Verkehrswert, nämlich ein Einzelveräußerungspreis,4 und kann somit den Ausweis noch nicht realisierter Gewinne bewirken. Bedeutung erlangt er vor allem für die Finanzinstrumente des Handelsbestands bei Banken. Dieser ist nach § 340e Abs. 3 HGB mit dem beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikoabschlags zu bewerten (s. auch noch Rz. 6). 1 BFH v. 4.7.1990 – GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830 (833) für die Herstellungskosten; Baetge in FS Ludewig, 53 (60); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 4 (Stand Nov. 2016); Meyering, StuW 2009, 42 (44); Stobbe/Rade in HHR, § 6 EStG Rz. 229 (Stand Sept. 2015); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 9 (Stand Mai 2011). 2 BFH v. 8.2.1996 – III R 35/93, BStBl. II 1996, 427 (428). 3 Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 208 f. 4 Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 513.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 6 § 255

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Definitionen des § 255 HGB gelten für alle Vorschriften der HGB-Rechnungslegung, in denen sie ver- 5 wendet werden. Dies vermittelt insbes. den Anschaffungs- und Herstellungskosten einen weiten Anwendungsbereich, da sie der Regelbewertungsmaßstab für die Zugangsbewertung sind (§ 253 HGB). Dabei gelten sie vor allem für die auf der Aktivseite auszuweisenden Vermögensgegenstände. Auf der Passivseite ordnet § 253 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB zwar die im Regelfall einschlägige Bewertung mit dem – in § 255 HGB nicht legaldefinierten – „Erfüllungsbetrag“ an (dazu § 253 Rz. 24), aber auch auf der Passivseite sind Anschaffungsvorgänge denkbar, was sodann mit dem Ziel der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs auch den Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB zur Anwendung bringt.1 § 255 Abs. 2a HGB gilt hingegen nur für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens iSv. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB. Der beizulegende Wert iSv. § 255 Abs. 4 HGB findet Anwendung auf die Finanzinstrumente des Handelsbestands (§ 340e Abs. 3 HGB), auf das Deckungsvermögen iSv. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB) und auf wertpapiergebundene Altersversorgungsverpflichtungen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB, s. § 253 Rz. 66 ff.). Auch die steuerliche Gewinnermittlung basiert auf dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip: 6 Angeschaffte und hergestellte Wirtschaftsgüter sind höchstens mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Satz 1 EStG). Aber auch im Bereich der Überschusseinkünfte werden beide Bewertungsmaßstäbe vom Steuerrecht vorausgesetzt. Dies gilt anlässlich der laufenden Besteuerung vor allem in Ansehung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG, der – nicht anders als bei § 4 Abs. 3 EStG auch – über die entsprechende Anwendung der AfA-Vorschriften die eigentlich für eine Überschussrechnung wesensfremde Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf mehrere Jahre anordnet. Ferner kennt das Steuerrecht auch jenseits der Gewinneinkünfte einkommensteuerbare Veräußerungsvorgänge. Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns knüpfen diese Normen ebenfalls an die Anschaffungs- und Herstellungskosten an (§§ 17 Abs. 2 Satz 1, 23 Abs. 3 Satz 1 EStG). Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, dass die handelsrechtlichen Definitionen in § 255 HGB auch für die Konkretisierung der steuerlichen Normen gelten.2 Lediglich die methodische Begründung wird unterschiedlich formuliert: Nach überwiegender Auffassung gilt der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff über die Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 EStG, für andere Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, über § 141 Abs. 1 Satz 2 AO und für Gewinnermittler iSd. § 4 Abs. 3 EStG über den Grundsatz der Totalgewinngleichheit. Für die übrigen Steuerpflichtigen gilt er schließlich deshalb, weil die §§ 7 ff. EStG nicht nach verschiedenen Einkunftsarten unterscheiden.3 Lediglich bei § 17 EStG versteht der BFH den Anschaffungskostenbegriff normspezifisch.4 § 255 Abs. 2a HGB erlangt im Steuerrecht hingegen keine Relevanz. Steuerrechtlich ist – abweichend von § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB – ein umfassendes und vorrangiges Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter angeordnet (§ 5 Abs. 2 EStG). Die Zeitwertbewertung für die Finanzinstrumente des Handelsbestands (§§ 340e Abs. 3, 255 Abs. 4 HGB) wird vom Steuerrecht übernommen, sofern es sich nicht um Finanzinstrumente handelt, die der Absicherung eines Grundgeschäfts dienen, und daher Teil einer Bewertungseinheit sind. Ist der beizulegende Zeitwert (trotz Risikoabschlag) höher als die Anschaffungs-/Herstellungskosten, wird das Realisationsprinzip also auch steuerrechtlich durchbrochen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG). Allerdings setzt sich auch ein niedrigerer Zeitwert gegenüber den steuerlichen Vorschriften durch (Rz. 102). Ansonsten erlangt der beizulegende Zeitwert im Steuerrecht keine Relevanz. § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG ist die einzige Sondernorm, die ihn rezipiert; im Übrigen ist steuerrechtlich zwingend das Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG anzuwenden.5

1 Siehe zum Steuerrecht BFH v. 16.12.2009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566 f.; v. 14.12.2011 – I R 72/10, FR 2012, 407; v. 12.12.2012 – I R 69/11, FR 2013, 608; v. 12.12.2012 – I R 28/11, FR 2013, 805; s. auch noch Bareis, FR 2012, 385; Siegel, FR 2012, 388. 2 Siehe nur BFH v. 4.7.1990 – GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830 (833); aus jüngerer Zeit BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242); v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761 (762); v. 10.5.2016 – IX R 33/14, BFH/NV 2016, 1446 (1447). 3 So BFH v. 4.7.1990 – GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830 (833 f.); ebenfalls auf die Maßgeblichkeit abstellend zum Beispiel Stobbe in HHR, § 6 EStG Rz. 180 (Stand Sept. 2015). Nach aA handelt es sich um eine analoge Anwendung, so zum Beispiel Lange, 75 Jahre Teilwert: Gegenwart und Zukunft des Teilwertbegriffs, 34. 4 Zusammenstellung der Rspr. zu den nachträglichen Anschaffungskosten bei Gosch in Kirchhof, EStG15, § 17 Rz. 90 ff. 5 So bereits BT-Drucks. 16/10067, 61; zustimmend Hiller, DStZ 2016, 198 (199); Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1277 (1280); Schubert/Pastor in: Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 526.

Krumm

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§ 255 Rz. 7 | Bewertungsmaßstäbe

IV. Rechtsentwicklung 7

Seitdem das Handelsrecht an die Bewertungsmaßstäbe der Anschaffungs- und Herstellungskosten anknüpft,1 besteht die Notwendigkeit, diese beiden Rechtswerte zu konkretisieren. Entsprechendes galt für das Steuerrecht, wo die Anschaffungs- und Herstellungskosten früh vorausgesetzt wurden (vgl. § 139 Abs. 2 RAO 1919, §§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 REStG 1920, §§ 19, 20 REStG 1925 und dann § 6 REStG 1934, dessen Grundstruktur bis heute fortwirkt). Gleichwohl fand sich erst einmal weder im Handels- noch im Steuerrecht eine gesetzliche Konkretisierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Beide Bewertungsmaßstäbe mussten daher aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung heraus konkretisiert werden. Ihre Konkretisierung fanden die Anschaffungs- und Herstellungskosten dabei vor allem durch die Finanzrechtsprechung. Während der Anschaffungskostenbegriff wenige Anwendungsprobleme zu bereiten schien, verhielt es sich mit den Herstellungskosten anders. Die kaufmännische Übung war insoweit nicht eindeutig und auch die Betriebswirtschaftslehre diskutierte ihren Umfang.2 Die Rspr. positionierte sich insoweit erstmals zum Herstellungspreis iSd. VStG 1922. Der RFH bemühte hier die wirtschaftliche Betrachtungsweise und vertrat die Ansicht, dass dazu nicht lediglich die unmittelbar zurechenbaren Einzelkosten, sondern grundsätzlich auch „ein entsprechender Teil der beim Hersteller entstehenden Gesamtunkosten [gehören], soweit diese zur und bis zur Herstellung des Gegenstandes notwendig sind“.3 Der Große Senat des RFH knüpfte in seinem Gutachten v. 4.2.1939 hieran an und bezog neben den Einzelkosten auch Herstellungsgemeinkosten mit ein.4 Dieser Auslegung hat sich die Finanzverwaltung später angeschlossen und sie wurde zur praktischen Übung.

8

Zwischen der ersten Entscheidung des RFH und dem Gutachten des Großen Senats erfolgte handelsrechtlich zumindest eine Teilkodifikation der Herstellungskosten, nämlich in § 261 HGB idF der Aktienrechtsnovelle von 1931. Dieser bestimmte, dass bei der Berechnung der Herstellungskosten in angemessenem Umfang Abnutzungen und sonstige Wertminderungen sowie Teile der Betriebs- und Verwaltungskosten eingerechnet werden dürfen, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Vertriebskosten wurden hiervon explizit ausgenommen. Das AktG v. 6.9.19655 übernahm diese Teilkodifikation in § 153 Abs. 2 AktG 1965. Sodann war es erst gut 10 Jahre später der Steuergesetzgeber, der es unter Hinweis auf die Rechtssicherheit für geboten hielt, die Anschaffungs- und Herstellungskosten gesetzlich zu definieren. Mit dem Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 9.1.1974 knüpfte er dabei an die bisher von Rspr. und Finanzverwaltung entwickelten Begriffsbestimmungen an.6 Eine steuerliche Legaldefinition wurde jedoch nicht Gesetz. Stattdessen fand der steuerliche Definitionsvorschlag mit dem Bilanz-Richtlinien-Gesetz mit Wirkung ab dem 1.1.1986 Eingang in das Handelsbilanzrecht.7 Anders als heute (s. Rz. 9) hatte der Gesetzgeber damals die Herstellungskostenuntergrenze auf die Einzelkosten beschränkt. In Abs. 4 des § 255 HGB aF war der Geschäfts- und Firmenwert (Satz 1) und seine Verteilung auf die künftigen Jahre seiner Nutzung (Satz 2 und 3) geregelt (s. Rz. 9). Ansonsten entspricht die heutige Regelung im Grunde der Erstfassung. Historische Materialen: BT-Drucks. 10/317, 87–89 zu § 260 HGB-E (Gesetzesbegründung), BT-Drucks. 10/4268, 101 (Rechtsausschuss).

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Das BilMoG v. 25.5.20098 hat Abs. 2 und Abs. 4 neu gefasst und zudem Abs. 2a eingefügt. Zu Abs. 2: Während vorher in Satz 3 ein Wahlrecht bestand, ob die angemessenen Teile der notwendigen Materialgemeinkosten, der notwendigen Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit er durch die Fertigung veranlasst ist, in die Herstellungskosten eingerechnet werden („dürfen“), ordnet Abs. 2 Satz 2 idF des BilMoG diesbezüglich eine Einbeziehungspflicht ein. Es gilt nunmehr also ein „produktionsbezogener Vollkostenbegriff“ (Rz. 59, 65 ff.).9 Die Anhebung der zwingenden Bewertungsuntergrenze war durch die entsprechende Regelung der IFRS motiviert und soll der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse dienen.10 Satz 4 rückte zu Satz 3 auf und übernahm zugleich Satz 5 („als sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen“). Der vormalige Satz 6, der ein Einbeziehungsverbot für Vertriebskosten vorsah, wurde um die Forschungskosten ergänzt und findet sich heute in Satz 4. Zu Abs. 2a: § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB hat das vormalige (absolute) Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Ver1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Lesenswert zB Velte/Haaker, StuW 2012, 56 ff. Siehe insoweit statt vieler Freidank/Velte, StuW 2010, 356 (360 ff.). RFH v. 12.4.1927 – I A 321/26, RFHE 21, 105 (106). RFH v. 4.2.1939 – D 7/38, RStBl. 1939, 321 f. BGBl. I 1965, 1089. Siehe BT-Drucks. 7/1470, 256. BGBl. I 1985, 2355. BGBl. I 2009, 1102. Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 2. BT-Drucks. 16/10067, 59.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 14 § 255

mögensgegenstände durch ein Aktivierungswahlrecht ersetzt. Abs. 2a stellt die hierauf zugeschnittene Bewertungsnorm dar. Zu Abs. 4: Die vormalige Regelung zum Geschäfts- und Firmenwert ist entfallen und stattdessen wurde die heute noch geltende Regelung zum Zeitwert geschaffen.1 Historische Materialien: BT-Drucks. 16/10067, 59–61 (Gesetzesbegründung), BT-Drucks. 16/12407, 86 (Rechtsausschuss). § 255 Abs. 1 Satz 3 ist durch das BilRUG v. 17.7.2015 (BGBl. I 2015, 1245) um den Relativsatz ergänzt wor- 10 den, der bezüglich der Anschaffungskostenminderungen die Einzelzuordnung vorsieht. Eine inhaltliche Änderung ist hiermit nicht verbunden (Rz. 38). Historische Materialien: BT-Drucks. 18/4050, 57 (Gesetzesbegründung); BT-Drucks. 18/5256 (Rechtsausschuss, dort allerdings keine Ausführungen zu § 255 HGB).

V. Unionsrechtliche Vorgaben Unter Geltung der Rechnungslegungsrichtlinie (RL 2013/34/EU v. 26.6.2013)2 beruhen die Einzelregelun- 11 gen des § 255 HGB auf folgenden unionsrechtlichen Vorgaben: der Anschaffungskostenbegriff des Abs. 1 auf Art. 2 Nr. 6, die Wertuntergrenze der Herstellungskosten auf Art. 2 Nr. 7,3 die Bewertung der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens „nur“ mit den Entwicklungskosten in Abs. 2a auf Art. 12 Abs. 11, die Regelung zu den Fremdkapitalzinsen des Abs. 3 auf Art. 12 Abs. 8 und die Zeitwertkonkretisierung nach Maßgabe des Abs. 4 auf Art. 8 Abs. 7. Alle Regelungen des § 255 HGB sind richtlinienkonform umgesetzt worden.

VI. Angaben im Anhang Gemäß § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB (ggf. iVm. § 336 Abs. 2 HGB oder § 5 Abs. 2 PublG) sind im Anhang die 12 gewählten Bewertungsmethoden anzugeben. Dies schließt Erläuterungen zu dem Bewertungswahlrecht bei den Herstellungskosten ein (§ 284 Rz. 46 ff.). Ferner verlangen § 284 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 4 HGB Angaben zu einer nach § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB möglichen Einbeziehung von Zinsen in die Herstellungskosten. Macht der Kaufmann von dem Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB, s. § 248 Rz. 23 ff.) Gebrauch, muss er im Anhang den Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahrs sowie den davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallenden Betrag angeben (§ 285 Nr. 22 HGB, s. § 285 Rz. 217 ff.).

VII. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen § 255 HGB Ein Verstoß gegen § 255 HGB setzt voraus, dass er nicht nur objektiv vorliegt, sondern auch subjektiv für 13 einen ordentlichen Kaufmann nach den zum Bilanzstichtag bestehenden Verhältnissen erkennbar war.4 Ein objektiver Verstoß gegen eine bilanzielle Bewertungsvorschrift liegt dann vor, wenn nicht der einzig zwingende Wertansatz verwendet wurde oder wenn dort, wo eine Bewertungsbandbreite in der Natur der Wertermittlung liegt, ein nicht mehr vertretbarer (also jenseits der Bandbreite liegender) Wertansatz gewählt wurde. Auch wenn die Anschaffungs- und Herstellungskosten wegen ihres Vergangenheitsbezugs und der pagatorischen Anknüpfung häufig als „objektive“ und „verlässliche“ Werte beschrieben werden, können sich auch hier solche Wertbandbreiten ergeben. Dies zeigen die bei der Gemeinkostenschlüsselung bestehenden Spielräume. Besondere Bedeutung hat die Anerkennung von Bandbreiten und der damit verbundenen Bewertungsprärogative des Kaufmanns bei der Zeitwertbewertung des § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB. Ferner liegt natürlich dann kein Verstoß gegen § 255 HGB vor, wenn der Kaufmann von einem der in Abs. 2 gewährten Wahlrechte Gebrauch macht. Wird nach dieser Maßgabe gegen § 255 HGB verstoßen, kann dies bei AG, KGaA und GmbH zur Nichtig- 14 keit des Jahresabschlusses führen. Allerdings ist ein Jahresabschluss nach § 256 AktG (analog) wegen Verstoßes gegen Bewertungsvorschriften nur nichtig, wenn ein Posten überbewertet ist, oder wenn ein Posten unterbewertet ist und zusätzlich durch die Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergeben oder verschleiert werden (§ 256 Abs. 5 Satz 1 AktG). § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG ordnet ausdrücklich an, dass eine Über- und Unterbewertung vorliegen, wenn gegen § 255 1 Zur Historie der Zeitwertbilanzierung instruktiv Velte/Haaker, StuW 2012, 56 ff. 2 ABl EU Nr. L 182, zu den Vorgaben der vormaligen EG-Bilanzrichtlinie mit Nachweisen Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 3. 3 Vgl. aber auch noch Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 156 (Stand Nov. 2016), die darauf hinweisen, dass die deutsche Interpretation als Einzelkosten nicht zwingend sei und auch eine Deutung als – damit nicht identische – variable Kosten denkbar erscheint; vgl. ferner Karrenbrock in FS Börner, 3 (9 ff.). 4 Schön in FS 50 Jahre BGH, 153 (162); Hüffer/Koch, AktG12, § 256 Rz. 25.

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§ 255 Rz. 15 | Bewertungsmaßstäbe HGB verstoßen wird (Rz. 13). Für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungen enthält § 256 Abs. 5 AktG überdies einen klarstellenden Hinweis auf die §§ 340e ff. HGB, was hier insbes. für die Zeitwertbewertung der Finanzinstrumente (Rz. 98 ff.) von Bedeutung ist. § 256 Abs. 5 AktG schränkt die Nichtigkeitsfolge in mehrerlei Hinsicht ein: (1) Zur Nichtigkeit führt nur die Über- bzw. Unterbewertung eines Bilanzpostens (Gliederungsposten iSd. § 266 HGB), dh. es wird nicht auf einzelne Vermögensgegenstände und ihre Bewertung abgestellt; Bewertungsfehler innerhalb eines Bilanzpostens können sich also kompensieren.1 Vor allem aber (2) führen nach zutreffender Ansicht nur wesentliche Abweichungen von § 255 HGB zur Nichtigkeit.2 Diese Wesentlichkeitsvoraussetzung ist nicht zu verwechseln mit dem Wesentlichkeitsgrundsatz, der aus Praktikabilitäts- und/oder Verhältnismäßigkeitsgründen die Vernachlässigung bestimmter Anschaffungs- und Herstellungskostenelemente erlaubt. Die innerhalb des Anschaffungs- und Herstellungskostenbegriffs diskutierten Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsüberlegungen (Rz. 38, 43) führen nämlich zu einem normkonformen Ergebnis, während notwendige (wenn auch nicht ausreichende) Voraussetzung für eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses gerade ein Verstoß gegen § 255 HGB ist (Rz. 13). Rspr. und Literatur versuchen, die Wesentlichkeit iSv. § 256 Abs. 5 AktG quantitativ und qualitativ zu bestimmen und lassen bisher – verständlicherweise – weder eine einheitliche quantitative Größe noch einen einheitlichen Bezugspunkt erkennen; mal wird auf das Verhältnis zur Bilanzsumme, mal auf das Verhältnis zum Jahresüberschuss und mal auf beides abgestellt.3 15

Bei Hinzutreten weiterer Umstände kommt eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit (s. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HGB und § 335b HGB sowie § 20 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b PublG) bzw. als Straftat (§ 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB und § 17 Abs. 1 Nr. 1 PublG) in Betracht.

B. Anschaffungskosten (Abs. 1) I. Anschaffungsvorgang 16

Die Zugangsbewertung eines Vermögensgegenstands erfolgt mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vgl. nur § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB). § 255 HGB definiert beide Begriffe eigenständig und konzeptionell auch mit Unterschieden; so ist den Anschaffungskosten eine Einbeziehung von Gemeinkosten fremd (Rz. 38), während die Herstellungskosten ihre Berücksichtigung zum Teil vorschreiben und zum Teil erlauben (Rz. 59 ff. einerseits, 77 ff. andererseits). Die mithin notwendige Differenzierung knüpft an den Zurechnungsgrund an, kraft dessen dem Steuerpflichtigen ein Wirtschaftsgut persönlich, zeitlich und sachlich zuzurechnen ist. Ein Anschaffungsvorgang liegt jedenfalls dann vor, wenn der Kaufmann einen bestehenden und dann auch unverändert bleibenden Vermögensgegenstand von einem Dritten erwirbt. Dritter kann dabei auch ein konzernangehöriges Unternehmen sein.4 Bei der Einräumung von Rechten wird idR eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde gelegt: Ein Nutzungsrecht (Nießbrauch etc.) wird letztlich vom Vollrecht abgespalten; es besteht also (theoretisch) vorher schon und wird daher nicht hergestellt, sondern angeschafft.5 Dies gilt sinngemäß für Rechte, die erst untergehen müssen, damit sie beim Erwerber neu begründet werden (können). So verhält es sich beispielsweise mit einer vom DFB („gegen Ablöse“) erteilten und letztlich vom abgebenden Verein erworbenen (angeschafften) Spielerlaubnis.6 Entsprechendes wird man für eine Internet-Domain annehmen müssen.7 Vollzogen ist der Erwerb – gleich, ob ein materieller Vermögensgegenstand oder ein Recht zu beurteilen ist – in dem Moment, in dem der Vermögensgegenstand dem Erwerber bilanziell zuzurechnen ist8 (s. § 246 HGB Rz. 32 ff.). Steht hingegen nicht der Erwerb von etwas (so) bereits Vorhandenem im Raum, kommen also Herstellungselemente ins Spiel, dann wird die Abgrenzung zu den Herstellungskosten virulent. Dies betrifft vor allem zwei Konstellationen:

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(1) Muss der Dritte den Vermögensgegenstand erst herstellen, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Dritte auch Hersteller iSd. § 255 Abs. 2 HGB ist. Denn es kann auch eine Auftragsproduktion vorliegen, 1 Hüffer/Koch, AktG12, § 256 Rz. 25 mwN. 2 BGH v. 1.3.1982 – II R 23/81, BGHZ 83, 341 (347): ihrem Umfang nach nicht bedeutungslos ist; Hüffer/Koch, AktG12, § 256 Rz. 25. 3 Siehe mit Nachweisen Jungius/Schmidt, DB 2012, 1697 (1700 ff.); Koch in MünchKomm. AktG4, § 256 Rz. 59. 4 Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 534 (Stand Aug. 2015); aA Moxter, StuW 1989, 232 (238) für die entgeltliche Anschaffung von immateriellen Vermögensgegenständen. 5 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 36. 6 BFH v. 26.8.1992 – I R 24/91, BStBl. II 1992, 977 (978); v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (240); zur Diskussion Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 740 „Ablösezahlungen“ (Stand Aug. 2015). 7 Vgl. zur Veräußerungsperspektive FG Köln v. 20.4.2010 – 8 K 3038/08, EFG 2010, 1216, rkr. 8 BFH v. 22.8.1966 – GrS 2/66, BStBl. III 1966, 672 (674); Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 35; Schubert/Gadeck in Beck BilKomm.10, § 255 Rz. 31.

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 20 § 255

die den Auftraggeber zum Hersteller macht und den Dritten nur als Helfer im Rahmen des Herstellungsprozesses erscheinen lässt. Die insoweit notwendige Abgrenzung zwischen Anschaffung eines von einem Dritten herzustellenden Vermögensgegenstands und eines selbst, aber unter Zuhilfenahme eines Dritten hergestellten Vermögensgegenstands ist neben der wertenden Betrachtung der Einflussnahmemöglichkeiten auf den Herstellungsvorgang vor allem eine Frage der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos. Hersteller ist derjenige, der wirtschaftlich das Herstellungsrisiko trägt.1 Umgekehrt formuliert: Wer sein Entgelt nicht zu erbringen hat, wenn die Herstellung nicht gelingt, schafft den Vermögensgegenstand nur an.2 Ferner kann sich die Anschaffungsqualität aus einer wertenden Betrachtung des Gesamtvorgangs ergeben. So liegt zB ein Anschaffungsvorgang vor, wenn aufgrund eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ein Grundstück mit zu bebauendem Gebäude erworben wird. Entsprechendes gilt, wenn der Veräußerer zugleich Renovierungsleistungen schuldet. Auch wenn er hierfür gesondert vergütet wird, so führt der Zusammenhang mit dem Anschaffungsgeschäft zu Anschaffungskosten (und nicht zu Herstellungskosten; hier stellt sich zudem das Abgrenzungsproblem zwischen Erhaltungsaufwand, Herstellungskosten und anschaffungsnahen Anschaffungskosten nicht, s. noch Rz. 54)3. (2) Aber auch dann, wenn sich eine Veränderung des unstreitig angeschafften Vermögensgegenstands in 18 der Sphäre und auf das Risiko des Anschaffenden vollzieht (also kein Dritter beteiligt ist bzw. zumindest kein Dritter mit einer Beziehung zum Veräußerer involviert ist), kann sich ein Abgrenzungsproblem einstellen. Hier geht es um die Fälle, in denen ein Gegenstand nach dem Zurechnungswechsel noch verändert wird (zB ein erworbenes Gebäude wird bautechnisch verändert oder ein beweglicher Gegenstand bearbeitet). Die Abgrenzung ist deshalb entscheidungserheblich, weil der Anschaffungsvorgang mit Erlangung der Betriebsbereitschaft abgeschlossen ist und daher alle hiernach anfallenden Aufwendungen grundsätzlich sofort abziehbar sind. Würde es sich um einen Herstellungsvorgang handeln, würde der Grundsatz der Erfolgsneutralität noch fortwirken. Die notwendige Abgrenzung zwischen Anschaffungs- und Herstellungsvorgang richtet sich danach, ob Aufwendungen die Art und/oder Qualität des Gegenstands verändern oder nicht.4 Dies ist vornehmlich eine Wertungsfrage: Entsteht wertungsmäßig etwas „Neues“5? (s. Rz. 35, 51). Unter Umständen muss ein formal einheitliches Rechtsgeschäft für Zwecke der §§ 253, 255 Abs. 1 HGB 19 aufgeteilt werden. Dies betrifft zum einen den Fall, dass mehrere Vermögensgegenstände zu einem einheitlichen Kaufpreis erworben werden. Hier liegen aus Sicht des vom Einzelbewertungsgrundsatz geprägten Handelsrechts mehrere Anschaffungsvorgänge vor (s. dazu Rz. 39). Zum anderen kann die Notwendigkeit bestehen, ein einheitliches Rechtsgeschäft in ein Anschaffungsgeschäft und ein bilanziell davon verschiedenes Geschäft aufzuteilen, um dem wirtschaftlichen Gehalt der Abrede gerecht zu werden. So verhält es sich beispielsweise dann, wenn im Kaufpreis ein nicht gesondert ausgewiesener Zinsanteil enthalten ist. Dies ist bei langfristig gestundeten Kaufpreisverbindlichkeiten und bei Ratenzahlungsgeschäften der Fall, aber auch dann, wenn Zinsen zwar vereinbart sind, sie aber unüblich niedrig bemessen und dafür der Kaufpreis erhöht wurde. Auch in dem letztgenannten Fall sind die Anschaffungskosten um den Zinsanteil zu vermindern (Rz. 28). Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ein zu hoher Zins bei zu niedrigem Kaufpreis führt nach zutreffender Ansicht dazu, dass ein Teil der Zinsen den Anschaffungskosten zuzuschlagen ist.6 Ferner besteht eine Aufteilungsnotwendigkeit, wenn mit dem einheitlichen Entgelt auch noch eigenständige Dienstleistungen, die nicht zum Anschaffungsvorgang gehören, abgegolten werden (zB bei Leasingverträgen noch Wartungsverpflichtungen). Erfolgt der Erwerb eines Vermögensgegenstands unentgeltlich, fehlt es nicht nur an Erwerbskosten, son- 20 dern an dem von § 255 Abs. 1 HGB vorausgesetzten Anschaffungsvorgang überhaupt. Der Vollständigkeitsgrundsatz gebietet gleichwohl eine Aktivierung, und zwar mit dem Zeitwert.7 Fallen Aufwendungen für die Herbeiführung der Betriebsbereitschaft oder Anschaffungsnebenkosten an, so sind diese dem Zeitwert hinzuzurechnen.8 Ein Aktivierungswahlrecht hätte als Ausnahme vom Vollständigkeitsgrundsatz ge1 Schmidt, DStR 2014, 544 (545 f.); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 334. 2 Vgl. für die Filmproduktion zB BFH v. 19.2.1976 – V R 92/74, BStBl. II 1976, 515 (517); v. 20.9.1995 – X R 225/93, BStBl. II 1997, 320 (321); FG Rh.-Pf. v. 29.3.2012 – 5 K 1815/10, EFG 2013, 15, rkr. 3 BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910; Ehmke in Blümich, § 6 EStG Rz. 93 (Stand Sept. 2016). 4 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 47 (Stand Mai 2011); Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (468). 5 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 15 (Stand Nov. 2016). 6 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 15 (Stand Mai 2011). 7 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 45; Döllerer, BB 1966, 1405; Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 13; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 19, 107 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 71 (Stand Mai 2011). 8 Anders ggf. BFH v. 7.7.2004 – X R 30/03, BFH/NV 2005, 33 (35 f.).

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§ 255 Rz. 21 | Bewertungsmaßstäbe setzlich angeordnet werden müssen, was nicht geschehen ist.1 Das Steuerrecht äußert sich zu der Frage eines unentgeltlichen Zugangs eines einzelnen Wirtschaftsguts (der keine Einlage ist) indes explizit: Der Ansatz mit dem gemeinen Wert ist zwingend (§ 6 Abs. 4 EStG). Eine Ausnahme von der Aktivierungspflicht kann handelsrechtlich allenfalls für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gelten. Allerdings ist streitig, ob § 248 Abs. 2 HGB auch für unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände gilt (s. § 248 Rz. 54).2 Anders verhält es sich aufgrund des abweichenden Wortlauts des § 5 Abs. 2 EStG im Steuerrecht: § 5 Abs. 2 EStG gebietet in Ansehung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Aktivierung nur dann, wenn ein entgeltlicher Erwerb vorliegt; die Norm belegt also die Herstellung und den unentgeltlichen Erwerb mit der gleichen Rechtsfolge des Aktivierungsverbots. Dabei gilt, dass die bei einem unentgeltlichen Erwerb anfallenden Anschaffungsnebenkosten kein Entgelt darstellen und nicht allein deshalb die Anwendung des § 5 Abs. 2 EStG verneint werden kann (Rz. 42). Auch bei Sacheinlagevorgängen kann je nach Ausgestaltung ein Anschaffungsvorgang zu verneinen sein, wenn nämlich die Sacheinlage nicht gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen (zu diesem Fall Rz. 50 „Umwandlung“) erfolgt. Die Parallelität zu den eingangs gewürdigten (anderen) unentgeltlichen Erwerben ist dann offenkundig. Insoweit verwundert es nicht, dass die überwiegende Meinung eine Aktivierung und Bewertung des eingelegten Vermögensgegenstands mit dem Zeitwert befürwortet.3 Das Steuerrecht ordnet in § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG die Bewertung mit dem Teilwert an. 21

Der Erwerbsvorgang, der die Anschaffung kennzeichnet, erschöpft sich idR in einem kurzen Moment, nämlich dem bilanzrechtlich maßgeblichen Zurechnungswechsel: Sobald der Kaufmann das Zurechnungssubjekt des Vermögensgegenstands ist, ist der Vermögensgegenstand erworben und damit auch angeschafft. Der Anschaffungsvorgang ist hierauf jedoch nicht beschränkt. Er beginnt bereits dann, wenn der Kaufmann Handlungen unternimmt, die darauf gerichtet sind, einen bestimmten Vermögensgegenstand zu erwerben4 (s. auch Rz. 46 zur bilanziellen Behandlung von Aufwendungen vor dem Zugang des Vermögensgegenstands). Besonders hervorzuheben ist dabei die bereits erfolgte Festlegung auf einen bestimmten Vermögensgegenstand. Befindet sich der Kaufmann noch im Entscheidungs- und Auswahlprozess, dann hat der Anschaffungsvorgang noch nicht begonnen und entsprechende Aufwendungen sind noch keine Anschaffungskosten.5 Dies betrifft vor allem Beratungsaufwendungen, die Alternativen aufzeigen bzw. diese würdigen (zB Gutachtenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen und der Vorbereitung von Softwarebeschaffungen6). Entsprechendes gilt für die Reisen zu potentiellen Erwerbsgegenständen (s. auch Rz. 41 und Rz. 50 „Due Diligence“ und „Reisekosten“). Ferner zeigt § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB mit der Einbeziehung der Kosten für die Herbeiführung der Betriebsbereitschaft, dass der Anschaffungsvorgang erst dann abgeschlossen ist, wenn der Vermögensgegenstand – nach objektiver Würdigung der Zweckbestimmung des Erwerbers – betriebsbereit ist, dh. entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann.7 Insoweit ergeben sich idR Unterschiede zwischen Umlauf- und Anlagevermögen. Während Umlaufvermögen iSv.§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB betriebsbereit ist, sobald es im Materiallager angekommen ist (s. noch Rz. 36), kann es bei Anlagegütern noch einer Installation und ggf. auch eines Probelaufs bedürfen.8 Dies wird man jedenfalls dann annehmen müssen, wenn ein solcher ausdrücklich vereinbart oder er zumindest branchen- und/oder produktbezogen üblich ist.9 Der sich hiernach ergebende Anschaffungs-„zeitraum“ hat zum einen Bedeutung für die zur Herstellung der so beschriebenen Betriebsbereitschaft notwendigen Aufwendungen. Die Betriebsbereitschaft bildet hier nämlich die Zäsur zwischen erfolgsneutraler und erfolgswirksamer Erfassung (Rz. 35, 54). Zum anderen ist das Ende des Anschaffungsvorgangs bedeutsam für den Beginn der Abschreibungen (s. § 253 Rz. 117).

1 Gleichwohl für ein Aktivierungswahlrecht zB Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 255 HGB Rz. 6; Schubert/Gadeck in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 100 ff. 2 Für ein Wahlrecht zB Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 13; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 107 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 72 (Stand Mai 2011); aA Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 45. 3 Angermayer, DB 1998, 145; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 81 (Stand Mai 2011). 4 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 33. 5 BFH v. 27.3.2007 – VIII R 62/05, BStBl. II 2010, 159 (161); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 28 (Stand Nov. 2016); Ordelheide in FS Felix, 223 (231). 6 IDW RS HFA 11 Rz. 25 ff. 7 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 8; Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (465); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 12 (Stand Nov. 2016). 8 So Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 26 (Stand Mai 2011). 9 Vgl. auch schon Nordmeyer in FS Baetge, 373 (381 f.); strenger wohl Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 30 (Stand Nov. 2016).

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 24 § 255

II. Anschaffungskosten (Abs. 1 Satz 1) 1. Aufwendungen Der Anschaffungskostenbegriff erfasst nur pagatorische Aufwendungen iSv. (periodisierten) Ausgaben (s. 22 Rz. 2). Erforderlich ist also stets eine bilanzielle Belastung – sei es durch den Abgang oder die (wertmäßige) Verringerung eines Aktivpostens oder sei es durch den Zugang eines Passivpostens (insbes. einer Verbindlichkeit). Dieser Grundsatz der bilanziellen Belastung spiegelt sich in Bezug auf Entlastungen vor allem in § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB wider, gilt aber auch für andere Entlastungen von den Anschaffungsaufwendungen (s. Rz. 44). Relevant ist dies vor allem für die Umsatzsteuer. Sie gehört nur insoweit zu den Anschaffungskosten, wie der Kaufmann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist1 (s. zur nachträglichen Berichtigung nach § 15a UStG Rz. 48). Für das Steuerrecht stellt § 9b EStG dies klar. Es handelt sich insoweit aber um einen allgemeinen, auch für das Handelsrecht geltenden Grundsatz. Und auch bei Zuschüssen äußert sich dieser „Belastungsgedanke“: Wenn der Zuschuss als (bei zweckentsprechender Verwendung) nicht rückzahlbarer Investitionszuschuss (sog. verlorener Zuschuss) für den angeschafften Vermögensgegenstand gezahlt wird, sollte der Zuschuss erfolgsneutral die Anschaffungskosten mindern. Technisch kann dies durch eine direkte Minderung der Anschaffungskosten geschehen (direkte Methode) oder durch die Bildung eines eigenständigen Passivpostens (indirekte Methode).2 Steuerrechtlich gewährt die Finanzverwaltung ein Wahlrecht: Der Zuschuss kann erfolgswirksam behandelt werden, er kann aber auch erfolgsneutral von den Anschaffungskosten abgesetzt werden.3 Ist der Zuschussgeber eine Privatperson und nicht die öffentliche Hand, muss allerdings stets kritisch geprüft werden, ob nicht eine Anschaffungspreisminderung vorliegt (s. Rz. 44) oder ob der Zuschuss nicht sogar Entgelt im Rahmen eines eigenständig zu würdigenden Austauschvorgangs darstellt (zB ist der sog. Mieter-/Baukostenzuschuss nichts anderes als eine Mietvorauszahlung des Mieters4). Das Gesetz geht im Ausgangspunkt davon aus, dass die Anschaffungskosten für jeden konkret angeschafften Vermögensgegenstand ermittelt werden können und müssen (Einzelbewertungsgrundsatz, s. § 252 Rz. 89 ff.). Der Gesetzgeber hat allerdings zugleich auch gesehen, dass dies in vielen Fällen nicht möglich oder zumindest nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sein kann. Der Einzelbewertungsgrundsatz wird aus diesem Grund verschiedentlich relativiert, nämlich kraft ausdrücklicher Anordnung durch die Verbrauchsreihenfolgefiktion des § 256 Satz 1 HGB (§ 256 Rz. 20 ff.) sowie die Festbewertung nach §§ 256 Satz 2, 240 Abs. 3 HGB (§ 240 Rz. 25 ff.) und die Gruppenbewertung nach §§ 256 Satz 2, 240 Abs. 4 HGB (§ 240 Rz. 33 ff.). Ferner haben sich als zulässige Konkretisierung der Anschaffungskosten auch noch die retrograde Bewertung (s. Rz. 50 „Waren“) und die Durchschnittsbewertung etabliert (§ 256 Rz. 13 ff.).

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Pagatorische Aufwendungen (Rz. 2, 22) können sich auch durch Buchwertabspaltung oder den Unter- 24 gang eines anderen Vermögensgegenstands ergeben. Ersteres ist beispielsweise bei der Ausgabe von Gratisaktien-/anteilen der Fall (s. Rz. 50 „Gratisaktien/-anteile“). Weitere Beispiele sind die (vormalige) Abspaltung der Milchquoten (immaterieller Vermögensgegenstände) vom Grund und Boden5 und die Abspaltung des geschlagenen Holzes vom Baumbestand.6 Ein anschauliches Beispiel für den Untergang eines Vermögensgegenstands, dessen Buchwert in einem neuen Vermögensgegenstand aufgeht, ist die Kaufoption.7 Sie ist als eigenständiger Vermögensgegenstand mit dem für die Optionseinräumung gezahlten Entgelt (Anschaffungskosten) zu aktivieren. Wird die Option ausgeübt, gehören die Anschaffungskosten des Optionsrechts dann zu den Anschaffungskosten des erworbenen Gegenstands.8 Der Zeitwert des erworbenen Vermögensgegenstands bildet auch hier keine Obergrenze (s. Rz. 33). Alle diese Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass letztlich ein bestehender Wert in einem anderen Vermögensgegenstand aufgeht und dort bei wirtschaftlicher Betrachtung fortbesteht. 1 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 51; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 14; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 19 (Stand Mai 2011). 2 IDW-HFA Stellungnahme 2/1996 idF 2013; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 117; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 76 f. (Stand Mai 2011); gegen die indirekte Methode zB Groh, StuW 1994, 90 (91). 3 R 6.5 Abs. 2 EStR 2012. 4 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 119. 5 BFH v. 25.11.1999 – IV R 64/98, BStBl. II 2003, 61 (62 f.); v. 29.4.2009 – IX R 33/08, BStBl. II 2010, 958; v. 16.12.2009 – IV R 18/07, BFH/NV 2010, 1419 (1421); eingehend Krumm in KSM, § 13 EStG Rz. B 214 ff. (Stand Nov. 2016). 6 BFH v. 18.2.2015 – IV R 35/11, BStBl. II 2015, 763; eingehend Krumm in KSM, § 13 EStG Rz. B 189 ff. (Stand Nov. 2016). 7 Konzeptionell wohl anders Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 74: Tausch. 8 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 121 (dort auch zu weiteren Einzelheiten); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 74; s. ferner BMF v. 27.11.2001 – IV C 3 - S 2256 - 265/01, BStBl. I 2001, 986 Tz. 15.

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§ 255 Rz. 25 | Bewertungsmaßstäbe 25

Bei gewinnrealisierenden Forderungen fehlt es an einem Anschaffungsvorgang. Dies bedeutet aber nicht, dass sie mit Null zu bewerten sind. Vielmehr wird das Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip insoweit vom Realisationsprinzip verdrängt: Die Forderung ist grundsätzlich mit dem Nennwert zu aktivieren.1 Dies übersieht der BFH, wenn er in jüngeren Entscheidungen die Aktivierung des pachtvertraglichen Instandhaltungs-/Instandsetzungsanspruchs des Verpächters gegen den Pächter (vor allem) mit der Begründung ablehnt, dass der Verpächter für seinen Instandhaltungs-/Instandsetzungsanspruch nichts aufgewendet habe.2 Auf einen konkreten Aufwand hat es hier ebenso wenig anzukommen, wie bei anderen Forderungen auch. Entscheidend ist allein, ob die Forderung nach allgemeinen Grundsätzen realisiert ist.3 Bei nicht-gewinnrealisierenden Forderungen erfolgt die Bewertung mit dem, was der Kaufmann zur Begründung der Forderung geleistet hat. Dies ist bei einem Darlehensvertrag zB die Darlehensvaluta.4 2. Leistung wegen des Erwerbs eines Vermögensgegenstands

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§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB verlangt ua. Aufwendungen, die geleistet werden, um den Vermögensgegenstand zu erwerben. Die Aufwendungen müssen also der Beschaffung zugeordnet werden können. Hierzu ist ein bloßer kausaler oder zeitlicher Zusammenhang mit der Anschaffung nicht ausreichend. Vielmehr kommt es auf die Zweckbestimmung der Aufwendungen an (finaler Begriff der Anschaffungskosten). Dieser Zweck muss – aus der Sicht des Bilanzierenden – auf die beabsichtigte Funktion und Eigenschaft („angestrebter Erfolg und betriebsbereiter Zustand“) des angeschafften Wirtschaftsguts als Teil des Betriebsvermögens gerichtet sein.5 Erwerbsaufwand iSv. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB ist vor allem der dem Veräußerer geschuldete Kaufpreis (zur Umsatzsteuer Rz. 22), und zwar grundsätzlich ungeachtet der Frage, ob er angemessen ist oder nicht (dazu noch Rz. 33). Entsprechendes gilt in Bezug auf (objektive) Notwendigkeit bestimmter Aufwendungen.6 Ebenfalls nicht entscheidend ist, ob der Kaufpreis bereits bezahlt worden ist. Liegen die Voraussetzungen für eine Anschaffungskostenminderung nicht vor, dh. zahlt der Kaufmann einen Teil des Kaufpreises schlicht und ergreifend nicht und muss er irgendwann (zB aufgrund von Verjährung) auch nicht mehr fürchten, auf den Restbetrag in Anspruch genommen zu werden, so berührt dies die Anschaffungskosten nicht; die Ausbuchung der Verbindlichkeit erfolgt erfolgswirksam.7 Ist er in fremder Währung vereinbart, muss er umgerechnet werden; es gilt § 256a HGB. Werden Anzahlungen in fremder Währung geleistet, ist das hierfür tatsächlich Aufgewendete maßgeblich, ansonsten bestimmen sich bei Anschaffungsverbindlichkeiten in fremder Währung die Anschaffungskosten nach dem Wechselkurs im Zeitpunkt der erstmals zwingenden Passivierung der Verbindlichkeit (Rz. 31). Ist die Anschaffungsverbindlichkeit kursgesichert, sind die Anschaffungskosten mit dem Sicherungskurs zu bestimmen.8 Werden Verpflichtungen übernommen, die abstrakt als Schuld oder Rückstellung passivierungsfähig sind (dh. ungeachtet eines Passivierungsverbote)9, stellen auch sie einen Teil des Kaufpreises und damit zwangsläufig auch Anschaffungskosten dar.10 Anschaffungskosten sind mithin immer „brutto“ auszuweisen.11 Ohne Bedeutung ist dabei, ob der Erwerber die Schuld unter Entlassung des Veräußerers übernimmt, ob er der Schuld beitritt oder lediglich im Innenverhältnis die Erfüllungsübernahme verspricht. Entscheidend ist immer, ob der Erwerber durch die Verbindlichkeit wirtschaftlich belastet werden soll. Eine solche Verbindlichkeit ist beim Erwerber zu passivieren und mit dem Eingang in die Anschaffungskosten bleibt der Vorgang erfolgsneutral.

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Besteht die Gegenleistung in einem anderen Gegenstand (Tausch), sind die Anschaffungskosten des erworbenen Gegenstands nach zutreffender Ansicht mit dem Zeitwert des weggegebenen Gegenstands zu bemessen. Denn dies wendet der Kaufmann auf, um den Vermögensgegenstand zu erwerben.12 Dies ist nicht unumstritten (alternativ: erfolgsneutrale Buchwertübertragung oder Ansatz des um die Ertragsteuer1 Groh, StuW 1975, 344; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1026 (Stand Aug. 2015); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 252; Tiedchen, StuW 2015, 281 (284). 2 BFH v. 12.2.2015 – IV R 29/12, FR 2015, 555 (556); v. 12.2.2015 – IV R 63/11, BFH/NV 2015, 832 (833). 3 Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1026 (Stand Aug. 2015); Tiedchen, StuW 2015, 281 (283). 4 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 254. 5 So der wörtlich übernommene Absatz bei BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242); ferner bereits BFH v. 17.10.2001 – I R 32/00, BStBl. II 2002, 349 (350); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 12 (Stand Nov. 2016); Meyering, StuW 2009, 42 (43); Ordelheide in FS Felix, 223 (225). 6 Ordelheide in FS Felix, 223 (226). 7 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 19 (Stand Nov. 2016); im Ergebnis auch BFH v. 18.12.2015 – IX B 101/ 15, BFH/NV 2016, 400. 8 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 34; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 54. 9 Zu diesem Erfordernis Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 123 (Stand Nov. 2016). 10 BFH v. 2.10.1984 – VIII R 36/83, BStBl. II 1985, 320 (322); v. 6.9.2006 – IX R 25/06, BStBl. II 2007, 265 (266). 11 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 17 (Stand Mai 2011). 12 Döllerer, BB 1966, 1406; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 62 ff. (Stand Mai 2011).

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 29 § 255

belastung aufgestockten Buchwerts1), ist aber die einzige Sichtweise, die dem Tausch als Veräußerungsgeschäft gerecht wird. Für das Steuerrecht ordnet § 6 Abs. 6 EStG dies explizit an und zwar für jeden Tausch, dh. die auf wert-, art- und funktionsgleiche Wirtschaftsgüter zugeschnittenen Grundsätze des Tauschgutachtens2 gelten nicht mehr. Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Tausch erzwungen wird. Der BFH verneint dies jedenfalls im Fall des Umlegungsverfahrens: Die zugeteilten Grundstücke seien nur ein „Surrogat“ der eingebrachten Grundstücke.3 Im Steuerrecht dürfte diese Sichtweise vorherrschend sein. Im Handelsrecht stößt sie hingegen auf Widerstand.4 In der Tat ist nicht einzusehen, warum der Zwang dem Tausch im Handelsrecht den Charakter eines Realisationsvorgangs nehmen soll. Das steuerrechtliche Ergebnis ist durch die mit dem Gewinnausweis ohne Liquiditätszugewinn verbundene Unbilligkeit geprägt. Es ist aus steuerspezifischen Gründen (eigentumsschonende Besteuerung) nachvollziehbar. Für das Handelsrecht gilt dies hingegen nicht. Bezüglich der Bewertung der (Sach-) Gegenleistung stellt die Steuerrechtsprechung grundsätzlich auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung ab.5 Weichen diese Verhältnisse von denen im Zeitpunkt der Erfüllung ab, dann sollen allerdings letztere maßgeblich sein. Die Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirke materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück.6 Ist eine Kaufpreisverbindlichkeit über ein Jahr gestundet oder liegt ein Ratenzahlungsgeschäft über 28 mindestens ein Jahr vor, ist der Kaufpreis handelsrechtlich mit dem Nominalwert oder dem Barwert zu passivieren (Erfüllungsbetrag iSv. 253 Abs. 1 Satz 2 HGB, s. zur Diskussion § 253 Rz. 23). Sofern man den Nennwertansatz für zulässig erachtet, darf die Differenz zwischen Nominal- und Barwert als RAP aktiviert werden (§ 250 Abs. 3 HGB, s. § 250 Rz. 21 ff.). Die Anschaffungskosten des erworbenen Vermögensgegenstands richten sich hingegen immer nur nach dem Barwert. Nicht abschließend geklärt ist, ob dies auch dann gilt, wenn der gleiche Kaufpreis (Summe der Kaufpreisraten) auch ohne Ratenzahlungsgeschäft gilt. Dies wird zum Teil verneint,7 und zwar zu Recht. Denn der Aufteilung in Kaufpreis und Zins liegt letztlich nur die Vermutung eines nicht offen ausgewiesenen Kreditgeschäfts zugrunde, und diese Vermutung ist mit Blick auf die Gleichbehandlung von Bar- und Ratenkäufer widerlegt. Für die Anwendung der vorgenannten Grundsätze kommt es nicht darauf an, dass überhaupt keine Zinsabrede getroffen worden ist. Auch dann, wenn zwar eine Zinsabrede vorliegt, der Zins aber unüblich niedrig bemessen und dafür der Kaufpreis erhöht wurde, sind die Anschaffungskosten um den Zinsanteil zu vermindern.8 Für die Barwertermittlung ist der Zins zugrunde zu legen, der für einen Investitionskredit mit vergleichbarer Laufzeit zu zahlen wäre.9 Steuerrechtlich gilt für die Bewertung demgegenüber zwingend § 12 BewG. Anders als bei einer Rentenverpflichtung erlaubt die Finanzverwaltung beim Ratenverkauf ohne gesonderte Zinsvereinbarung keine Barwertermittlung nach finanzmathematischen Grundsätzen.10 Ein Gleichlauf zwischen Handels- und Steuerrecht ist daher idR nicht möglich. Eine Aufteilung in Anschaffungskosten und Zins (Rz. 28) hat ferner beim Leasing zu erfolgen, wenn der 29 Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen ist (dazu § 246 Rz. 56 ff.): Die Anschaffungskosten entsprechen dem Barwert der Leasingraten. Gegebenenfalls müssen allerdings Dienstleistungen (zB Wartungsarbeiten), die ebenfalls mit den Leasingraten abgegolten werden, herausgerechnet werden (vgl. bereits Rz. 19).11 Steuerrechtlich erlaubt die Finanzverwaltung hingegen den Ansatz der vom Leasinggeber der Berechnung der Leasingraten zugrunde gelegten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuzüglich der vom Leasingnehmer unmittelbar zur Anschaffung getragenen Aufwendungen.12 Der Zins entspricht bei dieser Vorgehensweise der Differenz zwischen diesem Betrag und der Summe der Leasingraten. Aus Vereinfachungsgründen dürfte dieser Weg (steuerrechtlich) gangbar sein. Zutreffend wäre allerdings auch 1 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 255 Rz. 5; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 40; Einzelheiten bei Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 109 ff. (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 62 ff. (Stand Mai 2011). 2 BFH v. 16.12.1958 – I D 1/57 S, BStBl. III 1959, 30 ff. 3 BFH v. 13.3.1986 – IV R 1/84, BStBl. II 1986, 711 (712); v. 23.9.2009 – IV R 70/06, BStBl. II 2010, 270 (272); weiterführend Krumm in KSM, § 13 EStG Rz. B 178 (Stand Nov. 2016). 4 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 65 (Stand Mai 2011). 5 BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07, BStBl. II 2010, 182 (183). 6 BFH v. 13.10.2015 – IX R 43/14, BStBl. II 2016, 212 (213 f.) für einen Tausch von Kapitalgesellschaftsanteilen im Anwendungsbereich des § 17 EStG. 7 Für den Ansatz des vereinbarten Kaufpreises Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 40 (Stand Mai 2011). 8 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 15 (Stand Mai 2011). 9 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 21 (Stand Mai 2011). 10 R 6.2 Satz 2 EStR 2012. 11 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 47; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 21 (Stand Mai 2011). 12 BMF v. 19.4.1971 – IV B/2-S 2170-31/71, BStBl. I 1971, 264; v. 21.3.1972 – IV B 2-S 2170-11/72, BStBl. I 1972, 188; vgl. auch BFH v. 30.5.1984 – I R 146/81, BStBl. II 1984, 825 (827).

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§ 255 Rz. 30 | Bewertungsmaßstäbe hier der Ansatz des Barwerts nach Maßgabe der §§ 12 ff. BewG. Dem Steuerpflichtigen wird man ein entsprechendes Wahlrecht einräumen müssen.1 30

Bei unbestimmten Leistungen (dh. Höhe und Dauer der Leistungspflicht und damit die Gesamtleistung sind unbekannt) ist der Barwert auf den Zeitpunkt der ersten Zurechnung des Vermögensgegenstands zu ermitteln.2 Dies betrifft vor allem den Erwerb eines Vermögensgegenstands gegen eine Leibrente. Mit diesem Barwert ist die Rentenverbindlichkeit zu passivieren und zugleich sind hiernach die Anschaffungskosten des Vermögensgegenstands zu bemessen. Wertsicherungsklauseln beeinflussen die Anschaffungskosten – anders als den Wertansatz der Verbindlichkeit (s. § 253 Rz. 32) – nachträglich nicht mehr.3 Anders ist dies nur dann, wenn bereits im Erwerbszeitpunkt feststeht, dass und inwieweit die Bedingungen der Wertsicherungsklausel eingetreten sind4 bzw. die Klausel so gestaltet ist, dass die Rentenerhöhung überhaupt nicht von ungewissen Ereignissen abhängt, sondern die Erhöhungszeitpunkte und -beträge im vornherein bereits genau festgelegt sind.5 Der Zeitwert des erworbenen Vermögensgegenstands begrenzt die Bewertung nicht;6 ggf. muss bei der Folgebewertung aber eine Wertberichtigung vorgenommen werden. In Bezug auf die Maßgeblichkeit des Barwerts stimmen Handels- und Steuerrecht überein. Unterschiede können sich bei der Ermittlung des Barwerts ergeben. Handelsrechtlich gilt § 253 Abs. 2 Satz 3 iVm. Satz 1 HGB. Die Abzinsung wird mit einem laufzeitadäquaten Marktzins vorgenommen (§ 253 Rz. 80 ff.). Steuerrechtlich sind demgegenüber die §§ 12 ff. BewG maßgeblich,7 die einen fixen Zinssatz von 5,5 % vorsehen und damit zwangsläufig zu einem von der handelsrechtlichen Bewertung abweichenden Barwert gelangen. Allerdings erlaubt die Finanzverwaltung auch steuerrechtlich die Barwertermittlung nach handelsrechtlicher Maßgabe.8 Diese Grundsätze gelten entsprechend bei Zeitrenten (Laufzeit ist bekannt). Daraus resultiert allerdings ein Abgrenzungsproblem zum Ratenkauf, da die Finanzverwaltung hier die Übernahme der handelsrechtlichen Bewertung nicht erlauben will (Rz. 28).

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Der Anschaffungsvorgang ist mit dem Erwerb des Vermögensgegenstands abgeschlossen. Spätere Veränderungen der Verbindlichkeit sind irrelevant. Dies betrifft zB bei unbestimmten Leistungen die Anpassung der Rente aufgrund von Wertsicherungsklauseln (s. bereits Rz. 30) oder ihren Wegfall aufgrund des (vorzeitigen) Todes des Rentenverpflichteten. Beide Geschäftsvorfälle lassen die Anschaffungskosten unberührt und wirken sich erfolgswirksam aus: Beim Tod des Rentenverpflichteten ist zB die Verbindlichkeit mit voller Gewinnwirksamkeit auszubuchen.9 Lebt der Rentenberechtigte länger als statistisch erwartet, erhöht dies nicht die Anschaffungskosten.10 Dies alles gilt ferner für Verbindlichkeiten in fremder Währung (s. auch bereits Rz. 26). Für ihre Bewertung und damit letztlich auch die Fixierung des Kaufpreises für Zwecke der Anschaffungskosten ist – sofern nicht Vorauszahlungen geleistet worden sind (insoweit ist der hierfür aufgewendete Geldbetrag maßgeblich) – auf den Zugang der Verbindlichkeit abzustellen.11 Eine hiernach erfolgende Kursänderung lässt die dergestalt fixierten Anschaffungskosten unberührt. Für die Bewertung selbst gilt § 256a HGB.

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Das wirtschaftliche Verständnis der Anschaffungskosten zeigt sich deutlich, wenn vom Erwerber Leistungen auch an dritte Personen erbracht werden, dh. solche Personen, die nicht Veräußerer sind. Es ist für die Annahme von Anschaffungskosten nämlich nicht erforderlich, dass der Erwerber eines Vermögensgegenstands seine Leistung unmittelbar an denjenigen erbringt, der ihm den Vermögensgegenstand verschafft. Entscheidend ist allein, ob es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis aus Sicht des Erwerbers (final) um eine Gegenleistung handelt. Dies zeigen die Transferentschädigungen im Profisport sehr anschaulich. Der Umstand, dass die zu aktivierende Spielerlaubnis 1 So auch Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 21 (Stand Mai 2011). 2 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 20 (Stand Mai 2011). 3 BFH v. 27.1.1998 – VIII R 64/96, BStBl. II 1998, 537 (538); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 82 (Stand Nov. 2016); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 65; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 20 (Stand Mai 2011). 4 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 37. 5 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 20 (Stand Mai 2011). 6 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 82 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 20 Fn. 42 (Stand Mai 2011). 7 BFH v. 31.1.1980 – IV R 126/76, BStBl. II 1980, 491 (493). 8 R 6.2 Satz 1 EStR 2012. 9 BFH v. 26.6.1996 – XI R 41/95, BStBl. II 1996, 601. 10 BFH v. 9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47 (51). 11 Sowohl für die Vorauszahlung als auch die Bewertung der Kaufpreisverbindlichkeit allg. Meinung, s. nur Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 32; Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 7; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 26 (Stand Nov. 2016); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 55; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 17; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 22 (Stand Mai 2011); für das Steuerrecht auch BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233 (dort zum BerlinFG).

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 34 § 255

(„exklusives Nutzungsrecht“, s. noch Rz. 42 und 50 „Spielervermittlungsprovision“) zwar vom Verein beantragt, aber dem Spieler vom DFB erteilt wird, steht der Anschaffungskosteneigenschaft der an den abgebenden Verein zu zahlenden Ablösesumme nicht entgegen.1 Besonders relevant ist dieser Grundsatz für die Anschaffungsnebenkosten, da sie typischerweise an einen Dritten zu leisten sind (s. Rz. 41). „Überpreiserwerb“: Zahlt der Kaufmann für einen Vermögensgegenstand einen (deutlich) über dem Ver- 33 kehrswert liegenden Kaufpreis, so ist handelsrechtlich der gesamte Kaufpreis als Anschaffungskosten zu berücksichtigen, der Vorgang damit im Anschaffungszeitpunkt erfolgsneutral zu halten und der Überpreis sodann (erst) über § 253 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 HGB zu korrigieren.2 Dabei spielt es grundsätzlich auch keine Rolle, ob der Veräußerer ein fremder Dritter oder eine nahe stehende Person ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn mit dem Überpreisverkauf auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage (zB §§ 30 f. GmbHG) zugleich ein gegenläufiger Erstattungs- bzw. Ersatzanspruch zur Entstehung gelangt, der wiederum zu aktivieren ist.3 Handelsrechtlich ist dann der Vermögensgegenstand bereits anlässlich der Zugangsbewertung nur mit dem angemessenen Zeitwert zu bewerten und ansonsten ist der Kaufpreis durch die Anspruchsaktivierung neutral zu halten. Sofern nur deshalb ein Überpreis vereinbart wurde, weil in dem Kaufpreis auch (versteckt) Entgelte für andere (anschaffungsvorgangsfremde) Dienstleistungen enthalten sind, dann ist ebenfalls zwingend eine Aufteilung vorzunehmen; dies hat allerdings nicht mit der Überpreisproblematik zu tun, sondern mit der Abgrenzung des Anschaffungsvorgangs von anderen Vorgängen (s. Rz. 19, 28 f., dort insbes. zum Zinsanteil). Steuerrechtlich muss demgegenüber berücksichtigt werden, dass die handelsrechtliche Wertberichtigung nach hM dort seit dem BilMoG nicht mehr zwingend ist. Vielmehr setzt sich das von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gewährte Wahlrecht durch.4 Dadurch dürfen aber andere Wertungen nicht unterlaufen werden. Dies betrifft zum Beispiel die verdeckte Gewinnausschüttung, soweit ein gesellschaftsrechtlich veranlasster Überpreisverkauf des Vermögensgegenstands durch den Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft zu beurteilen ist. Der Grundsatz der Erfolgsneutralität muss hier einer zutreffenden Erfassung der verdeckten Einkommensverwendung weichen. In der Steuerbilanz ist daher in einem solchen Fall immer nur der angemessene Teil des Kaufpreises als Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Der gesellschaftsrechtlich veranlasste Überpreis mindert hingegen bilanziell das Vermögen der Kapitelgesellschaft, was sodann wiederum Ansatzpunkt für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist.5 3. Leistung zur Versetzung des erworbenen Vermögensgegenstands in einen betriebsbereiten Zustand Anschaffungskosten sind auch die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen erworbenen Ver- 34 mögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (zur zeitlichen Relevanz der Betriebsbereitschaft Rz. 17). Maßgeblich ist die vom Kaufmann bestimmte Nutzung des Vermögensgegenstands. Zu den Kosten der Herbeiführung der Betriebsbereitschaft gehören vor allem Montage- und Installationskosten, und dies häufig einschließlich der Kosten eines Probelaufs (s. bereits Rz. 21).6 Zu erfassen sind dann die Personalkosten (zum Problem der Einzelzuordnung beim eigenen Personal Rz. 36 f.) und die beim Probelauf verbrauchten Materialien.7 Sofern eine öffentlich-rechtliche Genehmigung für den Betrieb einer konkreten Anlage erforderlich ist, sind damit einhergehende Aufwendungen (Gebühren, Anwaltskosten) ebenfalls Anschaffungskosten.8 Anders verhält es sich hingegen, wenn die Genehmigung Voraussetzung für die Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit überhaupt ist; in diesem Fall gelingt die notwendige Einzelzurechnung (Rz. 38) zu einem konkreten Vermögensgegenstand nicht mehr.9 1 So BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (240). 2 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 14; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 25 (Stand Nov. 2016); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 20; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 16; Wohlgemuth in HdJ I/9 Rz. 13 (Stand Mai 2011); aA Schulze-Osterloh, StuW 1994, 131 (135). 3 So auch Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 20; ähnlich Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 14; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 16, die allerdings (wohl) weitergehend selbst dann eine Bewertung mit dem Zeitwert vornehmen wollen, wenn für den unangemessenen Kaufpreisanteil keine Erstattungs- bzw. Rückzahlungsverpflichtung besteht. 4 Zum Streitstand Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 200 (Stand Aug. 2015). 5 Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 241c (Stand Aug. 2015); Martini/Valta DStR 2010, 2329 (2330); s. auch bereits (vor dem BilMoG) Wassermeyer, GS Knobbe-Keuk, 541 (544); im Ergebnis auch BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 - 32/02, BStBl. I 2002, 603; aA FG Hamb. v. 4.9.2006 – 2 K 247/04, EFG 2007, 439 (441), rkr.; Kohlhepp, DStR 2011, 702 f. 6 Nordmeyer in FS Baetge, 373 (381 f.); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 26 (Stand Nov. 2016). 7 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 31 (Stand Nov. 2016). 8 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 26 (Stand Mai 2011). 9 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 26 Fn. 65 (Stand Mai 2011).

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§ 255 Rz. 35 | Bewertungsmaßstäbe 35

Insbes. die zur Erlangung der Betriebsbereitschaft anfallenden Aufwendungen weisen zwangsläufig ein Abgrenzungsproblem zu einem nach § 255 Abs. 2 HGB zu würdigenden Herstellungsvorgang auf. Maßgeblich ist, ob die Art und/oder Qualität des Gegenstands verändert wird (Rz. 18). Den Ausgangspunkt bildet dabei die vom Kaufmann zu treffende Zweckbestimmung in Ansehung des Vermögensgegenstands.1 Wird zB ein defekter PKW erworben und durch eine fremde Reparaturwerkstatt in einen betriebsbereiten Zustand versetzt, so liegt ein Anschaffungsvorgang vor und es liegen Aufwendungen zur Herbeiführung der Betriebsbereitschaft vor.2 Denn wertungsmäßig liegt kein anderer PKW vor als zum Zeitpunkt des Erwerbs. Dies gilt entsprechend, wenn der PKW zuvor schon für die allgemeine Verwendung als Beförderungsmittel in der Lage war, der Kaufmann ihn aber noch auf die Bedürfnisse seines Unternehmens („bestimmungsgemäß“) von einem Dritten umrüsten lässt. Auch insoweit liegt insgesamt ein Anschaffungsvorgang vor; die Umrüstungsaufwendungen stellen Anschaffungskosten dar.3 Fraglich ist, ob es auch dann noch – gemessen an der Vorstellung des Kaufmanns – um die Herbeiführung der Betriebsbereitschaft geht, wenn der PKW direkt einsetzbar ist, er aber noch in den Farben des Unternehmens lackiert und mit einer Werbeaufschrift versehen wird.4 ME liegt hier sofort abziehbarer Aufwand vor. Betrachten wir demgegenüber den Erwerb eines Pferds, das später als Renn- oder Zuchtpferd eingesetzt werden soll. Der Einsatz als Renn- und später als Zuchtpferd stellt daher den im Vordergrund stehenden Verwendungszweck dar. Qualitativ stellt ein Rennpferd etwas Anderes dar als ein nicht ausgebildetes (Freizeit-) Pferd. Es liegt daher ein Herstellungsvorgang vor, und dies mit weitreichenden Folgen für die weiteren Aufwendungen: Gemessen am Verwendungszweck muss das Pferd eine Rennausbildung erhalten. Der Zeitpunkt der „Fertigstellung“ kann daher ganz allgemein (also unabhängig von Geschlecht und späterer Verwendung) nicht vor dem Abschluss des Trainings vor dem ersten Renneinsatz liegen. Alle bis dahin getätigten Aufwendungen (vom Futter bis zur Rennausbildung) sind daher erfolgsneutral als Herstellungskosten zu erfassen. Für Gebäude gilt dies sinngemäß: So wird etwas (funktional) „Neues“ geschaffen, wenn ein vormals zum Wohnen bestimmtes Gebäude fortan ein Geschäftshaus sein soll und umgekehrt.5 Problematisch ist insbes. bei Gebäuden die Abgrenzung zwischen bloßem Erhaltungsaufwand, welcher der Annahme eines Anschaffungsvorgangs nicht entgegensteht, und einem Herstellungsvorgang (dazu Rz. 54). Steuerrechtlich gilt dies alles ebenfalls. Mit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG tritt allerdings noch eine weitere, dem Handelsrecht fremde Regelung hinzu, die unabhängig von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB (Herstellung, Erweiterung oder über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung) einen Herstellungsvorgang fingiert, wenn innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen von mehr als 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes getätigt werden (sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten, s. Rz. 73 ff.).

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Auch beim Umlaufvermögen können Aufwendungen zur Erlangung der Betriebsbereitschaft anfallen. Dieser Zustand ist idR erreicht, wenn zB Hilfs- und Betriebsstoffe im Materiallager angekommen sind. Bei Handelsware kommt es hingegen auf die konkrete Verkaufsgestaltung an. Bei einem Großhandelsunternehmen dürfte die Handelsware betriebsbereit sein, wenn sie im Lager angekommen ist. Bei einem Einzelhandelsunternehmen, das die Handelsware im Regal für den Kunden zugriffsfertig präsentiert, wird demgegenüber die Ansicht vertreten, dass auch die Aufwendungen für die Einräumung der Ware in die Regale zu den Anschaffungskosten gehören.6 Da dies idR durch eigene Mitarbeiter geschieht, stellt sich allerdings (auch) hier die Frage nach der Einzelzuordnungsfähigkeit dieser Aufwendungen (s. Rz. 38). 4. Einzelzuordnungsfähigkeit der Aufwendungen

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Einzel- und Gemeinkosten: Anlässlich der Zuordnung der Aufwendungen zu angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenständen knüpft das Gesetz an die Unterscheidung zwischen sog. Einzelkosten einerseits und sog. Gemeinkosten andererseits an. Sie unterscheiden sich durch ihre „Nähe“ zu dem angeschafften oder hergestellten Gegenstand. So lassen sich Einzelkosten einem Vermögensgegenstand unmittelbar zurechnen, dh. aufgrund eines eindeutigen und nachweisbaren quantitativen Zusammenhangs in Gestalt von Menge und Zeit.7 Maßgeblich ist grundsätzlich die mögliche Zurechenbarkeit und nicht, ob BFH v. 12.9.2001 – IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574 (575 f.); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 24. Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 49 (Stand Mai 2011). Vgl. BFH v. 14.11.1985 – IV R 170/83, BStBl. II 1986, 60 (61). Beispiel nach Ordelheide in FS Felix, 223 (226). BFH v. 31.3.1992 – IX R 175/87, BStBl. II 1992, 808 f.; v. 23.11.2004 – IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543 (544) mit Beispielen. 6 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 12 (Stand Nov. 2016). 7 BFH v. 31.7.1967 – I 219/63, BStBl. II 1968, 22 (23); v. 11.2.1988 – IV R 191/85, BStBl. II 1988, 661 (663); v. 21.10. 1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176 (177); Karrenbrock in FS Börner, 3 (14 f.); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 347.

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 38 § 255

das konkrete Rechnungswesen die Kosten einzeln erfasst hat.1 Der Einzelkostenbegriff ist nach zutreffender Ansicht nicht eng zu verstehen. Einzelkosten liegen daher zB auch dann noch vor, wenn sie aus einem mehrere Vermögensgegenstände betreffenden Anschaffungsgeschäft herausgerechnet werden müssen, solange die notwendige (finale) Beziehung zum konkreten Vermögensgegenstand besteht.2 Dies betrifft zB einen einheitlichen Kaufpreis (Rz. 39) oder einheitliche Anschaffungsnebenkosten für mehrere Vermögensgegenstände (Rz. 43). Entsprechendes gilt für den Arbeitslohn der zur Abholung und Montage eines Vermögensgegenstands eingesetzten eigenen Arbeitnehmer. Die notwendige Umrechnung von Stundenlöhnen auf die dafür eingesetzte Zeit stellt den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang (und bei den Herstellungskosten gilt in Bezug auf den Herstellungsvorgang nichts Anderes) nicht in Frage.3 Insbes. im Zusammenhang mit Löhnen gilt zudem zu beachten, dass die Annahme von Einzelkosten ferner nicht schadet, wenn sie auch im Fall der Nichtproduktion anfallen, sie also nicht vermieden werden können. Dies wird zum Teil anders gesehen.4 Diese enge Sichtweise mag theoretisch etwas für sich haben, wird aber den realen und vor allem arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen des Produktionsfaktors Arbeit nicht gerecht. Es erscheint willkürlich, den Arbeitslohn allein danach den Einzel- oder Gemeinkosten zuzurechnen, welche konkrete Lohngestaltung vorliegt (s. dazu insbes. auch noch bei den Herstellungskosten Rz. 60). Gemeinkosten gehen demgegenüber nicht (im vorbeschriebenen Sinne) unmittelbar in den hergestellten Vermögensgegenstand ein. Sie können vielmehr nur über eine Schlüsselung oder Umlage zu diesem Vermögensgegenstand in Beziehung gebracht werden.5 Sie treten entweder als fixe Gemeinkosten auf, dh. sie fallen unabhängig von der produzierten Menge an, oder als variable Gemeinkosten, dh. sie sind von der Leistungsmenge abhängig. Für die notwendige Schlüsselung bzw. Umlage solcher Aufwendungen gibt es verschiedene Verfahren, denen allesamt ihre Pauschalität eigen ist. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB erfasst nur Aufwendungen, die dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet 38 werden können. Nur Einzelkosten können daher Anschaffungskosten sein; Gemeinkosten dürfen nicht einbezogen werden, dh. sie stellen bei Anschaffungsvorgängen sofort abziehbaren Aufwand dar6 (anders bei den Herstellungskosten, s. Rz. 65 ff.). Gerade deshalb kommt es hier entscheidend darauf an, wie eng oder weit man den Begriff der Einzelkosten versteht. Lässt der Kaufmann die von ihm erworbenen Maschinen von seinen Angestellten abholen, so sind die diesem Transport zurechenbare Löhne des Fahrers und seiner Begleiter daher selbst dann Anschaffungseinzelkosten, wenn nicht jede Maschine einzeln transportiert wird, sondern alle Maschinen gleichzeitig abgeholt werden und die Lohnkosten daher auf die Maschinen verteilt werden müssen.7 Bei Fremdleistungen würde dies wohl niemand bezweifeln. Es macht aber keinen Unterschied, ob es sich um innerbetriebliche (ohnehin anfallende, s. dazu Rz. 41 aE) oder um gesondert zu vergütende Fremdleistungen handelt (s. schon Rz. 37).8 Eine andere Frage ist allerdings, ob man hier wirklich die theoretisch richtigen Aufwendungen erfassen muss, oder ob nicht vielmehr aus Praktikabilitäts- und (angesichts des Eingriffscharakters des Bilanzrechts) vor allem auch Verhältnismäßigkeitsgründen eine Vereinfachung zulässig ist. Die Praxis geht teilweise den letztgenannten Weg. Für solche Fälle hat sich dort der Begriff der sog. unechten Gemeinkosten eingebürgert. Hierbei handelt es sich um Kosten, die zwar theoretisch iSd. Einzelkostenbegriffs zurechenbar wären, die aber aus Wirtschaftlichkeitsgründen (zB weil die Einzelerfassung zu einem unangemessen hohen Aufwand führt) als Gemeinkosten behandelt werden (können).9 Hieraus kann jedoch nicht folgen, dass sie vollständig außer Acht gelassen werden. Vielmehr müssen sie zumindest pauschal auf den oder die erworbenen Vermögensgegenstände umgelegt werden.10 1 Karrenbrock in FS Börner, 3 (15); Mellwig in FS Budde, 397 (407); Stobbe/Rade in HHR, § 6 EStG Rz. 238 (Stand Sept. 2015). 2 Siehe bereits Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 10 ff. 3 So für die Herstellungskosten zB BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176 (177); Karrenbrock in FS Börner, 3 (17); Mellwig in FS Budde, 397 (410); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 347; für die Anschaffungskosten wohl aA Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 38 (Stand Nov. 2016). 4 ZB Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 13; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 151 (Stand Nov. 2016). 5 BFH v. 11.2.1988 – IV R 191/85, BStBl. II 1988, 661 (662 f.); v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176 (177). 6 Allg. Meinung, BFH v. 13.4.1988 – I R 104/86, BStBl. II 1988, 892 (894); v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238; aus der Literatur statt vieler nur Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 4; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 9; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 11 (Stand Mai 2011). 7 Zu Recht Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 13; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 31 ff. (Stand Mai 2011). 8 AA wohl Knop/Küting/Knop in HdR, HGB, § 255 Rz. 38 (Stand Nov. 2016); Velde, DB 1964, 527 f. 9 Mellwig in FS Budde, 397 (407); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 82; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 32 (Stand Mai 2011). 10 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 21; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 Rz. 84; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 28 ff., 31 ff. (Stand Mai 2011).

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§ 255 Rz. 39 | Bewertungsmaßstäbe 39

Hat der Kaufmann für mehrere Vermögensgegenstände einen Gesamtkaufpreis geleistet, ist wegen der notwendigen Einzelbewertung eine Aufteilung notwendig. Den Aufteilungsmaßstab bilden die Zeitwerte der einzelnen Vermögensgegenstände.1 Sie bilden zugleich auch die Obergrenze. Denn wird ein Unternehmen oder selbständig lebensfähiger Unternehmensteil erworben und übersteigt der Kaufpreis die Summe der Zeitwerte, ist vom Erwerb eines Geschäfts- oder Firmenwerts auszugehen (vgl. § 246 Rz. 190). Hier bilden die Anschaffungskosten unmittelbar anlässlich der Zugangsbewertung die Obergrenze. Wird kein Unternehmen erworben, so muss der volle Kaufpreis zwar erst einmal auf die erworbenen Vermögensgegenstände verteilt werden; die etwaige Unangemessenheit des Preises ist für die Zugangsbewertung irrelevant (Rz. 33). Anlässlich der nächsten Folgebewertung gebietet jedoch § 253 Abs. 3 HGB eine Wertberichtigung, so dass letztlich auch hier die Zeitwerte als Obergrenze auftreten. Handelsrechtlich ergibt sich damit nur ein Unterschied in Bezug auf die Zulässigkeit von Wertaufholungen (vgl. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB). Steuerrechtlich ist demgegenüber zu beachten, dass eine Wertberichtigung nur als TeilwertAbschreibung in Betracht kommt und insoweit ein Wahlrecht besteht; die zwingende handelsrechtliche Regelung schlägt nicht mehr auf das Steuerrecht durch (s. Rz. 33). Die Verkehrswerte (Teilwerte), die für die Aufteilung notwendigerweise bestimmt werden müssen, werden im Steuerrecht bei Mietwohngrundstücken grundsätzlich nach dem Sachwert- oder Ertragswertverfahren ermittelt.2 Handelsrechtlich wird man ebenso verfahren können. Bei gewerblich (selbst-) genutzten Grundstücken dürfte hingegen nur das Sachwertverfahren in Betracht kommen. Haben die Vertragsparteien im Kaufvertrag den Kaufpreis selbst auf die einzelnen Vermögensgegenstände verteilt, so ist diese Aufteilung grundsätzlich auch handelsbilanziell maßgeblich. Dies gilt nur dann nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aufteilung nicht von einer Bewertungsübereinstimmung der Parteien getragen wird, sondern bewertungsfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (zB steuerliche Vorteile). Entsprechend verfährt auch die steuerrechtliche Rspr. Hier wird grundsätzlich die Abrede der Parteien zugrunde gelegt, und nur wenn diese nicht anzuerkennen ist, erfolgt die Aufteilung des Gesamtkaufpreises nach dem Verhältnis der Teilwerte.3 Dabei kann der Abrede nicht schon deshalb die Anerkennung versagt werden, weil der dem Grund und Boden zugewiesene Kaufpreisanteil von den Bodenrichtwerten abweicht. Diese Abweichung stellt lediglich ein Indiz dar, das wiederum durch andere Indizien (besondere Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, dessen ursprüngliche Baukosten und Renovierungen oder der Wohnwert des Gebäudes im Kontext der Nachbarschaft, dh. mit Blick auf soziale Einrichtungen oder die besondere Ruhe wegen einer benachbarten Parkanlage) entkräftet werden kann.4

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Wurden mehrere Vermögensgegenstände zu einem Gesamtkaufpreis erworben, der hinter der Summe der Zeitwerte zurückbleibt, dann gilt im Ausgangspunkt ebenfalls, dass das Verhältnis der Zeitwerte für die Zuweisung der Einzelanschaffungskosten maßgeblich ist (wie Rz. 39). Dies kann allerdings dort nicht gelten, wo ein Vermögensgegenstand einen Nominalwert hat, dessen Werthaltigkeit nicht in Frage steht. Dies betrifft vor allem Bar- und Buchgeld. Hier bildet der Nominalwert auch die Anschaffungskosten ab, so dass der Gesamtkaufpreis abzüglich der dergestalt bereits einzeln (vorweg) zugewiesenen Anschaffungskosten auf die übrigen Vermögensgegenstände zu verteilen ist.5

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Der Anschaffungskostenbegriff enthält alle mit dem Anschaffungsvorgang verbundenen Kosten und somit neben der Entrichtung des Kaufpreises alle sonstigen Aufwendungen des Erwerbers, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbes. zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen (sofern sie vor dem Erwerb anfallen, s. Rz. 46). Die Abgrenzung zwischen Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten ist schwierig,6 aber letztlich auch nicht notwendig, da beide gleichbehandelt werden (anders bei § 248 Abs. 2 HGB bzw. § 5 Abs. 2 EStG, s. Rz. 42). Zuvörderst betrifft dies vor allem die Zäsur des Beginns des Anschaffungsvorgangs: Anschaffungsnebenkosten können nur entstehen, wenn sich die Erwerbsentscheidung bereits auf einen bestimmten Vermögensgegenstand konkretisiert hat. Alle vor diesem Zeitpunkt getätigten Aufwendungen sind keine Anschaffungsnebenkos-

III. Anschaffungsnebenkosten (Abs. 1 Satz 2 1. Fall)

1 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 24 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, Abt. I/9 Rz. 18, 91 (Stand Mai 2011). 2 BFH v. 29.5.2008 – IX R 36/06, BFH/NV 2008, 1668 (1669); FG Düss. v. 19.1.2016 – 13 K 1496/13, EFG 2016, 711, (711 f.). 3 BFH v. 19.5.2005 – IV R 17/02, BStBl. II 2005, 637 (640); v. 11.10.2007 – IV R 52/04, BStBl. II. 2009, 705 (708); v. 16.9.2015 – IX R 12/14, DStR 2016, 33 (35). 4 BFH v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397. 5 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 24 (Stand Nov. 2016). 6 Zum Teil werden zB die Kosten der Herstellung der Betriebsbereitschaft mit den Anschaffungsnebenkosten gleichgesetzt, s. Wohlgemuth in HdJ, I/9, Rz. 25 (Stand Mai 2011).

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 42 § 255

ten, und dies auch nicht „nachträglich“ in Bezug auf den letztlich ausgewählten Anschaffungsgegenstand (s. Rz. 21, 50 „Due Diligence“ und „Reisekosten“).1 Ferner gilt auch hier, dass Anschaffungskosten nicht zwingend Bestandteil der an den Veräußerer zu zahlenden Vergütung sein müssen. Gerade bei Anschaffungsnebenkosten handelt es sich typischerweise um Zahlungen, die an Dritte erbracht werden.2 Man denke nur an Vermittlungs- und Maklergebühren,3 an Notariats- und Grundbuchkosten,4 an die Grunderwerbsteuer (dazu noch Rz. 50 „Grunderwerbsteuer“) und Zölle. Auch Transportkosten stellen grundsätzlich Anschaffungsnebenkosten dar, und zwar ungeachtet der Frage, ob hierfür eigene betriebliche Mittel eingesetzt wurden5 (s. vor allem Rz. 37 f.: Personalkosten sind Einzelkosten und das ungeachtet der Vergütungstechnik) oder ob Fremddienstleister bemüht werden. Fallen beim Transport verschiedener Güter mit einer Lieferung einheitlich Transportkosten an, müssen diese auf die verschiedenen Vermögensgegenstände aufgeteilt werden (Rz. 43). Weitere Beispiele für interne Anschaffungs(-neben-)kosten sind z. B. die Implementierungskosten beim Erwerb von Software6 oder – sobald die Anschaffungsentscheidung gefallen ist (s.o., ferner Rz. 50 „Due Diligence“ und „Reisekosten“) – die internen Personalaufwendungen beim Beteiligungserwerb7. Fehlt es an Anschaffungskosten iSv. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB und liegen nur Anschaffungsnebenkosten 42 vor (zB die unentgeltliche Zuwendung eines Grundstücks löst vom Beschenkten zu tragende Grunderwerbsteuer und Notarkosten aus), ist der Vermögensgegenstand mit dem Zeitwert zu bewerten. Die Anschaffungsnebenkosten sind dem Zeitwert dann hinzuzurechnen. Der Vermögensgegenstand wird in der Bilanz also so ausgewiesen, wie dies auch bei einem entgeltlichen Erwerb der Fall gewesen wäre (Rz. 20). Dies gilt ferner auch beim Erwerb eines auf künftigen Austausch gerichteten (Nutzungs-) Rechts, allerdings sind hier nur (allein) die Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren. So ist zB der Vermögensgegenstand „Erbbaurecht“ mit den Maklerprovisionen zu aktivieren und zu bewerten; die (künftigen) Erbbauzinsen sind hingegen nicht zu aktivieren8 (Rz. 50 „Erbbaurecht“, insoweit „schwebendes Geschäft“). Auf das Mietrecht, das ebenfalls Vermögensgegenstand ist, finden diese Grundsätze genauso Anwendung9; entsprechendes muss mE auch für die im Profi-Fußball gezahlten Handgelder gelten: Wenn ein Spieler dafür vergütet wird, dass er überhaupt einen Arbeitsvertrag bei einem bestimmten Verein unterschreibt, dann handelt es sich um Anschaffungskosten für den Arbeitsvertrag.10 In diesem Fall kommt es auch nicht auf das nachfolgend (aE) noch erörterte Problem der Spielererlaubnis („exklusives Nutzungsrecht am Spieler“) an, da es hier um den davon zu trennenden Arbeitsvertrag geht.11 Wird ein Gegenstand unter Fortführung von Buchwerten übertragen, so soll (jedenfalls steuerrechtlich) ebenfalls eine isolierte Aktivierung (und dann Abschreibung) der Anschaffungsnebenkosten zwingend sein.12 Der Grundsatz, dass Anschaffungsnebenkosten auch allein aktivierungsfähig und auch -pflichtig sind, gilt allerdings nicht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. So hat die Steuerrechtsprechung zutreffend entschieden, dass Anschaffungsnebenkosten kein Entgelt iSv. § 5 Abs. 2 EStG darstellen. Denn das Entgelt iS dieser Vorschrift muss sich auf den Erwerbsvorgang als solchen beziehen; Aufwendungen, die dem Erwerber des immateriellen Vermögensgegenstands nur gelegentlich des Erwerbs entstehen, führen allein nicht zu einem entgeltlichen Erwerb in diesem Sinne. Dies hat der BFH insbes. für den Fall entschieden, dass ein Spieler ablösefrei wechselt, aber eine Provision an den Spielervermittler zu leisten ist. Es fehlt in diesem Fall an einem entgeltlichen Erwerb des exklusiven Nutzungsrechts am Spieler (s. noch Rz. 50 „Spielervermittlungsprovision“).13 Für das Wahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB muss man dies entsprechend annehmen. Handelsrechtlich würde also beim Erwerb eines selbst geschaffenen immate1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BFH v. 27.3.2007 – VIII R 62/05, BStBl. II 2010, 159 (161); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 71. BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242). BFH v. 24.8.1995 – IV R 27/94, BStBl. II 1995, 895 (896). Vgl. BFH v. 22.8.1966 – GrS 2/66, BStBl. III 1966, 672 (674). BFH v. 14.11.1985 – IV R 170/83, BStBl. II 1986, 60; BMF v. 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, BStBl. I 2005, 1025; Werndl in KSM, § 6 EStG Rz. B 83 (Stand April 2006). BMF v. 18.11.2005 – IV B 2 - S 2172 - 37/05, BStBl. I 2005, 1025. Dazu Ettinger, Ubg. 2017, 41 mwN. BFH v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70 (72 f.). AA Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 72. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Kaufmann für den Eintritt in den Mietvertrag ein Entgelt leistet (vgl. BFH v. 21.7.1992 – IX R 72/90, BStBl. II 1993, 486 [488] zu den Aufwendungen zur Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs). AA OFD NW v. 20.4.2015 – S 2170 - 2015/0004 - St 141, DB 2015, 1013: Rechnungsabgrenzung. AA wohl Schiffers/Feldgen, StuB 2015, 500 (502). So BFH v. 9.7.2013 – IX R 43/11, BStBl. II 2014, 878 (879) für die Erbauseinandersetzungskosten; bezüglich des übernommenen Gegenstands waren die fortgeführten Anschaffungskosten des Erblassers zu übernehmen (§ 11d EStDV). BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242) für die Spielervermittlerprovision bei einem ablösefreien Erwerb der Spielererlaubnis.

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§ 255 Rz. 43 | Bewertungsmaßstäbe riellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens keine Aktivierungspflicht bestehen, sondern das Wahlrecht eingreifen, wenn nur (!) Anschaffungsnebenkosten geleistet worden sind. 43

Anschaffungsnebenkosten sind nur zu berücksichtigen, wenn es sich um Einzelkosten (s. Rz. 37) handelt. Allerdings gilt auch hier, dass eine gewisse Vereinfachung erlaubt ist. So dürfen beispielsweise die üblicherweise beim Bezug verschiedener Vermögensgegenstände anfallenden Nebenkosten pauschaliert auf die angeschafften Vermögensgegenstände umgelegt werden1 (s. für die Anschaffungskosten bereits Rz. 38). Sind die Anschaffungsnebenkosten im Verhältnis zum Kaufpreis unbedeutend oder ist ihr Ermittlungsaufwand unangemessen hoch, so sollen sie sogar unberücksichtigt bleiben dürfen.2 ME kann der letztgenannte Fall allerdings nur eintreten, wenn auch die vorgenannte Pauschalierung und Umlegung nicht möglich sind. Im Ergebnis werden Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten gleichbehandelt. Die Abgrenzung ist ohnehin nur schwer zu ziehen.

IV. Anschaffungskostenminderungen (Abs. 1 Satz 3) 44

Der Grundsatz der Erfolgsneutralität eines Anschaffungsvorgangs zwingt dazu, dass sich eine Minderung der Anschaffungskosten nicht erfolgswirksam auswirken darf. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB stellt dies für eine Herabsetzung des vereinbarten Anschaffungspreises (lediglich) klar.3 Für andere Minderungen der ansonsten zu aktivierenden Aufwendungen iSv. § 255 Abs. 1 HGB gilt dies entsprechend, zB die Rückzahlung von Anschaffungsnebenkosten oder die Erstattung von Anschaffungsaufwendungen durch Dritte, sofern in der Erstattung bzw. Vergütung nicht das Entgelt für eine Leistung des Empfängers liegt.4 Voraussetzung hierfür ist allerdings stets, dass sich gerade aus dem Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die als Anschaffungskosten zu beurteilenden Aufwendungen zu erbringen sind, ergibt, dass die Anschaffungskosten teilweise rückgängig gemacht werden sollen. Insoweit ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt. So muss zB ein Preisnachlass nicht zwingend von dem eigenen Vertragspartner gewährt werden. Reicht zB der Makler/Vertreter einen Teil seiner Provision an den Käufer weiter, so handelt es sich aus Käufersicht bei wirtschaftlicher Betrachtung um eine Entlastung von den Anschaffungskosten iSv. Satz 3, die in dem Anschaffungsrechtsverhältnis begründet ist.5 Anders verhält es sich hingegen, wenn ein Dritter dem Kaufmann deshalb Schadensersatz leisten muss, weil vermeidbare Anschaffungsnebenkosten entstanden sind. Dies gilt zB, wenn ein Steuerberater wegen eines Beratungsfehlers zum Ersatz der als Anschaffungsnebenkosten zu beurteilenden Grunderwerbsteuer (Rz. 50 „Grunderwerbsteuer“) verpflichtet ist, weil die Entstehung der Steuer hätte vermieden werden können. Der Schadensersatz rührt in einem solchen Fall aus einem anderen Rechtsverhältnis als die Anschaffung.6 Kein Fall der Anschaffungskostenminderung liegt vor, wenn der Kaufmann einfach nur einen Teil des Kaufpreises nicht zahlt (dh. es fehlt an einer Herabsetzungsvereinbarung bzw. die Voraussetzungen für eine gesetzliche Minderung liegen nicht vor, s. bereits Rz. 22).

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Typische Anschaffungskostenminderungen sind vor allem Skonti und Rabatte. Sie werden für einzelne Anschaffungsvorgänge gewährt und können damit ohne Weiteres dem erworbenen Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden (s. zu Preisnachlässen von dritter Seite Rz. 44). Irrelevant ist, ob sie bereits im Zeitpunkt der Anschaffung bekannt sind oder erst später gewährt werden. Im letztgenannten Fall mindern sich die Anschaffungskosten dann nachträglich (Rz. 47 f.). Die Minderung muss auch tatsächlich erfolgt sein. Ein am Bilanzstichtag noch nicht genutzter Skontoabzug ist daher nicht zu berücksichtigen.7 Der Sache nach stellen auch mengen- oder umsatzabhängig gewährte Boni Anschaffungskostenminderungen dar. Allerdings ist hier die Einzelzuordnung, wie sie Abs. 1 Satz 3 verlangt, nicht unproblematisch. ME dürfte es dem Einzelzuordnungsgrundsatz aber gerecht werden, wenn die Boni am Ende des Jahres auf die 1 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 34 (Stand Nov. 2016); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 27. 2 Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (466); Ordelheide in FS Felix, 223 (225); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 24 (Stand Mai 2011). 3 BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96. 4 Vgl. BFH v. 14.7.1988 – IV R 78/85, BStBl. II 1989, 189 (191). 5 BFH v. 22.4.1988 – III R 54/83, BStBl. II 1988, 901 (902). 6 BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96 (97). 7 Groh, BB 1991, 2335 f.; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 61 (Stand Nov. 2016); so für das Steuerrecht auch BFH v. 27.2.1991 – I R 176/84, BStBl. II 1991, 456 (458); aA Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 23: Empirisch beobachtbare Verhaltensweise des Kaufmanns sei entscheidend; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 63: wenn bei Passivierung der Verbindlichkeit feststehe, dass der Skontoabzug erfolgen wird, dann sei es nicht zu beanstanden, wenn die Verbindlichkeit nur mit dem Nennbetrag abzüglich Skonto eingebucht und dementsprechend die Anschaffungskosten bemessen werden; eingehend zur Diskussion Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 57 ff. (Stand Mai 2011) mwN.

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Rz. 47 § 255

noch im Bestand vorhandenen Vermögensgegenstände verteilt werden; damit kommt es auch nicht zu einem systemfremden Ertrag aus einem Beschaffungsvorgang.1 Schließlich ergibt sich eine zu berücksichtigende Anschaffungskostenminderung, wenn der Kaufmann eine Mängelrüge erhebt und den Kaufpreis mindert oder er mittels des „kleinen Schadensersatzes“ einen Teil des Kaufpreises zurückerhält.2

V. Zeitpunkt der Aufwendungen 1. Dem Zurechnungswechsel vorausgehende Aufwendungen Sobald dem Kaufmann der erworbene Vermögensgegenstand persönlich zuzurechnen ist (dazu § 246 46 Rz. 32 ff.), existiert ein Bezugspunkt für die Anschaffungskosten. Der Vermögensgegenstand wird aktiviert und die Aufwendungen iSv. § 255 Abs. 1 HGB werden ihm erfolgsneutral zugeordnet. Die Frage ist, wie es sich verhält, wenn Aufwendungen bereits zu einem Zeitpunkt bilanziell abzubilden sind – sei es, weil bereits ein entsprechender Abgang an Zahlungsmitteln stattgefunden hat, oder sei es, weil die Voraussetzungen für die Passivierung einer Schuld vorliegen –, zu dem der Vermögensgegenstand, der noch angeschafft wird bzw. werden soll, dem Kaufmann noch nicht zuzurechnen ist. Ohne diesen Aktivposten fehlt es auf den ersten Blick an einem Konto, das den Aufwand erfolgsneutral aufnehmen kann. Dies kann letztlich aber nicht entscheidend sein. Vielmehr ist dem Grundsatz der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs vollumfänglich Rechnung zu tragen; er entfaltet bereits Vorwirkungen: Nach zutreffender Ansicht sind die Aufwendungen bereits dann erfolgsneutral zu aktivieren, wenn mit der Anschaffung durch vorbereitende Maßnahmen begonnen worden ist.3 Die Aufwendungen werden bis zur erstmaligen Zurechnung des Vermögensgegenstands mittels eines aktiven Hilfspostens erfasst. Wird beispielsweise der Kaufvertrag über ein Grundstück im Dezember 2015 notariell beurkundet, geht aber das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück erst im Jahr 2016 auf den Erwerber über, dann ist die bereits im Jahr 2015 mit Abschluss des Kaufvertrags entstandene Grunderwerbsteuer erfolgsneutral zu behandeln. Dies geschieht durch eine Gegenbuchung auf einem aktivischen Bilanzposten, der diesen Aufwand solange aufnimmt, bis das Grundstück (hier erst im Jahr 2016) aktiviert werden muss. Hierdurch wird verhindert, dass sich die Grunderwerbsteuer in 2015 als Aufwand und in 2016 anlässlich der Aktivierung des Grundstücks gegenläufig als Ertrag auswirkt.4 Scheitert die Anschaffung, ist der Hilfsposten erfolgswirksam aufzulösen. Mit Blick auf die Aussagekraft des Jahresabschlusses muss dieser Hilfsposten als solcher auch erkennbar sein; ein Ausweis als (sonstiger) Vermögensgegenstand ist daher unzulässig.5 Für Herstellungsvorgänge gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend. So liegt dieser Neutralitätsgedanke zB der Aktivierung im Bau befindlicher Anlagen zugrunde, falls der hergestellte Vermögensgegenstand während der Herstellungsphase dem Hersteller noch nicht zuzurechnen sein sollte (Rz. 56). 2. Nachträgliche Veränderung der Anschaffungskosten (insbesondere nachträgliche Anschaffungskosten) Die im Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang stehenden Aufwendungen können Veränderungen 47 unterliegen. So können sich bekannte und bereits berücksichtigte Komponenten betragsmäßig verändern oder womöglich sogar gänzlich entfallen (dazu Rz. 48). Sie können ebenso gut aber auch erst nachträglich entstehen bzw. zu Tage treten. Angesichts des Einzelvollkostenansatzes von § 255 Abs. 1 HGB kann es nicht entscheidend sein, ob Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang stehen, bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran als Folgekosten des Erwerbsvorgangs entstehen,6 sofern sie wertungsmäßig noch zur Anschaffung und Herstellung der Betriebsbereitschaft gehören. Dies betrifft zum Beispiel die nachträgliche Ablösung von mit einem Grundstück (ursprünglich) übernommenen Nutzungsrechten (Wohnrecht etc.)7 oder die zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungs1 Überzeugend Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 56 (Stand Mai 2011); enger Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 62: Anschaffungskostenminderung nur dann, wenn die betroffenen Vermögensgegenstände noch nachweislich im Bestand sind; sofern dies nicht der Fall ist, sei anteilig eine Ertragsbuchung vorzunehmen; wohl auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 22; aA (dh. in keinem Fall eine Anschaffungskostenminderung mangels Einzelzuordnungsfähigkeit) Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 12; Fülling, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung für Vorräte, 1976, 91; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 62 (Stand Nov. 2016); Meyering, StuW 2009, 42 (47 f.). 2 BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96. 3 Ordelheide in FS Felix, 223 (229 f.); Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 27 (Stand Mai 2011). 4 Beispiel übernommen von Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 241d (Stand Aug. 2015). 5 So bereits Ordelheide in FS Felix, 223 (230). 6 BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242). 7 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 56.

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§ 255 Rz. 48 | Bewertungsmaßstäbe macht über das Grundstück notwendige Ablösung einer Vormerkung, die den Rückübertragungsanspruch der vormaligen Eigentümer im Fall der Veräußerung sichert.1 Ein weiteres Beispiel stellen erst nachträglich festgesetzte Erschließungsbeiträge dar2 (zu ihrer Anschaffungskosteneigenschaft Rz. 50 „Erschließungsbeiträge“). Liegen in diesem Sinne nachträgliche Anschaffungskosten vor, dann wirken sie allerdings nicht auf den Zeitpunkt der Anschaffung zurück. Vielmehr sind sie im Zeitpunkt ihres Anfalls (ihrer bilanzrechtlichen Abbildung, zB als Verbindlichkeit) dem Restbuchwert des angeschafften Vermögensgegenstands hinzuzurechnen und die Abschreibungen sind auf die restliche Abschreibungszeit neu zu bestimmen.3 Lässt sich kein Zusammenhang mit dem Erwerb bzw. der Herstellung der Betriebsbereitschaft begründen, dann muss noch geprüft werden, ob es sich nicht womöglich um Herstellungskosten handelt (Rz. 51 ff.). 48

Ferner können sich bekannte Anschaffungskostenkomponenten nachträglich verändern. Eine Anpassungspflicht gilt dabei sowohl für nachträgliche Entlastungen (Anschaffungspreisminderungen, s. Rz. 44 ff.) als auch Belastungen. Dies betrifft insbes. Kaufpreisveränderungen aufgrund des Eintritts von im Kaufvertrag vorgesehenen Bedingungen (zB Erhöhung des Kaufpreises bei Erreichen bestimmter Gewinn- bzw. Umsatzzahlen). Ist nach dieser Maßgabe eine weitere Leistung an den Veräußerer zu erbringen, so hat der Erwerber nachträgliche Anschaffungskosten.4 Entsprechendes gilt, wenn nach Maßgabe des § 15a UStG die vormals in Abzug gebrachte Vorsteuer nachträglich zu einer definitiven Belastung wird. Die steuerliche Regelung des § 9b Abs. 2 EStG, wonach die Anschaffungs- und Herstellungskosten hiervon unberührt bleiben und entsprechende Mehr- und Minderbeträge lediglich als laufende Einnahme bzw. Ausgaben erfasst werden sollen,5 ist im Handelsrecht nicht anwendbar.6 Die Regelung des § 9b Abs. 2 EStG mag von einem nachvollziehbaren Vereinfachungsgedanken getragen sein, durchbricht aber das Konzept des § 255 Abs. 1 HGB; eine solche Regelung bedarf daher auch im Handelsrecht einer gesetzlichen Grundlage. Lediglich dann, wenn der Korrekturbetrag unwesentlich ist, kann (auch) handelsrechtlich von einer Anpassung der Anschaffungskosten abgesehen werden.7 Für die nachträgliche Veränderung von Anschaffungsnebenkosten gilt dies alles entsprechend. Verändern sich Anschaffungs(-neben-)kosten in diesem Sinne, so wirkt auch dies nicht zurück (s. bereits Rz. 48).

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Die Anschaffungskosten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (zu den Anschaffungsnebenkosten s. Rz. 41 und Rz. 50, „Due Diligence“) umfassen nicht nur das Barstammkapital mit seinem Nennbetrag (bei Gründung) bzw. den nach Sacheinlagegrundsätzen (Rz. 50 „Umwandlung“) zu bestimmenden Betrag bei einer Sachgründung8 oder den für die erworbenen Geschäftsanteile gezahlten Kaufpreis (bei Erwerb, einschließlich einer Abgeltung für den zeitanteiligen Gewinn bis zur Veräußerung9), sondern auch die Nachschüsse, alle sonstigen Kapitalzuführungen durch den Gesellschafter und auch Forderungsverzichte. Keine nachträglichen Anschaffungskosten liegen hingegen vor, wenn ein Gesellschafter aufgrund eines Unternehmensvertrags Verluste der Tochterkapitalgesellschaft ausgleicht (§ 302 AktG).10 Der Verlustausgleich entspricht wertungsmäßig einem selbst erlittenen Verlust). Liegen nachträgliche Anschaffungskosten vor, so ist die Bewertung nicht immer unproblematisch. Für das Handelsrecht wird dazu die Ansicht vertreten, dass insbes. beim Forderungsverzicht (Fremd- wird zu Eigenkapital) für die Bestimmung der nachträglichen Anschaffungskosten der Nennwert der verlorenen Forderung maßgeblich sein soll.11 Im Steuerrecht differenziert der BFH hingegen: Verzichtet der Inhaber der Beteiligung auf eine (noch werthaltige) Darlehensforderung gegen seine Gesellschaft, soll in Höhe des im Zeitpunkt des Verzichts (Erlasses) noch werthaltigen Teils der Darlehensforderung eine verdeckte Einlage in das Gesellschaftsvermögen der GmbH vorliegen, die bei im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft auch nur insoweit zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters führt.12 Im Übrigen soll es beim Gesellschafter zu sofort abzugsfähigem Aufwand kommen; hier sind allerdings § 8b Abs. 3 KStG bzw. § 3c Abs. 2 Sätze 3 ff. EStG mit ihren (außerbilanziellen) Abzugsverboten zu beachten. ME ist die Ansicht des BFH auch für das Handelsrecht vorzugswürdig. Anstelle des Teilwerts ist dann der 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Nds. FG v. 13.1.2016 – 9 K 283/13, EFG 2016, 489 (490) (Rev. VI R 43/16). Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 77. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 337 (Stand Sept. 2016); Meyering, StuW 2009, 42 (45 f.). Fey/Deubert, BB 2012, 1461 (1463 f.); Link BB 2014, 554 (556). Eingehend Mellinghoff in Kirchhof15, § 9b EStG Rz. 17 ff. Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 20 (Stand Nov. 2016); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 14; aA Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (465); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 51: Wahlrecht. Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 20 (Stand Nov. 2016); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 14. Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 146. BFH v. 21.5.1986 – I R 190/81, BStBl. II 1986, 815 (816). Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 52 (Stand Nov. 2016). Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 50 f. (Stand Nov. 2016). BFH v. 20.4.2005 – X R 2/03, BStBl. II 2005, 694 (698).

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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Zeitwert entscheidend. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass man nur so unstimmige Ergebnisse vermeidet, wenn die Darlehensforderung gegen die Kapitalgesellschaft bereits auf den niedrigeren Wert abgeschrieben worden ist. Würde man hier den Nennwert zugrunde legen, müsste die Wertberichtigung erst einmal wieder rückgängig gemacht und ein Ertrag ausgewiesen werden. Ungeachtet der Frage, wie die nachträglichen Anschaffungskosten zu bewerten sind, muss bei einem nicht mehr werthaltigen Darlehen idR auch kritisch geprüft werden, ob nicht eine Wertberichtigung auf den Beteiligungsansatz angezeigt ist und somit ohnehin ggf. ein Wertansatz unterhalb der Summe von Anschaffungs- und nachträglichen Anschaffungskosten zwingend ist.

VI. Einzelfälle zu den Anschaffungskosten Abbruchkosten können Anschaffungskosten eines Grundstücks sein, wenn es bebaut erworben wird, aber 50 unbebaut genutzt werden soll. Der Abbruch dient in diesem Fall der Herbeiführung der Betriebsbereitschaft.1 Für die Annahme von Anschaffungskosten dürfte grundsätzlich keine Relevanz haben, ob der Abbruch durch eigene Arbeitnehmer oder durch Fremddienstleister erfolgt. Denn wertungsmäßig geht es um die Anschaffung des Grundstücks und der Abbruch dürfte idr untergeordneter, die Qualität des angeschafften Vermögensgegenstands nicht verändernder Natur sein.2 Soll auf dem Grundstück indes ein neues Gebäude errichtet werden, wird es sich bei den Abbruchkosten idR um Herstellungskosten des neu zu errichtenden Gebäudes handeln (Rz. 89 „Abbruch“). Maßgeblich ist grundsätzlich die Zweckbestimmung im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses. Ablösezahlungen zur Auflösung eines Mietvertrags bzw. zum Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit beim Erwerb eines bebauten Grundstücks sind Anschaffungs(-neben-)kosten.3 Beteiligungen: s. Rz. 49 für die Anschaffungskosten, Rz. 41 für die Anschaffungsnebenkosten, s. ferner Due-Diligence. Due-Diligence-Aufwendungen im Vorfeld eines Unternehmenserwerbs – gleich ob interne oder externe Aufwendungen (s. Rz. 41) – sind Anschaffungsnebenkosten, wenn sie nach der Erwerbsentscheidung entstehen. Sollen sie hingegen eine Erwerbsentscheidung nur vorbereiten, handelt es sich um sofort abziehbaren Aufwand (Rz. 21).4 Das FG Köln meint, dass bei einer Unternehmensakquisition die ausreichende Konkretisierung der Erwerbsentscheidung bereits mit Unterzeichnung eines letter of intent anzunehmen sei. Danach anfallende Aufwendungen seien Anschaffungskosten.5 Dies überzeugt nicht.6 Erbbaurecht: Anschaffungskosten sind Grunderwerbsteuer, Maklerprovisionen, Notar- und Gerichtsgebühren, nicht jedoch der Erbbauzins, auch wenn er vorausgezahlt oder später in einem Betrag erbracht werden muss.7 Die Aktivierung mit diesen Nebenkosten hat auch dann zu erfolgen, wenn es an einem Entgelt für das Erbbaurecht fehlt (Rz. 42). Erschließungsbeiträge für die erstmalige Errichtung von grundstücksbezogenen Erschließungsanlagen (z. B. Anschluss an die Kanalisation) sind Anschaffungskosten des Grund und Bodens, wenn dieser ohne die Anlage nicht betriebsbereit ist.8 Auch wenn sie erst nach dem Erwerbsvorgang anfallen, sind sie noch (nachträgliche) Anschaffungskosten (s. Rz. 47). Wird eine weitere Erschließungsanlage errichtet (also nicht eine bestehende Anlage ersetzt oder modernisiert), dann sollen nachträgliche Anschaffungskosten vorliegen, wenn sich der Wert des Grundstücks aufgrund einer Erweiterung der Nutzbarkeit erhöht oder wenn das Grundstück durch die weitere Erschließungsanlage eine erweiterte Nutzbarkeit des Grund und Bodens und damit ein höheres Nutzungspotential erfährt.9 Werden bestehende Erschließungsanlagen ersetzt oder modernisiert, dann liegen idR nur Erhaltungsaufwendungen vor (zB Veränderung des Straßenbelags einer bereits vorhandenen Straße). Dies ist nur dann anders, wenn das Grundstück durch diese Maßnahmen in seiner Substanz oder in seinem Wesen so verändert wird, dass von einem Herstellungsvor1 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 9; Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 214; Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 42 (Stand Mai 2011). 2 AA Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 42 (Stand Mai 2011): insgesamt Herstellungsvorgang und damit Anwendung des § 255 Abs. 2 HGB. 3 Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 23 (Stand Mai 2011). 4 BFH v. 27.3.2007 – VIII R 62/05, BStBl. II 2010, 159 (161). 5 FG Köln v. 6.10.2010 – 13 K 4188/07, EFG 2011, 264 (267), rkr. 6 Ebenso Ditz/Tcherveniachki, DB 2011, 2676 (2678 f.); Kahle/Hiller, DB 2014, 500 (504); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 325 „Beratungskosten“. 7 BFH v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70; Stobbe, HHR, § 6 EStG Rz. 183 „Erbbaurecht“ (Stand Sept. 2015). 8 BFH v. 15.2.1989 – X R 6/86, BFH/NV 1989, 494. 9 BFH v. 11.12.2003 – IV R 40/02, BStBl. II 2004, 282 (erstmaliger Anschluss einer zuvor nicht an die bestehende Entsorgungsmöglichkeit angebundenen Restfläche an die Kanalisation); v. 20.7.2010 – IX R 4/10, BStBl. II 2011, 35 (36) (zusätzliche Einrichtung einer weiteren Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit).

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§ 255 Rz. 50 | Bewertungsmaßstäbe gang auszugehen ist.1 Die bloße Herbeiführung eines zeitgerechten technischen Zustandes stellt keine Wesensveränderung in diesem Sinne dar (z.B. Ersetzung einer Abwassergrube durch den Anschluss an den öffentlichen Abwasserkanal stellt Erhaltungsaufwand dar2). Finanzierungskosten: Zur Finanzierung des Vermögensgegenstands aufgewendete Zinsen für Fremdkapital, Spesen oder ähnliche Geldbeschaffungskosten sind keine Anschaffungskosten. Dies folgt zumindest aus einem Umkehrschluss zu § 255 Abs. 3 HGB.3 Dies gilt auch dann, wenn der Kredit der Finanzierung von Anzahlungen auf Vermögensgegenstände mit längerer Herstellungszeit (Bauzeit) dient.4 Davon zu unterscheiden ist allerdings der Fall, dass der Erwerber dem Veräußerer seine Kreditkosten als Bestandteil des Kaufpreises vergütet5 oder, dass Zinsen so hoch bemessen wurden, dass hierin (versteckt) ein Teil des Kaufpreises enthalten ist (s. Rz. 19). Fremdwährungsgeschäfte: s. Rz. 26, 31. Garantie-/Gewährleistungsvereinbarungen: Aufwendungen für eine über die gesetzliche Gewährleistung hinausgehende Garantie sind grundsätzlich keine Anschaffungskosten. Der erworbene Vermögensgegenstand ist auch ohne diese Vereinbarung idR betriebsbereit.6 Gratisaktien/-anteile: Ihre Ausgabe ist kein unentgeltlicher Vorgang, sondern vielmehr erfolgt eine Buchwertabspaltung und der abgespaltene Betrag gilt als Anschaffungskosten der Gratisaktien (§ 220 AktG und § 57o GmbHG).7 Grunderwerbsteuer stellt Anschaffungsnebenkosten zum Grundstückserwerb dar, und zwar aufgeteilt im Verhältnis der Verkehrswerte von Grund und Boden einerseits und den aufstehenden Gebäuden andererseits. Entsprechendes soll nach Ansicht des BFH für Säumniszuschläge bei nicht rechtzeitiger Zahlung der Grunderwerbsteuer gelten.8 Entsteht die Steuer hingegen durch Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG), stellt sie nach überzeugender Ansicht des BFH keine Anschaffungskosten dar. Die grunderwerbsteuerlichen Tatbestände enthalten nur eine Fiktion, die die zivilrechtliche Identität der grundbesitzenden Gesellschaft unberührt lässt. Damit schafft die Gesellschaft weder zivilrechtlich noch wirtschaftlich ein Grundstück an. Die Gesellschaft wendet die Grunderwerbsteuer schließlich auch nicht für die Anschaffung der Gesellschaftsanteile an.9 Grundstück: Aufwendungen für die erstmalige Nutzung eines Grundstücks für land- und forstwirtschaftliche Zwecke (zB die Kosten der Urbarmachung) sollen Herstellungskosten für das Grundstück darstellen.10 (Geschlagenes) Holz: s. zur Buchwertabspaltung Rz. 24. Konventionalstrafen beeinflussen die Höhe der Anschaffungskosten nicht. Der Erwerber des Vermögensgegenstands hat solche Beträge vielmehr direkt erfolgswirksam zu erfassen.11 Lagerkosten für das Umlaufvermögen liegen jenseits des Anschaffungsvorgangs (s. Rz. 21) und sind daher keine Anschaffungskosten.12 Mietvertrag: wie „Erbbaurecht“ (s. Rz. 42). Optionsrechte: Rz. 24. Prozesskosten sind nur dann Anschaffungskosten, wenn sie der Erlangung der Verfügungsmacht oder der Betriebsbereitschaft dienen. Letzteres ist zB auch dann der Fall, wenn der Kaufmann im Rahmen einer Verpflichtungsklage oder als Beigeladener in einem von dritter Seite betriebenen Verfahren für Erhalt oder Fortbestand einer öffentlich-rechtliche Genehmigung zum Betrieb des angeschafften Vermögens1 BFH v. 22.3.1994 – IX R 52/90, BStBl. II 1994, 842 (843); v. 3.7.1997 – III R 114/95, BStBl. II 1997, 811 (812); v. 20.7.2010 – IX R 4/10, BStBl. II 2011, 35 (36); v. 6.4.2016 – X R 29/14, BFH/NV2016, 1541 (1542). 2 BFH v. 6.4.2016 – X R 29/14, BFH/NV2016, 1541 (1542). 3 Überzeugend Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 14. 4 Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (465 f.); Siegel in FS Baetge, 602 f.; aA Ekkenga in Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 255 HGB Rz. 17 (Aktivierungswahlrecht); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 40 (Aktivierungspflicht) (Stand Nov. 2016). 5 S. BFH v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299 (304 f.); v. 18.2.1993 – IV R 40/92, BStBl. II 1994, 224 (226). 6 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 32, 76 (Stand Nov. 2016). 7 Vgl. auch BFH v. 21.1.1999 – IV R 27/97, BStBl. II 1999, 638 (640 f.). 8 BFH v. 14.1.1992 – IX R 226/87, BStBl. II 1992, 464 (465). 9 BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260 (262) für § 1 Abs. 2a GrEStG; v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761 (762 f.) für § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. 10 BFH v. 23.6.1966 – IV 262/62, BStBl. III 1966, 587 (588) (Flußregulierung zwecks Hochwasserschutz); v. 26.6.1975 – IV R 66/72, BStBl. II 1976, 8 (9). 11 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 117 (Stand Nov. 2016); differenzierend Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 97 (Stand Mai 2011). 12 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 42 (Stand Nov. 2016).

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B. Anschaffungskosten (Abs. 1)

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gegenstands, gegen eine entsprechende Untersagung durch die zuständige Behörde der Nutzung (zur Einzelzuordnungsfähigkeit bei öffentlich-rechtlichen Genehmigungen s. Rz. 34) oder in einem gegen den Betrieb angestrengten Zivilprozess streiten muss. Ist das gerichtliche Verfahren hingegen auf die Durchsetzung einer Minderung gerichtet oder müssen Ansprüche Dritter in Ansehung des erworbenen und bereits betriebsbereiten Vermögensgegenstands abgewehrt werden, so fehlt der notwendige finale Zusammenhang.1 Reise- und Besichtigungskosten, die anlässlich der Suche nach einem geeigneten Anschaffungsgegenstand entstehen, sind keine Anschaffungskosten. Denn die Erwerbsentscheidung ist noch nicht gefallen bzw. hat sich noch nicht auf einen bestimmten Gegenstand konzentriert (vgl. Rz. 21).2 Sie werden auch nicht nachträglich zu Anschaffungskosten, soweit sie den nach Begründung der Aufwendungen konkretisierten Anschaffungsgegenstand betreffen.3 Denn im Zeitpunkt der Aufwandsentstehung war die notwendige Finalität in Bezug auf diesen Gegenstand noch nicht gegeben. Sacheinlagen: Rz. 20 und „Umwandlungsvorgänge“. Spaltung: s. „Umwandlungsvorgänge“. Spielervermittlungsprovisionen sind aktivierungspflichtige Anschaffungsnebenkosten.4 Eine Aktivierung der Provision ist aber nur zwingend (§ 248 Abs. 2 HGB) bzw. kommt nur in Betracht (§ 5 Abs. 2 EStG), sofern auch Anschaffungskosten (Transferentschädigung, Ablösesumme) vorliegen (s. Rz. 42). Software:5 Standardsoftware wird grundsätzlich angeschafft. Sind allerdings so viele Modifikationen notwendig, dass wertungsmäßig ein „neues Programm“ entsteht (vgl. Rz. 35, 51), dann liegt ein Herstellungsvorgang vor.6 Wer Hersteller ist, entscheidet die Risikoverteilung (Rz. 17). Dies gilt erst recht bei Individualsoftware.7 Tausch: Rz. 27. Umsatzsteuer: s. Rz. 22. Umwandlungsvorgänge:8 Für die Verschmelzung zur Aufnahme und durch Neugründung sowie für alle Spaltungsvorgänge bestimmt § 24 UmwG, dass der übernehmende Rechtsträger für die übernommenen Vermögensgegenstände als Anschaffungskosten auch (!) die in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers angesetzten Werte ansetzen kann. Dies bedeutet eine Buchwertverknüpfung. Die mit der Umwandlung verbundenen Kosten können dann nicht aktiviert werden9 und in den Folgejahren bildet der fortgeführte Buchwert die Bewertungsobergrenze; Zuschreibungen scheiden aus.10 Die nicht in § 24 UmwG genannte, aber wohl vorausgesetzte Alternative ist die sog. Neubewertung. Gewährt der übernehmende Rechtsträger den Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers neue Anteile, so sollen die Grundsätze für die Bewertung von Sacheinlagen gelten (Rz. 20): Die Bewertung der Vermögensgegenstände erfolgt grundsätzlich zum Zeitwert. Liegt der Ausgabebetrag der an die Gesellschafter das übertragenden Rechtsträgers hingegebenen Anteile unter dem Zeitwert, soll ein Wahlrecht zwischen beiden Werten bestehen. Liegt der Zeitwert hingegen unter dem Ausgabebetrag der ausgegebenen Anteile, so soll er die Obergrenze bilden.11 Gibt der übernehmende Rechtsträger Anteile zugunsten des übertragenden Rechtsträgers aus oder gehen seine Anteile am übertragenden Rechtsträger unter, gelten hingegen die Tauschgrundsätze (Rz. 27),12 dh. als Anschaffungskosten für die übernommenen Vermögensgegenstände gilt der Zeitwert der erhaltenen oder untergegangenen Anteile, sofern nicht die Buchwertfortführung in Betracht kommt.13 Steuerrechtlich gilt für Umwandlungsvorgänge und andere Einbringungen keine Maßgeblichkeit. Das Steuerrecht enthält losgelöst vom Handelsrecht im UmwStG Sondervorschriften.

1 Für das Handelsrecht Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 41 (Stand Mai 2011), für das Steuerrecht Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 54 aE. 2 BFH v. 15.4.1992 – III R 96/88, BStBl. II 1992, 819 (821); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 22. 3 AA wohl BFH v. 10.3.1981 – VIII R 195/77, BStBl. II 1981, 470, wo zwischen den Fahrtkosten für die nicht angeschafften Objekte und den Fahrtkosten für das später tatsächlich angeschaffte Objekt unterschieden wird. 4 BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242); instruktiv Schiffers/Feldgen, StuB 2015, 500. 5 Instruktiv auch Groß/Alexander/Matheis, DStR 2006, 339 (ERP-System). 6 IDW RS HFA 11; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 38 aE. 7 IDW RS HFA 11; Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 38 aE. 8 Einzelheiten IDW RS HFA 42 (Verschmelzung) und IDW RS HFA 43 (Spaltung). 9 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 89 (Stand Nov. 2016); Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 44. 10 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 90 (Stand Nov. 2016). 11 Eingehend Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 92 ff. (Stand Nov. 2016). 12 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 94 (Stand Nov. 2016). 13 Schubert/Gadek in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 44.

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§ 255 Rz. 51 | Bewertungsmaßstäbe Verschmelzung: s. „Umwandlungsvorgänge“. Waren: Bei Handelsware kommt neben der Einzelfeststellung der Anschaffungskosten auch eine retrograde Ermittlung in Betracht. Dies geschieht in der Weise, dass von den ausgezeichneten Preisen die kalkulierte Handelsspanne abgezogen wird. Handelsrechtlich ist dies anerkannt,1 und auch steuerrechtlich wird diese Vorgehensweise nicht beanstandet.2 Sind die Preise zum Bilanzstichtag bereits herabgesetzt, so darf aber nicht mehr von der ursprünglich kalkulierten Handelsspanne, sondern es muss von dem verbleibenden Verkaufsaufschlag ausgegangen werden.3 Zinsen: s. Finanzierungskosten. Zuschüsse: Ein sog. verlorener (nicht rückzahlbarer) Zuschuss zur Anschaffung eines konkreten Vermögensgegenstands wird handelsrechtlich erfolgsneutral erfasst, nämlich durch Absetzung von den Anschaffungskosten – sei es direkt oder indirekt. Steuerrechtlich besteht hingegen ein Wahlrecht zwischen dieser Vorgehensweise und einer erfolgswirksamen Erfassung des Zuschusses bei vollem Ansatz der Anschaffungskosten (Rz. 22). Keine Relevanz für die Anschaffungskosten haben hingegen Zuschüsse, die unabhängig von einem bestimmen Anschaffungsvorgang gewährt werden. Entsprechendes gilt für die indirekte Förderung von Investitionen durch zinslose oder verbilligte Kredite.4 Zwangsversteigerung: Zu den Anschaffungskosten gehört das den Zuschlag auslösende Gebot zuzüglich der Kosten. Erlöschen die nachrangigen eigenen Grundpfandrechte des Erwerbers, gehören sie ebenfalls zu den Anschaffungskosten, soweit ihr Wert durch den Verkehrswert des ersteigerten Grundstücks gedeckt ist.5

C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3) I. Herstellungsvorgang 51

Herstellung (Variante 1 des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB) meint zuvörderst die Schaffung eines neuen, bisher nicht vorhandenen Vermögensgegenstands. Werden bereits vorhandene (erworbene) Vermögensgegenstände bearbeitet und verändert, so liegt eine Herstellung erst dann vor, wenn die Art und/oder Qualität des bzw. der Vermögensgegenstände verändert wird („Wesensveränderung“).6 Es muss wertungsmäßig (Verkehrsanschauung) etwas Neues entstehen. Ist dies nicht der Fall, liegt idR „nur“ ein Anschaffungsvorgang vor (Rz. 16 ff. und insbes. Rz. 35 mit Beispielen). Nach überwiegender Ansicht erfasst die erste Variante auch die „Zweitherstellung“, wenn also ein im Wesentlichen abgenutzter, verbrauchter oder zerstörter Vermögensgegenstand wiederhergestellt wird.7 Für diese Fälle wird häufig das treffende Bild vom „Vollverschleiß“ bemüht.8 Damit wird deutlich, dass eine grundlegende Sanierung nicht ausreichend sein kann, sondern vielmehr durch die Behebung eines Substanzschadens an den Fundamenten, den tragenden Wänden und Decken sowie der Dachkonstruktion wertungsmäßig ein Neubau unter Verwendung von Altteilen vorliegen muss.9

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Als zweite Variante nennt § 255 Abs. 2 HGB die Erweiterung eines bereits bestehenden Vermögensgegenstands. Erweiterung setzt schon sprachlich eine Mehrung der bereits vorhandenen Substanz voraus.10 Was eine Erweiterung kennzeichnet, lässt sich vor allem an Gebäuden zeigen. Sie liegt nicht nur vor bei Anbau und Aufstockung, sondern auch dann, wenn nach Fertigstellung bisher nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden und die nutzbare Fläche vergrößert wird. Dabei orientiert sich die Rspr. an der Wohnflächenverordnung. Die nutzbare Fläche umfasst also nicht nur Wohn- und Arbeitsflächen, sondern auch die Grundflächen der Abstell- und Bodenräume sowie auch solche Räume, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

S. nur Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 5 mwN. BFH v. 27.10.1983 – IV R 143/80, BStBl. II 1984, 35 (37); H 6.2. „Waren“ EStR 2012. H 6.2. „Waren“ EStR 2012. Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 74 (Stand Mai 2011). BFH v. 11.11.1987 – I R 7/84, BStBl. II 1988, 424 (427); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 255 Rz. 10; kritisch dazu Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 94 (Stand Mai 2011). Wohlgemuth in HdJ, I/9 Rz. 47 (Stand Mai 2011); Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (468); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 330 und 378. Ekkenga in Kölner Kommentar Rechnungslegungsrecht, § 255 HGB Rz. 85; Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (468); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 130, 354 (Stand Nov. 2016); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 376. Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 376. BFH v. 14.5.2003 – X R 32/00, BFH/NV 2003, 1178; v. 5.6.2003 – III R 43/02, BFH/NV 2003, 1402; Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 376. Drüen, in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 19.

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 54 § 255

die den baurechtlichen Anforderungen nicht genügen. Nach dieser Maßgabe wurde eine Erweiterung ua. angenommen, wenn ein Flachdach durch ein Satteldach1 oder durch ein Spitzgiebeldach ersetzt,2 wenn ein Kelleranbau unter der vergrößerten Terrasse errichtet,3 wenn auf einer Dachterrasse ein ganzjährig nutzbarer Wintergarten errichtet wurde4 oder wenn durch Einbau einer Dachgaube5 oder durch ein neues Treppenhaus als Vorbau6 die nutzbare Fläche vergrößert wurde oder wenn an dem Gebäude Balkone angebaut und das Dachgeschoss mit neuen Gauben ausgebaut wurde.7 Entsprechendes soll für den erstmaligen An-/Einbau einer Markise8 und Klimaanlage9 gelten. Weil an etwas bereits Vorhandenes angeknüpft wird, wird teilweise von „nachträglichen Herstellungskosten“ gesprochen.10 Abzugrenzen ist diese Variante der Erweiterung allerdings von der Herstellung oder Anschaffung eines anderen Vermögensgegenstands. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn eine Fotovoltaik-Anlage auf ein Dach montiert wird. Sie stellt einen eigenständigen Vermögensgegenstand dar. Schließlich bestimmt § 255 Abs. 2 HGB auch die über den ursprünglichen Zustand hinausgehende we- 53 sentliche Verbesserung eines Vermögensgegenstands zum Herstellungsvorgang. Diese Variante hat ihre Konturierung ebenfalls vor allem durch die Steuerrechtsprechung erfahren. Hiernach ist eine Verbesserung dann wesentlich, wenn nach objektiven Maßstäben über die zeitgemäße Erneuerung hinaus der Gebrauchswert des Vermögensgegenstands im Ganzen deutlich erhöht wird. Es wird die Schaffung eines „höheren Nutzungspotentials“ gefordert.11 Die Abgrenzung zum bloßen Erhaltungsaufwand markiert bei Gebäuden insbes. der sog. Standardsprung (Rz. 54). Der Vergleich erfordert eine Fixierung des „ursprünglichen Zustands“. Die Rspr. stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem der Vermögensgegenstand dem Kaufmann erstmals zuzurechnen war.12 Waren die ursprünglichen Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten vor den unter dem Gesichtspunkt der wesentlichen Verbesserung zu würdigenden Maßnahmen bereits verändert worden (etwa durch anderweitige nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten oder außerplanmäßige Abschreibung), so ist dieser Zustand mit dem durch die ausgeführten Arbeiten erreichten Zustand zu vergleichen.13 Auch in Bezug auf diese Variante findet sich die Bezeichnung als „nachträgliche Herstellungskosten“.14 Der Gegenbetriff zur Herstellung ist die bloße Erhaltung: Wird durch Aufwendungen lediglich die Funk- 54 tionsfähigkeit erhalten, so liegt grundsätzlich nur sog. Erhaltungsaufwand vor, der nach der Konzeption des § 255 HGB nicht erfolgsneutral gehalten wird, sondern sofort abziehbar ist. Die Abgrenzungsnotwendigkeit tritt beispielsweise im Nachgang zur Anschaffung von bebauten Grundstücken auf. Grundsätzlich gilt, dass der Anschaffungsvorgang beendet ist, sobald der erworbene Vermögensgegenstand betriebsbereit ist, und hiernach anfallende Aufwendungen für Instandsetzung, Renovierung und Modernisierung sind daher keine Anschaffungskosten mehr (Rz. 21). Nach Ansicht des BFH können solche Aufwendungen, die für sich allein noch als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, allerdings in ihrer Gesamtheit zu Herstellungskosten führen, wenn sie über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehen (etwa durch Verwendung außergewöhnlich hochwertiger Materialien in erheblichem Umfang oder eine besondere bauliche Gestaltung), dadurch der Gebrauchswert des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand deutlich erhöht und die Verbesserung damit insgesamt iSv. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB „wesentlich“ ist.15 Erforderlich ist dafür ein sog. Standardsprung: Rspr. und Finanzverwaltung differenzieren zwischen einem einfachen, mittleren und anspruchsvollen Standard und beurteilen dies anhand der Kriterien Sanitär, Elektro, Heizung und Fenster. Eine wesentliche Verbesserung soll vorliegen, wenn in drei von vier die-

1 BFH v. 19.6.1991 – IX R 1/87, BStBl. II 1992, 73; v. 15.5.2013 – IX R 36/12, BStBl. II 2013, 732 (735): dort allenfalls Nutzbarkeit als Abstellfläche. 2 BFH v. 19.12.1995 – IX R 88/93, BFH/NV 1996, 537 (538). 3 BFH v. 9.5.1995 – IX R 88/90, BStBl. II 1996, 628 (630). 4 BFH v. 13.10.1998 – IX R 80/95, BFH/NV 1999, 605 f. 5 BFH v. 3.12.2002 – IX R 64/99, BStB. II 2003, 590 (591 f.). 6 BFH v. 24.9.2009 – IV B 126/08, BFH/NV 2010, 37 (38). 7 BFH v. 22.12.2011 – III R 37/09, BStBl. II 2013, 182 (185). 8 BFH v. 29.8.1989 – IX R 176/84, BStBl. II 1990, 430. 9 FG Nürnberg v. 15.11.2005 – I 304/2004, EFG 2006, 1573, rkr. 10 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 130 (Stand Nov. 2016). 11 BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 (634 f.). 12 BFH v. 22.8.1966 – GrS 2/66, BStBl. III 1966, 672 (674); v. 11.8.1989 – IX R 44/86, BStBl. II 1990, 53 (54); v. 3.12. 2002 – IX R 64/99, BStBl. II 2003, 590. 13 BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632. 14 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 130 (Stand Nov. 2016); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 330. 15 So wörtlich BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 (634 f.).

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§ 255 Rz. 55 | Bewertungsmaßstäbe ser Bereiche eine Erhöhung des Standards erfolgt.1 Diese Konkretisierung des § 255 Abs. 2 HGB gibt der Praxis recht vorhersehbare Kriterien an die Hand. Sie muss aber zeitgemäß weiterentwickelt werden. So muss zB die Frage gestellt werden, ob das Kriterium der Heizung noch so aktuell ist und ob nicht vielmehr andere Kriterien wie beispielsweise die Energieeffizienz hinzutreten müssen.2 Steuerrechtlich existiert mit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG darüber hinaus eine Sonderregelung, die diese Erfolgsneutralität sogar über die Variante der „wesentlichen Verbesserung“ hinaus anhand rein quantitativer Kriterien erweitert (Rz. 73 ff.). 55

Der Herstellungsvorgang wird sich idR über einen Zeitraum erstrecken. Er beginnt mit den ersten Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen.3 Insbes. die Einbeziehung der Planungsphase ruft durchaus Abgrenzungsprobleme hervor: So müssen zB die Sonderkosten der Fertigung von Forschungs- und auch Entwicklungskosten abgrenzt werden (Rz. 62, ua. auch Rz. 66 zum Problem der Vorbereitungskosten). Auch andere Beispiele zeigen, wie früh die Herstellungsphase beginnen kann: So gehören (uU) der Abriss eines Altgebäudes und die dafür notwendigen Ablösezahlungen an Mieter bereits zum Herstellungsvorgang (s. Rz. 89 „Abbruch“). Dort, wo es an solchen vorbereitenden Maßnahmen fehlt, ist es ansonsten der Einkauf des Materials, der den Beginn der Herstellung markiert. Denn bereits Wareneinkauf und -annahme stehen in einem ausreichend engen Zusammenhang mit der Herstellung.4 Eines konkreten Bezugs zu einem Auftrag bedarf es dafür nicht.5 Die Herstellung endet, wenn der Vermögensgegenstand für den bestimmungsgemäßen Gebrauch genutzt werden kann.6 Beim Umlaufvermögen ist das üblicherweise der Zeitpunkt, in dem die Produkte verkaufsfähig sind („Absatzreife“7). Dokumentiert wird dies idR durch die Übernahme in das Fertiglager.8 Bei Gegenständen des Anlagevermögens ist dies der Moment ihrer Betriebsbereitschaft. Wie entscheidend die Zweckbestimmung ist, zeigt vor allem die Herstellung von Tieren, insbes. Pferden. Ein Freizeitpferd ist fertiggestellt, wenn es ausgewachsen und zugeritten ist. Das ist regelmäßig nach der Vollendung des 4. Lebensjahres der Fall.9 Anders ist dies bei einem Rennpferd. Der Zeitpunkt der „Fertigstellung“ eines solchen Pferdes kann daher nicht vor dem Abschluss des Trainings vor dem ersten Renneinsatz liegen. Erst nach Abschluss dieser Trainingsphase ist es für eine primäre Verwendung als Rennpferd „hergestellt“. Soll ein Pferd zur Zucht eingesetzt werden, gelten wiederum andere (beim Einsatz als Renn- und Zuchtpferd zusätzliche) Kriterien: Ein Zuchthengst ist mit Beginn der ersten Deckungsperiode und eine Zuchtstute mit dem ersten Abfohlen fertiggestellt.10 Mit dem Ende des Herstellungsvorgangs greift vor allem das Verbot der Aktivierung von Vertriebskosten. Dies erfasst auch bereits die Kosten der Lagerung der Fertigprodukte (Rz. 85). Allerdings können auch schon vor dem Ende des Herstellungsvorgangs nicht aktivierungsfähige Vertriebskosten anfallen (Rz. 86).

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Auch für den Herstellungsvorgang gilt, dass er von Anfang an erfolgsneutral gehalten werden muss – jedenfalls zwingend in Bezug auf die Pflichtbestandteile des § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB. Hiervon geht auch das Gesetz aus. Wie vor allem § 266 Abs. 2 A II 4 HGB (Anlagen im Bau) und § 266 Abs. 2 B I 2 HGB (unfertige Erzeugnisse) zeigen, können unfertige Gegenstände zu aktivierende Vermögensgegenstände sein, die den Güterverzehr erfolgsneutral „aufnehmen“.11 Es kommt dabei – wie auch bei den Anschaffungskosten – nicht darauf an, ob dem Kaufmann der in Herstellung begriffene Vermögensgegenstand zuzurechnen ist (dazu [2]) oder ob er sich überhaupt schon als Vermögensgegenstand konkretisiert hat (dazu [1]): (1) Letzteres betrifft zB aufwandverursachende Planungs- und Vorbereitungshandlungen, die nämlich bereits den Beginn des Herstellungsvorgangs markieren (Rz. 55). Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch keinen in Entstehung begriffenen Vermögensgegenstand geben sollte, der abstrakt aktivierungsfähig ist (es liegt also noch nicht einmal ein „unfertiges Erzeugnis“ vor), so dürfen diese Aufwendungen nicht erfolgswirksam werden. Sie müssen notfalls mittels eines aktiven Hilfspostens erfolgsneutral gehalten 1 BFH v. 3.12.2002 – IX R 64/99, BStBl. II 2003, 590; v. 22.1.2003 – X R 69/01, BFH/NV 2003, 766 (767); ebenso IDW RS IFA 1 Tz. 13. 2 Vgl. demgegenüber FG Nürnb. v. 12.11.2015 – 4 K 571/13, EFG 2016, 116, rkr., wo nur geprüft wird, ob sich eine energetische Sanierung auf die vier bekannten Bereiche ausgewirkt hat; ein eigenständiger Bereich wird hingegen nicht thematisiert. 3 BFH v. 1.10.1975 – I R 243/73, BStBl. II 1976, 184: Abstandszahlung bei geplantem Neubau; v. 15.10.1996 – IX R 2/ 93, BStBl. II 1997, 325: Abrisskosten; v. 18.5.2004 – IX R 57/01, BStBl. II 2004, 872: Räumungskosten bei geplanter Bebauung bzw. Vermietung von Freiflächen. 4 AA Stobbe/Rade in HHR, § 6 EStG Rz. 166 (Stand Sept. 2015); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 99 (Stand Okt. 2012). 5 Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 99 (Stand Okt. 2012). 6 BFH v. 17.10.2001 – I R 32/00, BStBl. II 2002, 349 (350). 7 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 135 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 57 (Stand Okt. 2012). 8 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 70. 9 So jedenfalls FinMin. Bad.-Württ. v. 1.4.2010, BeckVerw. 271176. 10 BFH v. 15.5.1997 – III R 143/93, BStBl II 1997, 575 (dort zu einer Milchkuh). 11 Vgl. BFH v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298 (301).

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 58 § 255

werden1 (zu den Anschaffungskosten bereits Rz. 46). Voraussetzung ist allerdings, dass ausreichend sicher ist, dass es tatsächlich zur Herstellung eines Vermögensgegenstands kommt. Insbes. bei Planungskosten und sonstigen Aufwendungen anlässlich der Auftragsvorbereitung (zur Abgrenzung zu den Vertriebskosten s. Rz. 86) setzt die Aktivierung daher die Auftragserteilung voraus.2 Liegt zwischen Aufwand und Auftragserteilung ein Bilanzstichtag, wird man die Aufwendungen zuerst erfolgswirksam erfassen und dann mit Auftragserteilung (mE ansatzbegründendes Ereignis) gegenläufig aktivieren müssen. (2) Die Zurechnungsproblematik betrifft vor allem Bauwerke auf fremden Grund und Boden. Die steuerliche Rspr. vermeidet hier zwar ein Problem, indem sie teilfertige Bauten auf fremden Grund und Boden dem beauftragten Werkunternehmer als Wirtschaftsgut zurechnet.3 Dies überzeugt jedoch nicht.4 Ihrer Natur nach sind teilfertige Bauten vielmehr noch nicht realisierte (Teil-)Forderungen gegen den Werkbesteller (Bauherrn). Aus diesem Grund bewirkt auch hier letztlich erst ein von den Herstellungskosten gespeister aktiver Hilfsposten die Erfolgsneutralität des Herstellungsvorgangs, und zwar bis zur Gewinnrealisierung.

II. Wertuntergrenze der Herstellungskosten 1. Aufwendungen (Abs. 2 Satz 1) Nur (periodisierte) Ausgaben können Herstellungskosten sein. Kalkulatorische Kosten dürfen nicht ein- 57 bezogen werden (Rz. 2). Dies betrifft neben der Eigenkapitalverzinsung insbes. den Wert der Arbeitsleistung des (Einzel-) Unternehmers (anders dort, wo sein Lohn als Aufwand berücksichtigt wird, zB bei Personen- und Kapitalgesellschaften als Geschäftsführergehalt).5 Das Gesetz sieht Pflicht- und Wahlbestandteile vor und knüpft dabei ebenfalls an die Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten an. Innerhalb des § 255 Abs. 2 HGB tut es dies weitaus differenzierter bei den Anschaffungskosten. Es unterscheidet nämlich vornehmlich nach Kostenarten: Neben den Einzelkosten sind verpflichtend auch die Gemeinkosten einzubeziehen, die eine besondere Nähe zum Herstellungsvorgang aufweisen, nämlich angemessene Teile der Materialgemein- und Fertigungsgemeinkosten sowie des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Bis zum BilMoG galt (auch) für diese Gemeinkosten ein Einbeziehungswahlrecht. Der Gesetzgeber des BilMoG hat dieses Wahlrecht zugunsten des jetzt in § 255 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen produktionsbezogenen Vollkostenansatzes aufgegeben, um die handelsrechtliche Regelung der steuerrechtlichen Übung entsprechend anzupassen (Rz. 9). Denn die steuerrechtliche Rspr. hatte das handelsrechtliche Einbeziehungswahlrecht steuerrechtlich stets zur Pflicht gemacht.6 Ob der angestrebte produktionsbezogene Vollkostengleichklang zwischen Handels- und Steuerrecht unter Geltung des BilMoG damit wirklich erreicht worden ist, war zuerst unklar. Erst mit Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG ist diese Frage nunmehr eindeutig positiv beantwortet (eingehend Rz. 81). Auch die Herstellungskosten sind final definiert.7 Erforderlich ist zweckgerichteter Wertverzehr.8 Bedeu- 58 tung hat dies vor allem für vergebliche Aufwendungen, wie zB vergebliche Planungskosten für ein nicht verwirklichtes (Bau-) Projekt. Hier lässt sich idR keine finale Beziehung zu einem später tatsächlich verwirklichten Vorhaben begründen.9 Der BFH scheint dies hingegen anders zu sehen. Er erklärt solche Aufwendungen zu Herstellungskosten, wenn die vergeblich aufgewendeten Kosten nur in irgendeiner Weise der Gewinnung von Erfahrungen in Bezug auf den später hergestellten Vermögensgegenstand gedient haben10 (s. auch noch Rz. 89 „Abbruch“ und „Planungskosten“ mit weiteren Beispielen). Schließlich hat die Finalität Bedeutung für sog. Vorbereitungskosten (Rz. 66).

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Teilweise anders Mathiak, DStJG 7 (1984), 97 (119, 129 f.). Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 195 (Stand Nov. 2016). BFH v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298 (300 f.) mwN. Zu Recht vor allem Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 Rz. 270 „unfertige Erzeugnisse“; dem folgend bereits Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 740 „Teilfertige Bauten“ (Stand Aug. 2015). Für Personengesellschaften zB BFH v. 8.2.1996 – III R 35/93, BStBl. II 1996, 427. BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176 (177). Döllerer, BB 1966, 1405 (1408); Drüen, in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 18; Mathiak, DStJG 7 (1984), 97 (117, 128, 139); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 362. Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 8 (Stand Okt. 2012). Zu Recht Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 79. BFH v. 8.4.1986 – IX R 82/82, BFH/NV 1986, 528 (529).

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§ 255 Rz. 59 | Bewertungsmaßstäbe 2. Pflichtbestandteile der Herstellungskosten (Abs. 2 Satz 2) a) Produktionsbezogenes Vollkostenprinzip 59

Seit dem BilMoG liegt § 255 Abs. 2 HGB ein produktionsbezogenes Vollkostenprinzip zugrunde (Rz. 2, 9). Das Gesetz verlangt zwingend die Einbeziehung der Material- und Fertigungseinzelkosten nebst den Sonderkosten der Fertigung (dazu Rz. 60 ff.) sowie angemessener Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten nebst dem Wertverzehr des zur Herstellung eingesetzten Anlagevermögens (dazu Rz. 65 ff.). Diese Positionen ergeben die gesetzlich vorgeschriebene Bewertungsuntergrenze. Insoweit ist der Herstellungsvorgang zwingend als bloße Vermögensumschichtung ausgestaltet. Die Bewertungsobergrenze wiederum ergibt sich mit Blick auf die zulässigen Wahlbestandteile (dazu erst Rz. 77 ff.). b) Material- und Fertigungseinzelkosten sowie Sonderkosten der Fertigung

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Fertigungseinzelkosten sind vornehmlich die Löhne der in der Fertigung eingesetzten Arbeitnehmer. Bezüglich des Einzelkostencharakters gilt das bereits zu den Anschaffungskosten Gesagte: Für die Annahme von Einzelkosten ist eine unmittelbare Zurechenbarkeit erforderlich. Dies bedingt einen eindeutigen und nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem hergestellten Gegenstand und dem durch seine Herstellung entstandenen Verbrauch an Gütern und Leistungen.1 Dieser Zusammenhang wird allerdings nicht dadurch in Frage gestellt, dass es einer (schätzweisen) Umrechnung bedarf. Dies ist vor allem für Löhne wichtig. Dass Stundenlöhne (einschließlich aller Überstunden- und Sonn-/Feiertagszuschläge und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, s. zu ergebnisabhängigen Vergütungen auf arbeitsvertraglicher Grundlage noch Rz. 78; nicht hingegen: freiwillige Bestandteile iSv. Rz. 79) auf die eingesetzte Fertigungszeit umgerechnet werden müssen, nimmt den Lohnkosten nicht ihren Zusammenhang mit der Herstellung konkreter Vermögensgegenstände (Rz. 37 f.).2 Es schadet der Annahme von Einzelkosten ferner nicht, wenn die Löhne auch bei Nichtproduktion anfallen würden. Umgekehrt formuliert: Es ist nicht Voraussetzung von Einzelkosten, dass der zu beurteilende Wertverzehr nur deshalb ausgelöst worden ist, weil eine (zusätzliche) Einheit hergestellt worden ist.3 Alles andere wird den realen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht gerecht.4 Zum einen muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bedingt durch das Kündigungsschutzrecht der Arbeitnehmereinsatz nicht unmittelbar der Produktionsauslastung angepasst werden kann. Zum anderen kann die in das Ermessen des Kaufmanns gestellte Arbeitsvertragsgestaltung (hier des Vergütungssystems: Zeitentlohnung einerseits, Akkordlohn und Quantitätsprämien andererseits) bzw. die Freiheit in Bezug auf den Einsatz von Subunternehmern auf werkvertraglicher Basis nicht über die rechtserhebliche Abgrenzung von Einzel- und Gemeinkosten entscheiden, wenn es gerade Zweck des § 255 HGB ist, eine für alle Kaufleute gleichermaßen zu beachtende und Vergleichbarkeit gewährleistende Wertuntergrenze vorzugeben. Zudem muss ganz praktisch gesehen werden, dass die strenge Sichtweise zu aufwendigen Aufteilungen führt, wenn der Lohn aus mehreren Komponenten besteht.5 Die Problematik mag sich mit dem BilMoG entschärft haben, da nunmehr auch die Material- und Fertigungsgemeinkosten einzubeziehen sind (s. zB Rz. 65 ff.). Nach alter Rechtslage (Material- und Fertigungsgemeinkosten konnten, mussten aber nicht einbezogen werden, s. Rz. 9) wäre dies aber nicht hinnehmbar gewesen. Die Aussonderung von Leerkosten, die in der Tat aus Vorsichtsgründen die Bewertung von selbsthergestellten Vermögensgegenständen nicht beeinflussen sollten und die gerade bei den Lohnkosten virulent werden, erfolgt allein über den – sowohl für Einzel- wie auch Gemeinkosten – geltenden Angemessenheitsvorbehalt (s. Rz. 64).6

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Materialeinzelkosten entstehen durch die Beschaffung von Rohstoffen sowie Halb- und Fertigprodukten. Maßgeblich sind ihre historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Bis zu ihrem Verbrauch eintretende Wertveränderungen sind irrelevant, sofern sie sich innerhalb derselben Periode vollziehen. Werden Bestände verbraucht, die bereits am letzten Bilanzstichtag vorhanden waren, dann ist allerdings deren (ggf.

1 IDW RS HFA 31 Tz. 4. 2 S. auch Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 25 (Stand Okt. 2012): Kostentheoretisch sind die Fertigungslohne hingegen Gemeinkosten, da es sich um fixe Kosten handelt. 3 So aber Knop/Kütting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 151, 182 (Stand Nov. 2016). 4 Vgl. schon Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 25 (Stand Okt. 2012). 5 Vgl. Knop/Kütting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 185 (Stand Nov. 2016), die – aus ihrer Sicht folgerichtig – jede Teilkomponente isoliert auf ihre Einzelkosteneigenschaft hin überprüfen wollen (und müssen). 6 Teile der Literatur argumentieren hingegen gerade umgekehrt: Die Fertigungslöhne sollen deshalb Gemeinkosten sein, damit man sie – mit Blick auf Leerkosten – dem Angemessenheitsvorbehalt unterwerfen kann (s. zB Rade, DStR 2011, 1334 [1336 ff.] unter Hinweis auf die unionsrechtlichen Vorgaben).

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 64 § 255

niedrigerer) Buchwert maßgeblich.1 Ein Rückgriff auf die nach § 256 HGB zulässigen Bewertungsmethoden für gleichartige Vorräte ist zulässig.2 Bei Rohstoffen geht das Gut insoweit in die Herstellungskosten ein, wie es produktionsbedingt durch die Herstellung untergeht. Nicht erforderlich ist, dass es sich vollständig in dem hergestellten Vermögensgegenstand wiederfindet. Dies betrifft zB beim Holzschnitt nicht mehr verwendbare Teile (Ausschuss); sie gehen ebenfalls in die Herstellungskosten ein.3 Kann der Ausschuss hingegen anlässlich der Produktion eines anderen Erzeugnisses verwendet werden, so muss er sich dort – technisch ggf. über eine Kostengutschrift beim Erstprodukt – als Herstellungskosten auswirken.4 Ist der Rohstoffverlust wertungsmäßig nicht durch den Produktionsvorgang verursacht (zB Diebstahl), so soll nach hM eine Einbeziehung in die Herstellungskosten ausscheiden.5 Hilfs- und Betriebsstoffe werden idR als (unechte) Gemeinkosten (Rz. 38) nur schätzweise in die Herstellungskosten eingebracht.6 Beim Verpackungsmaterial bedarf es einer Abgrenzung zu den Vertriebskosten (Rz. 85). Sonderkosten der Fertigung sind solche Aufwendungen, die weder Material- noch Fertigungseinzelkos- 62 ten sind, aber gleichwohl die für Einzelkosten notwendige Nähe zu einem konkreten Herstellungsvorgang aufweisen, weil sie nur aufgrund dessen überhaupt anfallen. Als Beispiele werden hier idR genannt: Aufwendungen für Modelle, Schablonen, Spezialwerkzeuge, Stücklizenzen7 und für die Erlangung von Genehmigungen.8 Angesichts der systematischen Stellung (in Satz 2 mit anderen Einzelkosten) kommen nur Einzelkosten als Sonderkosten der Fertigung in Betracht.9 Haben sie Gemeinkostencharakter, fallen sie unter die Fertigungsgemeinkosten. Da zum Herstellungsvorgang auch vorbereitende Maßnahmen gehören (Rz. 55), wohnt den Sonderkosten ein Abgrenzungsproblem zu den nicht aktivierbaren Forschungskosten inne. Die Abgrenzungsfrage lautet: Sind die Kosten auftrags- bzw. objektgebunden? Wenn dies der Fall ist, liegen Sonderkosten der Fertigung vor.10 So ist zB das Architektenhonorar für die Baupläne in Ansehung eines Bauprojekts als Einzelkosten zu qualifizieren.11 Ein vergleichbares Abgrenzungsproblem besteht bei Entwicklungskosten. Für sie besteht zwar kein explizites Aktivierungsverbot (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). Die Abgrenzungsnotwendigkeit ergibt sich hier jedoch daraus, dass das Gesetz von einer Zurechnung dieser Kosten zu einem eigenständigen immateriellen Vermögensgegenstand ausgeht (Rz. 90 ff.) Besondere Verbrauchsteuern: Die hM im Handelsrecht ordnet auch die besonderen Verbrauchsteuern, 63 deren Schuldner der Hersteller ist (insbes. die Energiesteuern), den Sonderkosten der Fertigung zu.12 Für die Biersteuer hat der BFH hingegen mit Hinweis darauf, dass diese Steuer nicht mit der Herstellung, aber auch nicht zwingend mit der Lieferung des Biers, sondern erst mit dem Entfernen aus der Brauerei anfällt, entschieden, dass sie weder dem Fertigungs- noch dem Vertriebsbereich zuzuordnen sei.13 Diese Grundsätze müssen über die Biersteuer hinaus für alle Verbrauchsteuern gelten, die nicht mit der Herstellung anfallen, sondern vielmehr an der Herstellung nachgelagerte Vorgänge anknüpfen. Steuerrechtlich ist die – als Reaktion auf die Entscheidung zur Biersteuer eingeführte – Sonderregelung in § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG zu beachten. Die Regelung setzt letztlich das vom BFH vertretene Ergebnis der Nichtaktivierbarkeit voraus und ordnet gegenläufig die Aktivierung (konstitutiv) an. Für die einbeziehungspflichtigen Gemeinkosten enthält § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB einen Angemessenheits- 64 vorbehalt (Rz. 68 f.). Fraglich ist, ob auch für die in Satz 2 genannten Einzelkosten ein entsprechender Vorbehalt gilt. Dies wird zum Teil in der Literatur vertreten.14 Dem wird man zustimmen müssen.15 Denn 1 BFH v. 11.10.1960 – I 175/60 U, BStBl. III 1960, 492; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 177 (Stand Nov. 2016); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 351; Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 13 (Stand Okt. 2012). 2 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 178 (Stand Nov. 2016). 3 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 60; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 170 (Stand Nov. 2016). 4 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 170 (Stand Nov. 2016). 5 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 170 (Stand Nov. 2016); Offerhaus, StBp. 1965, 126. 6 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 59; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 168 f. (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 13 (Stand Okt. 2012). 7 Aufzählung bis hier nach Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 27; Selchert, BB 1986, 2298 (2304) und beide jeweils mwN. 8 Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 77. 9 A. A. Karrenbrock in FS Börner, 3 (17 f.): auch Gemeinkosten können Sonderkosten der Fertigung sein. 10 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 64. 11 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 30. 12 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 85; Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 27, 59 (Stand Okt. 2012). 13 BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13 (16). 14 Im älteren Schrifttum vor allem Falkenroth, BB 1957, 922 (922 f.); Schindle, StBp. 1963, 162 und im Anschluss hieran heute noch Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 76 (Stand Okt. 2012). 15 A. A. Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 353; Rade, DStR 2011, 1334.

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§ 255 Rz. 65 | Bewertungsmaßstäbe zum einen ist es schon im Ausgangspunkt schwierig, zwischen Einzel- und Gemeinkosten eine Trennlinie zu ziehen. Zum anderen beansprucht das Anliegen des Angemessenheitsvorbehalts für Einzel- und Gemeinkosten gleichermaßen Geltung, nämlich einen am Vorsichtsprinzip orientierten Ausweis selbst hergestellter Vermögensgegenstände (Rz. 69). Damit wird zugleich auch deutlich, was Angemessenheit hier nicht meint: Es geht nicht darum, die Angemessenheit des Gegenleistungsverhältnisses (Preis der eingesetzten Rohstoffe, Lohn der eingesetzten Arbeitnehmer) zu hinterfragen. Gegenstand der Angemessenheitsprüfung ist allein die Frage, ob die Kosten einem „normalen Produktionsvorgang“ entsprechen (s. Rz. 69). c) Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie Wertverzehr des Anlagevermögens 65

Material- und Fertigungsgemeinkosten sind Aufwendungen für folgende Kostenstellen: Einkauf, Warenannahme,1 Lagerung, Transport und Prüfung des Fertigungsmaterials (nicht des fertigen Produkts, s. Rz. 85), Vorbereitung (s. aber noch Rz. 66), Durchführung und Kontrolle (Qualitätssicherung) der Fertigung, Wartung, Instandhaltung und Reparatur der Lager- und Fertigungsanlagen (einschließlich Werkzeuglager), Betriebsleitung, Raumkosten (Wasser, Energie etc.), Sachversicherungen, Unfallstationen und Unfallverhütungseinrichtungen der Fertigungsstätten.2 Der Bezug zur Materialbeschaffung und -bewirtschaftung und zur Fertigung hat stets Vorrang. Dies gilt insbes. im Verhältnis zu den allgemeinen Verwaltungskosten. Von der Einbeziehungspflicht des Satz 2 werden daher auch material- und fertigungsbezogene „Verwaltungskosten“ erfasst (besonders deutlich: Kosten für das Lohnbüro, soweit in ihm die Löhne und Gehälter der in der Fertigung tätigen Arbeitnehmer abgerechnet werden). Insoweit muss die „technische Verwaltung“ von der allgemeinen Verwaltung getrennt betrachtet werden.3 Zu den Fertigungsgemeinkosten können auch die Aufwendungen für die Weiterentwicklung eines selbst hergestellten immateriellen Vermögensgegenstands gehören (Rz. 96).

66

Sofern Vorbereitungsaufwendungen keine Sondereinzelkosten der Fertigung sind (s. Rz. 62), sind sie häufig Gemeinkosten der Fertigung. Dies betrifft vor allem solche Aufwendungen, die eine Serienfertigung vorbereiten, wie zB das Einstellen von Fertigungsstraßen. Erstreckt sich die Serienfertigung nur auf das Geschäftsjahr, in dem auch diese Vorbereitungsaufwendungen anfallen, dann stellt sich grundsätzlich kein Zurechnungsproblem ein. Anders ist dies jedoch dann, wenn die Serienfertigung über mehrere Wirtschaftsjahre läuft und sich die Vorbereitungsaufwendungen also überperiodisch auswirken. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass diese Aufwendungen aktiv abzugrenzen und auf die voraussichtliche Herstellungsdauer zu verteilen seien.4 Ferner wird die Ansicht vertreten, dass diese Aufwendungen nicht aktiviert werden müssten. Die Begründungen dafür variieren. So wird zum einen geltend gemacht, dass letztlich unbekannt sei, wie viele Produkte in welcher Periode hergestellt werden, weshalb es auch für eine Nachaktivierung an einem tauglichen Verteilungsmaßstab fehle.5 Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass die Vorbereitungskosten schlicht zeitlich vor dem Herstellungsvorgang liegen.6 Eine weitere Meinung will die Aufwendungen zuerst in den Aufwand buchen und sodann die Aktivierung nachholen.7 ME müssen die Vorbereitungsaufwendungen bereits mit ihrem Anfall in einem Hilfsposten aktiviert werden, und dieser ist dann gleichmäßig auf die zu schätzende Dauer der Serienproduktion (dh. ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Produktionszahlen der jeweiligen Periode) als Gemeinkosten zu verteilen. Dies folgt aus der Finalität des Herstellungskostenbegriffs (Rz. 58). Das Ergebnis stimmt also mit der erstgenannten Ansicht überein. Das Erfordernis der zeitlichen Zurechnung steht dem jedenfalls nicht entgegen (vgl. Rz. 70).

67

Ebenfalls zu den Pflichtbestandteilen des § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB gehört der Wertverzehr des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Gemeint sind die planmäßigen Abschreibungen des zur Fertigung eingesetzten (abnutzbaren) Anlagevermögens. Würde das Gesetz den Güterverzehr des Anlagevermögens nicht gesondert herausgreifen, wäre er wohl Bestandteil der Fertigungsgemeinkosten. Die gesonderte Erwähnung dieses Aufwandspostens erklärt sich daher vornehmlich durch seine einschränkende Wirkung: Mit der expliziten Bezugnahme auf die Fertigung nimmt das Gesetz nämlich Abschreibungen auf die Anlagen des Materialbereichs aus.8 Diese dürfen dann auch nicht über die Materialgemeinkosten einbezogen werden. Ferner fließen auch außerplanmäßige Abschreibungen nicht in die 1 Bezüglich Einkauf und Warenannahme wohl aA Stobbe/Rade in HHR, § 6 EStG Rz. 166 (Stand Sept. 2015); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 53 (Stand Okt. 2012): Kosten der allgemeinen Verwaltung. 2 So im Wesentlichen die Aufzählung in R 6.3. Abs. 2 EStR 2012. 3 Karrenbrock in FS Börner, 3 (19); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 54 (Stand Okt. 2012). 4 So Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 479 aE (Stand Sept. 2016). 5 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 241 (Stand Nov. 2016). 6 Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 363. 7 Mathiak, DStJG 7 (1984), 97 (129). 8 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 66.

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 69 § 255

Herstellungskosten ein. Denn sie bringen grundsätzlich keinen durch die Herstellung veranlassten Wertverzehr zum Ausdruck.1 Sofern im Einzelfall allerdings nachweisbar ist, dass der außerplanmäßige Wertverzehr nachweislich durch die Produktion verursacht wurde (zum Steuerrecht und der dort möglichen Teilwert-Abschreibung Rz. 71), dann kommt auch ausnahmsweise eine Berücksichtigung in Betracht.2 Allerdings gilt der Angemessenheitsvorbehalt (Rz. 70). Problematisch ist, wie es sich mit degressiven Abschreibungen verhält. Im Ausgangspunkt wird ihre Berücksichtigungsfähigkeit nicht in Frage gestellt. Zum Teil wird unter Hinweis auf den Angemessenheitsvorbehalt (Rz. 68 ff.) allerdings die Ansicht vertreten, dass die (idR linearen) kalkulatorischen Abschreibungen in Bezug auf ihre Ansatzfähigkeit begrenzend wirken.3 Sofern die degressiven Abschreibungen nach Maßgabe der GoB erfolgen (s. § 253 Rz. 105 ff.), kann der damit bilanziell abgebildete Wertverzehr aber nicht als unangemessen beurteilt werden. Er bewegt sich vielmehr noch im Rahmen einer zulässigen Typisierung. Eine entsprechende Begrenzung ist daher abzulehnen. Dies gilt überhaupt für jede Maßgeblichkeit der kalkulatorischen Abschreibungen.4 Vollkommen irrelevant sind auch rein steuerrechtliche Abschreibungen, die Lenkungszwecke verfolgen und sich bis zum BilMoG über § 254 HGB aF auch handelsrechtlich ausgewirkt hatten.5 Der Gesetzgeber unterwirft die abstrakt einbeziehungspflichtigen Gemeinkosten einem Angemessenheits- 68 vorbehalt. Seine Verbindung zum Vorsichtsprinzip tritt bei den sog. Leerkosten deutlich zu Tage. Es würde dem Vorsichtsprinzip widersprechen, wenn alle Leerkosten bei dauerhafter Nichtauslastung des Betriebs erfolgsneutral in die (wenigen) hergestellten Vermögensgegenstände einfließen würden.6 Wird der Vermögensgegenstand dergestalt niedriger bewertet, bedarf es (insoweit) auch keiner Wertberichtigung auf den Zeit- bzw. Teilwert.7 Anlässlich der Leerkosteneliminierung macht es vor allem auch keinen Unterschied, ob Einzel- oder Gemeinkosten vorliegen. Auch für Einzelkosten gilt der Angemessenheitsvorbehalt (s. noch Rz. 80). Dies ist insbes. für die – nach hier vertretener Ansicht – als Einzelkosten einzuordnenden Lohnkosten relevant (Rz. 37 f.). Sinngemäß gilt dies für nicht notwendige Reserveanlagen8 und auch sonst tatsächlich nicht im konkreten Produktionsprozess eingesetzte Maschinen.9 Neben der Fallgruppe der Leerkosten sind auch noch andere Beispiele für unangemessen hohe Herstellungsgemeinkosten denkbar. Anders als bei den Wahlbestandteilen des § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB, für die der Angemessenheitsvorbehalt ebenfalls gilt (Rz. 80), ergibt sich bei den Material- und Fertigungsgemeinkosten zumindest noch aus der Natur dieser Kostenarten eine gewisse Einschränkung der Anwendungsfälle. So werden in der Literatur genannt: Zum einen periodenfremde Kosten, zB aufgrund von Wertnachholungen bei Pensionsrückstellungen (betreffend die Arbeitnehmer im Bereich Material und Fertigung) oder aufgrund geänderter Sterbetafeln oder veränderter Zinssätze, und zum anderen außergewöhnliche Kosten, zB aufgrund von Wasserschäden und Bränden10 (zu außerplanmäßigen Abschreibungen s. allerdings Rz. 67). Betrachtet man alle vorgenannten Beispiele, wird deutlich, dass es viele angemessene Ergebnisse gibt. 69 Denn gesucht wird letztlich der Teil der Aufwendungen, der mit Blick auf den Herstellungsvorgang als „normal“ anzusehen ist. Diese Normalität kann man zum einen vergleichend ermitteln. Dies kann anhand von Durchschnittswerten vergangener Perioden, in denen keine zur Unangemessenheit führenden Ereignisse vorlagen, geschehen.11 Ebenso ist es denkbar, die Normalität theoretisch zu ermitteln, zB kann man losgelöst von arbeitsrechtlichen Restriktionen ein genau auf die tatsächliche Produktion zugeschnittenes oder – vorzugswürdig – ein normales Beschäftigungsniveau zugrundelegen12 oder man kann bei den Fixkosten die unangemessenen Leerkosten dadurch ermitteln, dass man die effektiv erzeugte Menge mit der möglichen Produktionsmenge in Beziehung setzt.13 Wie man auch verfährt: Es kommt zwangsläufig zu 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

So jedenfalls Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 32; Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 40 (Stand Okt. 2012). Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 245 (Stand Nov. 2016). Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 37 (Stand Okt. 2012). Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 246 ff. (Stand Nov. 2016); einschränkend hingegen Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 38 (Stand Okt. 2012). Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 225 (Stand Nov. 2016); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 428. Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 31; Köhler, DB 2015, 763 (764 f.); Rade, DStR 2011, 1334 (1335); Schubert/ Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 355; v. Wysocki in FS Beusch, 929 (937 f.). Dazu Köhler, DB 2015, 763. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 73. Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 438. Beide Beispiele nach Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 66. Christiansen, StBp. 1986, 173; Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 438. Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 224, 290 ff. (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 85 (Stand Okt. 2012) m. Nachw.; vgl. auch Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 438. Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 89 (Stand Okt. 2012) m. Nachw.; s. auch Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 290 ff. (Stand Nov. 2016).

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§ 255 Rz. 70 | Bewertungsmaßstäbe Bandbreiten; zum einen sind die Vergleichswerte nur in Bandbreiten beobachtbar, zum anderen sind auch die unterstellten Bezugsgrößen wie Normalbeschäftigung, Normalauslastung etc. nicht eindeutig bestimmbar.1 Dem Kaufmann steht insoweit eine Einschätzungsprärogative zu, die auch steuerrechtlich gilt. 70

Die Gemeinkosten dürfen nur insoweit in die Herstellungskosten einbezogen werden, wie sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (zum Herstellungszeitraum Rz. 55). Dies ordnet das Gesetz seit dem BilMoG zwar explizit nur noch für Kosten des Satz 3 an (Rz. 80), gilt aber auch für die Gemeinkostenbestandteile des Satz 2. Der Gesetzgeber des BilMoG hat keine Änderung im Verhältnis zum vorherigen Rechtszustand bezweckt. Dies hätte er aus Gründen des Vorrangs des Unionsrechts auch nicht gekonnt. Der damalige Art. 35 Abs. 3 Buchst. b RL 78/660/EWG sah eine Gemeinkosteneinbeziehung nur vor, wenn die Kosten auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Heute wird dies von Art. 2 Nr. 7 RL 2013/ 34/EU (Rz. 11) angeordnet. Das zeitliche Erfordernis ist zum einen von Bedeutung für betrieblichen Sofortaufwand (zB Löhne etc). Zum anderen korrespondiert mit ihm der handelsbilanzielle Grundsatz der Aufwandsverteilung bei über eine Periode hinaus genutzten Anlagegütern: Abschreibungen müssen gerade auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (s. zu Abschreibungen auch bereits Rz. 67). Oder negativ gewendet: Aus dem Zeiterfordernis folgt beispielsweise, dass bei Saisonbetrieben nur die Aufwendungen berücksichtigt werden können (insbes. Wertverzehr des Anlagevermögens), die auf den Zeitraum der tatsächlichen Herstellungstätigkeit entfallen (nicht zu verwechseln mit den Leerkosten iSv. Rz. 68).2 Aber auch jenseits zu aktivierender Vermögensgegenstände und ihres Wertverzehrs kann eine Aufwandsverteilung auf die Jahre der Herstellung gerechtfertigt sein; jedenfalls kann dem zeitlichen Erfordernis des § 255 HGB nicht entnommen werden, dass Aufwendungen zwingend zeitgleich mit der Herstellung eines jeden einzelnen Produkts anfallen müssen. Dies ist vor allem bei Vorbereitungsaufwendungen relevant (Rz. 66).

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Steuerrecht: Auch steuerrechtlich sind die Pflichtbestandteile des § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB zwingend einzubeziehen. Sowohl in Bezug auf die zeitliche Einschränkung (Herstellungsvorgang, Rz. 70) als auch den Angemessenheitsvorbehalt (Rz. 68 f.) bestehen grundsätzlich keine Divergenzen. Insbes. sind hinsichtlich des Wertverzehrs des Anlagevermögens die (nur noch) steuerrechtlich zulässigen Abschreibungen (s. bereits Rz. 67) irrelevant.3 Auch eine Teilwert-Abschreibung (§ 253 Rz. 148 ff.) ist nicht einzubeziehen, sofern die zulässige Wertberichtigung nicht durch die Produktion veranlasst ist4 (insoweit analog der außerplanmäßigen Abschreibung, s. Rz. 67). Zudem scheint auch die Finanzverwaltung davon auszugehen, dass der Wertverzehr des Anlagevermögens degressiv in die Herstellungskosten einfließen darf5 (s. Rz. 67). d) Sog. Kuppelproduktion

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Die Abgrenzung zwischen Einzel- und Gemeinkosten ist mitunter schwierig. Unmöglich wird sie dort, wo in einem Arbeitsgang mehrere Produkte hergestellt werden (sog. Kuppelproduktion). Alle Aufwendungen, die dem Produktionsvorgang zugerechnet werden können, sind zwangsläufig Gemeinkosten, die auf die hergestellten Produkte verteilt werden müssen.6 Nach zutreffender Ansicht ist Bezugsobjekt die gesamte Kuppelproduktion, und die Verteilung der Gemeinkosten erfolgt mit Zurechnungsfiktionen.7 Dabei lässt sich danach differenzieren, ob es ein Hauptprodukt und Nebenprodukte gibt (dann Restwert- bzw. Subtraktionsmethode) oder ob alle Produkte wertungsmäßig gleich zu erachten sind. In dem letztgenannten Fall können die anfallenden Kosten zB nach Mengenanteilen oder physikalischen Eigenschaften verteilt werden.8 Letztlich gibt es mehrere vertretbare Vorgehensweisen. Dem Kaufmann steht insoweit ein Einschätzungsspielraum zu9, der auch steuerrechtlich gilt.10 1 Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 82 ff. (Stand Okt. 2012), dort auch noch zu weitergehenden Berechnungsüberlegungen mit weiteren Nachweisen. 2 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 226 (Stand Nov. 2016). Der BFH scheint dies – allerdings diskutiert im Rahmen der Angemessenheit und der Leerkostenproblematik – wohl anders zu sehen (BFH v. 15.2.1966 – I 103/ 63, BStBl. III 1966, 468: Zuckerfabrik, die typischerweise nur für ein paar Monate ihren Betrieb aufnimmt, sog. „Zuckersaison“). 3 Für das Handelsrecht mit Blick auf § 254 HGB aF ebenso Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 225 (Stand Nov. 2016). 4 Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 429. 5 Vgl. R 6.3 Abs. 4 Satz 2 f. EStR 2012. 6 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 28; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 218 (Stand Nov. 2016); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 113. 7 Siegel in FS Schneider 635 (670 f.); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 129 (Stand Okt. 2012). 8 Einzelheiten Bachem, BB 1997, 1037 (1039 ff.); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 219 f. (Stand Nov. 2016). 9 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 28. 10 Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 527 ff., 545 ff.

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 75 § 255

e) Steuerrechtliche Sonderregelung des sog. anschaffungsnahen Herstellungsaufwands (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG werden auch Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in- 73 nerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, zu den Herstellungskosten gezählt, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Die Bedeutung der Regelung liegt gerade darin, dass sie nicht voraussetzt, dass die Aufwendungen zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes iSv. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben. Die Norm statuiert also eine Aktivierungspflicht ungeachtet des § 255 Abs. 2 HGB. Der BFH versteht die Regelung zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand als eine vorrangige Sondervorschrift. Zu den Aufwendungen iSv § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gehören daher alle Kosten für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und nicht in Satz 2 der Norm ausdrücklich ausgenommen sind; dies gilt ungeachtet der hadelsrechtlichen Einordnung dieser Kosten bzw. Teile dieser Kosten.1 Dies bewirkt eine Abweichung vom Handelsrecht. Denn die steuerrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG hat keine unmittelbare Relevanz für die Handelsbilanz; hier gilt abschließend § 255 Abs. 2 HGB2 (vgl. auch Rz. 54). ME kann § 255 Abs. 2 HGB auch nicht so ausgelegt werden, dass wieder Deckungsgleichheit eintritt.3 § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG setzt zwingend einen entgeltlichen Anschaffungsvorgang voraus. Anderenfalls ist 74 der Vergleich mit den Anschaffungskosten des Gebäudes nicht möglich.4 Übersteigen die Aufwendungen für Instandsetzung und Modernisierung (Rz. 75) diese Anschaffungskosten um 15 %, so sind sie als Herstellungskosten zu qualifizieren. Kostenerstattungen von dritter Seite mindern diesen Betrag; nur der Saldo fließt in die 15 %-Betrachtung ein.5 In zeitlicher Hinsicht erfordert die Norm eine Durchführung der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes. Der Zeitraum beginnt also mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und endet tagesgenau mit Ablauf von drei Kalenderjahren.6 Maßgeblich für die Einhaltung der Dreijahresfrist ist das Entstehen der Aufwendungen, nicht die Rechnungserstellung oder deren Bezahlung. Werden die Instandsetzungsarbeiten vor Ablauf der Dreijahresfrist begonnen, so ist nach zutreffender Ansicht der Abschluss der Maßnahme maßgeblich.7 Bezugspunkt für die Anwendung der 15 %-Grenze ist das einzelne Wirtschaftsgut „Gebäude“. Dies hat erhebliche Bedeutung bei unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen (eigenbetrieblich, Vermietung etc.), da insoweit mehrere Wirtschaftsgüter vorliegen. Dann ist auch nur jeder Gebäudeteil für sich (objektbezogen) zu betrachten.8 Erfolgt hingegen eine einheitliche Nutzung (z.B. Fremdvermietung mehrerer Wohnungen) dann liegt auch nur ein Wirtschaftsgut vor mit der Folge, dass das gesamte Gebäude ungeachtet der Anzahl der Wohneinheiten Bezugspunkt für die 15%-Grenze ist.9 Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen: Den Begriff hat der BFH in seinen grundlegenden 75 Entscheidungen vom 14.6.2016 dahingehend konkretisiert, dass hierunter „bauliche Maßnahmen zu verstehen [sind], durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen iSd § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär, Elektro und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung […]. Hierzu gehören auch Schönheitsreparaturen wie das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der Fenster“.10 Alle diese Aufwendungen sind in die 15 %-Betrachtung einzubeziehen und dies auch im Falle verdeckter Mängel11 (wenn sie innerhalb 1 Grundlegend BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992; v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 und v. 14.6.2016 – IX R 15/15, BStBl. II 2016, 996; zuvor auch bereits Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 416 (Stand Sept. 2016); Herzig/Briesemeister, WPg. 2010, 69; Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 385; Wendt in FS Spindler, 879 (890); aA Werndl in KSM, § 6 EStG Rz. Ba 55 (Stand April 2006); Söffing, DB 2004, 946 (947). 2 Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 331; Wendt in FS Spindler, 879 (894). 3 Mit Sympathie hierfür hingegen Hoffmann, DStR 2016, 2273 (2274). 4 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 429 (Stand Sept. 2016). 5 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 (995). 6 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 421 f. (Stand Sept. 2016); Werndl in KSM, § 6 EStG Rz. Ba 46 (Stand April 2006). 7 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 422 (Stand Sept. 2016); Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 384 jew. zur Diskussion. 8 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 (995). 9 BFH v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 (1002). 10 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 (994); v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 (1001) und v. 14.6.2016 – IX R 15/15, BStBl. II 2016, 996. 11 FG Münster v. 20.1.2010 – 10 K 526/08, juris; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 425 (Stand Sept. 2016); Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 382.

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§ 255 Rz. 76 | Bewertungsmaßstäbe von drei Jahren nach der Anschaffung anfallen, dazu Rz. 74, zu nachträglichen Mängeln Rz. 76). Diese Auslegung des Instandsetzungs- und Modernisierungsbegriffs muss zwangsläufig zu einer Überschneidung mit § 255 HGB führen. Für eine Konstellation bestimmt die Norm das Konkurrenzverhältnis selbst: Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG ist die Erweiterungsvariante des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB lex specialis im Verhältnis zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Maßnahmen, die eine Erweiterung (Rz. 52) begründen, sind mithin nicht in die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einzubeziehen. Sie sind allein nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu würdigen.1 Anders ist dies in Ansehung der Variante der „wesentlichen Verbesserung“ (Rz. 53). Aufwendungen, die eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung bewirken, sind in die 15 %-Grenze einzubeziehen (s. zum Vorrang des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bereits Rz. 73). 76

Kein anschaffungsnaher Herstellungsaufwand liegt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG vor, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die üblicherweise jährlich anfallen (zB die Wartung der Heizung oder des Aufzugs). Die Ausklammerung dieser jährlich wiederkehrenden Aufwendungen gilt ungeachtet des Umstandes, dass sie in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer umfassenden Instandsetzung und Modernisierung durchgeführt werden.2 Auch wenn es an einer expliziten Ausnahme fehlt, so sollen nach teilweise vertretener Ansicht auch solche Aufwendungen aus dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auszuklammern sein, die der Beseitigung nachträglich (d. h. erst nach der Anschaffung des Gebäudes) entstandener Schäden dienen3 (anders bei verdeckten, bei Anschaffung bereits vorhandenen Mängeln, s. Rz. 75). Schönheitsreparaturen, also die Beseitigung von Mängeln, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstehen, fallen hingegen nicht unter die Ausnahme des Satz 2 (Rz. 75).4

III. Wahlbestandteile der Herstellungskosten 1. Kosten der allgemeinen Verwaltung und Sozialgemeinkosten (Abs. 2 Satz 3) 77

§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB sieht handelsrechtlich ein Wahlrecht für solche Kosten vor, die keinen Bezug zum Herstellungsvorgang aufweisen, sondern das Unternehmen als Ganzes betreffen.5 Dies betrifft zum einen die Gemeinkosten der allgemeinen Verwaltung (Rz. 78) und zum anderen die Sozialgemeinkosten (Rz. 79). Für beide Kostenarten gilt ein Angemessenheitsvorbehalt (Rz. 80). Die betriebswirtschaftliche und die handelsrechtliche Lehre streiten darüber, ob und inwieweit diese Gemeinkosten überhaupt zu den Herstellungskosten gehören. Mit anderen Worten: Dürfen (bestimmte) Gemeinkosten eingerechnet werden oder brauchen sie nicht eingerechnet zu werden?6 Gleich, in welche Richtung man das Wahlrecht versteht, so wird man es jedenfalls als Vereinfachungsregelung sehen müssen. Es entlastet den Kaufmann von einer Gemeinkostenschlüsselung.7 Das Wahlrecht kann freilich nur ausgeübt werden, wenn das Kostenrechnungssystem des Kaufmanns die Ermittlung des angemessenen Teils auch leisten kann.8

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Kosten der allgemeinen Verwaltung: Hinter der „allgemeinen Verwaltung“ verbirgt sich letztlich kein einheitliches Bild aller in einem Unternehmen anfallenden Verwaltungskosten. Dies folgt daraus, dass das Gesetz die Material- und Fertigungsgemeinkosten gesondert dem Satz 2 zuordnet, diese aber typischerweise auch Verwaltungskostenelemente aufweisen (Rz. 65). R 6.3 Abs. 3 Satz 1 EStR 2012 nennt beispielhaft die Aufwendungen für die Geschäftsleitung, Einkauf und Wareneingang (aA Rz. 55), Betriebsrat, Personalbüro, Nachrichtenwesen, Ausbildungswesen, Rechnungswesen, Buchführung, Betriebsabrechnung, Statistik und Kalkulation, Feuerwehr, Werksschutz sowie allgemeine Fürsorge einschließlich Betriebskrankenkassen. Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen auch ergebnisabhängige Zahlungen an die Arbeitnehmer unter diese Kostenkategorie fallen. Zutreffender Weise muss differenziert werden: Sind die Arbeitnehmer kapitalmäßig an ihrem Arbeitgeber beteiligt, sind etwaige Gewinnausschüttungen keine Herstellungskosten. Erfolgt die Ergebnisbeteiligung hingegen auf arbeitsvertraglicher Grundlage, so han1 FG München v. 3.2.2015 – 11 K 1886/12, EFG 2015, 1081, rkr. 2 BFH v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 (1001); aA noch BFH v. 25.8.2009 – IX R 20/08, BStBl. II 2010, 125 (127). 3 FG Düss. v. 21.1.2016 – 11 K 4274/13, DStRE 2017, 3 (4 f.). 4 Explizit BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 (994 f.); v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 (1003) und v. 14.6.2016 – IX R 15/15, BStBl. II 2016, 996 (998). 5 Günkel/Teschke, Ubg. 2010, 401. 6 Lesenswert zur Diskussion Baetge in FS Ludewig, 53 (59 ff.); Kraus-Grünewald, zfbf 46 (1994), 32 ff.; Mellwig in FS Budde, 397; v. Wysocki in FS Beusch, 929 (934 ff.). 7 Döllerer, ZHR 157 (1993), 349 (354); Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (470); Kraus-Grünewald, zfbf 46 (1994), 32 (42 ff., 48 ff.); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 55 (Stand Okt. 2012). 8 Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (470).

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 81 § 255

delt es sich letztlich um Arbeitslohn, und dieser wirkt sich bilanziell als Aufwand aus. Damit steht auch der Einbeziehung in die Herstellungskosten nichts im Wege: Sofern es sich um Arbeitnehmer des Material- und Fertigungsbereichs handelt, sind solche Aufwendungen zu aktivieren (Pflicht, s. Rz. 65). Für die anderen Arbeitnehmer besteht hingegen das Wahlrecht für allgemeine Verwaltungskosten, sofern es sich nicht um Vertriebsmitarbeiter (Rz. 85) handelt.1 Sozialgemeinkosten: Kosten für soziale Einrichtungen sind zB die Aufwendungen für die Kantine ein- 79 schließlich der Essenszuschüsse,2 für einen Betriebskindergarten,3 den Betriebsarzt4 sowie für die Freizeitgestaltung der Arbeitnehmer5 wie zB Sporteinrichtungen.6 Freiwillige soziale Leistungen sind nur Aufwendungen, die nicht arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich vereinbart worden sind; hierzu können zB Jubiläumsgeschenke, Wohnungs- und andere freiwillige Beihilfen, Weihnachtszuwendungen oder Aufwendungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Ergebnis des Unternehmens gehören.7 Aufwendungen für die betriebliche Altersvorsorge sind Beiträge an Direktversicherungen und Pensionsfonds, Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen oder Zuführungen zu Pensionsrückstellungen.8 Für die Kosten der allgemeinen Verwaltung und die Sozialgemeinkosten gilt ebenfalls der Angemessenheitsvorbehalt. Die Ausführungen der Rz. 68 f. gelten sinngemäß. Dies betrifft insbes. periodenfremde und außergewöhnliche Kosten. Darüber hinaus entfaltet der Angemessenheitsvorbehalt hier gerade deshalb seine begrenzende Kraft, weil die allgemeinen Verwaltungs- und Sozialgemeinkosten selbst keine sachliche Begrenzung (wie zB der Fertigungsvorgang bei den Fertigungsgemeinkosten) in sich tragen. So soll der Angemessenheitsvorbehalt zB der Einbeziehung „betriebsfremder Kosten“ Grenzen setzen, also zB dem Ansatz von Parteispenden und Abschreibungen auf Finanzanlagen in einem Produktionsunternehmen.9 Ferner ist auch für die allgemeinen Verwaltungskosten und die Sozialgemeinkosten ein zeitlicher Bezug zum Herstellungsvorgang erforderlich. Die Ausführungen bei Rz. 70 gelten entsprechend.

80

Steuerrecht: Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.201610 hat der Ge- 81 setzgeber § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG eingefügt, wonach bei der Berechnung der Herstellungskosten angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung iSd § 255 Absatz 2 Satz 3 HGB nicht einbezogen werden brauchen, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Das handelsrechtliche Einbeziehungswahlrecht gilt somit auch im Steuerrecht. Dies war bis zur Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG nicht unumstritten. Während die h. L. schon zuvor zutreffend von einem auch steuerlich zu beachtenden Wahlrecht ausgegangen war (arg.: einheitlicher Herstellungskostenbegriff in Handels- und Steuerrecht)11, hatte die Finanzverwaltung dies verneint12. Der Gesetzgeber begründet die gesetzliche Regelung mit dem „Vereinfachungsgedanken“.13 Es wäre in der Tat merkwürdig, wenn das Handelsrecht das Anliegen der Vereinfachung mit seinem Wahlrecht verwirklicht, aber das Steuerrecht dies ignoriert. Ob das Vereinfachungsanliegen wirklich verwirklicht wird, hängt allerdings letztlich von der Gestaltung der Kostenrechnung im konkreten Betrieb ab.14 Der Gesetzgeber hat das steuerliche Wahlrecht schließlich mit dem Handelsrecht verknüpft: Ermittelt der Stpfl. seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG, muss er das Wahlrecht in Überstimmung mit der Handelsbilanz ausüben (§ 6 Abs. 1 Nr. 1b Satz 2 EStG).

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Mit dieser Differenzierung vor allem Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 259 ff. (Stand Nov. 2016). R 6.3 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012. Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 33. Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 33. R 6.3 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 76. R 6.3 Abs. 3 Satz 3 EStR 2012. R 6.3 Abs. 3 Satz 4 EStR 2012. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 66. BGBl. I 2016, 1679 Freidank/Velte, StuW 2010, 356 (365 f.); Stobbe/Rade in HHR, § 6 EStG Rz. 225 (Stand Sept. 2015); Günkel/Teschke, Ubg. 2010, 401 (402 ff.). 12 R 6.3 Abs. 1 EStR 2012; mit BMF v. 25.3.2013 – IV C 6-S 2133/09/10001 :004 – DOK 2012/1160068, BStBl. I 2013, 296 hatte die Finanzverwaltung den Vollkostenansatz allerdings erst einmal bis zur Verifizierung des damit verbundenen Aufwandes ausgesetzt. 13 BT-Drucks. 18/8434, 125. 14 Meyering/Gröne, DStR 2016, 1696 (1700).

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§ 255 Rz. 82 | Bewertungsmaßstäbe 2. Finanzierungskosten (Abs. 3) 82

Fremdkapitalzinsen gehören grundsätzlich nicht zu den Herstellungskosten. Dies ordnet § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB explizit an und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass Fremdkapitalzinsen typischerweise die dem Herstellungsvorgang vorgelagerte Kapitalbeschaffung und damit das Unternehmen insgesamt betreffen.1 In Satz 2 findet sich sodann als Wahlrecht ausgestaltet eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet wird, dürfen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Sie gelten dann als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands (Fiktion). Die Regelung gilt sowohl für das Anlage- wie auch für das Umlaufvermögen.2 Nicht unproblematisch ist, wie streng der von Abs. 3 eingeforderte sachliche Bezug sein muss. Man wird hier nicht verlangen dürfen, dass Fremdkapital explizit zur Herstellung eines konkreten Vermögensgegenstands aufgenommen worden ist (was praktisch nur bei größeren Gebäudeerrichtungen oder im Großanlagenbau denkbar ist). Vielmehr ist eine schätzweise Bestimmung des auf die Herstellung entfallenden Fremdkapitals aus dem insgesamt den Betrieb belastenden Fremdkapital heraus zulässig. Damit sind vor allem (auch) die Fälle erfasst, in denen das Unternehmen dauerhaft gleichbleibend oder mit herstellungsunabhängigen Schwankungen mit Fremdkapital arbeitet. Maßgeblich ist der tatsächliche Zinsaufwand einer Periode. Hierzu gehören auch die planmäßige Abschreibung eines aktivierten Disagios (s. § 250 HGB Rz. 25), aber keine Kapitalbeschaffungskosten.3 Der dergestalt definierte Zinsaufwand kann mit der Unterstellung, dass alle Vermögensgegenstände gleichermaßen entsprechend der bilanziellen Kapitalstruktur des Unternehmens finanziert werden, den hergestellten Vermögensgegenständen zugeordnet werden.4

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Steuerrechtlich vertritt die Finanzverwaltung die Ansicht, dass handelsrechtlich aktivierte Fremdkapitalzinsen auch steuerrechtlich zu aktivieren sein sollen und umgekehrt im Fall der Nichtaktivierung auch steuerrechtlich keine Aktivierung zu erfolgen hat.5

IV. Nicht einbeziehungsfähige Bestandteile der Herstellungskosten (Forschungs- und Vertriebskosten, Abs. 2 Satz 4) 84

Ein Einbeziehungsverbot gilt für Forschungskosten. Das BilMoG hat dies nur klargestellt. Der Begriff der Forschungskosten stimmt mit demjenigen des Abs. 2a Sätze 3 f. überein (s. daher Rz. 91). Auch wenn das Gesetz die Entwicklungskosten in Abs. 2 nicht nennt, so besteht doch auch für diese Kostenart idR nicht die Möglichkeit der Aktivierung als Herstellungskosten des aus der Entwicklung fließenden, hergestellten Produkts. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass die Entwicklungskosten Herstellungskosten eines davon zu unterscheidenden immateriellen Vermögensgegenstands sind.6 Teil der Fertigungsgemeinkosten sind sie daher nur dann, wenn kein immaterieller Vermögensgegenstand (abstrakt) geschaffen worden ist und wenn es sich auch nicht um nachträgliche Herstellungskosten zu einem bereits bestehenden immateriellen Vermögensgegenstand handelt (s. Rz. 96).

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Seit jeher enthält § 255 Abs. 2 HGB das Verbot, Vertriebskosten in die Herstellungskosten einzubeziehen. Der Gesetzgeber hält diese Aufwendungen offensichtlich nicht für werthaltig genug. Zum Vertrieb iSd. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB gehören alle Maßnahmen, die dem Produkt- und Leistungsabsatz dienen.7 Das Einbeziehungsverbot gilt für Einzel- und Gemeinkosten gleichermaßen (s. auch noch Rz. 87).8 Es ist auch irrelevant, wann sie anfallen (Rz. 86). So können Vertriebskosten dem Herstellungsvorgang vor-, ebenso gut (was die Regel ist) nachgelagert sein. Typische Vertriebskosten sind Transportkosten (Fracht, Transportversicherung), die Lohnkosten für die Auftragsbearbeitung und -abwicklung sowie die Versandabteilung und die Kosten für Marktforschung und Werbung.9 Auch die Lagerkosten der Fertigprodukte sind

1 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 36. 2 Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 29 (Stand Okt. 2012). 3 IDW RS HFA 31 Rz. 27; Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 29 (Stand Okt. 2012); für die Einbeziehung von Kapitalbeschaffungskosten hingegen Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 309 (Stand Nov. 2016). 4 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 78; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 312 (Stand Nov. 2016); dagegen Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 29 (Stand Okt. 2012). Einzelheiten zur Berechnungsmethode bei Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 313 ff. (Stand Nov. 2016). 5 R 6.3 Abs. 5 EStR 2012. 6 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 6 (Stand Nov. 2016). 7 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 35. 8 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 270 (Stand Nov. 2016); Ordelheide in FS Forster, S. 508 (511 ff.); Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 449; aA Weber, DB 1987, 393. 9 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 271 ff. (Stand Nov. 2016).

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C. Herstellungskosten (Abs. 2, Abs. 3)

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Rz. 89 § 255

Vertriebskosten,1 sofern die Lagerung nicht ausnahmsweise noch zum Herstellungsvorgang gehört (zB bei der Lagerung von Käse, Nutzholz, Wein etc.2). Hinsichtlich der Verpackung unterscheidet der BFH zwischen der Innenverpackung einerseits (Herstellungskosten) und der Außenverpackung andererseits (Vertriebskosten). Letztere sind deshalb Vertriebskosten, weil sie nicht (mehr) den Zweck verfolgen, ein Gut ge- oder verbrauchsfähig zu machen. Sie dienen idR nur dazu, eine bereits ge- oder verbrauchsfertig hergestellte Ware beim Vertrieb auf dem Weg zum Abnehmer gegen Beschädigung jeglicher Art zu schützen. Anders sei dies (ausnahmsweise) bei einer sog. Innenverpackung, dh. wenn aufgrund der Eigenart eines Erzeugnisses eine bestimmte Verpackung notwendig ist, um das Erzeugnis überhaupt erst verkehrsfähig zu machen (zB Bier in Flaschen, Milch in Tüten, Waschpulver in Kartons, Zahnpasta in Tuben).3 Ist die Verpackung eine solche Innenverpackung, dann rechnen auch die Abfüllkosten noch zum Herstellungsvorgang.4 Liegt eine Innenverpackung vor, dann schadet es zudem auch nicht, wenn auf ihr die Werbung für andere Produkte aufgedruckt ist.5 Anders ist dies hingegen, wenn die Werbung in die Verpackung eingelegt wird (dann Vertriebskosten für das beworbene Produkt). Verpackungen, die mehrere bereits verpackte und damit verkehrsfähige Güter zu einer größeren Verkaufseinheit zusammenfassen, stellen hingegen eine Außenverpackung dar.6 Beigefügte Bedienungs- und Einbauanleitungen stellen grundsätzlich keine Vertriebskosten dar. Anders soll dies hingegen bei Hinweisen auf Garantie- und Wartungsansprüche sein.7 Umstritten ist, ob Akquisitionskosten Vertriebskosten iSv. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB darstellen. Dies sind 86 zB die an Makler oder andere Dritte gezahlten Provisionen (einschließlich Bestechungsgelder) zur Vermittlung des Auftrags. Solche Aufwendungen dienen zwar unzweifelhaft dem Absatz der Ware, weisen aber die Besonderheit auf, dass sie häufig vor Auftragserlangung anfallen. Nach zutreffender Ansicht kann es aber nicht auf die zeitliche Abfolge ankommen. Entscheidend ist allein, dass es sich der Art nach um Vertriebskosten handelt (Rz. 85).8 Ein weiteres Beispiel sind die Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Auftragsausschreibung (Angebotserstellung etc.). Lediglich für Planungs- und Konstruktionskosten gilt dies nicht (auch wenn sie anlässlich der Auftragsausschreibung oder sonst im Zusammenhang mit der Auftragserlangung anfallen). Diese fallen beispielweise an, wenn mit dem Kunden technische Details und Möglichkeiten besprochen werden, wenn Vorgutachten und Konstruktionszeichnungen erstellt werden müssen. Sie stellen (idR) Sonderkosten der Fertigung dar; ihr lediglich auftragsvorbereitender Charakter schadet insoweit nicht. Voraussetzung für eine Aktivierung ist allerdings die Auftragserteilung (s. Rz. 56). Das Einbeziehungsverbot gilt auch für Vertriebsgemeinkosten (Rz. 85), zB Abschreibungen auf Gebäude 87 (-teile), die dem Vertrieb dienen, und entsprechende Raumkosten (Energie etc.). Sind allerdings Verwaltung und Vertrieb (räumlich, personell) so eng miteinander verbunden, dass eine sachgerechte Trennung der Aufwendungen nicht möglich ist, so dürfte eine vollständige Zuordnung zu den Aufwendungen der allgemeinen Verwaltung zulässig sein. Entsprechendes gilt bei einer untrennbaren Verbindung zwischen Herstellungs- und Vertriebsprozess; auch hier gilt das Einbeziehungsverbot für Vertriebskosten nicht.9 Die handelsrechtlichen Aktivierungsverbote des § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB gelten uneingeschränkt auch für das Steuerrecht.

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V. Einzelfälle zu den Herstellungskosten Abbruchkosten: Wird ein bebautes Grundstück mit Abbruchabsicht in Ansehung eines wirtschaftlich 89 oder technisch noch nicht verbrauchten Gebäudes erworben, sind die Abbruchkosten sowie der Restbuch1 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 68, 81; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 142 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 57 (Stand Okt. 2012). 2 Mit diesen Beispielen Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 84; Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 57 (Stand Okt. 2012). 3 BFH v. 3.3.1978 – III R 30/76, BStBl. II 1978, 412 (413); v. 28.8.1987 – III R 88/82, BStBl. II 1987, 789; die Literatur folgt dem, Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 172 (Stand Nov. 2016); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 58 (Stand Okt. 2012), jew. mwN. 4 BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13 für Bier. 5 Vgl. BFH v. 21.1.1971 – IV R 51/69, BStBl. II 1971, 304. 6 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 83. 7 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 504 (Stand Sept. 2016); Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 173 (Stand Nov. 2016). 8 Ordelheide in FS Forster, S. 508 (513 ff.); Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 61 (Stand Okt. 2012); aA Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 456; Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 194 (Stand Nov. 2016), dort allerdings mit einer Ausnahme für Bestechungsgelder; auch Selchert, BB 1986, 2298 (2304) geht ganz allgemein davon aus, dass die Kosten der Auftragserlangung nicht zu den Vertriebskosten gehören. 9 So Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 62 (Stand Okt. 2012).

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§ 255 Rz. 89 | Bewertungsmaßstäbe wert des Gebäudes Herstellungskosten des auf dem Grundstück neu geschaffenen Vermögensgegenstands (idR wiederum ein Gebäude). Voraussetzung ist nach Ansicht der Steuerrechtsprechung allerdings, dass der Abbruch mit der Herstellung des neuen Vermögensgegenstands in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang steht;1 dies wird allerdings der Regelfall sein, da der Abbruch des alten Gebäudes Voraussetzung für die Errichtung des neuen Gebäudes ist.2 Ansonsten gehören Abbruchkosten und Restbuchwert zu den Anschaffungskosten des Grundstücks (s. Rz. 50 „Abbruchkosten“). War das Gebäude im Abbruchzeitpunkt bereits wirtschaftlich und technisch verbraucht, sind lediglich die Abbruchkosten Herstellungskosten des neuen Vermögensgegenstands. War das Gebäude dem Kaufmann bereits zuvor zuzurechnen, existiert kein Restbuchwert, der relevant werden könnte. Hat der Kaufmann das bebaute Grundstück zuvor erst erworben, so ist der Kaufpreis vollständig dem Grund und Boden zuzurechnen.3 Das Niedersächsische Finanzgericht meint, dass sogar die Herstellungskosten eines später wegen Baumängeln wieder abgerissenen Gebäudes sowie die Abrisskosten selbst zu den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes gehören sollen; Entsprechendes gelte für die Kosten der Mängelbeseitigungsversuche und die Bauprozesskosten.4 Abfälle anlässlich der Herstellung: s. Rz. 61. Ablöse- und Abstandzahlungen an Nutzungsberechtigte (Mieter, Pächter) mit dem Ziel, dass diese auf ihre Rechtsposition verzichten, um einen Neubau zu ermöglichen, stellen Herstellungskosten für diesen dar.5 Akquisitionskosten: Vertriebskosten, s. Rz. 86. Ausgleichsbeträge nach § 154 BauGB, die anlässlich einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme zu zahlen sind, sind Herstellungskosten, wenn das Grundstück in seiner Substanz oder seinem Wesen verändert wird. Dies ist zB bei einer erstmaligen Erschließung oder bei Maßnahmen zur Verbesserung der Bebaubarkeit der Fall. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sollen die Aufwendungen (nur) dann als Herstellungskosten zu behandeln sein, wenn die Bodenwerterhöhung 10 % überschreitet und diese Bodenwerterhöhung auf Verbesserungen der Erschließung und/oder Bebaubarkeit beruht.6 Baumängelbeseitigung: Aufwendungen zur Mängelbeseitigung sind idR Herstellungskosten, wenn die Mängel anlässlich des Herstellungsvorgangs aufgetreten sind. Wann die Mängel tatsächlich beseitigt werden, ist dann irrelevant;7 s. aber auch „Abbruch“. Diebstahl von Rohstoffen und anderen Vermögensgegenständen, die in den Herstellungsvorgang eingehen sollten: s. Rz. 61. Erschließungsbeiträge: s. Rz. 50 „Erschließungsbeiträge“. Fahrtkosten zur Baustelle sind Herstellungskosten des Gebäudes.8 Garantie- und Gewährleistungsaufwand gehört zum Vertrieb.9 Hausanschlüsse: Der von den Hauseigentümern an die Gemeinde zu zahlende Kanalbaubeitrag (Kanalanschlussgebühr) gehört zu den Aufwendungen auf den Grund und Boden und nicht zu den Herstellungskosten des Hauses. Die Aufwendungen der Hauseigentümer für die Herstellung der Zuleitungsanlagen von dem Haus zu dem öffentlichen Kanal einschließlich der sogenannten Kanalanstichgebühr gehören dagegen zu den Herstellungskosten des Gebäudes.10 Entsprechendes gilt für die Aufwendungen für den erstmaligen Anschluss eines Gebäudes an die Versorgungsnetze (Strom, Gas, Wasser, Wärme).11 Kapitalbeschaffungskosten: s. Rz. 82. 1 BFH v. 4.12.1984 – IX R 5/79, BStBl. II 1985, 208; FG Bremen v. 26.11.2015 – 1 K 143/14 (5), juris; FG Düss. v. 23.2. 2016 – 10 K 2708/15 F, EFG 2016, 713, nrkr. (NZB IV B 19/16); aA Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 69; Beiser, DB 2004, 2007; Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 366; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 Rz. 79. 2 FG Düss. v. 23.2.2016 – 10 K 2708/15, EFG 2016, 713, nrkr. (NZB IV B 19/16). 3 BFH v. 15.2.1989 – X R 97/87, BStBl. II 1989, 604. 4 Nds. FG v. 29.10.2014 – 9 K 245/11, EFG 2015, 296 (in der Revisionsentscheidung BFH v. 10.3.2016 – VI R 80/14, BFH/NV 2016, 1266 nicht thematisiert). 5 BFH v. 9.2.1983 – I R 29/79, BStBl. II 1983, 451; v. 13.12.2005 – IX R 24/03, BStBl. II 2006, 461 (Erbbaurecht); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 79. 6 Eingehend zu den Ausgleichsbeiträgen BMF v. 8.9.2003 – IV A 6 - S 2171 - 7/03, BStBl. I 2003, 489. 7 BFH v. 30.8.1994 – IX R 23/92, BStBl. II 1995, 306; aA ggf. Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 334 (Stand Nov. 2016), die auf den zeitlichen „Anfall“ der Aufwendungen abzustellen scheinen. 8 BFH v. 10.5.1995 – IX R 73/91, BStBl. II 1995, 713. 9 Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 470 „Garantie“. 10 BFH v. 24.11.1967 – VI R 302/66, BStBl. II 1968, 178. 11 BFH v. 15.1.1965 – VI 115/63 U, BStBl. III 1965, 226.

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D. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (Abs. 2a)

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Rz. 90 § 255

Kinderspielplatz: Ist idR ein eigenständiger Vermögensgegenstand mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 10 Jahren.1 Aufwendungen zur Herstellung sind daher eigenständig zu erfassen und fließen nicht in die Herstellungskosten des Gebäudes ein. Lizenzen: Stückbezogene Lizenzgebühren, die für die Herstellung einzelner Produkte zu entrichten sind, stellen (Einzel-)Sonderkosten der Herstellung dar (Rz. 62). Dies soll hingegen nicht für solche Lizenzen gelten, die nicht an die Herstellung, sondern an die Lieferung eines Vermögensgegenstands anknüpfen.2 Diese Unterscheidung ist allerdings wenig einsichtig. Sie mag formal richtig sein; der Sache nach entstehen die Lizenzgebühren jedoch deshalb, weil der Kaufmann ein Produkt hergestellt hat. ME handelt es sich auch im letztgenannten Fall um Sonderkosten der Fertigung (und nicht um Vertriebskosten). Pferde: s. Rz. 353 Planungskosten sind grundsätzlich Herstellungskosten (s. Rz. 55). Dies gilt insbes. für die Baupläne in Ansehung eines Gebäudes. Verwirklicht der Kaufmann das ursprünglich geplante Gebäude nicht, erstellt er aber später ein den mit ihm verfolgten Zweck ebenso erfüllendes Gebäude, so soll es sich nach Ansicht des BFH bei den Planungskosten um Herstellungskosten des tatsächlich errichteten Gebäudes handeln.4 Dies ist zweifelhaft (s. bereits Rz. 58).5 Software: s. Rz. 50 „Software“6 Stellplatzablösung: Aufwendungen für die Ablösung der Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes.7 Steuern vom Einkommen gehören nicht zu den Herstellungskosten. Entsprechendes gilt für die Umsatzsteuer; grundsätzlich stellt sie schon keine Belastung dar (Rz. 22). Sollte dies aber ausnahmsweise einmal anders sein, dann würde es sich jedenfalls um Vertriebskosten handeln, für die ein Einbeziehungsverbot gilt (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). Versicherungsbeiträge: Wird das Fabrikationsrisiko versichert (Anlage kann aus politischen oder anderen Gründen nicht fertigstellt werden), sollen Sonderkosten der Fertigung vorliegen; wird das Ausfuhr- oder das Zahlungsausfallrisiko abgesichert, dann soll es sich um Vertriebskosten handeln.8 Zinsen: s. Rz. 82 Zwangsräumung eines Grundstücks: Damit einhergehende Aufwendungen sind bereits Herstellungskosten des nach dem Abriss des Altgebäudes noch zu errichtenden Neugebäudes.9

D. Herstellungskosten selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (Abs. 2a) I. Entwicklungskosten als Herstellungskosten iSv. Abs. 2 (Abs. 2a Sätze 1 ff.) Abs. 2a konkretisiert die Herstellungskostenbewertung für selbst geschaffene immaterielle Vermögens- 90 gegenstände des Anlagevermögens, die seit dem BilMoG nicht mehr mit einem Aktivierungsverbot belegt sind, sondern nunmehr aktiviert werden dürfen (nicht müssen, § 248 Abs. 2 HGB). Die Regelung knüpft dabei an den bereits in § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB normierten Grundsatz an, dass Forschungskosten nicht aktiviert werden dürfen. In diesem Geist versucht die Norm, die davon zu unterscheidenden Aufwendungen für die Entwicklung des Vermögensgegenstands von eben diesen Forschungskosten zu scheiden. Dies ist notwendig, da die bei der Entwicklung des Vermögensgegenstands anfallenden Aufwendungen als Herstellungskosten zu qualifizieren sind (Abs. 2a Satz 1). In der Unterscheidung zwischen Forschung und Entwicklung kommt letztlich die Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, ab wann ein „Vorteil“ ausreichend sicher ist, um ihn als Vermögensgegenstand zu erfassen. Während die Forschungsphase eben offen und damit insoweit besonders unsicher ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Kaufmann mit dem Eintritt in die Entwicklungsphase bereits (zielgerichtet) einen greifbaren Vorteil vor Augen hat, der ab einem bestimmten Zeitpunkt ausreichend sicher ist (vgl. vor allem Rz. 94 f.) und der selbst dann wirtschaft1 2 3 4 5 6 7 8 9

Dazu R 6.4 Abs. 2 EStR 2012. Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 470 „Lizenzgebühren“. Ferner eingehend Krumm in KSM, § 13 EStG Rz. B 206 (Stand Nov. 2016). BFH v. 29.11.1983 – VIII R 96/81, BStBl. II 1984, 303; v. 8.4.1986 – IX R 82/82, BFH/NV 1986, 528. Dagegen auch Schubert/Pastor in Beck BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 378; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 79. Siehe auch IDW RS HFA 11. Siehe BFH v. 8.3.1984 – IX R 45/80, BStBl. II 1984, 702; v. 6.5.2003 – IX R 51/00, BStBl. II 2003, 710. Siehe im Einzelnen Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 200 f. (Stand Nov. 2016). BFH v. 18.5.2004 – IX R 57/01, BStBl. II 2004, 872; aA Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 79.

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§ 255 Rz. 91 | Bewertungsmaßstäbe lich verwertbar erscheint, wenn die Entwicklungsphase noch nicht abgeschlossen ist.1 So erklärt sich auch, warum die Norm zugleich auf die Ansatzfrage zurückwirkt: Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen (Abs. 2a Satz 4). 91

§ 255 Abs. 2a Satz 1 HGB geht davon aus, dass der Herstellungskostenbegriff auch für den Entwicklungsprozess gilt.2 Dies bedingt eine Abgrenzung zur Forschung. Das Gesetz arbeitet insoweit mit Legaldefinitionen: Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen (§ 255 Abs. 2a Satz 2 HGB). Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können (§ 255 Abs. 2a Satz 2 HGB). Die Abgrenzung ist naturgemäß schwierig. Der Gesetzgeber geht aber davon aus, dass sie möglich ist. Die Gesetzesbegründung liefert insoweit einen anschaulichen Einblick in die Vorstellung des Gesetzgebers: „Wenn beispielsweise die auf die Erlangung neuer Kenntnis gerichteten Aktivitäten abgeschlossen sind, endet die Forschungsphase. Erfolgen nunmehr Entwurf, Konstruktion und Test neuer Prototypen und Modelle vor der Aufnahme der eigentlichen Produktion, ist dies grundsätzlich bereits der Entwicklungsphase zuzurechnen. Denkbar ist auch, dass die Forschungsphase mit der Suche nach Alternativen für Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen beendet ist und mit dem Entwerfen, Konstruieren und Testen einer gewählten Alternative für neue Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen die Entwicklungsphase begonnen hat. Als Entwicklung sind auch der Entwurf, die Konstruktion und der Betrieb einer Pilotanlage, die für die kommerzielle Nutzung ungeeignet ist, sondern nur als Prototyp dient, einzustufen. Das Gleiche gilt für den Entwurf von Werkzeugen, Spannvorrichtungen, Prägestempeln oder Gussformen unter Verwendung neuer Technologien. Grundsätzlich ist der Zeitpunkt des Übergangs vom systematischen Suchen zum Erproben und Testen der gewonnenen Erkenntnisse oder Fertigkeiten als Übergang von der Forschung zur Entwicklung anzusehen.“3

Letztlich wird man akzeptieren müssen, dass die Abgrenzung nur bedingt justiziabel ist und damit vom Gesetzgeber eine gewisse - freilich eine ausreichende Dokumentation der Prozesse voraussetzende – Einschätzungsprärogative des Kaufmanns anerkannt worden ist.4 Ihre Grenzen findet sie zum einen in dem Gebot der Ansatzstetigkeit5 und ansonsten vor allem dort, wo eine Trennung zwischen Forschung und Entwicklung nicht mehr „verlässlich“ möglich ist (Rz. 97). 92

Die Qualifikation von Aufwendungen als Entwicklungskosten ist notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung für die Aktivierung. Aus dem Verweis auf Abs. 2 folgt, dass seine Wertunter- und -obergrenzen auch für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens maßgeblich sind.6 Der mit Blick auf einen Fertigungsprozess formulierte Abs. 2 Satz 2 muss also sinngemäß auf den Entwicklungsprozess angewendet werden. Prägend werden in den meisten Fällen die Personalkosten sein – sei es als Einzelkosten oder sei es in Bezug auf die Verwaltungsgemeinkosten, die gerade mit dem Entwicklungspersonal verbunden sind. Weitere (Fertigungs-) Einzelkosten können zB sein: Patentkosten, Kosten der Zulassung eines Medikaments oder eines Pflanzenschutzmittels und für die Entwicklung und Durchführung klinischer Studien oder anderer Feldversuche.7 Ferner gehört zu den Herstellungskosten auch der Wertverzehr der im Entwicklungsbereich eingesetzten abnutzbaren Vermögensgegenstände (Rz. 67).8 Für die allgemeinen Verwaltungskosten und die Sozialgemeinkosten gilt hingegen das Wahlrecht des Abs. 2 Satz 3 (Rz. 77 ff.).

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Entsteht durch bzw. anlässlich der Entwicklungstätigkeit ein (weiterer) materieller Vermögensgegenstand, so stellt sich die Frage, ob dieser gesondert zu aktivieren ist. Dies betrifft zB die Fertigung eines Prototyps. Würde man ihn aktivieren, würde er (idR) materielles Anlagevermögen darstellen9 und die ihm zuzurechnenden Herstellungskosten dürften nicht in den immateriellen Vermögensgegenstand einfließen. Eine eigenständige Aktivierung des Prototypen mit einem Teil der Entwicklungskosten kann allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn der Kaufmann ein eigenständiges wirtschaftliches, über die Entwicklung des 1 Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 (1303). 2 Anders wohl Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 90: Herstellungskostenbegriff werde auf den Entwicklungsprozess übertragen. 3 BT-Drucks. 16/10067, 60 f. 4 Vgl. auch bereits Kahle/Haas, WPg. 2010, 34 (38); Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 (1304 f.); Rohleder, DB 2016, 1645 (1647); für die Notwendigkeit hinreichender Dokumentation auch DRS 24 Tz. 52. 5 Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 (1301); für eine projektbezogene Stetigkeit Rohleder, DB 2016, 1645 (1647). 6 Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 (1301); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 108. 7 Beispiele im Wesentlichen nach Schmidt, DStR 2014, 544 (549), der sich konkret und im Detail mit den Herstellungskosten bei pharmazeutischen Entwicklungen befasst. 8 Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 (469). 9 Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 282 (Stand Nov. 2016).

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D. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (Abs. 2a)

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Rz. 96 § 255

immateriellen Vermögensgegenstandes hinausgehendes Interesse an dem Prototypen hat. Dann ist der Prototyp im Verhältnis zu dem immateriellen Vermögensgegenstand von untergeordneter Bedeutung und es bleibt dabei, dass alle Entwicklungskosten solche des immateriellen Vermögensgegenstandes sind. DRS 24 Tz. 14 formuliert dazu ein überzeugendes Beispiel: Hat z.B. ein Maschinenbauunternehmen eine neue Verfahrenstechnologie entwickelt, ist der Prototyp der Maschine mit der neuen Technologie, die später an mehrere Kunden verkauft werden soll, den immateriellen Vermögensgegenständen zuzuordnen, da das wirtschaftliche Interesse an dem immateriellen Vermögensgegenstand „Verfahrenstechnologie“ besteht.1

II. Zeitpunkt der erstmaligen Aktivierung Der Grundsatz der Erfolgsneutralität des Herstellungsvorgangs entfaltet auch hier seine Vorwirkungen 94 (s. bereits Rz. 46 und Rz. 56), jedoch mit der Einschränkung, dass zu Beginn des Entwicklungsprozesses uU noch gar nicht absehbar ist, ob ein Vermögensgegenstand entsteht. Die Entwicklungsaufwendungen sind daher von dem Moment an erfolgsneutral erfassbar, in dem ausreichend sicher absehbar ist, dass ein Vermögensgegenstand entsteht.2 Die Gesetzesbegründung formuliert wie folgt: „[es] muss mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass ein einzeln verwertbarer immaterieller Vermögensgegenstand zur Entstehung gelangt“.3 Insoweit gibt DRS 24 eine mE brauchbare Kriterien vor: Die Fertigstellung des immateriellen Vermögensgegenstandes muss technisch realisierbar sein, hierfür müssen adäquate technische, finanzielle und sonstige Ressourcen verfügbar sein und es besteht auch subjektiv die Absicht der Fertigstellung.4 Im Ergebnis verläuft der Entwicklungsprozess damit ab einem gewissen Zeitpunkt ebenso erfolgsneutral, wie auch andere Herstellungsvorgänge. Dass § 266 Abs. 2 HGB anders als für die „Anlagen im Bau“ keinen Bilanzposten vorsieht, der die Herstellungskosten bis zum Abschluss des Entwicklungsprozesses aufnimmt, schadet nicht (ebenso wenig wie bei den Anschaffungskosten, Rz. 46). Der Moment der „Absehbarkeit der Entstehung eines immateriellen Vermögensgegenstands“ ist natürlich mit (Prognose-) Untersicherheit belastetet. Dies hat der Gesetzgeber aber in Kauf genommen.5 Die hiergegen vorgebrachten Bedenken6 sind der Sache nach berechtigt, stellen aber nicht die Konzeption als solche in Frage, sondern geben vielmehr Anlass zur Formulierung strenger Anforderungen an den Nachweis der sich abzeichnenden Vermögensgegenstandseigenschaft. Dies ist vor allem eine Frage der Dokumentation.7 Fraglich ist, wie mit solchen Aufwendungen zu verfahren ist, die angefallen sind, bevor eine Aktivierung 95 der Entwicklungskosten zulässig ist, also bevor iSv. Rz. 94 ausreichend sicher absehbar war, dass ein Vermögensgegenstand entsteht. Die überwiegende Ansicht geht von einem Nachaktivierungsverbot aus8; zum Teil wird danach differenziert, ob die Aufwendungen in derselben Periode (dann Aktivierung) oder in einer vorangegangenen Periode (dann Nachaktivierungsverbot) angefallen sind.9 Diese These vom Nachaktivierungsverbot ist in allen Konstellationen zweifelhaft. Dem Gesetz ist eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen. Vielmehr will § 255 Abs. 2a Satz 1 die „bei [der] Entwicklung [des Vermögensgegenstands] anfallenden Aufwendungen“ erfassen, und dieser Prozess kann schon früher beginnen. Dies spricht für eine Nachaktivierung, und zwar ungeachtet der Frage, in welcher Periode die Aufwendungen angefallen sind.10

III. Nachträgliche Herstellungskosten Das Gesetz geht in der Entwicklungsdefinition des Satz 2 erkennbar davon aus, dass auch die Weiterent- 96 wicklung von Gütern oder Verfahren zu (nachträglichen) Herstellungskosten (freilich nur iSv. Entwicklungskosten) führen kann.11 Satz 1 scheint dies an die Voraussetzung einer „wesentlichen Änderung“ zu 1 So wörtlich DRS 24 Tz. 14. 2 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 40; Kahle/Haas, WPg. 2010, 34 (35); Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 (1303); Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 104; aA Schülke, DStR 2010, 992 (997 f.). 3 BT-Drucks. 16/10067, 60. 4 DRS 24 Tz. 50. 5 BT-Drucks. 16/10067, 60. 6 Ekkenga in Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 255 HGB Rz. 135. 7 Siehe bereits BT-Drucks. 16/10067, 60. 8 Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 40; Hennrichs, DB 2008, 537 (542); Kahle/Haas, WPg. 2010, 34 (35). 9 DRS 24 Tz. 90. 10 So unter Hinweis auf den Wortlaut des § 255 Abs. 2a Satz 1 HGB bereits Ekkenga in Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 255 HGB Rz. 141; Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 104. 11 Küting/Ellmann, DStR 2010, 1300 (1304).

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§ 255 Rz. 97 | Bewertungsmaßstäbe knüpfen. Die Norm beschreibt aber nur den Entwicklungsvorgang. Die Frage, ob ein Herstellungsvorgang vorliegt, wird hingegen von Abs. 2 beantwortet: Erforderlich ist also eine Erweiterung oder wesentliche Verbesserung. Praktisch relevant sein dürfte vor allem die wesentliche Verbesserung. Dies kann zB bei einem Medikament durch die Erweiterung seiner Einsatzmöglichkeiten geschehen.1 Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so wird idR nur Erhaltungsaufwand vorliegen (Rz. 54).2 Dies ist vor allem bei Updates und Release-Wechseln für Software denkbar.3 Allerdings kommt auch eine Einbeziehung in die Herstellungskosten der materiellen Vermögensgegenstände in Betracht, die unter Ausnutzung des immateriellen Vermögensgegenstands produziert werden. Dies ist insbes. dann der Fall, wenn anlässlich des Fertigungsprozesses Aufwendungen entstehen, die eine Weiterentwicklung iS einer ständigen Verbesserung bewirken; dann liegen zwingend einzubeziehende Fertigungsgemeinkosten (Rz. 65) in Bezug auf die produzierten Vermögensgegenstände vor.4

IV. Aktivierungsverbot (Abs. 2a Satz 4) 97

Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen (§ 255 Abs. 2a Satz 4 HGB). Die Nichttrennbarkeit in diesem Sinne wirkt also auf die Ansatzfrage zurück. Das Anliegen des Satz 4 wird zuvörderst durch die Formulierung von Dokumentationsanforderungen verwirklicht. Dies hat der Gesetzgeber zutreffend erkannt: „Kann der Zeitpunkt des Übergangs von der Forschungs- zu der Entwicklungsphase nicht hinreichend nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden, sind also die Forschungs- und die Entwicklungshase nicht verlässlich trennbar, sind alle angefallenen Aufwendungen – dem Vorsichtsprinzip folgend – aufwandswirksam zu erfassen.5 Dem liegt allerdings die Erwartung zugrunde, dass Forschung und Entwicklung aufeinander folgen und es nur darum geht, den Moment des Phasenwechsels zu erkennen. Dies muss aber nicht so sein. Dann stellt sich die Frage, ob man per se von einer Untrennbarkeit ausgeht oder ob man nicht – wofür Einiges spricht – zumindest versucht, diejenigen Aufwendungen herauszufiltern, die „der Sache nach Forschungskosten sind“.6

E. Beizulegender Zeitwert (Abs. 4) 98

Der beizulegende Zeitwert gilt vor allem für die Bewertung der Finanzinstrumente im Handelsbestand der Kreditinstitute, aber auch in anderen (wenigen) Fällen (s. Rz. 5). Er ist ein Verkehrswert, für dessen Schätzung § 255 Abs. 4 HGB eine zwingende – auch in anderen Kontexten bekannte (vgl. § 11 Abs. 2 BewG) – Stufenfolge vorgibt: Vorrangig ist der Marktpreis (idealerweise als Börsenpreis) heranzuziehen (Rz. 99), subsidiär hat eine Bewertung nach anerkannten Bewertungsverfahren zu erfolgen (Rz. 100). Liegt der beizulegende Wert über den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, kommt es zum Ausweis eines nicht realisierten Gewinns.

99

Der Zeitwert wird primär durch den auf einem aktiven Markt (arg. ex Satz 2) beobachtbaren Marktpreis bestimmt. Er ist als Einzelveräußerungspreis (der aktive Markt ist also ein Absatzmarkt) zu verstehen.7 Es geht im Grunde um einen Vergleich mit Preisen, die sich regelmäßig anlässlich von Geschäften fremder, voneinander unabhängiger Dritter gebildet haben und die ausreichend verlässlich beobachtbar sind. Dieses Kriterium erfüllen zuvörderst Börsenpreise, allerdings vorbehaltlich eines ausreichenden Handelsvolumens.8 Ein solcher Marktpreis kann aber auch anderweitig erhältlich sein. Die Gesetzesbegründung verweist insoweit noch auf Händler, Broker, Branchengruppen, Preisberechnungsdiente und Aufsichtsbehörden.9 Paketzu- oder -abschläge sind nicht zu berücksichtigen.10

100

Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen (Satz 2). Der dergestalt geschätzte Wert muss den gleichen Ansprüchen genügen, wie der auf der ersten Stufe ermittelte Marktpreis. Das Gesetz rekurriert hier also auf eine beobachtbare soziale Übung zur Kaufpreisermittlung und 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Dazu Schmidt, DStR 2014, 544 (547). Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 109. DRS 24 Tz. 50. Knop/Küting/Knop in HdR, § 255 HGB Rz. 281, 285 (Stand Nov. 2016). BT-Drucks. 16/10067, 61. Für ein derart inhaltliches Verständnis Tiedchen in MünchKomm. BilR, § 255 HGB Rz. 110. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 97; Hiller, DStZ 2016, 199 (201). So BT-Drucks. 16/10067, 61. BT-Drucks. 16/10067, 61. BT-Drucks. 16/10067, 61.

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E. Beizulegender Zeitwert (Abs. 4)

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Rz. 102 § 255

rezipiert die zur Bewertung geübten Verhaltensmuster.1 Bewertungsbandbreiten werden damit vom Gesetzgeber zwangsläufig akzeptiert; jeder innerhalb der vertretbar ermittelten Wertbandbreite liegende Wert ist daher normkonform (s. auch bereits Rz. 13 f.). Bezüglich der Bestimmung der Bewertungsmethode geht es nicht um die Frage, ob sie theoretisch „richtig“ ist oder nicht, ob sie (scheinbar) objektiv oder subjektiv ist, sondern darum, ob die Praxis sich einer Bewertungsmethode tatsächlich bedient (Empirie).2 Mit diesem Vorbehalt kommen letztlich alle Bewertungsverfahren in Betracht, die in Praxis und Wissenschaft diskutiert werden: So kann eine Ableitung aus jüngeren Verkaufspreisen ebenso zulässig sein wie die Heranziehung von Verfahren, die Multiplikator- oder Ertragswertkonzepten folgen.3 Umstritten ist allerdings, ob entsprechend IAS 39.48A auch der Vergleich mit dem aktuellen Zeitwert eines anderen, im Wesentlichen identischen Finanzinstruments zulässig ist.4 Lässt sich weder an einem aktiven Markt ein Marktpreis ermitteln (Satz 1) noch ein Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden ausreichend verlässlich (arg. „Vorsichtsprinzip“5) schätzen (Satz 2), so ordnet Satz 3 die Fortführung der Anschaffungs- und Herstellungskosten gem. § 253 Abs. 4 HGB an. Dies ist gem. Satz 4 der letzte zuverlässig ermittelte beizulegende Zeitwert (Fiktion). Ob ein Wert nach Satz 2 zur Verfügung steht oder nicht, lässt sich abstrakt kaum vorsteuern. Allein die Tatsache, dass Wertbandbreiten bestehen, führt noch nicht zur Anwendung des Satz 3. Denn dies hat der Gesetzgeber miteingestellt; ansonsten gäbe es für Satz 2 auch keinen Anwendungsbereich. Die Gesetzesbegründung meint: „Von einer nicht verlässlichen Ermittlung des Marktwertes ist beispielsweise auszugehen, wenn die angewandte Bewertungsmethode eine Bandbreite möglicher Werte zulässt, die Abweichung der Werte voneinander signifikant ist und eine Gewichtung der Werte nach Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht möglich ist.“6 Sofern die Fiktion eingreift, verweist das Gesetz auf § 254 Abs. 4 HGB. Dies beinhaltet vor allem den Verweis auf das Niederstwertprinzip, also die Wertberichtigungspflicht auf den niedrigeren Börsenoder Marktpreis. Dies ist unsinnig, da es einen solchen hier gerade nicht gibt; ansonsten wäre § 255 Abs. 4 Satz 3 HGB nicht einschlägig.7 § 255 Abs. 4 Satz 3 HGB dürfte daher so zu verstehen sein, dass der zuletzt ermittelte Zeitwert maßgeblich ist.

101

Steuerrecht: Für Finanzinstrumente des Handelsbestands übernimmt § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG die Zeitwert- 102 bewertung mit Risikoabschlag (vgl. § 340e Abs. 3 HGB), sofern die Finanzinstrumente nicht in eine Bewertungseinheit iSv. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG aufgenommen worden sind (also der Absicherung eines Grundgeschäfts dienen, s. zu Bewertungseinheiten die Erläuterungen zu § 254 HGB). Es geht also um an einem aktiven Markt gehandelte Finanzinstrumente, die mit der Absicht erworben werden, aus kurzfristigen Kursschwankungen Gewinne zu erzielen.8 Mit der Übernahme des handelsrechtlichen Börsenwerts iSv. § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB – der Ersatzwert des § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB dürfte angesichts der Notwendigkeit eines aktiven Markts praktisch keine Rolle spielen – ergeben sich im Verhältnis zu den allgemeinen steuerlichen Bewertungsregeln zwei deutliche Unterschiede: Übersteigt der beizulegende Zeitwert (trotz Risikoabschlag) die Anschaffungs-/Herstellungskosten, erfolgt auch steuerrechtlich der Ausweis eines nicht realisierten Gewinns. Dies wird zum Teil verfassungsrechtlich kritisch gesehen.9 Ist der beizulegende Zeitwert mit Risikoabschlag hingegen niedriger als die Anschaffungs- und Herstellungskosten, ist er ebenfalls maßgeblich, und dies ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung vorliegen; es wird insoweit also vor allem vom „Dauerhaftigkeitskriterium“ des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG entbunden. Damit wird deutlich, dass § 6 Abs. 1 Nr. 2b konstitutiv ist. Die Regelung durchbricht ansonsten geltende steuerrechtliche Prinzipien, was die Maßgeblichkeit wegen des steuerrechtlichen Vorbehalts in § 5 Abs. 6 EStG alleine nicht könnte.10 – Jenseits der Finanzinstrumente des Handelsbestands erlangt der beizulegende Zeitwert iSv. § 255 Abs. 4 HGB im Steuerrecht daher keine Relevanz; es fehlt an weiteren Sonderregelungen (Rz. 6).

1 Zu einem solchen Rezeptionsmodell aus rechtstheoretischer Sicht Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 234 ff. 2 Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 190 ff. 3 Eingehend Hiller, DStZ 2016, 199 (201 f.). 4 Verneinend Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 48; bejahend Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 255 Rz. 26. 5 BT-Drucks. 10/10067, 61. 6 BT-Drucks. 10/10067, 61. 7 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 102; Drüen in Großkomm.5, § 255 HGB Rz. 52. 8 Schindler in Kirchhof, EStG15, § 6 Rz. 143. 9 Helios/Schlotter, DStR 2009, 547. 10 Herzig, DB 2008, 1339 (1343); Hiller, DStZ 2016, 199 (200); aA Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 (2609).

Krumm

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§ 256 Rz. 1 | Bewertungsvereinfachungsverfahren

§ 256 Bewertungsvereinfachungsverfahren 1Soweit

es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, daß die zuerst oder daß die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst verbraucht oder veräußert worden sind. 2§ 240 Abs. 3 und 4 ist auch auf den Jahresabschluß anwendbar. A. I. II. III. IV. B. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppenbildung Grundlegende Voraussetzungen . . . . . . . . . Gleichartigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7 11 13 14

III. GoB-Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verfahrensvarianten und weitere bewertungsrelevante Aspekte I. Permanente und Perioden-Verfahren 1. Charakteristika der Verfahrensvarianten . . 2. Lifo- und Fifo-Verfahrensvarianten am Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Index-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Niederstwertprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Maßgeblichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . .

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20 22 26 27 29

Literatur: Forster/Weirich, Lifo-, Fifo- und Verfahren nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AktG 1965, WPg. 1966, 481; Jungkunz/Köbrich, Anwendung des Lifo-Verfahrens, DB 1989, 2285; Mayer-Wegelin, Zum Anwendungsbereich der LifoMethode bei der Bewertung von Vorräten, DB 1989, 937; Herzig, Lifo-Methode in der Steuerbilanz, DB 2014, 1756; Herzig/Gasper, Die Lifo-Methode in der Handels- und Steuerbilanz, DB 1991, 557; Mayer-Wegelin, Die praktische Anwendung der Lifo-Verfahren nach § 256 HGB, BB 1991, 2256; Siegel, Grundsatzprobleme der Lifo-Methode und des Indexverfahrens, DB 1991, 1941; Treptow/Weismüller, Die Bewertung des Vorratsvermögens nach der Lifo-Methode, WPg. 1991, 571; Herzig/Gasper, Eine Zwischenbilanz zur Lifo-Diskussion, DB 1992, 1301; Bareis/Elschen/Siegel/Sigloch/Streim, Lifo, Jahresabschlußziele und Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, DB 1993, 1249; Siepe/ Husemann/Borges, Das Index-Verfahren als Bewertungsvereinfachungsverfahren i.S.d. § 256 HGB, WPg. 1994, 645; Schneider/Siegel, Das Index-Lifo-Verfahren als „Fortentwicklung“ von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung?, WPg. 1995, 261; Gasper, Die Lifo-Bewertung – Zielsetzung, GoB-Konformität, Verfahren, 1996; Ammelung, Anmerkung zu FG Münster, Urteil vom 20.3.1998 – 11 K 5125/96, BB 1998, 2357; Mayer-Wegelin, Die Lifo-Bewertung: Regelungszweck einerseits und Ausgestaltung andererseits, DB 2001, 554; Moxter, Lifo-Methode: Durch Vereinfachungszweck eingeschränkter Geltungsbereich in der Steuerbilanz?, DB 2001, 157; Kessler/Suchan, Das „LifoUrteil“ des BFH und seine Bedeutung für das Handelsrecht, DStR 2003, 345; Hennrichs, Lifo in der Handels- und Steuerbilanz – Neues nach BilMoG?, Ubg. 2011, 705; Hildebrandt, Führt die Nutzung von elektronischer Datenverarbeitung zur Abschaffung der Lifo-Bewertung?, DB 2011, 1999; Hüttemann/Meinert, Die Lifo-Methode in Handelsund Steuerbilanz, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013); Drüen/Mundfortz, Zweck und Zulässigkeit der Lifo-Methode in der Steuerbilanz, DB 2014, 2245; Kahle, Entwicklung der Steuerbilanz, DB 2014, Heft 22, Beilage Nr. 4, 1; Adrian, Lifo und Maßgeblichkeitsprinzip – Zugleich Anmerkungen zum BMF-Entwurfsschreiben, WPg. 2015, 167; Prinz, Neuer Verwaltungserlass zur Lifo-Bewertung, DB 2015, 1196.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Die Vorschrift erlaubt die vereinfachte Bestimmung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) gleichartiger Vorräte für den Jahresabschluss aller Buchführungspflichtigen. Die Bewertungsvereinfachung erfolgt durch Unterstellung einer Verbrauchs- bzw. Veräußerungsfolge, nach der die zuerst oder die zuletzt beschafften bzw. hergestellten Vorräte als zuerst verbraucht bzw. veräußert gelten (Satz 1). Die erste Verbrauchsfolge wird als Fifo (First in – first out), die zweite als Lifo (Last in – first out) bezeichnet. Darüber hinaus sind die inventarbezogenen Vereinfachungen nach § 240 Abs. 3 (Festbewertung) und Abs. 4 (Gruppenbewertung) auch auf den Jahresabschluss anwendbar (Satz 2). Letzteres impliziert die Zulässigkeit einer Bewertung gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie anderer gleichartiger oder annähernd gleichwertiger beweglicher Vermögensgegenstände und Schulden mit dem gewogenen Durchschnitt (s. § 240 HGB). In Verbindung mit der Bildung einer Bewertungsgruppe wird auch von Gruppen-Verfahren (bspw. Lifo) gesprochen.1 Es besteht ein handelsrechtliches Wahlrecht zur vereinfachten Bewertung.2

2

Die handelsrechtliche Bewertungsvereinfachung wird flankiert durch § 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 EStG, der steuerlich das Lifo-, nicht jedoch das Fifo-Verfahren als zulässig zur Bewertung gleichartiger Wirtschafts1 Vgl. zu Gruppen- und Einzel-Lifo Mayer-Wegelin, BB 1991, 2256 (2256 f.). 2 Vgl. Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2249); Hüttemann/Meinert, DB 2013, 1865 (1870 f.).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 5 § 256

güter des Vorratsvermögens bestimmt.1 Die Bewertung mit dem gewogenen Durchschnitt ist ebenfalls zulässig (R 6.8 Abs. 4 Satz 1 EStR). Auch steuerlich handelt es sich um ein Wahlrecht.2 Eine Abweichung von der Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge bedarf steuerlich der Zustimmung des Finanzamts (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 3 EStG). Die jeweils erlaubten Verbrauchs- bzw. Veräußerungsfolgeunterstellungen sind sowohl handelsrechtlich (Satz 1) als auch steuerrechtlich (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 EStG, R 6.9 Abs. 2 Satz 1 EStR) insoweit zulässig, als dies den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (GoB-Vorbehalt).

3

II. Bedeutung und Zweck Handelsrechtlicher Normzweck ist eine Vereinfachung des Bewertungsvorgangs im Vorratsvermögen und 4 damit eine Erleichterung für den Buchführungspflichtigen bei der Erstellung des Jahresabschlusses.3 Die Bewertungsvereinfachung sanktioniert spezialgesetzlich einen Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB (s. § 252 HGB), ohne auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 252 Abs. 2 HGB zurückzugreifen;4 immanent sind ferner Verstöße gegen die Grundsätze der Richtigkeit und der (sachlichen) Periodenabgrenzung.5 Dies ist jedoch sachlogisch dann geboten, wenn eine Einzelbewertung wie im Fall von Misch- oder Schüttgütern praktisch unmöglich ist, oder über den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gerechtfertigt, wenn der Aufwand der individuellen Wertermittlung bei Massenartikeln unangemessen hoch wäre.6 Die Grundsätze der Wesentlichkeit und der Wirtschaftlichkeit sind auch über solche eindeutigen Fälle hinaus im Bilanzrecht zu beachten.7 Für den Vereinfachungszweck ergibt sich daraus angesichts moderner Warenerfassungssysteme ein Spannungsfeld mit der Frage der Reichweite einer zulässigen Vereinfachung. Die Minderung oder Vermeidung von Scheingewinnen und damit einhergehend ein Substanzerhal- 5 tungszweck wird für das Handelsrecht mE zu Recht nicht als weiteres oder gar gleichgewichtiges Ziel anerkannt,8 zumal die Beschränkung auf das Umlaufvermögen einer Rechtfertigung bedürfte.9 Scheingewinn ist bei steigenden Preisen der Erfolgsbestandteil, der auf der Aufwandsverrechnung von eingesetzten Vorräten zu (niedrigen) historischen im Vergleich zu (hohen) aktuellen Preisen beruht.10 Im Hinblick auf die Erhaltung der betrieblichen Substanz wäre der Input-Faktor mit aktuellen (Wieder-)Beschaffungspreisen zu bewerten. Da bei der Lifo-Methode der Einsatz von Vorräten mit den Preisen des bzw. der letzten Zugänge und damit zu tendenziell aktuellen Preisen bewertet wird, wirkt das Verfahren im Verhältnis zur Fifo- oder Durchschnittsbewertung im (üblichen) Szenario steigender Preise dem Ausweis von Scheingewinnen entgegen. Insofern wird das Lifo-Verfahren innerhalb der Sammelbewertungsverfahren (Verbrauchs-

1 Entspricht Fifo nachweislich der tatsächlichen Verbrauchsfolge, ist es auch steuerlich zulässig, vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 418; Claussen in KK-RLR, § 256 HGB Rz. 13. 2 Vgl. Fn. 2 sowie Prinz, DB 2015, 1196; Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 646. 3 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 7; Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2248); Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 8; BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2001, 636 (639). 4 Vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 26 f. 5 Vgl. BKT, Bilanzen13, 374; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Komm. Bilanzierung7, § 256 HGB Rz. 8 f. Insbesondere mit dem letztgenannten Grundsatz hängen – abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens (s. Rz. 20 ff.) – Konflikte mit dem Grundsatz der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs zusammen; vgl. Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 162; zu diesen Grundsätzen vgl. BKT, Bilanzen13, 138 ff.; Moxter, Bilanzrechtsprechung6, 183 f. 6 Vgl. BKT, Bilanzen13, 373. 7 Vgl. BKT, Bilanzen13, 130; Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2248); Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 399 (jeweils mwN); Hüttemann/Meinert, DB 2013, 1865 (1867); Marx, FR 2011, 267 ff.; Siegel, DB 1991, 1941 (1943); steuerlich auch BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/ 0348300, BStBl. I 2015, 462; allgemein Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 180 ff. 8 Vgl. Siegel, DB 1991, 1941 (1948); Bareis/Elschen ua., DB 1993, 1249 (1250 f.); Schneider/Siegel, WPg. 1995, 261 (265); Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 395; BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2001, 636 (639); Hüttemann/Meinert, DB 2013, 1865 (1865 f.); aA Herzig/Gasper, DB 1991, 557 (558 f.); Herzig/Gasper, DB 1992, 1301 ff.; Herzig, DB 1993, 1252 ff.; Kessler/Suchan, DStR 2003, 345 (346 f.); BKT, Bilanzen13, 378; Gasper, Die Lifo-Bewertung, 75 f. (mwN); zur Substanzerhaltung als Zweck des Lifo-Verfahrens Hax, Die Substanzerhaltung der Betriebe, 139; die Bedeutung der Scheingewinnproblematik hervorhebend Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 17 f. Moxter, DB 2001, 157 (159) betont neben dem Vereinfachungszweck einen Kapitalerhaltungsgrundsatz. 9 Vgl. Siegel, DB 1991, 1941 (1948). 10 Vgl. Hüttemann/Meinert, DB 2013, 1865 (1870). Allgemein auf einen betriebswirtschaftlich als richtig erachteten Vergleichswert stellen Schneider/Siegel, WPg. 1995, 261 (262), ab.

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§ 256 Rz. 6 | Bewertungsvereinfachungsverfahren folge-, Durchschnittsverfahren)1 als vorteilhaft für den Ausweis der tatsächlichen Ertragslage gesehen.2 Umgekehrt wird der verbleibende Bestand an Vorräten mit den Preisen der ersten noch nicht verbrauchten Zugänge bewertet. Dies führt in der Tendenz zu vergleichsweise hohen stillen Reserven (Lifo-Reserve) und damit zu einer größeren Abweichung der dargestellten Vermögenslage von den tatsächlichen Wertverhältnissen.3 Dem Zuwiderlaufen des Informationsziels soll durch Anhangangaben begegnet werden (s. Rz. 9). Im Verhältnis zur korrekten sachlichen Abgrenzung bei der Einzelbewertung ist der bewirkte Erfolgs- und korrespondierend der Vermögensausweis, insbes. bei Auflösung der stillen Reserven durch Vorratsabbau, kritisch zu betrachten.4 Da ferner in der Totalperiode die aus dem Vorratseinsatz entstehenden Aufwendungen pagatorisch unterlegt sein soll(t)en5 und iVm. dem Nominalwertprinzip das Kongruenzprinzip gilt, verlagert die gegenwärtige Verminderung des Ausweises von Scheingewinnen lediglich einen Gewinnausweis in die Zukunft.6 Die konsequente Verfolgung eines Substanzerhaltungszwecks ist folglich nicht gegeben.7 6

Aus steuerrechtlicher Sicht ist ebenfalls zu fragen, ob eine Verminderung der Besteuerung von Scheingewinnen als Ziel dem Vereinfachungszweck beigestellt8 oder (nur) als Nebeneffekt9 zu sehen ist. Die erste Sichtweise scheint sich auf die Begründung zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 1990 stützen zu können, nach der die „allgemeine Einführung der Lifo-Methode im Steuerrecht [..] dem Problem der Scheingewinnbesteuerung […] abhelfen“ sollte und dies in den Kontext der Abschaffung der als hierfür unzureichend angesehenen Preissteigerungsrücklage nach § 74 EStDV aF gestellt wurde.10 Der BFH und die hM schließen zunächst eine Rückwirkung auf die handelsrechtliche Zielsetzung, zumal mit einer Fortentwicklung der handelsrechtlichen GoB, aus.11 Im Schrifttum strittig ist hingegen die Frage eines wenigstens steuerlichen Zweckdualismus,12 den der BFH jedoch auch ablehnt.13 Die Verfolgung eines eigenständigen steuerlichen Zwecks wird jedoch durch die Vorgabe des GoB-Vorbehalts eingeschränkt. Aufgrund des eindeutigen Bezugs in § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG auf die handelsrechtlichen GoB ist hierbei ein spezieller steuerlicher GoB-Vorbehalt14 abzulehnen.15 Das steuerliche Wahlrecht kann somit nur in den Grenzen einer auch handelsrechtlich grundsätzlich gegebenen Anwendbarkeit ausgeübt werden; § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG 1 Zur Begrifflichkeit vgl. Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens8, 410; aber synonym nur für Erstere BKT, Bilanzen13, 370, 372; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse24, 215. 2 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 11 f.; Forster/Weirich, WPg. 1966, 481 (482); Gasper, Die Lifo-Bewertung, 86; MayerWegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 71, (zur Bilanzberuhigung) Rz. 17. 3 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 12; BKT, Bilanzen13, 378. 4 Vgl. zu Lifo BKT, Bilanzen13, 378; und unter Einschluss anderer Vereinfachungsverfahren Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 167. 5 vgl. Wohlgemuth in HdJ, I/10 Rz. 6; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 104 ff. 6 Vgl. Kessler/Suchan, DStR 2003, 345 (347); Mayer-Wegelin, DB 1982, 2052. Den Konflikt zwischen Substanzerhaltung und pagatorischer Nominalwertrechnung betont Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 173 ff. 7 Herzig, DB 1993, 1252 ff. betont zwar die generelle Unbestrittenheit des Nominalwertprinzips, jedoch auch das eingeschränkt auf Lifo anzuwendende Substanzerhaltungsziel, das über den steuerlichen GoB-Vorbehalt die Anpassung der handelsrechtlichen GoB erfordere. Es sollte mE jedoch die konterkarierende Wirkung bei Auflösung der Lifo-Reserve nicht unbeachtet bleiben. 8 Vgl. Herzig, DB 2014, 1756 (1757); Treptow/Weismüller, WPg. 1991, 571 (572 f.); BKT, Bilanzen13, 378; Böcking/ Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 256 Rz. 13; Mayer-Wegelin, DB 2001, 554 (555); Moxter, DB 2001, 157 (158); BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462; vgl. hinsichtlich der Verwaltungsmeinung Adrian, WPg. 2015, 167 (168, 170); dort eine Zielparallelität infrage stellend Prinz, DB 2015, 1196 (1197); als Sekundärziel Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 418. 9 vgl. BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2001, 636 (640); Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 632; Hüttemann/ Meinert, DB 2013, 1865 (1870). 10 Vgl. BT-Drucks. 11/2157, 140 (dort auch wörtlich); der zusätzliche Verweis in BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/ 07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462 auf den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 11/ 2536, 47 ist mE nicht zwingend. 11 Vgl. BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2001, 636 (640); Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 643; Hüttemann/ Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 43 ff., jeweils mwN; zur diesbezüglichen Diskussion in den 1990er Jahren vgl. die entsprechenden Quellen in Fn. 10. 12 Vgl. zur Diskussion Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 84 ff. mwN. 13 Vgl. BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2001, 636 (640); kritisiert ua. von Moxter, DB 2001, 157 (158 [dort auch wörtlich]), nach dem kein Zweifel bestehen kann, dass ein „eigenständiger Regelungszweck beabsichtigt“ ist; kritisch zur Begründung des BFH, wenngleich im Ergebnis übereinstimmend, Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 84 ff. 14 Einen solchen sieht Herzig, DB 2014, 1756 (1759 f.); dagegen Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 ff. 15 Gegen Konsequenzen für die handelsrechtlichen GoB vgl. insbes. Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 18.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 9 § 256

eröffnet kein nicht GoB-konformes Wahlrecht.1 Da handelsrechtlich der sanktionierte Verstoß gegen GoB jedoch eine mögliche Vereinfachung voraussetzt,2 sind hierfür Fälle in Betracht zu ziehen, in denen eine Vereinfachung handelsrechtlich erreichbar wäre, jedoch nicht wahrgenommen wird und steuerlich – ohne formelle Maßgeblichkeit – hiervon abgewichen wird.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) Handelsrechtlich bezieht sich der persönliche Anwendungsbereich der Bewertungsvereinfachung auf den 7 Jahresabschluss aller Kaufleute (§ 242 Abs. 1–3 HGB), wobei die von der Buchführungspflicht des § 238 HGB größenabhängig nach § 241a HGB ausgenommenen Einzelkaufleute entsprechend auch von der Aufstellung eines Jahresabschlusses befreit sind (§ 242 Abs. 4 HGB).3 Steuerlich bestimmt § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG die Anwendbarkeit des Lifo-Verfahrens für die Gewinnermittler nach § 5 EStG; dies betrifft Gewerbetreibende, die gesetzlich zur Buchführung verpflichtet sind (§§ 238 ff. HGB, § 141 AO) oder ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse erstellen.4 Hiervon ausgeschlossen sind Steuerpflichtige, die ihren Gewinn über eine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG bestimmen; zumindest gemäß dem Wortlaut nicht erfasst sind Steuerpflichtige, die den Gewinn über einen Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln (jedoch strittig).5 Im sachlichen Anwendungsbereich wird der Begriff Vorräte iSd. für Kapital- und gleichgestellte Gesell- 8 schaften verbindlichen Bilanzgliederung nach § 266 Abs. 2 Buchst. B.I. HGB interpretiert; er umfasst folglich Roh-, Hilfs- und Betriebs-(RHB)-Stoffe, unfertige Erzeugnisse, fertige Erzeugnisse und geleistete Anzahlungen (auf Vorräte).6 Die Verfahren sind handelsrechtlich nach überwiegender Meinung auf sonstiges Umlaufvermögen (Wertpapier-, Devisenbestände, Forderungen) nicht allgemein anwendbar;7 der Gesetzgeber hat im Rahmen des BiRiLiG (s. Rz. 11) vom Mitgliedstaatenwahlrecht der 4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie) eines entsprechend erweiterten Anwendungsbereichs keinen Gebrauch gemacht hat.8 Es bleibt somit bspw. für vertretbare Wertpapiere in Sammelverwahrung lediglich eine Bewertung mit dem gewogenen Durchschnitt.9 Steuerlich gibt § 20 Abs. 4 Satz 7 EStG für vertretbare Wertpapiere in Sammelverwahrung Fifo vor.10 Bei Anwendung der Sammelbewertungsverfahren (Gruppenbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB und Ver- 9 brauchsfolgen nach Satz 1 der hier behandelten Vorschrift) sind Angabepflichten im Anhang von Kapitalgesellschaften11 zu beachten. § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB verlangt bei erheblichen Unterschieden zwischen der vereinfachten Bewertung und dem letzten vor dem Abschlussstichtag bekannten Börsenkurs oder Marktpreis pauschal für die jeweilige Gruppe die Angabe des Unterschiedsbetrags; dies wird vorzugsweise beim Lifo-Verfahren greifen. Ausgenommen sind kleine und Kleinstkapitalgesellschaften (§ 288 Abs. 1 Satz 1 HGB iVm. §§ 267, 267a HGB). Bei einer wesentlichen Auflösung stiller Reserven durch Vorratsabbau wird auch eine Verletzung des true and fair view als möglich erachtet, die eine Berichtspflicht nach § 264 1 Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 90, sehen keinen Anhaltspunkt, dass der abweichende Regelungszweck in den Fällen Bedeutung erlangen sollte, in denen Lifo gegen die GoB verstößt. Nicht zuzustimmen ist Adrian, WPg. 2015, 167 (169), der den GoB-Vorbehalt wegen der Abkoppelung der Steuer- von der Handelsbilanz für entbehrlich hält und sich hierbei, wie Herzig, DB 2014, 1756 (1757), im Kontext mE unzutreffend auf BFH v. 31.3.2013 – GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317 (wohl insbes. 323), beruft. 2 Vgl. Kessler/Suchan, DStR 2003, 345 (346 f.) sehen im Substanzerhaltungsziel eine mögliche Rechtfertigung auch für den Verstoß gegen obere GoB. 3 vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 242 Rz. 1. 4 vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG35, § 5 EStG Rz. 6 f. 5 vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 EStG Rz. 411; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 77; aA Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 640 (mwN). 6 Vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 46; Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 642; Adrian, WPg. 2015, 167 (168) mit Hinweis auf eine steuerliche Ergänzung gemäß der E-Bilanz-Taxonomie. 7 vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Komm. Bilanzierung7, § 256 HGB Rz. 5; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 4; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 46; Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 35; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 256 Rz. 1; Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 642 sowie Böcking/Gros in Ebenroth/ Boujong/Joost/Szrohn, HGB3, § 256 Rz. 6, die auf die sonst überflüssige Vorschrift des § 341b HGB verweisen; aA ADS6, § 256 HGB Rz. 24 f.; Claussen in KK-RLR, § 256 HGB Rz. 21 f.; Gasper, Die Lifo-Bewertung, 40 f. 8 Vgl. BT-Drucks. 10/317, 91; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 46; Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 1, 35. 9 In ADS6, § 256 HGB Rz. 25 wird zugunsten einer möglichen Lifo-Bewertung von Wertpapieren angeführt, dass die unbestritten anwendbare Durchschnittsbewertung nur bei der Gruppenbewertung gesetzlich explizit geregelt sei. 10 vgl. auch Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 79. 11 Dies betrifft auch durch § 264a HGB erfasste haftungsbeschränkte Personengesellschaften; für die unter das PublG fallenden Gesellschaften ist ferner § 5 PublG beachtlich.

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§ 256 Rz. 10 | Bewertungsvereinfachungsverfahren Abs. 2 Satz 2 HGB auslöst.1 Zudem ist über die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie bei Methodenabweichungen nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 und 2 HGB zu berichten (s. § 284 HGB). 10

Die IFRS sehen die Anwendung von Sammelbewertungsverfahren für Vorräte2 vor, die gewöhnlich austauschbar (interchangeable) und zugleich nicht für bestimmte Projekte abgesondert sind (IAS 2.23).3 Ansonsten ist eine Einzelbewertung vorzunehmen, ein Wahlrecht besteht also nicht.4 Üblicherweise wird kein grundsätzlicher Unterschied zum deutschen Handelsrecht in den Anwendungsvoraussetzungen der Verfahren zur Bewertungsvereinfachung und deren Anwendung selbst gesehen.5 Dies dürfte aber nur bei nicht allzu weiter Auslegung des Begriffs „gleichartig“ gegeben sein.6 Ein wesentlicher Unterschied besteht gleichwohl darin, dass nach IAS 2.25 nur die Durchschnitts- und die Fifo-Methode, seit 1.1.2005 jedoch nicht mehr das LifoVerfahren erlaubt sind.7 Vorräte von ähnlicher Art und Verwendung sind zwingend mit dem gleichen Verfahren zu bewerten (IAS 2.25). Nach den US GAAP sind alle drei Verfahren erlaubt, wobei der Methode der Vorzug zu geben ist, die die tatsächliche Ertragslage am besten widerspiegelt (ASC 330-10-30-9).8

IV. Rechtsentwicklung 11

Die Kodifikation der Verbrauchsfolgeverfahren im Handelsbilanzrecht erfolgte erstmalig durch § 155 Abs. 1 Satz 3 AktG 1965.9 Außer dem expliziten Bezug auf Vermögensgegenstände wurde der Wortlaut durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.198510 in § 256 Satz 1 HGB 1985 übernommen11 und um Satz 2 ergänzt.12 Danach waren neben den Zeitfolge-Verfahren (Lifo, Fifo) auch sonstige, bestimmte Verbrauchsfolgen, insbes. die Betragsfolge-Verfahren wie Hifo (Highest in – first out) oder Lofo (Lowest in – first out), für die Bewertung gleichartigen Vorratsvermögens erlaubt, soweit es den GoB entsprach. Seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.200913 sind nur noch die ZeitfolgeVerfahren zulässig.14 1 vgl. Gasper, Die Lifo-Bewertung, 86; BKT, Bilanzen13, 378; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 18, 29. 2 Die nach IAS 2.6–8 betroffenen Vorräte entsprechen grundsätzlich dem sachlichen Anwendungsbereich der handelsrechtlichen Vorschrift (s. Rz. 8), ausgenommen Anzahlungen auf Vorräte, deren Zuordnung zu den Vorräten teils jedoch für vertretbar erachtet wird; vgl. Riese in Beck IFRS-Hdb.5, § 8 Rz. 7. 3 vgl. Pellens/Fülbier ua., Internationale Rechnungslegung9, 425. Nach IAS 2.24 ist eine Einzelbewertung insb. bei großen Stückzahlen austauschbarer Güter ungeeignet; vgl. Riese in Beck IFRS-Hdb.5, § 8 Rz. 81. Auf eine große Stückzahl als Anwendungsvoraussetzung stellen Jacobs/Schmitt in Baetge/Wollmert ua., IAS 2 Rz. 83, und Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 83, ab. Da die Vermeidung eines bilanzpolitischen Spielraums bei der Auswahl von Vorräten ist (IAS 2.24), sollte dies nicht als strikte Voraussetzung zu sehen sein. 4 vgl. auch Quick, DB 2008, 2206 (2209), mit Hinweis auf Gegenmeinung. 5 Vgl. Jacobs/Schmitt in Baetge/Wollmert ua., IAS 2 Rz. 84; Riese in Beck IFRS-Hdb.5, § 8 Rz. 81. 6 Nach Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 83, impliziert Austauschbarkeit annähernde Gleichwertigkeit. Claussen in KK-RLR, § 256 HGB Rz. 19 jedoch stellt klar, dass die handelsrechtliche Vorschrift keine gleichen iSv. austauschbaren Vermögensgegenstände voraussetzt; vgl. auch Ammelung, BB 1998, 2357. 7 Vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 119 f. 8 Vgl. hierzu auch Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 121 f., sowie hinsichtlich der US-amerikanischen Besteuerung Hüttemann/Meinert, DB 2013, 1865 (1871). Vgl. des Weiteren zum Wesentlichkeitsgrundsatz nach HGB, IFRS, US GAAP und Steuerrecht Marx, FR 2011, 267 (269 ff.). 9 Vgl. Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGBl. I 1965, 1089 (1127). Eine detaillierte Darstellung der handels- und steuerrechtlichen Rechtsentwicklung geben Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 10 ff. 10 Vgl. Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355 (2359). 11 Damit wurde das Mitgliedstaatenwahlrecht des Art. 40 der Vierten Richtlinie (4. EG-Richtlinie), 78/660/EWG v. 25.7.1978, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11 (25) – Bilanzrichtlinie – umgesetzt, ohne von der Möglichkeit der Einbeziehung insbes. von Wertpapieren Gebrauch zu machen – ausweislich der Gesetzesmaterialien, da ein entsprechendes Bedürfnis nicht erkannt wurde (vgl. BT-Drucks. 10/317, 91). 12 Mit der Ergänzung sollten die sich auf das Inventar beziehenden Vorschriften zur Fest- und Gruppenbewertung auch Geltung für die Bilanz haben, vgl. BT-Drucks. 10/4268, 102. 13 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102 (1104). 14 Vgl. Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens8, 411 f.; die speziellen Folgen im Konzern des Verbrauchs zunächst der konzerninternen (Kifo, Konzern in – first out) oder der konzernexternen (Kilo, Konzern in – last out) Lieferungen sind seither unzulässig, vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 256 Rz. 12; Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 83. In Art. 12 Abs. 9 der Richtlinie 2013/34/EU v. 26.6.2013, ABl. L 182, 19 (34) – Bilanz-Richtlinie – wurde das Mitgliedstaatenwahlrecht der 4. EG-Richtlinie beibehalten; vgl. Prinz, DB 2015, 1196 (1196 f.); das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245 führte zu keiner Änderung.

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B. Gruppenbildung

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Rz. 14 § 256

Steuerrechtlich wurde über einkommensteuerliche Ermächtigungen in § 51 EStG aF zunächst dem Pro- 12 blem der Scheingewinnbesteuerung durch Einführung einer Preissteigerungsrücklage mit § 74 EStDV 1955 und des Lifo-Verfahrens für bestimmte Edel- und sonstige Metalle über § 74a EStDV ab 1.1.1985 Rechnung getragen. Die Regelungen wurden im Gefolge der Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG im Steuerreformgesetz 19901, der die Anwendbarkeit von Lifo auf grundsätzlich alle Wirtschaftszweige ausdehnte, abgeschafft. Die Ursprungsfassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG setzte noch eine korrespondierende Verbrauchsfolgefiktion in der Handelsbilanz voraus, worauf nach Einführung der formellen Maßgeblichkeit schließlich verzichtet werden konnte.2

B. Gruppenbildung I. Grundlegende Voraussetzungen Der Bewertungsvereinfachung liegt eine Gruppenbildung zugrunde, die zwei Bedingungen zu genügen 13 hat: Zum einen müssen die in einer Gruppe zusammengefassten Vermögensgegenstände (wenigstens) gleichartig sein, zum anderen muss gemäß dem allgemeinen GoB-Vorbehalt die Gruppenbildung selbst den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen.3

II. Gleichartigkeit Gleichartigkeit ist handels- und steuerrechtlich übereinstimmend auszulegen.4 Das für gleichartiges Vor- 14 ratsvermögen erlaubte Vorgehen schließt die Anwendbarkeit für gleich ausgeführte, ununterscheidbare Vermögensgegenstände ein.5 Über eine derartige Artgleichheit hinaus wird Gleichartigkeit bei der Zugehörigkeit zur gleichen Warengattung oder bei Funktionsgleichheit unterstellt.6 Letzteres stellt auf den Verwendungszweck ab, so dass technisch fortschrittlichere Vermögensgegenstände bei gleicher Verwendung ggf. als mit ihren Vorgängern gleichartig zu betrachten sind.7 Dies sollte jedoch nur so lange zulässig sein, wie Anschaffungskosten, die Vermögensgegenständen der Gruppe über die Fiktion zugeordnet werden, historisch solchen Gegenständen entsprechen, die wirtschaftlich noch verwertbar sind. Die rechnerische Fortführung von zu aktuellen bilanziellen Verhältnissen als Laden- bzw. Lagerhüter zu bezeichnendem Vermögen ist mE durch den Begriff der Gleichartigkeit nicht gedeckt. Als gattungsgleich werden bspw. unterschiedliche Typen bei Modellen, Rohstoff-Sorten8 oder Bandeisen verschiedener Abmessungen, teils zudem Waren erster, zweiter und weiterer Wahl9 angesehen; hierbei wird auch auf die Gleichheit der den Typ prägenden Eigenschaften abgestellt.10 Fraglich ist, inwieweit die Steilvorlage im Bericht des Finanzausschusses zum Steuerreformgesetz 1990, der davon ausgeht, „daß bei der Gruppenbildung in der Praxis nicht kleinlich verfahren wird“11, ausgelegt werden kann. Bei einem Herrenausstatter Oberbekleidung als Gattungsbegriff und Bekleidung als Funktion zu definieren, würde ggf. den gesamten Warenbestand umfassen und ist als unzulässig zu betrachten.12 Darüber hinaus kann bei einem Einzelhändler die Vereinfachungserleichterung eine gröbere Gruppenbildung bei Lebensmitteln rechtfertigen als bei einem 1 Vgl. Steuerreformgesetz 1990 v. 25.7.1988, BGBl. I 1988, 1093 (1095). 2 Vgl. im Einzelnen Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 19 ff.; Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2246). 3 Eingeschlossen soll der Fall von Einzelkomponenten einer einzelnen Vorratsposition wie beim Einzel-Lifo sein; vgl. zu Letzterem Mayer-Wegelin, BB 1991, 2256. 4 Vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 139 f., wobei dort auch auf eine Nicht-Erweiterung des Zielsystems verwiesen wird. Der Begriffsinhalt sollte jedoch unabhängig vom angenommenen handels- und steuerrechtlichen Zielsystem identisch sein. Von Differenzen zwischen handels- und steuerrechtlicher Sicht gehen noch Hörtig/Puderbach, DB 1991, 977 (979 f.), aus. 5 Vgl. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 96; WP-Handbuch Band I14, E Rz. 475; nach Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 16 „genau gleiche Gegenstände“. 6 Vgl. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 96; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 80; BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462; BT-Drucks. 11/2536, 47. 7 Vgl. Forster/Weirich, WPg. 1966, 481 (484 f.), bspw. beim Übergang von Holz- bzw. Metall- auf Plastikkästen. Herzig/Gasper, DB 1991, 557 (560); GEFIU, DB 1990, 1977 (1978) betonen bei Negierung der Gleichartigkeit in diesen Fällen die Konsequenz der Auflösung der Lifo-Reserve und damit eine Konterkarierung des – dort unterstellten – Zwecks der Scheingewinnbesteuerung, da eine entsprechende Gruppenbildung nicht möglich wäre. 8 Vgl. Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 33. 9 Vgl. Forster/Weirich, WPg. 1966, 481 (484); Ammelung, BB 1998, 2357. 10 Vgl. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 96. 11 BT-Drucks. 11/2536, 47. 12 Vgl. zutreffend Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Komm. Bilanzierung7, § 256 HGB Rz. 13.

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§ 256 Rz. 15 | Bewertungsvereinfachungsverfahren Feinkosthändler.1 Insofern erscheint eine Einzelfallbetrachtung sachgerecht, die sich gem. R 6.9 Abs. 3 EStR an kaufmännischen Gepflogenheiten, insbes. an marktüblichen Produktklassen, der spezifischen Unternehmensstruktur und der allgemeinen Verkehrsanschauung ausrichtet2 und Größenaspekte sowie Branchenspezifika berücksichtigt.3 Eine sich lediglich an der physischen Verwendbarkeit orientierende Auslegung könnte die Verbrauchsfolgefiktionen (§ 256 Satz 1 HGB) nur dann für begründbar halten, wenn es für einen Lagerverwalter unerheblich ist, welches Exemplar er aus einem Bestand herausnimmt.4 Die hM geht jedoch davon aus, dass in diesem Sinne auch heterogene Güter gleichartig sein können. Einen Anhaltspunkt könnte die Frage bieten, über welche Gruppen hinweg unter branchenüblichen Bedingungen eine vereinfachte interne Bestandsführung denkbar ist und dem Vorgehen eines ordentlichen Kaufmanns entspricht.5 Des Weiteren wird nach hM die Zusammenfassung von Rohmaterial auch über die in unfertigen und fertigen Erzeugnissen enthaltenen Bestandteile hinweg als zulässig erachtet, sofern unter Beachtung der GoB eine getrennte buchhalterische Erfassung erfolgt.6 15

Nach früher unstrittiger Meinung setzt Gleichartigkeit annähernde Gleichwertigkeit voraus.7 Neben dieser nach wie vor vertretenen Auffassung8 überwiegt inzwischen die Ansicht, dass annähernde Gleichwertigkeit zwar nicht notwendige Bedingung ist, als Kriterium jedoch Gültigkeit behält und Preisdifferenzen Qualitätsunterschiede indizieren können, die einer Gruppenbildung (§ 256 Satz 2 HGB iVm. § 240 Abs. 4 HGB) entgegenstehen.9 Im Ergebnis erscheint es schwer vorstellbar, zumindest bei eklatanten Preisunterschieden von einer Gleichartigkeit auszugehen.10 Ein Preisvergleich im Hinblick auf die Beurteilung der Gleichartigkeit sollte jedoch auf zeitlich parallelen Preisfeststellungen und nicht auf historischen Preisen im Zugangszeitpunkt beruhen.11

III. GoB-Vorbehalt 16

Mit dem GoB-Vorbehalt soll einem Missbrauch der Bewertungsvereinfachung begegnet werden.12 Dies wird durch die hM zunächst dahingehend ausgelegt, dass die unterstellte Verbrauchsfolge für das betreffende Vorratsvermögen nicht objektiv undenkbar sein darf, wobei eine Übereinstimmung mit der tatsächlich angewandten Vorratshaltung nicht verlangt wird.13 Dies betrifft einerseits (vor allem leicht) verderb1 Vgl. Ammelung, BB 1998, 2357 (2360). 2 Das BMF hat für Wein- und Tabakvorräte Gruppen formuliert, vgl. BMF v. 28.3.1990 – IV B 2 - S 2174 - 18/90, BStBl. I 1990, 148 f., v. 9.4.1992 – IV B 2 - S 2174 - 15/92, DB 1992, 1103; BayLfSt. v. 23.10.2009 – S 2174.1.1-5/16 St33/St32, StEK EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2a Nr. 4; mwN Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 414. Vgl. ferner FG Münster v. 20.3.1998 – 11 K 5125/96, DB 1998, 2355 (2356). 3 Vgl. zu Letzterem Hörtig/Puderbach, DB 1991, 977 (982 f.), am Beispiel der Chemieindustrie. 4 Vgl. Siegel, DB 1991, 1941 (1945), der dabei allerdings auch eine iS der Wesentlichkeit nicht kleinliche Auslegung nicht ausschließt. 5 Bei Kfz. erscheint eine allzu grobe Differenzierung unangemessen, vgl. FG Münster v. 20.3.1998 – 11 K 5125/96, DB 1998, 2355 (2356 f.). 6 Vgl. Treptow/Weismüller, WPg. 1991, 571 (580); Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 94; MayerWegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 17; Schüttler/Hunecke, DStR 2015, 2300; R 6.9 Abs. 2 Satz 3 EStR; BMF v. 12.5. 2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462 f.; aA Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 642. 7 Vgl. Forster/Weirich, WPg. 1966, 481 (485) mit prozentualen Abweichungsgrenzen; Schneider/Siegel, WPg. 1995, 261 (264) mwN; ADS6, § 256 HGB Rz. 22 f. mit Verweis auf GoB-Konformität und einschränkend durch Berücksichtigung von Strukturverschiebungen; vgl. hierzu ADS6, § 256 HGB Rz. 56 sowie die Nachweise in Mayer-Wegelin, DB 1989, 937 (938). 8 Vgl. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 22 f.; Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 83. 9 Vgl. Mayer-Wegelin, DB 1989, 937 (939 f.) – insbes. gegen quantitative Grenzziehungen; Ammelung, BB 1998, 2357 (2358); Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 138; BKT, Bilanzen13, 371; Böcking/Gros in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 256 Rz. 5 sowie insbes. BT-Drucks. 11/2536, 47; R 6.9 Abs. 3 EStR; BMF v. 28.3.1990 – IV B2 - S 2174 - 18/90, BStBl. I 1990, 148 (149); gegen ein Gleichwertigkeitserfordernis auch Jungkunz/Köbrich, DB 1989, 2285 (2290). 10 Faktisch dürften die unterschiedlichen Auffassungen zu nicht allzu großen Abweichungen führen; vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 51. 11 Vgl. Ammelung, BB 1998, 2357 (2358), zum Aspekt starker Preisschwankungen homogener Produkte. 12 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 14; Hildebrandt, DB 2011, 1999 f.; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 16; BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2000, 636 (639); Prinz, DB 2015, 1196 (1197). 13 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 15 ff.; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 256 Rz. 3; speziell leicht verderbliche Vorräte Herzig, DB 2014, 1756 (1760); Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 94; Hennrichs, Ubg. 2011, 705 (709); Hörhammer in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2,

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B. Gruppenbildung

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Rz. 18 § 256

liche Vorräte, andererseits Saisonbetriebe mit regelmäßiger vollständiger Lagerräumung.1 Die Frage ist vor allem steuerlich relevant, wenn die idR steuerlich günstigere Lifo- anstelle der Fifo-Folge, die die Realität in diesen und meist auch in anderen Fällen besser abbildet, angewandt werden soll. Handelsrechtlich verliert die Frage an Schärfe, wenn man seit BilMoG von einer unabhängigen steuerlichen Wahlrechtsausübung ausgeht. Hinsichtlich der Konkretisierung verderblicher Vorräte versagt das BMF-Schreiben v. 12.5.20152 inzwischen die Lifo-Anwendung bei einer Haltbarkeitsdauer von unter einem Jahr.3 Dies erscheint insofern sachgerecht, als in Jahresabschluss bzw. Steuerbilanz Anfangsbestandsbewertungen beim Lifo-Verfahren dann nur für in diesem Sinne haltbare Vorräte fortgeführt werden können.4 Des Weiteren erfordert der GoB-Vorbehalt nach Ansicht des BFH5 einen Wertungskompromiss, indem 17 die Einschränkung der tragenden Systemgrundsätze, insbes. der Einzelbewertung, durch den Vereinfachungszweck gerechtfertigt sein muss, der wiederum durch die Grundsätze von Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit getragen wird.6 Für den konkret behandelten Fall eines Pkw-Händlers entschied der BFH, dass die Bewertungsvereinfachung dann nicht mehr GoB-konform ist, wenn es sich um Vorräte mit hohen Erwerbsaufwendungen handelt, deren Anschaffungskosten ohne weiteres identifizierbar und angesichts individueller Merkmale der Gegenstände diesen problemlos zugeordnet werden können. Damit ist jedoch nur ein hinreichendes Bedingungssystem charakterisiert, das keine operationale Grenzziehung bietet. Zur Wahrung des Vereinfachungszwecks für den Bilanzierenden wird, auch unter Nachweisaspekten, für ein Regel-Ausnahmeverhältnis plädiert, gemäß dem die Versagung der Bewertungsvereinfachung ausnahmsweise versagt wird, wenn „ein nennenswerter Vereinfachungseffekt ‚offensichtlich‘ nicht vorhanden ist.“7 Wirtschaftlichkeitsaspekte können hierbei unternehmensspezifisch zu würdigen sein, indem bei großen Losgrößen die Bewertungsvereinfachung tendenziell eher zugestanden wird.8 Die unternehmensspezifischen Verhältnisse können auch durch verschiedene Grade EDV-gestützter La- 18 gerhaltung geprägt sein. Das Schrifttum stellt diesbezüglich mehrheitlich auf eine neutrale Perspektive ab, um fortschrittliche Unternehmen nicht zu benachteiligen.9 Als Bezugspunkt wird ungeachtet der konkreten betrieblichen Verhältnisse das nach handelsrechtlichen GoB Gebotene angeführt, wozu eine EDV-gestützte Lagerhaltung nicht gehöre.10 Eine andere Meinung betrachtet die EDV-technische Verfolgbarkeit einzelner Vorratsgüter zumindest so lange als unschädlich, wie Anschaffungskosten diesen noch nicht aufgrund individueller Merkmale zugewiesen werden können.11 Auch das BMF-Schreiben v. 12.5.201512 trägt dem Zwiespalt zwischen dem technisch Möglichen und einer damit noch zu vereinbarenden Vereinfachung Rechnung, allerdings durch eine pauschale Differenzierung zwischen Handelswaren und veroder bearbeiteten Erzeugnissen. Können bei Handelswaren individuelle Anschaffungskosten mittels des EDV-Systems bestimmt werden, ist die Lifo-Methode unzulässig, es sei denn, die Einzelbewertung würde einen zusätzlichen Aufwand, bspw. durch Zuweisung von Anschaffungsnebenkosten, erfordern. Bei RHB-

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Rz. 2622; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 69 f.; Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2251); aA Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 179 f. AA iS einer diesbezüglich uneingeschränkten Zulässigkeit sind – vor dem Hintergrund einer Bejahung des Ziels der Substanzerhaltung und der Vermeidung von Scheingewinnen – BKT, Bilanzen13, 378; Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 22 ff. (Anforderung nur Nachvollziehbarkeit und Konformität mit Grundprinzipien des HGB); tendenziell infrage stellend Herzig/Gasper, DB 1991, 557 (559). Steuerlich vgl. insbes. R 6.9 Abs. 2 Satz 1 EStR; BMF v. 12.5.2015, – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462 (463). Nach Siegel, DB 1991, 1941 (1943 f.) können verderbliche, in erheblichen Zeitabständen beschaffte Güter nicht gleichartig sein. Vgl. BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462 (463). Zustimmend Prinz, DB 2016, 9 (12). Demgegenüber schlagen Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2251 f.) mit Blick auf leicht verderbliche Vorräte eine Orientierung an den Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot vor. Es erscheint hingegen nur bedingt kompatibel mit dem Kriterium der nicht völligen Unvereinbarkeit mit dem Unternehmensgeschehen und dem beispielhaften Bezug auf leicht verderbliche Waren in R 6.9 Abs. 2 Satz 1 EStR; vgl. zu weiteren Stellungnahmen der Finanzverwaltung Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 94. Vgl. BFH v. 20.6.2000 – VIII R 32/98, BStBl. II 2001, 636 (638). Vgl. Fn. 9. Der HFA betrachtet die vereinfachte Bewertung hingegen als indirekte Einzelbewertung, vgl. HFA, Bericht über die 181. Sitzung am 5.3.2002, FN-IDW 2002, 219 (220); zustimmend Hennrichs, Ubg. 2011, 705 (709). Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 59. Vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 59 f.; Krumbholz, StuB 2001, 74 (75 f.). Nach Hörhammer in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 2622 könne jedoch der dem Lifo-Verfahren zugrunde liegende Vereinfachungsaspekt unter technischen Erwägungen nicht mehr angeführt werden. Vgl. Herzig, DB 2014, 1757 (1760). Vgl. Hennrichs, Ubg. 2011, 705 (710); zustimmend Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 64; Drüen/ Mundfortz, DB 2014, 2250. Vgl. Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2251, ggf. zu ergänzen um Herstellungskosten. Vgl. BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462 (463).

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461

§ 256 Rz. 19 | Bewertungsvereinfachungsverfahren Stoffen und (un-)fertigen Erzeugnissen ist eine Codierung der Güter grundsätzlich unschädlich für die Anwendung der Lifo-Methode; begründet wird dies mit der Einbeziehung weiterer Fertigungskosten in die Einzelkosten. Dies erscheint im Ansatz vertretbar, allerdings sollte eher auf die ohnehin nicht willkürfreie Zuweisung von Gemeinkosten abgestellt werden. Fraglich ist demgegenüber, was die noch unver- bzw. unbearbeiteten RHB-Stoffe von den Handelswaren im hier relevanten Aspekt unterscheidet und ob insofern nicht eher auf die Bestimmung von Anschaffungs- oder von Herstellungskosten abzustellen ist. Bei einer dauerhaften Anwendung des Verfahrens erscheint das Bewertungsergebnis von Lifo im Hinblick auf den true and fair view nicht unproblematisch angesichts des Umstands, dass auch im Fertigungsprozess die tatsächliche Abfolge meist Fifo entsprechen dürfte und Lifo dann die Zuweisung früherer Herstellungskosten an jungverarbeitete (Zwischen-)Erzeugnisse bedingt; insofern ist auf eine noch gegebene Gleichartigkeit zu achten. Zu differenzieren ist zwischen einer EDV-Unterstützung des Produktionsablaufs und dem Aufwand, den die Unternehmung für die Bedarfe des Rechnungswesens betreiben muss – ggf. durch Erwerb eines speziellen Softwaremoduls für die Finanzbuchführung. Eine Dynamisierung sollte durchaus möglich sein,1 so dass die Anforderungen an eine genauere Zuweisung der AHK mit Industriestandards zunehmen können und die Vereinfachungen nur für hinter gewissen Standards bleibende Unternehmen gelten. Das Ziel einer hinsichtlich des true and fair view stets vorzuziehenden Einzelbewertung sollte nicht aus den Augen verloren werden, so dass die Unterstellung von Steinzeitmethoden bei der bilanziellen Bewertung nicht allzu eklatant mit der Realität kontrastiert. 19

Bezüglich der GoB-Konformität ist ferner der Grundsatz der materiellen Stetigkeit, im Besonderen die Bewertungsstetigkeit (s. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB), zu beachten.2 Ein Wechsel des Verfahrens für eine Gruppe ist als Methodenwechsel zu sehen und nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig.3 Allerdings wird der Übergang zwischen der Einzelbewertung und einem Bewertungsvereinfachungsverfahren als sachlich gerechtfertigte Änderung und damit grundsätzlich zulässig betrachtet, sofern kein willkürliches Hin und Her erfolgt.4 Darüber hinaus sollten auf gleichartige Vermögensgegenstände grundsätzlich die gleichen Verfahren angewandt werden.5 Eine einheitliche Anwendung eines gewählten Vereinfachungsverfahrens auf alle vereinfacht bewerteten Vorräte als geboten zu erachten,6 ist mE nicht sachgerecht. Das BMF-Schreiben v. 12.5.2015 erlaubt explizit eine unterschiedliche Ausübung des Bewertungswahlrechts für verschiedene Bewertungsgruppen,7 wobei eine obligatorische Zusammenfassung gleichartiger Wirtschaftsgüter nicht angesprochen wird. Mit der Maßgabe, dass die Anwendung unterschiedlicher Bewertungsvereinfachungen gleichartiger Vorräte einer sachlichen Rechtfertigung bedarf, ist dem zuzustimmen; eine differenzierte Anwendung durch Abbildung der Realität, etwa bei unterschiedlichen Lägern, muss möglich sein. Steuerlich zu beachten ist, dass ein Wechsel von der, jedoch nicht hin zur Lifo-Methode der Zustimmung des Finanzamts bedarf (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 3 EStG, R 6.9 Abs. 5 EStR).8 Des Weiteren wird hinsichtlich der Behandlung von Jahresmehrbeständen und der unterjährigen Anwendung unterschieden und es werden hierfür jeweils verschiedene Verfahren als zulässig erachtet.9 Dies ist jedoch für ein und dieselbe Vorratsgruppe abzulehnen, da die Abrechnungsperiode keine sachlogische Verknüpfung mit einer Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge aufweist.10

1 AA Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 65. 2 Vgl. auch BKT, Bilanzen13, 124 ff. 3 Vgl. ADS6, § 256 HGB, Rz. 20; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 34; zur Bewertungsmethode vgl. IDW RS HFA 38, FN-IDW 2011, 560 (Rz. 8 ff.). 4 Vgl. Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 402 ff.; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 34; IDW RS HFA 38, FN-IDW 2011, 560 (Rz. 15); die Variantenwahl einbeziehend Hüttemann/ Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 71. 5 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 20; Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 402 ff. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 25, 56 erachten es als geboten, möglichst alle gleichartigen Vermögensgegenstände in einer Gruppe zusammenzufassen; vgl. hierzu IDW RS HFA 38, FN-IDW 2011, 560 (Rz. 14); aA Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 37. 6 In diesem Sinne Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 408. 7 Vgl. BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462; hierzu Prinz, DB 2015, 1196 (1197). 8 Vgl. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 104. 9 Vgl. ADS6, § 256 HGB, Rz. 45 ff.; Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 48 ff. 10 Gegen einen Methodenmix ist zu Recht Siegel, DB 1991, 1941 (1944); glA Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 49; Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 100.

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C. Verfahrensvarianten und weitere bewertungsrelevante Aspekte

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Rz. 22 § 256

C. Verfahrensvarianten und weitere bewertungsrelevante Aspekte I. Permanente und Perioden-Verfahren 1. Charakteristika der Verfahrensvarianten Lifo-, Fifo- und Durchschnittsverfahren können zwar grundsätzlich jeweils als permanentes oder als Pe- 20 rioden-Verfahren ausgestaltet werden,1 jedoch wirkt sich dies nur bei Lifo- und Durchschnittsbewertung auf den Bestandswert aus. Während beim permanenten Verfahren eine Verbrauchsfolgefiktion – analog für die Durchschnittsbewertung – bei jedem Abgang auf Basis des zu diesem Zeitpunkt vorhandenen, nach seiner Zugangsfolge differenzierbaren Bestands angewandt wird, erfolgt beim Periodenverfahren die Bewertung des Abgangs durch Anwendung der Verbrauchsfolge unter Einschluss sämtlicher Zugänge bis zum Periodenende. Das permanente Lifo-Verfahren – ebenso das Durchschnittsverfahren – erfordert eine kontinuierliche mengen- und wertmäßige Aufzeichnung, beim Perioden-Verfahren muss der Bestand hingegen nur einmal am Periodenende bewertet werden, hierfür sind lediglich sämtliche Zugänge in ihrer zeitlichen Reihenfolge mit Menge und Preis aufzuzeichnen. In der Praxis ist deshalb das Perioden-LifoVerfahren gängiger als das permanente Lifo-Verfahren. Für die Bewertung des Endbestands bei dem – in der Praxis wiederum eher unbedeutenden2 – Fifo-Verfahren müssen „die Zugänge nur so lange zurückverfolgt werden [..], bis sie mit dem Bestand laut Inventur übereinstimmen.“3 Neben dem Geschäftsjahr kommt eine monatliche, quartalsweise oder halbjährliche Periodeneinteilung in Betracht.4 Für die jährliche Fortschreibung eines Jahresanfangs- bzw. -endbestands werden teils sowohl eine Durch- 21 schnittsbildung, bei der ein Gesamtbestand aus Anfangs- und Mehrbestand des Jahres mit einem Durchschnittswert ermittelt wird, als auch die zeitlich getrennte Fortführung der Zugänge in sog. Layern für zulässig erachtet.5 Unter einem Layer wird ein Posten für die Mehrmenge einer Abrechnungsperiode verstanden, der als eigenständige Teilmenge fortgeführt wird.6 Beides ist gem. R 6.9 Abs. 4 Satz 4 EStR grundsätzlich auch steuerlich zulässig.7 Bei der Wertermittlung des einen Layer bildenden Mehrbestands kann nach R 6.9 Abs. 4 Satz 5 EStR von den AHK der ersten Lagerzugänge des Wirtschaftsjahrs, dh. einer konsequenten Lifo-Anwendung, oder von den durchschnittlichen AHK aller Lagerzugänge des Jahres ausgegangen werden.8 Das letztgenannte beinhaltet jedoch eine mE wiederum abzulehnende Verfahrenskombination. 2. Lifo- und Fifo-Verfahrensvarianten am Beispiel Das Fifo- sowie das permanente und das Perioden-Lifo-Verfahren werden an einem Beispiel veranschaulicht. Die Jahresendbestände bleiben nach den einzelnen Zugängen differenziert; eine Durchschnittsbildung für Mehrbestände (Layer) wird nicht vorgenommen. Zudem wird von einem entsprechend hohen beizulegenden Wert bzw. Teilwert des Vorratsguts zu den Bilanzstichtagen ausgegangen, so dass eine Abschreibung nicht in Betracht kommt (s. Rz. 27 f.). Die folgende Tabelle zeigt im Kontext ansteigender Preise des Vorratsguts dessen Bestände sowie Zu- und Abgänge in einem zweijährigen Betrachtungszeitraum (1.1. 01–31.12. 02), wobei der Anfangsbestand des Jahres 01 aus einer einzigen Lieferung stammen soll [AB: Anfangsbestand, EB: Endbestand].

1 Vgl. Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens8, 411 ff.; Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 72; Claussen in KK-RLR, § 256 HGB Rz. 13; bei der Durchschnittsmethode wird zwischen gewogenen (Perioden-Verfahren) und gleitenden Durchschnitten (permanentes Verfahren) differenziert; vgl. Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens8, 411. 2 Vgl. Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 72; Claussen in KK-RLR, § 256 HGB Rz. 13. 3 Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens8, 412. 4 Vgl. Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 14; BKT, Bilanzen13, 376. 5 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 46 f.; Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 50 f.; Jungkunz/Köbrich, DB 1989, 2285 (2288 f.); Herzig/Gasper, DB 1991, 557 (561 f.). 6 Vgl. Hörtig/Puderbach, DB 1991, 977; ADS6, § 256 HGB Rz. 47; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 256 Rz. 10; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 53. 7 Vgl. Richter in HHR § 6 EStG Rz. 648; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 98. 8 Nach Hörtig/Puderbach, DB 1991, 977 (978) sollte danach auch eine Durchschnittsbildung über einen unterjährigen Zeitraum möglich sein; vgl. hierzu Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 49.

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22

§ 256 Rz. 23 | Bewertungsvereinfachungsverfahren Menge (Stück)

Preis (€/Stück)

Wert (€)

Jahr 01 100

5,00

500,00

Zugang z1-01, 15.4.01

AB 01

10

5,15

51,50

Abgang a1-01, 29.6.01

-40

Zugang z2-01, 20.9.01

50

5,30

265,00

Zugang z1-02, 27.4.02

20

5,51

110,20

Abgang a1-02, 10.7.02

-40 5,73

286,50

Jahr 02

Zugang z2-02, 13.11.02

50

Abgang a2-02, 22.12.02

-40

Summe AB 01 und Zugänge 01, 02

23

110

1.213,20

Beim Fifo-Verfahren ergeben sich die folgenden bewerteten Abgänge und Bestände, wobei permanentes und Perioden-Verfahren zum selben Ergebnis führen: Menge (Stück)

Preis (€/Stück)

Wert (€)

Jahr 01 Abgang 01 (gesamt)

-40

aus AB 01

-40

EB 01 (gesamt)

120

-200,00 5,00

-200,00 616,50

davon AB 01

60

5,00

300,00

davon Zugang z1-01

10

5,15

51,50

davon Zugang z2-01

50

5,30

265,00

Jahr 02 Abgang 02 (gesamt)

-80

aus AB 01

-60

5,00

-300,00

aus Zugang z1-01

-10

5,15

-51,50

aus Zugang z2-01

-10

5,30

EB 02 (gesamt)

-404,50

110

davon Zugang z2-01

40

5,30

212,00

davon Zugang z1-02

20

5,51

110,20

davon Zugang z2-02

50

5,73

Summe EB 02, Betrag Abgänge 01, 02

24

-53,00 608,70

286,50 1.213,20

Beim permanenten Lifo-Verfahren ist der Abgang auf Basis des im Abgangszeitpunkt vorhandenen, nach unterschiedlichen Zugängen gegliederten Bestands zu bewerten. Dies führt auf: Menge (Stück)

Preis (€/Stück)

Wert (€)

Jahr 01 Abgang 01 (gesamt)

464

-40

-201,50

aus Zugang z1-01

-10

5,15

-51,50

aus AB 01

-30

5,00

-150,00

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C. Verfahrensvarianten und weitere bewertungsrelevante Aspekte Menge (Stück) EB 01 (gesamt)

Preis (€/Stück)

120

|

Rz. 25 § 256 Wert (€) 615,00

davon AB 01

70

5,00

350,00

davon Zugang z2-01

50

5,30

265,00

Jahr 02 Abgang 02 (gesamt) Abgang a1-02

-80

-445,40

-40

-216,20

aus Zugang z1-02

-20

5,51

-110,20

aus Zugang z2-01

-20

5,30

-106,00

Abgang a2-02

-40

aus Zugang z2-02

-40

EB 02 (gesamt)

-229,20 5,73

110

-229,20 566,30

davon AB 01

70

5,00

350,00

davon Zugang z2-01

30

5,30

159,00

davon Zugang z2-02

10

5,73

57,30

Summe EB 02, Betrag Abgänge 01, 02

1.213,20

Beim Perioden-Lifo wird die Verbrauchsfolgefiktion nach jeder Periode (hier gleich Jahr) auf den Gesamtbestand aus Anfangsbestand und Zugängen der Periode angewandt. Es ergibt sich: Menge (Stück)

Preis (€/Stück)

Wert (€)

Jahr 01 Abgang 01 (gesamt) aus Zugang z2-01 EB 01 (gesamt)

-40 -40

-212,00 5,30

110

-212,00 604,50

davon AB 01

100

5,00

500,00

davon Zugang z1-01

10

5,15

51,50

davon Zugang z2-01

10

5,30

53,00

Jahr 02 Abgang 02 (gesamt)

-80

-449,70

Abgang a1-02

-40

-229,20

aus Zugang z2-02

-40

5,73

-229,20

Abgang a2-02

-40

aus Zugang z2-02

-10

5,73

-57,30

aus Zugang z1-02

-20

5,51

-110,20

aus Zugang z2-01

-10

5,30

-53,00

EB 02 (gesamt)

-220,50

110

551,50

davon AB 01

100

5,00

davon Zugang z1-01

10

5,15

Summe EB 02, Betrag Abgänge 01, 02

500,00 51,50 1.213,20

Bei steigenden Preisen führt das Perioden-Lifo zu höheren Verbräuchen als das permanente Lifo (und das Fifo-Verfahren), da stets die letzten Zugänge des Jahres als zuerst verbraucht gelten, selbst wenn der Verbrauch zeitlich dem zugeordneten Abgang vorausgeht. Das Vorgehen bietet bilanzpolitischen GestaltungsKnobloch

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465

25

§ 256 Rz. 26 | Bewertungsvereinfachungsverfahren spielraum, indem durch Vorziehen oder Verzögern von Beschaffungen bezüglich des Bilanzstichtags der bewertete Verbrauch der Periode beeinflusst werden kann.

II. Index-Verfahren 26

Dem mengenorientierten Lifo-Verfahren wird ein Index-Lifo-Verfahren gegenübergestellt, das sowohl mengen- als auch wertmäßigen Bestandsänderungen und damit auch Strukturverschiebungen in der Gruppenzusammensetzung zwischen unterschiedlich werthaltigen Gruppenelementen Rechnung trägt.1 Hierbei wird ein Mehr- oder Minderbestand ermittelt, indem die aktuellen Mengen der in der Gruppe zusammengefassten Vorratsarten zum Bilanzstichtag (02) mit den Preisen des Vorjahres (01) bewertet und mit dem Gesamtwert verglichen werden, der sich aus der Bewertung der Vorjahresmengen (01) mit dem zugehörigen Preisgerüst (01) ergibt.2 Ein (wertmäßiger) Mehrbestand zu Preisen des Jahres 01 wird dann mit dem Preisindex der Gruppe auf den aktuellen Bilanzstichtag 02 hochgerechnet; der Preisindex entspricht hierbei dem Verhältnis des mengenmäßigen Bestands in 02, bewertet zu Preisen des Jahres 02, und demselben Mengengerüst, bewertet zu Vorjahrespreisen (01). Ein wertmäßiger Minderbestand wird zunächst mit einem Vorjahresmehrbestand (Layer 01) verrechnet, ein weitergehender Überhang ist durch Division mit den analogen Preisindizes der Vorjahre zeitgerecht an vorausgehende Layer anzupassen und gemäß Lifo mit diesen zu verrechnen. GoB-Konformität und handelsrechtliche Zulässigkeit des Verfahrens werden jedoch mehrheitlich abgelehnt;3 als problematisch wird zu Recht insbes. die Anwendung der Verbrauchsfolge auf einen wertmäßigen und nicht auf einen physisch, damit mengenmäßig bestimmten Vorratsabbau, wie dies der Wortlaut der Vorschrift nahelegt, erachtet.4 Auch steuerlich wird das Verfahren nicht anerkannt.5

III. Niederstwertprinzip 27

Da die Verbrauchsfolgeverfahren nur eine vereinfachte Bestimmung der AHK des Endbestands erlauben, ist dieser auf einen etwaigen Abschreibungsbedarf nach § 253 Abs. 4 HGB (s. § 253 HGB) zu prüfen (steuerlich § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). In nachfolgenden Jahren kann eine Wertaufholung nach § 253 Abs. 5 HGB (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG) vorzunehmen sein.

28

Bei einer (hier als unzulässig erachteten) Durchschnittsbewertung des Gesamtbestands ergibt sich ein zwingender Abschreibungsbedarf, wenn handelsrechtlich der Börsen-, Marktpreis oder beizulegende Wert niedriger ist als der Durchschnittswert pro Stück;6 steuerlich darf nur abgeschrieben werden, wenn der Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung niedriger ist. Bei der Layer-Bildung geht die hM von einer separaten Beurteilung des Abschreibungsbedarfs pro Layer aus;7 die Beurteilung am Durchschnittswert würde dann als Methodenwechsel gewertet.8 Für diese Sichtweise spricht mE, dass das Vereinfachungsverfahren letztlich eine Zuweisung von AHK zu einzelnen, für diese Wertzuweisung zu einer Gruppe zusammengefassten Vermögensgegenständen beinhaltet. Nach dieser Zuweisung sind die Vermögensgegenstände grundsätzlich einer quasi-individuellen, dh. – zumindest auf Ebene ihrer buchhalterischen Unterscheidbarkeit – einer Folgebewertung zugänglich. Es wird zudem betont, dass die Gruppenbildung für die Anwendung des Niederstwertprinzips nicht aufgelöst werden

1 Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 256 Rz. 12. 2 Zum Vorgehen im Einzelnen vgl. Siepe/Husemann/Borges, WPg. 1994, 645 (646 ff.); ADS6, § 256 HGB Rz. 57 f. 3 Vgl. Siegel, DB 1991, 1941 (1948); Mayer-Wegelin in HdR, § 256 HGB Rz. 34, 60, 72; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 67; Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 118 ff.; Mayer-Wegelin, BB 1991, 2256 (2260 f.); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 256 Rz. 12; Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 40 f., mwN; aA GEFIU, DB 1990, 1977 f.; Herzig/Gasper, DB 1992, 1301 (1306) mwN. 4 Vgl. Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 119; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 256 Rz. 12. 5 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 414; Richter in HHR, § 6 EStG Rz. 643; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 102. 6 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 52. Zu Herleitung des Vergleichswertes bei Vorräten vgl. Schmidt/Labrenz in Beck’sches HdR, B 214 Rz. 134 ff. 7 Vgl. Jungkunz/Köbrich, DB 1989, 2285 (2289 f.); Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 55; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 53; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Komm. Bilanzierung7, § 256 HGB Rz. 27; ferner Herzig/Gasper, DB 1991, 557 (564), die die potentielle Erfolgsbeeinflussung verdeutlichen; ferner ADS6, § 256 HGB Rz. 53, wonach eine Abschreibung ggf. auch auf Ebene von Layer-Komponenten vorzunehmen ist. Steuerlich ist ebenfalls eine separate Beurteilung der Layer hinsichtlich einer Teilwertabschreibung vorgesehen, R 6.9 Abs. 6 Satz 2 EStR. 8 Vgl. ADS6, § 256 HGB Rz. 53 f.; Grottel/F. Huber in Beck BilKomm.10, § 256 HGB Rz. 53.

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Währungsumrechnung

| § 256a

dürfe, die Gruppe wird hierbei als Bewertungseinheit gesehen.1 Insofern teilen zu einer Gruppe zusammengefasste Vermögensgegenstände, die zwar gleichartig, jedoch nicht gleich sind, potentiell dasselbe Bewertungsschicksal. Bei Letzterem kann sich die praktische Frage stellen, welchem der zusammengefassten Vermögensgegenstände bei einer Orientierung am Beschaffungsmarkt2 das Referenzgut entsprechen soll – aus Vorsichtsgründen ggf. dem geringwertigsten? –, oder ob es iS einer Durchschnittsbildung repräsentativ sein sollte, dabei aber die Herleitung eines Börsen-, Marktpreises oder beizulegenden Werts ermöglichen muss. ME spricht der anzustellende Niederstwertvergleich zumindest dafür, den Aspekt der Gleichwertigkeit bei der Gruppenbildung nicht allzu gering zu achten. Darüber hinaus erscheint die unterstellte Kohärenz einer Gruppe (nur) gleichartiger Vermögensgegenstände einerseits, jedoch der separaten Beurteilung von (nur) rechnerisch abgegrenzten Layern andererseits nicht völlig widerspruchsfrei, zumal die Layer respektive ihre Komponenten in einen die gesamte Vorratsgruppe übergreifenden Bewertungszusammenhang eingebunden sind.

IV. Maßgeblichkeit? Die Kontroverse um die Bedeutung der Änderung der Maßgeblichkeit in § 5 Abs. 1 EStG durch das Bil- 29 MoG3 betrifft grundsätzlich auch die Verbrauchsfolgeverfahren und führt bis dato zu divergierenden Ansichten. Die Finanzverwaltung und Teile des Schrifttums haben sich deutlich für eine unabhängige Ausübung des steuerlichen Wahlrechts zur vereinfachten Bewertung gegenüber dem HGB- oder IFRS-Abschluss entschieden; dies schließt den Fall einer Einzelbewertung in diesen Abschlüssen ein.4 Demgegenüber geht eine weitere Ansicht bei GoB-konformen Wahlrechten davon aus, dass eine „gleichsinnige Ausübung […] geboten“ ist;5 danach soll das Lifo-Verfahren steuerlich nur anwendbar sein, wenn es auch handelsrechtlich angewandt wird. Schließlich wird im gegebenen Kontext eine besondere Form einer (faktischen) formellen Maßgeblichkeit vertreten: Ein zwar bezüglich verschiedener Verfahren der vereinfachten Bewertung unabhängig ausübbares steuerliches Wahlrecht findet dann seine Grenzen, wenn es durch das grundlegende Ziel der Bewertungsvereinfachung nicht mehr gedeckt ist; bei einer Einzelbewertung im HGB- oder IFRS-Abschluss entfällt der Vereinfachungsgrund, so dass steuerlich das Lifo-Verfahren in diesen Fällen nicht anwendbar sein soll.6 Die von der Finanzverwaltung vertretene Sicht erlaubt die Vermeidung einer Scheingewinnbesteuerung, ohne – nach BilMoG – handelsrechtliche Rückkoppelungen berücksichtigen zu müssen. Es spricht manches dafür, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht. Eine damit einhergehende weitere Lösung vom Vereinfachungserfordernis ist mE jedoch nicht zu begrüßen.

§ 256a Währungsumrechnung 1Auf

fremde Währung lautende Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sind zum Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag umzurechnen. 2Bei einer Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger sind § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 nicht anzuwenden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Reichweite des § 256a HGB . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten für Konzerne und Kreditinstitute nach § 340h HGB . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften (Satz 1) I. Bestimmung des Umrechnungskurses . . . . . II. Währungsumrechnung bei der Zugangsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Vgl. Mayer-Wegelin in HdR5, § 256 HGB Rz. 57; Hoffmann/Lüdenbach in NWB-Komm. Bilanzierung7, § 256 HGB Rz. 28. 2 Vgl. bei RHB-Stoffen diesbezüglich Schmidt/Labrenz in Beck HdR, B 214 Rz. 134. 3 Vgl. zu verschiedenen Ansichten Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens8, 27 ff.; zur aktuellen Diskussion Kahle, DB 2014, H. 22, Beilage 4, 1 ff.; zudem im Kontext Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 90 ff. 4 Vgl. BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 - S 2174/07/100001 :002 – DOK 2015/0348300, BStBl. I 2015, 462 (463); ebenso Adrian, WPg. 2015, 167 (170); Prinz, DB 2016, 9 (12). 5 Vgl. Drüen/Mundfortz, DB 2014, 2245 (2250 – dort auch wörtlich). 6 Vgl. Hüttemann/Meinert, IFSt-Schrift Nr. 486 (2013), 95 f.

Knobloch/Hiller

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§ 256a Rz. 1 | Währungsumrechnung III. Währungsumrechnung bei der Folgebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kurssicherungsgeschäfte und Swaps . . . . . . C. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften bei kurzfristigen Positionen (Satz 2) . .

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D. I. II. E.

Weitere Aspekte der Währungsumrechnung Anhangangaben bei Währungsumrechnung . GuV-Ausweis von Umrechnungsergebnissen Die Währungsumrechnung in der Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Groh, Zur Bilanzierung von Fremdwährungsgeschäften, DB 1986, 869; Hartung, Zur Währungsumrechnung in Bankbilanzen, RIW 1991, 755; Coenenberg/Schultze, Funktionale Währungsumrechnung nach DRS, IFRS und US-GAAP, WiSt 2006, 646; Bieker, Aufspaltung von Umrechnungsdifferenzen bei der Währungsumrechnung. Eine Fallstudie zur Anwendung der Zeitbezugs- bzw. Äquivalenzmethode, KoR 2007, 703; Ernst/Seidler, Kernpunkte des Referentenentwurfs eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, BB 2007, 2557; Meyer, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BilMoG – die wesentlichen Änderungen nach dem Referentenentwurf, DStR 2007, 2227; Busse von Colbe/Schurbohm-Ebneth, Neue Vorschriften für den Konzernabschluss nach dem Entwurf für ein BilMoG, BB 2008, 98; Hommel/Laas, Währungsumrechnung im Einzelabschluss – die Vorschläge des BilMoG-RegE, BB 2008, 1666; Küting/Mojadadr, Währungsumrechnung im Einzel- und Konzernabschluss nach dem RegE zum BilMoG, DB 2008, 1869; Oser/Roß/Wader/Drögemüller, Ausgewählte Neuregelung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, WPg. 2008, 49 und 105; Petersen/Zwirner, Neuerungen in der Konzernrechnungslegung nach HGB, DB 2008, 2093; Pöller, Währungsumrechnung im Einzelabschluss nach BilMoG: Empfehlungen für die Bilanzierungspraxis, BC 2008, 193; Zülch/Hoffmann, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz: Wesentliche Änderungen des RegE gegenüber dem RefE, BB 2008, 1272; Zwirner/Künkele, Währungsumrechnung nach HGB: Erstmalige Kodifikation durch das BilMoG, StuB 2008, 636; Kessler/Veldkamp, Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften – Eine Fallstudie zur Aufstellung des Jahresabschlusses unter Berücksichtigung der Regelungen des BilMoG, KoR 2009, 245; Schäufel, Wechselkursfragen im Rahmen der sog. Controlled Foreign Companies, IStR 2009, 108; Schmidt, Einführung des § 256a HGB durch das BilMoG: Währungsumrechnung BBK 2009, 121; Theile/Stahnke, Praxisfälle zum BilMoG, Teil 2: Währungsumrechnung, BBK 2009, 711; Zwirner/Künkele, Währungsumrechnung nach HGB: Erstmalige Kodifikation durch das BilMoG, StuB 2009, 517; Küting/Pfirmann/Mojadadr, Einzelfragen der Umrechnung und Bewertung von Fremdwährungsgeschäften im Einzelabschluss nach § 256a HGB, StuB 2010, 411; Maier, BilMoG – Währungsumrechnung bei Forderungen und Verbindlichkeiten, SteuK 2010, 50; Schüttler/Stolz/Jahr, Die Währungsumrechnung nach § 256a HGB n. F.: Wider die einseitige Maßgeblichkeit, DStR 2010, 768; Zimmermann, Bilanzierung langfristiger Fremdwährungsausleihungen in der Handels- und Steuerbilanz, BBK 2010, 516; Endert/Sepetauz, Fremdwährungsumrechnung, BBK 2011, 466; Scharpf, Fremdwährungsumrechnung bei (Kredit-)Instituten nach § 340h HGB: unter Berücksichtigung von ERS BFA 4, Teil I: Zugangsbewertung (Anschaffungskosten), Folgebewertung, Devisentermingeschäfte, IRZ 2011, 13; Zwirner/Künkele/Froschhammer, Angaben zur Fremdwährungsumrechnung nach BilMoG, BB 2011, 1323; Endriss, Die Bewertung in ausländischer Währung nach § 256a HGB, BBK 2012, 1094; Roß, Zur Währungsumrechnung im Jahresabschluss gemäß § 256a HGB, WPg. 2012, 18; Hiller, Währungsumrechnung in Handels- und Steuerbilanz – Zunehmende Bedeutung auch in Europa durch Aufhebung der Bindung des Schweizer Frankens an den Euro, StuB 2016, 487.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Werden Vermögensgegenstände (bzw. Wirtschaftsgüter) in Fremdwährung erworben, so ist für deren Bewertung eine Währungsumrechnung notwendig.1 Zwar wurde durch die Einführung des Euros innerhalb der europäischen Währungsunion die Notwendigkeit einer Währungsumrechnung abgeschafft, trotzdem nimmt die praktische Bedeutung von Währungsumrechnungen aufgrund der zunehmenden Globalisierung der Güter-, Finanz- und Kapitalmärkte stetig zu.2 Grundsätzlich hat die Währungsumrechnung dabei drei Anwendungsbereiche: Zugangs-, Folge- und Abgangsbewertung.3 Die Grundsätze zur Währungsumrechnung im Einzelabschluss sind in § 256a HGB enthalten. Die Grundsätze zur Währungsumrechnung im Konzernabschluss werden in § 308a HGB behandelt. § 256a HGB regelt dabei die Frage wie umzurechnen ist. Die Pflicht zur Umrechnung in Euro ergibt sich aus § 244 HGB.4

1 Diese Umrechnung wird durch die Wechselkurse, also die Preise vorgenommen, zu denen Währungen getauscht werden, vgl. Schlick, DStR 1993, 254. Probleme stellen sich dabei insbes. bei stark schwankenden Wechselkursen ein, vgl. schon Surmann/Tietje, DB 1979, 124 ff. Zur Währungsumrechnung Gebhardt/Breker, DB 1991, 1530. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/10067; Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 1; Kessler/Veldkamp, KoR 2009, 245; Hübner/Leyh, DStR 2010, 1951; Gebhardt/Breker, DB 1991, 1529; Schlick, DStR 1993, 254. Zur Bedeutung Hiller, StuB 2016, 487 ff. 3 Vgl. Langenbucher in HdR5, § 256a HGB Rz. 642. 4 Vgl. auch Küting/Pfirmann/Mojadadr, StuB 2010, 412.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 8 § 256a

Die Relevanz der Währungsumrechnung wird auch mit Blick auf die Sanktionsmöglichkeiten deutlich. 2 Aus § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HGB iVm. § 334 Abs. 3 HGB ergibt sich, dass eine Nichtbeachtung von § 256a HGB mit einem Bußgeld bis zu 50.000 € belegt werden kann.1

II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Reichweite des § 256a HGB Für die Reichweite des § 256a HGB gilt Folgendes: Die Umrechnung von Währungspositionen in § 256a 3 HGB trifft Einzelposten sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite. Festzuhalten ist überdies, dass die Währungsumrechnungsvorschrift für das Anlagevermögen sowie für das Umlaufvermögen gleichermaßen gilt. § 256a HGB schreibt dabei vor, dass auf fremde Währung lautende Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zum Devisenkassamittelkurs am Abflussstichtag umzurechnen sind (Währungsumrechnung).2 Vermögensgegenstände, die ursprünglich auf fremde Währung lauteten, aber bereits in Euro umgerechnet wurden, unterliegen nicht dem Anwendungsbereich von § 256a HGB; für die Umrechnung gelten die GoB.3 Aus dieser Währungsumrechnung resultierende Wertänderungen sind nach Maßgabe von Satz 2 zu über- 4 prüfen. Im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die Währungsumrechnung zu erfolgen hat, schreibt das Gesetz vor, dass der Devisenkassamittelkurs des Abschlussstichtags als Basis für die Umrechnung zu wählen ist. Dies legt auf den ersten Blick den Schluss nahe, den Abschlussstichtag mit dem Bilanzstichtag gleichzusetzen. Das ist hier aber nicht gemeint, vielmehr stellt § 256a HGB auf den Zeitpunkt der Erstverbuchung ab. Denn mit dem Entstehen der Forderung oder Verbindlichkeit entsteht die Verbuchungspflicht, die bei fremder Währung in Euro umzurechnen ist. Wie umzurechnen ist, sagt das Gesetz mit Klarheit: nämlich zum Devisenkassamittelkurs. Die Regelung des § 256a HGB gilt sowohl für Kreditinstitute als auch für Unternehmenskassen, nicht für 5 Bestände von Sorten. Begründet wurde dies im RegE damit, dass den Sorten für die den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nur eine zu vernachlässigende Bedeutung „zukommt“. Der Grundsatz der Wesentlichkeit sei nicht erfüllt, was in aller Regel zutrifft. Nicht unter die Währungsumrechnung des § 256a HGB fallen zudem Bewertungseinheiten nach § 254 HGB.4 Hier ist keine Währungsumrechnung auf Ebene der einzelnen Komponenten, sondern auf Sicherungsebene vorzunehmen (IDW RS HFA 35 Rz. 4).5 § 254 HGB ist insofern als Spezial-Vorschrift (lex specialis) zu § 256a HGB aufzufassen.

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Ebensowenig sind aktive Rechnungsabgrenzungsposten nach § 256a HGB umzurechnen,6 weil es sich da- 7 bei nach allgemeiner Auffassung nicht um Vermögensgegenstände handelt. Insofern ist für Rechnungsabgrenzungsposten eine Umstellung auf Euro nicht erforderlich, da die Leistungen bereits erbracht wurden und sich die Rechnungsabgrenzungsposten durch die Umrechnung der anderen Bilanzpositionen ergeben. Im Gegensatz hierzu ist die Umrechnung eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts mit- 8 tels § 256a HGB vorzunehmen.7 Zwar handelt es sich beim entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert in Ermangelung der Möglichkeit zur Einzelveräußerbarkeit nicht um einen Vermögensgegenstand, die Fiktion des § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB lässt § 256a HGB jedoch zur Anwendung kommen.

1 Vgl. Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB, Rz. 111 (Stand März 2012); Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 256a HGB Rz. 12; Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 280. 2 Zur Reichweite der Währungsumrechnung Hiller, StuB 2016, 487 f. Kritisch zur hinreichenden Konkretisierung Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e.V., BB 2008, 997; Lüdenbach/Hoffmann, StuB 2009, 301. 3 Vgl. Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 32. 4 Vgl. Scharpf, IRZ 2011, 14. 5 Vgl. Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 256a HGB Rz. 1; Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 250, ebenfalls mit Verweis auf IDW RS HFA 35. 6 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 2. Die Umrechnung von Rechnungsabgrenzungsposten war im BilMoG-RefE noch enthalten, wurde im RegE aber gestrichen, vgl. Meyer, DStR 2007, 2228; Meyer, DStR 2008, 1154. 7 Vgl. Scharpf, IRZ 2011, 16.

Hiller

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§ 256a Rz. 9 | Währungsumrechnung 9

Die Währungsumrechnung nach § 256a HGB gilt ebenfalls nicht für Rückstellungen und latente Steuern.1 Deren Höhe ist jeweils zum Abschlussstichtag neu zu ermitteln. Der sich so ergebende Wert ist mit dem dann gültigen Devisenkassamittelkurs umzurechnen und sodann zu bewerten. Das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und das Anschaffungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) gelten hier nicht, weil diese Positionen in § 256a HGB nicht erwähnt sind und weil für diese Positionen in § 253 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 HGB sowie in § 274 HGB spezielle Regelungen geschaffen worden sind. Aus dem Gesetzestext ergibt sich diese Beschränkung überdies aus § 256a Satz 1 HGB, da Rückstellungen und latente Steuern keine Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten sind. Somit gilt § 256a HGB nur für Schulden, die gleichzeitig Verbindlichkeiten darstellen.

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Auch zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente (§ 340e Abs. 3 Satz 1 HGB) fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 256a HGB. Ebenfalls nicht von der Währungsumrechnung betroffen ist das Eigenkapital, da es nicht in Fremdwährung vorliegt.2 2. Besonderheiten für Konzerne und Kreditinstitute nach § 340h HGB

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Im Konzern verschärft sich das Umrechnungsproblem, weil dort nicht nur einzelne Positionen in Euro umzurechnen sind. Es liegen dort möglicherweise ganze geschlossene Jahresabschlüsse in fremder Währung vor, die konzernweit auf Euro umgestellt werden müssen. Hiermit befasst sich das Konzernrechnungslegungsrecht. Früher wurden Fremdwährungsabschlüsse nach dem Deutschen Rechnungslegungsstandard Nr. 14 umgerechnet, der eine Methode vorschrieb, die weitgehend durch § 308a HGB außer Kraft gesetzt wurde. Auf die Ausführungen zu § 308a HGB wird verwiesen.

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Der hier behandelte § 256a HGB gilt branchenunabhängig, also auch für Kreditinstitute. § 340h HGB enthält insofern eine Sonderregelung darüber, wie die Währungsumrechnung im Konzernabschluss zu erfolgen hat.3 § 340h HGB enthält einen Verweis auf § 256a HGB. Außerdem wird geregelt, dass die Erträge aus den Deckungsgeschäften in derselben Währung ertragswirksam zu vereinnahmen sind.4 Somit gilt § 256a HGB auch im Anwendungsbereich von § 340h HGB zunächst uneingeschränkt.5 Auf die Ausführungen zu § 340h HGB wird verwiesen.

III. Rechtsentwicklung 13

§ 256a HGB wurde durch das BilMoG neu eingeführt und hat keinen gesetzlichen Vorläufer; nach ihrem Inhalt ist die Vorschrift dem Rechtsanwender vertraut. Zwar enthielten vor Einführung dieser Vorschrift weder das deutsche Bilanzrecht noch die 4. Richtlinie Anweisungen, wie fremde Währungen in deutschen Bilanzen in Euro umzurechnen sind. Dennoch war keine Regelungslücke vorhanden.6 § 256a HGB ist vielmehr Ausdruck der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und der wesentlichen Handhabung in der gelebten Praxis.

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Durch § 256a wurde dabei einerseits keine fundamentale Änderung gegenüber der früheren Umrechnungspraxis angestrebt, vielmehr war es Ziel, eine Vereinheitlichung der bisherigen Anwendungspraxis durch geschriebenes Recht zu schaffen.7 Zuvor hatte der Bilanzierende – nach geltendem Recht im Rahmen der GoB – die Freiheit, für jede einzelne Bilanzposition eine den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen entsprechende Umrechnungsmethode auszuwählen. Hierdurch ergab sich eine Methodenvielfalt bei der Währungsumrechnung.8 Diese Methodenvielfalt wurde durch die Einführung von § 256a HGB beendet. Andererseits sollte der Grundsatz, dass nicht für alle Umrechnungsvorgänge der gleiche Wechselkurs der richtige sein kann und sein muss, sondern Position für Position für sich umgerechnet wird, nicht aufgehoben werden, sondern fortgelten. Dieser Grundsatz nimmt auf die Zeitbezugsmethode, „temporal-principle“, Bezug.

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Vor BilMoG war zwischen Anlage- und Umlaufvermögen zu unterscheiden. Auf der Aktivseite wurde eine weitere Unterscheidung zwischen monetären und nicht monetären Posten vorgenommen. Das Anla1 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 2. Zur Umrechnung von Rückstellungen und latenten Steuern vgl. Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 22 ff. (Stand März 2012). 2 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB 3, Bd. 4, § 256a Rz. 4; Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 256a HGB, Rz. 4. 3 Vgl. auch Scharpf, IRZ 2011, 13 ff. 4 Vgl. Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 101 ff. (Stand März 2012). 5 Vgl. Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz6, 346, mit Bezug auf WP-Handbuch, Bd. I 2012, J Rz. 308 und 349 ff. 6 Vgl. Beisse, BFuP 1990, 499 f.; Hommel/Laas, BB 2007, 1666. 7 Vgl. RefE BilMoG v. 8.11.2007, 136. 8 Vgl. Zwirner/Künkele, StuB 2008, 640.

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B. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften (Satz 1)

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Rz. 19 § 256a

gevermögen wurde zu den Anschaffungskosten bewertet, wobei die ausländische Währung in Euro zum Zeitpunkt der Zahlung umzurechnen war.1 Nach früherem Handelsbrauch erfolgte die Umrechnung von Werten des Anlagevermögens derart, dass die Fremdwährungskaufpreise oder Anschaffungskosten in Euro umzurechnen waren – mit dem Kurs, der tatsächlich aufgewandt wurde, um die Valutaschuld zu bezahlen. Das war idR der Kassakurs zum Zeitpunkt des Zugangs des Vermögensgegenstands.2 Die Anschaffungskosten für in fremder Währung bezahlte Anlagen – ob im Inland oder im Ausland errichtet, spielte keine Rolle – waren die „historischen Wechselkurse“, dh. Kurse, die Geltung hatten, als diese Anlage erworben wurde. Diese Umrechnung in Euro wurde als Teil der Bewertung eingeordnet. Dabei waren das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und der Einzelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) zu beachten.3 Der Grundsatz der zeitgleichen Umrechnung von Valuta in Euro galt auch für Anlagen, die im Ausland erstellt wurden und im Inland zu aktivieren waren.4 Es blieb bei dem für die Anzahlungen und die Barzahlungen tatsächlich gezahlten Betrag. Dies folgte aus dem die Bewertung von Anlagen beherrschenden Grundsatz, sich nicht am Niederstwert zu orientieren, sondern an den Anschaffungskosten. Nach diesem System war es grundsätzlich möglich, dass Anlagen zu erhöhten Anschaffungskosten bewertet blieben. Auch waren Situationen denkbar, die diesen Grundsatz mit dem Grundsatz der Vorsicht in Kollision brachten.

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Für die Währungsumrechnung wurden dabei die allgemeinen Bewertungsgrundlagen des § 252 HGB aF 17 angewendet: „Hiernach durften Gewinne aus Währungsumrechnungen erst ausgewiesen werden, nachdem sie realisiert waren, Verluste aus Währungsumrechnungen mussten hingegen sofort berücksichtigt werden.“5 Nach zuvor geltendem Recht bestand dann ein außerplanmäßiges Abschreibungswahlrecht (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB aF). Dieses Wahlrecht ist vom BilMoG aufgehoben und in eine Abwertungspflicht umgeformt worden. Der durch das BilMoG neu eingeführte § 256a HGB war erstmals auf die Jahresabschlüsse anzuwenden, 18 die für Geschäftsjahre erstellt wurden, die nach dem 31.12.2009 begannen (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB). In der Praxis wurde § 256a HGB damit erstmals für die Erstellung des Jahresabschlusses 2010 angewendet. Dem Bilanzierenden war freigestellt, schon früher auf das neue Recht überzugehen (Art. 66 Abs. 3 Satz 6 EGHGB). Keineswegs unterliegen § 256a HGB nur die nach dem 31.12.2009 entstandenen Posten.

B. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften (Satz 1) I. Bestimmung des Umrechnungskurses Die Währungsumrechnung kann grundsätzlich mit dem historischen Kurs, dem Stichtagskurs oder mit 19 Durchschnittskursen erfolgen.6 Die Umrechnung nach § 256a HGB erfolgt zum Devisenkassamittelkurs. Dies ist der Kurs, der einmal am Tag in einer Börsensitzung amtlich festgestellt wird und die Bezeichnung „Amtlicher Kurs“ erhält.7 Dies ist keine Abwertung der fortlaufend festgestellten Devisenkurse an den Märkten, die vielfach am Tag getätigt werden und häufig zu unterschiedlichen Umrechnungsverhältnissen führen. Für Bilanzierungszwecke wird auf den amtlichen Kurs, der mittags vom Makler in den großen Währungen festgesetzt wird, abgestellt.8 Dieser Kassakurs hat mit dem Terminkurs in dem hier angesprochenen Regelungskreis nichts zu tun. Der Devisenkassamittelkurs ist das arithmetische Mittel aus Geldund Briefkursen.9 – Geldkurs (auch „Bid-Kurs“, „Verkaufskurs“ oder „Angebotskurs“): Der Geldkurs ist der Kurs, der regelt, wie viel fremde Valuta man von den Kursmaklern und von den Kreditinstituten für einen Euro erhält. Der Geldkurs ist somit maßgeblich, wenn für den Erwerb Landeswährung in Fremdwährung getauscht werden muss.10 1 Vgl. zur Bewertung mittels Anschaffungskosten ua. Kahle/Hiller, DStZ 2013, 462 ff.; Kahle/Hiller, WPg. 2013, 403 ff. 2 Vgl. HFA-Entwurf des IDW, WPg. 1986, 664. 3 Vgl. Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 42 Rz. 351. 4 Betriebswirtschaftlich galt der Grundsatz, dass der Wert eines im Ausland liegenden Anlagevermögens von dem Wertverfall seiner Auslandswährung nicht berührt wird. 5 Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 989. 6 Vgl. Coenenberg/Schultze, WiSt. 2006, 646. 7 Zur Kritik am Devisenkassamittelkurs vgl. Endriss, BBK 2012, 1102, der von einem „virtuellen Kurs“ spricht, „den es in der Realität nicht gibt“ (beide Zitat). 8 Soweit für bestimmte Währungen die EZB keine Referenzkurse veröffentlich – sog. Exotenwährungen –, können die Interbankenmarktkurse verwendet werden. In diesem Fall muss dies aber dokumentiert werden. 9 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 256a HGB Rz. 8. 10 Vgl. Küting/Mojadadr, DB 2008, 1870.

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§ 256a Rz. 20 | Währungsumrechnung – Briefkurs (auch „Ankaufskurs“, „Nachfragekurs“). Der Briefkurs ist der Kurs, zu dem Banken und Kursmakler fremde Währungen ankaufen, und dafür Euro aufwenden. Mit dem Briefkurs wird umgerechnet, wenn das Bewertungsobjekt zu einem Zufluss von Fremdwährung führt.1 Durch die Verwendung eines Mittelkurses ist keine Unterscheidung in Brief- und Geldkurs notwendig.2 Außerdem sind die verschiedenen Begriffe – nämlich Geldkurs, Briefkurs, Mittelkurs – nicht von entscheidender Bedeutung, weil die Differenz zwischen diesen einzelnen Kursen regelmäßig unterhalb der Promillegrenze liegt. Damit ist der Grundsatz der Wesentlichkeit ins Bild gerückt, denn wesentliche Auswirkungen gibt es in der Praxis nur bei nicht gängigen Währungen. 20

Für die Bewertung zu Mittelkursen sprechen Praktikabilitätserwägungen und die nicht vorhandene oder kaum wahrnehmbare Relevanz der Abweichungen der einzelnen Kurse untereinander. Auch das grundsätzliche unternehmerische Kompensationsbedürfnis von Währungspositionen verliert durch das Kompensationsverbot nach § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB in der Praxis an Bedeutung. Diese Unzulässigkeit von Kompensation nach § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB würde bei einem Festhalten an einer Geld- und Briefkursbewertung sowohl bei Forderungen als auch bei Verbindlichkeiten in gleicher Valuta zur Folge haben, dass jede einzelne Position einen die Ertragslage verunklarenden Bewertungsgewinn oder einen Bewertungsverlust verursacht. Deshalb hielt man früher Kompensationen in Grenzen für zulässig, was jetzt wegen des Übergangs auf den Mittelkurs nicht mehr zulässig ist.

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Mit der Festschreibung der Währungsumrechnung in § 256a hat der Gesetzgeber somit den mikroökonomischen Einblick in die Währungsumrechnungen des einzelnen Unternehmens eröffnet. Die Währungsumrechnung dient somit auch der objektiven und nachprüfbaren Wertermittlung, da der sich auf informationseffizienten Märkten einstellende Wechselkurs als vom Unternehmen unabhängig angesehen werden kann.3

II. Währungsumrechnung bei der Zugangsbewertung 22

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Währungsposition muss zunächst geklärt werden, wie ein Vorgang bei der Ersterfassung abzubilden ist. Hierfür haben sich die Ausdrücke „Zugangsbewertung“, „Zugangswährungsumrechnung“ oder „Erstverbuchung“ eingebürgert. Die Zugangsbewertung ist als bloßer Transformationsvorgang zu verstehen4 und richtet sich nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung5. Hier reduziert sich die Bewertungsfrage auf die Wahl des bewertungskorrekten Wechselkurses. Diese Transformation (Fremdwährung in Euro) ist bei Voraus- bzw. Barzahlung relativ leicht zu handhaben, da hier der Anschaffungspreis dem hingegebenen Betrag in Euro entspricht. Hingegen ist die Umrechnung bei Zielkäufen problematischer,6 da hier der Eingang in die wirtschaftliche Verfügungsmacht und der Abfluss von finanziellen Mitteln auseinanderfallen.

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Durch das Auseinanderfallen von Zahlungsmittelabfluss und bilanzieller Erfassung stellt sich die Frage, ob Wertschwankungen die Anschaffungskosten betreffen oder ob Kursgewinne bzw. -verluste auszuweisen sind. Für die Transformation konnten bisher bereits der Geld- bzw. Briefkurs eingesetzt werden.7 Die Regierungsbegründung zum BilMoG spricht bei der Zugangsbewertung von einer Umrechnung zum Devisenkassakurs.8 Hieraus wird der Schluss abgeleitet, dass der Geld- bzw. Briefkurs für die Umrechnung maßgeblich sind.9 Dabei spielt die Perspektive eine Rolle, also die Frage, ob Bilanzpositionen aus einer Anschaffungs- oder einer Absatzsichtweise heraus bewertet werden sollen.10 Aufwendungen und Erträge sind mit dem zum Zugangszeitpunkt gültigen Devisenkassamittelkurs umzurechnen. Aus Vereinfachungsgrün1 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 256a HGB Rz. 9 f. Somit orientiert sich der Geldkurs am Beschaffungsmarkt, der Briefkurs hingegen am Absatzmarkt, vgl. Hommel/Laas, BB 2008, 1667 mwN. 2 Vgl. Drüen in Großkomm.5, § 256a HGB Rz. 14. 3 Vgl. Zimmermann, BBK 2010, 521; Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 1 (Stand März 2012). 4 Vgl. Kessler/Veldkamp, KoR 2009, 246; Kessler/Veldkamp, KoR 2009, 246. Durch eine Bewertung soll die Zuordnung einer Geldgröße zu einer anderen Einheit hergestellt werden, vgl. Albach, WPg. 1963, 624; Kuhn, BFuP 1968, 5. Im Gegensatz zur bloßen Transformation von Geld zu Gutgrößen ist eine „Bewertung“ leitliniengestützt. So sind im Rahmen der Bewertung die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zwingend zu beachten. 5 Vgl. Zwirner/Künkele, StuB 2009, 519. 6 Vgl. Groh, DB 1986, 869. 7 Vgl. BR-Drucks. 344/08, 135. 8 Vgl. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 62. 9 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 1; Scharpf, IRZ 2011, 14; Endert/Sepetauz, BBK 2011, 466 f.; Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 35. 10 Vgl. zur Umrechnung Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 999 ff. Künkele/Zwirner, BRZ 2009, 557; Zwirner/Künkele, StuB 2009, 519.

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B. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften (Satz 1)

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Rz. 25 § 256a

den kann auch ein vom Zugangszeitpunkt abweichender Devisenkassamittelkurs herangezogen werden – sofern sich keine wesentliche Verzerrung einstellt.1 Mit dem Briefkurs können Bankguthaben bzw. liquide Mittel und Fremdwährungsforderungen umgerechnet werden, da sie zu einem Zufluss von Fremdwährung geführt haben bzw. führen werden.2 Einen Überblick liefert nachstehende Aufstellung. Währungsumrechnung im Zugangszeitpunkt Anlagevermögen (bei Anschaffungs- oder Wiederbeschaffung)

Geldkurs

Vorräte (bei Anschaffungs- oder Wiederbeschaffung)

Geldkurs

Verbindlichkeiten und Rückstellungen

Geldkurs

Aufwendungen

Geldkurs

Forderungen

Briefkurs

Bankguthaben und liquide Mittel

Briefkurs

Anlagevermögen (bei Zeitwertbetrachtung)

Briefkurs

Vorräte (bei Zeitwertbetrachtung)

Briefkurs

Erträge

Briefkurs

Die Bewertung zum Devisenkassamittelkurs ist jedoch nicht nur für die Folgebewertung von Devisenposi- 24 tionen wesentlich, sondern auch für die erste Zugangsbewertung.3 Seit durch das BilMoG § 256a HGB eingeführt wurde, ist auch eine Bewertung mit dem Devisenkassamittelkurs erlaubt, sofern sich keine wesentliche Verzerrung einstellt.4 Zwar ist die Bewertung mit dem Devisenkassamittelkurs einerseits nicht im Gesetz normiert,5 andererseits wird diese Vorgehensweise durch das Gesetz auch nicht untersagt.6 Aus diesem Grund kann eine Bewertung mit dem Devisenkassamittelkurs als zulässig angesehen werden, sofern diese Bewertung nicht gegen das Anschaffungskostenprinzip und die damit zusammenhängende Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs verstößt.7 Beispiel8: Der Kauf eines Vermögensgegenstands wird in Fremdwährung vorgenommen. Beim Zielkauf müsste in Höhe des Geldkurses eine Verbindlichkeit eingebucht werden. Um den Anschaffungsvorgang erfolgsneutral abzubilden, müsste der Vermögensgegenstand in Höhe des Geldkurses der Verbindlichkeit bewertet werden. Würde hingegen zu einem vom Geldkurs abweichenden Devisenkassamittelkurs bewertet werden, so würde bei Tilgung der Verbindlichkeit ein Unterschied zwischen effektivem Zahlungsmittelabfluss und angesetzter Verbindlichkeit bestehen. Die Differenz zum angesetzten Betrag wäre damit ergebniswirksam.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Bewertung zum Devisenkassamittelkurs unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten vertretbar ist. Da in der Praxis Brief-, Geld- und Mittelkurs häufig nur minimale Abweichungen aufweisen, wäre eine Zugangsbewertung zum Devisenkassamittelkurs gerechtfertigt.9

III. Währungsumrechnung bei der Folgebewertung Unter Folgebewertungen versteht man die Vorgehensweise, gemäß der einmal eingebuchte Vermögens- 25 gegenstände und Verbindlichkeiten in den Folgebilanzen ausgewiesen werden. Eine Folgewährungs1 Vgl. Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 41 f. (Stand März 2012). 2 Vgl. Zwirner/Künkele, StuB 2009, 512. 3 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 256a HGB Rz. 8; Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 256a HGB Rz. 10; Küting/Pfirmann/Mojadadr, StuB 2010, 412; Pöller, BC 2008, 194. Auch Ballwieser hält eine Bewertung zum Mittelkurs aus Vereinfachungsgründen für zulässig, vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 256a Rz. 10. 4 Vgl. Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 6; BR-Drucks. 344/08, 135; Drüen in Großkomm.5, § 256a HGB Rz. 27 ff. Zur kritischen Auseinandersetzung Roß, WPg. 2012, 19 ff. 5 Vgl. Endriss, BBK 2012, 1095. 6 So auch Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 12 (Stand März 2012). 7 Vgl. Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 6. Zum Anschaffungskostenprinzip vgl. Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 2015, 48 f.; Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 1003. 8 In Anlehnung an Roß, WPg. 2012, 19. 9 In Abwägung auch Roß, WPg. 2012, 21. Auch Grottel/Leistner vertreten die Ansicht, dass die Unterschiede der verschiedenen Kursen vernachlässigbar sind, vgl. Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 38.

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§ 256a Rz. 26 | Währungsumrechnung umrechnung ist nur dann relevant, wenn der Vermögensgegenstand bzw. die Schuld am Abschlussstichtag noch in Fremdwährung lautet.1 Da dieser Ausweis in der oder den Folgebilanz(en) in Euro erfolgt, ist eine Umrechnung der einmal ermittelten Anschaffungskosten oder Verbindlichkeiten nicht mehr erforderlich. Es bleibt bei den erfassten und fortgeführten Werten. 26

Im Gegensatz zur Zugangsbewertung stellen die Folge- und Abgangsbewertung eine „eigentliche Bewertung“ dar. Als Bewertung im eigentlichen Sinne sind das Realisations-, Imparitäts- (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und Anschaffungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) grundsätzlich zu beachten.2 Insofern bilden die Anschaffungskosten die Bewertungsobergrenze. Hiernach dürfen unrealisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden, wohingegen unrealisierte Verluste ausgewiesen werden müssen.3 Das Prinzip der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) bleibt dabei auch bei einer Währungsumrechnung erhalten. Nach § 256a HGB sind für die Folgebewertung Brief- oder Geldkurs unmaßgeblich, es kommt lediglich eine Bewertung zum Devisenkassamittelkurs in Frage.4

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Nach der Umrechnung der Fremdwährungsposition erfolgt die Bewertung der Währungspositionen. Diese beiden Komplexe, nämlich jene zur Währungsumrechnung und jene zur Währungsbewertung, sind getrennt zu sehen. Sie gelten für alle Unternehmen, gleichgültig welcher Rechtsform und welcher Größenordnung – soweit sie bilanzierungspflichtig und nicht nach § 241a HGB hiervon freigestellt sind. Die hier dargestellten Währungsumrechnungsgrundsätze gelten nur für Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr. Dies lehrt der Umkehrschluss aus § 256a Satz 2 HGB, wonach für die kurzfristigen Positionen unter einem Jahr in der Bewertung das Anschaffungs- oder Herstellungskostenprinzip und das Niederstwertprinzip nicht gelten5.

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Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit Restlaufzeiten von mehr als einem Jahr sind idR in Euro umzurechnen. Ist der beizulegende Zeitwert vermindert, sind Abschreibungen unerlässlich. Dieses Korrekturbedürfnis entfällt, wenn die Restlaufzeit ein Jahr oder weniger beträgt.6 Diese Forderungen und Verbindlichkeiten, zB aus dem laufenden Lieferungs- und Leistungsverkehr, können mit dem Devisenkassamittelkurs umgerechnet werden. Ein angeschlossenes Bewertungsverfahren unterbleibt, der Ausweis unrealisierter Ergebnisbeiträge wird hingenommen, weil die Realisierung in Kürze erfolgt.

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Für Forderungen in fremder Valuta galt vor Einführung von § 256a HGB die Bewertung zu Anschaffungskosten nach § 253 Abs. 1 HGB aF, was bedeutete, dass der Euro-Aufwand für die Forderung die Bewertungsbasis war,7 maßgeblich dafür war der Briefkurs. Der Zeitpunkt für die Umrechnung war die Erstverbuchung der Forderung. Sank der Wechselkurs der Forderung bis zum Stichtag, war nach dem Niederstwertprinzip der Kurs zum Bilanzstichtag als „niedrigerer Wert“ zum Ansatz zu bringen. Dies wurde als die prüfungsrechtlich sicherste Umrechnungsweise, aber auch als die unpraktischste angesehen, weil jede einzelne Währungsforderung geprüft werden musste. Um dies zu vermeiden, wurden alle kurzfristigen Forderungen zusammengefasst und als Gesamtbestand mit dem Stichtagskurs bewertet und mit dem sich so ergebenden Wert ausgewiesen. Diese Bilanzierungserleichterung galt aber nur für Forderungen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr. War der Wechselkurs der Forderungsvaluta zum Bewertungsstichtag gestiegen, entstand ein unrealisierter Gewinn, der unberücksichtigt bleiben musste.8 Geschlossene Positionen (Valutaforderungen), die zeit- und betragsgerecht durch Termingeschäfte gedeckt waren, konnten als Einheit gesehen und als währungsrechtlich ausgeglichen bewertet werden.9

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Das gleiche galt für Bargeld, Bankguthaben und ähnliche liquide Mittel in fremder Währung. Auch diese Positionen waren, ebenso wie Vorräte des Warenbestands, nach dem Niederstwertprinzip zu bewerten, § 253 Abs. 2 und 3 HGB aF Das Niederstwertprinzip galt auch für das Steuerrecht (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 EStG).

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Spiegelbildlich zur Umrechnung von Forderungen war die Umrechnung von Verbindlichkeiten vorzunehmen. Der Rückzahlungsbetrag war der Gegenwert in Euro gemäß dem Kurs zum Entstehungszeitpunkt der Verbindlichkeit. Erhöhte sich der Kurs der Valuta zum Bilanzstichtag, war diese Kursverschlechterung 1 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 2. 2 Vgl. Zwirner/Künkele/Froschhammer, BB 2011, 1323; Schruff/Melcher, DB Beilage 5/2009, 6; Stibi/Fuchs, DB Beilage 5/2009, 9. 3 Vgl. Pöller, BC 2008, 194; Maier, SteuK 2010, 51. 4 Vgl. Scharpf, IRZ 2011, 15. 5 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 2. 6 Vgl. zur Zeitwertbewertung Hiller, DStZ 2016, 199 ff.; Hiller, Ubg. 2016, 346 ff. 7 Vgl. HFA, FN-IDW 1991, 258 – Entwurf einer Verlautbarung zu Währungsumrechnung. 8 Vgl. Leffson, GoB7, 291; Tubbesing, ZfbF 1981, 809 f.; Moxter, WPg. 1984, 400. 9 Vgl. HFA, WPg. 1986, 664; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck18, § 42 Rz. 428.

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B. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften (Satz 1)

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Rz. 35 § 256a

in die Bewertung einzubeziehen. Wenn dabei Kursgewinne in das Ergebnis eingingen, war zu beachten, dass diese Gewinne unrealisiert gewesen sind und deshalb neutralisiert werden mussten. Dies war vor allem dann von Bedeutung, wenn es wesentliche Beträge waren und das Risiko bestand, dass der Kursnutzen bis zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten wieder verschwand.1 Dies war eine Streitfrage, die das BilMoG durch den Verweis in § 256a Satz 2 HGB auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB beantwortete. Der Gesetzgeber hat also das Anschaffungskosten- und Realisationsprinzip für kurzfristige Fremdwährungspositionen aufgehoben. Zusammenfassend galt für Valutaverbindlichkeiten: Sie waren grundsätzlich zu dem am Bilanzstichtag 32 geltenden Geldkurs, ausnahmsweise dem Mittelkurs in Euro, umzurechnen und zu bewerten. Aufwendungen und Erträge sind mit dem zum Zeitpunkt des Entstehens aktuellen Kurs zu bewerten, wobei eine Durchschnittskursumrechnung möglich ist, wenn die Aufwendungen und Erträge gleichmäßig in einem Zeitabschnitt anfallen.2 Ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste können das Unternehmen auch in Valuta treffen. 33 Nach früherem Recht war der Bilanzierende frei darin, zu entscheiden, in welcher Währung er Rückstellungen bildete. In Valuta gebildete Rückstellungen mussten für den Jahresabschluss in Euro umgerechnet werden. Für drohende Verluste aus Währungsgeschäften, wie zB aus Devisentermingeschäften, oder aus Währungskreditgebung zu bildende Rückstellungen waren währungsgleich und fristenähnlich vorzunehmen, zB durch Anlage in währungsgleichen Aktiva. Durch exakte Zuordnung dieses Aktivpostens zu den Rückstellungen konnten weitere Wertschwankungen aufgefangen werden. Der RegE bezeichnet dieses frühere Recht als „die gängige Praxis der Währungsumrechnung“3, als zu befolgende Erfahrungsgebote – nicht jedoch um formulierte Gesetzesvorgaben. In dieses hier dargestellte und aus den GoB bestehende Regelwerk hat der RefE des BilMoG eingewirkt. 34 Klar war, dass diese Vorschrift nur die Aufgabe hat, die Währungsumrechnung zu bewirken – die Bewertung von Bilanzpositionen in fremder Valuta aber den allgemeinen Vorschriften zu überlassen ist, zB dem Niederstwertprinzip und/oder dem Realisationsprinzip. Dieser Linie folgte auch § 308a HGB für den Konzernabschluss, nämlich eine alle Positionen der Aktiv- und Passivseite umfassende Umrechnung zum Kassakurs des Bilanzstichtags. Historische Kurse sollen nur für das Eigenkapital gelten und für die Posten der Gewinn- und Verlustrechnung. Diese Vorlage wurde kritisiert,4 ua. deshalb, weil im Ergebnis Erfolgsneutralität das Ergebnis dieser Umrechnungen gewesen wäre, also die Änderungen der Wechselkurse keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt hätten, das internationale Geschäft mit vielen Fremdwährungen von deren Risiken strikt abzukoppeln gewesen wäre. Dies hätte zu abwegigen Ergebnissen führen können.

IV. Kurssicherungsgeschäfte und Swaps Im Vergleich zu Geschäften in Landeswährung sind Fremdwährungsgeschäfte mit zusätzlichen Chancen 35 und Risiken der Volatilität der Wechselkurse unterworfen.5 Im Zusammenhang mit der Umrechnung von Währungen muss damit auch die Frage aufgegriffen werden, wie mit Währungsrisiken umzugehen ist. Die klassische Absicherung von Währungsengagements erfolgt durch Kurssicherungsgeschäfte – idR durch Devisentermingeschäfte. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 und § 254 HGB) dürfen diese beiden Vorgänge, nämlich das Währungsaktivum und das dazu gehörige Kurssicherungsgeschäft in der Form eines Terminverkaufs, in gleicher Währung nicht kompensiert werden, wenn keine Gründe iSv. § 252 Abs. 2 HGB dies gebieten. Dies ist aber dann der Fall, wenn deckungsgleiche, dh. währungsgleiche Positionen vorliegen, die im Betrag in etwa identisch sind und wo eine Gleichzeitigkeit von Einnahmen und Ausgaben zu unterstellen ist. Wenn für die Finanzierung eines Valutaaktivums ein Valutakredit aufgenommen wird, beide Positionen dieselbe oder eine ähnliche Fälligkeit sowie gleiche Hauptsummen haben, wäre ein solcher Fall gegeben. Dann sind Kompensationen zulässig; Man spricht in diesen Fällen von „geschlossenen Positionen“ oder „Bewertungseinheiten“. Bei Bewertungseinheiten brauchen Valutaverbindlichkeiten bei steigenden Kursen nicht mit dem höheren Kurs angesetzt werden, weil sie gegen dieses Risiko durch das entsprechende Deckungsgeschäft abgesichert sind. Die Beträge müssen nicht übereinstimmen, auch Globalsicherungen sind kompensierbar. Für den überschießenden Betrag gelten die Grundsätze der Einzelbewertung. Das Stichwort für diesen Komplex lautet: Mildes Einzelbewertungsprinzip. 1 Differenzierend danach, ob die Verbindlichkeit langfristig oder kurzfristig ist Leffson, GoB7, 290 f.; Moxter, WPg. 1984, 400. 2 Vgl. Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 12. 3 Vgl. Hommel/Laas, BB 2008, 1666. 4 Insbesondere von Busse von Colbe/Schurbohm-Ebnetz, BB 2008, 101. 5 Vgl. Groh, DB 1986, 869.

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§ 256a Rz. 36 | Währungsumrechnung 36

Zudem sind Swapgeschäfte für die Währungsumrechnung von Bedeutung. Swapgeschäfte sind Tauschgeschäfte. Es werden zwischen zwei Handelspartnern verschiedene Valuten gegeneinander getauscht, sog. „currency swap“. Nach Ablauf des vereinbarten Termins wird die Valuta zurückgeswapt. Bei Swapgeschäften dieser Art ist die Valutaposition als kompensiert und damit als nicht ausweisbedürftig anzusehen.

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Werden Zinsansprüche zu unterschiedlichen Fälligkeiten miteinander getauscht, handelt es sich ebenfalls um einen Swap. Letzterer gehört nicht in unseren Zusammenhang von Währungsrisiken und deren Vermeidung. Dem Ziel der Vermeidung von Währungsrisiken dient aber das Währungsswapgeschäft. Es besteht in einem Valutenkauf in der Kasse und einem Verkauf der gleichen oder der anderen Valuta mit dem gleichen Betrag auf Termin.1

C. Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften bei kurzfristigen Positionen (Satz 2) 38

Gemäß § 256a Satz 2 HGB sind kurzfristige Positionen von der Korrektur des Devisenkassamittelkurses durch das Anschaffungskosten- oder Herstellungskostenprinzip sowie durch das Realisationsprinzip ausgenommen. Ein Wahlrecht ist nicht vorhanden, vielmehr ist § 256a Satz 2 HGB verpflichtend anzuwenden.2 Dies bedeutet, dass das Niederstwertprinzip für kurzfristige Positionen in der Währungsumrechnung keine Gültigkeit hat. Die gesonderte Aufnahme in Satz 2 erfolgte auf Anregung der betroffenen Wirtschaftskreise aus Praktikabilitätserwägungen und ist erst in die Neuformulierung des § 256a HGB in der parlamentarischen Beratung aufgenommen worden.3

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Dabei ist die Rechtsidee nicht neu, auch wenn im Hinblick auf das Abschiednehmen von dem überragenden Rechts- und Ethikgrundsatz des Niederstwertprinzips ein solcher Anschein geweckt wird. Schon früher wurde dies als den GoB entsprechend angesehen. Für diese Ausnahmen gilt die terminmäßige Beschränkung von einem Jahr oder weniger. Ein Jahr Restlaufzeit von Verbindlichkeiten oder Forderungen erlaubt die Ausnahme von den Restriktionen der §§ 253 Abs. 1 Satz 1 und von 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB. Da bei kurzfristigen Positionen der diesen Vorschriften unterliegende Schutzgedanke nicht einschlägig werden kann, ist dieser Satz 2 überzeugend. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Währungsumrechnung, erscheint es allerdings nicht gerechtfertigt zu sein, alle kurzfristigen Fremdwährungspositionen ohne Beachtung des Anschaffungskostenprinzips zu bewerten. Vielmehr muss § 256a Satz 2 HGB mittels teleologischer Reduktion ausgelegt werden, was insofern bedeutet, dass kurzfristige Fremdwährungspositionen auch dann unter Bezug auf das Realisations- und Anschaffungskostenprinzip umgerechnet werden dürfen, wenn diese Vorgehensweise nicht in § 256a Satz 2 HGB Erwähnung findet.4 Stellenweise wird vertreten, dass § 256a Satz 2 HGB nur dann anzuwenden ist, wenn sich aus dieser Umrechnung unwesentliche Beträge ergeben.5 Diese Normzwecksetzung lässt sich indessen nicht aus dem Wortlaut von § 256a Satz 2 HGB entnehmen, weswegen sie zu verwerfen ist.6 Insofern wird das Vorsichtsprinzip bei kurzfristigen Fremdwährungspositionen zugunsten einer praktikablen Wertermittlung zurückgedrängt.7

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Da sich die Rechtsfolgen von § 256a Satz 1 HGB und § 256a Satz 2 HGB materiell-rechtlich unterscheiden, kommt dem Abgrenzungskriterium („Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger“) besondere Bedeutung zu. Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von ursprünglich mehr als einem Jahr und aktuell weniger als einem Jahr unterfallen dem Anwendungsbereich von § 256a Satz 2 HGB.8 Konflikte in der Anwendung von § 256a Satz 1 HGB und § 256a Satz 2 HGB ergeben sich immer dann, wenn die vertraglich vereinbarte Laufzeit und die ökonomisch vollzogene Laufzeit auseinanderfallen9 und es hierdurch (je nachdem, ob man auf die vereinbarte Laufzeit und ökonomisch vollzogene Laufzeit abstellt) zu einem Wechsel im Anwendungsbereich von § 256a Satz 1 HGB und § 256a Satz 2 HGB kommt. ME ist bei der Antwort auf die Frage, ob § 256a Satz 1 HGB und § 256a Satz 2 HGB zur Anwendung kommen, auf die tatsächlichen Umstände und nicht auf die vertragliche Vereinbarung abzustellen. So muss 1 Einzelheiten hierzu Krämer, Finanzswaps und Swapderivate in der Bankpraxis, 1 ff. 2 Vgl. Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 20 (Stand März 2012). 3 So kann die Regelung „aus Kosten-Nutzen-Erwägungen“ begründet werden, Kirsch/Köhling in BKT, Bilanzrecht, § 256a HGB Rz. 20 (Stand März 2012). 4 Vgl. Kessler/Veldkamp in, Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 21. 5 Vgl. Hübner/Leyh, DStR 2010, 1952. 6 Vgl. Roß, WPg. 2012, 21; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 256a HGB Rz. 17. 7 Vgl. Drüen in Großkomm.5, § 256a HGB Rz. 23 mwN. 8 Vgl. Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 52. 9 Als Beispiel nennen Grottel/Leistner ein unbefristetes Darlehen zwischen Konzerngesellschaften, bei denen eine Tilgung nicht geplant ist, jedoch trotzdem getilgt wird, vgl. Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 54.

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D. Weitere Aspekte der Währungsumrechnung

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Rz. 45 § 256a

bspw. eine Fremdwährungsverbindlichkeit, die ungeachtet der vertraglichen Vereinbarung und der damit verbundenen kurzfristigen Fälligkeit erst nach 15 Monaten getilgt wird, nach Maßgabe von § 256a Satz 1 HGB bewertet werden.1 Dies gilt auch bei Bankguthaben in Fremdwährung. Da Bankguthaben keine definierte Restlaufzeit besitzen, hat die Währungsumrechnung mE zum Devisenkassamittelkurs am Bilanzstichtag zur erfolgen. Insofern ist § 256a Satz 2 HGB anzuwenden, mit der Konsequenz, dass Anschaffungswert-, Realisations- und Imparitätsprinzip nicht greifen. Hierdurch können währungsbedingte Werterhöhungen eintreten, was zum Ausweis nicht realisierter Gewinne führt.

D. Weitere Aspekte der Währungsumrechnung I. Anhangangaben bei Währungsumrechnung Die Vorgehensweise im Rahmen der Bilanzierung, welche die Art und Weise der Umrechnung von 41 Fremdwährungen in Euro betrifft, wurde schon nach früherem Recht im Anhang publiziert. Damit war die Angabepflicht der gewählten Umrechnungsmethode kontrollierbar (§ 274 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF). Diese Angabepflicht gilt unter dem Regime des neuen Bilanzrechts weiter. Nach früherem Recht wurde die Währungsumrechnung nach § 244 HGB aF kommentiert. Die Grundlagen der Währungsumrechnung musste bisher von allen bilanzierungspflichtigen Kapitalge- 42 sellschaften im Anhang erläutert werden (§ 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF). Die Angaben sollten enthalten: Die Grundsätze der Ermittlung von Währungspositionen; Abgrenzungskriterien der besonderen Deckung, dh. welches Devisengeschäft welche Devisenposition deckt. Für Kreditinstitute gelten in Bezug auf die Währungsumrechnung keine Sonderbestimmungen mehr – auch nicht in der Anhangpublizität. § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF war insofern weiter als der Regelungsbereich von § 256a HGB gefasst, als auch Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Fremdwährung mittels Anhangsangaben zu dokumentieren waren.2 Mit dem BilRUG (Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) sind künftig keine gesonderten Angaben zu den 43 Grundlagen der Währungsumrechnung zu machen. Trotz Aufhebung von § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF halten Grottel/Leistner den Ausweis ungebrochen für notwendig, sofern der Jahresabschluss Posten enthält, „denen wesentliche Beträge zugrunde liegen, die auf fremde Währung lauten oder ursprünglich auf fremde Währung lauteten“3. Aus diesem Grund hat der Ausweis unter den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu erfolgen.4

II. GuV-Ausweis von Umrechnungsergebnissen Die Währungsumrechnung bei Vermögensgegenständen und Schulden führt zu einer unmittelbaren Ver- 44 änderung des Buchwerts der jeweiligen Einzelposition. Hieraus können sich Gewinn- und Verlustwirkungen ergeben. Änderungen gegenüber den bisherigen Wertansätzen sind – wie alle Währungsgewinne und -verluste – ergebniswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen (§ 277 Abs. 5 Satz 2 HGB).5 Der Ausweis erfolgt daher unter „sonstige betriebliche Erträge“ bzw. „sonstige betriebliche Erträge/Aufwendungen“. Um eine genaue Zuordnung zu ermöglichen, ist die Aufgliederung der Fremdwährungsumrechnung mittels eines „Davon“-Vermerks oder einer Ausgliederung vorzunehmen. Fraglich ist, ob § 277 Abs. 5 Satz 2 HGB für unterjährig realisierte Währungserfolge und für stichtags- 45 bezogene Aufwendungen und Erträge gilt. Unter Bezug auf die Entstehungsgeschichte der Norm dürfte § 277 Abs. 5 Satz 2 HGB lediglich die stichtagsbezogenen Aufwendungen und Erträge erfassen.6 Außerdem sind realisierte Währungserfolge kein Ergebnis einer Währungsumrechnung, sondern vielmehr das Ergebnis einer Erfüllungshandlung, weswegen die realisierten Währungserfolge nicht unter § 277 Abs. 5

1 2 3 4 5

Vgl. Roß, WPg. 2012, 23. Vgl. Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 36. Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 270. Vgl. Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 270, mit Bezug zur Gesetzesbegründung zum BilRUG. Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 4; Theile/Stahnke, BBK 2009, 711. Kleinstkapitalgesellschaften, die die GuV verkürzt darstellen, müssen die Beträge aus der Währungsumrechnung nicht ausweisen, da die Posten „sonstige betriebliche Erträge“ bzw. „sonstige betriebliche Aufwendungen“ nicht in der GuV abgebildet werden. 6 Vgl. Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 35. Ebenfalls Roß, WPg. 2012, 25, ohne Verwurf der anderen Auslegung.

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§ 256a Rz. 46 | Währungsumrechnung Satz 2 HGB zu summieren sind.1 Von Bedeutung ist dabei auch, dass der Gesetzgeber in Fällen der Währungsumrechnung keine Ausschüttungssperre für unrealisierte Gewinne kodifiziert hat.

E. Die Währungsumrechnung in der Steuerbilanz 46

Es ist fraglich, ob § 256a HGB als GoB für die Steuerbilanz zu übernehmen ist. Stellt man auf das Maßgeblichkeitsprinzip ab (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG), so kann zunächst argumentiert werden, dass § 256a HGB auch für die Steuerbilanz gilt,2 da keine eigenständige steuerbilanzielle Norm vorhanden ist, welche die Währungsumrechnung regelt. Andererseits kann ebenfalls vertreten werden, dass § 256a HGB aufgrund von § 5 Abs. 6 EStG für die Steuerbilanz nicht zu beachten ist. Dem wird entgegengehalten, dass der Bewertungsvorbehalt nicht greife,3 da die Anschaffungskosten nicht im Bilanzsteuerrecht definiert sind und insofern auch bei der Bemessung auf die Währungsumrechnung nach § 256a HGB abzustellen ist. Dabei ist grundsätzlich der Tageskurs im Anschaffungszeitpunkt maßgeblich.4

47

Mit Bezug auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 Satz 1 EStG wird dabei deutlich, dass die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten die Bewertungsobergrenze darstellen.5 Insofern muss von einer Geltung des steuerlichen Bewertungsvorbehalts ausgegangen werden,6 weswegen § 256a Satz 2 HGB nicht für die Steuerbilanz anwendbar ist.7 Eine Durchbrechung des Realisationsprinzips lässt sich deshalb nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen. Ein sich in der Handelsbilanz nach § 256a Satz 2 HGB einstellender unrealisierter Gewinn wird steuerbilanziell nicht abgebildet. Es bleibt in der Steuerbilanz beim Anschaffungskostenprinzip.

48

Im Gegensatz zum Handelsrecht darf bilanzsteuerlich eine Wertminderung allerdings nur vorgenommen werden, wenn diese als voraussichtlich dauerhaft zu qualifizieren ist.8 Daher scheidet eine Wertminderung bei einer nicht dauerhaften Wertminderung aus. So kann es zu einem Abweichen von Handelsund Steuerbilanz kommen, denn handelsrechtlich muss (ohne Rücksicht auf die Dauerhaftigkeit der Kursentwicklung) der gesunkene Kurs von Aktiva (bzw. der gestiegene Kurs von Passiva) angesetzt werden.9 Wird eine negative Wertänderung durch das Abstellen auf das Kriterium der „Dauerhaftigkeit“ reglementiert, so wäre es problematisch, positive Wertänderungen (Kursgewinne) sofort bei Eintritt zu erfassen und einer Besteuerung zuzuführen. Einer so verstandenen einseitigen Maßgeblichkeit ist zu widersprechen.10 Eine Besteuerung von Währungsgewinnen kommt dabei nur in Frage, wenn ein Währungsverlust auch direkt voll steuerlich wirksam wäre. Da dies im geltenden Steuersystem nicht vorgesehen ist, sollte an der hier beschriebenen Regelung festgehalten werden.

49

Bei Posten mit einer Restlaufzeit von einem Jahr, bzw. von weniger als einem Jahr findet das Anschaffungskosten- und das Realisationsprinzip handelsbilanziell keine Anwendung (§ 256a Satz 2 HGB), weswegen es zu einem Ausweis unrealisierter Gewinne kommen kann.11 Diese Abweichung ist allerdings nur für das Handelsrecht maßgeblich, steuerlich bilden die Anschaffungs- und Herstellungskosten auch in diesem Fall die Bewertungsobergrenze (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG)12. Stellenweise wird auch vertreten, dass

1 Vgl. Zwirner/Künkele/Foschhammer, BB 2011, 1323; Kessler/Veldkamp in Haufe BilKomm.7, § 256a HGB Rz. 35. 2 Zur Währungsumrechnung in der Steuerbilanz Hiller, StuB 2016, 490 f. Vgl. auch Günkel, Ubg. 2008, 134; Oser/ Roß/Wader/Drögemüller, WPg. 2008, 686; Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1282. 3 Vgl. Schüttler, PiR 2011, 136; Hoffmann, PIR 2011, 55. 4 Vgl. Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rz. 313 (Stand Juli 2016), mit Verweis auf BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233; BFH v. 6.11.1997 – III R 190/94, BStBl. II 1998, 123. 5 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 256a Rz. 5; Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1282; Zwirner/Künkele, StuB 2008, 517; Hübner/Leyh, DStR 2010, 1952; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 256a HGB Rz. 35; Grottel/Leistner in Beck BilKomm.10, § 256a HGB Rz. 51, mit Bezug auf Dörfler/Adrian, DB Beilage 5/2009, 58. 6 Vgl. Hübner/Leyh, DStR 2010, 1951 ff. mwN; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 256a HGB Rz. 35. 7 Vgl. Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rz. 21a (Stand Juli 2016); aA Dörfler/Adrian, DB Beil. 6/2009, 62; Günkel, Ubg. 2008, 134. 8 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 22; Schüttler/Stolz/Jahr, DStR 2010, 768; Schmidt, BBK 2009, 127. 9 Vgl. Maier, SteuK 2010, 53. 10 Vgl. Schüttler/Stolz/Jahr, DStR 2010, 768. Zu aktuellen Entwicklungen des Maßgeblichkeitsprinzips Hiller/ Baschnagel/Eichholz, StuB 2016, 694 ff. 11 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, 86. 12 Vgl. Künkele/Zwirner, BC 2009, 559; Hübner/Leyh, DStR 2010, 1952; Kleineidam in HdB, Währungsumrechnung, Rz. 11 (Stand März 2010); Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 22; Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rz. 21a (Stand August 2014). Wohl auch Kirsch, Stbg. 2009, 328, sofern § 256a HGB nicht als GoB ausgelegt wird.

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Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen

| § 257

die Stichtagsbewertung bei kurzfristigen Währungspositionen für die Steuerbilanz maßgeblich ist.1 Dieser Ansicht ist zu widersprechen, da die Anschaffungs- und Herstellungskosten die Bewertungsobergrenze darstellen (zwingende steuerliche Regelung) oder bei der Bewertung nach unten die Erforderlichkeit einer dauerhaften Wertminderung besteht (steuerliches Wahlrecht zur Teilwertabschreibung).2 Aus diesem Grund ist die Unterscheidung hinsichtlich der Laufzeit für steuerbilanzielle Zwecke irrelevant. Damit ist zwingend auf die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als Bewertungsobergrenze abzustellen.

Dritter Unterabschnitt Aufbewahrung und Vorlage § 257 Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen (1) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, die folgenden Unterlagen geordnet aufzubewahren: 1. Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, 2. die empfangenen Handelsbriefe, 3. Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe, 4. Belege für Buchungen in den von ihm nach § 238 Abs. 1 zu führenden Büchern (Buchungsbelege). (2) Handelsbriefe sind nur Schriftstücke, die ein Handelsgeschäft betreffen. (3) 1Mit Ausnahme der Eröffnungsbilanzen und Abschlüsse können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, daß die Wiedergabe oder die Daten 1. mit den empfangenen Handelsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, 2. während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. 2Sind Unterlagen auf Grund des § 239 Abs. 4 Satz 1 auf Datenträgern hergestellt worden, können statt des Datenträgers die Daten auch ausgedruckt aufbewahrt werden; die ausgedruckten Unterlagen können auch nach Satz 1 aufbewahrt werden. (4) Die in Absatz 1 Nr. 1 und 4 aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren. (5) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluß des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Handelsbuch gemacht, das Inventar aufgestellt, die Eröffnungsbilanz oder der Jahresabschluß festgestellt, der Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a oder der Konzernabschluß aufgestellt, der Handelsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Persönlicher Anwendungsbereich der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1) I. Kaufmannseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ 1 2 4 9

10

II. Beginn und Ende der Aufbewahrungspflicht III. Verantwortung für Einhaltung der Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sachlicher Umfang der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1 und 2) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handelsbücher, Inventare etc. (Abs. 1 Nr. 1) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handelsbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Vgl. Hoffmann, PIR 2011, 56; Schüttler, PiR 2011, 137. 2 Vgl. Zwirner/Künkele, StuB 2008, 1956; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 256a HGB Rz. 35. Zur Teilwertabschreibung Hiller/Biebinger, DStZ 2016, 612 ff.; Hiller, DStZ 2016, 813 ff.

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§ 257 Rz. 1 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen 3. Inventare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Arbeitsunterlagen und sonstige Organisationsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Handelsbriefe (Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2) . . IV. Buchungsbelege (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . V. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Art und Weise, Ort und Form der Aufbewahrung (Abs. 1 und 3) I. Geordnete Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . .

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II. III. 1. 2. E. I. II. III. IV. F.

Ort der Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . Form der Aufbewahrung Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedergabe auf Bildträger oder anderen Datenträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbewahrungsfristen (Abs. 4 und 5) Dauer der Aufbewahrungsfrist (Abs. 4) . . . . Beginn der Aufbewahrungsfrist (Abs. 5) . . . Ende der Aufbewahrungsfrist . . . . . . . . . . . Folgen des Fristablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Verletzung der Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Müller, Die Aufbewahrungsvorschriften des Handelsgesetzbuches, WPg. 1965, 560; Lohmeyer, Handelsund steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten und -fristen, BB 1973, 29; Radke, Grenzen von Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten, BB 1977, 1529; Feuerbaum, Bedenken gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung (GoS), DB 1978, 1943; Buchner, Überzogene Dokumentationsanforderungen an die EDV-Buchführung?, DB 1979, 1045; Votteler, Die ordnungsmäßige Dokumentation von Datenverarbeitungsprogrammen, 1982; Schuppenhauer, Zur Aufbewahrung der EDV-Dokumentation, DB 1983, 725; Zwank, Der Mikrofilm im Steuer- und Handelsrecht (Neue Mikrofilm-Grundsätze), BB 1984, 1245; AWV (Hrsg.), Gesetzliche Anforderungen an Aufbewahrungsverfahren und Speichermedien, 9. Aufl. 1989; v. Westphalen, Einsatz von optischen Speicherplatten in der Buchführung, DB 1989, 742; Trappmann, Handelsrechtliche und steuerliche Aufbewahrungspflichten und der Begriff des Handelsbriefs, DB 1990, 2437; Ohlf, Die bildliche Übereinstimmung nach Handels- und Steuerrecht, BB 1995, 1787; Zepf, Ordnungsmäßige optische Archivierung – Die handels- und steuerrechtlichen Anforderungen an das Brutto- und Netto-Imaging, WPg. 1999, 569; Schuppenhauer, GoDV – Grundsätze für eine ordnungsmäßige Datenverarbeitung, WPg. 2000, 128; AWV (Hrsg.), Aufbewahrungspflichten und -fristen nach Handels- und Steuerrecht, Schriftgut – Mikrofilm – Optische Archivierung – EDI – EDV-Dokumentation, 8. Aufl. 2002; Roßnagel/Wilke, Die rechtliche Bedeutung gescannter Dokumente, NJW 2006, 2145; Bucher, Die Archivierung von Geschäftsunterlagen, ZinsO 2007, 1031; Dauen, Aufbewahrungspflichten, 2007; Hilgard, Archivierung und Löschung von E-Mails in Unternehmen, ZIP 2007, 985; Knolmayer/Disterer, Anforderungsgerechte Dokumentation der E-Mail-Kommunikation: Rechtliche Vorschriften, technische Lösungen und betriebliche Regelungsbedarfe, in FS Baetge, 2007, 869; Schuppenhauer, GoDV-Handbuch – Grundsätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung und DV-Revision, 2007; Eckhardt, Archivierung von E-Mails, DuD 2008, 103; Hoppen, Datenarchivierung, CR 2008, 674; Henckel, Praxishinweise zur Passivierung von Aufwand für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen nach § 249 Abs. 1 HGB i.d.F. des BilMoG, BB 2009, 1798; Jandt/Wilke, Gesetzliche Anforderungen an das ersetzende Scannen von Papierdokumenten, K&R 2009, 96; Kampffmeyer, E-Mail Compliance – revisionssichere Archivierung, DuD 2010, 619; Haack, Steuerliche und handelsrechtliche Aufbewahrungspflichten, NWB 2014, 694; Burlein/Odenthal, Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), BBK 2015, Beilage 1; Hörmann/Weise/Siegle, Digitalisierung und Archivierung im EVU – Rechtliche Anforderungen und IT-technische Umsetzung, IR 2015, 148 (Teil 1), 173 (Teil 2); Odenthal, Digitale Archivierung von Papierbelegen mittels Scan-Verfahren, BBK 2015, 229.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 257 HGB regelt die Modalitäten der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht. Diese entsprechen inhaltlich im Wesentlichen denen der steuerrechtlichen Aufbewahrungspflicht aus § 147 AO, weisen in Einzelfragen aber Unterschiede hinsichtlich des Adressatenkreises und der sachlichen Reichweite auf.1 Dem Grunde nach ergibt sich die handelsrechtliche Pflicht zur Aufbewahrung bereits aus der Pflicht zur Buchführung (§ 238 HGB, insbes. aus dem aus § 238 Abs. 1 Satz 3 HGB abzuleitenden Belegprinzip; s. § 238 HGB Rz. 38), Inventur (§ 240 HGB) und Bilanzierung (§ 242 HGB). Diese Grundpflichten regeln jedoch nicht die Einzelheiten der inhaltlichen Ausgestaltung der Aufbewahrung.2 Dementsprechend ist die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht wie ihr steuerrechtliches Gegenstück akzessorisch zu den jeweils maßgeblichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten.3

1 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 1; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 10 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 3 (Stand Juli 2015) mwN; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 49. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1. 3 Zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 1 (Stand Juli 2015) mwN.

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| Drüen

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 8 § 257

II. Bedeutung und Zweck Die Aufbewahrungspflicht dient wie die Pflicht zur Buchführung (§ 238 HGB), Inventur (§ 240 HGB) und 2 Bilanzierung (§ 242 HGB) der Dokumentation der kaufmännischen Tätigkeit und dem Gläubigerschutz.1 Ohne die Aufbewahrung könnten diese Zwecke nicht erreicht werden.2 Die Buchführung dient eben nicht nur der Selbstinformation des Kaufmanns, sondern auch der Kontrolle durch Dritte (s. § 238 HGB Rz. 6), wofür die Aufbewahrung konstitutiv ist. Die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht steht wegen ihres Zwecks (Dokumentation und Gläubigerschutz) im öffentlichen Interesse und ist öffentlich-rechtlicher Natur.3 Sie ist zwingendes Recht4 und kann nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen aufgehoben oder modifiziert werden5.

3

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Zwischen der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht und der Pflicht zur Buchführung (§ 238 HGB), 4 Inventur (§ 240 HGB) und Bilanzierung (§ 242 HGB) besteht ein enger sachlicher, instrumentaler Zusammenhang,6 weil Letztere ohne die Aufbewahrung der Unterlagen nutzlos wäre.7 Darum ergibt sich die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht bereits aus den grundlegenden Vorschriften über die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (s. Rz. 1), so dass in § 257 HGB lediglich ihre Modalitäten geregelt werden.8 Selbst diese ließen sich teilweise aus den Vorschriften über die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ableiten. So sind Unterlagen nach § 257 Abs. 1 HGB „geordnet“ aufzubewahren, was sich bereits aus den Anforderungen an die Überschaubarkeit der Buchführung nach § 238 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB ergibt, wonach sich ein sachverständiger Dritter innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens verschaffen können muss.9 Die mit der Aufbewahrungspflicht einhergehenden Anforderungen aus § 257 HGB werden durch die er- 5 gänzenden Pflichten des § 261 HGB erweitert, wenn der Kaufmann zur Vorlegung von Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern verpflichtet ist. Die Verpflichtung kann nach Maßgabe von §§ 258, 259 HGB in Rechtsstreitigkeiten und von § 260 HGB in Vermögensauseinandersetzungen bestehen, aber auch außerhalb von Gerichtsverfahren (s. § 261 HGB Rz. 9).10 Für die mit der Aufbewahrung verbundenen Aufwendungen sind nach § 249 Abs. 1 HGB, iVm. § 5 Abs. 1 EStG, in der Handels- und in der Steuerbilanz Rückstellungen in Höhe des voraussichtlichen Erfüllungsbetrags zu bilden.11

6

Außerhalb des Rechts der Rechnungslegung kann die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht ebenfalls Bedeutung haben. So kann die Aufbewahrungspflicht den Beweiswert und die Beweislastverteilung im Zivilprozessrecht beeinflussen12 (s. Rz. 56). Materiell-rechtlich kann der Ablauf der Aufbewahrungsfrist für einen Kaufmann das für eine Verwirkung erforderliche Zeit- und Umstandsmoment auf Seiten eines Gläubigers des aufbewahrungspflichtigen Kaufmanns begründen.13

7

Neben die in § 257 HGB ausgestaltete handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht tritt die in § 147 Abs. 1 AO ausgestaltete allgemeine steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht, die sich zusätzlich auf Unterlagen nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 4a und Art. 163 des Zollkodex der EU (§ 147 Abs. 1 Nr. 4a AO) und für die Be-

8

1 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 1; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1, 45; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 3; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1. 5 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 3. 6 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 2; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 1. 7 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1; ebenso für die steuerrechtliche Aufzeichnungspflicht aus § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 1 (Stand Juli 2015) mwN. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 1. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 1; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 1; ähnlich Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 2. 10 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 5. 11 BFH v. 16.12.2008 – I R 54/08, BFH/NV 2009, 746; v. 11.10.2012 – I R 66/11, BStBl. II 2013, 676; IDW RH HFA 1009; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 5a; Schubert in Beck BilKomm.10, § 249 HGB Rz. 100 („Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen“); Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1; Drüen in Tipke/ Kruse, § 147 AO Rz. 3a (Stand Juli 2015). 12 Zur Problematik Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 257 Rz. 4. 13 Speziell zu Ansprüchen eines Bankkunden gegen eine Bank Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 257 Rz. 4; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 5b; Duchstein, NJW 2015, 1409 (1412).

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§ 257 Rz. 9 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen steuerung bedeutsame Unterlagen (§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO) erstreckt. Die Pflichten können sich trotz der im Ausgangspunkt unterschiedlichen Zwecke von handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung ganz oder teilweise auf dieselben Unterlagen beziehen. Darüber hinaus können noch steuerbereichsspezifische Aufbewahrungspflichten bestehen, etwa die umsatzsteuerrechtliche Pflicht zur Aufbewahrung des Rechnungsdoppels und der Eingangsrechnungen für alle Unternehmer und Fahrzeuglieferer iSd. § 2a UStG.1 Hinsichtlich der Modalitäten der Aufbewahrung fordert § 147 Abs. 2 Nr. 2 AO – strenger als § 257 Abs. 3 Nr. 2 HGB –, dass die Wiedergabe oder die Daten „während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können“.2 Beide Änderungen gegenüber § 257 HGB sollen das Datenzugriffsrecht der Finanzbehörde im Rahmen der Außenprüfung nach § 147 Abs. 6 AO absichern.3

IV. Rechtsentwicklung 9

Die Regelungen zur handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht waren ursprünglich in § 44 HGB aF enthalten. Sie wurden durch das BilRiLiG mit sprachlichen Präzisierungen, aber ohne wesentliche materielle Änderungen in § 257 HGB überführt. In der Folge wurde mit dem Gesetz zur Änderung des HGB und der RAO v. 2.8.1965 (BGBl. I 1965, 665) und dem EinfG zur AO v. 14.12.1976 (BGBl. I 1976, 3341) die Nutzung neuer Speichermedien ermöglicht. Ferner wurde die Dauer der Aufbewahrungsfrist von einer einheitlichen Zehnjahresfrist aufgespalten und für Buchungsbelege und Handelskorrespondenz durch das Gesetz zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen v. 2.3.1959 (BGBl. I 1959, 77) zwischenzeitlich auf sieben Jahre und durch das EinfG zur AO v. 14.12.1976 (BGBl. I 1976, 3341) auf sechs Jahre herabgesetzt, um sie später mit dem Steueränderungsgesetz 1998 für Buchungsbelege wieder auf zehn Jahre zu erhöhen. Durch verschärfte Anforderungen im Steuerrecht haben sich die Aufbewahrungspflichten im Handels- und Steuerrecht nach Umfang, Intensität und Dauer auseinanderentwickelt (s. Rz. 8), obwohl übereinstimmende Rechtsmaßstäbe rechtspolitisch wünschenswert und hilfreich zur Senkung der Bürokratielasten wären.

B. Persönlicher Anwendungsbereich der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1) I. Kaufmannseigenschaft 10

Nach § 257 Abs. 1 HGB gelten die Regelungen über die Aufbewahrungspflicht aus § 257 HGB wie die damit zusammenhängenden Regelungen in §§ 238, 240, 242 HGB in persönlicher Hinsicht für „jeden Kaufmann“. Der persönliche Anwendungsbereich deckt sich mit der Buchführungspflicht (s. § 238 HGB Rz. 5 ff.).4 Die Kaufmannseigenschaft ist auch für Zwecke der Aufbewahrungspflicht nach Maßgabe der §§ 1 ff. HGB zu bestimmen. Dies gilt nach umstrittener, aber vorzugswürdiger Auffassung auch für zu Unrecht eingetragene Kaufleute iSd. § 5 HGB.5

11

Inländische Kaufleute unterliegen im Hinblick auf ihre ausländischen Zweigniederlassungen grundsätzlich keiner Aufbewahrungspflicht, wenn sie im Ausland einer vergleichbaren Pflicht unterliegen.6 Umgekehrt sind ausländische Kaufleute hinsichtlich ihrer inländischen Zweigniederlassungen buchführungspflichtig (s. § 238 HGB Rz. 7) und folglich aufbewahrungspflichtig.7 Die für die Konzernrechnungslegung relevanten Unterlagen sind vom Konzernmutterunternehmen aufzubewahren.8

1 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 19 (Stand Juli 2015) mwN. 2 Zur sachgerechten Auslegung dieser weitreichenden und langjährigen Archivierungspflichten im Steuerrecht Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 40 ff. (Stand Juli 2015) mwN. 3 Zur „digitalen Außenprüfung“ näher Panek, Die steuerliche Außenprüfung – Digitale Außenprüfung unter Berücksichtigung der §§ 146, 147 und 200 AO, 2008; Ebert, Die digitale Außenprüfung, 2009; Schüßler, Der Datenzugriff der Finanzverwaltung im Rahmen der (digitalen) Außenprüfung, 2010. 4 Ebenso Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 2; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 4; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 6; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1. 5 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 5 mwN, auch zur (möglicherweise herrschenden) Gegenauffassung; die grundlegende Buchführungspflicht bejahend Hüttemann/Meinert, BB 2007, 1436 (1437 ff.); aA ADS6, § 257 HGB Rz. 14. 6 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 2; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 5; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 3. 7 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 2; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 8. 8 Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 5; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 10.

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C. Sachlicher Umfang der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1 und 2)

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Rz. 16 § 257

II. Beginn und Ende der Aufbewahrungspflicht Die Aufbewahrungspflicht beginnt und endet grundsätzlich mit der Buchführungspflicht1 und damit mit Beginn und Ende der Kaufmannseigenschaft2 (s. § 238 HGB Rz. 9 ff., 12 ff.).3

12

Die Aufbewahrungspflicht endet weder mit dem Tod (insoweit Übergang auf die Erben nach § 1922 BGB) 13 oder der Insolvenz des Kaufmanns4 noch mit der Auflösung und Veräußerung des Handelsgeschäfts.5 Bei Gesamtrechtsnachfolge (insbes. durch Verschmelzung, Aufspaltung, Vermögensübernahme) geht die Aufbewahrungspflicht auf den Rechtsnachfolger über; bei Formwechsel oder stiller Liquidation verbleibt sie unverändert beim bisherigen Aufbewahrungsverpflichteten.6 Das Ende der Aufbewahrungspflicht bezieht sich grundsätzlich nur auf nach diesem Zeitpunkt entstandene Unterlagen, nicht auf davor entstandene.

III. Verantwortung für Einhaltung der Aufbewahrungspflichten Die Verantwortung für die Einhaltung der Aufbewahrungspflichten trägt der Kaufmann, bei OHG alle Ge- 14 sellschafter, bei KG und KGaA der persönlich haftende Gesellschafter, bei Kapitalgesellschaften die gesetzlichen Vertreter, auch wenn die Buchführung auf einen Dritten (etwa einen angestellten Buchhalter oder einen beauftragten Steuerberater) ausgelagert wurde.7 Wegen des instrumentalen Zusammenhangs zur Buchführungspflicht gelten die Einzelheiten zur Buchführungszuständigkeit entsprechend für die Aufbewahrungspflicht (s. § 238 HGB Rz. 15 ff.).

C. Sachlicher Umfang der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1 und 2) I. Allgemeines § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB enthält für das Handelsrecht einen abschließenden Katalog mit den aufzubewah- 15 renden Unterlagen.8 Die steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht erstreckt sich neben diese Unterlagen, die nach § 147 Abs. 1 Nr. 1–4 AO im Wesentlichen auch für steuerrechtliche Zwecke aufzubewahren sind, weitergehend auf „sonstige Unterlagen“, wenn sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO),9 und auf Unterlagen nach Art. 15 Abs. 1 und Art. 163 des Zollkodex der EU (§ 147 Abs. 1 Nr. 4a AO). Der abschließende Charakter der Aufzählung nach Handelsrecht aufzubewahrender Unterlagen steht der freiwilligen Aufbewahrung nicht erfasster Unterlagen nicht entgegen, zumal die Aufbewahrung sinnvoll oder als Bestandteil der ordnungsgemäßen Geschäftsführung im Einzelfall zivilrechtlich geboten sein kann.10

II. Handelsbücher, Inventare etc. (Abs. 1 Nr. 1) 1. Allgemeines § 257 Abs. 1 HGB enthält eine Aufzählung der buchführungsrelevanten Unterlagen mit Ausnahme der 16 unter § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB fallenden Buchungsbelege (s. Rz. 31 ff.). Für die in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB bezeichneten Unterlagen gilt die zehnjährige Aufbewahrungsfrist (§ 257 Abs. 4 HGB). Soweit diese Unterlagen für die Besteuerung von Bedeutung sind, sind sie nach § 140 AO auch für die Besteuerung zu führen und nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzubewahren.11 1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 8 f.; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 6; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 7. 2 Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 8. 4 ADS6, § 257 HGB Rz. 14; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1; zum Übergang der Verpflichtung nach § 1922 BGB Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 8. 5 Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1. 6 Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1. 7 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 6; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 1; ebenso Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 6; zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 33 (Stand Juli 2015). 8 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 24. 9 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 14; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 22 (Stand Juli 2015); Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 24. 10 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 13, mit Hinweis auf Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle im Hinblick auf die Beweisführung bei Regressansprüchen; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 24. 11 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 4 (Stand Juli 2015).

Drüen

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§ 257 Rz. 17 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen 2. Handelsbücher 17

Der gesetzlich nicht definierte Begriff1 der „Handelsbücher“ meint die nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB zu führenden Bücher und umfasst sämtliche urkundlichen und nichturkundlichen Informationsträger, die dazu bestimmt und geeignet sind, die Handelsgeschäfte des Kaufmanns und die Lage eines dem Unternehmen gewidmeten Vermögens ersichtlich zu machen.2 Damit fallen Grund-, Haupt- und Nebenbücher unter die Aufbewahrungspflicht, Letztere freilich nur, soweit sie für das Verständnis der Grund- und Hauptbücher erforderlich sind.3 Auf die technische Form der Bücher kommt es grundsätzlich nicht an (zur Art und Weise der Aufbewahrung s. Rz. 35 ff.).4 Auch ohne das Erfordernis einer gesonderten „Konzernbuchführung“ sind die für die Konzernrechnungslegung erforderlichen Bücher aufzubewahren5 (zum aufbewahrungspflichtigen Unternehmen s. Rz. 11).

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Zu den aufzubewahrenden Handelsbüchern gehören insbes. die Kontokorrentbuchführung, das Kassenbuch, das Wechsel- und Scheckkopierbuch, das Wareneingangs- und -ausgangsbuch, die Anlagen-, Lagerund Lohnbuchführung,6 aber auch das im Gesetz als Handelsbuch bezeichnete Verwahrungsbuch iSd. § 14 DepotG, nicht jedoch das Aktienregister iSd. § 67 AktG.7 Für das Tagesbuch des Handelsmaklers iSd. § 100 Abs. 1 HGB gilt § 257 HGB kraft gesetzlicher Verweisung in § 100 Abs. 2 HGB.8 Bei kontenloser Buchführung (sog. Offene-Posten-Durchführung) ersetzen Belege die sonst zu führenden Konten (zB Debitoren- und Kreditoren-Konten); diese Belege haben deshalb Buchfunktion und unterfallen § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB.9 3. Inventare

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„Inventare“ sind sowohl das Anfangsinventar iSd. § 240 Abs. 1 HGB als auch das Jahresinventar iSd. § 240 Abs. 2 HGB.10 Beide sind Aufzeichnungen über körperliche Bestandsaufnahmen über die Vermögensgegenstände und Schulden.11 Ihre Aufbewahrung dient der Beweissicherung und der späteren Kontrollmöglichkeit.12 Folglich sind die Verhältnisse des einzelnen Betriebs für den Umfang der Aufbewahrungspflicht mitbestimmend.13 Verdichtungsprotokolle, Lagerbücher (Lagerkartei) und die Aufzeichnungen über die durchgeführten Stichproben gelten als Inventar und fallen infolgedessen unter § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB.14 Uraufzeichnungen wie Aufnahmezettel oder Meldungen der Lagerverwaltung, die inhaltlich in das Inventar übertragen werden, sind keine nach Handelsrecht aufzubewahrende Inventare iSd. § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB, sondern allenfalls für steuerrechtliche Zwecke aufzubewahrende „sonstige Unterlagen“ iSd. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.15 Nicht aufbewahrt zu werden brauchen auch vorbereitende Aufzeichnungen („Schmierzettel“), wenn sie inhaltlich in Aufnahmelisten übernommen worden sind.16 Sind die Aufnahmelisten unvollständig, müssen die vorbereitenden Aufzeichnungen aufbewahrt werden.17 Tonbänder über die Aufnahme können als Datenträger iSd. § 257 Abs. 3 HGB inhaltlich gesichert aufbewahrt werden,

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 15. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 9 mit Verweis auf § 238 HGB Rz. 32. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 15; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 10; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 9. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 9; zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 5 (Stand Juli 2015). 5 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 10; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 16; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 5; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 10. 6 Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 10; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 9. 7 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 4. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 4. 9 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 5 (Stand Juli 2015). 10 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 10. 11 Zum Steuerrecht R 5.3 und 5.4 EStR 2012. 12 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 6 (Stand Juli 2015). 13 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO BFH v. 25.3.1966 – VI 313/65, BStBl. III 1966, 487; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 6 (Stand Juli 2015). 14 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO BFH v. 24.11.1971 – I R 141/68, BStBl. II 1972, 400; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 6 (Stand Juli 2015). 15 BFH v. 23.6.1971 – I B 6/71, BStBl. II 1971, 709; z.T. aA BFH v. 6.12.1955 – I 169/55 U, BStBl. III 1956, 82; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 7 (Stand Juli 2015); ferner für Wiegescheine Jope, Stbg. 2009, 406. 16 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 24; zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO BFH v. 6.12.1955 – I 169/55 U, BStBl. III 1956, 82. 17 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO BFH v. 23.6.1971 – I B 6/71, BStBl. II 1971, 709.

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C. Sachlicher Umfang der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1 und 2)

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Rz. 22 § 257

so dass eine besonders zu fertigende Niederschrift und diverse Kontrollen über die Übertragung entbehrlich sind.1 4. Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte Neben Handelsbüchern und Inventaren sind nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB, Lageberichte, Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte aufzubewahren.

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Die „Eröffnungsbilanz“ ist der vom Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes aufzustellende Ab- 21 schluss (§ 242 Abs. Satz 2 HGB).2 Zwischenbilanzen und sonstige Bilanzen sind für die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht grundsätzlich keine aufzubewahrende Eröffnungsbilanz, sofern sie nicht mit Blick auf den Zweck der Rechnungslegung funktional einer Eröffnungsbilanz vergleichbar sind3 oder nicht einem anderen Abschluss zugrunde gelegt werden.4 Wegen des Zweckbezugs kann eine Zwischenbilanz im Hinblick auf die Einordnung als aufzubewahrende Eröffnungsbilanz steuerrechtlich anders zu beurteilen sein.5 Nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB sind auch „Jahresabschlüsse“, „Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB“ 22 und „Lageberichte“ aufzubewahren. Die aufzubewahrenden „Jahresabschlüsse“ bestehen nach § 242 Abs. 3 HGB aus Bilanz iSd. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB und Gewinn- und Verlustrechnung iSd. § 242 Abs. 2 HGB sowie nach § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB bei Kapitalgesellschaften zusätzlich aus dem Anhang iSd. § 284 Abs. 1 HGB.6 Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, ist der Jahresabschluss nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB zwingend um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang eine Einheit bilden.7 Der nicht zum Jahresabschluss rechnende und von Kapitalgesellschaften nach § 264 Abs. 1 HGB aufzustellende Lagebericht iSd. § 289 HGB fällt wegen seiner Nennung in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB ebenfalls unter die Aufbewahrungspflicht.8 Bei größenabhängigen Erleichterungen bezieht sich die Aufbewahrungspflicht nur auf die unter Berücksichtigung der Erleichterungen erstellten Unterlagen.9 Nach § 316 HGB prüfungspflichtige Kapitalgesellschaften haben den mit Bestätigungs- bzw. Versagungsvermerk gekennzeichneten Jahresabschluss aufzubewahren,10 allerdings ohne den Prüfungsbericht iSd. § 321 HGB.11 Bei größenabhängigen Erleichterungen für Zwecke der Offenlegung nach §§ 326, 327 HGB erstreckt sich die Aufbewahrungspflicht auf den vollständigen Jahresabschluss, nicht dagegen auf den offengelegten.12 Tritt für Offenlegungszwecke nach § 325 Abs. 2a HGB anstelle des Jahresabschlusses ein Einzelabschluss, der nach den in § 315e Abs. 1 HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellt worden ist, unterfällt neben dem Jahresabschluss auch dieser der Aufbewahrungspflicht, und zwar im von diesen Rechnungslegungsstandards festgelegten Umfang.13

1 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 7 (Stand Juli 2015); aA OFD Nürnberg 14.11.1964 – S-1160-89/St 11, DB 1963, 1728. 2 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 8 (Stand Juli 2015). 3 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 15. 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 19. 5 Zu Zwischenbilanzen anlässlich eines Gesellschafterein- oder -austritts oder einer Umstellung des Wirtschaftsjahrs im Hinblick auf § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 8 (Stand Juli 2015); ferner Peter/v. Bornhaupt/Körner, Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz8, Rz. 69, 248; differenzierend Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 15; ausführl. zur bilanziellen Auswirkung von Veränderungen im Personenbestand von Kapital- und Personengesellschaften Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft, 1990, 62 ff. 6 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 19; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 12; zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 8 (Stand Juli 2015). 7 Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 9. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 19; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 12. 9 Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 9; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 14. 10 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 19; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 12; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 11; zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 8 (Stand Juli 2015). 11 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 12; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 11. 12 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 14. 13 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 12.

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§ 257 Rz. 23 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen 23

Neben einen einzelnen Kaufmann betreffende Unterlagen sind nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB „Konzernabschlüsse“ und „Konzernlageberichte“ aufzubewahren,1 die steuerrechtlich nur im Einzelfall nach § 147 I Nr. 5 AO aufzubewahren sind.2 Zum Konzernabschluss gehören nach § 297 Abs. 1 HGB zwingend die Konzernbilanz, die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, der Konzernanhang, die Kapitalflussrechnung und der Eigenkapitalspiegel; er kann um eine Segmentberichterstattung erweitert werden.3 Der Konzernlagebericht iSd. § 315 HGB ist in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB ausdrücklich genannt, weil er nicht Teil des Konzernabschlusses ist.4 Maßgeblich ist der mit Prüfungsvermerk versehene Konzernabschluss.5 Grundsätzlich sind nur aufgrund gesetzlicher Pflicht erstellte Konzernabschlüsse aufzubewahren,6 es sei denn, freiwillig aufgestellte Konzernabschlüsse sind für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung von Bedeutung (zB zur Überprüfung des Erreichens von Schwellenwerten nach § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB)7 oder werden offen gelegt8. 5. Arbeitsunterlagen und sonstige Organisationsunterlagen

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Schließlich fallen auch „die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsunterlagen und sonstigen Organisationsunterlagen“ unter die Aufbewahrungspflicht aus § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB. Die Aufzählung ist aufgrund der Formulierung („sonstige“) nicht abschließend, so dass die „Arbeitsunterlagen“ lediglich ein gesetzliches Beispiel9 für „Organisationsunterlagen“ sind.

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Das „Verständnis“, für das die Arbeitsunterlagen und sonstigen Organisationsunterlagen „erforderlich“ sind, bezieht sich auf sämtliche in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB benannten Unterlagen (s. Rz. 16 ff.). Im Hinblick auf die „Erforderlichkeit“ ist maßgeblich, dass sich ein sachverständiger Dritter entsprechend den Anforderungen an die Buchführung in § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB in angemessener Zeit aus den aufbewahrten Unterlagen einen Überblick über die Lage des Unternehmens verschaffen kann.10

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Unter die „Arbeitsunterlagen und sonstigen Organisationsunterlagen“ fallen Unterlagen, die nicht nur die Schriftzeichen der lebenden Sprache ersetzen, sondern auch die Technik des Rechenwerks erläutern.11 Deshalb kommt ihnen bei EDV-Buchführung besondere Bedeutung zu.12 Zur Verständnishilfe dienen bei Büchern alten Stils Kontenpläne und Abkürzungsverzeichnisse, bei Loseblattbuchführung Kontenpläne und -register, bei EDV-gestützter Buchführung Programmbeschreibungen, Organisationspläne etc., beim Einsatz elektronischer Registrierkassen Bedienungsanleitungen, Programmieranleitungen,13 Programmabrufe nach jeder Änderung, Protokolle über die Einrichtung von Verkäufer-, Kellner- und Trainingsspeichern sowie alle weiteren Anweisungen zur Kassenprogrammierung (insbes. Bedienungsanleitung, Programmieranleitung und alle weiteren Anweisungen zur Programmierung).14

III. Handelsbriefe (Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2) 27

Nach § 257 Abs. 1 Nr. 2 HGB sind „empfangene Handelsbriefe“ aufzubewahren, nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 HGB „Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe“. Demnach erstreckt sich die Aufbewahrungspflicht auf die eingehende Korrespondenz und die nach § 238 Abs. 2 HGB vom Kaufmann zwingend zurück1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 23; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 20 f. 2 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 8 (Stand Juli 2015); aA Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 257 HGB Rz. 42 (Stand Juni 2013); zu den Voraussetzungen Drüen, StbJb. 2006/2007, 273 (302 ff.). 3 Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 10; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 20. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 20. 5 ADS6, § 257 HGB Rz. 28; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 10; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 20. 6 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 8 (Stand Juli 2015); Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 20a. 7 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 20a. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 23a. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 16. 10 Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 11; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 16; zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 9 (Stand Juli 2015), mit Hinweis auf § 145 Abs. 1 Satz 1 AO. 11 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 9 (Stand Juli 2015); Jope, Stbg. 2009, 406. 12 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO BMF AEAO zu § 147 Tz. 2, BStBl. I 2015, 76; ferner Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 9 (Stand Juli 2015); Einzelheiten zur EDV-Buchführung IDW RS FAIT 1, GoB bei Einsatz von Informationstechnologie, WPg. 2002, 1157; BMF AEAO zu § 147 Tz. 2, BStBl. I 2015, 76 iVm. BMF v. 14.11.2014 – IV A 4 S 0316/13/10003 – DOK 2014/0353090, BStBl. I 2014, 1450 (GoBD); Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 10 ff. (Stand Juli 2015). 13 Ebenso FG München v. 29.10.2009 – 15 K 219/07, EFG 2011, 10, rkr. 14 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO BMF v. 26.11.2010 – IV A 4 - S 0316/08/10004-07 – DOK 2010/0946087, BStBl. I 2010, 1342 und Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 9 (Stand Juli 2015).

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C. Sachlicher Umfang der Aufbewahrungspflicht (Abs. 1 und 2)

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Rz. 31 § 257

zuhaltende Wiedergabe der ausgehenden Korrespondenz. Für sie gilt die sechsjährige Aufbewahrungsfrist (§ 257 Abs. 4 HGB). „Handelsbriefe“ sind nach der Legaldefinition in § 257 Abs. 2 HGB nur Schriftstücke, die ein Handels- 28 geschäft betreffen. Der Begriff des „Handelsgeschäfts“ ist wiederrum in § 343 HGB als alle Geschäfte eines Kaufmanns definiert, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören.1 Der Begriff des „Handelsbriefs“ ist damit enger als der in §§ 37a Abs. 1, 125a Abs. 1 HGB verwendete Begriff des „Geschäftsbriefs“, in denen nach den bezeichneten Vorschriften bestimmte Pflichtangaben enthalten sein müssen.2 Demgegenüber erfasst die steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht aus § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO auch „Geschäftsbriefe“, weil nicht nur Kaufleute für steuerrechtliche Zwecke buchführungspflichtig sind.3 Schriftstücke „betreffen“ iSd. § 257 Abs. 2 HGB ein Handelsgeschäft, wenn sie seine Vorbereitung, Durch- 29 führung oder Rückgängigmachung zum Gegenstand haben,4 also insbes. Aufträge, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Frachtbriefe, Rechnungen,5 Reklamationen samt Stellungnahmen, Gutschriften, Zahlungsbelege, Überweisungsträger, Kontoauszüge und -abschlüsse, Barquittungen sowie Verträge.6 Auf die Form der Unterlagen kommt es nicht an.7 „Briefe“ iSd. § 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB sind damit 30 nicht nur Briefe im herkömmlichen Sinne,8 sondern auch Fernschreiben, Telekopien (Telefaxe), Telegramme, E-Mails9 und andere durch Datenfernübertragung übersendete Nachrichten10 sowie mit Hilfe von Registrierkassen erzeugte Rechnungen11. Niederschriften und Aktenvermerke über Telefongespräche,12 innerbetriebliche Korrespondenz13 und der innerbetriebliche E-Mail-Verkehr14 sind dagegen keine nach Handelsrecht aufzubewahrenden „Briefe“ iSd. § 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB, sondern allenfalls nach Steuerrecht aufzubewahrende „sonstige Unterlagen“ iSd. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.15 Die Form der Korrespondenz ist von der Art und Weise der Aufbewahrung zu unterscheiden (s. Rz. 35 ff.).

IV. Buchungsbelege (Abs. 1 Nr. 4) Schließlich fallen nach § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB auch „Belege für Buchungen in den vom Kaufmann nach 31 § 238 Abs. 1 HGB zu führenden Büchern“ (sog. „Buchungsbelege“) unter die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht. Steuerrechtlich besteht diese Pflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO. Buchungsbelege sind alle Unterlagen über die einzelnen Geschäftsvorfälle.16 Als Grundlage der einzelnen Eintragungen in die

1 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 22. 2 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 22; zu den Pflichtangaben auf herkömmlichen und digitalen Geschäftsbriefen seit 2007 Schiffer/Greck, StuB 2007, 159. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 14; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17 (Stand Juli 2015); mit „Handelsbriefen“ meint § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO die Korrespondenz des Kaufmanns, mit Geschäftsbriefen die Korrespondenz der übrigen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen, dazu Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 257 HGB Rz. 43 (Stand Juni 2013); Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17 (Stand Juli 2015). 4 ADS6, § 257 HGB Rz. 34 ff.; Bellinger, StBp. 2011, 276; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17 (Stand Juli 2015). 5 Speziell zu Rechnungen BFH v. 26.9.2007 – I B 53, BStBl. II 2008, 415; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17 (Stand Juli 2015). 6 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17 (Stand Juli 2015); Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 23; Seiler, NJW-CoR 1999, 168; Jope, Stbg. 2009, 406. 7 Seiler, NJW-CoR 1999, 168; Schmitz, StBp. 2002, 195. 8 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 12. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 12; Goldshteyn/Thelen, DB 2015, 1129; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 22; Schiffer/Greck, StuB 2007, 159; zu § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17b (Stand Juli 2015). 10 Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 257 HGB Rz. 15; zum elektronischen Geschäftsverkehr IDW RS FAIT 2 GoB bei Einsatz von Electronic Commerce, WPg. 2003, 1258 Tz. 7; zu § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17b (Stand Juli 2015). 11 FG Köln v. 27.1.2009 – 6 K 3954/07 EFG 2009, 1092 (1094), rkr.; BMF v. 26.11.2010 – IV A 4 - S 0316/08/10004-07 – DOK 2010/0946087, BStBl. I 2010, 1342; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17b (Stand Juli 2015); Jope, Stbg. 2009, 406. 12 Pöschke in Großkomm.5, § 257HGB Rz. 22, mwN auch zur (möglicherweise herrschenden) Gegenmeinung. 13 Trzaskalik in HHSp., § 147 AO Rz. 23 (Stand März 2003). 14 Schaumburg, DStR 2002, 833. 15 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17b (Stand Juli 2015). 16 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 18 (Stand Juli 2015).

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§ 257 Rz. 32 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen Bücher und Aufzeichnungen müssen die zugehörigen Belege aufbewahrt werden, soweit Buchführungsund Aufzeichnungspflichten bestehen.1 32

Da zu jeder Eintragung ein Beleg vorhanden sein muss („Keine Buchung ohne Beleg“2), ist der Begriff des „Belegs“ funktional zu verstehen. Je nach Art des Geschäftsvorfalls kommen insbes. folgende Belege in Betracht:3 Rechnungen, Rechnungskopien, Bescheide über Steuern, Gebühren und Beiträge, Lieferscheine, Kommissionslisten, Konnossemente, Lohn- und Gehaltslisten, Lohnabrechnungen, Werkstattabrechnungen, Vertragsurkunden, Zahlungsanweisungen, Quittungen, Ursprungsbelege (Preislisten, Kontrollzettel), betriebliche Kontoauszüge in Papierform oder E-Banking-Kontoauszüge, Saldenlisten oder -bestätigungen, Zinsrechnungen, Wechsel und Schecks oder die dazu gehörenden Unterlagen, Belastungs- und Gutschriftnoten, Aktennotizen, interne Buchungsanweisungen, Aufzeichnungen über Warenbestandsaufnahmen,4 Protokolle, Prüfungsberichte, Jahresabschlusslisten oder -bögen, Kostenberichte, Portokassenbücher, Tagessummenbons von Registrierkassen, Ursprungsaufzeichnungen bei manuellen Kassen, sofern diese nicht umgehend in Kassenbuch oder -bericht übernommen werden, Kostenträgerrechnungen und Reisekostenabrechnungen.

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Der Belegzwang erfährt grundsätzlich keine inhaltliche Änderung dadurch, dass die Buchführung mit Hilfe von EDV-Anlagen erstellt oder maschinell lesbar auf Datenträgern erstellt wird.5 Durch den Einsatz der EDV erübrigt sich nicht der gesonderte Nachweis über sämtliche buchführungspflichtige Geschäftsvorfälle, aber es können sich hinsichtlich der Form der Belege und der Art ihrer Aufbewahrung Modifikationen ergeben.6 So übernimmt bei maschineninternen Buchungsvorgängen (zB monatliche AfA-Buchungen) die Verfahrensdokumentation die Funktion des Dauer- oder Sammelbelegs der klassischen Buchführung.7 Die digitalisierte Aufbewahrung der Buchungsbelege ist allerdings nur dann zulässig, wenn die gespeicherten Belege bildlich wiedergegeben werden können (§ 257 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB).

V. Abgrenzungsfragen 34

Wegen der unterschiedlichen Aufbewahrungsfristen nach § 257 Abs. 4 HGB bedarf es seit dem Steueränderungsgesetz 1998 (s. Rz. 9) wegen der Schnittmenge der Unterlagen nach § 257 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 HGB einer klaren Zuordnung.8 Abgesandte oder empfangene Korrespondenz erhält als sog. externer Beleg (Fremdbeleg) mit dem Kontierungsvermerk und der Verbuchung die Funktion des Buchungsbelegs.9 Damit ist sowohl § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB als auch § 257 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 HGB erfüllt.10 Diese Konkurrenz ist nicht nach der Reihenfolge der Nummern, sondern nach ihrem Rangverhältnis aufzulösen. Das Rangverhältnis bestimmt sich nach der Bedeutung der Unterlagen, die aus der gesetzlichen Wertung der Länge der jeweiligen Aufbewahrungsfrist abzulesen ist.11 Darum geht die Zuordnung zu § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB der zu § 257 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 HGB vor.12 Eine Doppelaufbewahrung ist nicht erforderlich.13

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 10; zu § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO BFH v. 24.6.1997 – VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51; Biedermann, DStR 1983, 702; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 18 (Stand Juli 2015); Jope, Stbg. 2009, 406; aA Lammerding, DB 1979, 2454; Langheim, DB 1981, 913. 2 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 26; zu § 145 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 23 (Stand Okt. 2010). 3 Dazu s. Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 257 HGB Rz. 45 (Stand Juni 2013); zu § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 18 (Stand Juli 2015). 4 BFH v. 6.12.1955 – I 169/55 U, BStBl. III 1956, 82; v. 23.6.1971 – I B 6/71, BStBl. II 1971, 709. 5 IDW RS FAIT 3 GoB beim Einsatz elektronischer Archivierungsverfahren, WPg. 2006, 1465 Tz. 44; zu § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 21 (Stand Juli 2015). 6 Zu § 145 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 29 f. (Stand Okt. 2010). 7 IDW RS FAIT 1, WPg. 2002, 1157 Tz. 35; zu § 145 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 29 (Stand Okt. 2010). 8 Krawitz in BHR, § 257 HGB Rz. 55 (Stand Jan. 2002); Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 4; ohne Abgrenzung: Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 257 HGB Rz. 39, 44 f. (Stand Juni 2013); zu § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17a (Stand Juli 2015); Rätke in Klein, AO13, § 147 Rz. 23 f., 45. 9 Bieg/Waschbusch in Beck HdR, A 110 Rz. 15 (Stand Mai 2010); Krawitz in BHR, § 257 HGB Rz. 55 (Stand Jan. 2002); Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 19; im Ergebnis auch Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 14; zu § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17a (Stand Juli 2015). 10 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17a (Stand Juli 2015); aA Trzaskalik in HHSp., § 147 AO Rz. 20 (Stand März 2003). 11 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17a (Stand Juli 2015). 12 Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 17a (Stand Juli 2015); ebenso zu Rechnungen Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 27 (10 Jahre); aA wohl Bieg/Waschbusch in Beck HdR, A 110 Rz. 15 (Stand Mai 2010). 13 Krawitz in BHR, § 257 HGB Rz. 55 (Stand Jan. 2002).

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D. Art und Weise, Ort und Form der Aufbewahrung (Abs. 1 und 3)

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Rz. 38 § 257

D. Art und Weise, Ort und Form der Aufbewahrung (Abs. 1 und 3) I. Geordnete Aufbewahrung Nach dem Einleitungssatz von § 257 Abs. 1 HGB sind die aufzubewahrenden Unterlagen „geordnet“ auf- 35 zubewahren. Dies ist an sich eine Selbstverständlichkeit, wird in § 257 Abs. 1 HGB dennoch ausdrücklich angeordnet (s. Rz. 4).1 Ein bestimmtes Ordnungssystem ist nicht vorgeschrieben.2 Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen 36 Buchführungs- und Aufbewahrungspflicht (s. Rz. 1, 3, 4) ergibt sich der Maßstab für die „geordnete“ Aufbewahrung im Wesentlichen aus § 238 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB.3 Demnach muss sich ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Unternehmenslage verschaffen können.4 Dazu gehört, dass die aufzubewahrenden Unterlagen auch in angemessener Zeit verfügbar sind.5 Die Ablage kann je nach Art des anfallenden Materials nach der Zeitfolge (insbes. Unterlagen iSd. § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB), nach Sachgruppen, Kontenklassen, Belegnummern, aber auch alphabetisch (insbes. Handelskorrespondenz iSd. § 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB) erfolgen.6 Die Ordnungskriterien müssen intersubjektiv nachvollziehbar sein.

II. Ort der Aufbewahrung Das Handelsrecht enthält keine Vorgaben zum Ort der Aufbewahrung.7 Damit kann der aufbewahrungspflichtige Kaufmann den Ort der Aufbewahrung grundsätzlich ohne spezifische Vorgaben frei wählen.8 Bei der Auswahl sind freilich die Anforderungen an die „geordnete“ Aufbewahrung zu berücksichtigten, die einen Zugang in angemessener Zeit verlangen.9 Dementsprechend können die Unterlagen im Unternehmen, bei Fernbuchführung aber auch außerhalb (etwa in einem Rechenzentrum) aufbewahrt werden.10

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Für das Steuerrecht müssen die für steuerrechtliche Zwecke aufzubewahrenden Unterlagen nach § 146 38 Abs. 2 und 2a AO grundsätzlich im Inland aufbewahrt werden und nur punktuell sind unter bestimmten Voraussetzungen Verlagerungen der elektronischen Buchführung ins Ausland zulässig.11 Dagegen dürfen für handelsrechtliche Zwecke Unterlagen grundsätzlich auch im Ausland aufbewahrt werden, sofern sie in angemessener Zeit verfügbar sind.12 Dies gilt insbes. auch für Unterlagen, die ausländische Zweigniederlassungen (Betriebsstätten) inländischer Kaufleute und inländische Zweigniederlassungen (Betriebstätten) ausländischer Kaufleute betreffen (s. Rz. 11).13 Sofern Kaufleute neben der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht zugleich eine steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht zu erfüllen haben, wird der Aufbewahrungsort aufgrund der strengeren steuerrechtlichen Anforderungen häufig im Inland gewählt werden.

1 Ebenso zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 42 (Stand Juli 2015). 2 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 25; zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 43 (Stand Juli 2015). 3 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 25; zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 42 (Stand Juli 2015), mit Hinweis auf die entsprechenden Anforderungen nach § 145 AO. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 25; zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 43 (Stand Juli 2015). 5 Zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 42 (Stand Juli 2015). 6 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 27; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 26; zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 43 (Stand Juli 2015). 7 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 20; Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 37; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 17; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 18. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 37; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 27; Drüen in Tipke/ Kruse, § 146 AO Rz. 32 (Stand Juni 2012). 9 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 37; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 17; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 27; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 18; ähnlich Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 20. 10 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 27; zu § 146 Abs. 2 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 32 (Stand Juni 2012). 11 Dazu Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 31 ff. (Stand Juni 2012); Roderburg/Richter, IStR 2016, 456 ff. 12 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 27, 50. 13 Speziell zum Handelsrecht Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 33, 38 (Stand Juni 2012), mit dem Hinweis auf die maßgeblichen steuerrechtlichen Regelungen, wonach Unterlagen nur unter den in § 146 Abs. 2 Satz 2 AO geregelten Voraussetzungen in ausländischen Betriebstätten aufbewahrt werden dürfen; für inländische Zweigniederlassungen ebenso Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 20.

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§ 257 Rz. 39 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen

III. Form der Aufbewahrung 1. Allgemeines 39

Hinsichtlich der Form der Aufbewahrung enthält das Gesetz ebenfalls keine näheren Vorgaben.1 Der aufbewahrungspflichtige Kaufmann ist insoweit im Rahmen der GoB frei. Bei der Auswahl sind namentlich die Anforderungen an die „geordnete“ Aufbewahrung zu berücksichtigen, die einen Zugang zu Unterlagen in angemessener Zeit verlangen.2 2. Wiedergabe auf Bildträger oder anderen Datenträgern

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Der Kaufmann darf nach § 257 Abs. 3 Satz 1 HGB mit Ausnahme der Eröffnungsbilanzen und Abschlüsse alle aufzubewahrenden Unterlagen auch als „Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern“ aufbewahren, wenn dies den GoB entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten mit den empfangenen Handelsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden (Nr. 1), und während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können (Nr. 2). Diese Regelung korrespondiert mit den Vorschriften in § 238 Abs. 2 HGB bzw. § 239 Abs. 4 HGB, wonach Wiedergaben von abgesandten Handelsbriefen auch auf Datenträgern zurückbehalten bzw. Bücher und Aufzeichnungen auch auf Datenträgern geführt werden dürfen. Für diese Form der Aufbewahrung enthält § 261 HGB ergänzende Pflichten hinsichtlich der Lesbarmachung, wenn der Kaufmann die Unterlagen vorlegen muss.

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Diese Form der Aufbewahrung steht für alle nach § 257 Abs. 1 HGB aufzubewahrenden Unterlagen („in Absatz 1 aufgeführte Unterlagen“) offen, mit Ausnahme der ausdrücklich ausgeschlossenen Eröffnungsbilanzen und Abschlüsse. Soweit diese Ausnahme nicht greift, dürfen die Unterlagen bei Aufbewahrung auf Bild- und Datenträgern vernichtet werden,3 Eröffnungsbilanzen und Abschlüsse müssen aufgrund ihrer Bedeutung im Original aufbewahrt werden.4

42

Die Begriffe „Wiedergabe“ und „Daten“ sind im Gesetz nicht definiert.5 Die Unterscheidung hat ihre praktische Relevanz verloren, seitdem anerkannt ist, dass eine „bildliche Übereinstimmung“ (durch eine „Wiedergabe“) von empfangenen Handelsbriefen und Buchungsbelegen (§ 257 Abs. 3 Nr. 1 HGB) auch dann gegeben ist, wenn diese nicht auf einem „Bildträger“, sondern auf „anderen Datenträgern“ gespeichert sind (s. Rz. 45).6

43

Die Begriffe „Bild-“ und „Datenträger“ sind im Gesetz ebenfalls nicht definiert, so dass auch neue Arten von Speichermedien genutzt werden können.7 Das Gesetz ist insoweit entwicklungsoffen. „Bildträger“ enthalten die ursprünglichen Unterlagen in bildlicher Form (zB Fotographien, Mikrofilme, Fotokopien).8 Der Begriff des „Datenträgers“ erfasst jedes Medium, auf dem die Bücher oder Aufzeichnungen unmittelbar und jederzeit reproduzierbar festgehalten werden (zB Bildplatten, Magnetbänder, Lochstreifen, Magnetplatten, Festplatten, Disketten, USB-Sticks, CD-ROM sowie DVD).9

44

Die Aufbewahrung von Wiedergaben und Daten auf einem Bildträger oder anderen Datenträgern müssen den GoB entsprechen. Wegen des Zusammenhangs zwischen Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten (s. Rz. 1, 4) ist diese Anforderung des § 257 Abs. 3 Satz 1 HGB lediglich klarstellend.

45

Eine „bildliche Übereinstimmung“ (Nr. 1) ist nur für empfangene Handelsbriefe (einschließlich AGB als Teil empfangener Handelsbriefe10) und Buchungsbelege erforderlich. Die Voraussetzung kann nicht nur mit der Speicherung auf Bildträgern, sondern auch mit der Speicherung von „Bildern“ dieser Unterlagen

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 27. 2 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 37; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 17; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 27; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 18. 3 Zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 39 (Stand Juli 2015). 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 28; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 30. 5 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 31. 6 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 31 f. 7 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 35; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 35. 8 Zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 43 (Stand Juli 2015). 9 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 31; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 33 ff.; Drüen in Tipke/ Kruse, § 147 AO Rz. 35 (Stand Okt. 2015). 10 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 37.

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E. Aufbewahrungsfristen (Abs. 4 und 5)

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Rz. 50 § 257

auf anderen Datenträgern erfüllt werden.1 Übereinstimmung in Format und Farbe ist nicht erforderlich.2 Die „inhaltliche“ Übereinstimmung (Nr. 1) ist für alle anderen Unterlagen erforderlich und im Interesse der Nutzung von Rationalisierungsvorteilen der EDV3 ausreichend. Sie verlangt eine wörtliche Übereinstimmung; sinngemäße oder verkürzte Übereinstimmung genügt dagegen nicht.4 Die Wiedergabe oder die Daten müssen während der Aufbewahrungsfrist iSd. § 257 Abs. 4 HGB „verfüg- 46 bar“ und „jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können“ (Nr. 2). Dies entspricht § 239 Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Verfügbarkeit setzt zunächst Vorkehrungen gegen Verfälschung, beabsichtigtes und unbeabsichtigtes Löschen oder Verlust aus sonstigen Gründen (zB Feuer- oder Wasserschäden) voraus.5 Zudem müssen die für die Verfügbarkeit bzw. Lesbarkeit erforderlichen Anlagen vorhanden oder kurzfristig beschaffbar sind.6 Gegenüber dem Handelsrecht sind die steuerrechtlichen Anforderungen in zeitlicher Hinsicht strenger („unverzüglich“ anstelle „innerhalb angemessener Frist“).7 Werden die Handelsbücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen nach § 239 Abs. 4 HGB auf Da- 47 tenträgern geführt, können die entsprechenden Unterlagen nach § 257 Abs. 3 Satz 2 HGB auch ausgedruckt aufbewahrt werden (Halbs. 1), die ausgedruckten Unterlagen wiederum können nach § 257 Abs. 3 Satz 1 HGB aufbewahrt werden (Halbs. 2). Die Regelung gestattet den Wechsel der Aufbewahrungsart vom Datenträger zum Datenausdruck und die erneute Speicherung, um dem Aufbewahrungspflichtigen die Entscheidung über die nach seinen Bedürfnissen jeweils günstigste Aufbewahrungsart freizustellen.8 Mit Blick auf den Normzweck sollte es über den Gesetzeswortlaut hinaus auch möglich sein, die Aufbewahrungsart ohne die Zwischenstufe des Datenausdrucks zu wechseln.9 Eine Pflicht zum Ausdruck besteht jedenfalls nicht.10

E. Aufbewahrungsfristen (Abs. 4 und 5) I. Dauer der Aufbewahrungsfrist (Abs. 4) Für die Dauer der Aufbewahrungsfrist differenziert das Gesetz in § 257 Abs. 4 HGB nach der Art der auf- 48 zubewahrenden Unterlagen. Danach sind die in § 257 Abs. 1 Nr. 1 und 4 HGB bezeichneten Unterlagen zehn Jahre und die sonstigen Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren (zur Rechtsentwicklung s. Rz. 9). Die Länge der Frist ist wegen des Aufbewahrungszwecks (s. Rz. 3) erklärlich.11 Die Dauer anderer Aufbewahrungsfristen hat keinen Einfluss auf die handelsrechtliche Aufbewahrungs- 49 frist iSd. § 257 Abs. 1 HGB (partiell anders bei steuerrechtlicher Aufbewahrungsfrist: kürzere steuerrechtliche Pflicht maßgeblich, nicht aber kürzere außersteuerrechtliche Frist12). Die Art und Weise der Aufbewahrung ist für die Länge der Frist ohne Bedeutung.13

II. Beginn der Aufbewahrungsfrist (Abs. 5) Die Aufbewahrungsfrist beginnt nach § 257 Abs. 5 HGB mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die 50 letzte Eintragung in das Handelsbuch gemacht, das Inventar aufgestellt, die Eröffnungsbilanz oder der Jahresabschluss festgestellt, der Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB oder der Konzernabschluss aufgestellt, der Handelsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist. Maßgeblich ist somit der Schluss des Kalenderjahrs, in dem die aufbewahrungspflichtige Unterlage im Original

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 33; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 31 f., relativierend aber Rz. 36. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 37; übereinstimmend zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 37 (Stand Juli 2015). 3 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 38. 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 34; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 39. 5 Im Ergebnis ebenso Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 32, der darin jedoch ein Erfordernis der GoB sieht; zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 45 (Stand Juli 2015). 6 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 36; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 39. 7 Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 66 (Stand Juli 2015). 8 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 40. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 40. 10 Zu § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 5 (Stand Juli 2015). 11 Zu § 147 Abs. 1 AO Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 47 (Stand Juli 2015). 12 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 50; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 25. 13 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 41.

Drüen

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§ 257 Rz. 51 | Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen entstanden ist, und zwar auch dann, wenn das Geschäftsjahr davon abweicht.1 Das Jahr, auf das sich die maßgeblichen Unterlagen inhaltlich beziehen, ist für den Fristbeginn unerheblich.2 51

Die Regelung über den Fristbeginn gilt auch für die vom Gesetzgeber in § 257 Abs. 5 HGB (anders als in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB) offensichtlich vergessenen Lageberichte und Konzernlageberichte, für die es auf die Aufstellung ankommt.3 Bei der Handelskorrespondenz kommt es auf den Empfang bzw. die Absendung an, nicht dagegen auf den Zugang.4 Auch wenn bei Buchungsbelegen ihre Entstehung maßgeblich ist, ist wegen des Zusammenhangs mit der zugrunde liegenden Buchung in den Handelsbüchern entscheidend, ob die zugehörige Buchung im alten oder im neuen Geschäftsjahr vorgenommen wird.5

III. Ende der Aufbewahrungsfrist 52

Das Gesetz enthält keine besondere Regelung über den Fristablauf. Maßgeblich sind somit die allgemeinen Vorschriften in §§ 187, 188 BGB. Der Fristablauf bestimmt sich nach § 188 Abs. 2, 2. Fall BGB, weil sich der Fristbeginn nach dem Ende des Kalenderjahrs richtet, nicht nach der Buchung, der Auf- oder Feststellung oder einem vergleichbaren Sachverhalt als Eintritt eines Ereignisses iSd. des § 187 Abs. 1 BGB.6

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Anders als bei der steuerrechtlichen Aufbewahrungsfrist nach § 147 Abs. 3 Satz 3 AO gibt es für die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist keine Ablaufhemmung.7 Die steuerrechtliche Aufbewahrungsfrist kann somit später ablaufen als die handelsrechtliche.8 Der Fristablauf tritt unabhängig davon ein, ob die Unterlagen noch von Bedeutung sind (zB für das Ergebnis eines laufenden Rechtsstreits).9 Ungeachtet des Fristablaufs können indes vertraglich vereinbarte Aufbewahrungsfristen weiterhin zu beachten sein, deren Dauer die Länge der gesetzlichen Frist überschreiten darf.10

IV. Folgen des Fristablaufs 54

Nach dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist müssen die relevanten Unterlagen nicht weiter aufbewahrt werden und dürfen ohne Verletzung der öffentlich-rechtlichen Aufbewahrungspflicht vernichtet werden.11 Eine im Zeitpunkt der Vernichtung ggf. bestehende Gläubigerschädigungsabsicht ist insoweit unschädlich.12

55

Die Vernichtung hat keine Auswirkung auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.13 Die Eigenschaft von Büchern als „Handelsbücher“ bleibt allerdings unberührt.14 Durch die Vernichtung der relevanten Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht wird der Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 6, § 283b Abs. 1 Nr. 2 StGB (s. Rz. 57) nicht erfüllt.15

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Eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Kaufmanns tritt nicht ein (s. Rz. 7).16 Zudem können aus der Vernichtung von Urkunden trotz Fristablaufs Rechtsnachteile nach anderen Vorschriften oder Grundsätzen folgen, etwa bei der Vernichtung von Wertpapieren, Urteilen oder anderen Vollstreckungstiteln.17

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 42; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 42; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 25. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 43. 3 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 43. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 43. 5 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 42, 45; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 43, jeweils mit Bsp. 6 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 44; aA in Bezug auf die Rechtsgrundlage Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 25 (§ 188 Abs. 2, 1. Fall BGB). 7 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 41; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 44. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 41; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 50. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 44. 10 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 48. 11 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 48; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 25; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 48. 12 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 48. 13 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 48. 14 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 48. 15 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 48. 16 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 48; aA Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 257 Rz. 4, mwN. 17 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 48.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 2 § 258

F. Folgen der Verletzung der Aufbewahrungspflichten Für die Verletzung der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht gibt es keine besonderen handels- 57 rechtlichen Sanktionen, insbes. kein Ordnungsgeld iSd. § 335 HGB.1 Auch die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 331 ff. HGB erfassen die Verletzung der Aufbewahrungspflichten iSd. § 257 HGB nicht. In Betracht kommt aber ein Insolvenzdelikt nach § 283 Abs. 1 Nr. 6, § 283b Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn Zahlungseinstellung, Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Ablehnung des Eröffnungsantrags mangels Masse (§ 283 Abs. 6, § 283b Abs. 3 StGB) gegeben sind.2 Zudem ist eine Strafbarkeit nach §§ 267, 268 StGB (Urkundenfälschung; Fälschung technischer Aufzeichnungen) oder § 274 StGB (Urkundenunterdrückung) denkbar.3 Prüfungspflichtigen Unternehmen und Gesellschaften kann bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht der Bestätigungsvermerk eingeschränkt oder versagt werden, weil die Buchführung nach § 317 Abs. 1 Satz 1 HGB Pflichtprüfungsgegenstand ist und die Erfüllung der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht zur ordnungsgemäßen Führung der Bücher gehört.4 Demgegenüber kann die Verletzung der steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten weitreichende Folgen haben, etwa die Verhängung eines Zwangsgelds, die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen oder unter weiteren Voraussetzungen die Sanktionen für Steuerhinterziehung, leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuergefährdung.5

§ 258 Vorlegung im Rechtsstreit (1) Im Laufe eines Rechtsstreits kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Vorlegung der Handelsbücher einer Partei anordnen. (2) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Verpflichtung des Prozeßgegners zur Vorlegung von Urkunden bleiben unberührt. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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_ __

IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einzelheiten der Pflicht zur Vorlage der Handelsbücher (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorlagepflichten nach der ZPO (Abs. 2) . .

6

7 10

Literatur: Thomas/Putzo, ZPO37, 2016; Zöller, ZPO31, 2016.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 258 Abs. 1 HGB begründet eine selbständige Pflicht zur Vorlage der Handelsbücher. § 258 Abs. 2 HGB verweist auf die daneben unverändert bestehenden Pflichten zur Vorlage von Urkunden nach der ZPO.

1

II. Bedeutung und Zweck § 258 Abs. 1 HGB schafft eine selbständige Rechtsgrundlage zur Vorlage der Handelsbücher,6 die die 2 Pflichten zur Vorlage von Urkunden nach der ZPO unberührt lässt (§ 258 Abs. 2 HGB). § 258 Abs. 1 HGB bezweckt eine Ergänzung der zivilprozessualen Regelungen zum Beweis durch Urkunden nach §§ 422 und 423 ZPO (s. Rz. 10) wegen des besonderen Beweiswerts der Handelsbücher7 und ihrer beson1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 49; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 46; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 35. 2 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 51; Graf in MünchKomm. BilR, § 257 HGB Rz. 26; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 46. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 51; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 46; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 35. 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 49; Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 47; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 35. 5 Braun in Kölner Komm. RLR, § 257 HGB Rz. 50; Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 63 ff. (Stand Juli 2015); Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 52; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 HGB Rz. 35. 6 Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 1. 7 Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 1 mwN.

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§ 258 Rz. 3 | Vorlegung im Rechtsstreit deren Beweiseignung.1 Das Gericht kann nach § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur die Vorlage der Unterlagen anordnen, „auf die sich eine Partei bezogen hat“. Da Handelsbücher auf gerichtliche Anordnung weitergehend auch ohne Bezugnahme durch eine Partei in Schriftsätzen nach § 258 Abs. 1 HGB vorzulegen sind,2 kann die Vorlagepflicht der Verfahrensbeschleunigung dienen.3 § 258 Abs. 2 HGB dient der Klarstellung,4 dass Vorlagepflichten nach der ZPO durch § 258 Abs. 1 HGB unberührt fortbestehen.

III. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

§ 258 Abs. 1 HGB gilt nach seinem Wortlaut für einen „Rechtsstreit“, ohne das „Gericht“ näher zu benennen. Auch wenn § 258 Abs. 1 HGB eine Eingrenzung auf einen „zivilen Rechtsstreit“5 nicht vorsieht, ist der sachliche Anwendungsbereich der besonderen Vorlagepflicht nach hM auf Zivil- und Arbeitsgerichtsprozesse beschränkt.6 Die Vorlagepflicht für Handelsbücher gilt nicht nur für Rechtsstreite in Handelssachen.7 In Schiedsverfahren kann § 258 Abs. 1 HGB gelten,8 wenn die Schiedsordnung9 dies nicht ausschließt.10 Im Strafprozess soll die Vorlagepflicht nicht gelten,11 allerdings ist die Beschlagnahme von Beweisgegenständen nach § 94 Abs. 2 StPO möglich. § 258 Abs. 1 HGB gilt analog im aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren.12

4

Der persönliche Anwendungsbereich der gerichtlichen Anordnungsbefugnis nach § 258 Abs. 1 HGB ist auf die Parteien des Rechtsstreits beschränkt.13 Der Buchführungspflichtige muss darum Kläger (oder Hauptintervenient nach § 64 ZPO) oder Beklagter sein.14 Bei Befreiung von der Pflicht zur Buchführung nach § 241a HGB besteht keine Vorlagepflicht nach § 258 Abs. 1 HGB.15 Die Pflicht betrifft auch nicht Dritte, gegen die das Gericht eine Urkundenvorlage nur nach § 142 Abs. 1 ZPO anordnen kann. Diese und andere zivilprozessuale Vorschriften zur Vorlagen von Urkunden bleiben nach § 258 Abs. 2 HGB unberührt (s. Rz. 11).

5

Im Steuerrecht gilt im Verwaltungsverfahren die Vorlagepflicht für den Beteiligten und Dritte auf Vorlageersuchen der Finanzbehörde nach § 97 AO, die im Finanzprozess entsprechend gilt (§ 76 Abs. 1 Satz 4, § 85 Satz 2 FGO).16 Im Verfahren der Außenprüfung besteht eine spezielle Pflicht, Aufzeichnungen, Bücher und Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen (§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO).17

IV. Rechtsentwicklung 6

§ 258 HGB stimmt mit § 45 HGB aF in der Ursprungsfassung von 1897 überein. Die prozessrechtliche Vorschrift ist trotz zahlreicher Gesetzesänderungen über Jahrzehnte unverändert geblieben18 und darum – wie auch die nachfolgenden Vorlagenormen der §§ 259 und 260 HGB – ein Exempel bilanzrechtlicher Stabilität.

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ADS6, § 258 HGB Rz. 1. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 2. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 13 mwN. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 2. ADS6, § 258 HGB Rz. 2; Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 5; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 1. ADS6, § 258 HGB Rz. 2; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 258 Rz. 1; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 2. Dafür ohne weitere Voraussetzungen ADS6, § 258 HGB Rz. 2. Darauf zutreffend abstellend Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 2, 6. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 5. ADS6, § 258 HGB Rz. 2; Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 2, 6; Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 5; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 1. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 258 Rz. 1; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 5 mwN. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 4. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 6. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 4; Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 4. Rätke in Klein, AO13, § 97 Rz. 1; eingehend zu Umfang und Voraussetzungen der steuerrechtlichen Vorlagepflicht Seer in Tipke/Kruse, § 97 AO Rz. 1–6 (Stand Mai 2013). Dazu Rüsken in Klein, AO13, § 200 Rz. 4. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 1.

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B. Einzelheiten der Pflicht zur Vorlage der Handelsbücher (Abs. 1)

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Rz. 11 § 258

B. Einzelheiten der Pflicht zur Vorlage der Handelsbücher (Abs. 1) In sachlicher Hinsicht sind Objekt der Vorlage nach § 258 Abs. 1 HGB nur die Handelsbücher einer Partei.1 Die besondere Vorlagepflicht nimmt auf § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB Bezug und umfasst nicht die weiteren in § 257 Abs. 1 Nr. 2–4 HGB aufgeführten Unterlagen wie Handelsbriefe.2 Die Beschränkung dient – wie auch § 259 HGB – dem Schutz vor einer Ausforschung von Geschäftsgeheimnissen des Kaufmanns.3 Der Umfang der Vorlage richtet sich nach § 259 bzw. § 260 HGB.

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In zeitlicher Hinsicht setzt § 258 Abs. 1 HGB („im Laufe eines Rechtsstreits“) ein gerichtlich anhängiges 8 Verfahren (Rechtshängigkeit, § 261 ZPO) voraus. Eine vorgerichtliche Anordnung zur Vorbereitung eines Rechtsstreits scheidet ebenso aus wie eine nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens. Die Anordnungsbefugnis besteht demnach nur, sobald und solange der Rechtsstreit läuft.4 Hinsichtlich der vorzulegenden Handelsbücher setzt die Aufbewahrungsfrist des § 257 Abs. 4 HGB der gerichtlichen Anordnung eine zeitliche Grenze: Die Vorlage scheidet aus, wenn die Handelsbücher nach Fristablauf tatsächlich vernichtet wurden.5 Trotz Ablauf der Aufbewahrungsfrist noch vorhandene Handelsbücher unterliegen dagegen weiterhin der Vorlagepflicht.6 Als Rechtsfolge des § 258 Abs. 1 HGB („kann“) stehen Ob und Wie der Anordnung der Vorlage im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.7 Das zuständige Gericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die Vorlage anordnen.8 Die gerichtliche Ermessensbindung ist bezogen auf den Rechtsstreit, die Zuständigkeit des Gerichts und das konkrete Erkenntnisverfahren vor diesem Gericht. Das gerichtliche Ermessen ist stets geleitet und begrenzt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dessen Teilelemente der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit bei der gerichtlichen Anordnung zu bedenken sind. Insbes. hat das Gericht bei der Ermessensausübung das Interesse des Kaufmanns an der Geheimhaltung seiner Geschäftsgeheimnisse zu berücksichtigen.9 Anstelle der grundsätzlich vorzulegenden Originale10 kann im Einzelfall die Vorlage von Kopien ausreichend11 und damit ermessensgerecht sein. Die Modalitäten („das Wie“) der Vorlage im Rechtsstreit bestimmt § 259 HGB (s. § 259 Rz. 5 ff.). Bei Archivierung von vorlagepflichtigen Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern greift § 261 HGB (s. § 261 Rz. 9).

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C. Vorlagepflichten nach der ZPO (Abs. 2) Die Pflichten zur Vorlage von Urkunden nach der ZPO bleiben durch § 258 Abs. 1 HGB unberührt (§ 258 Abs. 2 HGB). Innerhalb des zivilprozessualen „Beweis durch Urkunden“ (§§ 414–444 ZPO) verpflichten §§ 422, 423 ZPO12 Prozessparteien zur Vorlegung von Urkunden, wozu die in § 257 Abs. 1 HGB aufgezählten kaufmännischen Unterlagen und insbes. Handelsbücher und -briefe zählen.13 Die prozessuale Vorlagepflicht des § 422 ZPO setzt aber die Vorlagepflicht nach materiellem Recht voraus.14 Vorlageansprüche können sich materiell-rechtlich aus Ansprüchen auf Herausgabe (insbes. §§ 371, 402, 985, 1144 BGB) und auf Vorlage von Unterlagen ergeben (§§ 809, 810 BGB, §§ 118, 166, 233 HGB).15 § 423 ZPO begründet einen selbständigen prozessrechtlichen Vorlageanspruch.16 Die Norm erfasst nur die in den Händen des Prozessgegners befindlichen Urkunden, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat.17

10

Als prozessleitende Maßnahme kann das Gericht nach § 142 ZPO anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Die Pflicht zur Vorlage aufgrund gerichtlicher Anordnung trifft den Besit-

11

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ADS6, § 258 HGB Rz. 4. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 258 Rz. 1; Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 7. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 258 HGB Rz. 8. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 6. ADS6, § 258 HGB Rz. 6; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 2. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 8. ADS6, § 258 HGB Rz. 7; Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 9. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 2. ADS6, § 258 HGB Rz. 7; Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 11. ADS6, § 258 HGB Rz. 13. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 11. In verwaltungsrechtlichen Rechtsstreiten verweist § 98 VwGO auf §§ 358–444 und 450–494 ZPO. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 258 Rz. 2. Geimer in Zöller, ZPO31, § 422 Rz. 1. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO37, § 422 Rz. 4. Geimer in Zöller, ZPO31, § 423 Rz. 1; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO37, § 423 Rz. 1. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 258 Rz. 2.

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§ 258 Rz. 12 | Vorlegung im Rechtsstreit zer der Urkunde, ohne Rücksicht darauf, ob er Partei des Rechtsstreits oder ein nicht prozessbeteiligter Dritter ist.1 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Vorlagepflicht nach § 258 Abs. 1 HGB (s. Rz. 4). Die Anordnung der Vorlage steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts,2 aber auch § 142 ZPO ermöglicht keine Amtsaufklärung.3 12

Das Gericht würdigt die vorgelegten Handelsbücher nach freier Überzeugung (§ 286 ZPO). Ordnungsgemäß geführten Büchern kommt keine formelle Beweiskraft zu (s. § 238 Rz. 5), aber für den Nachweis der Existenz eines Vorgangs besteht bei ordnungsgemäß geführten Büchern eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit.4

§ 259 Auszug bei Vorlegung im Rechtsstreit 1Werden

in einem Rechtsstreit Handelsbücher vorgelegt, so ist von ihrem Inhalt, soweit er den Streitpunkt betrifft, unter Zuziehung der Parteien Einsicht zu nehmen und geeignetenfalls ein Auszug zu fertigen. 2Der übrige Inhalt der Bücher ist dem Gericht insoweit offenzulegen, als es zur Prüfung ihrer ordnungsmäßigen Führung notwendig ist. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ 1 2 3 4

B. Partielle Einsichtnahme in Handelsbücher (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gerichtliche Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Handelsbücher (Satz 2) . . . . . . . . .

_ _ 5 8

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 259 HGB regelt die Modalitäten der Vorlage von Handelsbüchern in einem Rechtsstreit.5 Zum Schutz von Geheimhaltungsinteressen des Kaufmanns (s. Rz. 2) sieht die Norm (in umgekehrter Folge gegenüber ihrem Aufbau) ein gestuftes Verfahren zur Bestimmung des Vorlageumfangs vor: Der internen Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Handelsbücher durch das Gericht (§ 259 Satz 2 HGB) folgt zeitlich die parteiöffentliche Einsichtnahme nur in den streitrelevanten Ausschnitt aus den vorgelegten Handelsbüchern nach (§ 259 Satz 1 HGB). Dieses im Normaufbau nur unzureichend zum Ausdruck kommende gestufte Verfahren dient dem Interessenausgleich (s. Rz. 2).

II. Bedeutung und Zweck 2

Zweck des § 259 HGB ist es, die Vorlagepflicht des § 258 HGB mit dem schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresse des Vorlagepflichtigen in Einklang zu bringen.6 Denn selbst offenlegungspflichtige Kaufleute müssen nur den Jahres- und Konzernabschluss sowie ergänzende Berichte, nicht aber den Inhalt ihrer Handelsbücher offenlegen.7 § 259 Abs. 1 HGB trägt dem Geheimhaltungsinteresse des Kaufmanns dadurch Rechnung, dass die Vorlagepflicht der Handelsbücher im Rechtsstreit auf die Passagen begrenzt wird, die für den Rechtsstreit von Bedeutung sind.8 Diese Begrenzung auf den streitgegenständlichen Bezug der Handelsbücher soll eine Ausforschung des Kaufmanns im Prozess durch den Prozessgegner verhindern.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Greger in Zöller, ZPO31, § 142 Rz. 2. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO37, § 142 Rz. 3. Greger in Zöller, ZPO31, § 142 Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 22; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm10, § 258 HGB Rz. 6. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 259 HGB Rz. 1. Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 259 HGB Rz. 1 (Stand Aug. 2013). Pöschke in GroßKomm.5, § 258 HGB Rz. 1 mwN. ADS6, § 259 HGB Rz. 1. Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 259 HGB Rz. 1 (Stand Aug. 2013); Claussen in Kölner Komm. RLR, § 259 HGB Rz. 2; Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 1.

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C. Gerichtliche Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Handelsbücher (Satz 2)

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Rz. 8 § 259

III. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 259 HGB baut auf den Vorlagepflichten des § 258 HGB auf, gilt aber nicht nur für die Vorlage von Han- 3 delsbüchern im Rechtsstreit nach dieser Norm, sondern allgemein.1 Die Norm regelt Ablauf und Vorlageumfang für alle Fälle, in denen in einem Zivilrechtsstreit2 Handelsbücher vorzulegen sind.3 § 258 HGB lässt allerdings besondere Einsichtsrechte in die Handelsbücher als Gesellschafterrechte (§§ 118, 166, 233 HGB, § 51a GmbHG) unberührt.4 Gegenüber § 259 HGB erweitert § 260 HGB bei Vermögensauseinandersetzungen den Umfang der Vorlagepflicht (s. § 260 Rz. 5 ff.). Bei Archivierung von vorlagepflichtigen Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern greift § 261 HGB (s. § 261 Rz. 9). Im Steuerrecht (s. § 258 Rz. 5) hat der geprüfte Steuerpflichtige im Außenprüfungsverfahren nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO die steuerrelevanten Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen.5

IV. Rechtsentwicklung § 259 HGB stimmt mit § 46 HGB aF überein (s. § 258 Rz. 6). Obwohl der Normaufbau optimierbar ist (s. Rz. 8), hat der Gesetzgeber bislang an der Ursprungsfassung festgehalten.

4

B. Partielle Einsichtnahme in Handelsbücher (Satz 1) Nach § 259 Satz 1 HGB ist die Einsicht in die im Rechtsstreit vorzulegenden Handelsbücher auf den Streit- 5 punkt und das Beweisthema beschränkt.6 Der Beweisführer muss den streitgegenständlichen Bezug der Handelsbücher möglichst genau bezeichnen, so dass die streitrelevanten Stellen vom Kaufmann aufgefunden und dem Gericht vorgelegt werden können.7 Dafür kommt die Angabe der Art des Handelsbuchs (Grund-, Hauptbuch oder Nebenbücher) sowie der Buchungsbetrag, -zeitraum und die Art des Kontos in Betracht.8 Das Gericht, nicht die Parteien, nimmt Einsicht in einem Beweistermin.9 Eine „Einsichtnahme durch die Parteien“10 sieht § 259 Satz 1 HGB nicht vor. Vielmehr zieht das Gericht die Parteien durch Benachrichtigung seiner Einsicht hinzu, wodurch die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (§ 357 Abs. 1 ZPO) sichergestellt ist.11 Das Gericht kann mit der Einsicht auch einen Sachverständigen (§ 144 Abs. 1 ZPO) betrauen.12 Dieser kann indes die freie Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) durch das Gericht nicht ersetzen.13

6

Im geeigneten Fall ist nach § 259 Satz 2 HGB ein Auszug aus den Handelsbüchern zu fertigen und zu den Gerichtsakten zu nehmen. Dass ist der Fall, wenn die zulässige Einsichtnahme des Gerichts zu Eintragungen führt, die für das Beweisthema von Bedeutung sind.14

7

C. Gerichtliche Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Handelsbücher (Satz 2) Der besondere Beweiswert der Handelsbücher (s. § 258 Rz. 2) setzt die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung voraus. Ohne die gerichtliche Überzeugung hierüber wäre die Vorlage und Einsichtnahme in die Handelsbücher durch die Parteien nach § 259 Satz 1 HGB schlicht „sinnlos“.15 Die Berücksichtigung einer Eintragung oder Nichteintragung im gerichtlichen Beweisverfahren setzt die Überzeugung des Gerichts voraus, dass die Handelsbücher ordnungsgemäß geführt sind.16 Insoweit ist die gerichtliche Prüfung

1 Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 2 mwN; aA Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 259 HGB Rz. 1 (Stand Aug. 2013). 2 Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 259 HGB Rz. 1; ebenso Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 2. 3 ADS6, § 259 HGB Rz. 2. 4 ADS6, § 259 HGB Rz. 2; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 259 HGB Rz. 1. 5 Intemann in Koenig, AO3, § 200 Rz. 17. 6 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 259 HGB Rz. 3. 7 Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 259 HGB Rz. 2. 8 ADS6, § 259 HGB Rz. 4; Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 7. 9 Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 4. 10 So aber ADS6, § 259 HGB Rz. 4. 11 Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 4, 8. 12 ADS6, § 259 HGB Rz. 5; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 259 Rz. 1. 13 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 259 HGB Rz. 6; Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 8. 14 Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 9. 15 So Claussen in Kölner Komm. RLR, § 259 HGB Rz. 7. 16 ADS6, § 258 HGB Rz. 7.

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§ 259 Rz. 9 | Auszug bei Vorlegung im Rechtsstreit nach § 259 Satz 2 HGB in logischer und zeitlicher Hinsicht Vorbedingung einer Einsichtnahme durch die Parteien nach § 259 Satz 1 HGB. Der Normaufbau (s. Rz. 1) ist insoweit optimierbar. 9

Die Offenlegung an das Gericht nach § 259 Satz 2 HGB begründet zum Schutz des Kaufmanns (s. Rz. 2) kein Einsichts- oder Prüfungsrecht der gegnerischen Prozesspartei.1 Das rein gerichtliche Einsichtsrecht geht über den Streitpunkt hinaus, ist aber in seinem Umfang darauf beschränkt, was zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung aufgrund freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) erforderlich ist.2 Über die Notwendigkeit und den Umfang der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.3 Zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nach § 259 Satz 2 HGB kann sich das Gericht eines Sachverständigens bedienen.4 Die Parteien sind insoweit wegen vorrangigen Geheimnisschutzes (s. Rz. 1 f.) nicht zu beteiligen.5

§ 260 Vorlegung bei Auseinandersetzungen Bei Vermögensauseinandersetzungen, insbesondere in Erbschafts-, Gütergemeinschafts- und Gesellschaftsteilungssachen, kann das Gericht die Vorlegung der Handelsbücher zur Kenntnisnahme von ihrem ganzen Inhalt anordnen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und Zweck . . . . . . . . II. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anordnung der Vorlage der gesamten Handelsbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und Zweck 1

§ 260 HGB trifft für die Vorlage von Handelsbüchern im Rechtsstreit gegenüber § 258 f. HGB eine Sonderregelung für Vermögensauseinandersetzungen,6 in die ein Kaufmann involviert ist.7 Die Norm erweitert spezialgesetzlich bei Rechtsstreitigkeiten über die Auseinandersetzung von Vermögen wegen der Eigenart des Streitgegenstandes den Umfang der Vorlage über § 259 HGB hinaus.8 Bei den von § 260 HGB erfassten Vermögensauseinandersetzungen beschränkt sich die Vorlagepflicht des Kaufmanns nicht auf die Passagen der Handelsbücher, die – wie bei § 259 HGB – einen Streitpunkt betreffen, sondern erstreckt sich auf den gesamten Inhalt der Handelsbücher.9 § 260 HGB ermächtigt das Gericht, im Gegensatz zur partiellen (gerichtlichen) Einsichtnahme nach § 259 HGB (s. § 259 Rz. 5 f.) die Totalvorlage der Handelsbücher anzuordnen. Dies hat seinen Grund darin, dass für Vermögensauseinandersetzungen regelmäßig die gesamten Vermögensverhältnisse des kaufmännischen Geschäftsbetriebs relevant sind,10 insbes. um Auseinandersetzungsguthaben quantifizieren zu können.

II. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 2

§ 260 HGB gilt bei gerichtlichen „Vermögensauseinandersetzungen“, ohne den Gerichtszweig oder die anwendbare Prozessordnung einzugrenzen. Anders als § 258 Abs. 1 HGB (s. § 258 Rz. 8) setzt § 260 HGB auch kein gerichtlich anhängiges Verfahren voraus.11 Nach hM gilt die Sondervorschrift bei allen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, einschließlich von Verfahren nach dem FamFG.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 259 HGB Rz. 3. ADS6, § 259 HGB Rz. 8. Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 10. ADS6, § 259 HGB Rz. 9. Pöschke in GroßKomm.5, § 259 HGB Rz. 10. Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 260 HGB Rz. 1; Claussen in Kölner Komm. RLR, § 260 HGB Rz. 1. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 1. Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 1. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 2. ADS6, § 260 HGB Rz. 6; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 2. ADS6, § 260 HGB Rz. 4. ADS6, § 260 HGB Rz. 4; Claussen in KK-RLR, § 260 HGB Rz. 1, 4; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 2; zur Kritik Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 2.

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B. Anordnung der Vorlage der gesamten Handelsbücher

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Rz. 7 § 260

Die Art der Vermögensauseinandersetzung ist ohne Bedeutung.1 § 260 HGB benennt als Vermögensauseinandersetzungen „insbesondere in Erbschafts-, Gütergemeinschafts- und Gesellschaftsteilungssachen“. Die Aufzählung der Vermögensauseinandersetzungen ist nur beispielhaft2 und nicht abschließend3 (s. Rz. 5). Zu steuerrechtlichen Vorlagepflichten s. § 258 HGB Rz. 5 und § 259 HGB Rz. 3.

3

III. Rechtsentwicklung § 260 HGB stimmt mit § 47 HGB aF überein (s. § 258 HGB Rz. 6).

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B. Anordnung der Vorlage der gesamten Handelsbücher Die gerichtliche Anordnung der Vorlage der Handelsbücher nach § 260 HGB betrifft Auseinandersetzungen von Vermögen, zu dem ein vollkaufmännisches Handelsgeschäft gehört.4 Von der Vermögensauseinandersetzung betroffen sein kann auch eine Personengesellschaft oder das Eigentum sämtlicher Anteile einer Personengesellschaft.5 Nach der Art der Vermögensauseinandersetzung benennt § 260 HGB beispielhaft (s. Rz. 3) die Erbauseinandersetzung (§ 2042 BGB), die Auseinandersetzung über das Gesamtgut (§§ 1471 ff. BGB) bei der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) sowie die Auseinandersetzung einer Gesellschaft (§§ 730 ff. BGB). Die Auseinandersetzung ist nicht auf Gesamthandsvermögen beschränkt6 und umfasst auch die Aufteilung einer Gemeinschaft nach Bruchteilen (§§ 752 f. BGB). Selbst obligatorische Ansprüche auf ein Auseinandersetzungsguthaben aus einem Vermögen sollen ausreichen.7 Streitigkeiten über Vermögensübertragungen sind indes keine „Auseinandersetzung“.

5

Vorlagepflichtig sind nach § 260 HGB nur die Handelsbücher,8 nicht dagegen andere kaufmännische Unterlagen,9 wie Bilanz, GuV, Anhang und Lagebericht, Handelsbriefe und Buchungsbelege. Dies folgt aus der alleinigen Bezugnahme der Vorschrift auf den in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB definierten Begriff „Handelsbücher“. Die Pflicht zur Vorlage von Bilanzen, die bei Vermögensauseinandersetzungen zur Berechnung von Auseinandersetzungsguthaben regelmäßig relevant sind, kann trotz des Normzwecks (s. Rz. 1) nicht auf § 260 HGB gestützt werden. Sie kann sich aber aus anderen Einsichtsansprüchen nach materiellem Recht ergeben.

6

Als Rechtsfolge „kann“ das Gericht nach § 260 HGB die Vorlage „der Handelsbücher zur Kenntnisnahme 7 von ihrem ganzen Inhalt“ anordnen. Das zuständige Gericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die Vorlage anordnen.10 Über das Ob und Wie einer Vorlage der Handelsbücher entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.11 Nach Wortlaut („kann“) und Zweck der Vorschrift (s. Rz. 1) begründet § 260 HGB nur eine gerichtliche Befugnis, eine Komplettvorlage der Handelsbücher anzuordnen, aber keine Pflicht hierzu.12 Ermessensgerecht ist die Anordnung der umfassenden Vorlage im Gegensatz zur regulären partiellen nach § 259 HGB, wenn die Vermögensauseinandersetzung eine umfassende Beurteilung des gesamten Inhalts der Handelsbücher erfordert. Bei der gerichtlich zu prüfenden Angemessenheit dieser weitreichenden Rechtsfolge ist auch die Bedeutung der Vermögensauseinandersetzung für die Parteien zu berücksichtigen.13 Das Gericht kann trotz der Ausnahmeregelung des § 260 HGB im Einzelfall auch bei einer Vermögensauseinandersetzung eine zeitlich oder sachlich beschränkte Vorlage der Handelsbücher anordnen. Bei Archivierung von vorlagepflichtigen Handelsbüchern auf Bild- oder Datenträgern greift § 261 HGB (s. § 261 HGB Rz. 9).

ADS6, § 260 HGB Rz. 3; Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 2. ADS6, § 260 HGB Rz. 3; Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 3. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 1. ADS6, § 260 HGB Rz. 2. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 1; dies erwägend bereits ADS6, § 260 HGB Rz. 2. Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 3. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 260 HGB Rz. 4; zustimmend Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 3. Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 4. ADS6, § 260 HGB Rz. 5; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 2. ADS6, § 260 HGB Rz. 5; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 260 HGB Rz. 5; Winkeljohann/ Philipps in Beck BilKomm.10, § 260 HGB Rz. 3. 11 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht3, § 260 HGB Rz. 5; Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 5. 12 Pöschke in GroßKomm.5, § 260 HGB Rz. 5. 13 In diese Richtung auch Claussen in Kölner Komm. RLR, § 260 HGB Rz. 4: „Die Vermögensauseinandersetzungen müssen gravierend sein, wenn dieses Vorlageverfahren zum Einsatz kommen soll …“.

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§ 261 Rz. 1 | Vorlegung von Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern

§ 261 Vorlegung von Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern Wer aufzubewahrende Unterlagen nur in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegen kann, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; soweit erforderlich, hat er die Unterlagen auf seine Kosten auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen. A. I. II. III. IV. B. C. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlicher Anwendungsbereich der ergänzenden Pflichten (Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . Sachlicher Umfang der ergänzenden Pflichten und Vorlagepflicht (Halbs. 1) Sachlicher Umfang der ergänzenden Pflichten

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II. Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Inhalt der ergänzenden Pflichten (Halbs. 1 und 2) I. Pflicht zur Verfügungstellung der Hilfsmittel II. Pflicht zum Ausdruck oder zur Beibringung von ohne Hilfsmittel lesbaren Reproduktionen III. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kostentragung bei Erfüllung der ergänzenden Pflichten (Halbs. 1 und 2) . . . . . . . . . . F. Prüfung der Unterlagen . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Feuerbaum, EDV-Buchführung, GoB, AO 1977 und HGB, DB 1977, 549 und 597; Schneider, Die Kostenerstattungspflicht gegenüber Kreditinstituten im Falle gerichtlicher und behördlicher Beschlagnahmen und Auskunftsersuchen, DB 1979, Beilage Nr. 17 zu Heft 43; Sannwald, Entschädigungsansprüche von Kreditinstituten gegenüber auskunftsersuchenden Ermittlungsbehörden, NJW 1984, 2495; Kieback/Ohm, Zulässigkeit der Beschlagnahmeanordnung und Kostenerstattungsanspruch der Kreditinstitute, WM 1986, 313.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 261 HGB enthält eine Ergänzung der Regelungen über die Modalitäten der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht in § 257 HGB. Die Vorschrift statuiert komplementäre ergänzende Pflichten,1 namentlich in Gestalt der Pflicht zur Lesbarmachung (Halbs. 1) und zur Beibringung eines Ausdrucks (Halbs. 2), für den Fall, dass der Kaufmann bei Erfüllung einer Vorlagepflicht aufzubewahrende Unterlagen nur in der Form einer Wiedergabe auf Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegen kann.2 Die ergänzenden Pflichten sollen die Kontrollmöglichkeiten Dritter erleichtern. Als Folge der Freiheit des Kaufmanns bei der datentechnischen Organisation seiner Buchführung ist es folgerichtig, dass der Kaufmann die für die Erfüllung der ergänzenden Pflichten des § 261 HGB entstehenden Kosten selbst zu tragen hat.3

II. Bedeutung und Zweck 2

Die Regelung soll dem Kaufmann entsprechend § 238 Abs. 2 HGB, § 239 Abs. 4 HGB und § 257 Abs. 3 HGB (s. § 238 HGB Rz. 43 ff.; § 239 HGB Rz. 36 ff.; § 257 HGB Rz. 40 ff.) die Buchführung unter Einsatz von EDV ermöglichen, ohne die traditionelle Beweisfunktion der Unterlagen preiszugeben.4

3

Wegen ihrer Funktion als Ergänzung der Regelungen über die Modalitäten der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht in § 257 HGB teilen die ergänzenden Pflichten des § 261 HGB die öffentlich-rechtliche Natur der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht (s. § 257 HGB Rz. 3).

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4

Im Verhältnis von § 261 HGB zu anderen handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften hat die Norm – ebenso wie § 257 HGB – die Funktion der Ergänzung und Verdeutlichung allgemeiner Anforderungen 1 Zum Begriff der „Ergänzungspflichten“ Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGGB Rz. 2 mwN; ebenso Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 1. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 1. 3 Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 1. 4 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 2; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 1.

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C. Sachlicher Umfang der ergänzenden Pflichten und Vorlagepflicht (Halbs. 1)

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Rz. 9 § 261

(s. § 257 Rz. 4 ff.). Diese gelten nach § 147 Abs. 5 AO übereinstimmend auch für die steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht.

IV. Rechtsentwicklung Die Ergänzung der Regelungen über die Modalitäten der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht war 5 ursprünglich im mit dem Gesetz zur Änderung des HGB und der RAO vom 2.8.1965 (BGBl. I 1965, 665) eingefügten § 47a HGB aF enthalten. Sie wurde mit dem Einführungsgesetz zur AO 1977 vom 14.12.1976 (BGBl. I 1976, 3341) ohne sprachliche und inhaltliche Änderung in § 261 HGB überführt.

B. Persönlicher Anwendungsbereich der ergänzenden Pflichten (Halbs. 1) Die ergänzenden Pflichten aus § 261 HGB gelten wegen ihrer Ergänzungsfunktion zu den Regelungen in 6 § 257 HGB in persönlicher Hinsicht nur für einen aufbewahrungspflichtigen Kaufmann iSd. § 257 Abs. 1 HGB (s. § 257 HGB Rz. 10 ff.).1

C. Sachlicher Umfang der ergänzenden Pflichten und Vorlagepflicht (Halbs. 1) I. Sachlicher Umfang der ergänzenden Pflichten Wegen ihrer Ergänzungsfunktion zu den Regelungen in § 257 HGB gelten die ergänzenden Pflichten aus § 261 HGB in sachlicher Hinsicht nur für „aufzubewahrende Unterlagen“ iSd. § 257 Abs. 1 HGB.2 Sie sind ihrem Inhalt entsprechend auf Unterlagen beschränkt, die der Kaufmann „in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegen kann“ (§ 261 Halbs. 1 HGB).3 Diese Form der Aufbewahrung ist nach § 238 Abs. 2 HGB, § 239 Abs. 4 HGB und § 257 Abs. 3 HGB ausdrücklich zulässig (s. § 257 HGB Rz. 40 ff.).4 Die in diesen Regelungen vorgesehenen Ausnahmen für bestimmte Unterlagen sind zu beachten, so dass sich die ergänzenden Pflichten von vornherein nicht auf Jahresabschlüsse, Eröffnungsbilanzen und Konzernabschlüsse beziehen, die nach § 257 Abs. 3 Satz 1 HGB nicht als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden dürfen.5

7

Nach dem Wortlaut des Gesetzes („nur“) greifen die ergänzenden Pflichten nur dann, wenn keine Originale existieren, die vorrangig vorzulegen sind.6 Die Vorlegung einer Wiedergabe kann aber vertraglich vereinbart werden.7

8

II. Vorlagepflicht Die ergänzenden Pflichten greifen nur, wenn der Kaufmann in Bezug auf die aufzubewahrenden Unterla- 9 gen einer Vorlagepflicht unterliegt.8 Sie gelten für die Vorlage von Unterlagen in Rechtsstreitigkeiten (§§ 258, 259 HGB) oder bei Vermögensauseinandersetzungen (§ 260 HGB), aber auch für die Vorlegung außerhalb eines Gerichtsverfahrens.9 Die Rechtsgrundlage der Vorlagepflicht kann zivilrechtlicher oder zivilprozessrechtlicher Natur sein.10 Die Vorlagepflicht besteht dabei nur, wenn der Kaufmann Schuldner eines Einsichtsanspruchs ist, nicht dagegen, wenn er selbst Beweisführer ist.11 Für öffentlich-rechtliche Vorlagepflichten, zB von Dritten bei auf § 95 StPO gestützte Herausgabeverlangen in Ermittlungsverfahren, ist die Anwendbarkeit von § 261 HGB dagegen umstritten. Wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der ergänzenden Pflichten (s. Rz. 3) ist die Vorlagepflicht zwar nicht auf zivilrechtliche bzw. zivilprozessrechtliche Rechtsgrundlagen beschränkt.12 Gleichwohl sollte die Geltendmachung der ergänzenden Pflichten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 2. Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 2. Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 4. Zum Zusammenhang mit den zitierten Vorschriften Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 261 Rz. 1; Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 3; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 257 Rz. 1. Graf in MünchKomm. BilR, § 261 HGB Rz. 1. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 7; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 3. Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 3. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 Rz. 4; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 3. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 261 Rz. 1; Graf in MünchKomm. BilR, § 261 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 4; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 261 HGB Rz. 3. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 4; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 3. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 4; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 4. Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 6; aA Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 6.

Drüen

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501

§ 261 Rz. 10 | Vorlegung von Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern im konkreten Fall vom öffentlichen Interesse an der Buchführung gedeckt sein,1 was im Fall von Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen Dritte regelmäßig nicht der Fall sein dürfte.2

D. Inhalt der ergänzenden Pflichten (Halbs. 1 und 2) I. Pflicht zur Verfügungstellung der Hilfsmittel 10

Nach § 261 Halbs. 1 HGB besteht zunächst die Pflicht, die „Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die zur Lesbarmachung der vorzulegenden Unterlagen erforderlich sind“. Einzelheiten der Erfüllung dieser ergänzenden Pflichten sind im Gesetz nicht geregelt.3

11

Zu den erforderlichen Hilfsmitteln gehören Lesegeräte und die Datenverarbeitungsanlage sowie das Personal, das mit dem technischen Umgang der verwendeten Anlage vertraut ist.4 Der Kaufmann hat die Hilfsmittel auf dem für die Erfüllung der ergänzenden Pflichten erforderlichen Stand der Technik zu halten.5 Es reicht aus, dass der Kaufmann diese Geräte und das entsprechende Personal im Bedarfsfall ohne Zeitverlust abrufbereit verfügbar hält.6 Der gespeicherte Buchungsstoff braucht nicht regelmäßig und vollständig zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgedruckt zu werden (zum Erfordernis eines Ausdrucks s. Rz. 13).7 Bei einer EDV-Buchführung außer Haus hat der Kaufmann durch eine vertragliche Gestaltung mit dem Anwender (zB Rechenzentrum) sicherzustellen, dass die Erfüllung dieser Pflichten gewährleistet ist.8

12

Die Lesbarmachung hat an dem Ort zu erfolgen, an dem die Vorlagepflicht zu erfüllen ist.9

II. Pflicht zum Ausdruck oder zur Beibringung von ohne Hilfsmittel lesbaren Reproduktionen 13

Weitergehend hat der Kaufmann nach § 261 Halbs. 2 HGB die Pflicht, „soweit erforderlich“ die Unterlagen „auszudrucken“ oder „ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen“. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob ein Ausdruck oder eine ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktion mit Blick auf „Ob“ und „Anzahl“ „erforderlich“ ist.10

III. Frist 14

Die ergänzenden Pflichten sollen auch nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist iSd. § 257 Abs. 4 HGB gelten, wenn die Unterlagen vom Kaufmann trotz Fristablaufs weiterhin aufbewahrt werden.11 Mit Blick auf ihre Ergänzungsfunktion (s. Rz. 1) ist es jedoch fraglich, ob nach Fristablauf die Kostentragungspflicht des Kaufmanns weiterhin sachgerecht ist.12

15

Der Kaufmann hat die „Kosten“ für die Erfüllung der ergänzenden Pflichten zu tragen (§ 261 Halbs. 1 und 2 HGB). Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass der Kaufmann die Vorteile elektronischer Archivierung (zB geringerer Lagerraum) nutzen kann.13 Die Kostenregelung in § 261 Halbs. 1 und 2 HGB geht in Bezug auf die von ihr erfassten Kosten anderen Kostenregelungen vor, so dass in einem Zivilprozess ggf. die obsiegende Partei trotz § 91 ZPO die maßgeblichen Kosten zu tragen hat, wenn sie im Verfahren eine Vorlagepflicht iSd. § 261 HGB erfüllte.14 Die Kostenregelung ist problematisch für die Herausgabe von Unter-

E. Kostentragung bei Erfüllung der ergänzenden Pflichten (Halbs. 1 und 2)

1 Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 6. 2 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 261 Rz. 2; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 6, 11; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 261 HGB Rz. 3. 3 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 5. 4 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 66 (Stand Juli 2015); Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 7. 5 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 5. 6 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 66 (Stand Juli 2015). 7 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 66 (Stand Juli 2015); Rätke in Klein, AO13, § 147 Rz. 49. 8 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 66 (Stand Juli 2015); Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 7. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 7. 10 Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 8. 11 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 3; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 2. 12 ADS6, § 261 Rz. 9; Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 261 HGB Rz. 42 (Stand Aug. 2013); Krawitz in BHR, § 261 HGB Rz. 10 (Stand Jan. 2010). 13 Graf in MünchKomm. BilR, § 261 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 9. 14 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 6; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 9.

502

| Drüen

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 1 § 263

lagen im Rahmen von Straf- und Ermittlungsverfahren gegen Dritte,1 sofern in diesen Fällen überhaupt eine für § 261 HGB relevante Vorlagepflicht anzuerkennen ist. Richtigerweise ist ihr Anwendungsbereich – wie auch die Vorlagepflicht (s. Rz. 9) – auf Fälle beschränkt, die vom öffentlichen Interesse an der Buchführung und vom Zweck der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht erfasst sind (s. § 257 HGB Rz. 2). Die Kostenregelung hat keine „Ausstrahlungswirkung“ auf andere Fälle, in denen die Kosten nach Maßgabe der jeweils anwendbaren Regelungen zu tragen sind.

F. Prüfung der Unterlagen Der Kaufmann hat dem Vorlagegläubiger bzw. dem Gericht zur Prüfung der Authentizität der nach Maß- 16 gabe des § 261 HGB vorgelegten lesefertigen Wiedergabe oder des Ausdrucks zusätzlich die Wiedergabe in der aufbewahrten Form vorzulegen.2

Vierter Unterabschnitt Landesrecht § 262 (weggefallen)

§ 263 Vorbehalt landesrechtlicher Vorschriften Unberührt bleiben bei Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit einer Gemeinde, eines Gemeindeverbands oder eines Zweckverbands landesrechtliche Vorschriften, die von den Vorschriften dieses Abschnitts abweichen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Zweck II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ 1

__ _

2. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . .

4 6 7

2

Literatur: Zeiss, Das Recht der gemeindlichen Eigenbetriebe, 4. Aufl. 1993; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985; Lenz, Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung im Rahmen der Abschlußprüfung bei kommunalen Versorgungsunternehmen, WPg. 1987, 669; Eibelshäuser, Die Aufgaben des Abschlußprüfers nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz, in Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt, FS Moxter, 1994, 919; Baldauf, Umfang der Buchführungspflicht für kommunale Betriebe gewerblicher Art, FiWi. 2001, 115; Wohlfahrt, Kommunalrecht für das Saarland, 3. Aufl. 2003; Cronauge, Kommunale Unternehmen, 6. Aufl. 2016; Hoppe/Uechtritz/Reck, Handbuch Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 2012; Vogelpoth/Poullie/Voß, Probleme im Zusammenwirken von HGB, BilMoG und kommunaler Rechnungslegung, WPg. 2009, 83; Fabry/Augsten, Unternehmen der öffentlichen Hand, 2. Aufl. 2011.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Zweck Für kommunale Unternehmen, welche die Kaufmannseigenschaft gem. § 1 HGB erfüllen, gelten grund- 1 sätzlich die Rechnungslegungsvorschriften der §§ 238 ff. HGB aus Gründen des Wettbewerbs gleichermaßen.3 Eine Ausnahme hiervon regelt § 263 HGB, wonach die §§ 238 ff. HGB nur gelten, wenn und soweit landesrechtliche Vorschriften keine abweichenden Regelungen für Unternehmen auf kommunaler 1 ADS6, § 261 Rz. 7 ff.; Pöschke in Großkomm.5, § 261 HGB Rz. 10 f.; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 261 HGB Rz. 2. 2 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 261 HGB Rz. 7. 3 Vgl. BT-Drucks. 10/317, 73; Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 263 HGB Rz. 1 (Stand Aug. 2013); Leinen/Paulus in Haufe BilKomm.7, § 263 HGB Rz. 1.

Drüen/Eichholz/Wildermuth

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503

§ 263 Rz. 2 | Vorbehalt landesrechtlicher Vorschriften Ebene enthalten.1 Wenn und soweit landesrechtliche Vorschriften abweichende Regelungen vorschreiben, nimmt die Regelung des § 263 HGB die als Kaufmann zu qualifizierenden kommunalen Unternehmen von der Rechnungslegungspflicht der §§ 238 ff. HGB aus.2 § 263 HGB ist aufgrund des Vorrangs des Bundesrechts vor Landesrechts gem. Art. 31 GG notwendig.3

II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich 2

§ 263 HGB findet nur Anwendung bei Unternehmen von Gemeinden, Gemeindeverbänden und Zweckverbänden. Gemeinden und Gemeindeverbände sind kommunale Gebietskörperschaften mit entsprechender Selbstverwaltungshoheit (Art. 28 Abs. 2, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG).4 Gemeindeverbände stellen zB die Landkreise dar, denen mehrere Gemeinden unterliegen, und die überörtliche Aufgaben wahrnehmen.5 Kommunale Zweckverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die auf den Landesgesetzen der kommunalen Selbstverwaltung basieren und von Gemeinden oder Gemeindeverbänden zur gemeinsamen Erfüllung bestimmter Aufgaben, wie zB Abfallentsorgung oder Wasserversorgung, mit Zustimmung der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde gegründet werden.6

3

Des Weiteren findet § 263 HGB nur bei Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit Anwendung, dh. die Unternehmen selbst sind nicht die Träger der Rechte und Pflichten, sondern die Gemeinden, der Gemeindeverband oder der Zweckverband selbst sind Träger der Rechte und Pflichten.7 Daher fallen unter den Anwendungsbereich von § 263 HGB vor allem kommunale Eigenbetriebe, Netto- und Brutto-Regiebetriebe sowie wirtschaftliche Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit von Landes-, Wohlfahrts- und Umlandverbänden.8 Eigenbetriebe sind organisatorisch und wirtschaftlich selbständige kommunale Unternehmen, die rechtlich unselbständig sind.9 Regiebetriebe dagegen sind Organisationseinheiten der Gemeindeverwaltung zur Eigenbedarfsdeckung, die keine wirtschaftlichen Unternehmen darstellen.10 Brutto-Regiebetriebe sind an die allgemeinen kommunalrechtlichen und -wirtschaftlichen Bestimmungen gebunden und sind rechnungstechnisch, haushaltsrechtlich, personell und organisatorisch unselbständige Bestandteile der Gemeindeverwaltung.11 Demgegenüber sind Netto-Regiebetriebe eine Übergangsform, die dem Eigenbetriebsrecht über Wirtschaftsführung und Rechnungslegung unterliegen und damit insoweit dem Eigenbetrieb gleichen.12 § 263 HGB greift nicht bei kommunalen Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, da diese nach § 6 Abs. 1 HGB Kaufleute sind und daher die §§ 238 ff. und die §§ 264 ff. HGB zwingend anzuwenden haben.13 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften

4

Die Freistellung der kommunalen Wirtschaftsbetriebe von den §§ 238 ff. HGB gem. § 263 HGB wird ergänzt durch Vorschriften des PublG. Für den Fall, dass die kommunalen Wirtschaftsbetriebe nicht dem HGB, sondern dem PublG unterliegen, enthält § 3 Abs. 2 Nr. 1a PublG eine § 263 HGB entsprechende Regelung, wonach für die unter das PublG fallenden Unternehmen nicht die besonderen Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Offenlegungsvorschriften des PublG gelten, sondern – wenn und soweit vorhanden – die landesrechtlichen Vorschiften bzw. anderenfalls die §§ 238 ff. HGB.14 1 Vgl. ADS6, § 263 HGB Rz. 1; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 263 HGB Rz. 1. 2 Vgl. ADS6, § 263 HGB Rz. 8. 3 Vgl. Weber/Eichenlaub in HdR, § 263 HGB Rz. 3 (Stand Juli 2011); Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 263 HGB Rz. 2 (Stand Aug. 2013). 4 Vgl. Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 263 HGB Rz. 32 (Stand Aug. 2013); Leinen/Paulus in Haufe BilKomm.7, § 263 HGB Rz. 2. 5 Vgl. Leinen/Paulus in Haufe BilKomm.7, § 263 HGB Rz. 2; Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 263 HGB Rz. 32 (Stand Aug. 2013). 6 Vgl. Wohlfahrt, Kommunalrecht3, Rz. 266. 7 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 263 HGB Rz. 4. 8 Vgl. Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 263 Rz. 1; Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 263 HGB Rz. 2; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 263 HGB Rz. 2. 9 Vgl. Wohlfahrt, Kommunalrecht3, Rz. 265. 10 Vgl. Wohlfahrt, Kommunalrecht3, Rz. 265. 11 Vgl. ADS6, § 263 HGB Rz. 6. 12 Vgl. ADS6, § 263 HGB Rz. 6. 13 Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 263 Rz. 2; Leinen/Paulus in Haufe BilKomm.7, § 263 HGB Rz. 3; Bartone in BKT, Bilanzrecht, § 263 HGB Rz. 23 (Stand Aug. 2013); Pöschke in Großkomm.5, § 263 HGB Rz. 4. 14 Vgl. ADS6, § 263 HGB Rz. 9; Leinen/Paulus in Haufe BilKomm.7, § 263 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 263 HGB Rz. 9.

504

| Eichholz/Wildermuth

Organschaft

| Anh. 1 §§ 238–263

Für Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit gelten die Vorschriften der AO gleichermaßen.1 Ebenso unterliegen sie der Körperschaft- und Gewerbesteuer.2

5

III. Rechtsentwicklung Bis zum Inkrafttreten des BiRiLiG3 war die Rechnungslegung der kommunalen Eigenbetriebe in § 42 6 HGB aF gesetzlich kodifiziert. Die nunmehr geltende Vorschrift des § 263 HGB enthält gegenüber der vormals in § 42 HGB aF geregelten Fassung, die durch das BiRiLiG stark eingeschränkt wurde, erhebliche Abweichungen.4 So unterlagen der Ausnahmeregelung des § 42 HGB aF noch alle Unternehmen der öffentlichen Hand, dh. auch Unternehmen des Bundes oder Landes. Im Gegensatz hierzu umfasst die nunmehr gültige Ausnahmeregelung des § 263 HGB nur kommunale Wirtschaftsbetriebe.5

B. Anwendbare Vorschriften Bei den landesrechtlichen Vorschriften handelt es sich um Eigenbetriebsgesetze bzw. -verordnungen.6 7 Gem. Art. 30 GG fällt das Eigenbetriebsrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Bis auf Hamburg haben demnach alle Bundesländer Eigenbetriebsgesetze und -verordnungen erlassen.7 Nach landesrechtlichen Vorschriften haben die Eigenbetriebe einen Wirtschafts-, Erfolgs-, Vermögens- und Stellenplan aufzustellen. Die Buchführung ist grundsätzlich nach der kaufmännischen Doppik vorzunehmen. Der Jahresabschluss (Bilanz, GuV, Anhang) ist innerhalb von drei bis sechs Monaten nach den allgemeinen handelsrechtlichen Normen der §§ 238 ff. HGB aufzustellen. Diesem ist ein nach Betriebszweigen untergliederter Anlagennachweis und eine entsprechend untergliederte Erfolgsübersicht hinzuzufügen. Des Weiteren ist ein Lagebericht mit über die nach § 289 HGB erforderlichen hinausgehenden Angaben aufzustellen.8

Anhang 1 zu §§ 238–263 HGB: Organschaft A. Das Institut der steuerlichen Organschaft I. Das Institut der Organschaft zur steuerlichen Berücksichtigung eines Unternehmensverbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragsteuerliche Organschaft 1. Rechtsquellen und Überblick über Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vor- und Nachteile der ertragsteuerlichen Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umsatzsteuerliche Organschaft . . . . . . . . . IV. Grunderwerbsteuerliche Organschaft . . . . . B. Tatbestandsvoraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft I. Persönliche Voraussetzungen von Organträger und Organgesellschaft und erforderlicher Inlandsbezug beim Organträger 1. Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ ___ _ 1 4

6 10 11 13

_

2. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzielle Eingliederung Stimmrechtsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . Ununterbrochene Beteiligung vom Beginn des Wirtschaftsjahrs an . . . . . . . . . . . . . . Mittelbare Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnabführungsvertrag Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Gewinnabführung . . . . . . . . Mindestlaufzeit fünf Jahre . . . . . . . . . . . . Tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . (Vorzeitige) Beendigung des Gewinnabführungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis von Gewinnabführungsvertrag und Verlustübernahmeverpflichtung nach § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . .

_ _ __ __ _ _ _ _ 17

.

21

. . .

24 27

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30 31 37

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52

15

1 Vgl. § 1 AO. 2 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG; § 2 Abs. 1 GewStDV; vgl. auch Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 263 HGB Rz. 6. 3 Ges. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 4 Vgl. ADS6, § 263 HGB Rz. 1 f.; Weber/Eichenlaub in HdR, § 263 HGB Rz. 1 (Stand Juli 2011); Pöschke in Großkomm.5, § 263 HGB Rz. 1 f. 5 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 263 HGB Rz. 1 f.; Weber/Eichenlaub in HdR, § 263 HGB Rz. 1 (Stand Juli 2011); ADS6, § 263 HGB Rz. 1 f. 6 Vgl. Weber/Eichenlaub in HdR, § 263 HGB Rz. 8 (Stand Juli 2011). 7 Vgl. Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 263 HGB Rz. 2. 8 Vgl. zum Vorstehenden Winkeljohann/Philipps in Beck BilKomm.10, § 263 HGB Rz. 3.

Eichholz/Wildermuth/Vogel

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505

Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 1 | Organschaft C. Rechtsfolgen der ertragsteuerlichen Organschaft I. Grundsätze der Gewinnermittlung sowie der Einkommenszurechnung und -ermittlung . . II. Bruttomethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Behandlung von Ausgleichszahlungen . . . . IV. Verlustverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zinsschranke im Organkreis . . . . . . . . . . . VI. Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage im Organkreis . . . . . . . . . . . VII. Teilwertabschreibung auf Anteile an der Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Einzelfragen der Organschaft mit bilanziellem Bezug

__ __ _ _ _ 55 58 61 63 66 69 70

I. Vororganschaftliche Mehr- und Minderabführungen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung von vor-, inner- und außerorganschaftlicher Mehr- und Minderabführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechsfolge: Gewinnausschüttung und Einlage II. Innerorganschaftliche Mehr- und Minderabführungen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Latente Steuern im Organkreis . . . . . . . . . .

_ __ __ __ 74 78 80 83 86 87 89

Literatur: Brezing, Überlegungen zum steuerlichen Ausgleichsposten bei körperschaftsteuerlicher Organschaft, DB 1976, 1030; Bareis, Systembruch durch Ausgleichsposten nach § 14 Abs. 4 KStG, FR 2008, 649; Dötsch, Minder- und Mehrabführungen mit Verursachung in organschaftlicher Zeit – Bildung und Auflösung steuerlicher Ausgleichsposten zur Organbeteiligung nach Inkrafttreten des § 14 Abs. 4 KStG i.d.F. des JStG 2008, Ubg. 2008, 117; Herzig/Liekenbrock, Zum EBITDA-Vortrag der Zinsschranke, DB 2010, 690; Herzig/Liekenbrock/Vossel, Grundkonzept zur Bilanzierung von latenten Steuern im Organkreis nach dem BilMoG, Ubg. 2010, 85; Breier, Mehr- und Minderabführungen in der Organschaft – Teil 2/2, DK 2011, 84; Kolbe, Die körperschaftsteuerliche Organschaft mit einer doppelansässigen Organgesellschaft, StuB 2011, 495; Schindler, Bilanzierung von latenten Steuern bei Umlageverträgen im Rahmen von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen nach dem BilMoG, BFuP 2011, 329; Liekenbrock/ Vossel, Latente Steuern im Organkreis nach DRS 18, DB 2012, 753; Rödder, Die kleine Organschaftsreform, Ubg. 2012, 717; Dötsch/Pung, Die organschaftlichen Ausgleichsposten: Warum tun wir uns das an?, in Festschrift Frotscher, 2013, 75; Forst/Suchanek/Klopsch, Handelsrechtliche Bilanzierungsfehler und ihre Auswirkungen auf die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags, GmbHR 2013, 914; Neumann/Suchanek, (Vor-)organschaftlich verursachte Mehr- und Minderabführungen – Ein Diskussionsbeitrag, Ubg. 2013, 549; Stangl/Brühl, Die „kleine Organschaftsreform“, DK 2013, 77; Wagner/Liekenbrock, Organschaft und Auschluss der doppelten Verlustberücksichtigung im In- und Ausland nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG n.F., Ubg. 2013, 133; Pyszka/Nienhaus, Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg bei Gewinnausschüttungen sowie vororganschaftlichen Mehrabführungen an eine Organgesellschaft, DStR 2014, 1585; Schänzle/Birker, Bruttomethode und internationale Dividendenbesteuerung, Ubg. 2014, 635; Rupp, Gewinnausschüttungen ohne gewerbesteuerliche Schachtelstrafe – Akuter Handlungsbedarf?, NWB 2015, 3604; Brinkmann, Verdeckte Gewinnausschüttungen im Organkreis, StBp. 2015, 33; Walter, Alternativen zur unterjährigen Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags mit einer GmbH, GmbHR 2015, 965; Bünning/Stoll, Bildung und Auflösung von Kapitalrücklagen bei bestehenden Gewinnabführungsverträgen, BB 2016, 555; Oser, Latente Steuern bei Existenz steuerlicher Ausgleichsposten, StuB 2016, 152; Pohl, Die KStR 2015 – Wichtige Neuerungen im Hinblick auf die körperschaftsteuerliche Organschaft, NWB 2016, 2424; Hageböke/Hennrichs, Organschaft: Der Gesetzeszweck der Ausschüttungssperre in § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB n.F. als Thesaurierungsgrund i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG, DB 2017, 18.

A. Das Institut der steuerlichen Organschaft I. Das Institut der Organschaft zur steuerlichen Berücksichtigung eines Unternehmensverbunds 1

Im Gegensatz zum Rechnungslegungsrecht kennt das Steuerrecht keinen „Konzern“. Vielmehr besteht im Rahmen der Besteuerung der Grundsatz der Individualbesteuerung bzw. des Steuersubjektprinzips, dh. jeder Steuerpflichtige – ob natürliche oder juristische Person – ist grundsätzlich eigenständiges Steuersubjekt. Da die wirtschaftliche Realität von bestehenden Unternehmensverbünden allerdings auch vom Steuerrecht nicht ignoriert werden kann, besteht für bestimmte Steuerarten die Möglichkeit der Bildung eines steuerlichen Verbunds, einer sog. Organschaft, womit insoweit eine Einschränkung bzw. Durchbrechung des Steuersubjektprinzips zugunsten einer Verbundbesteuerung erfolgt.

2

Gleichwohl führt auch eine steuerliche Organschaft nicht generell zur Aufhebung der Steuersubjekteigenschaft der jeweiligen Organgesellschaften als vom Organträger abhängigen Personen. Stattdessen erfolgt etwa für ertragsteuerliche Zwecke lediglich eine (phasengleiche1) Zurechnung des Einkommens einer Organgesellschaft zum jeweiligen Organträger. Im Gegensatz etwa zur handelsrechtlichen Konzernbilanzie1 Sofern identische Bilanzstichtage bestehen, vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 1623.

506

| Vogel

A. Das Institut der steuerlichen Organschaft

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Rz. 7 Anh. 1 §§ 238–263

rung erfolgt für steuerliche Zwecke weder eine Zwischenergebniseliminierung noch eine Schulden- oder Kapitalkonsolidierung.1 Organträger und Organgesellschaft(en) bilden kein einheitliches Unternehmen.2 Die Organgesellschaft bleibt weiterhin Bilanzierungs- und Gewinnermittlungssubjekt, dh. die Organgesellschaft ermittelt ihr Einkommen selbst. Eine steuerliche Organschaft ist ausschließlich für körperschaft- bzw. gewerbesteuerliche (= ertragsteuerliche), für umsatzsteuerliche und in besonderen Konstellationen für grunderwerbsteuerliche Zwecke möglich. Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die ertragsteuerliche Organschaft mit einem Schwerpunkt auf bilanziellen Fragen, wenngleich zu Beginn in Rz. 11 f. und Rz. 13 f. auch ein kurzer Überlick zur umsatz- und grunderwerbsteuerlichen Organschaft gegeben wird.

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II. Ertragsteuerliche Organschaft 1. Rechtsquellen und Überblick über Rechtsgrundlagen Die Tatbestandsvoraussetzungen, Rechtsfolgen und sonstige Zweifelsfragen der körperschaftsteuerlichen 4 Organschaft sind in den §§ 14–17, 19 KStG geregelt. Hiernach kann ein herrschendes Unternehmen (Organträger) mit einem abhängigen Unternehmen (Organgesellschaft) dann eine wirksame körperschaftsteuerliche Organschaft eingehen, wenn bestimmte persönliche Voraussetzungen im Hinblick auf Sitz, Geschäftsleitung und Rechtsform erfüllt sind (vgl. Rz. 15 ff.), die Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen finanziell in den Organträger eingegliedert ist (vgl. Rz. 21 ff.) sowie ein Gewinnabführungsvertrag iSd. § 291 ff. AktG auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt wird (vgl. Rz. 30 ff.). An eine gewerbesteuerliche Organschaft bestehen grundsätzlich dieselben Anforderungen wie an eine 5 körperschaftsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Gleichwohl gilt die Organgesellschaft gewerbesteuerlich als Betriebsstätte des Organträgers, womit die persönliche Gewerbesteuerpflicht für die Dauer der Organschaft auf den Organträger übergeht; dh. der Organträger hat den Gewerbeertrag der Organgesellschaft als eigenen, nicht als fremden Gewerbeertrag zu versteuern.3 Die Gewerbeerträge von Organträger und Organgesellschaft sind hierzu zwar zunächst getrennt zu ermitteln, allerdings ist derjenige der Organgesellschaft dem des Organträgers hinzuzurechnen.4 Dies gilt hingegen nicht für die Körperschaftsteuer, für welche die Organgesellschaft weiterhin Steuerschuldner bleibt (regelmäßig aber mit einem zu versteuernden Einkommen von Null, soweit keine Minderheitsgesellschafter mit Ausgleichsansprüchen vorhanden sind). 2. Vor- und Nachteile der ertragsteuerlichen Organschaft Im Rahmen der Steuerplanung und Steuergestaltung stehen Unternehmensverbünde häufig vor der Frage, 6 ob ein ertragsteuerliches Organschaftsverhältnis begründet werden soll oder nicht. Für eine fundierte Entscheidungsfindung ist es hierbei unerlässlich, sich mit den im Einzelfall entscheidenden Vor- und Nachteilen intensiv auseinanderzusetzen.5 Als wesentliche Vorteile der ertragsteuerlichen Organschaft werden dabei angesehen: 7 – Phasengleicher Ausgleich von Verlusten mit Gewinnen zwischen den Organkreis-Gesellschaften ist möglich (vgl. Rz. 63 ff.), – phasengleicher Transfer von Gewinnen bis zum Organträger bleibt ohne Ausschüttungsbesteuerungsfolgen (dh. Vermeidung des Kaskadeneffekts bei Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG, vgl. Rz. 58 ff.), – mögliche Vermeidung der Anwendung der Zinsschranke, da der Organkreis als ein Betrieb für Zinsschrankenzwecke gilt (vgl. Rz. 66 ff.), – Vermeidung mehrfacher gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen in mehrstufigen Strukturen, – Vermeidung von verdeckten Gewinnausschüttungen aufgrund der Qualifikation als Gewinnabführung (vgl. Rz. 69).

1 Vgl. zB Prinz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 1.3. 2 Vgl. zB BFH v. 22.4.1998 – I R 109/97, BStBl. II 1998, 748. 3 Vgl. BFH v. 22.4.1998 – I R 109/97, BStBl. II 1998, 748; Prinz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 1.6, 1.24, 1.41. 4 Vgl. BFH v. 22.4.1998 – I R 109/97, BStBl. II 1998, 748. 5 Vgl. zu einer Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen der ertragsteuerlichen Organschaft ebenfalls Prinz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 1.59 f.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 8 | Organschaft 8

Als zentrale Nachteile einer ertragsteuerlichen Organschaft sind allerdings zu berücksichtigen: – Vororganschaftliche Verlustvorträge der Organgesellschaft(en) bleiben für die Dauer der Organschaft eingefroren und damit nicht nutzbar (vgl. Rz. 63 ff.), – Verpflichtung zur Verlustübernahme mit entsprechender Haftungsbündelung auf Ebene des Organträgers, – Ausfallhaftung des Organträgers für die Organgesellschaft gem. § 73 AO, – aufgrund erzwungener Gewinnabführung ist keine gezielte Ausschüttungspolitik auf Organgesellschaftsebene mehr möglich, – wegen der fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit des Gewinnabführungsvertrags wird die unternehmerische Flexibilität eingeschränkt.

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Weiterhin ist die Steuerbelastung auf Ebene des Organträgers zu berücksichtigen. Da auch Personengesellschaften Organträger sein können, werden Gewinne, die auf Ebene der Organgesellschaft im Mantel einer Kapitalgesellschaft erzielt wurden, in diesem Fall grundsätzlich mit Einkommensteuer und nicht mit Körperschaftsteuer besteuert. 3. Rechtsentwicklung

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Die körperschaftsteuerliche Organschaft wurde erstmalig 1969 im damaligen § 7a KStG gesetzlich kodifiziert, war aber bereits vorher durch die Rspr. des RFH und des BFH entwickelt worden; die gewerbesteuerliche Organschaft wurde hingegen bereits im Jahre 1936 in Gesetzesform gegossen.1 Folgende wesentliche Änderungen und Anpassungen haben die ertragsteuerlichen Organschaftsregelungen seither erfahren: – Steuerreform 1977: Übernahme der Organschaftsregelungen in die §§ 14–19 KStG, – Steuersenkungsgesetz 2000:2 Aufgabe der Tatbestandsmerkmale der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung, – Gesetz zur Fortentwicklung der Unternehmensteuerrechts 2001:3 Angleichung der Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Organschaft an diejenigen der körperschaftsteuerlichen Organschaft, – Steuervergünstigungsabbaugesetz 2003:4 Abschaffung der Mehrmütterorganschaft und zusätzliche Anforderungen an Personengesellschaften als Organträger (Gewerblichkeit, Beteiligung an der Organgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen nicht mehr ausreichend), – EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz 2004:5 Einführung von Sonderregelungen für vororganschaftliche Minder- und Mehrabführungen (§ 14 Abs. 3 KStG), – JStG 2008:6 Einführung von Sonderregelungen für innerorganschaftliche Minder- und Mehrabführungen (§ 14 Abs. 4 KStG), – Kleine Organschaftsreform 2013:7 Neben einer Internationalisierung der persönlichen Anforderung an Organträger und Organgesellschaft mit einhergehenden Missbrauchsvermeidungsvorschriften wurden insbes. die formalen Anforderungen an die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags entschärft; zudem Einfügung eines gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahrens für das dem Organträger zuzurechnende Einkommen und damit zusammenhängende Besteuerungsgrundlagen (§ 14 Abs. 5 KStG), – Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen 2016:8 Anpassung der Vorschriften zur Ermittlung des Gewerbeertrags bei Organgesellschaften (§ 7a GewStG).

III. Umsatzsteuerliche Organschaft 11

Voraussetzung zur Erlangung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft ist, dass eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausgeübt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Eine gewerbliche oder beruf1 Vgl. hierzu und zur Rechtsentwicklung der ertragsteuerlichen Organschaft: Prinz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 1.21 ff. 2 Vgl. Gesetz v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. 3 Vgl. Gesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. 4 Vgl. Gesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 5 Vgl. Gesetz v. 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3310. 6 Vgl. Gesetz v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 7 Vgl. Gesetz v. 20.2.2013, BGBl. I 2013, 285. 8 Vgl. Gesetz v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Rz. 16 Anh. 1 §§ 238–263

liche Tätigkeit wird allerdings dann nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingeglidert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, umsatzsteuerliche Organschaft). Die finanziellen Eingliederungsvoraussetzungen entsprechen grundsätzlich denjenigen der ertragsteuer- 12 lichen Organschaft (vgl. Rz. 21 ff.). Wirtschaftliche Eingliederung ist dann zu bejahen, wenn zwischen dem Unternehmen der Organgesellschaft und dem Organträger ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht und sich deren Tätigkeiten fördern und ergänzen.1 Das Tatbestandsmerkmal der organisatorischen Eingliederung wird insbes. bei personeller Verflechtung (zB Personalidentität von Geschäftsführungsorganen, ggf. auch leitenden Mitarbeitern, bei Organträger und Organgesellschaft) als erfüllt angesehen; aber auch sonstige Maßnahmen der Einflussnahme (etwa durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags oder mittels Geschäftführerordnungen) deuten auf organisatorische Eingliederung hin.2 Im Gegensatz zur ertragsteuerlichen Organschaft erfordert die umsatzsteuerliche Organschaft nicht den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags, vielmehr wird hier stärker auf den faktischen Zustand abgestellt.

IV. Grunderwerbsteuerliche Organschaft Gem. § 1 Abs. 3 GrEStG wird auch dann Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn unmittelbar oder mittelbar 13 mindestens 95 % einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen oder ausschließlich abhängigen Unternehmen oder Personen vereinigt werden. In diesem Sinne gelten juristische Personen dann als abhängig, wenn diese nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in ein Unternehmen eingeglidert sind (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG). Ein solches Abhängigkeitsverhältnis wird als grunderwerbsteuerliche Organschaft bezeichnet.3 Wenngleich die grunderwerbsteuerlichen Organschaftskritierien zumindest an diejenigen der umsatzsteu- 14 erlichen Organschaft angelehnt sind, bestehen für die grunderwerbsteuerliche Organschaft doch deutliche Unterschiede zur ertrag- und umsatzsteuerlichen Organschaft. Insbes. fingiert die grunderwerbsteuerliche Organschaft lediglich das Tatbestandsmerkmal der Anteilsvereinigung in einer Hand, sofern die 95%Grenze erreicht ist. Die Steuerschuldnerschaft erfährt durch die grunderwerbsteuerliche Organschaft keine Änderung. Im Gegensatz zur umsatz- und ertragsteuerlichen Organschaft ist die grunderwerbsteuerliche Organschaft üblicherweise nicht vom Steuerpflichtigen gewünscht, da sie generell keine Vorteile bietet; uU ist ihre Vermeidung Zielsetzung von Steuerplanungsmaßnahmen. Die Vorschrift ist daher auch als Missbrauchsvermeidungsnorm zu sehen. Zudem ist die Prüfung der Voraussetzungen der grunderwerbsteuerlichen Organschaft nicht auf inländische Rechtsträger begrenzt.

B. Tatbestandsvoraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft I. Persönliche Voraussetzungen von Organträger und Organgesellschaft und erforderlicher Inlandsbezug beim Organträger 1. Organgesellschaft Als Organgesellschaft kommt gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG eine europäische Gesellschaft (SE), eine Akti- 15 engesellschaft (AG) oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) in Frage. Zudem kann auch eine andere Kapitalgesellschaft (insbes. GmbH) Organgesellschaft sein, wenn diese (i) ihren ganzen Gewinn an den Organträger abführt, (ii) die Gewinnabführung den Höchstbetrag gem. § 301 AktG nicht überschreitet und (iii) ein dynamischer Verweis auf § 302 AktG im Hinblick auf die Verlustübernahme erfolgt (§ 17 Abs. 1 KStG). Personengesellschaften können nicht Organgesellschaft sein. Die Organgesellschaft muss ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland haben; der Sitz (§ 11 AO) muss in 16 einem Mitgliedstaat der EU bzw. einem Vertragsstaat des EWR liegen (§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG). Bis zur Kleinen Organschaftsreform 2013 (vgl. Rz. 10) war für die Organgesellschaft ein doppelter Inlandsbezug, dh. sowohl Sitz als auch Geschäftsleitung im Inland, erforderlich. Nach lang anhaltender Kritik im Schrifttum und der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische 1 Vgl. im Einzelnen Treiber in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 22.53 ff. 2 Vgl. im Einzelnen Treiber in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 22.62 f., 22.65. 3 Vgl. im Einzelnen zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft Schober in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Kap. 23.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 17 | Organschaft Kommission1 reagierte das BMF schließlich mit einem Schreiben vom 28.3.2011, wonach auch eine im EU-/EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland als Organgesellschaft in Frage kam.2 In Gesetz gegossen wurde diese Regelung allerdings erst im Rahmen der Kleinen Organschaftsreform 2013. 2. Organträger 17

Der Organträger kann eine natürliche Person oder eine nicht von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG).3 Eine Personengesellschaft kann dann Organträger sein, wenn sie selbst originär gewerblich tätig ist, dh. eine Mitunternehmerschaft darstellt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG). Damit kann eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) kein Organträger sein. Laut Auffassung der Finanzverwaltung gilt dies ebenfalls für gewerblich infizierte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG);4 gleichwohl wird diese Auffassung in der Literatur kritisch gesehen, da eine gewerblich infizierte Personengesellschaft zumindest in einem geringen Umfang eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausübt.5

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Ein Personengesellschafts-Organträger muss die Beteiligung an der Organgesellschaft selbst halten (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG), dh. im Gesamthandsvermögen; das Halten der Beteiligung im Sonderbetriebsvermögen ist nicht ausreichend und berechtigt daher nicht zur Begründung einer Organschaft.6

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Der Organträger muss nach aktueller Rechtslage weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben; damit kommen sowohl unbeschränkt als auch beschränkt steuerpflichtige natürliche und juristische Personen als Organträger in Frage. Diese Regelung im Hinblick auf die Ansässigkeitserfordernisse für den Organträger besteht erst seit der Kleinen Organschaftsreform 2013 (vgl. Rz. 10) und wurde aufgrund der seinerzeitigen BFH-Rspr. erforderlich, nachdem der BFH mit Urteil vom 9.2.20117 mit Hinweis auf das doppelbesteuerungsrechtliche Diskriminierungsverbot einen Organträger mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland entgegen dem damaligen Gesetzeswortlaut anerkannte.8

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Der Gesetzgeber hat in diesem Zuge allerdings entsprechend geregelt, dass die Beteiligung an der Organgesellschaft während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers zuzurechnen sein muss (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG). Damit ist zumindest eine beschränkte Steuerpflicht des Organträgers im Inland erforderlich.9 Das Einkommen der inländischen Betriebsstätte muss hierzu sowohl nach innerstaatlichen als auch nach abkommensrechtlichen Grundsätzen der inländischen Besteuerung unterliegen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG).

II. Finanzielle Eingliederung 1. Stimmrechtsmehrheit 21

Zentrale Tatbestandsvoraussetzung der ertragsteuerlichen Organschaft ist die finanzielle Eingliederung. Hierzu muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Hierbei sind auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewährt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG, vgl. auch Rz. 27 ff.).

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Zur Erlangung der Mehrheit der Stimmrechte genügt im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit (50 % + 1). Die Stimmrechtsmehrheit kann in bestimmten Konstellationen auch bei einer kapitalmäßig unter 50 % liegenden Anteilsquote erreicht werden, zB wenn stimmrechtslose Anteile, Anteile mit Mehrfachstimm1 Vgl. Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4909. 2 Vgl. BMF v. 28.3.2011 – IV C 2 - S 2770/09/10001 – DOK 2011/0250044, BStBl. I 2011, 300. Vgl. zu Zweifelsfragen hierzu Kolbe, StuB 2011, 495 ff. 3 Sachliche Steuerbefreiungen (zB aufgrund eines DBA) sind jedoch für die Organträgerstellung unschädlich; vielmehr schließt die Vorschrift Rechtsträger mit persönlicher Steuerbefreiung (zB § 5 Abs. 1 KStG) von der Möglichkeit, Organträger zu sein, aus, vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 173. 4 Vgl. BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. I 2005, 1038 Rz. 17. 5 Vgl. zur Kritik Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 186 mwN. 6 Vgl. R 14.3 Satz 5 KStR 2015; im Einzelnen zB Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 217 f. 7 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 8 Vgl. im Einzelnen hierzu Schade/Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 27.10 f. 9 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 170, 174.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Rz. 28 Anh. 1 §§ 238–263

recht oder eigene Anteile der Organgesellschaft1 vorhanden sind.2 Insoweit es für die Beschlussfassung auch in allgemeinen Fragen (dh. nicht nur für außergewöhnliche Geschäfte) auf Ebene der Organgesellschaft gem. dem Gesellschaftsvertrag einer bestimmten über 50 % liegenden Stimmrechtsmehrheit bedarf (qualifizierte Stimmrechtsmehrheit), dürfte diese qualifizierte Stimmrechtsmehrheit auch zur Herstellung der finanziellen Eingliderung notwendig sein.3 Im Sinne der finanziellen Eingliederung ist ein Organträger an einer Organgesellschaft beteiligt, wenn ihm 23 die Anteile einschließlich der Stimmrechte steuerrechtlich zuzurechnen sind.4 Bzgl. der Zurechnung der Anteile ist auf das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) abzustellen.5 2. Ununterbrochene Beteiligung vom Beginn des Wirtschaftsjahrs an Die finanzielle Eingliderung muss vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft an ununterbro- 24 chen während des gesamten Wirtschaftsjahrs gegeben sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Ein Rumpfwirtschaftsjahr gilt ebenfalls als Wirtschaftsjahr, für das die oben genannte Voraussetzung erfüllt sein muss.6 Im Fall des unterjährigen Erwerbs der Organgesellschaft besteht die finanzielle Eingliederung daher 25 grundsätzlich erst ab dem Folgewirtschaftsjahr. Gleichwohl ist es in diesen Fällen möglich, durch Begründung eines Rumpfwirtschaftsjahrs mit Umstellung des Wirtschaftsjahrs auf den Zeitpunkt der Anteilsübertragung, das Organschaftsverhältnis bereits im Erwerbszeitpunkt zu begründen.7 Zwar ist zur Umstellung des Wirtschaftsjahrs gem. § 7 Abs. 4 Satz 3 KStG grundsätzlich die Zustimmung des Finanzamts einzuholen; diese Zustimmung ist in den Fällen der Begründung (oder Beendigung) der Organschaft aber zu erteilen.8 Damit kann auch bei unterjähriger Veräußerung der Organbeteiligung durch Bildung eines Rumpfwirt- 26 schaftsjahrs eine nahtlose Beendigung der Organschaft erreicht werden.9 Ohne Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahrs würde bei unterjähriger Veräußerung die Organschaft ansonsten zum Ende des vorhergehenden Wirtschaftsjahrs enden. 3. Mittelbare Beteiligung Gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG sind auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen, wenn 27 die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewährt. Die vermittelnde Gesellschaft selbst muss nicht Organgesellschaft sein; diese kann daher bspw. auch eine Personengesellschaft oder eine ausländische Gesellschaft sein.10 Erforderlich ist allerdings eine Nachordnung, dh. zwischen Schwestergesellschaften kann keine Organschaft begründet werden.11 Liegen mittelbare Beteiligungen mit einer Stimmrechtsquote von weniger als 100% vor, so ist nach Auffas- 28 sung der Finanzverwaltung die sog. Durchrechnungsmethode anzuwenden.12 Hiernach sind die jeweiligen Stimmrechtsquoten miteinander zu multiplizieren. Beispiel: Der Organträger M ist zu 70 % an der T-GmbH und zu 30 % an der E-GmbH beteiligt. Die T-GmbH hält weitere 25 % der Anteile an der E-GmbH. Die Kapitalanteile entsprechen der Stimmrechtsquote. Nach der Durchrechnungsmethode ist M zu 47,5 % (30 % unmittelbar und 17,5 % mittelbar [25 % × 70 %]) an der E-GmbH beteiligt, womit die finanzielle Eingliederung nicht vorliegt.

1 Eigene Anteile sind bei der Ermittlung der Stimmrechtsmehrheit generell nicht zu berücksichtigen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 AktG). 2 Vgl. Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.4. 3 Vgl. Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.5 f. Vgl. ebd. auch zur Situation, wenn nur für bestimmte Geschäfte eine qualifizierte Stimmrechtsmehrheit benötigt wird. 4 Vgl. R 14.2 Satz 1 KStR 2015. 5 Vgl. Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.11; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/ Neumann, KStG, § 14 Rz. 196. 6 Vgl. R 14.4 Abs. 1 Satz 3 KStR 2015. 7 Vgl. im Einzelnen: Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 203. 8 Vgl. R 14.4 Abs. 3 Satz 1 KStR 2015. 9 Vgl. im Einzelnen: Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 204. 10 Vgl. zB Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 207. 11 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 191; Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.12. 12 Vgl. R 14.2 Bsp. 3 KStR 2015.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 29 | Organschaft Nach der von weiten Teilen der Literatur1 bevorzugten Additionsmethode ist es ausreichend, wenn auf jeder Stufe eine Stimmrechtsmehrheit besteht. Hiernach wäre in obigem Beispiel mit einer Quote von 55 % (30 % unmittelbar, 25 % mittelbar) das Vorliegen der finanziellen Eingliederung zu bejahen. Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass die letzte in der Beteiligungsstufe an der potenziellen Organgesellschaft beteiligte Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte hält (im Beispiel kann die Beteiligung der T-GmbH and der E-GmbH damit unter 50 % + 1 liegen, da insoweit mittelbare und unmittelbare Beteiligungen zusammengerechnet werden).2

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Bei der mittelbaren Organschaft verzichtet die mittelbare Gesellschaft auf ihren Gewinnanspruch.3 Auf Basis des Gewinnabführungsvertrags geht die handelsrechtliche Gewinnabführung und die steuerliche Einkommenszurechnung um die vermittelnde Gesellschaft herum.4 Da diese Konstellation sowohl gesellschaftsrechtlich als auch steuerrechtlich ausdrücklich zulässig ist, ist der überwiegenden Meinung im Schrifttum darin zuzustimmen, dass durch diese Situation keine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) bei der Organgesellschaft begründet wird und der Organträger auch keine solche empfängt.5

III. Gewinnabführungsvertrag 1. Allgemeines 30

Eine wirksame ertragsteuerliche Organschaft erfordert einen Gewinnabführungsvertrag, der über mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner Geltungsdauer auch tatsächlich durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). 2. Umfang der Gewinnabführung

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Der Gewinnabführungsvertrag stellt einen Unternehmensvertrag dar und ist in §§ 291 ff. AktG geregelt. Zentrale Komponenten des Gewinnabführungsvertrags sind, dass das beherrschte Unternehmen seinen ganzen Gewinn (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG) an das herrschende Unternehmen abführen muss bzw. im Verlustfall das herrschende Unternehmen den Jahresfehlbetrag ausgleichen muss (Verlustübernahmeverpflichtung, § 302 AktG). Wenn das beherrschte Unternehmen eine GmbH ist, muss, da das Aktiengesetz nicht unmittelbar anwendbar ist, der Gewinnabführungsvertrag zum einen einen dynamischen Verweis auf die Verlustübernahmeklausel des § 302 AktG enthalten, zum anderen aber auch beinhalten, dass der Höchstbetrag der Gewinnabführung – wie in § 301 AktG definiert – nicht überschritten wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 KStG).

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Für die Formulierung eines solchen dynamischen Verweises wird eine schlichte Formulierung empfohlen: „Für die Verlustübernahme gelten die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung.“6. Es ist eher davon abzuraten, neben dem oben dargestellten dynamischen Verweis noch einzelne Inhalte des § 302 AktG im Gewinnabführungsvertrag wiederzugeben.7

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Als Höchstbetrag der Gewinnabführung gilt gem. § 301 AktG der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag des Vorjahres, den Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, und den nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag. Ein nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrter Betrag ergibt sich insbes., wenn das Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB (vgl. § 248 HGB Rz. 38) ausgeübt wird und insoweit ein Gewinn in der Handelsbilanz ausgewiesen wird, der ohne die Ausübung des Aktvierungswahlrechts nicht entstanden wäre bzw. entsprechend geringer wäre.8 Weiterhin können sich ausschüttungsgesperrte Beträge nach § 268 Abs. 8 HGB er-

1 Vgl. zB Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 267, 277 (Stand Aug. 2016); Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 213; Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.36; aA Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 139. 2 Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 143; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 216. 3 Vgl. Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.42. 4 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 210. 5 Vgl. Beinert/Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 12.42; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/ Neumann, KStG, § 14 Rz. 210. 6 Vgl. Beinert/Nees in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 3.36. 7 Vgl. Rödder, Ubg. 2012, 717 (719). 8 Effekte aufgrund der diesbezüglichen Bildung passiver latenter Steuern sind insoweit zu berücksichtigen und gegenzurechnen.

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B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Rz. 36 Anh. 1 §§ 238–263

geben im Zusammenhang mit Altervorsogeverpflichtungen sowie bei einem Überhang aktiver über passive latente Steuern. Kürzlich wurde darüber hinaus eine Änderung der handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen für 34 Altersvorsorgeverpflichtungen beschlossen. Nach dem angepassten § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für Altersvorsorgeverpflichtungen nunmehr mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangegen zehn Jahre abzuzinsen. Bisher war der durchschnittliche Marktzinssatz der vergangegen sieben Jahre heranzuziehen. Nach § 253 Abs. 6 Satz 1 HGB ist der Unterschiedsbetrag zwischen der Abzinsung mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der letzten zehn Jahre und demjenigen bei Abzinsung für die letzten sieben Jahre jährlich zu ermitteln. Insoweit der Unterschiedbetrag zu einem Gewinn führt, ist dieser ausschüttungsgesperrt (§ 253 Abs. 6 Satz 2 HGB). Gleichwohl wurde der Wortlaut des § 301 AktG nicht analog angepasst, so dass dem Wortlaut nach in Organschaftsfällen zwar eine Ausschüttungs-, allerdings keine Abführungssperre besteht. Dass dem so sein soll, dh. dass die nach § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB ausschüttungsgesperrten Beträge nicht abführungsgesperrt sind, hat die Finanzverwaltung inzwischen mit BMF-Schreiben bestätigt.1 Die entsprechenden Beträge sind hiernach also grundsätzlich an den Organträger abzuführen. Dies sollte jedoch nur insoweit gelten, als der ausschüttungsgesperrte Gewinn nach § 253 Abs. 6 HGB nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG in eine nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung gebildete Gewinnrücklage (vgl. hierzu Rz. 35) eingestellt werden kann.2 Neben der gesetzlichen Rücklage, die gem. § 301 AktG zwingend auch innerhalb der Organschaft zu bil- 35 den ist, erlaubt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG auch die Bildung von Gewinnrücklagen in organschaftlicher Zeit. Handelsrechtlich bestehen für deren Bildung ohnehin keine organschaftsspezifischen Restriktionen. Aus steuerlicher Sicht ist die Bildung von Gewinnrücklagen in organschaftlicher Zeit allerdings nur insoweit zulässig, als dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist; dh. es muss ein konkreter wirtschaftlicher Anlass für deren Bildung gegeben sein, zB eine geplante Betriebsverlegung, eine Werkserweiterung oder eine Kapazitätsausweitung.3 Hierunter dürften auch geplante Akquisitionen oder Einlagen in Tochtergesellschaften zu subsumieren sein.4 § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG ist auf die Bildung von Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB nicht anwendbar, da diese nicht die Höhe der Gewinnabführung beeinflussen.5 Die Bildung von Rücklagen hat keinen Einfluss auf die Höhe der organschaftlichen Einkommenszurechnung. Aus § 301 AktG folgt, dass im Hinblick auf in vororganschaftlicher Zeit gebildete Gewinnrücklagen 36 (§ 272 Abs. 3 HGB) sowie Kapialrücklagen (§ 272 Abs. 2 HGB) keine Abführung unter einem Gewinnabführungsvertrag möglich ist. Vororganschaftlich gebildete Gewinn- bzw. Kapitalrücklagen können daher in der Organschaftszeit ausgeschüttet, nicht aber im Rahmen des Gewinnabführungsvertrags abgeführt werden.6 Für die Ausschüttung oder Auskehrung gelten dann die allgemeinen Grundsätze, dh. insbes. ist § 14 KStG nicht anzuwenden.7 Auch Beträge aus einer in organschaftlicher Zeit gebildeten Kapitalrücklage iSv. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB können nur ausgeschüttet bzw. ausgekehrt werden werden; eine Abführung unter dem Gewinnabführungsvertrag wäre organschaftsschädlich.8 Gewinnrücklagen, die während der Organschaftszeit zulässigerweise gebildet wurden, dürfen dagegen nur an den Organträger abgeführt, nicht ausgeschüttet werden.9

1 2 3 4 5 6

7 8 9

Vgl. BMF v. 23.12.2016 – IV C 2 - S 2770/16/10002 – DOK 2016/1157209, BStBl. I 2017, 41. Vgl. Hageböke/Hennrichs, DB 2017, 18 (26). Vgl. R 14.5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStR 2015. Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 420 mit weiteren anzuerkennenden Gründen. Vgl. R 14.5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStR 2015. Vgl. R 14.5 Abs. 4 KStR 2015; Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 313; Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz. 665, 666 (Stand Nov. 2016). Gem. § 301 AktG ist zivilrechtlich eine Abführung vorvertraglicher Rücklagen unzulässig. Dies gilt über § 17 Abs. 2 Nr. 1 KStG auch für die Organgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, vgl. Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz. 665 (Stand Nov. 2016). Vgl. R 14.5 Abs. 4 Satz 5 KStR 2015. Für die Auskehrung einer Kapitalrücklage ist ggf. die Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu beachten, dh. eine Auskehrung aus dem steuerlichen Einlagekonto (Einlagenrückgewähr) wäre steuerfrei möglich. Vgl. BFH v. 8.8.2001 – I R 25/00, BStBl. II 2003, 923; Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 315; Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz. 664 (Stand Nov. 2016); Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 400, 412 (Stand Aug. 2016); Bünning/Stoll, BB 2016, 555 (559). Vgl. § 301 Abs. 2 AktG (ggf. iVm. § 17 Abs. 2 Nr. 1 KStG); BFH v. 8.8.2001 – I R 25/00, BStBl. II 2003, 923; Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 313; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 400, 411 (Stand Aug. 2016).

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 37 | Organschaft 3. Mindestlaufzeit fünf Jahre 37

Die fünfjährige Mindestlaufzeit ist eine rein steuerrechtliche Anforderung und besteht im Zivilrecht nicht. Mit fünf Jahren sind fünf Zeitjahre, dh. 60 Monate gemeint.1 Fünf Wirtschaftsjahre, bei denen zB. eines ein Rumpfwirtschaftsjahr darstellt, das kürzer als 12 Monate ist, wären daher nicht ausreichend. Die Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren muss ernsthaft im Gewinnabführungsvertrag vereinbart sein. Wenn der Vertrag zwar die Mindestvertragslaufzeit enthält, aber schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses deren Einhaltung nicht ernsthaft gewollt war, ist die Mindestvertragslaufzeit nicht anzuerkennen.2

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Der Zeitraum zur Berechnung der Mindestvertragslaufzeit beginnt mit dem Anfang des Wirtschaftsjahrs, für das die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG erstmals eintreten.3 Die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG treten dabei grundsätzlich erstmals in dem Wirtschaftsjahr ein, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG). Bei einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr und Eintragung des Gewinnabführungsvertrags im Handelsregister bis zum 31.12 des jeweiligen Jahres beginnt die Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags damit zum 1.1. des jeweiligen Jahres. 4. Tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags

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Ob ein Gewinnabführungsvertrag tatsächlich durchgeführt wurde, richtet sich danach, ob die vertraglichen Vereinbarungen tatsächlichen vollzogen werden und die nach den GoB ermittelten Gewinne tatsächlich an den Organträger abgeführt wurden bzw. Verluste tatsächlich ausgeglichen wurden.4 Dh. zunächst, dass eine schlichte Bilanzierung von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten im Hinblick auf die Gewinnabführung bzw. den Verlustausgleich nicht ausreichend ist, sondern – aus praktischer Sicht der Risikovermeidung auch zeitnah5 – eine tatsächliche Erfüllung der Ansprüche erfolgen sollte.6 Die Erfüllung muss nicht zwangsweise in einem Geldfluss bestehen, sondern kann bspw. auch durch Aufrechnung oder Novation erfolgen.7

40

Der Anspruch auf Gewinnabführung bzw. Verlustausgleich entsteht zum Bilanzstichtag der Organgesellschaft. Die Verpflichtung zum Verlustausgleich bzw. zur Gewinnabführung besteht bei unterjähriger Beendigung des Gewinnabführungsvertrags grds. bis zum unterjährigen Beendigungszeitpunkt fort.8

41

Gilt der Gewinnabführungsvertrag aufgrund fehlerhafter Bilanzansätze in der Handelsbilanz gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG als nicht durchgeführt, so können diese unter bestimmten Voraussetzungen geheilt werden und der Gewinnabführungsvertrag gilt dann dennoch als durchgeführt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG, Durchführungsfiktion). Hierzu ist es erforderlich, dass – der Jahresabschluss der Organgesellschaft wirksam festgestellt ist (Rz. 44), – die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen (Rz. 45) und – ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz zu korrigieren ist (Rz. 46).

42

Von der Durchführungsfiktion sind nur Fehler in der Bilanzierung im Jahresabschluss der Organgesellschaft erfasst.9 Die Frage, ob ein Bilanzierungsfehler vorliegt, ist ausschließlich anhand handelsrechtlicher Maßstäbe zu beurteilen, womit ein Bilanzierungsfehler insbes. auch wesentlich sein muss.10 Ein fehlerhafter Bilanzansatz besteht danach insbes. bei Verstößen gegen GoB bzw. handelsrechtliche Ansatz- und Be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 12.1.2011 – I R 3/10, BStBl. II 2011, 727; R 14.5 Abs. 2 Satz 1 KStR 2015. Vgl. BFH v. 13.11.2013 – I R 45/12, BStBl. II 2014, 486. Vgl. R 14.5 Abs. 2 Satz 2 KStR 2015. Vgl. zB BFH v. 21.10.2010 – IV R 21/07, BStBl. II 2014, 481, Rz. 36 f. Gleichwohl gibt es hierfür keine gesetzliche Grundlage, vgl. Beinert/Nees in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 3.54. Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 317, 321. Vgl. Beinert/Nees in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 3.56; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/ Neumann, KStG, § 14 Rz. 319. Vgl. im Einzelnen Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 323. Vgl. zB Stangl/Brühl, DK 2013, 77 (86). Vgl. im Einzelnen zu handelsrechtlichen Bilanzierungsfehlern und ihren Auswirkungen auf die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags: Forst/Suchanek/Klopsch, GmbHR 2013, 914 ff. Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 333; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 14 Rz. 445f (Stand Nov. 2015).

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B. Tatbestandsvoraussetzungen

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Rz. 46 Anh. 1 §§ 238–263

wertungs- oder Ausweisvorschriften. Es kommt auf die Bilanzansätze an, die für die Bestimmung der Abführungs- bzw. Verlustausgleichsverpflichtung (dh. bspw. auch ein vergessener Verlustausgleich, Gesetzesverstöße bei der Bildung von gesetzlichen Rücklagen oder die Nichtbeachtung von Abführungssperren) maßgeblich sind; auf Angaben in Anhang und Lagebericht kommt es hingegen nicht an.1 Kein Bilanzierungsfehler iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG dürfte dagegen bei formellen Mängeln 43 des Gewinnabführungsvertrags, der Vereinbarung und Durchführung von Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter oder bei der Erfüllung von Gewinnabführungs- bzw. Verlustübernahmeverpflichtungen bestehen.2 Da der Bildung von Gewinnrücklagen aus handelsrechtlicher Sicht keine Schranken auferlegt sind und sich eine Begrenzung des Umfangs der Bildung von Gewinnrücklagen aus der Spezialvorschrift in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG ergibt (vgl. Rz. 35), sollte in diesem Zusammenhang grundsätzlich ebenfalls kein handelsrechtlicher Bilanzierungsfehler gegeben sein.3 Fehler einer Handelsbilanz, die nicht in fehlerhaften Bilanzansätzen bestehen, können nicht durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 4 ff. KStG geheilt werden.4 Bei einer GmbH als Organgesellschaft ist der Jahresabschluss grundsätzlich durch Gesellschafterbeschluss 44 (§ 42a Abs. 2 Satz 1, § 46 Nr. 1 GmbHG), bei einer AG als Organgesellschaft durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats – alternativ durch Hauptversammlungsbeschluss – (§ 172 Satz 1 AktG), innerhalb der vorgegebenen gesetzlichen Fristen festzustellen. Eine wirksame Feststellung des Jahresabschlusses erfordert im Allgemeinen, dass keine Formfehler bei der Feststellung oder sonstige Nichtigkeitsgründe vorliegen. Die Fehlerhaftigkeit eines Jahresabschlusses hätte bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns insbes. nicht erkannt werden müssen, wenn ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk (§ 322 Abs. 3 HGB) eines Wirtschaftsprüfers zu einem HGB-Jahres- oder -Konzernabschluss, in den der Jahresabschluss einbezogen ist, vorliegt, im Rahmen einer freiwilligen Prüfung des Jahresabschlusses erteilt wurde oder im Rahmen einer freiwilligen Prüfung des Jahresabschlusses eine Bescheinigung durch einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater ausgestellt wurde (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStG). Die letztgenannte Bescheinigung bei freiwilliger Prüfung von nicht prüfungspflichtigen Unternehmen richtet sich nach den Vorgaben des IDW S 7 bzw. der Bundessteuerberaterkammer.5

45

Bei von der Finanzverwaltung erkannten Fehlern ist eine Korrektur zum nächstmöglichen Zeitpunkt 46 vorzunehmen. Üblicherweise wird die Finanzverwaltung ihre erkannten Fehler im Betriebsprüfungsbericht darstellen,6 weswegen dessen Ergehen als relevanter Zeitpunkt für die Beanstandung angesehen wird.7 Zu beachten ist, dass eine Pflicht zur Fehlerkorrektur selbstverständlich nicht nur bei von der Finanzverwaltung entdeckten Fehlern besteht, sondern ebenfalls bei vom Steuerpflichtigen selbst erkannten Fehlern.8 Die Korrekturpflicht erfordert, dass eine Korrektur in der Handelsbilanz zwingend vorzunehmen ist; soweit eine Fehlerkorrektur in der Handelsbilanz unterbleiben kann, sollte auch für Zwecke der korrekten Durchführung des Gewinnabführungsvertrags keine Korrektur verlangt werden können.9

1 Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 332; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 383. 2 Vgl. Rödder, Ubg. 2012, 717 (720). 3 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 384; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 481 (Stand Aug. 2016); Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 14 Rz. 445g (Stand Nov. 2015). 4 Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 332a. 5 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 417. 6 Die Finanzverwaltung hat ihre Willensbildung jedenfalls schriftlich zu dokumentieren, vgl. OFD Frankfurt/Main v. 30.5.2016 – S 2770A - 55 - St 51, DStR 2016, 1375; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG, Rz. 490 f. (Stand Aug. 2016). 7 Vgl. BT-Drucks. 17/11217, 7. Gleichwohl wird aus praktischer Sicht erwartet, dass Betriebsprüfer zukünftig seltener Bilanzierungsfehler beanstanden werden, die durch die Heilungsmöglichkeit des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 4 und 5 KStG geheilt werden können, da der Betriebsprüfer in seinem Betriebsprüfungsbereicht zunächst die Folgen einer nicht bestehenden Organschaft ziehen müsste, obwohl er bereits weiß, dass der Steuerpflichtige unmittelbar im Anschluss hieran die Heilungsmöglichkeit in Anspruch nimmt und die Organschaft folglich doch wirksam bleibt. Möglicherweise wird der Betriebsprüfer eventuell entdeckte Bilanzierungsfehler dem Steuerpflichtigen auch frühzeitig im Rahmen der Betriebsprüfung bekannt machen, damit der diese bis zum Abschluss der Betriebsprüfung beseitigen kann. Vgl. hierzu Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 493 (Stand Aug. 2016). 8 Vgl. zB Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 392. 9 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 407.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 47 | Organschaft 5. (Vorzeitige) Beendigung des Gewinnabführungsvertrags 47

Ein Gewinnabführungsvertrag kann grundsätzlich durch Aufhebung (§ 296 AktG), (außer)ordentliche Kündigung (§ 297 AktG) oder durch sonstige Gründe (zB Umwandlung, Auflösung nach Insolvenz, Beendigung durch Zeitablauf [Befristung] oder Vereinbarung einer auflösenden Bedingung) beendet werden.1 Vertragsänderungen (§ 295 AktG) beenden den Gewinnabführungsvertrag grundsätzlich nicht. Gleichwohl sollte aus steuerlicher Sicht vorsichtig mit Vertragsänderungen umgegangen werden, da Änderungen ja nach Umfang und Art der Änderung teilweise als Neuabschluss mit neuem Beginn der fünfjährigen Mindestlaufzeit und ggf. rückwirkender Nichtanerkennung der Organschaft bei Verletzung der FünfJahres-Frist ohne wichtigen Grund angesehen werden.2

48

Für steuerliche Zwecke wirkt die Kündigung oder Aufhebung eines Gewinnabführungsvertrags während des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft auf den Beginn des Wirtschaftsjahrs zurück (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG).

49

Ein Gewinnabführungsvertrag kann schriftlich zum Ende des Geschäftsjahrs oder eines vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden; eine rückwirkende Aufhebung ist hierbei nicht zulässig (§ 296 Abs. 1 AktG).3 Die ordentliche Kündigung erfolgt üblicherweise auf Basis eines im Gewinnabführungsvertrag festgeschriebenen Kündigungsrechts; gesetzlich ist dieser Fall nicht explizit geregelt.4

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Eine außerordentliche Kündigung ist nach § 297 Abs. 1 AktG ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund schriftlich möglich. Der gesellschaftsrechtliche Gesetzgeber definiert als wichtigen Grund eine Konstellation, in welcher der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht mehr in der Lage ist, seine aufgrund des Vertrags bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen (§ 297 Abs. 1 Satz 2 AktG). Daneben ist eine schwere Vertragsverletzung einer Vertragspartei gesellschaftsrechtlich bspw. als wichtiger Grund anerkannt.5

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In steuerlicher Hinsicht ist eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ebenfalls möglich und unschädlich für das bisherige Organschaftsverhältnis (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG). Gleichwohl ist hier ein spezifisch steuerliches Verständnis des wichtigen Grunds zugrunde zu legen. Liegt kein steuerlich anerkannter wichtiger Grund vor, so entfällt die Organschaft rückwirkend auf den Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft bzw. – wenn die Kündigung innerhalb der Fünf-Jahres-Frist erfolgt – komplett von Beginn an. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann ein anzuerkennender wichtiger Grund insbes. dann vorliegen, wenn die Organgesellschaft veräußert oder eingebracht wurde oder der Organträger oder die Organgesellschaft verschmolzen, gespalten oder liquidiert wurden.6 Auch bei Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse, bei denen die Fortführung des Gewinnabführungsvertrags nicht mehr zweckmäßig erscheint, wird ein wichtiger Grund anerkannt.7 Voraussetzung für das Vorliegen eines steuerlich wichtigen Grunds ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass nicht bereits vor Abschluss des Gewinnabführungsvertrags feststand, dass dieser innerhalb der ersten fünf Jahre beendet werden soll.8 6. Verhältnis von Gewinnabführungsvertrag und Verlustübernahmeverpflichtung nach § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB

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Gem. § 264 Abs. 3 HGB kann eine Kapitalgesellschaft, die in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in der EU oder dem EWR einbezogen ist, Erleichterungen im Hinblick auf die anzuwendenden speziellen Bilanzierungsvorschriften für Kapitalgesellschaften sowie im Hinblick auf Prüfungs- und Offenlegungspflichten erlangen (vgl. hierzu Er. zu § 264 HGB). Eine Voraussetzung hierfür ist, dass das Mutterunternehmen zur Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG oder nach dem für das Mutterunternehmen geltenden Recht verpflichtet ist oder eine solche Verpflichtung freiwillig übernommen hat 1 Vgl. hierzu im Einzelnen: Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 255 ff. 2 Vgl. im Einzelnen hierzu Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 339. 3 Vgl. auch Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 256. Vgl. zu Alternativen im Hinblick auf einen unterjährige Auflösung des Gewinnabführungsvertrags mit einer GmbH Walter, GmbHR 2015, 965 ff. 4 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 342; Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 258. 5 Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 262. Vgl. zu weiteren gesellschaftsrechtlich anerkannten wichtigen Gründen Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 350. 6 Vgl. R 14.5 Abs. 6 Satz 2 KStR 2015. Bei allein steuerlich motivierter Veräußerung verneint der BFH allerdings die Anerkennung eines wichtigen Grunds, vgl. BFH v. 13.11.2013 – I R 45/12, BStBl. II 2014, 486. 7 Vgl. Blumenberg/Hundeshagen in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 8.33; Rödder/Liekenbrock in Rödder/ Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 355. 8 Vgl. R 14.5 Abs. 6 Satz 3 KStR 2015.

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C. Rechtsfolgen

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Rz. 58 Anh. 1 §§ 238–263

und diese Erklärung nach § 325 HGB offengelegt worden ist (§ 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eine Verlustübernahmepflicht aus § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB zu einer Verlustübernahmepflicht in einem für organschaftliche Zwecke einzugehenden Gewinnabführungsvertrag steht. Inhalt und Rechtsfolgen einer freiwilligen Verlustübernahmeverpflichtung gem. § 264 Abs. 3 HGB sollten mit denjenigen einer Verlustübernahme aus einem Gewinnabführungsvertrag praktisch identisch sein, da in beiden Fällen ein Rekurs auf § 302 AktG erfolgt. Im Fall eines bestehenden Gewinnabführungsvertrags ist eine freiwillige Verlustübernahme nach § 264 Abs. 3 HGB damit obsolet, da sich bereits eine gesetzliche (§ 291 Abs. 1 Satz 1, 302 AktG) bzw. bei GmbH eine vertragliche (dynamischer Verweis auf § 302 AktG im Gewinnabführungsvertrag) Verlustübernahme ergibt.1

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Unklarheiten können sich allerdings bei mittelbaren Organschaftsverhältnissen ergeben, wenn der Organ- 54 träger, der zur Verlustübernahme auf Basis des Gewinnabführungsvertrags verpflichtet ist, nicht dem Mutterunternehmen entspricht, das eine freiwillige Verlustübernahme nach § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB erklärt hat. Die Organgesellschaft hätte dann zwei praktisch gleichwertige Verlustübernahmeansprüche. Aus steuerlicher Sicht wäre es in einer solchen Situation wichtig, dass eine eventuelle Verlustübernahme durch den Organträger und nicht durch das direkte Mutterunternehmen erfolgt, da anderenfalls der Gewinnabführungsvertrag ggf. als nicht durchgeführt betrachtet werden müsste.

C. Rechtsfolgen der ertragsteuerlichen Organschaft I. Grundsätze der Gewinnermittlung sowie der Einkommenszurechnung und -ermittlung Das Einkommen der Organgesellschaft ist dem Orgenträger für steuerliche Zwecke zuzurechnen (§ 14 55 Abs. 1 Satz 1 KStG). Die Zurechnung des Einkommens zum Organträger erfolgt erstmals für das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG). Die Organgesellschaft ermittelt ihr Einkommen auf Basis der handels- und steuerrechtlichen Vorgaben ei- 56 genständig. Auch die Verpflichtung zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses bleibt für in eine Organschaft eingebundene Gesellschaften grundsätzlich unberührt; Gleiches gilt auch für die mögliche Erstellung eines Konzernabschlusses.2 Rechnungslegungserleichterungen können sich allerdings aus § 264 Abs. 3 HGB ergeben (vgl. Rz. 52 ff. und die Erl. zu § 264 HGB). Aus dem Gewinnabführungsvertrag ergibt sich lediglich die Besonderheit, dass die Gewinnabführungsbzw. Verlustausgleichsverpflichtung als Forderung bzw. Verbindlichkeit in den jeweiligen Abschlüssen von Organträger und Organgesellschaft (jeweils mit umgekehrten Vorzeichen) abzubilden sind. Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahme und aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags sind in der GuV jeweils gesondert und mit entsprechender Bezeichnung auszuweisen (Sonderausweis, § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB). Da die Organgesellschaft grundsätzlich ihren ganzen Gewinn an den Organträger abführen muss, weist diese üblicherweise – vorbehaltlich von Rücklagenbildung und -auflösung sowie einer eventuellen Ausgleichszahlung an Minderheitsgesellschafter – einen Jahresüberschuss von Null aus.

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II. Bruttomethode Zentrale Rechtsfolge der ertragsteuerlichen Organschaft ist die Anwendung der sog. Bruttomethode im 58 Rahmen der steuerrechtlichen Einkommensermittlung. Hiernach sind § 8b Abs. 1–6 KStG auf Ebene der Organgesellschaft nicht anzuwenden, sondern erst auf Ebene des Organträgers, dh. die entsprechenden Einnahmen sind zu 100 % im Einkommen der Organgesellschaft enthalten und damit zusammenhängende Aufwendungen mindern dieses zu 100 % (ungeachtet § 3c Abs. 2 EStG).3 Erst auf Ebene des Organträgers kommt es dann zur Anwendung von § 8b Abs. 1–6 KStG, also ggf. zu einer im Ergebnis 95 %igen Freistellung der erfassten Einkünfte. In mehrstufigen Strukturen entsteht ohne Organschaft so auf jeder Ebene eine Besteuerung von 5 % der Gewinnausschüttungen oder Veräußerungsgewinne (Schachtelstrafe). Diese sich aufsummierenden Schachtelstrafen führen zu einem Kaskadeneffekt, der durch Begründung einer Organschaft vermieden werden kann. Gleichwohl wird der Organkreis auch in diesem Kontext nicht als wirtschaftlich einheitliches Unternehmen gesehen, da die 95 %-Steuerbefreiung für Gewinnausschüt1 Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 163. 2 Vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 1621. 3 Vgl. Kolbe in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 13.81.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 59 | Organschaft tungen gem. § 8b Abs. 4 KStG eine mindestens 10 %ige Beteiligung erfordert und Anteile, die von Organträger und Organgesellschaft jeweils gehalten werden, nicht zusammengerechnet werden (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).1 Ist der Organgträger eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person, kommt grundsätzlich das Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG) zur Anwendung; für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens spielt die Beteiligungshöhe keine Rolle.2 59

Die Bruttomethode gilt grunsätzlich auch für die Gewerbesteuer.3 Für Beteiligungserträge, die bis zum 31.12.2016 zugeflossen sind, waren § 9 Nr. 2a, Nr. 7 und Nr. 8 GewStG schon auf Ebene der Organgesellschaft anzuwenden. Durch die Bruttomethode des § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG war die Anwendung von § 8b Abs. 1–6 KStG allerdings suspendiert, wodurch die außerbilanzielle Hinzurechnung von 5 % der Beteiligungserträge als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (§ 9 Nr. 2a Satz 4, Nr. 7 Satz 3, Nr. 8 Satz 3 GewStG iVm. § 8b Abs. 5 KStG) ins Leere lief.4 Beteiligungserträge waren bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a, Nr. 7 oder Nr. 8 GewStG folglich nicht im zuzurechnenden Gewerbeertrag enthalten, was in Konsequenz bedeutete, dass auch auf Ebene des Organträgers keine außerbilanzielle Hinzurechnung von 5 % der Beteiligungserträge als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe mehr erfolgen konnte.5 Für Beteiligungserträge, die nach dem 31.12.2016 zufließen, ist die Vermeidung der 5 %igen Schachtelstrafe aufgrund des neu geschaffenen § 7a GewStG allerdings nicht mehr möglich. Nach § 7a Abs. 1 GewStG sind § 9 Nr. 2a, Nr. 7 und Nr. 8 GewStG auf Ebene der Organgesellschaft zunächst nicht anzuwenden. Sind aber Beteiligungserträge im Gewinn der Organgesellschaft enthalten, so sind § 9 Nr. 2a, Nr. 7, Nr. 8 GewStG iVm. § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2–4 KStG auf Ebene der Organgesellschaft anzuwenden (§ 7a Abs. 2 GewStG). § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG (und damit die Suspendierung von § 8b Abs. 1–6 KStG) gilt hier aber nicht für die Organgesellschaft, dh. im Ergebnis werden die Vorschriften des § 8b Abs. 1–6 KStG schon auf Ebene der Organgesellschaft angewendet;6 erst im Anschluss erfolgen ggf. Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG und Kürzung nach § 9 Nr. 2a, Nr. 7, Nr. 8 GewStG. Sind die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a, Nr. 7 oder Nr. 8 GewStG allerdings nicht erfüllt (zB Beteiligung unter 15 %), so erfolgt eine Zurechnung des vollen Beteiligungsertrags an den Organträger auch für gewerbesteuerliche Zwecke. Danach wird eine eventuelle körperschaftsteuerliche Freistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG durch § 8 Nr. 5 GewStG wieder rückgängig gemacht.7

60

Die Bruttomethode ist auch für Gewinnanteile aus ausländischen Beteiligungen anzuwenden, wenn diese nach einem DBA von der Besteuerung auszunehmen wären (§ 15 Satz 2 KStG).8 Diese Regelung ist deshalb erforderlich, weil die Organgesellschaft regelmäßig selbst abkommensberechtigt ist und damit die Steuerfreistellung auf Basis des DBA grundsätzlich unabhängig davon vorzunehmen wäre, ob § 8b KStG auf Ebene der Organgesellschaft Anwendung findet oder nicht.9 Im Ergebnis soll die Regelung verhindern, dass Gewinnanteile an Organträger steuerfrei durchgeschleust werden, obwohl der Organträger bei unmittelbarem Bezug die Steuerfreistellung nicht hätte in Anspruch nehmen können (zB weil der Organträger eine Personengesellschaft ist).10

III. Behandlung von Ausgleichszahlungen 61

Eine weitere Besonderheit der Einkommensermittlung auf Ebene der Organgesellschaft besteht dann, wenn an dieser Minderheitsgesellschafter beteiligt sind. In diesem Fall hat die Organgesellschaft 20/ 17 der an den Minderheitsgesellschafter geleisteten Ausgleichzahlungen selbst (und nicht der Organträger) als eigenes Einkommen zu versteuern (§ 16 KStG). Die Quote von 20/ 17 soll die Körperschaftsteuerbelastung auf die Ausgleichszahlung auf Ebene der Organgesellschaft berücksichtigen. 1 Der Ausschluss einer Zusammenrechnung wird einer Verbundbesteuerung nicht gerecht und ist mE nicht sachgerecht. 2 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 15 KStG Rz. 50 (Stand Jan. 2017). 3 Vgl. BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 Rz. 28; BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 97. 4 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 5 Vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 187a (Stand Nov. 2012); Pyszka/Nienhaus, DStR 2014, 1585; Rupp, NWB 2015, 3604. 6 Bei Personengesellschaften als Organträger: § 3 Nr. 40 EStG. 7 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 100. 8 Vgl. zur Diskussion, inwieweit hier ein treaty override anzunehmen ist, Schänzle/Birker, Ubg. 2014, 635 (641 f.). Der neu geschaffene § 7a GewStG gilt entsprechend auch in Fällen des § 15 Satz 2 KStG (§ 7a Abs. 3 GewStG). 9 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 86. 10 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 86; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 15 Rz. 71 f. (Stand Juli 2013).

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C. Rechtsfolgen

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Rz. 67 Anh. 1 §§ 238–263

Die Ausgleichszahlung stellt aufgrund ihrer Einstufung als Gewinnverwendung eine nicht abzugsfähige 62 Betriebsausgabe dar (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 9 EStG). Die Quote von 20/ 17 berücksichtigt nicht den Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer, so dass dieser zwar von der Organgesellschaft gezahlt werden muss und insoweit auch die Gewinnabführung an den Organträger verringert, nicht aber die Einkommenszurechnung zum Organträger beeinflusst.1 Beim Organträger stellt dieser Solidaritätszuschlag sodann eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe dar (§ 10 Nr. 2 KStG).2 § 16 KStG gilt nicht für die Gewerbesteuer, so dass die Ausgleichzahlung für Zwecke der Gewerbesteuer stets auf Ebene des Organträgers zu besteuern ist.3

IV. Verlustverrechnung Grundsätzlich ermöglicht die Organschft einen uneingeschränkten Verlustausgleich innerhalb des Organ- 63 kreises, da insoweit die körperschaftliche Abschirmwirkung der Organgesellschaft im Verhältnis zum Organträger aufgehoben ist.4 Während eines bestehenden Organschaftsverhältnisses ist ein Verlustabzug (§ 10d EStG) auf Ebene der Organgesellschaft allerdings nicht möglich (§ 15 Satz 1 Nr. 1 KStG). Vororganschaftliche Verluste werden daher eingefroren und stehen erst wieder nach Beendigung der Organschaft zur Verrechnung zur Verfügung. Während der Organschaft können auf Ebene der Organgesellschaft keine neuerlichen Verluste entstehen, da der Organträger zum Verlustausgleich verpflichtet ist. Folglich findet ein Verlustabzug während der Organschaftszeit ausschließlich auf Ebene des Organträgers statt. Soweit Verluste des Organträgers oder der Organgesellschaft im Ausland bei der Besteuerung des Organ- 64 trägers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person genutzt werden können, stehen diese allerdings nicht für eine inländische Verlustnutzung zur Verfügung (Verhinderung eines sog. double-dip, vgl. § 14 Satz 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG).5 Die handelsrechtliche Pflicht zum Ausgleich eines vororganschaftlichen Handelsbilanzverlusts gem. § 301 65 AktG bleibt von der Verlustabzugsbeschränkung des § 15 Satz 1 Nr. 1 KStG allerdings unberührt.6 Gleicht der Organträger einen vororganschaftlichen Verlust der Organgesellschaft aus, so stellt dies eine Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft dar, was entsprechend zu nachträglichen Anschaffungskosten des Organträgers im Hinblick auf die Beteiligung an der Organgesellschaft führt.7 Erfolgt kein Ausgleich vororganschaftlicher Verluste der Organgesellschaft durch den Organträger, so darf die Organgesellschaft bis zum Ausgleich eines vorgetragenen Handelsbilanzverlusts keine Gewinne an den Organträger abführen, was insoweit zum Entstehen einer Minderabführung (vgl. Rz. 75 ff.) führt.8

V. Zinsschranke im Organkreis Die Regelungen zur Zinsschranke sind nur auf Ebene des Organträgers, nicht auf Ebene der Organgesell- 66 schaften anzuwenden (§ 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Bzgl. der Anwendung der Zinsschranke gelten Organträger und sämtliche Organgesellschaften als ein Betrieb (§ 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG). Sind daher sämtliche Gesellschaften des Unternehmensverbunds organschaftlich verbunden, kann die Konzern-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b EStG genutzt werden und die Zinsschranke kommt nicht zur Anwendung.9 Andererseits steht die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG (3 Mio. Euro Nettozinsaufwand) auch nur einmalig für den Organkreis und nicht wie im Nicht-Organschaftsfall für jeden Betrieb gesondert zur Verfügung. Kann die Konzern-Klausel bspw. nicht genutzt werden, ist für Zwecke der Anwendung der Zinsschranke zu beachten, dass sämtliche Zinsaufwendungen und Zinserträge auch auf Ebene der Organgesellschaften dem Organträger für Zwecke der Ermittlung der für die Zinsschranke relevanten Größen (insbes. Netto1 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 16 Rz. 77. 2 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 16 Rz. 77. 3 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 16 KStG Rz. 35 (Stand August 2013); Rödder/ Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 16 Rz. 76. 4 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 31. 5 Vgl. im Einzelnen zu dieser Vorschrift Wagner/Liekenbrock, Ubg. 2013, 133 ff. 6 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 29; Pohl, NWB 2016, 2424 (2428). 7 Vgl. BFH v. 8.3.1955 – I 73/54 U, BStBl. III 1955, 187. 8 Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 45. Diese Minderabführung dürfte – entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung in R 63 Abs. 2 KStR 2004 – als vororganschaftlich zu qualifizieren sein. Die Finanzverwaltung hat die entsprechende Passage in den überarbeiteten KStR 2015 gestrichen. Vgl. auch Pohl, NWB 2016, 2424 (2428). 9 Vorbehaltlich einer schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung gem. § 8a Abs. 2 KStG.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 68 | Organschaft zinsaufwand) einzubeziehen sind (§ 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG). Im Ergebnis wirken sich organkreisinterne Finanzierungen nicht auf die Höhe des Nettozinsaufwands aus, sofern die entsprechenden Zahlungen nicht in zeitlicher Hinsicht oder bzgl. der Höhe auseinanderfallen.1 68

Ein Zins- und EBITDA-Vortrag kann während der Organschaft nur auf Ebene der Organträgers entstehen.2 Ein vororganschaftlicher Zinsvortrag der Organgesellschaft ist analog zur Behandlung von Verlustvorträgen nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Geltungsdauer der Organschaft eingefroren.3 Gleiches dürfte wohl – wenngleich nicht explizit von der Finanzverwaltung geregelt – auch für den EBITDA-Vortrag gelten.4 Da der EBITDA-Vortrag allerdings nur fünf Jahre zur Verfügung steht und der Gewinnabführungsvertrag gleichzeitg eine Mindestdauer von fünf Jahren vorsieht, führt die Begründung eines Organschaftsverhältnisses faktisch zum Untergang des EBITDA-Vortrags.5

VI. Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage im Organkreis 69

Die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung und zur verdeckten Einlage gelten grundsätzlich auch im Organschaftsfall. Während bei der verdeckten Einlage keine Besonderheiten zu beachten sein dürften, dh. solche nicht als vorweggenommer Verlustausgleich qualifizieren,6 gelten verdeckte Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger allerdings als vorweggenommene Gewinnabführungen.7 Gewinnabführungen und Gewinnausschüttungen unterliegen unterschiedlichen Regelungskonzepten.8 Damit ist weder § 8b noch § 3 Nr. 40 EStG auf die verdeckte Gewinnausschüttung selbst anzuwenden.9 Die Durchführung des Gewinnabführungsvertrags wird hierdurch nicht in Frage gestellt.10 Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sind diese verdeckten Gewinnausschüttungen beim Organträger aus dem Einkommen auszuscheiden, da der gleiche Betrag entsprechend auch im zuzurechnenden Einkommen enthalten ist.11 Fließen verdeckte Gewinnausschüttungen an außenstehende Gesellschafter, sind diese wie Ausgleichszahlungen iSd. § 16 KStG zu behandeln.12

VII. Teilwertabschreibung auf Anteile an der Organgesellschaft 70

Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann ein niederiger Teilwert dann angesetzt werden, wenn dieser voraussichtlich dauerhaft unter die Anschaffungskosten der Beteiligung gefallen ist. Zunächst ist zu konstatieren, dass eine Teilwertabschreibung aufgrund dauerhafter Verluste der Organgesellschaft nicht zu einer dauerhaften Minderung des Substanzwerts der Organgesellschaft führen kann, da der Organträger aufgrund des Gewinnabführungsvertrags zum Verlustausgleich verpflichtet ist und damit die Substanz der Organgesellschaft aufrecht erhält.13 Eine dahingehende Teilwertabschreibung wird daher auch von der Finanzverwaltung als nicht zulässig angesehen.14

71

Da allerdings nicht nur der Substanzwert, sondern auch der Ertragswert der Organbeteiligung deren Wert bestimmt,15 sind Teilwertabschreibungen im Organschaftsfall nicht generell ausgeschlossen. Ein solcher Fall kann bspw. vorliegen, wenn sich der Erwerb der Organbeteiligung als Fehlmaßnahme herausstellt, etwa weil die Beteiligung im Kontext ihrer funktionalen Bedeutung für den Konzern im Wert gesunken ist.16 Zudem sollte unter den allgemeinen Voraussetzungen für Teilwertabschreibungen auch eine abführungsbedingte Teilwertabschreibung möglich sein, wenn etwa durch die Ausschüttung vororgan1 2 3 4 5 6

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Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz. 136. Vgl. Appl in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 19.35. Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/1001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718 Rz. 48. Vgl. Appl in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 19.36; Herzig/Liekenbrock, DB 2010, 690 (694 f.). Vgl. Appl in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 19.37. Vgl. Kolbe in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 13.66; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 30; nach Dötsch aber überlegenswert, ob eine verdeckte Einlage als Vorwegerfüllung des Gewinnabführungsvertrag angesehen werden kann, vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 729 f. (Stand Aug. 2016). Vgl. im Einzelnen zur verdeckten Gewinnausschüttung im Organkreis Brinkmann, StBp. 2015, 33 ff. Vgl. BFH v. 13.11.2002 – I R 9/02, BStBl. II 2003, 489. Vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 29. Vgl. R 14.6 Abs. 4 Satz 1 KStR 2015; Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 410 f. Vgl. R 14.7 Abs. 2 Satz 1 KStR 2015; Kolbe in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 13.115. Vgl. R 14.6 Abs. 4 Satz 4 KStR 2015. Vgl. Kolbe in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 13.109. Vgl. R 14.7 Abs. 3 Satz 2 KStR 2015. Vgl. BFH v. 22.4.1998 – I R 109/97, BStBl. II 1986, 73 (Zulässigkeit der Teilwertabschreibung aufgrund „mangelnder künftiger Rentabilität“). Vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht2, Rz. 1683.

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D. Einzelfragen mit bilanziellem Bezug

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Rz. 79 Anh. 1 §§ 238–263

schaftlicher Gewinnrücklagen oder die Auflösung von Kapitalrücklagen der Wert der Organgesellschaft gesunken ist.1 Aufgrund dessen, dass Teilwertabschreibungen bei Organträger-Kapitalgesellschaften steuerlich nicht 72 wirksam sind (außerbilanzielle Korrektur gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG), dürften die vorgenannten Überlegungen allerdings ohnehin nur bei Organträger-Personengesellschaften mit natürlichen Personen als Mitunternehmer überlegenswert sein. Hier ist die Teilwertabschreibung außerbilanziell „nur“ zu 60 % gewinnerhöhend hinzuzurechnen (§ 3c Abs. 2 EStG).2 Im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen zwischen Organträger und Organgesellschaft dürfte aufgrund der 73 Verlustübernahmeverpflichtung des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft grundsätzlich eine Teilwertabschreibung ausscheiden.3 Bei einer Organträger-Kapitalgesellschaft wäre eine solche wegen § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG im Grundsatz ohnehin auch nicht steuerwirksam.

D. Einzelfragen der Organschaft mit bilanziellem Bezug I. Vororganschaftliche Mehr- und Minderabführungen 1. Allgemeines Eine Mehrabführung liegt dann vor, wenn der abzuführende Gewinn laut Handelsbilanz denjenigen nach 74 Steuerbilanz übersteigt.4 Liegt die Ursache für eine solche Mehrabführung in zeitlicher Hinsicht vor der Begründung des Organschaftsverhältnisses, liegt eine vororganschaftliche Mehrabführung vor. Gem. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG sind vororganschaftliche Mehrabführungen als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger zu behandeln. Liegt umgekehrt eine vororganschaftliche Minderabführung vor, dh. der handelsrechtlich abzuführende 75 Gewinn liegt unter dem für steuerbilanzielle Zwecke ermittelten Betrag, ist eine Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft anzunehmen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KStG). Eine Saldierung vororganschaftlicher Mehr- und Minderabführungen ist nicht zuläassig, da dies bedeuten würde, dass Gewinnausschüttungen mit Einlagen saldiert würden, was nicht in Betracht kommt.5 Der nach dem Handelsrecht abzuführende Gewinn kann für Zwecke der Ermittlung einer Mehr- oder 76 Minderabführung auch negativ sein; es ist ausschließlich auf die rein rechnerische Differenz zwischen Handels- und Steuerbilanz abzustellen.6 Der Vergleich des handelrechtlich abzuführenden Gewinns erfolgt mit dem Steuerbilanzgewinn, dh. außerbilanzielle Korrekturen bleiben diesbezüglich außen vor.7 Vororganschaftliche Mehr- und Minderabführungen gelten jeweils als zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft verwirklicht (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KStG).

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2. Abgrenzung von vor-, inner- und außerorganschaftlicher Mehr- und Minderabführung Eine Mehrabführung gilt dann als vororganschaftlich verursacht, wenn die Bilanzansätze, in denen sich die Abweichung zwischen abzuführendem Gewinn und Steuerbilanzgewinn äußert, in vororganschaftlicher Zeit entstanden sind, auch wenn die Abweichung sich erst in organschaftlicher Zeit zeigt. Als vororganschaftlich gilt diejenige Zeit, die vor dem steuerlichen Wirksamwerden der Organschaft liegt.8 Umgekehrt gilt der Zeitraum ab Wirksamwerden der Organschaft als innerorganschaftlich.9

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Weiter kann auch eine außerorganschaftliche Verursachung vorliegen. Eine solche ist dann anzunehmen, 79 wenn ein Vorgang zwar in den Zeitraum des Bestehens eines wirksamen Organschaftsverhältnisses fällt,

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Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 433. Vgl. Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 434. Vgl. Kolbe in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 13.112. Vgl. zB BFH v. 6.6.2013 – I R 38/11, BStBl. II 2014, 398. Vgl. auch die Definition in § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG, die auch für den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 KStG heranzuziehen sein dürfte. Vgl. BFH v. 6.6.2013 – I R 38/11, BStBl. II 2014, 398, Rz. 30. Vgl. BFH v. 6.6.2013 – I R 38/11, BStBl. II 2014, 398; Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 569. Vgl. Breier, DK 2011, 84 (91); Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 572. Vgl. BT-Drucks. 15/3677, 36. Vgl. allerdings zu den Feinheiten der Abgrenzung zwischen vor- und innerorganschaftlichen Mehr- und Minderabführungen Neumann/Suchanek, Ubg. 2013, 549 (551 ff.).

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 80 | Organschaft die Ursache aber gerade nicht auf dem Organschaftsverhältnis beruht.1 Ein solcher Fall kann bei Umwandlung eines dritten Rechtsträgers auf die Organgesellschaft vorliegen, wenn bspw. eine Mehr- oder Minderabführung auf Ebene des dritten Rechtsträgers seine Ursache hat und in zeitlicher Hinsicht zwar während des Bestehens der Organschaft zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft entstanden ist, aber eben bei einem Rechtsträger, der in zeitlicher Hinsicht erst nach dem Entstehen der Ursache via Umwandlung (zB Verschmelzung) in das schon bestehende Organschaftsverhältnis aufgenommen wird. Die Finanzverwaltung behandelt solche Fälle der außerorganschaftlichen Verursachung als vororganschaftliche Mehr- oder Minderabführungen.2 3. Rechsfolge: Gewinnausschüttung und Einlage 80

Liegt eine vororganschaftliche Mehrabführung vor, so wird diese als Gewinnausschüttung fingiert. Die Organgesellschaft hat grundsätzlich Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag abzuführen (§ 44 Abs. 7 EStG), soweit keine Einlagenrückgewähr gem. § 27 KStG vorliegt.3

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Die Gewinnausschüttung stellt auf Ebene des Organträgers zunächst Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar, die aufgrund von § 20 Abs. 8 EStG allerdings zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert werden. Ist Organträger eine Kapitalgesellschaft, findet regelmäßig § 8b Abs. 1, 5 KStG Anwendung. Die Mindestbeteiligungsquote des § 8b Abs. 4 KStG dürfte wegen vorliegender finanzieller Eingliederung regelmäßig erfüllt sein.4 Ist Organträger eine Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Mitunternehmer oder eine natürliche Person, kommt das Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG) zur Anwendung. Soweit die Gewinnausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto stammt, ist diese grundsätzlich steuerfrei; gleichwohl verringert sich in diesem Fall der Buchwert der Beteiligung an der Organgesellschaft entsprechend.

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Liegt eine vororganschaftliche Minderabführung vor, so wird diese als Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft fingiert. Das steuerliche Einlagekonto iSd. § 27 KStG auf Ebene der Organgesellschaft erhöht sich entsprechend. Gleichzeitig erhöhen sich auch die Anschaffungskosten des Organträgers im Hinblick auf die Anteile an der Organgesellschaft entsprechend.

II. Innerorganschaftliche Mehr- und Minderabführungen 1. Allgemeines 83

Sind die Minder- oder Mehrabführungen innerorganschaftlich (zur Abgrenzung von vor-, inner- und außerorganschaftlicher Mehr- oder Minderabführung vgl. Rz. 78 f.) verursacht, so ordnet § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG den Ansatz eines aktiven Ausgleichspostens für Minderabführungen und den eines passiven Ausgleichspostens für Mehrabführungen in der Steuerbilanz des Organträgers an. Der entsprechende Ausgleichsposten ist nur in der Steuerbilanz, nicht in der Handelsbilanz zu bilden; insoweit liegt eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes vor.5 Der Zweck dieser Vorgehensweise liegt generell in der Verhinderung einer Doppelbesteuerung im Fall der Minderabführung bzw. der Keinmalbesteuerung im Fall der Mehrabführung. Es soll also eine durchgängige Einmalbesteuerung erreicht werden.6

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Die Bildung und innerorganschaftliche Auflösung des Ausgleichspostens erfolgt grundsätzlich erfolgsneutral.7 Nur dann, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung noch ein Ausgleichsposten vorhanden ist, erfolgt gem. § 14 Abs. 4 Sätze 2–4 KStG die Auflösung erfolgswirksam. Zur Berechnung des Veräußerungsergebnisses ist der Ausgleichsposten mit der Organbeteiligung zusammenzufassen (sog. Nettomethode).8 1 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 597. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.08, Org.34; zur Kritik Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 601 ff. 3 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 606. 4 Gleiches gilt auch für gewerbesteuerliche Zwecke und die Mindestbeteiligungsquote von 15 % in § 9 Nr. 2a GewStG. 5 Vgl. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 14 Rz. 842, 848 (Stand Nov. 2015); von Freeden in HHR, § 14 KStG Rz. 352 (Stand Sept. 2016). 6 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 634 f.; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 932 (Stand Aug. 2016). Mittlerweile hat das Problem der drohenden Doppelbesteuerung allerdings durch die – zumindest bei Körperschaften – im Ergebnis 95%ige Freistellung der Veräußerungsgewinne seine Schärfe verloren, vgl. Dötsch, Ubg. 2008, 117 (118). 7 Vgl. R 14.8 Abs. 1 Satz 3 KStR 2015. 8 Vgl. R 14.8 Abs. 3 Satz 4 KStR 2015.

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D. Einzelfragen mit bilanziellem Bezug

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Rz. 88 Anh. 1 §§ 238–263

Der Ausgleichsposten ist quotal entsprechend der Beteiligungsquote des Organträgers am Nennkapital der 85 Organgesellschaft zu bilden.1 Bei mehrstufigen Organschaftsverhältnissen sollte der Ausgleichsposten bei jeweils organschaftlicher Verursachung auf jeder übergeordneten Ebene in Höhe der Beteiligung an der unmittelbar nachgeordneten Gesellschaft zu bilden sein.2 Veräußert der Organträger die Anteile an einer solchen Zwischengesellschaft, ist der Ausgleichsposten aufzulösen.3 2. Rechtsfolge Mehrabführungen in organschaftlicher Zeit vermindern das steuerliche Einlagekonto iSd. § 27 KStG, 86 Minderabführungen erhöhen es (§ 27 Abs. 6 KStG). Hierdurch kann der Bestand des steuerlichen Einlagekontos auch negativ werden (§ 27 Abs. 1 Satz 4 KStG). 3. Sonderfragen Nach der Rspr. des BFH ist ein organschaftlicher Ausgleichsposten als steuerliche Bilanzierungshilfe, dh. 87 nicht als Wirtschaftsgut, einzuordnen.4 Insoweit hätte die Bildung eines organschaftlichen Ausgleichspostens keine Auswirkung auf die Höhe des Eigenkapitals und den Steuerbilanzgewinn des Organträgers.5 In der Literatur wird überwiegend – mE zutreffend – die Auffassung vertreten, dass organschaftliche Ausgleichsposten einen Korrekturposten zum Beteiligungsbuchwert darstellen.6 Dies scheint wohl inzwischen auch die Auffassung der Finanzverwaltung zu sein.7 Insoweit würde die Bildung eines organschaftlichen Ausgleichspostens das Eigenkapital und den Steuerbilanzgewinn erhöhen (aktiver Ausgleichsposten) oder mindern (passiver Ausgleichsposten).8 Ebenso umstritten ist die Frage, ob Ausgleichsposten saldiert werden können und im Ergebnis nur ein 88 einziger Ausgleichsposten gebildet werden muss, oder ob für jeden einzelnen Sachverhalt ein besonderer Ausgleichsposten angesetzt werden muss. Wenngleich in der Literatur vertreten wird, dass für jede Ursache einer Mehr- oder Minderabführung ein gesonderter Ausgleichsposten zu bilden sei,9 ist dies praktisch kaum umsetzbar. Es ist mE daher vertretbar, im Ergebnis eine Saldierung von Mehr- und Minderabführungen iSd. § 14 Abs. 4 KStG vorzunehmen und in der Steuerbilanz des Organträgers mithin nur einen einzigen organschaftlichen Ausgleichsposten auszuweisen.10 Nicht saldiert werden dürfen dagegen Ausgleichsposten verschiedener Organbeteiligungen; für jede Organbeteiligung wäre danach ein gesonderter Ausgleichsposten zu bilden.11

1 Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG ist der Ausgleichsposten in Höhe der Beteiligung des Organträgers am Nennkapital der Organgesellschaft zu bilden. Unter systematischen Gesichtspunkten ist diese Vorgehensweise falsch, da außenstehende Gesellschafter bereits Ausgleichszahlungen erhalten und der Organträger das ganze zuzurechnende Einkommen versteuern muss. Zutreffenderweise müsste der organschaftliche Ausgleichsposten also immer zu 100 % und nicht nur quotal gebildet werden; so zB. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 14 Rz. 855 (Stand Nov. 2015); Bareis, FR 2008, 649 (657). 2 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 1030 (Stand Aug. 2016). Dies wird der Auffassung, dass der Ausgleichsposten als Korrekturposten zur Beteiligung anzusehen ist, gerecht, vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 699. 3 Vgl. R 14.8 Abs. 3 Satz 7 KStR 2015. Dies sollte auch gelten, wenn die Zwischengesellschaft die Anteile an der Organgesellschaft veräußert, vgl. Pohl, NWB 2016, 2424 (2432). 4 Vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 65/11, BStBl. II 2013, 555. Ebenso: Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 14 Rz. 845 (Stand Nov. 2015). 5 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 687. 6 Vgl. Bareis, FR 2008, 649 (658); Brezing, DB 1976, 1030 (1031); Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 947 (Stand Aug. 2016); von Freeden in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 14.58. 7 Vgl. R 14.8 Abs. 3 Satz 4 KStR 2015; Pohl, NWB 2016, 2424 (2430 f.). 8 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 688. 9 Vgl. zB Neumann in Gosch, KStG3, § 14 Rz. 460; Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 14 Rz. 1099. Dötsch/ Pung verteten in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass zwar nur ein aktiver und/oder passiver Ausgleichsposten zu bilden sei, der aktive aber nicht mit dem passiven saldiert werden dürfe, dh. dass ggf. ein aktiver und ein passiver Ausgleichsposten auszuweisen sei und dass zudem gewährleistet sein muss, dass die Ursachen der Bildung der Ausgleichsposten nachverfolgt werden können, vgl. Dötsch/Pung in FS Frotscher, 2013, 51 (56). 10 Vgl. ebenso von Freeden in HHR, § 14 KStG Rz. 352 (Stand Sept. 2016); von Freeden in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 14.36; Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 692; Olbing in Streck, KStG8, § 14 Rz. 143. 11 Vgl. Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 692. Eine Saldierung von vororganschaftlichen mit innerorganschaftlichen Mehr- bzw. Minderabführungen ist ebenfalls unzulässig, vgl. BFH v. 6.6.2013 – I R 38/11, BStBl. II 2014, 398, Rz. 30.

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Anh. 1 §§ 238–263 Rz. 89 | Organschaft

III. Latente Steuern im Organkreis 89

Ist der handelsrechtliche Buchwert eines Vermögensgegenstands oder eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens höher oder der handelsrechtliche Buchwert einer Schuld oder eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens niedriger als der korrespondierende steuerliche Ansatz und führt die zu erwartende Angleichung der Buchwerte in kommenden Jahren zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens, ist in der Handelsbilanz eine passive latente Steuer aus einer temporären Differenz zu bilanzieren. Im umgekehrten Fall besteht das Wahlrecht, eine aktive latente Steuer anzusetzen; bei aktiven latenten Steuern sind zudem auch Verlust- und Zinsvorträge sowie Steuergutschriften einzubeziehen (vgl. hierzu im Einzelnen Erl. zu § 274 HGB).

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Das Prinzip der Bilanzierung latenter Steuern erfordert grundsätzlich Personenidentität zwischen der Person, die steuerlich be- und entlastet ist, und derjenigen, die das Bilanzierungssubjekt darstellt.1 Diese Personenidentität ist im Organschaftsfall allerdings nicht gegeben. Stattdessen ist im Fall von Differenzen zwischen handels- und steuerrechtlicher Bilanzierung auf Ebene der Organgesellschaft regelmäßig der Organträger dasjenige Steuersubjekt, das steuerliche Belastungen tragen muss oder von Entlastungen profitiert.

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Nach Auffassung des DRS sind latente Steuern aus temporären Differenzen, die aufgrund von Sachverhalten auf Ebene der Organgesellschaft entstehen, grundsätzlich im Jahresabschluss des Organträgers zu berücksichtigen und nicht in demjenigen der Organgesellschaft.2 Gleichwohl gilt dies nur für die erwartete Laufzeit der Organschaft; soweit latente Steuern planungsgemäß auf einen Zeitraum entfallen, in dem das Organschaftsverhältnis bereits beendet sein soll, muss der Ansatz der latenten Steuer auf Ebene der Organgesellschaft erfolgen.3 Aktive latente Steuern auf vororganschaftliche Verlust- und Zinsvorträge der Organgesellschaft stellen keine temporären Differenzen dar und sind aufgrund dessen, dass diese während der Organschaft nicht genutzt werden können, in keinem Fall auf Ebene des Organträgers ausweisbar.4 Erst dann, wenn das Ende der Organschaft in weniger als fünf Jahren erwartet wird, kann eine Bilanzierung aktiver latenter Steuern auf Ebene der Organgesellschaft in Betracht kommen.5

92

Ein Sonderfall latenter Steuern kann im Zusammenhang mit dem Ansatz organschaftlicher Ausgleichsposten in der Steuerbilanz des Organträgers eintreten, wenn die Ausgleichsposten als Korrekturposten zum Beteiligungsbuchwert angesehen werden. Dann kann ggf. eine Differenz zwischen handels- und steuerrechtlichem Beteiligungsbuchwert (inkl. Ausgleichsposten) auftreten. Während dies bei Kapitalgesellschaften zu keiner Abgrenzung latenter Steuern führen sollte (ein steuerlicher Veräußerungsgewinn wäre grundsätzlich gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei, und ein Veräußerungsverlust wäre gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG steuerlich nicht abzugsfähig), wären bei einer Personengesellschaft als Organträger wohl latente Steuern zu bilden.6 Soweit in einem Ausgleichsposten aber lediglich eine Bilanzierungshilfe zu sehen ist, wäre wohl keine latente Steuer in der Handelsbilanz abzugrenzen. Insoweit zeitigt die Rechtsnatur des Ausgleichspostens auch handelsrechtliche Bilanzierungskonsequenzen.

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Bestehen Steuerumlageverträge, so erlaubt der DRS wahlweise auch eine Bilanzierung der latenten Steuern bei der Organgesellschaft.7 Dieses Wahlrecht wäre nach zutreffender Auffassung allerdings für Organträger und Organgesellschaft einheitlich auszuüben.8 Ein Steuerumlagevertrag kann nach einer Auffassung im Schrifttum sowohl tatsächliche als auch latente Steuern umfassen.9 Soweit Zahlungen aufgrund von Steuerumlageverträgen als Vorweg-Gewinnabführungen qualifizieren, ist darauf zu achten, dass der Maximalbetrag der Gewinnabführung nicht überschritten wird, da ansonsten die Anerkennung des Organschaftsverhältnisses gefährdet sein kann.10

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Liekenbrock/Vossel, DB 2012, 753. Vgl. DRS 18.32. Vgl. DRS 18.34. Vgl. auch Herzig/Liekenbrock/Vossel, Ubg. 2010, 85 (89); Liekenbrock/Vossel, DB 2012, 753 (754). Vgl. Herzig/Liekenbrock/Vossel, Ubg. 2010, 85 (89). So Oser, StuB 2016, 152. Vgl. DRS 18.35. Der auf Steuerumlagen beruhende Betrag ist entsprechend durch einen „Davon-Vermerk“ kenntlich zu machen, vgl. DRS 18.61. 8 Vgl. Liekenbrock/Vossel, DB 2012, 753 (755). 9 Vgl. Grottel/Larenz in Beck BilKomm.10, § 274 HGB Rz. 72; Schindler, BFuP 2011, 329 (334); Herzig/Liekenbrock/ Vossel, Ubg. 2010, 85 (98). 10 Vgl. im Einzelnen Liekenbrock/Vossel, DB 2012, 753 (757).

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Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

| Anh. 2 §§ 238–263

Anhang 2 zu §§ 238–263 HGB: Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften A. Grundlagen der Einkünfteermittlung bei Personengesellschaften I. Einkommensteuerliche Anknüpfung an den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG als zentrale Einkünfteermittlungsvorschrift 1. Grundsätze der additiven Gewinnermittlung 2. Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG . . . III. Duales System als Besteuerungsmodell für Personengesellschaften 1. Grundaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung a) Gesellschaftsbezogene Betrachtung . . . . b) Gesellschafterbezogene Betrachtung . . . . 3. Personengesellschaft als Gewerbesteuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überblick über die Gesellschaftsformen 1. Begriffsbestimmung und zivilrechtliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelne Personengesellschaftsformen . . . . B. Qualifikation als Mitunternehmerschaft I. Abgrenzung zur Vermögensverwaltung/volltransparente Personengesellschaft . . . . . . . II. Vorliegen eines Gewerbebetriebs (originär gewerbliche Tätigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Qualifikation des Mitunternehmers . . . . . . IV. Gewerbliche Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gewerbliche Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Betriebsaufspaltung 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuerliches Betriebsvermögen der Personengesellschaft I. Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . III. Ergänzungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ _ __ _ __ _ __ __ __ __ __ _ 1 3 5 7

8 11 12 13 15 22 25 27 29 35 39 40 43 44 45 49 58

IV. Abgrenzung Eigenkapital- und Fremdkapitalkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften (Spiegelbildmethode) . . . . . . D. Steuerliche Einkünfteermittlung bei Mitunternehmerschaften I. Ermittlung des Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ableitung der zweistufigen Gewinnermittlung 3. Gewinn- und Verlustverteilung . . . . . . . . . II. Einzelheiten der Gewinnermittlung auf der ersten Stufe 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsentnahme/private Kfz-Nutzung . . 3. Abzugsbeschränkung für Schuldzinsen (§ 15a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinnausschüttungen aus Kapitalgesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einzelheiten der Gewinnermittlung der zweiten Stufe 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Korrespondierende Bilanzierung . . . . . . . . 3. Abgrenzung zum Gewinnvorab . . . . . . . . . E. Sonderfälle der Gewinnermittlung I. Gründung und Eintritt in die Personengesellschaft 1. Gründung der Personengesellschaft . . . . . . 2. Eintritt in die Personengesellschaft . . . . . . . II. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern 1. Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG . . . . . 2. Übertragungen im Anwendungsbereich des § 6b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausscheiden und Beendigung 1. Ausscheiden aus der Personengesellschaft . . 2. Beendigung der Personengesellschaft . . . . . IV. Doppelstöckige Personengesellschaften . . . . F. Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ 64 69

__ _ __ _ _ __ _ 73 75 78 81 82 85 89 91 93 95

__ _ _ __ _ _ 98 104 108 116 129 134 139 143

Literatur: Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil von Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970; Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft – Sonderbilanzen der Gesellschafter und Wertkorrekturen der Gesellschaftsbilanz, 1990; Kraft, Entwicklungstendenzen in der Besteuerungskonzeption für Personengesellschaften, DStR 1995, 921; Gschwendtner, Die atypisch stille Gesellschaft als beschränkt rechtsfähiges Steuerrechtssubjekt im Einkommensteuerrecht – zugleich eine Besprechung des BFH-Urteils vom 26. November 1996 VIII R 42/91, DStZ 1998, 335; Ley, Besteuerungsfragen bei „doppelstöckigen“ Personengesellschaften, KÖSDI 1996, 10923; Schmid, Steuerbilanzielle Fragestellungen bei Sonderbetriebsvermögen im Verhältnis von Obergesellschaft zu Untergesellschaft bei doppelstöckigen Personengesellschaften, DStR 1997, 941; Hebeler, Verlustanteile aus der Beteiligung an Personengesellschaften in den Bilanzen einer Kapitalgesellschaft, BB 1998, 206; Rodewald, Zivilund steuerrechtliche Bedeutung der Gestaltung von Gesellschafterkonten, GmbHR 1998, 521; Oppenländer, Zivilrechtliche Aspekte der Gesellschafterkonten der OHG und KG, DStR 1999, 939; Reiß, Grundprobleme der Besteuerung von Personengesellschaften, Stbg. 1999, 356; Ley, Ergänzungsbilanzen beim Erwerb von Personengesellschaftsanteilen, bei Einbringung nach § 24 UmwStG und bei Übertragungen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, KÖSDI 2001, 12982; Schulze zur Wiesche, Ein- und Austritt von Gesellschaftern innerhalb einer Sozietät, Stbg. 2001, 301; Bodden, Einkünftequalifikation von Mitunternehmern: 4 Thesen zur Neuorientierung bei der Besteuerung von Personengesellschaften, FR 2002, 559; Carlé/Bauschatz, Die „neue“ Realteilung nach § 16 Abs. 3 EStG, KÖSDI 2002, 13133; Carlé/Bauschatz, Die durch Kapitalkonten abgebildete Beteiligung an einer Personengesellschaft im Gesellschafts- und Steuerrecht, FR 2002, 1153; Dietel, Bilanzierung von Anteilen an Personengesellschaften in Handels- und Steuer-

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 1 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften bilanz DStR 2002, 2140; Engel, Vermögensverwaltende Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht, 2015; Engl, Realteilung auch mit Einzelwirtschaftsgütern rückwirkend ab 1.1.2001 nach UntStFG ohne Behaltefrist steuerneutral möglich, DStR 2002, 119; Hoffmann, Der Transfer von Einzel-Wirtschaftsgütern gemäß § 6b Abs. 5 EStG nach Verabschiedung des UntStFG, GmbHR 2002, 125; Ley, Zur steuerlichen Behandlung der Gesellschafterkapitalkonten sowie der Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen einer gewerblichen Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern, KÖSDI 2002, 13459; Niehus, Fortführung von Ergänzungsbilanzen, StuW 2002, 116; Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesentliche Änderungen des verkündeten Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105; Strahl, Schuldzinsenabzug: Rechtsprechungsentwicklungen und Gestaltungmöglichkeiten, KÖSDI 2002, 13346; Böhme/Forster, Anwendbarkeit der Trennungstheorie im Rahmen von Übertragungen i.S. des § 6 Abs. 5 EStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes, BB 2003, 1979; Groh, Teilwerteinbringung von betrieblichen Einzelwirtschaftsgütern in Personengesellschaften, DB 2003, 1403; Ley, Die Anwendung von § 15a auf doppelstöckige Personengesellschaften, DStR 2004, 1498; Fromm, Wert des Betriebsvermögens bei Veräußerung oder Vererbung der Obergesellschaft einer doppelstöckigen Personengesellschaft, GmbHR 2005, 425; Röhrig/Doege, Das Kapital der Personengesellschaften im Handels- und Ertragsteuerrecht: Begriff, Bedeutung, Gestaltungen, DStR 2006, 489; Schoor, Aufstellung und Fortentwicklung von Ergänzungsbilanzen, StBp. 2006, 212; Schiffers, Unternehmenssteuerreform 2008: Sondertarif für nicht entnommene Gewinne nach § 34a EStG – Fluch oder Segen, GmbHR 2007, 841; Thiel/Sterner, Entlastung der Personenunternehmen durch Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns, DB 2007, 1099; Drüen, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung als verfassungsrechtlicher Imperativ?, GmbHR 2008, 393; Breithaupt/Ottersbach, Kompendium Gesellschaftsrecht, 2010; Gosch, „Zoff im BFH“: Die vorläufig vorweggenommene Divergenzanrufung, DStR 2010, 1173; Hennrichs, Besteuerung von Personengesellschaften – Transparenz- oder Trennungsprinzip?, FR 2010, 721; ; Bode, Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen, DB 2012, 2375; Preißer/Pung, Die Besteuerung der Personen- und Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 2012; Kahle, Ergänzungsbilanzen bei Personengesellschaften, FR 2013, 873; Adrian/Tigges, Europäisierung des § 6b EStG durch das Steueränderungsgesetz: Überblick und Analyse anhand von Beispielsfällen, StuB 2015, 858; Kanzler, Umsetzung der EuGH-Entscheidung zum Inlandsbezug des § 6b EStG durch das StÄndG 2015: Anwendungsfragen zur Neuregelung der Reinvestitionsrücklage, NWB 2015, 3814; Niehus/Wilke, Die Besteuerung von Personengesellschaften, 7. Aufl. 2015; Loschelder, Zinslose Steuerstundung für Reinvestitionen in das Betriebsvermögen einer EU-/EWR-Betriebsstätte: Überlegungen zu § 6b Abs. 2a EStG (Steueränderungsgesetz 2015), DStR 2016, 9.

A. Grundlagen der Einkünfteermittlung bei Personengesellschaften I. Einkommensteuerliche Anknüpfung an den Gesellschafter 1

Das deutsche Steuerrecht kennt keine eigene Besteuerung der Personengesellschaften. Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland geht von einem Besteuerungsdualismus aus, in dem das Einkommensteuergesetz die Besteuerung für natürliche und das Körperschaftsteuergesetz die Besteuerung für juristische Personen regelt.1 Diese sich aus der zivilrechtlichen Einordung ableitende Unterscheidung zwischen dem Einkommensteuergesetz unterliegenden natürlichen und dem Körperschaftsteuergesetz unterliegenden juristischen Personen führt dazu, dass Personengesellschaften als solche weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig sind. Aus dem Dualismus der Unternehmensbesteuerung folgen die für die Unternehmensbesteuerung maßgeblichen rechtsformabhängigen Strukturprinzipien: Das Transparenzprinzip bei Personen- und das Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften.

2

Dem Gesellschafter der Personengesellschaft werden die Gewinne aus seiner Beteiligung unmittelbar zugerechnet, und zwar ohne Rücksicht auf vertragliche Thesaurierungsabreden oder evtl. vorhandene Entnahmebeschränkungen.2 Subjekt der Einkommensbesteuerung ist nicht die Personengesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter unterliegen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG mit ihren Anteilen am Gewinn der Personengesellschaft der Einkommensteuer.3 Dabei wird vorausgesetzt, dass die Gesellschafter Mitunternehmer (vgl. Rz. 27 des Betriebs der Personengesellschaft sind. Der Gewinn und Verlustanteil des Gesellschafters ist das Ergebnis eigener Tatbestandsverwirklichung und damit originäre Einkunft des Mitunternehmers.4 Natürliche Personen sind als Gesellschafter der Personengesellschaft mit Einkommensteuer belastet. Ist der Gesellschafter der Personengesellschaft Körperschaftsteuersubjekt, ist er mit Körperschaftsteuer belastet. Lediglich für Zwecke der Gewerbesteuer bildet die Personengesellschaft im Ergebnis ein selbständiges Steuersubjekt (vgl. Rz. 74).

1 Vgl. Drüen, GmbHR 2008, 393 ff. 2 Vgl. BFH v. 15.11.2011 – VIII R 12/09, BStBl. II 2012, 207; kritisch bei Entnahmebeschränkungen Hennrichs, FR 2010, 721 (724). Zur Tarifermäßigung für thesaurierte Gewinne vgl. Rz. 143 ff. 3 Jüngst BFH v. 20.11.2014 – IV R 1/11, DStR 2015, 283; maßgeblich BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 unter III.3.a) der Entscheidungsgründe. 4 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 unter III.3.a) der Entscheidungsgründe.

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A. Grundlagen der Einkünfteermittlung

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Rz. 6 Anh. 2 §§ 238–263

II. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG als zentrale Einkünfteermittlungsvorschrift 1. Grundsätze der additiven Gewinnermittlung § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist die zentrale Vorschrift der steuerlichen Gewinnermittlung bei Personen- 3 gesellschaften. Neben den steuerrechtlich als Gewerbebetrieb qualifizierenden Personengesellschaften, deren Gesellschafter Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielen, gelten die aus der Vorschrift folgenden Rechtsgrundsätze über die §§ 13 Abs. 7, 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auch für solche Personengesellschaften, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit erzielen. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG setzen sich die Einkünfte des Gesellschafters einer 4 Personengesellschaft aus zwei Teilen zusammen: (1) dem Anteil am Gewinn der Gesellschaft (OHG, KG oder einer anderen Gesellschaft), bei welcher der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, und (2) den Vergütungen, die der Gesellschafter für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Beide Komponenten sind additiv miteinander verknüpft, dh. dass Sondervergütungen in der Steuerbilanz der Gesellschaft als Aufwand und in der Sonderbilanz des Gesellschafters als Ertrag auszuweisen sind.1 Die Besteuerung der Mitunternehmerschaft wird in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch nicht abschließend geregelt. Insbes. wird nicht bestimmt wer den Tatbestand des § 15 EStG verwirklicht und wie eine Zurechnung auf den Gesellschafter erfolgen soll. Auch werden weder die Gewinnermittlung der Personengesellschaft noch die Ermittlung der Sonderbetriebseinkünfte des Gesellschafters, die steuerliche Behandlung des Sonderbetriebsvermögens sowie der Ergänzungsbilanzen regelt.2 Die rechtliche Einordnung der Einkünfteermittlung der Personengesellschaft bzw. ihrer Gesellschafter ist daher maßgeblich durch – teils auch widersprüchliches3 – Richterrecht geprägt. 2. Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ist die Qualifizierung der Gewinnanteile und Sondervergütungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und damit die Bestimmung der Einkunftsart beim gemeinschaftlichen Bezug von Einkünften aus einer gewerblich tätigen Personengesellschaft.4 Die Vorschrift ermöglicht die Zurechnung der von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte bei dem einzelnen Gesellschafter für dessen Besteuerung unabhängig vom Zufluss beim Mitunternehmer.5

5

Nach hM6 bezweckt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 weiterhin eine partielle Gleichstellung des Mitunter- 6 nehmers mit dem Einzelunternehmer (sog. „Gleichstellungsthese“), der mit sich selbst keine Verträge abschließen und daher Zahlungen an sich nicht als Betriebsausgaben abziehen kann.7 Die Hinzurechnung von Sondervergütungen für Arbeitsleistungen berücksichtigt, dass die Arbeitsleistung des Mitunternehmers sowohl aufgrund eines Dienstvertrags als auch durch den Anspruch auf einen erhöhten Anteil am Gesellschaftsgewinn abgegolten werden kann.8 Um die partielle Gleichstellung mit dem Einzelunternehmer zu verwirklichen, wird die stl. Behandlung der Sondervergütungen an den sachlichen Zusammenhang der Tätigkeit des Mitunternehmers mit seiner Gesellschafterstellung und nicht an den zivilrechtl. Schuldgrund geknüpft.9 Damit braucht nicht unterschieden zu werden, ob die Leistung des Gesellschafters aufgrund eines schuldrechtl. Vertrags oder als gesellschaftsrechtl. Beitrag erbracht wird oder ob die Leistung durch einen Vorabgewinn oder durch eine besondere Vergütung abgegolten wird.10

1 Vgl. Carlé/Bauschatz ua. in Korn, § 15 EStG Rz. 179 (Stand Feb. 2016). 2 Vgl. Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 99 (Stand Juni 2016). 3 Ein Beispiel für die Widersprüchlichkeit ist die Frage der Gewinnrealisierung bei Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften: Während dies der I. Senat des BFH in BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471, nicht zulässt, hält der IV. Senat des BFH in BFH v. 15.4. 2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 die Gewinnrealisierungsnotwendigkeit für ernstlich zweifelhaft (vgl. Gosch, DStR 2010, 1173). 4 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (764 und 768). 5 S.o. Fn. 2. 6 Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 81 (Stand Juni 2016); Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 161; aA Reiß, Stbg 1999, 356. 7 Vgl. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (698). 8 Vgl. BFH v. 30.8.2007 – IV R 14/06, BStBl. II 2007, 942. 9 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 10 Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 81 (Stand Juni 2016).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 7 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften

III. Duales System als Besteuerungsmodell für Personengesellschaften 1. Grundaussagen 7

Mit Aufgabe der sog. „Bilanzbündeltheorie“ hat sich in der Rspr.1 in den vergangenen Jahrzehnten ein duales System2 als Besteuerungsmodell für Personengesellschaften entwickelt, wobei die dogmatischen Grundlagen im Einzelnen umstritten sind.3 Das duale Besteuerungsmodell verbindet das „Modell der Einheit der Gesellschaft“, das für die Besteuerung ausschließlich auf die Gesellschaft abstellt und somit eine rein „gesellschaftsbezogene Betrachtung“ (vgl. dazu Rz. 8) anstellt, mit dem „Modell der Vielheit der Gesellschafter“, das eine rein gesellschafterbezogene Betrachtung (vgl. dazu Rz. 11) vorsieht und die Personengesellschaft selbst damit vollständig transparent behandelt.4 Nach dem dualen System werden Einkunftsart und Gewinn zwar gesellschaftsbezogen ermittelt, können jedoch durch Umstände, die sich allein auf der Ebene des Gesellschafters abspielen, ergänzt bzw. korrigiert werden.5 Die daraus resultierende Vermischung einer gesellschafts- und einer gesellschafterbezogenen Betrachtung führt zwangsläufig zu Kollisionen und Abgrenzungsfragen, die eine Vorhersehbarkeit der Besteuerung und eine Planungssicherheit für den Rechtsanwender erschweren. 2. Ausgestaltung a) Gesellschaftsbezogene Betrachtung

8

Aus der gesellschaftsbezogenen Betrachtung folgt die Anerkennung einer beschränkten Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft. Die Personengesellschaft ist Subjekt der Gewinnerzielung und -ermittlung und der Einkünftequalifikation.6 Dies ergibt sich aus der zivilrechtlichen Selbständigkeit der Personengesellschaft.7 Die Einkünftequalifikation auf Ebene der Gesellschaft hat zur Folge, dass dem Gesellschafter gewerbliche Einkünfte zuzurechnen sind, wenn die Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte erzielt. Eine Umqualifizierung auf der Ebene des Gesellschafters in Überschusseinkünfte nach §§ 20 oder 21 EStG ist dann nicht möglich.8 Zu beachten ist jedoch, dass die Personengesellschaft trotz ihrer beschränkten Steuerrechtssubjektivität nicht Subjekt der Einkommensbesteuerung ist (s.o. Rz. 7). Soweit sie zu fremdüblichen Konditionen abgeschlossen und nicht als Sondervergütung iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren sind, werden Verträge zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft anerkannt.9

9

Aufgrund der beschränkten Steuerrechtssubjektivität entfaltet die Personengesellschaft eine partielle Abschirmwirkung gegenüber ihren Gesellschaftern, weil die Personengesellschaft selbst Mitunternehmerin der Personengesellschaft ist, an der sie beteiligt ist, und nicht ihre Gesellschafter (Mitunternehmer).10 Der mittelbar beteiligte Gesellschafter ist nach hM11 nur hinsichtlich seines Sonderbetriebsbereichs bei der Untergesellschaft als Mitunternehmer anzusehen (Tätigkeits- und Nutzungsvergütungen der Untergesellschaft sowie Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinne hinsichtlich seines Sonderbetriebsvermögens bei der Untergesellschaft).

10

Da die Personengesellschaft selbst beschränktes Besteuerungssubjekt ist, sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft eine Gewinnerzielungsabsicht hat. Unerheblich ist hingegen, ob ihre sämtlichen Gesellschafter diese Absicht verfolgen. Umgekehrt ist es jedoch wiederum so, 1 BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; eingehend Wacker in FS Goette, 561. 2 Im Schrifttum wird das derzeitige Besteuerungsmodell teilweise auch als Einheitstheorie und Mitunternehmerzurechnung beschrieben; vgl. Carlé/Bauschatz ua. in Korn, § 15 EStG Rz. 176 (Stand Feb. 2016), was aber in der Rechtsanwendung uE keinen Unterschied macht. 3 Vgl. zum Streitstand Wacker in: Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 163. 4 Eingehend zu den Besteuerungsmodellen: Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 88 (Stand Juni 2016). 5 Vgl. Rätke in H/H/R, § 15 EStG Rz. 88 (Stand Juni 2016). 6 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761 f.); v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621); v. 9.12.2009 – IV 129/08, BFH/NV 2010, 640. 7 Vgl. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (698 ff.); v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 617 (622). 8 Vgl. Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 91 (Stand Juni 2016), der aber zutreffend darauf hinweist, dass es im umgekehrten Fall, also wenn die Gesellschaft Einkünfte gem. §§ 20, 21 EStG erzielt, auch auf Ebene der Gesellschafter nach der Rspr. des BFH (BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679) zu einer Umqualifizierung kommen kann. 9 Vgl. BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (622). 10 Vgl. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691. 11 BFH v. 31.8.1999 – VIII B 74/99, BStBl. II 1999, 794; Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 629 (Stand Juni 2016); aA Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 347.

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A. Grundlagen der Einkünfteermittlung

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Rz. 14 Anh. 2 §§ 238–263

dass bei dem einzelnen Gesellschafter die Gewinnerzielungsabsicht aufgrund persönlicher Merkmale entfallen kann, etwa wenn die Gesellschafterstellung von vornherein nur auf Zeit eingegangen wurde.1 b) Gesellschafterbezogene Betrachtung Subjekt der Einkünfteerzielung ist auch bei gemeinschaftlich erzielten Gewinnen und Überschüssen – 11 unabhängig von der beschränkten Steuerrechtssubjektivität – immer der einzelne Gesellschafter (Mitunternehmer).2 Daraus folgt die Transparenz der Personengesellschaft. Auf der Ebene der Gesellschaft wird dem Gesellschafter der ihm nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zustehende Gewinnanteil, der sich aus der Handelsbilanz nach Korrekturen aufgrund steuerlicher Abzugsverbote (zB § 4 Abs. 5 EStG) ergibt, zugerechnet.3 Auf Gesellschafterebene erfolgen weitere Korrekturen durch persönliche Steuervergünstigungen (zB § 6b EStG), durch steuerliche (positive bzw. negative) Ergänzungsbilanzen (vgl. Rz. 58 ff.), zB wenn ein Mitunternehmer die buchmäßige Beteiligung zu einem höheren Preis erworben hat oder seinen Gewerbebetrieb zum Verkehrswert in eine Gesellschaft einbringt und zum Zweck der Fortführung der steuerlichen Buchwerte die aufgedeckten stillen Reserven neutralisiert, und letztlich durch Hinzurechnungen, Minderungen aus Sonderbilanzen (vgl. Rz. 53) sowie von Sondervergütungen aufgrund des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.4 3. Personengesellschaft als Gewerbesteuersubjekt Anders als bei der einkommensteuerlichen Einkünfteermittlung wird die Personengesellschaft für Zwecke 12 der Gewerbesteuer als eigenständiges Steuersubjekt behandelt. Personengesellschaften sind jedoch nur dann ein Gewerbebetrieb iSd. § 2 Abs. 1 GewStG, wenn sie ausschließlich oder teilweise eine gewerbliche Tätigkeit iSv. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausüben und ihre Gesellschafter als Mitunternehmer des Gewerbebetriebs anzusehen sind. Liegt nach einkommensteuerlichen Grundsätzen keine Mitunternehmerschaft vor, kann die Personengesellschaft auch nicht für gewerbesteuerliche Zwecke als Gewerbebetrieb angesehen werden. Die Qualifikation der Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ist daher auch für die Gewerbesteuer maßgeblich.

IV. Überblick über die Gesellschaftsformen 1. Begriffsbestimmung und zivilrechtliche Abgrenzung Da die steuerliche Gewinnermittlung an die zivilrechtliche Einordnung der Personengesellschaft anknüpft, 13 ist der zivilrechtliche Personengesellschaftsbegriff auch für die steuerliche Gewinnermittlung von Relevanz: Gesellschaft im weiteren Sinne ist jeder rechtsgeschäftliche Zusammenschluss von zwei oder mehr Personen zur Förderung des vereinbarten gemeinsamen Zwecks.5 In dieser weiten Fassung erstreckt sich die Definition der „Gesellschaft“ auf alle rechtsgeschäftlich begründeten, der Erreichung des vereinbarten Zwecks dienenden Personengemeinschaften unabhängig von deren jeweiliger Rechtsform. Unter dieses weite Begriffsverständnis fallen jedoch sowohl die Personengesellschaften des bürgerlichen 14 und des Handelsrechts sowie die Partnerschaft (ggf. mit beschränkter Berufshaftung) als auch die von zwei oder mehr Personen gegründeten Kapitalgesellschaften und sonstige gemeinsamer Zweckverfolgung dienende korporative Zusammenschlüsse wie der Verein oder die Genossenschaft. Bei den Kapitalgesellschaften handelt es sich um zur juristischen Person verfestigte Zusammenschlüsse, bei denen sich die Verbandsorganisation im Unterschied zu den Personengesellschaften infolge der Registereintragung von den als Mitgliedern beteiligten Personen gelöst hat.6 Aufgrund der gegenüber den Gründern verselbstständigten Verfassung der Kapitalgesellschaft (der „Satzung“) besteht diese im Gegensatz zur Personengesellschaft trotz Rückgangs der Mitgliederzahl auf eine Person („Einmanngesellschaft“) fort. Die unterschiedliche Bedeutung des Mitglieds in der Personen- und der Kapitalgesellschaft spiegelt sich auch in der Übertragbarkeit der Mitgliedschaft wider: Während die Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Grundsatz frei übertragbar ist, steht die Übertragung der Beteiligung an der Personengesellschaft grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung der übrigen Mitgesellschafter, wobei von diesem Grundmodell durch entsprechende Ausgestaltung sowohl bei der Kapital- als auch bei der Personengesellschaft abgewichen werden kann. 1 2 3 4 5 6

Vgl. BFH v. 30.6.1999 – IX R 68/96, BStBl. II 1999, 718. Vgl. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621); v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420. Vgl. Carlé/Bauschatz ua. in Korn, EStG, § 15 EStG Rz. 176 (Stand Feb. 2016). Vgl. Carlé/Bauschatz ua. in Korn, EStG, § 15 EStG Rz. 176 (Stand Feb. 2016). So auch Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB6, Vor § 705 Rz. 1 mwN. Ausführlich Fleischer in MünchKomm. GmbHG2, Einl. Rz. 2.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 15 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften 2. Einzelne Personengesellschaftsformen 15

Die Grundform der Personengesellschaften ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die in §§ 705– 740 BGB geregelt ist. Bei der Gründung einer GbR schließen sich mindestens zwei Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammen. Der Gesellschaftsvertrag verpflichtet alle Gesellschafter dazu, diesen gemeinsamen Zweck zu fördern und die vereinbarten Beiträge zu leisten. Eine GbR kann nicht nur Außen-, sondern auch Innengesellschaft sein.

16

Grundform der Personenhandelsgesellschaft ist die Offene Handelsgesellschaft (OHG) (§§ 105–160 HGB). Soweit das HGB keine speziellen Regelungen vornimmt, sind gem. § 105 Abs. 3 HGB die gesetzlichen Regelungen zur GbR anzuwenden, da es sich bei der OHG um eine besondere Form der GbR handelt.1 Neben der OHG nennt das HGB als weitere Personenhandelsgesellschaft die Kommanditgesellschaft (KG), deren wesentlicher Unterschied zur OHG in der Haftungsbeschränkung der Kommanditisten besteht. Die Komplementäre der KG haften wie Gesellschafter einer OHG unbeschränkt, die Kommanditisten hingegen – vereinfacht ausgedrückt – auf ihre Einlage beschränkt. Soweit §§ 161–177a HGB keine besondere Regelung vorsehen, gelten die Vorschriften zur OHG (§ 161 Abs. 2 HGB).

17

Die Partnerschaftsgesellschaft (PartG) ist ein Zusammenschluss von freiberuflich Tätigen, deren Zweck in der gemeinsamen Ausübung ihrer Berufe besteht. Die gesetzlichen Regelungen hierzu enthält das PartGG. Seit dem 19.7.2013 ist es möglich, die Haftung für Fehler im Rahmen der Berufsausübung zu begrenzen (§ 8 Abs. 4 PartGG).

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Als supranationale Personengesellschaftsform ist schließlich die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) zu nennen. Ihre europarechtliche Grundlage findet sich in der EG-Verordnung 2137/85 vom 25.7.1985. Der Gesellschaftszweck einer EWIV besteht gem. Art. 3 Abs. 1 EG-VO 2137/85 sowohl in der Erleichterung oder Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter als auch in der Verbesserung und Steigerung der Ergebnisse aus diesen Tätigkeiten.

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Die Innengesellschaften unterscheiden sich in stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen, die jeweils entweder als typisch oder als atypisch auftreten. Gesetzlich geregelt ist die stille Gesellschaft in §§ 230– 237 HGB. Der stille Gesellschafter beteiligt sich an dem Handelsgewerbe eines anderen, indem er eine Einlage leistet, die ins Vermögen des anderen übergeht. Als Gegenleistung hierfür lässt ihn der Inhaber des Handelsgeschäfts am Ergebnis teilhaben. Die Einlage geht in das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes dinglich über.2 Die Rechtsform ist „still“, weil allein der Inhaber des Handelsgewerbes nach § 230 Abs. 2 HGB aus den in dem Betrieb geschlossenen Geschäften berechtigt und verpflichtet wird; der stille Gesellschafter tritt nicht nach außen in Erscheinung. Die Gesellschaft als solche tritt nach außen gleichfalls nicht auf und zählt demzufolge zu den Innengesellschaften.3

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Die steuersystematische Einordnung der stillen Gesellschaft wie auch der Unterbeteiligung hängt ausschließlich davon ab, ob der stille Gesellschafter oder der Unterbeteiligte als Mitunternehmer (vgl. Rz. 28) qualifizieren.4 Grundsätzlich kann der stille Gesellschafter keine Mitunternehmerinitiative entfalten, da ihm nicht einmal die gesetzlichen Widerspruchsrechte des Kommanditisten iSv. § 164 HGB zustehen. Nach dem Gesetzeswortlaut in § 233 Abs. 1 HGB hat der stille Gesellschafter lediglich das Recht, den Jahresabschluss zu kontrollieren und verfügt über keinerlei Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen. Der stille Gesellschafter kann jedoch Mitunternehmer sein, wenn sein Mitunternehmerrisiko besonders stark ausgeprägt ist.5 Umgekehrt kann ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko, zB eine fehlende Beteiligung an den stillen Reserven oder der Ausschluss von der Teilhabe am Verlust, in anderen Fällen durch eine besonders stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative, hierzu gehört insbes. die Übertragung von typischen Unternehmerentscheidungen des laufenden Geschäftsbetriebs, kompensiert werden.6

1 Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, S. 5. 2 Vgl. Fischer in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 1260 (Stand: März 2016). 3 Vgl. hierzu Ulmer in MünchKomm. BGB6, § 705 Rz. 279 ff., insbes. zu weiteren Abgrenzungskriterien zur Außengesellschaft. 4 Die zivilrechtliche Unterscheidung ist davon abhängig, inwieweit die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters von dem gesetzlichen Regelstatut des HGB abweicht. Ist sie stärker ausgeprägt als das gesetzliche Leitbild, ist von einer atypisch stillen Gesellschaft auszugehen, vgl. Haep in HHR, § 15 EStG Rz. 392 (Stand Juni 2016). 5 Vgl. BFH v. 25.6.1981 – IV R 61/78, BStBl. II 1982, 59; v. 27.5.1993 – IV R 1/92, BStBl. II 1994, 700; v. 9.12.2002 – VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601. 6 Vgl. BFH v. 28.1.1982 – IV R 197/79, BStBl. II 1982, 389; v. 20.11.1990 – VIII R 10/87, BFHE 163, 336; so auch Bode in Blümich, § 15 EStG Rz. 317 (Stand März 2016); Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 344.

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B. Qualifikation als Mitunternehmerschaft

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Rz. 25 Anh. 2 §§ 238–263

Die Unterbeteiligung unterscheidet sich von der stillen Gesellschaft durch die Beteiligung am Gesell- 21 schaftsanteil eines Personengesellschafters und nicht am Handelsgeschäft.1 Bei der Unterbeteiligung handelt es sich grundsätzlich um eine GbR, wobei Rechtsbeziehungen nur zwischen dem Unterbeteiligten und dem Hauptbeteiligten bestehen, nicht aber zwischen dem Unterbeteiligten und der Personengesellschaft selbst.2 Eine eigene gesetzliche Regelung zur Untergesellschaft gibt es nicht. Typische Unterbeteiligungen sind dadurch charakterisiert, dass der Unterbeteiligte die Entscheidungsfreiheit des Hauptgesellschafters nicht beeinflussen kann und auch keine Beteiligung an den stillen Reserven im Fall der Liquidation besteht. Der atypisch Unterbeteiligte hat dagegen regelmäßig in gewissem Umfang Einfluss auf die Geschäftsführung und partizipiert zumindest im Fall der Liquidation der Gesellschaft an den stillen Reserven, wobei die konkrete Ausprägung von Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko, abhängig von der zivilrechtlichen Vertragsgestaltung, variieren.

B. Qualifikation als Mitunternehmerschaft I. Abgrenzung zur Vermögensverwaltung/volltransparente Personengesellschaft Wesentliches Merkmal für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft ist der Betrieb eines gemeinsamen 22 gewerblichen Unternehmens von mindestens zwei Personen (Mitunternehmer). Fehlt es auf Seiten der Gesellschaft oder eines Gesellschafters am Merkmal des Gewerbebetriebs iSv. § 15 Abs. 2 EStG und liegt weder eine gewerbliche Infektion (vgl. Rz. 29 ff.) der Einkünfte noch eine gewerbliche Prägung (vgl. Rz. 35 ff.) der Gesellschaft nach § 15 Abs. 3 EStG vor, so liegt keine Mitunternehmerschaft vor.3 In diesem Fall wird die Personengesellschaft für steuerliche Zwecke als volltransparent behandelt. Sie ist lediglich vermögensverwaltend tätig.4 Die aus der Beteiligung resultierenden Einkünfte werden in diesem Fall nicht als gewerbliche Einkünfte qualifiziert. Die vermögensverwaltende Personengesellschaft wird für steuerliche Zwecke „als solche“ im Rahmen der Besteuerung weitgehend ignoriert (ausgenommen ist insoweit das formelle Besteuerungsverfahren, da die Einkünfte für alle Beteiligten hier ggf. nach §§ 179 ff. AO einheitlich ermittelt werden). Im Rahmen seiner Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft erzielt der Gesellschafter lediglich Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG), es sei denn, die Beteiligung zählt zu einem Betriebsvermögen. Im letztgenannten Fall spricht man von einer sog. „Zebragesellschaft“. Die volltransparente Personengesellschaft kann insbes. als Gesellschaft mit Grundbesitz oder mit Anteilen an Kapitalgesellschaften eine Gestaltungsalternative sein. Die möglicherweise aus den zivilrechtlichen Vorschriften resultierende Verfügungsbeschränkung schlägt nicht auf das Steuerrecht durch, so dass eine Veräußerung aus dem Privatvermögen weiterhin möglich ist. Aus der Handelsregistereintragung einer KG oder OHG folgt hingegen nicht, dass die Gesellschaft einen 23 Gewerbebetrieb iSv. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hat. Nach §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2, § 2 HGB kann auch eine Personengesellschaft im Handelsregister eingetragen werden, die nur eigenes Vermögen verwaltet. Die steuerlich volltransparente Personengesellschaft existiert nicht nur, wenn natürlich Personen ihre An- 24 teile im Privatvermögen halten. Sie tritt – als Gestaltungsinstrument – häufig auch mit einer Kapitalgesellschaft oder einer gewerblich tätigen Personengesellschaft als Anteilseigner auf. In diesem Fall wird das Betriebsvermögen der volltransparenten Tochterpersonengesellschaft – mit dem zurechenbaren Anteil – wie eigenes Betriebsvermögen der Anteilseignerin behandelt. Sind sowohl natürliche Personen aus ihrem Privatvermögen als auch Kapitalgesellschaften oder Gewerbebetriebe mit Betriebsvermögen an einer volltransparenten Personengesellschaft beteiligt, liegt eine „Zebragesellschaft“ vor, bei der einige Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb, andere wiederum lediglich nicht gewerbliche Einkünfte erzielen.5

II. Vorliegen eines Gewerbebetriebs (originär gewerbliche Tätigkeit) Für ertragsteuerliche Zwecke ist die Legaldefinition eines Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG maß- 25 gebend. Zu beachten ist, dass die ertragsteuerliche Definition des Gewerbebetriebes nicht mit der handelsrechtlichen Definition eines Handelsgewerbes identisch ist. Entscheidend sind die tatsächlichen Umstände. Ist die zu beurteilende Gesellschaft eine Außengesellschaft, so müssen bei der Gesellschaft selbst alle Merk1 Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, 7. 2 Zu den sich daraus ergebenden Folgen vgl. BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316. 3 Zu den Einzelheiten des Vorliegens eines gemeinsamen gewerblichen Unternehmens: Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 180 ff. 4 Dazu Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 2015; Engel, Vermögensverwaltende Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht, 2015. 5 Vgl. hierzu BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679; v. 30.10.2002 – IX R 80/98, BStBl. II 2003, 167.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 26 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften male des § 15 Abs. 2 EStG gegeben sein.1 Im Fall einer Innengesellschaft gilt dies nicht für die Gesellschaft selbst, sondern für den im Geschäftsverkehr auftretenden Gesellschafter.2 26

Ein Gewerbebetrieb setzt gem. § 15 Abs. 2 EStG voraus, dass die Gesellschaft selbstständig und nachhaltig tätig ist, sie die Absicht verfolgt, mit ihrer Tätigkeit Gewinne zu erzielen und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegt.3 Darüber hinaus erfolgt eine Negativabgrenzung zur Land- und Forstwirtschaft, der selbstständigen Tätigkeit und der reinen Vermögensverwaltung.

III. Qualifikation des Mitunternehmers 27

Der Gesellschafter einer gewerblichen Personenhandelsgesellschaft ist nicht automatisch auch Mitunternehmer, sondern muss hierfür verschiedene Kriterien erfüllen. Eine gesetzliche Definition dieses Begriffs existiert nicht, denn § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG setzt den Begriff des Mitunternehmers lediglich mit dem des Unternehmers gleich, ohne besondere Voraussetzungen zu nennen.4 Natürliche Personen können ebenso wie juristische Personen oder auch weitere Personengesellschaften Mitunternehmer sein.5

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Der Gesellschafter ist Mitunternehmer, wenn er sowohl Mitunternehmerinitiative entfaltet als auch Mitunternehmerrisiko trägt.6 Beide Merkmale muss ein Mitunternehmer erfüllen, wobei diese unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Eine geringere Mitunternehmerinitiative kann durch ein stärker ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden und umgekehrt. Mitunternehmerinitiative bedeutet, dass der Gesellschafter auf den Erfolg des Unternehmens Einfluss nehmen kann, entweder indem er Entscheidungen (mit)trifft oder indem er die Durchsetzung von Entscheidungen der übrigen Gesellschafter jedenfalls verhindern kann. Die Mitwirkungsbefugnisse müssen dabei mindestens den Stimm- und Kontrollrechten eines Kommanditisten angenähert sein.7 Ein Gesellschafter trägt Mitunternehmerrisiko, wenn er am Erfolg der Gesellschaft, dh. am Gewinn und Verlust sowie an den in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ruhenden stillen Reserven, beteiligt ist. Eine Beteiligung an den stillen Reserven zielt dabei auf die Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Liquidation der Gesellschaft, sie ist nicht auf die Aufdeckung der stillen Reserven im laufenden Geschäftsbetrieb gerichtet.8 Ist die Beteiligung eines Gesellschafters an der Gesellschaft zeitlich befristet, so kann dies zu der Annahme führen, dass es bei diesem Gesellschafter an Mitunternehmerrisiko fehlt, wenn aufgrund der Befristung eine Teilhabe an einer Betriebsvermögensmehrung der Gesellschaft ausgeschlossen ist.9

IV. Gewerbliche Infektion 29

Wird eine Personengesellschaft nur zum Teil gewerblich tätig, so sind in der Folge auch die weiteren Einkünfte, die durch eine nichtgewerbliche Tätigkeit erzielt wurden, gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Die sog. Infektions- oder Abfärbetheorie gelangt in zwei Fällen zur Anwendung. Einerseits ist es denkbar, dass die Gesellschaft selbst nur teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich mehrere Gesellschafter zusammenschließen, von denen einige, aber nicht alle, einen freien Beruf ausüben. Die Angehörigen der freien Berufe sind dann zunächst selbständig tätig und erzielen damit Einkünfte nach § 18 EStG. Sind jedoch weitere Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt, die keinen freien Beruf ausüben, sondern deren Tätigkeit als Gewerbebetrieb zu qualifizieren ist, so infizieren diese gewerblichen Einkünfte auch die Einkünfte der übrigen Gesellschafter, so dass die Gesellschaft insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Andererseits kommt die Infektions- oder Abfärbetheorie zur Anwendung, wenn die Gesellschaft zwar nicht selbst gewerblich tätig wird, sie jedoch an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt ist. Ist die Gesellschaft an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt, infizieren die aus der Beteiligung resultierenden gewerblichen Einkünfte die übrigen Einkünfte, so dass auch in diesem Fall ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Eine bloße Beteiligung an einer gewerblichen Gesellschaft allein hat allerdings noch keine Anwendung der Infektionstheorie zur Folge, vielmehr müssen der Gesellschaft im Gewinnermittlungszeitraum auch Einkünfte aus der gewerblichen Beteiligung zugewiesen werden.10 1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 26.10.2011 – IV B 139/10, BFH/NV 2012, 263. Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 180. Ausführlich zu den einzelnen Merkmalen etwa Carlé/Bauschatz ua. in Korn, § 15 Rz. 289 ff. (Stand Juni 2016). Vgl. Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, 47. Vgl. Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, 47. Grundlegend BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768 f.). Zur Mitunternehmerstellung bei nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteilen vgl. BFH v. 6.5.2015 – II R 34/13, BB 2015, 2470 m. Anm. Kotzenberg. 8 Vgl. Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, 48. 9 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 10 Vgl. BFH v. 26.6.2014 – IV R 5/11, BStBl. II 2014, 972.

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B. Qualifikation als Mitunternehmerschaft

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Rz. 36 Anh. 2 §§ 238–263

Übt die Personengesellschaft zwei Tätigkeiten aus, von denen die eine als gewerblich, die andere als nichtgewerblich zu qualifizieren ist, und sind diese Tätigkeiten keine jeweils eigenständigen, sondern voneinander abhängig und damit zu einer einheitlichen Gesamttätigkeit zusammenzufassen, so ist maßgeblich, welche der beiden Tätigkeiten den Charakter der Gesamttätigkeit entscheidend prägt. Ist diese Prägung auf die gewerbliche Tätigkeit zurückzuführen, so werden durch die Tätigkeit insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt. Gibt dagegen die nichtgewerbliche Tätigkeit der Gesamttätigkeit dagegen ihr Gepräge, so ist die Tätigkeit insgesamt als nichtgewerblich zu qualifizieren. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG findet in diesem Fall keine Anwendung, so dass die durch die nichtgewerbliche Gesamttätigkeit erzielten Einkünfte keine Einkünfte nach § 15 EStG sind. Folge der gewerblichen Infektion ist, dass nicht nur die gewerblichen, sondern auch die infizierten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten und damit insgesamt der Gewerbesteuer unterliegen. Außerdem sind alle Wirtschaftsgüter der Gesellschaft, also auch die, die nicht der Erzielung originär gewerblicher Einkünfte dienen, als gewerbliches Betriebsvermögen zu qualifizieren. Negative Auswirkungen hat dies insbes. dann, wenn die Wirtschaftsgüter zuvor der Erzielung von Überschusseinkünften gedient haben. Sind die vormaligen Überschusseinkünfte nun als Gewinneinkünfte zu qualifizieren, so sind die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven durch den Wechsel der Einkunftsart nun steuerverstrickt. Soll die Anwendung der Infektionstheorie vermieden werden, so ist dies grundsätzlich durch die Gründung einer weiteren Personengesellschaft möglich, wenn fortan eine der Gesellschaften die gewerbliche Tätigkeit ausübt, während die andere Gesellschaft ausschließlich nichtgewerblich tätig wird. Dieses sog. Ausgliederungsmodell funktioniert jedoch nicht für den Fall, dass die nichtgewerblich tätige Gesellschaft der gewerblich tätigen Gesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage vermietet, wenn dadurch zwischen beiden Gesellschaften eine Betriebsaufspaltung begründet wird (s. dazu Rz. 39 ff.). Die durch die Vermietungstätigkeit erzielten Einkünfte würden durch die Betriebsaufspaltung zu gewerblichen Einkünften, die dann wiederum durch die Infektionstheorie die übrigen nichtgewerblichen Einkünfte der Gesellschaft gewerblich infizieren würden.1 Ist der Umfang der gewerblichen Einkünfte gemessen an den gesamten Einkünften sehr gering, so liegt ausnahmsweise kein Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG vor. Eine ausdrückliche Grenze gibt es nicht. Eine Ausnahme gilt nach der durch die Rspr. konkretisierten sog. „Bagatellgrenze“ nur dann, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse (1) nicht höher als 3 % des Gesamtnettoumsatzes und (2) nicht höher als 24.500 € sind. Die Bagatellgrenze gilt auch für gelegentliche Tätigkeiten. Eine weitere Ausnahme von der Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG kann im Fall der Erzielung von gewerblichen Einkünften im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gegeben sein. Erzielt ein Mitunternehmer gewerbliche Einkünfte in seinem Sonderbetriebsvermögen, während im Gesamthandsbereich der Personengesellschaft ausschließlich nichtgewerbliche Einkünfte erzielt werden, so hat der BFH entschieden, dass dadurch die freiberuflichen Einkünfte im Gesamthandsbereich nicht durch die Einkünfte des Sonderbetriebsvermögens infiziert werden.2

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V. Gewerbliche Prägung Als Gewerbebetrieb gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG die Tätigkeit einer Personengesellschaft auch dann, 35 wenn sie zwar keine gewerbliche Tätigkeit ausübt, deren persönlich haftende Gesellschafter jedoch eine oder mehrere Kapitalgesellschaften sind und nur diese oder Personen, die keine Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind. Die Einkünfte der Gesellschaft müssen einer Einkunftsart des EStG außer den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen sein. An der Absicht, Einkünfte zu erzielen, darf es nicht fehlen. Klassische Rechtsform der gewerblichen geprägten Personengesellschaft ist die GmbH & Co. KG, bei 36 der die GmbH die einzig unbeschränkt haftende Komplementärin ist und der oder die vorhandenen Kommanditisten dem gesetzlichen Leitbild folgend nur beschränkt haften und von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Ob die gewerbliche Prägung auch bei einer GmbH & Co. KG in Form der sog. „Einheitsgesellschaft“ (auch „Einheits-KG“ genannt) bestehen bleibt, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Kennzeichnend für die Einheitsgesellschaft ist, dass sämtliche Geschäftsanteile der einzigen Komplementärin von der Personengesellschaft selbst gehalten werden. Die Einheits-KG ist zweifelsohne zulässig und rechtlich anerkannt, wie der Gesetzgeber zB in den §§ 172 Abs. 6 und 264c Abs. 4 HGB zum Ausdruck gebracht hat. Instanzengerichte haben die gewerbliche Prägung der GmbH & Co. KG in Form der Einheitsgesellschaft in mehreren Entscheidungen bejaht.3 Dies wird im Grund1 Vgl. Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, 41. 2 Vgl. BFH v. 28.6.2006 – XI R 31/05, BStBl. II 2007, 378. 3 FG Münster v. 28.8.2014 – 3 K 743/13 F, EFG 2015, 121

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 37 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften satz auch von der Finanzverwaltung anerkannt.1 Eine höchstrichterliche Entscheidung steht allerdings noch aus.2 37

Ist eine Personengesellschaft gewerblich geprägt iSv. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, so sind alle Einkünfte der Gesellschaft als gewerblich zu qualifizieren. Eine gewerbliche Prägung hat wie auch die gewerbliche Infektion zur Folge, dass die Gesellschaft mit allen Einkünften der Gewerbesteuer unterliegt und alle in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven steuerverhaftet sind.

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Weist eine gesellschaftsvertragliche Regelung einem Kommanditisten die Geschäftsführungsbefugnis zu, was handelsrechtlich aufgrund der dispositiven Regelung des § 164 iVm § 163 HGB möglich ist, bewirkt dies auf steuerlicher Ebene, dass eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG trotz Haftungsbeschränkung vermieden wird.3 Dies eröffnet bei rein vermögensverwaltender Tätigkeit einer Personengesellschaft einen Gestaltungsspielraum, in dem die Gewerblichkeit bewusst herbeigeführt oder vermieden werden und somit auf die Einkunftsart Einfluss genommen werden kann.

VI. Betriebsaufspaltung 1. Grundlagen 39

Kennzeichnendes Element für das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung ist, dass eine ihrer Art nach nicht gewerbliche Betätigung, regelmäßig das Vermieten (Verpachten) von Wirtschaftsgütern an eine gewerbliche Betriebsgesellschaft, aufgrund einer sachlichen und personellen Verflechtung zwischen dem Vermietenden und dem Mieter in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert und der Vermieter zum Gewerbebetrieb wird.4 Für das Steuerrecht stellt sich in einer solchen Fallkonstellation jeweils die Frage, ob die isoliert betrachtet vermögensverwaltende Überlassung von Wirtschaftsgütern aufgrund der Nähe zu der gewerblichen Tätigkeit des nutzenden Betriebs selbst als gewerblich einzuordnen ist. Das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung ist gesetzlich nicht geregelt. Es beruht auf der Rspr. des RFH5 und darauf beruhend des BFH6 und ist als verfassungsgemäß anerkannt.7 Die Finanzverwaltung8 hat aus der Rspr. eine wohl allgemein gültige Definition der Betriebsaufspaltung abgeleitet, wonach eine Betriebsaufspaltung vorliegt, wenn ein Unternehmen (Besitzunternehmen) einem anderen (Betriebs-)Unternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt und eine Person oder eine Personengruppe beide Unternehmen in dem Sinne beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen. Aus dem Bestehen der Betriebsaufspaltung können sowohl Vor- als auch Nachteile erwachsen.9 2. Erscheinungsformen

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Es kann unter anderem zwischen einer echten, unechten, mitunternehmerischen und kapitalistischen Betriebsaufspaltung unterschieden werden. Die verschiedenen Begrifflichkeiten werden jedoch teilweise nicht einheitlich gebraucht. Die echte und die unechte Betriebsaufspaltung unterscheiden sich in der Weise ihrer Errichtung: Eine echte Betriebsaufspaltung entsteht durch die Aufspaltung eines bestehenden, bis dahin einheitlichen Unternehmens in ein Betriebs- und ein Besitzunternehmen. IdR wird ein neuer Rechtsträger errichtet (regelmäßig eine Kapitalgesellschaft), auf den der operative Teil des Unternehmens übertragen wird. Die bisherige Gesellschaft wird zum Besitzunternehmen und vermietet oder verpachtet das zurückbleibende Anlagevermögen. Eine unechte Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn der operative Betrieb und das Anlagevermögen bzw. Teile davon bereits bei Beginn der unternehmerischen Tätigkeit getrennt sind oder die Vermietung oder Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen später hinzutritt, etwa weil eine wesentliche Betriebsgrundlage – zB ein Grundstück – erst später von der Besitzgesellschaft erworben wird.10

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Eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn sowohl das Betriebs- als auch das Besitzunternehmen die Rechtsform einer Personen(handels-)gesellschaft haben. Auch in diesem Fall ist die Be1 Vgl. R 15.8 Abs. 6 Satz 5 EStR 2012. 2 Az. der beim BFH anhängigen Revisionsverfahren: IV R 42/14 (zu FG Münster 3 K 742/13 F); II R 60/14 (zu FG Münster 3 K 744/13 F); II R 61/14 (zu FG Münster 3 K 745/13 F). 3 Vgl. Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften7, 45; R 15.8 Abs. 6 EStR 2012. 4 Grundlegend BFH v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BStBl II 1972, 63. 5 Vgl. RFH v. 26.10.1938 – VI 501/38, RStBl. 1939, 282. 6 Vgl. etwa BFH v. 10.4.1997 – IV R 73/94, BStBl. II 1997, 569; v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254. 7 Vgl. BVerfG v. 14.1.1969 – 1 BvR 136/62, BStBl. II 1969, 389; v. 12.3.1985 – 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/ 83, BStBl. II 1985, 475. 8 Vgl. H 15.7 Abs. 4 „Allgemeines“ EStH 2015. 9 Dazu anschaulich Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 804. 10 Vgl. BFH v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BStBl, II 1972, 63.

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B. Qualifikation als Mitunternehmerschaft

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Rz. 43 Anh. 2 §§ 238–263

sitz(Personen-)gesellschaft nach Betriebsaufspaltungsgrundsätzen gewerblich tätig.1 In Abgrenzung zur mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung liegt nach hier vertretener Auffassung eine kapitalistische Betriebsaufspaltung vor, wenn das Betriebsunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft betrieben wird, während das Anlagevermögen im Eigentum der Anteilseigner der Kapitalgesellschaft oder einer von diesen errichteten Personengesellschaft steht.2 Eine Betriebsaufspaltung ist als sog. Einheits-Betriebsaufspaltung auch dann gegeben, wenn sich die Be- 42 sitzgesellschaft unmittelbar an der Betriebsgesellschaft beteiligt und dort die Mehrheit der Stimmrechte hält.3 Entsprechendes gilt, wenn das Betriebsunternehmen an der Besitz(Personen-)gesellschaft beteiligt ist.4 3. Voraussetzungen Die Betriebsaufspaltung setzt eine sachliche und eine personelle Verflechtung zwischen dem überlassenden 43 Besitzunternehmen und dem nutzenden Betriebsunternehmen voraus. – Voraussetzung für das Vorliegen einer sachlichen Verflechtung ist, dass dem Betriebsunternehmen materielle (zB Büro- bzw. Verwaltungsgebäude, Fabrikationsgebäude uÄ) oder immaterielle Wirtschaftsgüter (zB Erfindungen, Kunden-/Mandantenstamm Markenrechte) überlassen werden, die für das Betriebsunternehmen eine – von ggf. mehreren – funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, wobei die Überlassung nicht unmittelbar durch die Besitzgesellschaft zu erfolgen hat, sondern auch eine mittelbare Überlassung ausreichend sein kann.5 Die Überlassung kann entgeltlich, unentgeltlich oder teilentgeltlich erfolgen. Funktional wesentlich ist ein Wirtschaftsgut, das nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt.6 Dabei kommt es nicht darauf an, ob in dem überlassenen Wirtschaftsgut stille Reserven ruhen.7 Eine Wesentlichkeit für das Besitzunternehmen ist nicht zu fordern.8 – Die weiterhin notwendige personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben und diesen in beiden Unternehmen durchsetzen können.9 Das ist immer dann der Fall, wenn an dem Betriebsunternehmen und dem Besitzunternehmen dieselben Personen – ggf. auch mit jeweils unterschiedlichen Quoten – beteiligt sind und diese die Stimmrechte sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen ausüben können (sog. Gesellschafter- und Beherrschungsidentität).10 Geht die Berechtigung zur Stimmrechtsausübung auf einen Dritten über, etwa im Fall der Insolvenz auf den Insolvenzverwalter, führt dies mangels Möglichkeit der Stimmrechtsausübung in dem insolventen Unternehmen zum Entfallen der personellen Verflechtung.11 Ausreichend ist es allerdings, wenn am Besitz- und am Betriebsunternehmen jeweils die gleiche Personengruppe beteiligt ist, die zusammen beide Unternehmen beherrscht. Nach der sog. Personengruppentheorie ist dann regelmäßig von gleichgerichteten Interessen der Personengruppe auszugehen.12 Voraussetzung für die Anwendung der Personengruppentheorie ist allerdings, dass in dem Besitzunternehmen das Mehrheitsprinzip zumindest für die laufenden Geschäfte gilt (einschließlich der Vermietung der überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen).13 Bedürfen die entsprechenden Gesellschafterbeschlüsse der Zustimmung aller Gesellschafter, kann die Beteiligung eines auch nur gering beteiligten Nur-Besitz-Gesellschafters die personelle Ver1 Vgl. BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. 1996 II S. 82; v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. 1996 II S. 93. 2 So auch Söffing, Die Betriebsaufspaltung5, Rz. 62; anderes Begriffsverständnis Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 803. 3 Vgl. BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874. 4 Vgl. BFH v. 8.9.2011 – IV R 44/07, BStBl. II 2012, 136: v. 8.9.2011 – IV R 43/07, BFH/NV 2012, 222. 5 Vgl. BFH v. 28.11.2001 – X R 50/97, BStBl. II 2002, 363, einschränkend BFH v. 24.9.2015 – IV R 9/13, BStBl. II 2016, 154. 6 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 808 m.w.N. 7 Vgl. BFH v. 24.8.1989 – IV R 135/86, BStBl. II 1989, 1014, H 15.7 Abs. 5 „Wesentliche Betriebsgrundlage“ EStH 2015. 8 Vgl. BFH v. 14.9.1989 – IV R 142/88, BFH/NV 1990, 522; v. 26.5.1993 – X R 78/91, BStBl. II 1993, 718. 9 Vgl. BFH v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BStBl. II 72, 63; vgl. auch die Ausführungen der Finanzverwaltung in H 15.7 Abs. 6 „Allgemeines“ EStH 2015. 10 Vgl. BFH v. 24.2.2000 – IV R 62/98, BStBl. II 2000, 417. Zu Fällen mittelbarer Beherrschung vgl. BFH v. 27.8.1992 – IV R 13/91, BStBl. II 1993, 134 (Betriebsgesellschaft); v. 8.9.2011 – IV R 44/07, BStBl. II 2012, 136 (Besitzgesellschaft). Zu Fällen faktischer Beherrschung vgl. BFH v. 15.3.2000 – VIII R 82/98, BStBl. II 2002, 774; v. 21.1.1999 – IV R 96/96, BStBl. II 2002, 771. 11 Vgl. zum Konkursverwalter BFH v. 6.3.1997 – XI R 2/96, BStBl. II 1997, 460. 12 Vgl. BFH v. 2.8.1972 – IV 87/65, BStBl. II 1972, 796; v. 28.5.1991 – IV B 28/90, BStBl. II 1991, 801; vgl. auch die Ausführungen der Finanzverwaltung in H 15.7 Abs. 6 „Personengruppentheorie“ EStH 2016. 13 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 823.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 44 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften flechtung ausschließen. Ehegatten sind für die Frage der Bestimmung der personellen Verflechtung wie Dritte zu behandeln. Ist der eine Ehegatte nur an der Betriebsgesellschaft und der andere Ehegatte nur an der Besitzgesellschaft jeweils mehrheitlich beteiligt, scheidet eine Betriebsaufspaltung idR aus.1 4. Rechtsfolgen 44

Rechtsfolge der Betriebsaufspaltung ist, dass die isoliert betrachtet vermögensverwaltende Überlassung (idR Vermietung oder Verpachtung) der wesentlichen Betriebsgrundlagen bei der Besitzgesellschaft ertragsteuerlich in Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) umqualifiziert wird. Handelt es sich bei dem Besitzunternehmen um eine Personengesellschaft, wird auch eine anderweitige vermögensverwaltende Tätigkeit infiziert (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Liegen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vor, erzielen auch die Nur-Besitzpersonengesellschafter Einkünfte iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Bei der Besitzgesellschaft unterliegen die Gewinne der Gewerbesteuer.

C. Steuerliches Betriebsvermögen der Personengesellschaft I. Gesamthandsvermögen 45

Die im Außenverhältnis auftretenden Personengesellschaften (Unternehmerische GbR, OHG und KG) stellen gemäß der Vorschriften in §§ 705 ff. BGB ggf. iVm. den Verweisnormen § 105 Abs. 3 HGB und § 161 Abs. 2 HGB Gemeinschaften zur gesamten Hand dar,2 dh. die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit sind die Inhaber des Gesellschaftsvermögens.3 Damit sind alle Wirtschaftsgüter, die zivilrechtlich4 im Gesamthandseigentum der Gesellschafter einer bilanzierenden Personengesellschaft stehen, in der Handelsbilanz der Personengesellschaft nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung gem. §§ 238, 240, 242, 246 HGB vollständig auszuweisen.5 Über den Grundsatz der Maßgeblichkeit iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG – vorbehaltlich des Spezialnormenvorbehalts in § 5 Abs. 6 EStG – erfolgt der Ansatz dann als Betriebsvermögen in der Steuerbilanz der Personengesellschaft.

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Bei sämtlichen dem Gesamthandsvermögen zuzuordnenden Wirtschaftsgütern handelt es sich grundsätzlich um notwendiges Betriebsvermögen, soweit deren Betriebsvermögenseigenschaft in der Steuerbilanz nicht dadurch konterkariert wird, dass die Wirtschaftsgüter nicht der gemeinsamen Einkünfteerzielung im Rahmen der nachhaltigen Betätigung der Personengesellschaft, sondern der privaten Lebensführung einzelner oder mehrerer Gesellschafter dienen. Solche Wirtschaftsgüter sind – auch wenn sie zivilrechtlich der Personengesellschaft gehören – notwendiges Privatvermögen der Personengesellschaft oder des Gesellschafters.6 Dasselbe gilt für Wirtschaftsgüter, deren Erwerb nicht betrieblich veranlasst ist7 oder deren Zweck in der Verlustverlagerung in den gesamthänderischen Bereich besteht.8

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Neben aktiven Wirtschaftsgütern können auch passive Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören. Verbindlichkeiten sind steuerlich als Betriebsschuld zu qualifizieren, soweit sie – losgelöst von ihrem Ausweis in der Handelsbilanz – betrieblich veranlasst sind.9 Insofern ist eine Verbindlichkeit der Personengesellschaft als notwendiges Privatvermögen zu behandeln, wenn die Finanzmittel für private Zwecke der Mitunternehmer, vor allem auch nachfolgende Entnahmen, oder für gemischte Aufwendungen verwendet werden.10 Klassisches Beispiel ist die Kreditaufnahme im Betrieb mit Entnahme 1 Vgl. BFH v. 30.7.1985 – VIII R 263/81, BStBl. II 1986, 359, v. 9.9.1986 – VIII R 198/84, BStBl. II 1987, 28. 2 Neben den Personengesellschaften zählen die eheliche Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) und die ungeteilte Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB) zu den weiteren im allgemeinen Zivil- und Handelsrecht normierten Gesamthandsgebilden (vgl. auch Preißer/Missal in Preißer/Pung2, B V. Rz. 1). 3 Schäfer in MünchKomm. BGB6, § 718 Rz. 2. 4 Gleiches gilt für Wirtschaftsgüter, die der Gesamthandsebene als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen sind (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB für die Handelsbilanz und § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Steuerbilanz). 5 Fischer in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 281 (Stand März 2016). 6 Vgl. BFH v. 11.5.1989 – IV R 56/87, BStBl. II 1989, 657; v. 20.4.1999 – VIII R 63/96, BStBl. II 1999, 466. Insoweit unterscheidet sich die Personengesellschaft auch von der Kapitalgesellschaft. Bei einer Kapitalgesellschaft gehört zwingend ihr sämtliches zivilrechtliches Vermögen auch zu ihrem steuerlichen Vermögen. 7 Vgl. BFH v. 12.9.1985 – VIII R 336/82, BStBl. II 1986, 255; v. 9.5.1996 – IV R 64/93, BStBl. II 1996, 642. 8 Vgl. BFH v. 19.7.1984 – IV R 207/83, BStBl. II 1985, 6; 27.4.1990 – X B 11/89, BFH/NV 1990, 769. 9 Vgl. BFH v. 17.4.1985 – I R 101/81, BStBl. II 1985, 510; v. 24.3.1987 – I R 214/81, BFH/NV 1988, 223; v. 4.7.1990 – GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817. 10 Vgl. BFH v. 21.2.1991 – IV R 46/86, BStBl. II 1991. Die gezahlten Schuldzinsen stellen infolgedessen keine Betriebsausgaben dar. Zur betrieblichen Veranlassung von Schuldzinsen s. BFH v. 4.7.1990 – GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817 und v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 193 sowie die Anwendung der dort getroffenen Rechtsgrundsätze auch auf Personengesellschaften durch BFH v. 4.3.1998 – XI R 64/95, BStBl. II 1998, 511. Danach sind

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C. Steuerliches Betriebsvermögen

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Rz. 52 Anh. 2 §§ 238–263

der zufließenden Liquidität für private Zwecke (zB Errichtung und/oder Erweiterung der privaten Wohnimmobilie).1 Gewillkürtes Betriebsvermögen kann bei der Personengesellschaft nicht gebildet werden,2 da die Personen- 48 gesellschaft im eigentliche Sinne nur über eine betriebliche Sphäre verfügt und insofern alle Wirtschaftsgüter, die zum Gesamthandsvermögen gehören und nicht privaten Zwecken der Gesellschafter zu dienen bestimmt sind, per se zum notwendigen Betriebsvermögen der Personengesellschaft zählen.3 Für Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens, die zwar nicht unmittelbar dem Betrieb dienen, aber auch nicht privaten Zwecken der Mitunternehmer oder zu dauerhaften Verlusten führen, zB fremdvermietete Grundstücke, steht der Personengesellschaft folglich kein Willkürwahlrecht zu.4 Sie sind Betriebsvermögen.

II. Sonderbetriebsvermögen Zum Betriebsvermögen bei einer Personengesellschaft zählen neben den Wirtschaftsgütern, die zum Ge- 49 samthandsvermögen der Gesellschafter gehören, auch solche Wirtschaftsgüter, die im zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum eines oder mehrerer Gesellschafter stehen (personelle Komponente) und dem Bereich der betrieblichen Betätigung des Gesellschafters zuzurechnen sind (sachliche Komponente). Diese werden als sog. Sonderbetriebsvermögen bezeichnet. In der Handelsbilanz darf das Sonderbetriebsvermögen nicht ausgewiesen werden, weil es sich nicht um Gesamthandsvermögen, sondern um gesellschaftsfremdes Vermögen handelt.5 Gerade bei Umstrukturierung, Nachfolgemaßnahmen oder Ähnlichem birgt dies die Gefahr, dass Sonderbetriebsvermögen „übersehen“ und dadurch die Steuerneutralität der Umwandlung bzw. Nachfolge gefährdet wird. Der Begriff des Sonderbetriebsvermögens ist durch die höchstrichterliche Rspr. geprägt worden; eine Le- 50 galdefinition existiert nicht.6 Das Sonderbetriebsvermögen differenziert zwischen Wirtschaftsgütern, die objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft unmittelbar zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I) und solchen, die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft eingesetzt werden sollen (Sonderbetriebsvermögen II).7 Als Sonderbetriebsvermögen kommen sowohl aktive als auch passive Wirtschaftsgüter in Betracht. Unmit- 51 telbar durch den Betrieb der Personengesellschaft bzw. durch die Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasste Verbindlichkeiten.8 Dies sind zB Verbindlichkeiten, die zum Erwerb des Anteils, zu seiner Aufstockung oder für den Erwerb von Sonderbetriebsvermögen aufgenommen wurden. Gegenstand des Sonderbetriebsvermögens können Wirtschaftsgüter sein, die im Eigentum eines Gesell- 52 schafters allein, einer Bruchteilsgemeinschaft, die sich aus mehreren bzw. allen Gesellschaftern zusammensetzt, oder einer weiteren Gesamthandsgemeinschaft – soweit keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vorliegt9 – stehen.10 Das betreffende Wirtschaftsgut stellt dann nur insoweit Sonderbetriebsvermögen

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Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Darlehensmittel der Erwerbs- oder Privatsphäre zuzuordnen (vgl. auch BMF v. 17.11.2005 – IV B 2 - S 2144 - 50/05, BStBl. I 2005, 1019, Rz. 2, zuletzt geändert durch BMF v. 18.2.2013 – IV C 6 - S 2144/07/10001 – DOK 2013/0017820, BStBl. I 2013, 197). Eine Qualifikation der Schuldaufnahme als betrieblich, kann ggf. erreicht werden, wenn eine strenge Orientierung an dem von der Rspr. anerkannten sog. Zwei-Konten-Modell erfolgt. Bei Prüfung der Abzugsberechtigung für die Schuldzinsen ist dann aber § 4 Abs. 4a EStG zu beachten. (Devisen-)Termingeschäfte können demgegenüber gewillkürtes Betriebsvermögen einer Personengesellschaft sein (vgl. BFH v. 20.4.1999 – VIII R 63/96, BStBl. II 1999, 466). Das gilt auch für fälschlicherweise nicht bilanzierte Wirtschaftsgüter (vgl. BFH v. 19.2.1991 – VIII R 65/89, BStBl. II 1991, 789). So auch Korn in Korn, § 4 EStG Rz. 217 (Stand Feb. 2016); Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 481. Vgl. BFH v. 19.3.1981 – IV R 39/78, BStBl. II 1981, 731. Vgl. Schneider in HHR, § 15 EStG Rz. 700 (Stand Juni 2016). Vgl. exemplarisch BFH v. 9.9.1993 – IV R 14/91, BStBl. II 1994, 250; v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383; s. auch R 4.2 Abs. 2 Satz 2 EStR 2012. Vgl. BFH v. 28.1.1993 – IV R 131/91, BStBl. II 1993, 509; so auch Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 521. BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, BStBl. II 1998, 325 hat für den Fall der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung zwischen Schwesterpersonengesellschaften entschieden, dass die Qualifikation des überlassenen Vermögens als Gesellschaftsvermögens der Besitzpersonengesellschaft sowie der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dieses Vermögens als gewerbliche Einkünfte der Gesellschafter der Besitzgesellschaft Vorrang hat vor der der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen und der Einkünfte aus der Verpachtung als Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter bei der Betriebsgesellschaft; bestätigt durch BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/ 98, BStBl. I 1998, 583. Vgl. Korn in Korn, § 4 EStG Rz. 226 (Stand Feb. 2016).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 53 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften dar, als es den jeweils an der Personengesellschaft beteiligten Gesellschaftern anteilig zuzurechnen ist.1 Soweit das überlassene Wirtschaftsgut unabhängig von seiner Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehört (zB wenn eine Kapitalgesellschaft oder eine gewerblich geprägte Personengesellschaft das Wirtschaftsgut überlässt), ergibt sich eine steuerliche Bilanzierungskonkurrenz. Es ist zu entscheiden, ob das Wirtschaftsgut für steuerliche Zwecke im eigenen Betriebsvermögen des Gesellschafters zu bilanzieren ist oder als Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Mitunternehmerschaft mit der Folge, dass es in dem Ansatz der Beteiligung an der Personengesellschaft aufgeht (zur Bilanzierungstechnik s. Rz. 55 ff.). Nach hM ist diese Bilanzierungskonkurrenz dahingehend aufzulösen, dass ein Vorrang des Sonderbetriebsvermögens besteht. 53

Innerhalb des Sonderbetriebsvermögens wird zwischen notwendigem und gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen unterschieden. Als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen sind alle Wirtschaftsgüter denkbar, die auch der Einzelunternehmer dem Betriebsvermögen zuordnen kann.2 Ein diesbezüglicher objektiv erkennbarer Widmungsakt muss zum Ausdruck gebracht werden. Dies erfolgt regelmäßig durch den Ausweis der mit diesem Wirtschaftsgut zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge in der Buchführung der Personengesellschaft sowie durch Aktivierung des Wirtschaftsguts in einer Sonderbilanz für den Gesellschafter.3

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In der folgenden Übersicht sind typische Fallkonstellationen bezüglich der Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum notwendigen und gewillkürten Sonderbetriebsvermögen I bzw. II zusammengestellt: Einzelfalldarstellung

Zuzurechnende Vermögenssphäre

Grundstücksüberlassung durch Gesellschafter an Personengesellschaft zur (i) eigenen Nutzung (ii) ausschließlichen Fremdvermietung

(i) Notwendiges Sonderbetriebsvermögen I (ii) Gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen I

Vorratsgrundstück4

Gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen II

(i) Notwendiges Sonderbetriebsvermögen I Pkw-Vermietung von Gesellschafter an Personengesellschaft bei betrieblicher Nutzung von (i) mehr als 50% (ii) mindestens (ii) Gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen I (iii) Notwendiges Privatvermögen 10% bis zu 50% (iii) weniger als 10% Gesellschafter nutzt eigenen Pkw für betriebliche Zwecke zu (i) mehr als 50% (ii) mindestens 10% bis zu 50%

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(i) Notwendiges Sonderbetriebsvermögen II (ii) Gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen II

Darlehensforderung gegen die Gesellschaft

Notwendiges Sonderbetriebsvermögen I

Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn zwischen dem Unternehmen der Personengesellschaft und dem der Kapitalgesellschaft eine enge wirtschaftliche Verflechtung derart besteht, dass die Kapitalgesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der Personengesellschaft erfüllt5 und der Mitunternehmer die Kapitalgesellschaft beherrscht6

Notwendiges Sonderbetriebsvermögen II

Beteiligung an der Komplementär-GmbH7

Notwendiges Sonderbetriebsvermögen II

Sonderbetriebsvermögen wird in einer Sonderbilanz abgebildet. Die Sonderbilanz im steuerlichen Sinne ist begrifflich unbedingt zu unterscheiden von „Sonderbilanzen“ im handelsrechtlichen Sinne, nämlich Bilanzen, die aufgrund spezieller Anlässe (Liquidation, Insolvenz, Umwandlung) – außerhalb der Jahres1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 18.3.1958 – I 147/57 U, BStBl. III 1958, 262. Vgl. BFH v. 23.7.1975 – I R 210/73, BStBl. II 1976, 180; v. 21.10.1976 – IV R 71/73, BStBl. II 1977, 150. Vgl. hierzu BFH v. 7.4.1992 – VIII R 86/87, BStBl. II 1993, 21. Vgl. BFH v. 19.3.1981 – IV R 39/78, BStBl. II 1981, 731. Vgl. BFH v. 31.1.1991 – IV R 2/90, BStBl. II 1991, 786; so auch OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A - 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 23; Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 518. Kein zur Annahme von notwendigem Sonderbetriebsvermögen führender Sachverhalt liegt indessen vor, wenn die Personengesellschaft eine wesentliche Funktion der Kapitalgesellschaft erfüllt (vgl. BFH v. 31.8.2006 – IV B 20/05, BFH/NV 2006, 2257). 6 Die Beherrschung ist keine zwingende Voraussetzung, wirkt aber als ein starkes Indiz (vgl. BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BFH/NV 1998, 1025; OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A - 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 25). 7 Entspricht der stetigen höchstrichterlichen Rspr. (vgl. zB BFH v. 5.12.1979 – I R 184/76, BStBl. II 1980, 119; v. 18.5. 1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771; v. 7.12.1984 – III R 91/81, BStBl. II 1985, 241; v. 12.11.1985 – VIII R 286/81, BStBl. II 1986, 55). Dies gilt nicht, soweit der Mitunternehmer mit weniger als 10% am Stammkapital der Komplementär-GmbH beteiligt ist und die Abstimmung in den Angelegenheiten der Gesellschaft entsprechend dem gesetzlichen Regelstatut nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgt (vgl. BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, BStBl. II 2015, 705).

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C. Steuerliches Betriebsvermögen

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Rz. 60 Anh. 2 §§ 238–263

schlussbilanz – aufgestellt werden. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Dinge, die nicht verwechselt werden sollten. Das Ergebnis der Sonderbilanzen umfasst den Aufwand und Ertrag der zum steuerlichen Sonderbetriebs- 56 vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter, die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 genannten Sondervergütungen an die Gesellschafter und andere Sonderbetriebseinnahmen, die ihre Ursache im Sonderbetriebsvermögen oder in der Beteiligung an der Gesellschaft haben.1 Für Erträge und Aufwendungen aus Sonderbetriebsvermögen ist für steuerliche Zwecke ferner eine Gewinn- und Verlustrechnung für den Sonderbereich aufzustellen. Zu weiteren Aspekten der Bewertungskongruenz vgl. Rz. 93 ff.

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III. Ergänzungsbilanz In der Ergänzungsbilanz werden Wertkorrekturen zu den steuerlichen Bilanzansätzen der einzelnen, im 58 Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft stehenden Wirtschaftsgüter abgebildet, soweit die Wertdifferenzen einen oder mehrere, aber nicht alle Gesellschafter betreffen.2 Demzufolge spiegelt die Ergänzungsbilanz zugleich eine Korrektur zum individuellen Kapitalkonto des Gesellschafters in der Steuerbilanz der Personengesellschaft wider. Zusammen mit der Gesamthandsbilanz bilden die Ergänzungsbilanzen demnach das für die steuerliche Gewinnermittlung maßgebliche Kapitalkonto, um den Gewinnanteil eines Mitunternehmers iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zutreffend zu erfassen.3 Die Ergänzungsbilanz dient somit dem Zweck der „Verwirklichung des Subjektsteuerprinzips“4. Das Erfordernis einer Ergänzungsbilanz ergibt sich entweder aus dem Ausweis abweichender Anschaffungs- 59 kosten oder aus rein persönlichen Steuermerkmalen. Zum erstgenannten Anwendungsbereich zählen vor allem der Erwerb einer Beteiligung zu einem über oder unter dem Buchwert liegenden Kaufpreis, die Änderung der Beteiligungsverhältnisse, der Gesellschafterwechsel, das Ausscheiden eines Gesellschafters gegen Abfindung über oder unter dem Buchwert, die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Beteiligungen in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, soweit die Gesellschaft die Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter nicht in ihrer Gesamthands-Steuerbilanz fortführt, die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen den Mitunternehmern und der Personengesellschaft iSv. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG sowie die Einlage von Wirstchaftsgütern aus dem Privatvermögen bei Ansatz unter dem Zeitwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a oder b EStG. Zu der Fallgruppe der in einer Ergänzungsbilanz abzubildenden gesellschafterbezogenen Steuervergünstigungen gehören insbes. die Bildung steuerfreier Rücklagen nach § 6b EStG und R 6.6 EStR 2012 sowie die Inanspruchnahme erhöhter AfA, zB gem. § 7h EStG. Es ist zwischen positiven und negativen Ergänzungsbilanzen zu differenzieren. Positive Ergänzungsbilan- 60 zen sind zB zu bilden, wenn der Erwerber eines Mitunternehmeranteils mehr aufwendet, als den Bilanzansatz des zugehörigen Kapitalkontos in der Steuerbilanz der Personengesellschaft, oder, falls die Personengesellschaft eine § 6b-Rücklage in voller Höhe bildet, obwohl ein Mitunternehmer nicht die SechsJahres-Frist iSd. § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt hat.5 Dieser Mehrwert bzw. der auf den Mitunternehmer entfallende Anteil an der § 6b-Rücklage ist dann in der Ergänzungsbilanz zu aktivieren; auf der Passivseite ist in entsprechender Höhe ein Mehrkapital auszuweisen. In der Steuerbilanz der Personengesellschaft überbewertete positive Wirtschaftsgüter bzw. unterbewertete negative Wirtschaftsgüter werden spie1 Zimmermann/Hottmann ua., Die Personengesellschaft im Steuerrecht11, Abschn. B Rz. 164. 2 Vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804; v. 25.4.2006 – VIII R 52/04, BStBl. II 2006, 847; Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 460; Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft, 22: Ergänzungsbilanz als bloße „Wertkorrekturbilanz“; aA BFH v. 7.11.1985 – IV R 7/83, BStBl. II 1986, 176; v. 18.2.1993 – IV R 40/92, BStBl. II 1994, 225; v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180; Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 500 (Stand Juni 2016): die Ergänzungsbilanz ist dogmatisch als „Bruchteilsbilanz“ einzuordnen, dh., dass in den Ergänzungsbilanzen zusätzliche oder geminderte Anschaffungskosten für die dem Mitunternehmer zuzurechnenden ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögen bilanziert werden. Dieser Betrachtungsgegensatz hat aber nahezu keine praktische Bedeutung, insbes. nicht für die Fortentwicklung der Ergänzungsbilanz, so auch Kahle, FR 2013, 873 (875); Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 464. 3 Damit nehmen die Ergebnisse aus den Ergänzungsbilanzen insbes. auch am Verlustschicksal des § 15a EStG teil (vgl. BFH v. 25.4.2006 – VIII R 52/04, BStBl. II 2006, 847). Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögen sind indessen grundsätzlich unbeschränkt ausgleichs- und abzugsfähig (vgl. BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167; R 15a Abs. 2 Satz 1 EStR 2012). 4 Kahle, FR 2013, 873 (874). Hierunter ist zu verstehen, dass eine Ergänzungsbilanz erforderlich ist, wenn das Gesamthandsvermögen betreffende Sachverhalte sich nicht auf die steuerliche Gewinnermittlung der Personengesellschaft als Subjekt der Gewinnermittlung, sondern ausschließlich auf die Einkünfte des Mitunternehmers als Besteuerungssubjekt auswirken. 5 Vgl. BFH v. 13.8.1987 – VIII B 179/86, BStBl. II 1987, 782.

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Anh. 2 §§ 238–263 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften gelbildlich durch eine negative Ergänzungsbilanz ausgeglichen. Auf der Aktivseite der Ergänzungsbilanz ist demzufolge das dem Mitunternehmer zuzurechnende Minderkapital auszuweisen und auf der Passivseite werden die korrespondierenden Minderwerte gezeigt. 61

Ergänzungsbilanzen sind im Anschluss an ihre Bildung erfolgswirksam fortzuschreiben. Die daraus resultierenden Korrekturen des Gesamthandsergebnisses sind ausschließlich dem Gesellschafter zuzurechnen, für den die jeweilige Ergänzungsbilanz gebildet wurde. Die Fortentwicklung von positiven Ergänzungsbilanzen mindert und von negativen Ergänzungsbilanzen erhöht das Ergebnis der Gesamthandsbilanz.1

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Die Einzelheiten zur Fortschreibung der Ergänzungsbilanzen sind im Fachschrifttum strittig. Die hM vertritt die Ansicht, dass die Abschreibung von Anlagevermögen an die Vorgehensweise in der Steuerbilanz der Personengesellschaft gebunden ist.2 Entgegen seiner bisherigen Auffassung vertritt der BFH3 nunmehr die Rechtsposition, dass der Gesellschafter soweit wie möglich einem Einzelunternehmer, dem Anschaffungskosten für entsprechende Wirtschaftsgüter entstanden sind, gleichgestellt wird. Deshalb ist die Abschreibung auf die geltende Restnutzungsdauer vorzunehmen und dem Gesellschafter stehen zugleich die Abschreibungswahlrechte zu, die auch ein Einzelunternehmer in Anspruch nehmen könnte, wenn er ein entsprechendes Wirtschaftsgut angeschafft hätte.4 Infolgedessen können die von einem Neugesellschafter vergüteten stillen Reserven auf Wirtschaftsgüter, die bei Anschaffung oder Herstellung durch die Personengesellschaft geringwertige Wirtschaftsgüter iSv. § 6 Abs. 2 EStG waren und in deren Steuerbilanz bereits abgeschrieben sind, gleichfalls die besonderen Abschreibungsregeln von § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch nehmen, wenn sein Aufwand nicht höher ist als der seinem Mitunternehmeranteil entsprechende Anteil von 410 €.5 Darüber hinaus kann bei Wahrung der anteiligen 1.000 €-Grenze selbstverständlich auch ein Sammelposten gem. § 6 Abs. 2a EStG in der Ergänzungsbilanz gebildet werden.6 Erstmalig aktivierte immaterielle Wirtschaftsgüter, insbes. ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert, sind in der Ergänzungsbilanz nach ihrer voraussichtlichen Restnutzungsdauer bzw. nach typisierenden Sätzen, zB gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG,7 abzuschreiben. Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert sind unter der Voraussetzung einer dauerhaften Wertminderung8 auch in der Ergänzungsbilanz zulässig, soweit die in der Ergänzungsbilanz aktivierten Mehraufwendungen nicht mehr durch die anteilig auf den Mitunternehmer entfallenden stillen Reserven im Wirtschaftsgut gedeckt werden.9

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Ergänzungsbilanzen entfallen, sobald die Mitunternehmerschaft des Gesellschafters durch entgeltliche Übertragung, zB Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils oder Ausscheiden gegen Abfindung, oder aufgrund Beendigung der Personengesellschaft selbst, insbes. durch Auflösung oder Liquidation, endet. Die Auflösung der Ergänzungsbilanz erfolgt grundsätzlich erfolgswirksam und wirkt sich auf die Höhe des Veräußerungsgewinns oder -verlusts nach § 16 Abs. 2 EStG aus. Bei einer unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils hingegen schließt die zwingende Buchwertverknüpfung iSd. § 6 Abs. 3 EStG auch die Ergänzungsbilanzen mit ein.10 1 Hierzu ausführlich Schoor, StBp. 2006, 212 (213). 2 Zustimmend hinsichtlich der Anwendung der gleichen AfA-Methode wie in der Gesamthandsbilanz: BFH v. 28.9. 1995 – IV R 57/94, BStBl. II 1996, 68; Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 465; Bode in Blümich, § 15 EStG Rz. 556a (Stand März 2016); Ley, KÖSDI 2001, 12982 (12988); aA Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 500 (Stand Juni 2016); Niehus, StuW 2002, 116 (123). Größere Uneinigkeit besteht darüber, ob der aktivierte Mehrbetrag auch über dieselbe Restnutzungsdauer abzuschreiben ist. Bejahend BFH v. 28.9.1995 – IV R 57/94, BStBl. II 1996, 68; Bode in Blümich, § 15 EStG Rz. 556a (Stand Okt. 2015); aA Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 465; Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 505 (Stand Juni 2016): Die Restnutzungsdauer ist mittels Schätzung neu zu bestimmen. 3 BFH v. 20.11.2014 – IV R 1/11, BFH/NV 2015, 409 betreffend die Fortschreibung einer positiven Ergänzungsbilanz nach dem Erwerb eines Kommanditanteils. 4 Diese hätte zur Konsequenz, dass eine degressive Abschreibung auf Gebäude nach § 7 Abs. 5 EStG mangels Herstellung oder Erwerb im Jahr der Fertigstellung nicht mehr in Betracht käme. Ebenso würde die degressive AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter iSd. § 7 Abs. 2 EStG ausscheiden, soweit die Vorschrift zum Zeitpunkt des Erwerbs des Mitunternehmeranteils nicht mehr gilt, auch wenn das Wirtschaftsgut in der Gesamthandsbilanz degressiv abgeschrieben wird (so auch Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 251). 5 So bereits Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 468; Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 505 (Stand Juni 2016); aA Niehus, StuW 2002, 116 (125): Der Mehrwert ist stets voll abzugsfähig. Unter Berücksichtigung der aktuellen BFH-Rspr. ist zu erwägen, ob die Voraussetzung einer vorherigen Qualifikation als geringwertiges Wirtschaftsgut in der Steuerbilanz der Personengesellschaft entbehrlich ist. 6 Vgl. hierzu BMF v. 30.9.2010 – IV C 6 - S 2180/09/10001 – DOK 2010/0750885, BStBl. I 2010, 755 Rz. 25. 7 Nach BMF v. 15.1.995 – IV B 2 - S 2172 - 15/94, BStBl. I 1995, 14 ist für den Praxiswert von Sozietäten eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von sechs bis zehn Jahren anzunehmen. 8 Einzelheiten hierzu in BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 - S 2171-b/09/10002 – DOK 2014/0552934, BStBl. I 2014, 1162. 9 Vgl. Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 251; BFH v. 6.7.1995 – IV R 30/93, BStBl. II 1995, 831. 10 So auch Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 500 (Stand Juni 2016); Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 252 f.

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C. Steuerliches Betriebsvermögen

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Rz. 66 Anh. 2 §§ 238–263

IV. Abgrenzung Eigenkapital- und Fremdkapitalkonten Das Kapitalkonto ist das buchführungstechnische Mittel, um den jeweiligen Stand des Kapitalanteils an ei- 64 ner Personengesellschaft auszudrücken.1 Der Kapitalanteil des einzelnen Gesellschafters bei einer Personengesellschaft dient dem Zweck, die Rechtsstellung eines Gesellschafters in der Personengesellschaft rechnungsmäßig zu erfassen, die wertmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern auszudrücken und in der gesetzestypischen Gesellschaft – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag – Maßstab für die Berechnung der Gesellschafterrechte zu sein.2 Der Betrag des Kapitalanteils wird in der gesellschaftsrechtlichen Praxis regelmäßig auf verschiedene Konten (feste Kapitalkonten kombiniert mit weiteren variablen Konten) aufgegliedert.3 Der Saldo der Kapitalkonten bilden dann den Kapitalanteil eines Gesellschafters ab.4 In der Praxis sind das Zweikontensystem (Kapitalkonto I und Kapitalkonto II), das Dreikontensystem mit einem zusätzlichen Verrechnungskonto sowie das Vierkontensystem, in dem das Dreikontenmodell um ein Verlustvortragskonto ergänzt wird, üblicherweise vertreten. Daneben kann zusätzlich ein für alle Gesellschafter gesamthänderisch gebundenes Rücklagenkonto geführt werden.5 Nach der Höhe des Festkapitals richten sich regelmäßig Vermögensrechte, insbes. die Beteiligung der Ge- 65 sellschafter am Ergebnis der Personengesellschaft sowie an einem Auseinandersetzungsguthaben, und Verwaltungsrechte, vor allem das Stimmrecht.6 Das Kapitalkonto I bemisst sich nach der Höhe der ursprünglichen Einlage, die durch Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder zulässigen Mehrheitsbeschluss erhöht oder verringert sein kann.7 Um das Kapitalkonto I auf einem festen Niveau belassen zu können, müssen weitere Vermögensvorgänge (Gewinn- und Verlustanteile sowie Einlagen und Entnahmen) auf anderen Konten (Kapitalkonto II und Unterkonten) erfasst werden.8 Das Kapitalkonto II und seine Unterkonten bilden als variable Konten ein ergänzendes Eigenkapitalkonto 66 zum Kapitalkonto I.9 Die Untergliederung des Kapitalkontos II ermöglicht eine strikte Trennung von entnahme- und nicht entnahmefähigen Gewinnen sowie von Eigen- und Fremdkapitalkonto. Auf dem Kapitalkonto II werden regelmäßig die nicht entnahmefähigen Gewinne sowie etwaige zusätzliche individuell zuordenbare Pflichteinlagen der Gesellschafter gebucht. Zugewiesene Verlustanteile mindern das Kapitalkonto II entsprechend. Die stehen gelassenen Gewinne werden dann auf dem Verrechnungskonto gebucht und quasi als temporäre Darlehensgewährung der Gesellschafter an die Personengesellschaft behandelt. Insofern läge ein reines Fremdkapitalkonto vor.10 Darüber hinaus dient das Konto dazu, jederzeit fällige Ansprüche und Verbindlichkeiten zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter abzubilden.11 In das von den Gesellschaftern gemeinsam geführte gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto werden von der Gesellschafterversammlung beschlossene Rücklagen eingestellt.

1 Vgl. Roth in Baumbach/Hopt37, § 120 HGB Rz. 18; Priester in MünchKomm. HGB4, § 120 Rz. 95; Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 582 (Stand März 2016). 2 Vgl. Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264c Rz. 20. 3 Dies hat den Vorteil, dass die auf dem festen Kapitalanteil grundsätzlich basierenden Stimm- und Vermögensrechte (vgl. hierzu BGH v. 20.4.1972 – II ZR 143/69, NJW 1972, 1755) nicht ständig variieren und auf einem einheitlichen variablen Konto nicht ersichtlich ist, ob die einem Gesellschafter zustehenden Gewinne nach den Regelungen des § 121 Abs. 1 HGB entnahmefähig sind (vgl. Weitemeyer in Oetker, HGB4, § 120 Rz. 52). 4 Roth in Baumbach/Hopt, HGB37, § 120 Rz. 19; Priester in MünchKomm. HGB4, § 120 Rz. 106; Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 582 (Stand März 2016). 5 Selbstverständlich kann jede Personengesellschaft frei verfügen, ob und inwieweit eine Aufgliederung des Kapitalkontos erfolgen soll. Die hier vertretene Auffassung empfiehlt aus Gründen der Übersichtlichkeit sowie eindeutigen Abgrenzbarkeit die Implementierung aller genannten Kapitalkonten. 6 Vgl. Priester in MünchKomm. HGB4, § 120 Rz. 103. 7 Weitemeyer in Oetker, HGB4, § 120 Rz. 52; Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 587a (Stand März 2016); Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht2, § 120 HGB Rz. 46. 8 Vgl. Priester in MünchKomm. HGB4, § 120 Rz. 105; Weitemeyer in Oetker, HGB4, § 120 Rz. 51; Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 588 (Stand März 2016); Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht2, § 120 HGB Rz. 48. 9 Vgl. Carlé/Bauschatz, FR 2002, 1153 (1156). Damit das Kapitalkonto II und seine Unterkonten als Eigenkapitalkonto und nicht als Fremdkapitalposition zu klassifizieren sind, müssen die betreffenden Konten am Verlust der Personengesellschaft teilhaben (vgl. BFH v. 17.12.1980 – II R 36/79, BStBl. II 1981, 325). 10 Hierzu zählen Sonder-, Privat-, Darlehens- oder Verrechnungskonten (vgl. Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht2, § 120 HGB Rz. 49; Roth in Baumbach/Hopt, HGB37, § 120 Rz. 20). Die Rspr. stellt namentlich zumindest Beteiligungskonten und Darlehenskonten gegenüber (vgl. BGH v. 21.5.1952 – II ZR 114/51, BB 1952, 478). 11 Vgl. BGH v. 23.2.1978 – II ZR 145/76, NJW 1978, 1053.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 67 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften 67

Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalkonto richtet sich aber nicht nach der individuellen Kontenbezeichnung, sondern nach der materiellen Qualifikation der auf dem Konto erfolgten Buchungen.1 Soweit Verlustanteile auf dem jeweiligen Konto gebucht werden können und eine Verrechnung mit eventuell vorhandenen Guthaben möglich ist (Verlustdeckungsfunktion), handelt es sich bei dem Konto um ein Kapitalkonto, anderenfalls um ein Fremdkapitalkonto.2 Indiziell wirkt weiterhin, ob das Konto im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Liquidation der Personengesellschaft in die Bemessung des Ausscheidens- bzw. Liquidationsguthabens einbezogen wird. Eine etwaige Verzinsung des Kontos sowie für das jeweilige Konto geltende Verfügungsbeschränkungen sind demgegenüber für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Kontos unerheblich.3

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Eine Differenzierung zwischen Kapitalkonten und Fremdkapitalkonten ist geboten, da nur die Kapitalkonten in den Eigenkapitalausweis iSv. § 264c Abs. 2 HGB eingehen und auf den Fremdkapitalkonten Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Personengesellschaft ausgewiesen werden.4 Aus steuerlicher Sicht ist die Unterscheidung für alle steuerlichen Normen erheblich, die auf das steuerliche Kapitalkonto abstellen. Beispielsweise können dazu genannt werden: – Nur Buchungen auf einem Eigenkapitalkonto führen zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten oder können eine unentgeltliche Übertragung darstellen. – Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15a EStG. – Positives Kapitalkonto bei der Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG.

V. Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften (Spiegelbildmethode) 69

Anteile an Personengesellschaften stellen handelsrechtlich einen einheitlichen und selbständigen Vermögensgegenstand dar, der als Beteiligung iSd. § 271 Abs. 1 Satz 1 HGB auszuweisen und mit den Anschaffungskosten zu bewerten ist.5 Steuerrechtlich hingegen ist ein Anteil an einer Mitunternehmerschaft kein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut; vielmehr verkörpert die Beteiligung den ideellen Anteil des Gesellschafters an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern.6 Diese Betrachtungsweise ist Ausfluss des Transparenzprinzips der Personengesellschaft.7

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Gleichwohl ist die Beteiligung in der Steuerbilanz des Gesellschafters auszuweisen, aber nicht entsprechend einem Wirtschaftsgut selbständig zu bewerten.8 Für Zwecke der bilanziellen Abbildung hat sich in der Praxis die Spiegelbildmethode, dh. Bilanzansatz mit dem Wert des Kapitalkontos des Gesellschafters bei der Personenge-

1 Vgl. BGH v. 27.9.1982 – II ZR 241/81, NJW 1983, 164; BFH v. 17.5.1995 – II R 46/92, BFH/NV 1996, 14; v. 7.4.2005 – IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598; v. 26.6.2007 – IV R 29/06, BStBl. II 2008, 103; v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812; Oppenländer, DStR 1999, 939 (942). Die Kontobezeichnung kann aber als Auslegungshilfe fungieren (vgl. BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278). 2 Vgl. BFH v. 3.12.1980 – II R 66/77, BStBl. II 1981, 280; v. 17.12.1980 – II R 36/79, BStBl. II 1981, 325; v. 27.5.1981 – I R 123/77, BStBl. II 1982, 211; v. 3.11.1982 – II R 94/80, BStBl. II 1983, 240; v. 3.11.1993 – II R 96/91, BStBl. II 1994, 88; v. 17.5.1995 – II R 46/92, BFH/NV 1996, 14; v. 27.6.1996 – IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36; v. 4.5.2000 – IV R 16/ 99, BStBl. II 2001, 171; BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241 a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627 Rz. 4; v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713 Rz. 2; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil von Personengesellschaften des Handelsrechts, 258; Rodewald, GmbHR 1998, 521 (524). Untergliedert sich das Kapitalkonto auf mehrere Unterkonten, muss die Verrechnungsmöglichkeit auf mindestens einem Konto bestehen. 3 Hierzu ausführlich Strahl, KÖSDI 2002, 13346 (13350); Ley, KÖSDI 2002, 13459 (13459). 4 Vgl. BFH v. 5.6.2000 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344. 5 Vgl. BGH v. 10.5.1978 – II ZR 142/80, NJW 1981, 2747; Schubert/Gadek in Beck BilKomm10, § 255 HGB Rz. 141; IDW RS HFA 18 nF Rz. 2; Dietel, DStR 2002, 2140 (2140). 6 Vgl. BFH v. 25.4.1985 – IV R 83/83, BStBl. II 1986, 350; v. 6.11.1985 – I R 242/81, BStBl. II 1986, 333; v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180; OFD Frankfurt a.M. v. 16.9.2014 – S 2241 A - 99 - St 213, DStR 2014, 2180; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1112a (Stand März 2016); Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 690; aA Ley, KÖSDI, 1996, 10923 (10925); Hebeler, BB 1998, 206 (208): Die Beteiligung an einer Personengesellschaft ist ein Wirtschaftsgut und dementsprechend zu bilanzieren. 7 Vgl. Schiffers in Korn, § 5 EStG Rz. 219 (Stand Feb. 2016). 8 Vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804.

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D. Steuerliche Einkünfteermittlung bei Mitunternehmerschaften

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Rz. 73 Anh. 2 §§ 238–263

sellschaft bzw. der Summe der Anteile an den Wirtschaftsgütern der Personengesellschaft, durchgesetzt;1 diese Handhabe ist aber höchstrichterlich bisher nicht bestätigt.2 Die Notwendigkeit der vom Handelsrecht abweichenden steuerbilanziellen Behandlung ergibt sich daraus, dass Gewinne aus der Untergesellschaft den Gesellschaftern der Obergesellschaft wegen des Transparenzprinzips unmittelbar zugerechnet werden und bei dem Gesellschafter besteuert wurden bzw. besteuert werden. Folglich muss sich das Eigenkapital aus der Tochterpersonengesellschaft korrespondierend bei der Muttergesellschaft widerspiegeln. Ansonsten würden für Zwecke der Anwendung von § 15a EStG auf Ebene einer Mutterpersonengesellschaft, für die Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG (Notwendigkeit eines positiven steuerlichen Eigenkapitals für steuerneutrale Einbringungen) und auch für die Ermittlung des zutreffenden steuerlichen Veräußerungsgewinns bei Veräußerung der Mutterpersonengesellschaft falsche Werte berücksichtigt. Bei der Spiegelbildmethode ist in der Steuerbilanz des Gesellschafters die Beteiligung an der Personenge- 71 sellschaft mit seinem (anteiligen) Kapitalkonto aus der Tochterpersonengesellschaft anzusetzen. Das Kapitalkonto des Gesellschafters aus der Steuerbilanz der Personengesellschaft wird damit „gespiegelt“. Zu berücksichtigen ist hierfür auch das Kapitalkonto der Ergänzungsbilanzen.3 Nach der hier vertretenen Auffassung ist für die steuerbilanzielle Abbildung der Beteiligung an einer Tochtergesellschaft auch das Sonderbetriebsvermögen gegenüber der handelsrechtlichen Berücksichtigung umzuqualifizieren. Es ist nicht als eigene Aktivposition in der Bilanz des Gesellschafters auszuweisen, sondern in den Beteiligungsbuchwert umzugliedern (vergleichbar einem Aktivtausch). Idealerweise wird man in einer Anlage zur Steuerbilanz die Zusammensetzung der Position „Beteiligung an Tochterpersonengesellschaft“ erläutern, die sich dann ggf. aus anteiliger Gesamthandsbilanz inkl. etwaiger steuerlichen Bewertungsabweichungen sowie Ergänzungs- und Sonderbilanz ergibt. Folglich wirkt sich jeder Zu- bzw. Abgang (Entnahmen, Einlagen sowie Gewinn- und Verlustanteile) auf 72 dem Kapitalkonto der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen unmittelbar auf den Bilanzansatz der Beteiligung beim Gesellschafter aus. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf den Bilanzansatz einer Beteiligung an einer Personengesellschaft kann indessen nicht vorgenommen werden.4

D. Steuerliche Einkünfteermittlung bei Mitunternehmerschaften I. Ermittlung des Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft 1. Allgemeines § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG regelt die Ermittlung der gewerblichen Einkünfte des Mitunternehmers 73 nicht; es handelt sich „lediglich“ um eine Qualifikationsnorm. Für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns gelten die §§ 4–7k EStG. Der steuerliche Gewinnbegriff unterscheidet sich von dem des Handelsrechts. Im Handelsrecht stellt Gewinn die unter den Gesellschaftern als Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg verteilbare Größe dar (vgl. §§ 120, 231 und 275 Abs. 4 HGB). Der Gewinn im Steuerrecht ist der gemäß EStG ermittelte Ertrag des Unternehmens (§§ 4, 5 EStG). Für die steuerliche Gewinnermittlung ist daher der handelsrechtliche Jahresabschluss zu modifizieren, etwa durch Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben. Dem Ergebnis dieser Steuerbilanz sind die „Vergütungen“ iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 1 Vgl. Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 643 (Stand Juni 2016); Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1112b (Stand März 2016). Dieses Vorgehen wird von der Finanzverwaltung mitgetragen (vgl. zB OFD Koblenz v. 28.2.2007 – S 2243 A - St 31 3, DStR 2007, 992). Alternativ ist ein „Merkposten“ auszuweisen (vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 690). AA FG Hessen v. 18.10.1990 – 12 K 326/86, EFG 1991, 239, rkr.: Die Beteiligung an einer Personengesellschaft ist überhaupt nicht zu aktivieren. Kritisch auch Fromm, GmbHR 2005, 425 (426), der sich auf die fehlende gesetzliche Regelung beruft. 2 BFH v. 22.1.1981 – IV R 160/76, BStBl. II 1981, 427 hat diesbezüglich lediglich ausgeführt, dass der Ausweis der Beteiligung in der Steuerbilanz für die Gewinnermittlung keine selbstständige Bedeutung hat, da für Personengesellschaften nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine eigenständige Gewinnermittlung durchzuführen ist und der Gewinnanteil dem Gesellschafter außerhalb der eigenen Steuerbilanz zugerechnet wird. Im Übrigen wird die Darstellung mittels der Spiegelbildmethode in verschiedenen Entscheidungen zwar aufgegriffen, aber lediglich beschreibend und nicht wertend (vgl. zB BFH v. 4.3.2009 – I R 58/07, BFH/NV 2009, 1953; v. 29.8.2012 – I R 65/11, BStBl. II 2013, 555; v. 25.6.2014 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27). 3 Dies ist dem Sinn und Zweck geschuldet, dass die Spiegelbildmethode das zutreffende Verlustausgleichspotential des § 15a EStG abbildet und der zutreffenden Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei der Veräußerung des Anteils dient; vgl. Rätke in HHR, § 15 EStG Rz. 643 (Stand Juni 2016); Reiß in Kirchhof, EStG15, § 15 Rz. 265. AA, die sich für eine Einbeziehung der Sonderbilanz aussprechen, Schmid, DStR 1997, 941 (946); Ley, DStR 2004, 1498 (1500). 4 Vgl. BFH v. 20.6.1985 – IV R 36/83, BStBl. II 1985, 654; FG Hessen v. 18.10.1990 – 12 K 326/86, EFG 1991, 239, rkr.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 74 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften Nr. 2 EStG hinzuzurechnen. Die Ermittlung des steuerlichen Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft vollzieht sich daher in folgenden Schritten1: 1. Aufstellung der Handelsbilanz der Personengesellschaft. 2. Aufstellung der Steuerbilanz der Personengesellschaft, die nach Maßgabe der einkommensteuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften (§§ 4–7k EStG) aus der Handelsbilanz abgeleitet wird. 3. Aufstellung der Ergänzungsbilanzen für die Gesellschafter, die Korrekturen zu den Wertansätzen für die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der Steuerbilanz der Personengesellschaft enthalten. 4. Aufstellung der Sonderbilanzen für die Gesellschafter, in denen das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter zu aktivieren und zu passivieren ist. 74

Der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft ist verfahrensrechtlich nach § 179 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO einheitlich und gesondert festzustellen und auf die feststellungsbeteiligten Mitunternehmer zu verteilen. Der festgestellte Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft ist der dem einzelnen Gesellschafter nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels zustehende Gewinnanteil iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG.2 Jeder Gesellschafter muss den Anteil am Gewinn versteuern, der in seiner Person verwirklicht ist. Der Gewinnanteil ist bei dem betreffenden Gesellschafter in demjenigen Jahr zu erfassen, in dem der Gewinn auf Ebene der Personengesellschaft entstanden ist.3 Ein Gesellschafter partizipiert ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die Personengesellschaft am erwirtschafteten Gewinn oder Verlust. Der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft als solcher ist wesentlich für Zwecke der Gewerbesteuer, da alle Mitunternehmer gemeinsam einen einheitlichen Gewerbebetrieb in Form der Personengesellschaft betreiben, die damit Gewerbesteuersubjekt iSv. § 2 Abs. 1 GewStG und gleichzeitig Schuldnerin der Gewerbesteuer gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist. 2. Ableitung der zweistufigen Gewinnermittlung

75

Die aus der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz der Gesamthand bildet zusammen mit etwaigen Ergänzungsbilanzen der einzelnen Gesellschafter die Steuerbilanz der ersten Stufe. Die Sonderbilanzen der Gesellschafter stellen für sich die zweite Stufe der Steuerbilanz dar. Die beiden Teilergebnisse der Steuerbilanzen der ersten und zweiten Stufe werden in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft additiv zusammengeführt.4 Für Zwecke der Gewinnermittlung ist im Gesamthands-, Ergänzungs- und Sonderbereich dieselbe Methodik einheitlich anzuwenden.5

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Die Untergliederung in ein zweistufiges Modell ist aus Gründen der unterschiedlichen Vermögenssphären geboten. Die erste Stufe (zu den Einzelheiten vgl. Rz. 81 ff.) umfasst das der Personengesellschaft gehörende Vermögen (Gesamthandsvermögen), während die zweite Stufe (zu den Einzelheiten vgl. Rz. 91 ff.) das im Alleineigentum oder Miteigentum der Gesellschafter stehende Vermögen betrifft. Die Systematik trägt dem Umstand Rechnung, dass Sondervergütungen, die der Mitunternehmer für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft bezieht, sowie sonstige Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben zu den gewerblichen Einkünften der Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG gehören.6 Die Hinzurechnung von Sondervergütungen verhindert, dass Auszahlungen von der Personengesellschaft an ihre Gesellschafter aufgrund von internen Leistungsbeziehungen den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft schmälern.7

1 Darstellung angelehnt an Zimmermann/Hottmann ua., Die Personengesellschaft im Steuerrecht11, Abschn. B Rz. 164. 2 Vgl. BFH v. 21.4.1988 – IV R 80/86, BStBl. II 1988, 883 unter 1.b bb der Entscheidungsgründe; v. 25.6.1984 – GrS 4/ 82, BStBl. II 1984, 751 unter C.II.3.c aa der Entscheidungsgründe. 3 BFH v. 23.5.1979 – I R 56/77, BStBl. II 1979, 763 versteht den Begriff „bezogen“ aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG als zeitliches Zuordnungsmerkmal. 4 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 401; BFH v. 14.11.1985 – IV R 63/83, BStBl. II 1986, 58; v. 11.3.1992 – XI R 38/89, BStBl. II 1992, 797; v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BStBl. II 2008, 174. 5 Vgl. BFH v. 11.3.1992 – XI R 38/89, BStBl. II 1992, 797 unter II. der Entscheidungsgründe; v. 14.5.2002 – VIII R 30/ 98, BStBl. II 2002, 741 unter I.1. der Entscheidungsgründe. 6 So auch Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 450 (Stand Juni 2016); BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 unter C.II.3. der Entscheidungsgründe. 7 Vgl. BFH v. 19.2.1981 – IV R 141/77, BStBl. II 1981, 433 unter 2. der Entscheidungsgründe.

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D. Steuerliche Einkünfteermittlung bei Mitunternehmerschaften

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Rz. 81 Anh. 2 §§ 238–263

Die Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft stellt sich dann systematisch wie folgt dar1:

77

Ergebnis der Steuerbilanz der Personengesellschaft +/– Ergebnis etwaiger Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter +/– Außerbilanzielle Korrekturen =

Steuerbilanzergebnis der Personengesellschaft (erste Gewinnermittlungsstufe)

+/– Ergebnis des Sonderbereichs der Gesellschafter (zweite Gewinnermittlungsstufe) =

Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft

3. Gewinn- und Verlustverteilung Der Gewinn bzw. der Verlust einer Personengesellschaft verteilt sich grundsätzlich nach Köpfen (vgl. 78 § 722 BGB). Die gesetzlichen Regelungen für die OHG in § 121 HGB sehen vorab eine Verzinsung des Kapitalanteils iHv. 4 % vor, ehe die Verteilung nach Köpfen durchzuführen ist. Die Vorabkapitalverzinsung kennt auch die KG nach § 168 iVm. § 121 HGB, wobei der Restgewinn angemessen zu verteilen ist.2 Eine angemessene Gewinnverteilung gilt gem. § 231 HGB auch für den Gewinn bzw. Verlust der atypisch stillen Gesellschaft. Die tatsächlichen Regelungen über die Gewinn- und Verlustverteilung innerhalb einer Personalgesellschaft sind aber prinzipiell gesellschaftsvertraglich abbedungen. Die Gesellschafter sind in der Ausgestaltung des Gewinnverteilungsschlüssels vollkommen frei. Den gesetzlich vorgegebenen oder gesellschaftsvertraglich abbedungenen Bestimmungen über die Gewinn- 79 und Verlustverteilung ist für Zwecke der steuerlichen Gewinnverteilung zu folgen.3 Bei Familienpersonengesellschaften ist jedoch die Angemessenheit der Gewinnverteilungsabrede zu überprüfen, weil der zwischen fremden Dritten Gesellschaftern grundsätzlich bestehende Interessengegensatz bei nahestehenden Personen nicht unterstellt werden kann.4 Hält die vereinbarte Gewinnverteilungsabrede einem Fremdvergleich nicht stand, ist eine davon abweichende, angemessene Verteilung des Gewinns vorzunehmen.5 Ferner ist für die steuerliche Anerkennung die tatsächliche Durchführung der vereinbarten Gewinnverteilung sicherzustellen.6 Die Änderung der geltenden Gewinnverteilungsabrede kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft angesto- 80 ßen werden. Entsprechende Anpassungen sind auch für steuerrechtliche Zwecke zu berücksichtigen.7 Handelsrechtlich können auch Anpassungen mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen werden. Steuerrechtlich gilt indessen ein Rückwirkungsverbot für die Änderung von Gewinnverteilungsabreden.8 Dies gilt nicht, soweit eine bereits mündlich getroffene Absprache nunmehr nachträglich schriftlich fixiert wird.

II. Einzelheiten der Gewinnermittlung auf der ersten Stufe 1. Allgemeines Auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung wird ausschließlich der Gewinn aus dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft ermittelt. Ausgangsgröße für den Betriebsvermögensvergleich ist die Handelsbilanz nach §§ 238 ff. HGB. Die in der Handelsbilanz aktivierten Vermögensgegenstände und passivierten Schulden stehen vollzählig im Gesamthandseigentum der Personengesellschaft. In der daraus ab1 Darstellung angelehnt an Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 450 (Stand Juni 2016). 2 Gründe für die Vornahme einer angemessenen Gewinn- bzw. Verlustverteilung sind die Geschäftsführungstätigkeit, die unbeschränkte Haftung sowie das Wettbewerbsverbot der Komplementäre einer KG. 3 Vgl. BFH v. 22.5.1990 – VIII R 41/87, BStBl. II 1990, 965 unter 3. der Entscheidungsgründe. 4 Vgl. BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 unter IV.2.b aa der Entscheidungsgründe. In H 15.9 Abs. 3 „Allgemeines“ EStH 2015 hat die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Aufnahme von nahen Familienangehörigen als Kommanditisten oder atypisch stille Gesellschafter an einer Personengesellschaft Durchschnittsrenditen beziffert, bei deren Erreichen durch die eingetretenen Gesellschafter von einem angemessenen Gewinnverteilungsschlüssel auszugehen ist. 5 Vgl. BFH v. 21.9.2000 – IV R 50/99, BStBl. II 2001, 299 unter I.3.b der Entscheidungsgründe. 6 Vgl. BFH v. 7.7.1983 – IV R 209/80, BStBl. II 1984, 53 unter 2. der Entscheidungsgründe. 7 Besondere Anforderungen im Hinblick auf die steuerliche Anerkennung einer (unterjährig) geänderten Gewinnverteilungsabrede sind bei Familienpersonengesellschaften zu beachten. 8 Vgl. BFH v. 21.12.1972 – IV R 194/69, BStBl. II 1973, 3789 unter II. der Entscheidungsgründe; v. 12.6.1980 – IV R 40/77, BStBl. II 1980, 723 unter 1.b der Entscheidungsgründe; v. 17.3.1987 – VIII R 293/82, BStBl. II 1987, 558 unter 2. der Entscheidungsgründe.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 82 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften geleiteten Steuerbilanz stellt das handelsrechtliche Vermögen der Personengesellschaft aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich einkommensteuerrechtlich notwendiges Betriebsvermögen dar.1 Stimmen die handels- und steuerrechtlichen Bilanzansätze überein, liegt eine sog. Einheitsbilanz vor. Von der Handelsbilanz abweichende Bilanzansätze in der Steuerbilanz aufgrund unterschiedlicher Bilanzierungs- oder Bewertungsvorschriften sind durch die Erstellung einer Überleitungsrechnung iSv. § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV oder einer den steuerlichen Vorschriften entsprechenden eigenen Steuerbilanz nach § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV kenntlich zu machen.2 In der Steuerbilanz ist einheitlich zu bilanzieren, dh. Ansatz- und Bewertungswahlrechte sind von allen Gesellschaftern einheitlich für die Personengesellschaft auszuüben.3 Ausnahmen gelten im Hinblick auf personenbezogene Steuervergünstigungen, da die Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme in der Person des individuellen Gesellschafters erfüllt sein müssen.4 Diese Besonderheiten werden über Ergänzungsbilanzen abgebildet (s.o. Rz. 58 ff.). Zur Ermittlung des Steuerbilanzgewinns der Personengesellschaft auf der ersten Stufe sind zusätzlich außerbilanzielle Korrekturen, die sich ua. aus nicht abziehbaren Betriebsausgaben iSv. § 4 Abs. 4a und Abs. 5 EStG oder steuerfreien Einnahmen, etwa Investitionszulagen,5 ergeben, vorzunehmen. Dies gilt vor allem auch im Hinblick auf die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, zB auf Dividendenerträge. Zu einzelnen Besonderheiten s. nachfolgend Rz. 82–90. 2. Nutzungsentnahme/private Kfz-Nutzung 82

Die zeitlich begrenzte, unentgeltliche Nutzung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Personengesellschaft für private Zwecke eines Gesellschafters stellt steuerlich eine Aufwands- bzw. Nutzungsentnahme dar.6 Im Zuge der außerbetrieblichen Verwendung eingetretene Vermögensminderungen sind bei der Ermittlung des Steuerbilanzgewinns der Personengesellschaft durch Hinzurechnung der entsprechenden Aufwendungen gewinnerhöhend zu berücksichtigen.7

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Die Nutzung eines zum Gesamthandsvermögen gehörenden Kfz. für Privatfahrten der Gesellschafter zählt zu den am häufigsten auftretenden Nutzungsentnahmen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Abweichend von der allgemeinen Bewertungsnorm für Entnahmen in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG wird der Entnahmewert für die private Kfz.-Nutzung bei zu mehr als 50% betrieblicher Nutzung durch die Spezialvorschrift in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG nach den Selbstkosten bestimmt. Danach ist die Entnahmebewertung entweder pauschal nach der Bruttolistenpreismethode oder alternativ unter bestimmten Voraussetzungen anhand der Fahrtenbuchmethode durchzuführen.8 Bei der Bruttolistenpreismethode ist die private Nutzung für jeden Kalendermonat mit 1% des auf 100 € abgerundeten inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der Kosten für die Sonderausstattung und einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. In der Fahrtenbuchmethode können die anteiligen auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, die aus Belegen und Aufzeichnungen in einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch über das Verhältnis der betrieblichen zur privaten Kfz.-Nutzung hervorgehen. Die Wahl der Ermittlungsmethode ist im Rahmen des Einreichens der Steuererklärung beim Finanzamt vorzunehmen; die Methodenwahl muss für das Wirtschaftsjahr einheitlich getroffen werden.9 1 Vgl. BFH v. 22.5.1975 – IV R 193/71, BStBl. II 1975, 804 unter 1. der Entscheidungsgründe; v. 16.3.1983 – IV R 36/ 79, BStBl. II 1983, 459 unter 3.a der Entscheidungsgründe. 2 Abweichende Bilanzansätze ergeben sich zB aus dem Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter in § 5 Abs. 2 EStG, dem Passivierungsverbot für Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in § 5 Abs. 4a EStG, der Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen nur bei Vorliegen einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG oder der fixen Abschreibungsdauer für den derivativen Firmenwert von 15 Jahren gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG. 3 Vgl. Tiede in HHR, § 15 EStG Rz. 468 (Stand Juni 2016); Crezelius in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 237 (Stand Juni 2016); BFH v. 7.8.1986 – IV R 137/83, BStBl. II 1986, 910 unter 3.b der Entscheidungsgründe. 4 Hierzu zählen zB erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen nach §§ 7d, 7g und 7k EStG sowie steuerfreie Rücklagen gem. § 6b EStG und R 6.6 EStR. 5 Die Investitionszulage gehört nach § 13 Satz 1 InvZulG 2010 nicht zu den Einkünften iSd. EStG. 6 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15 Rz. 435. 7 So auch BFH v. 23.3.1995 – IV R 94/93, BStBl. II 1995, 637 unter 2. der Entscheidungsgründe. 8 Liegt das betriebliche Nutzungsverhältnis zwischen 10% und 50%, sind die anteilig auf die – notfalls im Schätzungswege ermittelten – Privatfahrten entfallenden Aufwendungen als Entnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG anzusetzen. Die betriebliche Kfz.-Nutzung muss aber mindestens 10% umfassen, da das Wirtschaftsgut anderenfalls notwendiges Privatvermögen darstellt (vgl. R 4.2 Abs. 1 Satz 5 EStR 2012; BFH v. 21.9.1995 – IV R 50/93, BFH/NV 1996, 460 unter 2. der Entscheidungsgründe; v. 3.10.1989 – VIII R 184/85, BStBl. II 1990, 319 unter 1. der Entscheidungsgründe). Eine Entnahmehandlung kann dann nicht mehr gegeben sein. 9 Vgl. BMF v. 18.11.2009 – IV C 6 - S 2177/07/10004 – DOK 2009/0725394, BStBl. I 2009, 1326 Rz. 8, zuletzt geändert durch BMF v. 15.11.2012 – IV C 6 - S 2177/10/10002 – DOK 2012/1038276, BStBl. I 2012, 1099.

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D. Steuerliche Einkünfteermittlung bei Mitunternehmerschaften

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Rz. 87 Anh. 2 §§ 238–263

Nutzt ein Gesellschafter das ihm überlassene Kfz. auch für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte, 84 sind die nicht als Betriebsausgaben abziehbaren Aufwendungen gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG iHd. positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises iSv. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 oder Abs. 2 EStG ergebenden Betrag zu berechnen.1 3. Abzugsbeschränkung für Schuldzinsen (§ 15a EStG) Ein Kommanditist nimmt gem. § 167 HGB an dem Verlust einer KG nur bis zum Betrag seines Kapital- 85 anteils und seiner noch rückständigen Einlage teil.2 Damit sich der einem beschränkt haftenden Gesellschafter zuzurechnende Anteil am Verlust3 einer Personengesellschaft ausschließlich im Umfang seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung steuerlich auswirkt, regelt § 15a EStG, dass der auf den Kommanditisten entfallende Verlustanteil nur mit anderen Einkünften ausgeglichen werden darf, soweit dieser zu einem Kapitalverzehr führt oder aufgrund einer bestehenden Haftung eine gegenwärtige Vermögensminderung bedeutet.4 Insofern ist eine uneingeschränkte Verlustverrechnung dann möglich, wenn der Verlustanteil durch einen positiven Bestand des Kapitalkontos aus geleisteter Einlage, erhöht um stehen gelassene Gewinne und nachträgliche Einlageleistungen, gemindert um frühere Verluste und Entnahmen, gedeckt ist,5 oder bis zur Höhe der noch ausstehenden Pflichteinlage.6 Nach dem Gesetzeswortlaut in § 15a Abs. 1 EStG sind die einem Kommanditisten zugewiesenen Verlust- 86 anteile, die zur Bildung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führen, im Jahr ihrer Entstehung uneingeschränkt ausgleichs- und abzugsfähig, wenn eine entsprechende Außenhaftung besteht.7 Fehlt eine solche Außenhaftung, sind die Verlustanteile zeitlich unbegrenzt mit künftigen Gewinnen des Kommanditisten aus seiner Beteiligung an der Personengesellschaft verrechenbar.8 Bei doppelstöckigen Personengesellschaften findet § 15a EStG auf jeder Ebene gesondert Anwendung. Lediglich der ausgleichsfähige Verlust der Untergesellschaft wird Bestandteil der Aufteilung in ausgleichsfähigen und verrechenbaren Verlust bei ihrer Obergesellschaft, die wiederum für deren Gesellschafter maßgeblich ist.9 Möglich ist, vor Ende eines Wirtschaftsjahres durch Einlagen in das Gesellschaftsvermögen oder Eintragung weiterer Haftsummen zusätzliches Verlustausgleichspotential zu schaffen. Zur Vermeidung lediglich vorübergehender Gestaltungen sieht § 15a Abs. 3 EStG vor, dass Entnahmen in folgenden Wirtschaftsjah1 Sollte die private Kfz.-Nutzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit den geschätzten tatsächlichen Aufwendungen ermittelt werden, treten an die Stelle der pauschalen 0,03% die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen. 2 Vgl. Roth in Baumbach/Hopt37, § 167 HGB Rz. 2. Die Einlage gilt erst bei Zufluss des zu erbringenden Vermögenswerts in das Vermögen der Personengesellschaft unter Einflussnahme auf das Kapitalkonto als tatsächlich geleistet (vgl. BFH v. 29.8.1996 – VIII B 44/96, BFH/NV 1997, 153; v. 10.7.2001 – VIII R 45/98, BStBl. II 2002, 339; v. 7.8. 2002 – VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577; v. 3.12.2002 – IX R 24/00, BFH/NV 2003, 894; v. 18.12.2003 – IV B 201/ 03, BStBl. II 2004, 231; v. 7.10.2004 – IV R 50/02, BFH/NV 2005, 533). 3 Hierunter ist der auf den Gesellschafter entfallende Verlustanteil aus der Steuerbilanz der Personengesellschaft einschließlich des Ergebnisses aus einer etwaigen Ergänzungsbilanz zu verstehen. Aufwand und Ertrag des in Sonderbilanzen ausgewiesenen aktiven und passiven Sonderbetriebsvermögens sowie die sonstigen Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben iSd. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 EStG bleiben bei der Ermittlung außer Betracht (vgl. BFH v. 14.5.1991 – VIII R 68/87, BFH/NV 1991, 824; v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167; v. 14.12.1995 – IV R 106/94, BStBl. II 1996, 226; v. 24.1.1996 – I R 74/94, BStBl. II 1996, 441; v. 13.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163; v. 23.2.1999 – VIII R 29/98, BStBl. II 1999, 592; v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347; 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 711; BMF v. 20.2.1992 – IV B 2 - S 2241a - 8/92, BStBl. I 1992, 123, Rz. 1.1, ergänzt durch BMF v. 15.12.1993 – IV B 2 - S 2241a - 57/93, BStBl. I 1993, 976; R 15a Abs. 2 Satz 1 EStR 2012). 4 Vgl. von Beckerath in Kirchhof, EStG15, § 15a Rz. 1. 5 Vgl. BFH v. 19.5.1987 – VIII B 104/85, BStBl. II 1988, 5; v. 14.5.1991 – VIII R 111/86, BStBl. II 1992, 164. 6 Falls die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme die geleistete Pflichteinlage übersteigt, ist sie für das Verlustausgleichsvolumen maßgeblich, dh. inwieweit der Gesellschafter im Außenverhältnis den Gläubigern der Personengesellschaft haftet (vgl. BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272). Das Verlustausgleichsvolumen wird auch nicht dadurch erweitert, dass § 167 Abs. 3 HGB abbedungen ist, also sich der Gesellschafter im Innenverhältnis verpflichtet hat, die Verbindlichkeiten der Personengesellschaft unbeschränkt nach Maßgabe seines Verlustanteils zu übernehmen, vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 15a Rz. 62; Lüdemann in HHR, § 15a EStG Rz. 87 (Stand Juni 2016). 7 Ein zugewiesener Verlustanteil, der nicht zu der Bildung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führt, ist im Umkehrschluss grundsätzlich uneingeschränkt mit anderen Einkünften ausgleichbar. 8 Vgl. Lüdemann in HHR, § 15a EStG Rz. 13 (Stand Juni 2016). Der nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten ist gem. § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG jährlich gesondert festzustellen. 9 Die Verlustausgleichsbeschränkung entfällt damit nicht, sondern tritt mittelbar über die Obergesellschaft ein (vgl. hierzu BFH v. 7.10.2004 – IV R 50/02, BFH/NV 2005, 533).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 88 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften ren, die zu einem negativen Kapitalkonto führen oder dieses erhöhen (sog. Einlageminderung), und Beträge, um die in den folgenden Jahren die Haftung herabgesetzt wird (sog. Haftungsminderung), dem Kommanditisten im Jahr der Minderung in gleicher Höhe als fiktiver laufender Gewinn zugerechnet werden.1 Im Ergebnis wird der betreffende Kommanditist so gestellt, als ob er von vornherein eine geringere Einlage geleistet bzw. eine geringe Haftung bestanden hätte, und der Umfang der ausgleich- und abziehbaren Verluste wird auf das von dem Sinn der Vorschrift bezweckte Maß zurückgeführt. 88

Mit der Umsetzung des JStG 20092 wurde ein neuer Abs. 1a in § 15a EStG eingefügt, der die Behandlung sog. „nachträglicher Einlagen“ regelt. Hierunter versteht § 15a Abs. 1a Satz 2 EStG Einlagen, die nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres geleistet werden, in dem ein nicht ausgleichs- oder abzugsfähiger Verlust entstanden oder ein Gewinn iSd. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG zugerechnet worden ist. Solche Einlagen führen bis zur Höhe des Verlusts zu sofort ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten, da sich insoweit das Kapitalkonto nicht mindern kann; sie führen aber nicht zu einer nachträglichen Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit eines vorhandenen verrechenbaren Verlusts.3 Daher sollte vor der Zuführung von Einlagen geprüft werden, ob die Höhe der Einlagen den voraussichtlichen Verlustanteil im dem Wirtschaftsjahr überschreitet, das Kapitalkonto zum Ende des Wirtschaftsjahres trotz Einlage negativ bleibt und in den Folgejahren weitere Verlustanteile zu erwarten sind. 4. Gewinnausschüttungen aus Kapitalgesellschaftsbeteiligungen

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Zu den Beteiligungserträgen gehören ua. Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften, insbes. Dividenden. Hinsichtlich der Besteuerung von Beteiligungserträgen ist im Hinblick auf die Transparenz der Personengesellschaft bei der subjektiven Einkünftezurechnung die Gesellschafterebene zu betrachten. Als Gesellschafter einer Personengesellschaft kommen natürliche Personen, Kapitalgesellschaften oder wiederum Personengesellschaften in Betracht. Handelt es sich bei dem Mitunternehmer um eine natürliche Person, sind nach dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d iVm. Satz 2 EStG Dividendenbezüge aus offenen oder verdeckten Gewinnausschüttungen zu 40% steuerfrei gestellt.4 Etwaige mit diesen Erträgen zusammenhängende Aufwendungen sind korrespondierend nach § 3c Abs. 2 EStG nur iHv. 60% abziehbar. Bei einer Kapitalgesellschaft als Gesellschafter bleiben Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 1 iVm. Abs. 6 KStG in voller Höhe von der Steuer befreit. Allerdings gelten gem. § 8b Abs. 5 Satz 1 iVm. Abs. 6 KStG pauschal 5% der steuerfreien Bezüge als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Dafür werden die tatsächlich im Zusammenhang stehenden Aufwendungen in voller Höhe steuerwirksam berücksichtigt, da nach § 8b Abs. 5 Satz 2 iVm. Abs. 6 KStG das (Teil-)Abzugsverbot in § 3c EStG keine Anwendung findet. Die Steuerbefreiung ist folgerichtig, um einen bereits der Einkommensbesteuerung auf Ebene der Kapitalgesellschaft unterworfenen Gewinn nicht mehrfach zu belasten. Die zuvor genannten Grundsätze gelten auch, wenn die natürliche Person bzw. Kapitalgesellschaft mittelbar über eine doppelstöckige Personengesellschaft Gesellschafter der Personengesellschaft ist.

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Der Beteiligungsertrag wird buchhalterisch über die Bruttomethode erfasst. Danach ist der Dividendenanspruch in der Personengesellschaft zunächst brutto als Forderung gegen die Kapitalgesellschaft zu verbuchen. Als Gegenkonto wird das Ertragskonto für Beteiligungserträge verwendet. Bei Zufluss des Dividendenbezugs wird die Forderung gegen den Nettozufluss auf dem Bankkonto ausgebucht. Die Differenz in Höhe der Abzugsteuern (Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag) wird auf der Sollseite entweder als Privatentnahme des Gesellschafters verbucht oder dem Verrechnungskonto des Gesellschafters belastet.

1 BFH v. 30.8.2001 – IV R 4/00, BStBl. II 2002, 458 unter 2.a der Entscheidungsgründe versteht unter dem hinzuzurechnenden Betrag keinen „Gewinn“ aus der Beteiligung an der KG, sondern nur einen Rechnungsposten, der zwecks Umpolung ausgleichsfähiger in verrechenbarer Verluste wie ein Gewinn zugerechnet wird. Infolgedessen kann der Betrag selbst nicht nach § 15a Abs. 2 EStG mit verrechenbarem Verlust verrechnet werden, vgl. Korn in Korn, § 15a EStG Rz. 65 (Stand Feb. 2016). Der ausgleich- und abziehbare Verlust wird damit quasi in einen nur noch verrechenbaren Verlust umgepolt, vgl. Lüdemann in HHR, § 15a EStG Rz. 146 (Stand Juni 2016). 2 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 3 Diese Regelung ist nicht systemimmanent, da § 15a Abs. 3 EStG vorsieht, dass eine Einlageminderung zu einer Umqualifizierung ausgleichsfähiger Verluste in nur verrechenbare Verluste führt. Folglich müsste eine nachträgliche Einlageerhöhung entsprechend Verlustausgleichspotential schaffen, da der Kommanditist die vorherigen Verluste mit der späteren Einlage trägt, vgl. von Beckerath in Kirchhof, EStG15, § 15a Rz. 48. 4 Das Teileinkünfteverfahren ist gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 GewStG auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen.

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D. Steuerliche Einkünfteermittlung bei Mitunternehmerschaften

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Rz. 95 Anh. 2 §§ 238–263

III. Einzelheiten der Gewinnermittlung der zweiten Stufe 1. Allgemeines Im Zuge der additiven Gewinnermittlung werden die Ergebnisse des Sonderbereichs zu dem Steuerbilanz- 91 gewinn der Personengesellschaft addiert. Im § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG sind typische schuldrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter genannt, deren Vergütungen zu den gewerblichen Einkünften der Mitunternehmer gezählt werden. Im Einzelnen sind das: – die Tätigkeit im Dienst der Personengesellschaft; – die Hingabe von Darlehen an die Personengesellschaft; – die Überlassung von Wirtschaftsgütern an die Personengesellschaft. Daneben führen sonstige Einnahmen und Ausgaben aus einem Leistungsaustausch, der durch das Betei- 92 ligungsverhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter veranlasst ist, zu der Qualifikation als gewerbliche Einkünfte des Mitunternehmers in Form von Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben.1 Die Norm erfüllt insoweit den Zweck einer Zuordnung von Einkünften, zB wird der auf schuldrechtlicher Grundlage von der Personengesellschaft an einen ihrer Gesellschafter gezahlte Arbeitslohn von nichtselbständigen Einkünften iSv. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu gewerbliche Einkünften nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG umqualifiziert. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG hat als Spezialnorm Vorrang gegenüber den übrigen Einkünften.2 2. Korrespondierende Bilanzierung Die durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG erfassten Rechtsbeziehungen sind in der Steuer- 93 bilanz der Personengesellschaft und den betreffenden Sonderbilanzen der Gesellschafter korrespondierend zu bilanzieren.3 Das Prinzip der additiven Gewinnermittlung mit korrespondierender Bilanzierung führt – unabhängig von Bilanzierungs- und Bewertungsnormen – zu zeit- und betragsgleichen Aufwands- und Ertragspositionen bzw. gleichhohen Aktiv- und Passivposten in der Steuerbilanz der Personengesellschaft und den Sonderbilanzen der Gesellschafter.4 Ausnahmen können allerdings in bestimmten Ausnahmefällen existieren. Erwirbt der Gesellschafter einer 94 Personengesellschaft in der Krise beispielsweise eine Forderung eines Kreditinstituts zu einem unter dem Nominalbetrag liegenden Wert, so hat das Anschaffungskostenprinzip Vorrang gegenüber der korrespondierenden Bilanzierung. In der Sonderbilanz wird die Forderung mit den Anschaffungskosten ausgewiesen. Die Verbindlichkeit in der Gesamthandsbilanz bleibt indes mit dem höheren Nominalbetrag bzw. Rückzahlungsbetrag passiviert. Diese Struktur ist in Sanierungsfällen häufig anzutreffen, da sie die Entstehung eines Gewinns auf Gesamthandsebene bei Forderungserwerb durch die Personengesellschaft bzw. Darlehenserlass des Gläubigers temporär verhindert. Allerdings besteht dann ein latentes Steuerrisiko bzw. eine latente Steuerlast bis zur Auflösung der Struktur. 3. Abgrenzung zum Gewinnvorab Entgelte für Leistungen des Gesellschafters an seine Personengesellschaft sind Sondervergütungen, soweit dem Leistungsaustausch ein gesondert vereinbartes Schuldverhältnis zugrunde liegt. Eine tatsächliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Leistungsbeziehung ist nicht erforderlich. Maßgebend ist eine auf einem schuldrechtlichen Vertrag (sog. Drittverhältnis) beruhende Leistung des Gesellschafters an die Personengesellschaft gegen besondere Vergütung.5 Eine Sondervergütung kann sich aber auch originär aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, falls die gesellschaftsrechtliche Abrede besteht, dass das Entgelt Auf1 Vgl. BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757 unter 4.c der Entscheidungsgründe; v. 27.5.1981 – I R 112/79, BStBl. II 1982, 192 unter II.3.b der Entscheidungsgründe. 2 Vgl BFH v. 18.7.1979 – I R 199/75, BStBl. II 1979, 750 unter II.2.b aa der Entscheidungsgründe. 3 Vgl. BFH v. 8.12.1982 – I R 9/79, BStBl. II 1983, 570 unter 2.c der Entscheidungsgründe; v. 12.7.1990 – IV R 37/89, BStBl. II 1991, 64 unter 2. der Entscheidungsgründe; v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792 unter II.2.b der Entscheidungsgründe; v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 unter II.A.1.a der Entscheidungsgründe. 4 Vgl. zB BFH v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BStBl. II 2008, 174 hinsichtlich einer in der Gesellschafterbilanz gebildeten Pensionsrückstellung und eines in der Sonderbilanz aktivierten Pensionsanspruchs. 5 Vgl. BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757 unter 5.b der Entscheidungsgründe. Ausgenommen sind nur solche Leistungen, bei denen zwischen der Leistung und der Mitunternehmerstellung des Leistenden kein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 96 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften wand der Personengesellschaft darstellt und auch dann von der Personengesellschaft zu leisten ist, wenn kein Gewinn, sondern Verlust erwirtschaftet wird.1 Sondervergütungen mindern daher den Steuerbilanzgewinn der Personengesellschaft auf der ersten Stufe, soweit die Aufwendungen nicht als Anschaffungskosten zu aktivieren sind. Der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft mindert sich hierdurch aber nicht, weil in der Sonderbilanz des Gesellschafters ein dem Aufwand betragsmäßig gleichender Ertrag anzusetzen ist. 96

Ein Gewinnvorab ist hingegen anzunehmen, wenn Vergütungen aufgrund von gesellschaftsvertraglichen Regelungen vorweg aus dem Gewinn zu gewähren sind und damit eine Behandlung als Aufwand ausscheidet. Vielmehr zählt der Gewinnvorab dann handels- und steuerrechtlich als Bestandteil der Ergebnisverteilung zu den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG aufgeführten Gewinnanteilen und mindert mithin auch nicht den Steuerbilanzgewinn der Personengesellschaft auf der ersten Stufe.2

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Die Abgrenzung zwischen der Sondervergütung und dem Gewinnvorab wirkt sich damit auf die Höhe der den einzelnen Gesellschaftern zuzurechnenden Einkünfte im Rahmen der Gewinnverteilung aus. Zudem ergeben sich hinsichtlich der Anwendung von § 15a EStG Unterschiede, da Verluste im Sonderbereich nicht den Abzugsbeschränkungen unterliegen, sondern unbeschränkt ausgleichs- und abzugsfähig sind.

E. Sonderfälle der Gewinnermittlung I. Gründung und Eintritt in die Personengesellschaft 1. Gründung der Personengesellschaft 98

Personengesellschaften werden gem. § 705 BGB dadurch gegründet, dass sich die Gesellschafter durch einen Gesellschaftsvertrag gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Weise zu fördern, insbes. die vereinbarten Beiträge zu leisten. Bei der Gründung einer Personengesellschaft sind verschiedene Arten der Gründung, namentlich die Bargründung, die Sachgründung und die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, zu unterscheiden. Erfolgt eine Gründung in Form einer Bargründung, so bedeutet dies, dass die von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen in Form liquider Mittel aktiviert und die jeweiligen Kapitalkonten passiviert werden. Dieser Vorgang ist unabhängig davon, ob der Gesellschafter unbeschränkt persönlich oder als Kommanditist beschränkt auf seine Kommanditeinlage haftet. Einzig die Anzahl der für jeden Gesellschafter geführten Kapitalkonten variiert bei den verschiedenen Formen der Personengesellschaften.

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Im Rahmen einer Sachgründung nach § 706 Abs. 2 und 3 BGB erbringen Gesellschafter ihre Einlage entweder komplett oder jedenfalls in Teilen in Form von Sachleistungen. Diese sind handelsrechtlich höchstens mit dem Zeitwert oder aufgrund vernünftiger kaufmännischer Beurteilung mit einem geringeren Wert anzusetzen.3 Für die Bewertung für steuerliche Zwecke ist eine Differenzierung der eingebrachten Wirtschaftsgüter danach vorzunehmen, ob diese aus dem Privat- oder einem Betriebsvermögen des einbringenden Gesellschafters stammen. Werden Wirtschaftsgüter aus dem Privatvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, so wird dieser Vorgang als Tausch betrachtet.4 Der Tausch eines Wirtschaftsguts stellt einen Realisierungstatbestand dar.5 Auf der Ebene der Gesellschaft liegt eine Anschaffung vor, so dass das Wirtschaftsgut dementsprechend gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG mit dem

1 Vgl. BFH v. 13.10.1998 – VIII R 4/98, BStBl. II 1999, 284 unter 2.b der Entscheidungsgründe; Röhrig/Doege, DStR 2006, 489 (493). 2 Vgl. BFH v. 23.1.2001 – VIII R 30/99, BStBl. II 2001, 621 unter III.1.c der Entscheidungsgründe. 3 AA Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V., das in DRS 4.13. offenbar stets eine Bewertung mit dem Zeitwert vorsieht. 4 Vgl. BFH v. 19.10.1998 – VIII R 65/95, BStBl. II 2000, 230 unter II.1.d der Entscheidungsgründe; BMF v. 29.3.2000 – IV C 2 - S 2178 - 4/00, BStBl. I 2000, 462 zu wesentlichen Beteiligungen iSd. § 17 EStG. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 für die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (fiktiver Teilbetrieb). 5 BT-Drucks. 14/265, 174; BFH v. 2.2.1990 – III R 173/86, BStBl. II 1990, 497; Schindler in Kirchhof, EStG15, § 6 Rz. 232.

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E. Sonderfälle der Gewinnermittlung

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Rz. 101 Anh. 2 §§ 238–263

gemeinen Wert zu bewerten ist.1 Auf Ebene des Gesellschafters handelt es sich um eine Veräußerung, bei der ein Veräußerungsgewinn nach §§ 17, 20, 23 EStG steuerpflichtig sein kann.2 Werden dem einbringenden Gesellschafter keine Gesellschafterrechte eingeräumt und erfolgt die Buchung 100 nicht auf einem Kapitalkonto des Gesellschafters, nach dem sich die maßgebenden Gesellschaftsrechte, insbesondere das Gewinnbezugsrecht richten, sondern auf einem gesamthänderisch gebundenen Kapitalrücklagenkonto und/oder ausschließlich auf einem variablen Kapitalkonto II, dass keinen Einfluss auf die Gesellschafterrechte des Gesellschafters hat, liegt eine (verdeckte) Einlage vor.3 Die aktuelle Rspr.4 führt zu einer Unsicherheit, ob sich auch eine geänderte steuerliche Behandlung von (Sach-)Einlagen ergibt, bei denen eine Festkapitalerhöhung und im Übrigen eine Gutschrift auf dem Rücklagekonto bzw. Kapitalkonto II erfolgt. Bislang wurde dies insgesamt als (Sach-)Einlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten behandelt (dh. „entgeltliche Übertragung“ wegen der Gewährung von Gesellschaftsrechten, aber mit der Möglichkeit der Steuerneutralität nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bzw. § 24 UmwStG bei Erfüllen der übrigen dort genannten Tatbestandsmerkmale).5 An dieser Rechtslage hat sich nach der hier vertretenen Auffassung durch die vorgenannte Rechtsprechung zum Kapitalkonto II nichts geändert. Dies begründet sich damit, dass durch die vorgenannte Rechtsprechung das Kapitalkonto II in seiner steuerlichen Behandlung letztlich dem Rücklagekonto gleichgestellt wird. Auch für Gutschriften auf dem Rücklagekonto gilt der Grundsatz, dass bei gleichzeitiger Festkapitalerhöhung insgesamt von der Gewährung von Gesellschaftsrechten ausgegangen wird. Finanzverwaltung6 und BFH7 haben dies jedoch offengelassen. Insofern ist bis zu einer Klärung eine gewisse Vorsicht geboten, wenn Einbringungen in Personengeslslchaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgen sollen. Wird bei einer Übertragung explizit ein unter dem gemeinen Wert liegender Wert für ein anzusetzendes Wirtschaftsgut vereinbart, so ist der Wertanteil, der über das Vereinbarte hinausgeht, als verdeckte Einlage zu qualifizieren.8 Im Rahmen der sog. Trennungstheorie ist der Vorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten.9 Der entgeltlich übertragene Teil wird nach § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG bewertet, während bezogen auf den unentgeltlich übertragenen Teil eine Einlage vorliegt, deren Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG erfolgt. Stammen die eingebrachten Wirtschaftsgüter aus einem Betriebsvermögen, so ist § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG für die Bewertung und damit ein Buchwertansatz maßgeblich.10 Aufgrund der Fortführung der Buchwerte bei der aufnehmenden Gesellschaft entsteht bei dem abgebenden Einzelunternehmen oder der Mitunternehmerschaft kein Veräußerungsgewinn. Damit die Kapitalkonten in der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter widerspiegeln, ist zu empfehlen, dort die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter anzusetzen und die stillen Reserven (Differenzbetrag zwischen gemeinem Wert und Buchwert) in einer negativen Ergänzungsbilanz wieder abzuziehen. Die negative steuerliche Ergänzungsbilanz sollte ausschließlich dem einbringenden Gesellschafter zugerechnet werden, um ein Überspringen der stillen Reserven auf Mitgesellschafter zu vermeiden. Aufgrund dieser Technik entfällt auch die Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG (s. hierzu im Einzelnen Rz. 108 ff.). Die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine gewerblich tätige oder ge- 101 werblich geprägte Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist als Veräußerung zu 1 § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG gilt vorrangig gegenüber der Bewertungsnorm für Einlagen in § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Diese Normenhierarchie gilt auch, soweit der Wert des Wirtschaftsguts neben dem Kapitalkonto I auch dem Kapitalkonto II (vgl. BFH v. 21.1.2008 – IV R 66/05, BFH/NV 2008, 1301) oder einer Kapitalrücklage (vgl. BFH v. 17.7. 2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464) gutgeschrieben wird. 2 Auf Ebene des einbringenden Gesellschafters wird ein privates Veräußerungsgeschäft ausgelöst, wenn die Einbringung der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG angesprochenen Wirtschaftsgüter, insbes. Grundstücke, innerhalb der 10- oder 1-Jahresfrist erfolgt. Für nach dem 31.12.2008 angeschaffte Anteile an Kapitalgesellschaften, die die Voraussetzungen des § 17 EStG nicht erfüllen, findet grundsätzlich § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG Anwendung und unterliegt der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG. 3 BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593; v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607; der BFH hat mit den vorstehenden Entscheidungen ausdrücklich der Sichtweise der Finanzverwaltung aus dem BMF-Schreiben v. 11.7.2011 widersprochen, woraufhin die Finanzverwaltung das Schreiben des BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/ 09/10001 – DOK 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713 für teilweise unanwendbar erklärt, vgl. BMF v. 26.7.2016 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2016/0695791, BStBl. I 2016, 684. 4 Vgl. BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07. 6 Vgl. BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713, Tz. 2.a) aE. 7 Vgl. BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 Rz. 26. 8 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 9 Vgl. BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629; v. 27.10.2015 – X R 28/12, BStBl. II 2016, 81. 10 So auch Fischer in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 153 (Stand Juni 2016).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 102 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften qualifizieren und bei der aufnehmenden Personengesellschaft daher eine Anschaffung. Die maßgebliche steuerliche Regelung enthält § 24 UmwStG und hat als lex specialis Vorrang vor § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG.1 Danach ist Voraussetzung, dass der einbringende Gesellschafter Mitunternehmer wird oder, falls bei Eintritt in die Personengesellschaft bereits eine Mitunternehmerschaft des Einbringenden besteht, dass diese durch die Einbringung erweitert wird.2 Es erfolgt eine Gutschrift auf dem Kapitalkonto I des einbringenden Gesellschafters. Eine ausschließliche Buchung auf einem variablen Kapitalkonto (Kapitalkonto II), das keine Gesellschaftsrechte vermittelt, schließt eine Anwendung des § 24 UmwStG hingegen aus (s. hierzu im Einzelnen Rz. 100 ff.).3 102 Der Ansatz der Wirtschaftsgüter erfolgt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG grundsätzlich zum gemeinen Wert. Ein Ansatz zum Buchwert oder einem höheren Wert (sogenannter Zwischenwert), höchstens jedoch zum gemeinen Wert, ist auf Antrag gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 und 3 iVm. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG möglich, wenn keine Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik vorliegt und der gemeine Wert der sonstigen Gegenleistungen nicht mehr als 25% des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens, beträgt.4 Eine Einbringung ist sowohl als Einzelrechtsnachfolge als auch als Gesamtrechtsnachfolge sowie durch ausländische Vorgänge möglich, die einer Einbringung nach dem UmwStG vergleichbar sind.5 Der maßgebliche Stichtag ist stets der Zeitpunkt, in dem das wirtschaftliche Eigentum übergeht. Eine Ausnahme des Rückwirkungsverbots ist nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung möglich, wie sie § 24 Abs. 4 Halbs. 2 UmwStG für Fälle der Anwendung des UmwG für eine Einbringung durch Gesamtrechtsnachfolge vorsieht. In diesem Ausnahmefall darf als Stichtag der Tag, auf den die Schlussbilanz des eingebrachten Betriebs aufgestellt ist, gelten, wenn dieser höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Einbringung zur Eintragung ins Handelsregister liegt.6 103 Erfolgt die Einbringung zum Buchwert oder einem Zwischenwert, so erfolgt die weitere Bewertung nach den ursprünglichen Wertansätzen bei dem Einbringenden (§ 23 Abs. 1, 3, 4 iVm. § 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG).7 Bei einem Ansatz des gemeinen Werts gelten die eingebrachten Wirtschaftsgüter als von der Personengesellschaft angeschafft, so dass alle weiteren Bewertungen nach den Grundsätzen für Anschaffungen zu beurteilen sind (§ 23 Abs. 4 Halbs. 1 UmwG). Eine Besitzzeitanrechnung bei der übernehmenden Gesellschaft ist nur bei einer Fortführung der Buchwerte oder dem Ansatz eines Zwischenwerts möglich. 2. Eintritt in die Personengesellschaft 104

Den Eintritt eines Gesellschafters in eine bereits bestehende Personengesellschaft regelt § 24 UmwStG. Der Vorgang kann aus wirtschaftlicher Perspektive als Einbringung der Mitunternehmeranteile der Altgesellschafter in eine neu gegründete Personengesellschaft betrachtet werden. Die „alten“ Mitunternehmeranteile müssen komplett in die neue Gesellschaft eingebracht werden. Gem. § 24 Abs. 2 UmwStG kann die aufnehmende Gesellschaft eine Fortführung der Buchwerte, den Ansatz des gemeinen Werts oder eines Zwischenwerts wählen. Da für jeden eingebrachten Mitunternehmeranteil von einer eigenen Einbringung auszugehen ist, kann für jeden Mitunternehmeranteil einzeln ein Wertansatz gewählt werden.8

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Für die Gesellschafter ergeben sich in diesem Fall dieselben Auswirkungen wie bei einer Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft. Aufgrund der Fortführung der gesamten Mitunternehmeranteile findet § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG keine Anwendung. Wird das Ansatzwahlrecht so ausgeübt, dass ein Ansatz zu den gemeinen Werten erfolgt, ist eine Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach § 16 Abs. 3 und § 34 Abs. 1 oder 3 EStG möglich. Bringt ein Kommanditist seinen „alten“ Mitunternehmeranteil in eine „neue“ Personengesellschaft ein und sind bei der alten Gesellschaft Verluste entstanden, so können verrechenbare Verluste nach der Einbringung im Rahmen des § 15a EStG mit Gewinnanteilen der neuen Personengesellschaft verrechnet werden. 1 Zur Abgrenzung ua. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 690; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz7, § 24 UmwStG Rz. 29. 2 BFH v. 16.12.2004 – III R 38/00, BStBl. II 2005, 554; 24.07 UmwStAE 2011. 3 Vgl. BMF v. 26.7.2016 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2016/0695791, BStBl. I 2016, 684 unter Rekurs auf BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593. 4 Die betragsmäßige Begrenzung ist durch das StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834 mit Wirkung zum 6.11. 2015 aufgenommen worden. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47 f.; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock7, § 24 UmwStG Rz. 19 ff. 6 So auch Schlößer/Schley in Haritz/Menner, UmwStG4, § 24 Rz. 197. 7 Vgl. Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG2, § 24 Rz. 98. 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03 iVm. 20.12.

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E. Sonderfälle der Gewinnermittlung

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Rz. 111 Anh. 2 §§ 238–263

Von der steuerlichen Behandlung abweichend geht das Zivilrecht vom Fortbestand der alten Personenge- 106 sellschaft auch nach Eintritt eines neuen Gesellschafters aus. Es ist daher auch bei unterjährigem Eintritt keine Eröffnungsbilanz zu erstellen.1 Dies führt dazu, dass bei der aufnehmenden Gesellschaft zwingend eine Fortführung der Buchwerte erfolgt. Neu in die Bilanz aufzunehmen ist die vom eintretenden Gesellschafter geleistete Bar- oder Sacheinlage. Bei Eintritt eines neuen Gesellschafters während des Wirtschaftsjahres hat eine schuldrechtliche Gewinn- 107 verteilungsregelung mit Rückbeziehung bezüglich des bis zum Zeitpunkt des Eintritts entstandenen Gewinns keine Auswirkung auf seine steuerliche Zurechnung.2 Abweichend hiervon gilt für Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, dass diese unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts während des Wirtschaftsjahres dem neuen Gesellschafter gemäß seiner Beteiligung für das gesamte Wirtschaftsjahr zugerechnet werden.

II. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern 1. Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG In der Vergangenheit war die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen dem Betriebsvermögen eines 108 Steuerpflichtigen oder eines Sonderbetriebsvermögens des Steuerpflichtigen auf eine Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, zum Buchwert möglich. Rspr. und Mitunternehmererlass sahen ein Wahlrecht zur Buchwertfortführung3 vor. Selbiges galt für den umgekehrten Fall sowie die Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaften. Mit den „Lafontaine’schen“ Steueränderungsgesetzen aus 1999 wurde neben vielen weiteren Steuerver- 109 schärfungen auch das Buchwertwahlrecht für die Übertragung auf Personengesellschaften mit Einführung von § 6 Abs. 5 EStG abgeschafft. Mit der Änderung des § 6 Abs. 5 EStG in 2001 wurde die Buchwertübertragungsmöglichkeit wieder eingeführt. § 6 Abs. 5 EStG sieht eine zwingende Buchwertverknüpfung in bestimmten Fallvarianten vor.4 Die Vorschrift differenziert zwischen der – Überführungen von Wirtschaftsgütern, die ohne Rechtsträgerwechsel (Eigentümerwechsel) bewirkt werden, geregelt in § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG (also zwischen mehreren Betrieben eines Steuerpflichtigen oder zwischen einem Betrieb und dem Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft, an der der Steuerpflichtige beteiligt ist), und der – Übertragung von Wirtschaftsgütern auf einen anderen Rechtsträger (oder wirtschaftlichen Eigentümer)5 gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die „Sperrfristen“ des § 6 Abs. 5 EStG nur für den Fall der Übertragung auf einen anderen Rechtsträger (oder wirtschaftlichen Eigentümer) gelten.

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In Bezug auf Personengesellschaften ist die „Überführung“ eines einzelnen Wirtschaftsguts aus dem eige- 111 nen Betrieb eines Gesellschafters in dessen Sonderbetriebsvermögen und umgekehrt sowie die Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betrieben des Steuerpflichtigen bzw. verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Gesellschafters bei verschiedenen Mitunternehmerschaften denkbar (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 EStG). Zu den in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten „Übertragungen“ zählt (i) die unentgeltliche Übertragung oder die Übertragung gegen Gewährung bzw. Minderung von Gesellschaftsrechten eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt, (ii) die unentgeltliche Übertragung oder die Übertragung gegen Gewährung bzw. Minderung von Gesellschaftsrechten eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft und umgekehrt sowie (iii) die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Gesellschafter derselben Mitunternehmerschaft. Die Übertragung auf eine Schwesterpersonengesellschaft wird in dem Katalog des § 6 Abs. 5 EStG nicht 1 Vgl. BFH v. 9.12.1976 – IV R 34/73, BStBl. II 1977, 241. 2 Vgl. BFH v. 7.7.1983 – IV R 209/80, BStBl. II 1984, 53. 3 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 unter II.1.b der Entscheidungsgründe hat den Grundsatz des erweiterten Betriebsbegriffs entwickelt. Dieser besagt, dass weder eine Entnahme noch eine Einlage vorliegt, wenn ein Wirtschaftsgut innerhalb der betrieblichen Sphäre eines Steuerpflichtigen übergeht und dabei eine steuerliche Erfassung der im Buchwertansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven gewährleistet ist. 4 Die Wertfortführungsparameter, ua. Abschreibungsverfahren, AfA-Bemessungsgrundlage und Besitzzeit, sind ebenfalls zu übernehmen, vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 684; Hoffmann, GmbHR 2002, 125 (128). 5 Anderer „Rechtsträger“ in diesem Sinne ist auch eine Mitunternehmerschaft iSv. § 15 EStG (Personengesellschaft), da diese – unabhängig von der grundsätzlichen Transparenz – steuerlich ein eigenes Betriebsvermögen bildet.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 112 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften erwähnt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass daher eine Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaft grundsätzlich zur Gewinnrealisierung führt. Diese Frage ist umstritten und vor Gericht anhängig.1 Für die Praxis sollte man bis zu einer Klärung vorsorglich davon ausgehen, dass eine Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaft nicht nach § 6 Abs. 5 EStG begünstigt ist und daher zur Gewinnrealisierung führt. 112

In Abgrenzung zur unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils iSv. § 6 Abs. 3 EStG ist zu beachten, dass § 6 Abs. 5 EStG nur die Überführung bzw. Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter erfasst.2 Die Buchwertfortführung ist daran gebunden, dass die Besteuerung der stillen Reserven – auch der zukünftigen – sichergestellt ist.3 Werden Wirtschaftsgüter teilentgeltlich, wobei das Teilentgelt nicht in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht, übertragen,4 findet nach (umstrittener) Verwaltungsauffassung5 die Trennungstheorie Anwendung. Die Wirkung der Trennungstheorie besteht darin, dass dem schädlichen Teilentgelt nur derjenige Teil des steuerlichen Buchwerts des Wirtschaftsguts zugerechnet wird, der dem Verhältnis zwischen der Gegenleistung und dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts entspricht.6 Hinsichtlich des entgeltlichen Teils der Übertragung liegt eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor und es kommt insoweit zur Teilrealisierung der stillen Reserven.7 Die Anwendbarkeit der Trennungstheorie ist zurzeit Gegenstand eines anhängigen BFH-Verfahrens.8

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Hinsichtlich der Übertragung von Wirtschaftsgütern ist in den Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zusätzlich eine dreijährige Sperrfrist gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG zu beachten, in der das übertragene Wirtschaftsgut weder aus dem Betriebsvermögen entnommen noch veräußert werden darf.9 Für die Überführungen von Wirtschaftsgütern gilt indessen keine entsprechende Sperrfristverhaftung.10 Die Frist endet drei Jahre nach dem Tag der Abgabe der Steuererklärung (Eingang beim Finanzamt) des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum der Übertragung.11 Bei Verstoß gegen die Sperrfrist droht eine rückwirkende Gewinnrealisation durch Ansatz des Teilwerts im Übertragungszeitpunkt. In diesen Fällen stellt die Veräußerung bzw. die Entnahme ein rückwirkendes Ereignis iSd. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.12 Sind die bis zur Übertra1 Anhängig beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 8/13. 2 Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig; gleichwohl ist unstreitig, dass auch die gleichzeitige Übertragung mehrerer Wirtschafsgüter unter die Norm zu subsumieren ist, vgl. Böhme/Forster, BB 2003, 1979 (1983). 3 Vgl. Schindler in Kirchhof, EStG15, § 6 Rz. 212; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 1291 (Stand März 2016). Nach der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung soll das Kriterium der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven nur dann erfüllt sein, wenn neben den im Inland entstandenen stillen Reserven auch die erst nach dem Zeitpunkt der Überführung entstehenden Wertsteigerungen im Inland der Besteuerung unterliegen würden, vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 7. Diese Ansicht verneint BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 unter B.III.3.b cc der Entscheidungsgründe und betont gleichzeitig unter B.III.3.b bb der Entscheidungsgründe, dass das inländische Besteuerungsrecht für die bis zum Zeitpunkt des Transfers entstandenen stillen Reserven, selbst dann nicht gefährdet ist, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellungsmethode vorsieht, so auch Niehus/Wilke in HHR, § 6 EStG Rz. 1537 (Stand Juni 2016). 4 Das gilt insbes. bei der Übernahme von Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern. 5 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15. 6 So auch Korn/Strahl/Bodden in Korn, § 6 EStG Rz. 498.1 (Stand Feb. 2016). Nach dem Verständnis des IV. Senats des BFH ist eine sog. modifizierte Trennungstheorie geboten, wonach der Buchwert bei Teilentgelten bis zur Höhe des Buchwerts, die nicht in der Gewährung von Gesellschaftsrechten bestehen, fortzuführen ist, vgl. Bode, DB 2012, 2376. Die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung bisher nicht, s. hierzu BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 S 2241/10/10002 – DOK 2013/0837216, BStBl. I 2013, 1164 unter II.1. 7 Vgl. BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420 unter I.3.b cc aaa der Entscheidungsgründe. 8 Anhängig beim Großen Senat des BFH unter dem Aktenzeichen GrS 1/16. 9 Die Behaltefrist soll die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf Fälle beschränken, in denen die Übertragung ausschließlich zum Zweck der Unternehmensumstrukturierung und Fortsetzung des unternehmerischen Engagements in anderer Form erfolgt, vgl. BT-Drucks. 14/6882, 32. Bei Veräußerung oder Entnahme innerhalb der Sperrfrist unterstellt der Gesetzgeber demzufolge, dass die Übertragung aus anderen (steuerlichen) Gründen vorgenommen wurde, vgl. BR-Drucks. 638/01, 50; Groh, DB 2003, 1403 (1404). Eine Begünstigung des Transfers soll dann nicht gewährt werden. 10 So auch Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 1350 (Stand März 2016). 11 Solange der Übertragende keine Steuererklärung abgibt, würde die Sperrfrist nach dem Gesetzeswortlaut nicht ablaufen können. Die Finanzverwaltung sieht insoweit vor, dass die Sperrfrist mit Ablauf des sechsten Jahres, das auf den Veranlagungszeitraum der Übertragung folgt, enden soll, vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/ 10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 22; zustimmend Korn/Strahl/Bodden in Korn, § 6 EStG Rz. 502 (Stand Feb. 2016) aufgrund teleologischer Gesetzesauslegung; kritisch Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 1354 (Stand März 2016), da es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage mangelt. 12 Vgl. Schindler in Kirchhof, EStG15, § 6 Rz. 226.

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E. Sonderfälle der Gewinnermittlung

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Rz. 116 Anh. 2 §§ 238–263

gung entstandenen stillen Reserven dem übertragenden Gesellschafter bereits durch eine Ergänzungsbilanz zugeordnet worden, ist eine Behaltefrist nicht erforderlich, da dann eine Versteuerung der stillen Reserven bei demjenigen, bei dem sie entstandenen sind, sichergestellt ist.1 Führt die Übertragung zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Begründung oder Erhöhung des Anteils 114 einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Wirtschaftsgut, gebietet § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG den Teilwertansatz. Eine Rückausnahme durch die Erstellung einer Ergänzungsbilanz ist hier nicht vorgesehen.2 Die Vorschrift soll Gestaltungen vorbeugen, infolge deren stille Reserven einzelner Wirtschaftsgüter auf an der Mitunternehmerschaft beteiligte Körperschaftsteuersubjekte, insbes. Kapitalgesellschaften, verlagert werden, bei denen die Realisation durch Anteilsveräußerung oder Ausschüttung unter § 8b KStG bzw. das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG fällt.3 Als ergänzender Missbrauchstatbestand löst § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG gleichfalls den rückwirkenden Teilwertansatz bei nachträglicher Anteilsbegründung oder -erhöhung durch ein Körperschaftsteuersubjekt über einen Zeitraum von sieben Jahren nach der Wirtschaftsgutsübertragung aus, damit die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG nicht durch nachgelagerte Gestaltungen umgangen wird.4 Wenn die stillen Reserven in dem übertragenen Wirtschaftsgut zwischenzeitlich aufgedeckt wurden, tritt die genannte Rechtsfolge nicht ein. Erfreulicherweise hat die Finanzverwaltung ferner klargestellt, dass die Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts von einer Kapitalgesellschaft auf eine 100%-Tochterpersonengesellschaft5 dieser Kapitalgesellschaft nicht unter § 6 Abs. 5 Satz 5 und Satz 6 EStG fällt.6 Insbes. die Sperrfristregelung in § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG kann eine Umwandlung der übernehmenden Per- 115 sonengesellschaft in eine GmbH für sieben Jahre faktisch „blockieren“. Denn ein Formwechsel der Personengesellschaft in eine GmbH oder eine anderweitige Übertragung auf eine GmbH dürften (natürlich vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall) die Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG verletzen und eine rückwirkende Besteuerung der Übertragung auslösen. In der Praxis sollte daher vor jeder Umwandlungsmaßnahme bei einer Personengesellschaft geprüft werden, ob in den letzten sieben Jahren vor dem geplanten Umwandlungsstichtag Wirtschaftsgüter unter Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG auf die Personengesellschaft übertragen wurden. 2. Übertragungen im Anwendungsbereich des § 6b EStG § 6b EStG eröffnet die Möglichkeit der Übertragung von stillen Reserven aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter auf gesetzlich definierte Reinvestitionsobjekte, um die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns zu verhindern.7 Die Bestrebungen des Gesetzgebers sind davon geprägt, ökonomisch sinnvolle Anpassungen der Wirtschaft an strukturelle Veränderungen produktionstechnischer, verteilungswirtschaftlicher und regionaler Art zu erleichtern sowie eine Substanzbesteuerung zu vermeiden.8

1 Vgl. BR-Drucks. 638/01, 51. Zur Technik der Ergänzungsbilanz s.o. unter Rz. 58 ff. Die Aufstellung einer Ergänzungsbilanz und damit die Rückausnahme von der Sperrfrist ist entgegen der früheren Ansicht der Finanzverwaltung (insoweit überholt BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 26) auch möglich, wenn am Festkapital der übernehmenden Personengesellschaft ausschließlich der übertragende Rechtsträger beteiligt ist (100%-Beteiligung; zB eine GmbH & Co. KG, an der die übertragende Kapitalgesellschaft als Kommanditistin alleinige am Festkapital beteiligte Gesellschafterin und die Komplementär-GmbH zu 0% beteiligt ist). Der BFH (BFH v. 26.6. 2014 – IV R 31/12, BStBl. II 2015, 463 unter II.3.b der Entscheidungsgründe) begründet dies damit, dass bereits die Sperrfist nach § 6 Abs. 3 Satz 4 EStG auf den Fall der 100%-Beteiligung nicht anwendbar ist und damit die Frage der Zulässigkeit der Aufstellung einer Ergänzungsbilanz für diesen Fall dahinstehen kann. Die Finanzverwaltung hat sich der Auffassung der Rspr. inzwischen angeschlossen, vgl. H 6.15 „Einmann-GmbH & Co. KG“ EStH 2015. 2 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG35, § 6 Rz. 724. 3 Vgl. OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111, SzEK EStG § 6 Abs. 5 Nr. 11 Rz. 7.1; kritisch Niehus/Wilke in HHR, § 6 EStG Rz. 1650 (Stand Juni 2016); Korn/Strahl/Bodden in Korn, § 6 EStG Rz. 498.1 (Stand Feb. 2016). 4 Mehrfache Erhöhungen innerhalb der Sperrfrist führen jeweils zu einer erneuten Änderung, vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 1375 (Stand März 2016); kritisch Wendt, FR 2002, 53 (61). 5 ZB eine GmbH & Co. KG, an der die übertragende Kapitalgesellschaft alleinige am Festkapital beteiligte Gesellschafterin (Kommanditistin) und die Komplementär-GmbH zu 0% beteiligt ist. 6 Siehe hierzu BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279, Rz. 31. 7 So auch Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 1 (Stand März 2016). 8 Vgl. BR-Drucks. 193/64, 46. Die Vorschrift dient andererseits der Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips, weil Umstrukturierungen innerhalb des Erwerbsvermögens steuerlich geschont werden sollen, um somit Substanzminderungen zu verhindern, vgl. Strahl in Korn, § 6b EStG Rz. 1 (Stand Feb. 2016).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 117 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften 117

Der Begriff der Veräußerung ist von der zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt, dh. maßgeblich ist die Eigentumsübertragung bzw. der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums.1 Im Fall einer Entnahme eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen werden dem Betrieb die realisierten stillen Reserven entzogen. Die Entnahme widerspricht damit der § 6b EStG zugrunde liegenden Leitvorstellung des Werterhalts.2 Buchgewinne aus Entnahmehandlungen sind folglich nicht vom Anwendungsbereich des § 6b EStG erfasst.

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Das Gesetz sieht zwei Alternativen zur Übertragung stiller Reserven vor: – Entweder können die aufgedeckten begünstigungsfähigen stillen Reserven im Wirtschaftsjahr der Veräußerung durch Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsguts übertragen werden, das im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden ist (Variante „Abzug“) oder durch – Bildung einer gewinnmindernden Rücklage und anschließender Übertragung in den folgenden vier Wirtschaftsjahren, sechs Jahre bei neu hergestellten Gebäuden, soweit mit ihrer Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen wurde (Variante „Rücklage“).

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Beide Varianten werden in der Praxis häufig nicht hinreichend unterschieden. Insbes. bei Reinvestition in einer anderen Personengesellschaft, an der der Steuerpflichtige beteiligt ist, wird häufig nur von der „Übertragung einer § 6b EStG-Rücklage“ gesprochen, auch wenn das Reinvestionswirtschaftsgut im laufenden Wirtschaftsjahr oder im Vorjahr erworben wurde und damit ein Abzugsfall vorliegt. Die fehlende Unterscheidung führt dann häufig zu Ungenauigkeiten oder Fehlern in der Abbildung eines Übertragungsvorgangs in der steuerlichen Gewinnermittlung.

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Die Rücklage ist spätestens nach Ablauf der Reinvestitionsfrist aufzulösen; eine freiwillige Auflösung kann zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres durchgeführt werden.3 Bei fehlender Reinvestition ist der ungerechtfertigte Zinsvorteil aus dem gestundeten Veräußerungsgewinn jedoch zu korrigieren.4 § 6 Abs. 7 EStG sieht daher eine pauschale gewinnerhöhende Verzinsung von 6% für jedes volle Wirtschaftsjahr vor, in dem die Rücklage bestanden hat.5 Dies geschieht durch eine außerbilanzielle Korrektur.6

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§ 6b EStG begünstigt ausschließlich den Gewinn aus der Veräußerung der im Gesetz abschließend aufgeführten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Ebenso benennt die Vorschrift die begünstigten Reinvestitionsgüter, so dass sich die folgenden Übertragungsmöglichkeiten für realisierte stille Reserven eröffnen: Grund und Boden

(i) Grund und Boden (ii) Aufwuchs mit dem dazugehörigen Grund und Boden (iii) Gebäude7

Aufwuchs mit dem dazugehörigen Grund und Boden

(i) Aufwuchs mit dem dazugehörigen Grund und Boden (ii) Gebäude

1 Die Rspr. setzt den Eigentumsübergang gegen Entgelt voraus, vgl. BFH v. 29.6.1995 – VIII R 2/94, BStBl. II 1995, 60 unter 1.a der Entscheidungsgründe. Damit liegt eine nicht nach § 6b EStG begünstigte Übertragung vor, wenn ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens im Wege der Schenkung übereignet wird, s. hierzu BFH v. 27.8.1992 – IV R 89/90, BStBl. II 1993, 225 unter 1.b der Entscheidungsgründe. Bei einer gemischten Schenkung aus privatem Anlass ist eine Aufteilung in eine nach § 6b EStG-begünstigte entgeltliche Veräußerung und eine nicht begünstigte Entnahme geboten. Ist die Veräußerung unter dem Verkehrswert indessen betrieblich veranlasst, handelt es sich um ein einheitliches Veräußerungsgeschäft, das nach § 6b EStG begünstigt ist, vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 48 (Stand März 2016). 2 Vgl. Strahl in Korn, § 6b EStG Rz. 14 (Stand Feb. 2016). Dasselbe gilt für veräußerungsähnliche Vorgänge, ua. die Liquidation einer Kapitalgesellschaft mit anschließender Ausschüttung an die Anteilseigner, sowie die Herabsetzung des Nennkapitals einer Kapitalgesellschaft und Auszahlung des Herabsetzungsbetrags an die Anteilseigner, weil kein Eigentum auf eine andere Person übertragen wird, vgl. BFH v. 6.12.1972 – I R 182/70, BStBl. II 1973, 291 unter 2.b der Entscheidungsgründe. 3 So auch Strahl in Korn, § 6b EStG Rz. 34 (Stand Feb. 2016). 4 So auch BFH v. 15.3.2000 – I R 17/99, BStBl. II 2001, 251 unter 2. der Entscheidungsgründe. 5 Ein Rumpfwirtschaftsjahr gilt dabei als volles Wirtschaftsjahr, vgl. FG Münster v. 17.11.2000 – 2 K 7511/97 E, EFG 2001, 350, rkr. Ausgeschlossen wird hingegen das Wirtschaftsjahr der Übertragung des begünstigten Wirtschaftsguts, das dem Jahr der Rücklagenbildung entspricht, vgl. FG Bad.-Württ. v. 26.9.1991 – 10 K 77/87, EFG 1992, 178, rkr. 6 Vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 271 (Stand März 2016). 7 Der Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden steht ihre Erweiterung (Aufstockung), ihr Ausbau oder ihr Umbau (wesentliche Umgestaltung der Bausubstanz eines bereits bestehenden Gebäudes) gem. § 6b Abs. 1 Satz 3 EStG gleich. Nicht begünstigt ist die Gebäudesanierung, vgl. BFH v. 11.9.1996 – X R 46/93, BStBl. II 1998, 94 unter 1. der Entscheidungsgründe.

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E. Sonderfälle der Gewinnermittlung

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Rz. 124 Anh. 2 §§ 238–263

Gebäude

Gebäude

Binnenschiffe

Binnenschiffe

Anteile an Kapitalgesellschaften

(i) Anteile an Kapitalgesellschaften (ii) abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter (iii) Gebäude

Mit dem Ziel, die für Investitionen zur Verfügung stehenden Liquidität bei Personengesellschaften weiter 122 zu verbessern,1 ist der Kreis der nach § 6b EStG begünstigten Veräußerungsobjekte auf Anteile an Kapitalgesellschaften ausgedehnt worden.2 Allerdings beschränkt § 6b Abs. 10 EStG das Reinvestitionsvolumen wertmäßig auf 500.000 € des realisierten Veräußerungsgewinns.3 Als Reinvestitionsobjekte kommen abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter sowie Gebäude, nicht jedoch Erweiterungen, Ausbauten und Umbauten von Gebäuden, in Betracht. Der Begriff der Anteile an Kapitalgesellschaften ist identisch mit demjenigen, der in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG Verwendung findet.4 Die steuerbegünstigte Übertragung stiller Reserven aus Anteilen an Kapitalgesellschaften ist aber ausgeschlossen, soweit Kapitalgesellschaften an der veräußernden Mitunternehmerschaft beteiligt sind. Dies ist systemkonform, weil bereits die Steuerbefreiungsnorm des § 8b Abs. 2 KStG greift, soweit die veräußerten Anteile an einer Kapitalgesellschaft anteilig bereits auf eine an einer Personengesellschaft beteiligte Körperschaft entfallen.5 Hinsichtlich des Gewinnzuschlags im Fall der Auflösung der Rücklage gilt gem. § 6b Abs. 10 Satz 9 EStG die Besonderheit, dass die Bemessungsgrundlage nur den steuerpflichtigen Teil der Rücklage umfasst. Die Inanspruchnahme der Begünstigungsnorm setzt nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG ua. voraus, dass 123 das betreffende Veräußerungsobjekt sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört hat.6 Bei einer Veräußerung von begünstigtem Anlagevermögen aus dem Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft muss die Vorbesitzzeit von jedem Gesellschafter individuell erfüllt sein. Erfüllt ein Gesellschafter die Vorbesitzzeit in seiner Person nicht, entfällt die Möglichkeit der Inanspruchnahme von § 6b EStG anteilig in Höhe des auf ihn entfallenden Bruchteils iSv. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO an dem veräußerten Anlagegut.7 Gesellschafterwechsel können insofern zu einer Durchbrechung der Frist führen, soweit der Änderung entgeltliche Vorgänge zugrunde liegen.8 Die personenbezogene Betrachtungsweise begünstigt den Gesellschafter selbst und stellt nicht auf die Mit- 124 unternehmerschaft ab.9 Die gesellschafterbezogene Betrachtungsweise muss in einer Mitunternehmerschaft gelten, weil der Mitunternehmer die im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft erzielten Veräußerungsgewinne gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu versteuern hat.10 Aufgrund dieses Ansatzes können stillen Reserven zwischen verschiedenen Betrieben bzw. mitunternehmerischen Beteiligun-

1 Vgl. BR-Drucks. 638/01, 35. 2 Eingeführt durch das UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. Die Regelung gilt für Veräußerungen, die nach dem 31.12.2001 vorgenommen worden sind, vgl. § 52 Abs. 18a Satz 1 EStG idF des UntStFG; vgl. auch Cordes, StBp. 2003, 113. 3 In den Veräußerungsgewinn ist ein ggf. nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG steuerbefreiter Anteil einzubeziehen. Demzufolge können von den Anschaffungs- und Herstellungskoten des Reinvestitionsguts höchstens 300.000 € (60 % von 500.000 €) abgezogen werden, vgl. Strahl, KÖSDI 2002, 13145; Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 162 (Stand April 2016); Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 307 (Stand März 2016). 4 So auch BFH v. 28.1.1976 – IV R 209/74, BStBl. II 1976, 288 unter 1. der Entscheidungsgründe; Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 159 (Stand Juni 2016). 5 Vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 292 (Stand März 2016). 6 Für die Fristberechnung sind nicht die Anzahl der Wirtschaftsjahre maßgebend, sondern auf den Tag genau sechs volle Jahre, vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 139 (Stand März 2016). Die Sechsjahresfrist verkürzt sich nach § 6b Abs. 8 Satz 1 Nr. 2, Abs. 9 EStG auf zwei Jahre, wenn die Veräußerung der Wirtschaftsgüter an bestimmte Erwerber der Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen dient und die nach Landesrecht zuständige Behörde dies bestätigt. 7 Vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 148 (Stand März 2016). Maßgebend ist nach Jachmann-Michel in Kirchhof, EStG15, § 6b Rz. 21 das Verhältnis der festen Kapitalkonten, nicht der Gewinnverteilungsschlüssel. 8 Vgl. BFH v. 10.7.1980 – IV R 136/77, BStBl. II 1981, 84 unter 2.1. der Entscheidungsgründe. Bei einer unentgeltlichen Übertragung kommt eine Besitzzeitanrechnung in Betracht. 9 Vor allen anderen BFH v. 10.7.1980 – IV R 136/77, BStBl. II 1981, 84 unter 2.1. der Entscheidungsgründe. Während der VZ 1999–2001 galt aufgrund der Änderungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999 (BGBl. I 1999, 402) vorübergehend die gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise, vgl. hierzu BFH v. 9.2.2006 – IV R 23/04, BStBl. II 2006, 538 unter II.2.b der Entscheidungsgründe. 10 Vgl. Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 25 (Stand Juni 2016).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 125 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften gen bewegt werden.1 Hierzu zählen ua. die Übertragung stiller Reserven aus dem Gesamthandsvermögen auf Wirtschaftsgüter eines Betriebsvermögens des Mitunternehmers oder auf Wirtschafgüter einer Personengesellschaft, an der der Mitunternehmer auch beteiligt ist; mithin in umgekehrter Richtung.2 Es kommt auch nicht darauf an, wie viele Ebenen an Mitunternehmerschaften zwischengeschaltet sind. So kann beispielswiese ein Gewinn aus Grundstücksveräußerung, der – bei durchgehender Personengesellschaftsstruktur – zB in einer Urenkelgesellschaft entstanden ist, genauso bei einer Reinvestition in einer Personengesellschaft aus einem anderen „Strang“, an der der Mitunternehmer an der Spitze (natürliche oder juristische Person) unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, abgezogen werden wie bei dem „klassischen“ Fall von Schwesterpersonengesellschaften, an denen der Mitunternehmer jeweils unmittelbar beteiligt ist.3 125

Bei Veräußerungen zwischen Mitunternehmerschaften können stille Reserven aus der Veräußerung auf dasselbe Wirtschaftsgut als Reinvestitionsobjekt übertragen werden.4 Ist das Veräußerungsgeschäft zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften vereinbart worden, ist sogar die Übertragung aller stillen Reserven möglich. Im Ergebnis ist auf diesem Weg ein steuerneutraler Transfer eines begünstigten Wirtschaftsguts, insbes. Grundbesitz, für den mutmaßlich nicht von § 6 Abs. 5 EStG gedeckten Fall zu erreichen. Es wird im Ergebnis der Buchwert fortgeführt. Allerdings liegt aus der Perspektive des erwerbenden Rechtsträgers eine Neuanschaffung vor. Die Abschreibung ist – soweit ein abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut übertragen wurde – neu zu ermitteln und es wird keine Besitzzeit angerechnet.5 Vorteil ist allerdings, dass § 6b EStG – anders als § 6 Abs. 5 EStG – keine nachlaufenden Behaltefristen für das erworbene Wirtschaftsgut vorsieht. Dies bedeutet eine deutlich höhere Planungssicherheit.

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Zu den übrigen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen iSd § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3–5 EStG gehören die Gewinnermittlung nach Bestandsvergleich,6 die Zuordnung des neu angeschafften bzw. hergestellten Reinvestitionsguts zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte,7 die inländische Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns sowie ein übersichtlicher Buchnachweis, anhand dessen sich die Bildung, Fortführung und Auflösung der Rücklage verfolgen lassen. Die Finanzverwaltung führt in R 6b.2 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012 im Einzelnen auf, welche Angaben darüber hinaus für eine nachvollziehbare Buchführung erforderlich sind.8 Andere Formen zur Führung des Buchnachweises (zB die alleinige Darstellung in einem besonderen Verzeichnis) genügen den Ansprüchen nicht.

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Eine der Begünstigung nach § 6b EStG entsprechende Regelung sieht das Handelsrecht nicht vor; es handelt sich um ein rein steuerrechtliches Wahlrecht. Bei der Inanspruchnahme solcher steuerlicher Wahlrechte, die abweichend vom handelsbilanziellen Ansatz ausgeübt werden, sind gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG zusätzlich spezielle Aufzeichnungspflichten zu erfüllen. Danach sind die Reinvestitionsgüter in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen. Dies gilt ab dem Zeitpunkt der Übertragung der Rücklage.9 1 Vgl. Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 24 (Stand Juni 2016); Loschelder in Schmidt, EStG35, § 6b Rz. 3; JachmannMichel in Kirchhof, EStG15, § 6b Rz. 3. 2 Die Übertragungsmöglichkeiten der Rücklage aus dem Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens, aus dem Sonderbetriebsvermögen sowie aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft sind in R 6b.2 Abs. 6 und 7 EStR 2012 dargestellt. 3 R 6b.2 Abs. 6 und 7 EStR 2012 sprechen nur den „einstöckigen“ Fall einer unmittelbaren Beteiligung an. Dies geht darauf zurück, dass in der Richtlinie zwangsläufig nicht alle denkbaren Konstellationen, sondern nur die Grundfälle beschrieben werden können. Dogmatisch ist eindeutig, dass auch mittelbare Beteiligungen (über Personengesellschaften) begünstigt sind. Denn es kommt auf die Person des Steuerpflichtigen an, und dies ist die natürliche oder juristische Person an der Spitze eines Beteiligungsstrangs mit Personengesellschaften. 4 Vgl. OFD Koblenz v. 23.12.2003 – S 2139/S 2139a A, DStR 2004, 314. 5 Eine Besitzzeitanrechnung kommt nur bei einer unentgeltlichen Übertragung in Betracht. Siehe hierzu FG Bad.Württ. v. 21.8.2013 – 4 K 1882/08, EFG 2014, 332, aufgehoben aus anderen Gründen (unterlassene Beiladung) durch BFH v. 4.9.2014 – IV R 44/13, BFH/NV 2015, 209. 6 Gehört das begünstigte Wirtschaftsgut zum Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft, ist die Bilanzierung der Personengesellschaft erforderlich, vgl. BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1991, 401 unter III.2.b der Entscheidungsgründe; v. 11.3.1992 – XI R 38/89, BStBl. II 1992, 797 unter II. der Entscheidungsgründe. 7 Eine spätere Umwidmung des Reinvestitionsguts durch Zuordnung zum Umlaufvermögen oder dessen Überführung in eine andere Betriebsstätte ist unschädlich. Strahl in Korn, § 6b EStG Rz. 41 (Stand Feb. 2016) hält hierbei das Abwarten einer einjährigen Frist für angemessen. 8 Hierzu zählen insbes. der Buchwert des veräußerten Wirtschaftsguts, die Höhe des Veräußerungserlöses und der -kosten, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionsguts sowie der Umfang des Abzugs der stillen Reserven. Eine zeitnahe Bilanzerstellung ist aber nicht gefordert, vgl. Nds. FG v. 27.10.1994 – II 484/88, EFG 1995, 797, rkr. 9 Vgl. R 6b.2 Abs. 2 Satz 2 EStR 2012.

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E. Sonderfälle der Gewinnermittlung

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Rz. 131 Anh. 2 §§ 238–263

Um die Begünstigungsregelung unionsrechtskonform auszugestalten,1 wurde § 6b EStG um den Abs. 2a 128 ergänzt.2 Nunmehr besteht im Fall einer begünstigten Reinvestition in ein zu einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR gehörendes Betriebsvermögen die Möglichkeit, die aus einer Veräußerung eines begünstigten Wirtschaftsguts aufgedeckten stillen Reserven auf Antrag über einen Zeitraum von fünf Jahren gleichmäßig zu entrichten.3 Dabei ist ausreichend, wenn die EU-/EWR-Betriebsstätte im Reinvestitionszeitraum erst errichtet wird.4 Der Antrag ist nach § 6b Abs. 2a Satz 2 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung zu stellen.5 Im Ergebnis wird daher eine Gewinnrealisierung nicht – etwa durch Übertragung – vermieden, sondern lediglich die darauf festgesetzte Steuer auf einen Zeitraum von fünf Jahren verteilt. Innerhalb einer Personengesellschaft steht das Wahlrecht jedem einzelnen Gesellschafter zu, die es unabhängig voneinander ausüben können.6 Bleibt die Reinvestition tatsächlich aus, sieht das Gesetz keine vergleichbare Sanktion in Form einer nachgelagerten Verzinsung vor.7 Vor allem wird auch die gewährte Steuerstundung nicht mehr rückgängig gemacht, so dass in jeder Konstellation eine Antragstellung anzuraten ist, um in den Genuss der zinslosen Steuerstundung zu kommen.8

III. Ausscheiden und Beendigung 1. Ausscheiden aus der Personengesellschaft Scheidet ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft aus, so entsteht für ihn ein Abfindungsanspruch, 129 da sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den anderen Gesellschaftern anwächst (§ 738 Abs. 1 BGB). Gegenstand des Abfindungsanspruchs ist normalerweise die Zahlung eines Geldbetrags.9 Die Höhe der Abfindung muss nicht zwingend dem tatsächlichen Wert des Gesellschaftsanteils entsprechen. Durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag kann die Höhe der Abfindung zB auf die anteiligen Buchwerte beschränkt sein. Steuerlich liegt beim Ausscheiden eines Gesellschafters eine gleichgestellte Anteilsveräußerung vor, die 130 nach § 16 EStG zu beurteilen ist.10 Veräußerungsgewinn ist nach § 16 Abs. 2 EStG die Differenz zwischen Veräußerungspreis (an die Stelle des Veräußerungspreises tritt beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft der Abfindungsanspruch11) und dem Kapitalkonto des Gesellschafters in der steuerlichen Gesamthandsbilanz, einschließlich des Kapitals aus einer etwaigen Ergänzungsbilanz. Veräußerungskosten sind vorab vom Veräußerungsgewinn abzuziehen. Der Veräußerungsgewinn ermäßigt sich unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG ggf. um einen Freibetrag. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 Nr. 1 EStG kann der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft grundsätzlich mit 56% des durchschnittlichen Steuersatzes besteuert werden. Sowohl der Freibetrag als auch die Tarifermäßigung setzen die Vollendung des 55. Lebensjahres des Veräußernden oder eine dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne voraus und sind jeweils nur einmal im Leben zu gewähren. Die Erfüllung des Abfindungsanspruchs durch Hingabe von Wirtschaftsgütern aus dem Gesellschaftsver- 131 mögen ist zivilrechtlich möglich, wenn die Gesellschafter eine solche Vereinbarung getroffen haben. Für 1 § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG beschränkt die Reinvestitionsmöglichkeit auf Ersatzwirtschaftsgüter inländischer Betriebsstätten und verstößt damit gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV sowie gleichzeitig gegen Art. 31 EWR-Abkommen, vgl. EuGH v. 16.4.2015 – C-591/13, ABl. EU 2015 Nr. C 198, 9. 2 Eingeführt durch das Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Die Neuregelung ist in allen noch offenen Fällen gem. § 52 Abs. 14 Satz 1 EStG anzuwenden. Für Reinvestitionen in inländische Wirtschaftsgüter bleibt die Rechtslage vor Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2015 (s. Fn. 42) unverändert, vgl. BTDrucks. 18/6094, 82. 3 Die übrigen Begünstigungsvoraussetzungen nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG sind zu erfüllen, vgl. Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 87 (Stand Juni 2016); Kanzler, NWB 2015, 3814 (3819). Eine Ausnahme gilt nur für Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 6b Abs. 2a EStG fallen. 4 So auch Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 240a (Stand März 2016); Loschelder, DStR 2016, 9 (12 f.); Adrian/Tigges, StuB 2015, 858 (861). 5 Der Antrag kann hilfsweise zusammen mit der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden, bvgl. BT-Drucks. 18/6094, 81 f.; so auch Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 88 (Stand Juni 2016); Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 240c (Stand März 2016). 6 Vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 239b (Stand März 2016); Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 87 (Stand Juni 2016); Kanzler in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 6b EStG Rz. 140. 7 Vgl. Schießl in Blümich, § 6b EStG Rz. 240b (Stand März 2016). 8 Vgl. Marchal in HHR, § 6b EStG Rz. 88 (Stand Juni 2016). 9 Vgl. Reiß in Kirchhof, EStG15, § 16 Rz. 226. 10 Vgl. BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 mwN. 11 Vgl. Schulze zur Wiesche, Stbg. 2001, 301 (307).

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 132 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften den Fall, dass eine Personengesellschaft durch Verteilung ihrer Wirtschaftsgüter an ihre Gesellschafter endgültig beendet wird, liegt steuerlich unstreitig eine sog. Realteilung vor,1 die zu steuerlichen Begünstigungen gegenüber der Barabfindung führen kann. Nach neuerer Auffassung der Finanzverwaltung2 muss die Personengesellschaft im Zuge der Realteilung nicht zwingend beendet werden. Eine begünstigte Realteilung liegt nach neuerer Rspr. auch dann vor, wenn ein oder mehrere Mitunternehmer unter Mitnahme jeweils eines Teilbetriebs (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) aus der Mitunternehmerschaft ausscheidet/ausscheiden und die Mitunternehmerschaft von den verbleibenden Mitunternehmern oder – wenn nur noch ein Mitunternehmer verbleibt – von diesem als Einzelunternehmen fortgeführt wird.3 132

Bei einer Realteilung besteht nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG die Möglichkeit, Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter ohne Aufdeckung der stillen Reserven zur Abgeltung von Abfindungsansprüchen an Gesellschafter zu verteilen.4 Damit soll die Fortsetzung unternehmerischen Engagements gefördert werden. Wenn die Voraussetzung, dass eine Übertragung in ein Betriebsvermögen erfolgt und so die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist, vorliegt, ist eine Übertragung zum Buchwert zwingend. Ein Wahlrecht zwischen Teilwert-, Buchwert- oder Zwischenwertansatz existiert nicht. Werden bei einer Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter zugewiesen, erfolgt die Übertragung zum Buchwert nach § 16 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 EStG nur, wenn der Empfänger die Wirtschaftsgüter nicht innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung der Gesellschaft entnimmt oder veräußert.5 Eine Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zu Buchwerten auf eine Kapitalgesellschaft ist nach § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG generell nicht möglich.6

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Problematisch an der zwingenden Buchwertverknüpfung ist, dass dadurch bei einer Realteilung stille Reserven unzutreffend zugeordnet werden. Denn die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der ausscheidende Gesellschafter als Abfindung erhält, decken sich im Regelfall nicht mit den anteiligen stillen Reserven, die sich in seinem Anteil gebildet haben.7 Bei späteren Veräußerungen der Wirtschaftsgüter ergeben sich dann ggf. höhere oder niedrigere Steuerbelastungen als bei Aufdeckung der zutreffenden stillen Reserven im Gesellschaftsanteil. Da kein Gesellschafter bereit sein wird, zugunsten der anderen Gesellschafter mehr stille Reserven zu übernehmen, besteht die Gefahr, dass der Realteilung nicht zugestimmt wird.8 Die dargestellten Rechtsfolgen sollten für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters gegen Abfindung mit Sachwerten bei entsprechender Ausgestaltung auch durch Einzelübertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG erreicht werden können (Vorsicht jedoch bei Mitübernahme von Verbindlichkeiten). 2. Beendigung der Personengesellschaft

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Der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe eines ganzen Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils ist nach § 16 EStG steuerpflichtig. Der Steuerpflicht unterworfen sind dadurch die über den Zeitraum des Bestehens des Betriebs gebildeten stillen Reserven. Begünstigt wird der Gewinn ggf. durch die Anwendung von § 16 Abs. 4 und § 34 EStG (s.o. Rz. 130). Die Auflösung einer Personengesellschaft erfolgt idR durch Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder durch stückweise Liquidation.

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Wurden Gewinne der Gesellschaft thesauriert und daher gem. § 34a Abs. 1 EStG begünstigt mit einem Steuersatz von 28,25% besteuert, hat bei Betriebsaufgabe eine Nachversteuerung des thesaurierten Betrags zu erfolgen (§ 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 iVm Abs. 4 EStG).

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Voraussetzung für eine Betriebsveräußerung iSv. § 16 EStG ist die entgeltliche Übertragung des Betriebs auf einen Erwerber in der Art, dass der Erwerber in der Lage ist, den Betrieb fortzuführen.9 Alle für die Fortführung des geschäftlichen Organismus wesentlichen Wirtschaftsgüter sind daher mit zu übertragen, während unwesentliche Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen des Veräußerers übergehen können. Für

1 Das Handelsrecht versteht unter der Realteilung eine „andere Art der Auseinandersetzung“ einer Personengesellschaft, die in Form einer Naturalteilung vollzogen wird (vgl. BFH v. 10.12.1991 – VIII R 69/96, BStBl. II 1992, 385). 2 BMF v. 20.12.2016 – IV C 6 - S 2242/07/10002:004, BStBl. I 2017, 36. 3 BFH v. 17.9.2015 – III R 49/13, BStBl. II 2017, 37; BMF v. 20.12.2012 – IV C 6 - S 2242/07/10002:004 – DOK 2016/ 1109299, BStBl. I 2017, 36. 4 Zur Aufspaltung eines Mitunternehmeranteils im Rahmen der Realteilung s. Carlé/Bauschatz, KÖSDI 2002, 13133 (13135 f.). 5 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2002, 105 (107); Reiß in Kirchhof, EStG15, § 16 Rz. 238. 6 Damit soll die Inanspruchnahme der Vorteile des Teileinkünfteverfahrens durch Anteilsveräußerung im Anschluss an die steuerneutrale Übertragung vermieden werden (vgl. BR-Drucks. 638/01, 53). 7 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG35, § 16 Rz. 548. 8 Vgl. Engl, DStR 2002, 119 (121 f.). 9 Vgl. R 16 Abs. 1 Satz 1 EStR 2012.

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F. Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG

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Rz. 143 Anh. 2 §§ 238–263

diese Wirtschaftsgüter erfolgt ein Ansatz mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Veräußerung (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG). Diese Regelungen sind auch auf Personengesellschaften anwendbar. Eine Betriebsaufgabe iSd. § 16 EStG liegt vor, wenn der Betriebsinhaber die Entscheidung getroffen oder 137 Handlungen vorgenommen hat, die das Bestehen des bisherigen Betriebs als selbständigen Organismus beenden.1 Dies geschieht entweder durch Veräußerung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an mehrere Erwerber oder durch Überführung ins Privatvermögen oder durch teilweise Veräußerung und teilweise Überführung der Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen.2 Die Vorgänge müssen innerhalb kurzer Zeit stattfinden.3 Die steuerliche Bewertung der Aufgabe des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft erfolgt genauso wie die Beurteilung der Aufgabe eines Einzelunternehmens. Besondere Probleme können sich für den Fall des Bestehens von Sonder- und Ergänzungsbilanzen ergeben. Von der Betriebsaufgabe zu unterscheiden ist eine Liquidation der Gesellschaft, also eine allmähliche Auf- 138 lösung. Hierbei werden nicht sämtliche wesentlichen Wirtschaftsgüter in einem einheitlichen Vorgang, sondern nach und nach veräußert oder ins Privatvermögen überführt. Die so entstehenden Gewinne sind kein Aufgabegewinn, sondern als laufende Gewinne zu qualifizieren.4

IV. Doppelstöckige Personengesellschaften Eine doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur liegt vor, wenn eine Personengesellschaft (Mutterper- 139 sonengesellschaft oder Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Tochterpersonengesellschaft oder Untergesellschaft) beteiligt ist. Anzutreffend sind auch mehrstöckige Personengesellschaften dergestalt, dass die Tochterpersonengesellschaft oder Untergesellschaft ihrerseits wieder an einer oder mehreren Personengesellschaften beteiligt ist. Steuerlich wird für jede dieser Personengesellschaften der steuerliche Gewinne nach den oben geschilder- 140 ten Vorschriften ermittelt (einschließlich Sonder- und Ergänzungsbilanzen). Ausgangspunkt ist dabei grds. die „unterste“ Personengesellschaft, da ihr Gewinnanteil der vorgeschalteten Personengesellschaft zuzurechnen ist und in den steuerlichen Gewinn der vorgeschalteten Personengesellschaft „phasengleich“, dh. unabhängig von einem Gewinnverteilungsbeschluss, eingeht. Dieses System ist bis zur „obersten“ Ebene, dh. der Obergesellschaft zu verfolgen, deren Gewinn (einschließlich der Gewinne aus den Untergesellschaften) dann den Gesellschaftern für die Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer zugerechnet wird. Wesentliches Element für die zutreffende steuerliche Gewinnermittlung in doppel- oder mehrstöckigen 141 Strukturen ist die Anwendung der Spiegelbildmethode (s.o. Rz. 69 ff.). Nur auf diese Weise können sowohl der Gewinn als auch die Steuerbilanz der Obergesellschaft bzw. die Höhe des Eigenkapitals der Obergesellschaft zutreffend bestimmt werden. Gewerbesteuerlich stellt indes jede der Gesellschaften ein eigenständiges Steuersubjekt dar. Es erfolgt keine 142 „Konsolidierung“ oder Verrechnung für gewerbesteuerliche Zwecke.

F. Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG Im Grundsatz werden Gewinne von Personengesellschaften nach dem Transparenzprinzip dem indivi- 143 duellen Einkommensteuertarif des jeweiligen Gesellschafters gem. § 32a EStG unterworfen, unabhängig davon, ob die Gesellschafter Gewinnanteile aus dem Betriebsvermögen entnommen haben. Die Besteuerung von Kapitalgesellschaften hingegen folgt dem Trennungsprinzip, dh. das Einkommen wird auf Ebene der Gesellschaft besteuert und im Fall der Ausschüttung zusätzlich auf Ebene der Anteilseigner. Dies führt 1 Vgl. zB BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168; v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105; v. 21.8.1996 – X R 78/93, BFH/NV 1997, 226. 2 Vgl. Kulosa in HHR, § 16 EStG Rz. 520 (Stand Juni 2016). Die Verwendung nur einer einzigen wesentlichen Betriebsgrundlage im Rahmen eines anderen Betriebs ist für die Begünstigung schädlich (vgl. BFH v. 28.10.1964 – IV 102/64 U, BStBl. III 1965, 88). 3 Eine Zeitspanne von sechs Monaten gilt üblicherweise als angemessene Frist (vgl. BFH v. 25.6.1970 – IV 350/64, BStBl. II 1970, 719; v. 8.9.1976 – I R 99/75, BStBl. II 1977, 66). In Einzelfällen steht sogar eine Zeitdauer von bis zu achtzehn Monaten einer begünstigten Betriebsaufgabe nicht entgegen, damit auch schwer verkäufliche Wirtschaftsgüter nicht zeitnah ggf. unter Wert veräußert werden müssen (vgl. BFH v. 16.9.1966 – VI 118-119/65, BStBl. III 1967, 70). Zieht die Betriebsaufgabe sich über einen Zeitraum von mehr als 36 Monaten hin, ist allerdings nicht mehr von einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang auszugehen (vgl. BFH v. 26.4.2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798). 4 Vgl. BFH v. 26.9.1961 – I 5/61 U, BStBl. III 1961, 517.

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Anh. 2 §§ 238–263 Rz. 144 | Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften im Ergebnis dazu, dass thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne einer Steuerbelastung von durchschnittlich 29,83 % unterliegen.1 144

Die Thesaurierungsbegünstigung soll Personengesellschaften die Möglichkeit einräumen, ihre thesaurierten Gewinneinkünfte tariflich vergleichbar zu belasten wie das Einkommen der Kapitalgesellschaften.2 Eine vollständige Gleichstellung der Besteuerung soll dabei nicht erreicht werden, sondern lediglich eine Angleichung der Tarifbelastung auf thesaurierte Gewinne.3 Zu diesem Zweck sieht § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG vor, dass der nicht entnommene Gewinnanteil auf Antrag anstatt mit dem höheren persönlichen progressiven Steuersatz des Gesellschafters ganz oder teilweise mit einem ermäßigten Einkommensteuersatz von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag besteuert wird.

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Die Thesaurierungsbegünstigung kann durch jede als Mitunternehmerin beteiligte natürliche Person individuell für jeden Veranlagungszeitraum gesondert beantragt werden, zB auch durch einen atypisch stillen Gesellschafter, soweit die Beteiligung am Gewinn mehr als 10 % oder mehr als 10.000 € beträgt. Hierbei hat der Antragsteller die Höhe des Begünstigungsbetrags zu benennen. Der Antrag ist nach § 34a Abs. 9 Satz 1 EStG bei dem für die Einkommensbesteuerung zuständigen Finanzamt, grundsätzlich das Wohnsitzfinanzamt, zu stellen; ein Formerfordernis ist hierbei nicht zu beachten. Der Antrag ist ebenso wenig an einen Antragszeitpunkt gebunden, vielmehr kann der Antrag noch bis zur materiellen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids nachgeholt oder erweitert werden.4 Nach der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids verbleibt gem. § 34a Abs. 1 Satz 4 EStG aber noch die Option der ganzen oder teilweisen Antragsrücknahme.5

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Der maximale Thesaurierungsbetrag ermittelt sich gem. § 34a Abs. 2 EStG auf Basis des dem einzelnen Gesellschafter zuzurechnenden Anteils am Steuerbilanzgewinn der Mitunternehmerschaft, korrigiert um außerbilanzielle Hinzurechnungen und Kürzungen und vermindert um den positiven Saldo der Entnahmen und Einlagen eines Wirtschaftsjahres.6 Die Vorschrift knüpft an das steuerliche Eigenkapital an, so dass die Ergebnisse aus den Sonder- und Ergänzungsbilanzen zu berücksichtigen sind.7 Hieraus folgt, dass ein Vermögenstransfer zwischen dem Gesamthandsvermögen und dem Sonderbetriebsvermögen den Thesaurierungsbetrag nicht berührt, weil das betreffende Wirtschaftsgut den Bereich der steuerlichen Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft hierdurch nicht verlässt.8 Entsprechend liegt eine Entnahme erst dann vor, wenn das Wirtschaftsgut tatsächlich in den privaten Bereich überführt wurde.9 Im Bereich der Ergänzungsbilanzen sind Entnahmen und Einlagen hingegen nicht denkbar.10

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Soweit aber gewinnübersteigende Entnahmen getätigt werden, erfolgt nach § 34a Abs. 4 EStG eine pauschale Nachversteuerung mit 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag des sog. nachversteuerungspflichtigen Betrags. Dabei handelt es sich um denjenigen Betrag des nicht entnommenen Gewinns, der bis zum Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums der Sondertarifierung unterworfen wurde, abzgl. der darauf entfallenden ermäßigten Steuerbelastung. Der nachversteuerungspflichtige Betrag ist für jeden Mitunternehmeranteil jährlich gesondert festzustellen. Daneben sind Einzelfälle im § 34a Abs. 6 EStG normiert, die eine vorzei1 Der Körperschaftsteuertarif beträgt gem. § 23 Abs. 1 KStG 15 %. Unter Hinzurechnung des Solidaritätszuschlags von 5,5 % ergibt sich dann ein Steuersatz 15,825 %. Bei einem angenommen Hebesatz von 400 % und der Berücksichtigung der sich ergebenden nicht als Betriebsausgabe abziehbaren Gewerbesteuer von 14 % (vgl. § 4 Abs. 5b EStG) ergibt sich eine Gesamtbelastung von ca. 29,83 %. Siehe auch Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 2 f. (Stand Feb. 2016). 2 Vgl. BR-Drucks. 220/07, 101; Crezelius in Westermann/Wertenbruch, II. Teil Rz. 410 (Stand März 2016); Stein in HHR, § 34a EStG Rz. 1 (Stand Juni 2016). 3 Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 63; FG Münster v. 19.2.2014 – 9 K 511/14 F, EFG 2014, 1201, rkr., unter IV.2.a.aa.(1) der Entscheidungsgründe. 4 Vgl. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838 Rz. 10. 5 Soweit die Festsetzung des Einkommensteuerbescheids nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt und damit die materielle Bestandskraft bereits mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintritt, könnte in Erwägung gezogen werden, den Antrag zunächst in dem maximal zulässigen Umfang zu stellen und diesen ggf. anschließend ganz oder teilweise zurückzunehmen; so auch Stein in HHR, § 34a EStG Rz. 35 (Stand Juni 2016). 6 Zum Ermittlungsschema vgl. Reiß in Kirchhof, EStG15, § 34a Rz. 41. 7 Vgl. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838 Rz. 12. 8 Vgl. Thiel/Sterner, DB 2007, 1099 (1102). 9 Vgl. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838 Rz. 20. Unerheblich ist zudem die zivilrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafterkonten und damit, ob der Gewinnanteil auf einem Eigenkapitalkonto oder einem Fremdkapitalkonto gutgeschrieben wird, da in beiden Fällen steuerliches Eigenkapital gegeben ist; so auch Schiffers, GmbHR 2007, 841 (842). 10 Vgl. Stein in HHR, § 34a EStG Rz. 52 (Stand Juni 2016); Reiß in Kirchhof, EStG15, § 34a Rz. 54; aA Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 94 (Stand Feb. 2016), die Entnahmen und Einlagen im Rahmen der Bildung einer positiven oder negativen Ergänzungsbilanz für möglich erachten.

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Pflicht zur Aufstellung; Befreiung

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tige Nachversteuerung auslösen. Hierzu zählen die Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe, die Einbringung oder der Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, der Wechsel der Gewinnermittlungsart und auf Antrag des Steuerpflichtigen. Insofern führt die Vorschrift nicht zu einer tatsächlichen Steuerentlastung, sondern gewährt lediglich einen Zinsvorteil iS einer Steuerstundung. Der Zinseffekt richtet sich dabei insbes. nach der Höhe des persönlichen Einkommensteuertarifs und der Dauer der Thesaurierung.

Zweiter Abschnitt Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) sowie bestimmte Personengesellschaften Erster Unterabschnitt Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft und Lagebericht Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 264 Pflicht zur Aufstellung; Befreiung (1) 1Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft haben den Jahresabschluß (§ 242) um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet, sowie einen Lagebericht aufzustellen. 2Die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, haben den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang eine Einheit bilden; sie können den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitern. 3Der Jahresabschluß und der Lagebericht sind von den gesetzlichen Vertretern in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen. 4Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen den Lagebericht nicht aufzustellen; sie dürfen den Jahresabschluß auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres. 5Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) brauchen den Jahresabschluss nicht um einen Anhang zu erweitern, wenn sie 1. die in § 268 Absatz 7 genannten Angaben, 2. die in § 285 Nummer 9 Buchstabe c genannten Angaben und 3. im Falle einer Aktiengesellschaft die in § 160 Absatz 3 Satz 2 des Aktiengesetzes genannten Angaben unter der Bilanz angeben. (1a) 1In dem Jahresabschluss sind die Firma, der Sitz, das Registergericht und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, anzugeben. 2Befindet sich die Gesellschaft in Liquidation oder Abwicklung, ist auch diese Tatsache anzugeben. (2) 1Der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. 2Führen besondere Umstände dazu, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Satzes 1 nicht vermittelt, so sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen. 3Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft, die Inlandsemittent im Sinne des § 2 Absatz 7 des Wertpapierhandelsgesetzes und keine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 327a ist, haben bei der Unterzeichnung Cordes/Kotzenberg/Stöber

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Pflicht zur Aufstellung; Befreiung

| § 264

tige Nachversteuerung auslösen. Hierzu zählen die Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe, die Einbringung oder der Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, der Wechsel der Gewinnermittlungsart und auf Antrag des Steuerpflichtigen. Insofern führt die Vorschrift nicht zu einer tatsächlichen Steuerentlastung, sondern gewährt lediglich einen Zinsvorteil iS einer Steuerstundung. Der Zinseffekt richtet sich dabei insbes. nach der Höhe des persönlichen Einkommensteuertarifs und der Dauer der Thesaurierung.

Zweiter Abschnitt Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) sowie bestimmte Personengesellschaften Erster Unterabschnitt Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft und Lagebericht Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 264 Pflicht zur Aufstellung; Befreiung (1) 1Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft haben den Jahresabschluß (§ 242) um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet, sowie einen Lagebericht aufzustellen. 2Die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, haben den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang eine Einheit bilden; sie können den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitern. 3Der Jahresabschluß und der Lagebericht sind von den gesetzlichen Vertretern in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen. 4Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen den Lagebericht nicht aufzustellen; sie dürfen den Jahresabschluß auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres. 5Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) brauchen den Jahresabschluss nicht um einen Anhang zu erweitern, wenn sie 1. die in § 268 Absatz 7 genannten Angaben, 2. die in § 285 Nummer 9 Buchstabe c genannten Angaben und 3. im Falle einer Aktiengesellschaft die in § 160 Absatz 3 Satz 2 des Aktiengesetzes genannten Angaben unter der Bilanz angeben. (1a) 1In dem Jahresabschluss sind die Firma, der Sitz, das Registergericht und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, anzugeben. 2Befindet sich die Gesellschaft in Liquidation oder Abwicklung, ist auch diese Tatsache anzugeben. (2) 1Der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. 2Führen besondere Umstände dazu, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Satzes 1 nicht vermittelt, so sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen. 3Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft, die Inlandsemittent im Sinne des § 2 Absatz 7 des Wertpapierhandelsgesetzes und keine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 327a ist, haben bei der Unterzeichnung Cordes/Kotzenberg/Stöber

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§ 264 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung schriftlich zu versichern, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Satzes 1 vermittelt oder der Anhang Angaben nach Satz 2 enthält. 4Macht eine Kleinstkapitalgesellschaft von der Erleichterung nach Absatz 1 Satz 5 Gebrauch, sind nach Satz 2 erforderliche zusätzliche Angaben unter der Bilanz zu machen. 5Es wird vermutet, dass ein unter Berücksichtigung der Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften aufgestellter Jahresabschluss den Erfordernissen des Satzes 1 entspricht. (3) 1Eine Kapitalgesellschaft, die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist, braucht die Vorschriften dieses Unterabschnitts und des Dritten und Vierten Unterabschnitts dieses Abschnitts nicht anzuwenden, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. alle Gesellschafter des Tochterunternehmens haben der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt; 2. das Mutterunternehmen hat sich bereit erklärt, für die von dem Tochterunternehmen bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen im folgenden Geschäftsjahr einzustehen; 3. der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht des Mutterunternehmens sind nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem das Mutterunternehmen seinen Sitz hat, und im Einklang mit folgenden Richtlinien aufgestellt und geprüft worden: a) Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/102/EU (ABl. L 334 vom 21.11.2014, S. 86) geändert worden ist, b) Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/ 253/EWG des Rates (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 87), die durch die Richtlinie 2013/34/EU (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19) geändert worden ist; 4. die Befreiung des Tochterunternehmens ist im Anhang des Konzernabschlusses des Mutterunternehmens angegeben und 5. für das Tochterunternehmen sind nach § 325 Absatz 1 bis 1b offengelegt worden: a) der Beschluss nach Nummer 1, b) die Erklärung nach Nummer 2, c) der Konzernabschluss, d) der Konzernlagebericht und e) der Bestätigungsvermerk zum Konzernabschluss und Konzernlagebericht des Mutterunternehmens nach Nummer 3. 2Hat bereits das Mutterunternehmen einzelne oder alle der in Satz 1 Nummer 5 bezeichneten Unterlagen offengelegt, braucht das Tochterunternehmen die betreffenden Unterlagen nicht erneut offenzulegen, wenn sie im Bundesanzeiger unter dem Tochterunternehmen auffindbar sind; § 326 Absatz 2 ist auf diese Offenlegung nicht anzuwenden. 3Satz 2 gilt nur dann, wenn das Mutterunternehmen die betreffende Unterlage in deutscher oder in englischer Sprache offengelegt hat oder das Tochterunternehmen zusätzlich eine beglaubigte Übersetzung dieser Unterlage in deutscher Sprache nach § 325 Absatz 1 bis 1b offenlegt. (4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft das Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens ist, das einen Konzernabschluss nach den Vorschriften des Publizitätsgesetzes aufgestellt hat, und wenn in diesem Konzernabschluss von dem Wahlrecht des § 13 Absatz 3 Satz 1 des Publizitätsgesetzes Gebrauch gemacht worden ist; § 314 Absatz 3 bleibt unberührt. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Pflicht zur Aufstellung; Befreiung B. Besondere Rechnungslegungspflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1) I. Erweiterter Jahresabschluss und zuständige Organe (Abs. 1 Satz 1) 1. Anhang und Lagebericht . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Bestandteile des Jahresabschlusses bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Frist zur Aufstellung (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . IV. Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besondere Angabepflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1a) . . . . . . . . . . . . . . . . D. Das Einblicksgebot (Abs. 2) I. Überblick und Allgemeines 1. Herkunft des Einblicksgebots – der true and fair view-Grundsatz des angelsächsischen Rechtskreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorgaben der EU-Bilanzrichtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht . . . . . II. Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (Abs. 2 Satz 1) 1. Bedeutung des Einblicksgebots und Verhältnis zu den GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu den IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Adressaten des Einblicks . . . . . . . . . . . . . . 4. Gegenstand des Einblicks a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögenslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Qualität des Einblicks . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einzelne Funktionen des Einblicksgebots a) Interpretationsfunktion . . . . . . . . . . . . .

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III. 1. 2. IV. 1. 2. 3. V. 1. 2. 3. VI. E. I. II. III. 1. 2. 3. 4. 5. IV. F.

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b) Begrenzungsfunktion in Bezug auf die Ausübung von Wahlrechten . . . . . . . . . . . . c) Korrekturfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Angaben im Anhang (Abs. 2 Satz 2) Die Erläuterungsfunktion des Einblicksgebots und ihre Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorliegen besonderer Umstände . . . . . . . . . Der sog. Bilanzeid (Abs. 2 Satz 3) Überblick und Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Adressaten der Pflicht zum Bilanzeid . . . . . . Inhalt und Abgabe des Bilanzeids . . . . . . . . Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 2 Satz 4 und 5) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Angaben unter der Bilanz (Abs. 2 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermutung einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung (Abs. 2 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen von Verstößen gegen Abs. 2 . . Befreiung von Tochterkapitalgesellschaften (Abs. 3) Überblick und Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . Sachliche Befreiungsvoraussetzungen Zustimmung aller Gesellschafter . . . . . . . . . Verpflichtungserklärung des Mutterunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an die Konzernrechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabe der Befreiung im Anhang des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichweite der Befreiung . . . . . . . . . . . . . . Befreiung bei Konzernabschluss nach PublG (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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57 60 63 65 67 70 71 72 77 81 83 85 88 92 93 94 96 99

Literatur: Moxter, Die Jahresabschlußaufgaben nach der EG-Bilanzrichtlinie: Zur Auslegung von Art. 2 EG-Bilanzrichtlinie, AG 1979, 141; Niehus, „True and Fair View“ – in Zukunft auch ein Bestandteil der deutschen Rechnungslegung?, DB 1979, 221; Schulze-Osterloh, Jahresabschluß, Abschlußprüfung und Publizität der Kapitalgesellschaften nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, ZHR 150 (1986), 532; Claussen, Zum Stellenwert des § 264 Abs. 2 HGB, in FS Goerdeler, 1987, 79; Beisse, Die Generalnorm des neuen Bilanzrechts, in FS Döllerer, 1988, 25; Budde/Förschle, Das Verhältnis des „True and Fair View“ zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und zu den Einzelrechnungslegungsvorschriften, in Mellwig/Moxter/Ordelheide, Einzelabschluss und Konzernabschluss, Bd. 1, 1988, 27; Clemm, Bilanzpolitik und Ehrlichkeits-(„true and fair view“-)Gebot, WPg. 1989, 357; Beisse, Grundsatzfragen der Auslegung des neuen Bilanzrechts, BB 1990, 2007; Lange, Zur Publizitätspflicht „zusätzlicher Angaben“ im Anhang, WPg. 1991, 369; Lachnit, „True and fair view“ und Rechnungslegung über stille Rücklagen im Jahresabschluß von Kapitalgesellschaften, WPg. 1993, 193; Selchert, Zur Generalnorm für offenlegungspflichtige Unternehmen – Eine Analyse von § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB, BB 1993, 753; Streim, Die Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB, in FS Moxter, 1994, 391; Beine, Scheinkonflikte mit dem True and Fair View, WPg. 1995, 467; Clemm, § 264 HGB und Wahlrechte, in FS Budde, 1995, 135; Hoffmann, Jahresabschlusspolitik und die Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB, DB 1995, 1821; Moxter, Zum Verhältnis von handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung und True-andfair-view-Gebot bei Kapitalgesellschaften, in FS Budde, 1995, 419; van Hulle, „True and Fair View“, im Sinne der 4. Richtlinie, in FS Budde, 1995, 313; Weber-Grellet, Bilanzrecht im Lichte, Bilanzsteuerrecht im Schatten des EuGH, DB 1996, 2089; Herlinghaus, „Tomberger“ und die Folgen – ein Beitrag zur Frage der Entscheidungskompetenz des EuGH im Handels- und Steuerbilanzrecht, IStR 1997, 529; Kessler, Die Wahrheit über das Vorsichtsprinzip?!, DB 1997, 1; Müller, Der Europäische Gerichtshof und die deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in FS Claussen, 1997, 707; Dörner/Wirth, Die Befreiung von Tochter-Kapitalgesellschaften nach § 264 Abs. 3 HGB i.d.F. des KapAEG hinsichtlich Inhalt, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses, DB 1998, 1525; Groh, Der Fall Tomberger – Nachlese und Ausblick, DStR 1998, 813; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalen-

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§ 264 Rz. 1 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung bach-Gesellschaft, Interpretation des mit dem Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) neu in das HGB aufgenommenen § 264 Abs. 3 HGB, DB 1999, 493; Giese/Rabenhorst/Schindler, Erleichterungen bei Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung von Konzerngesellschaften, BB 2001, 511; Kraft, Die Mitwirkung der Gesellschafter bei der Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB, in FS W. Müller, 2001, 463; Deilmann, EHUG: Neuregelung der Jahresabschlusspublizität und mögliche Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB, BB 2006, 2347; Kuntze-Kaufhold, Verschärfung der Jahresabschlusspublizität und Prüfungswegfall bei Einbeziehung in den Konzernabschluss eines gebietsfremden Mutterunternehmens, BB 2006, 428; Fleischer, Der deutsche „Bilanzeid“ nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB, ZIP 2007, 97; Hahn, Der Bilanzeid – Neue Rechtsfigur im deutschen Kapitalmarktrecht, IRZ 2007, 375; Schellhorn, Der Bilanzeid nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB – Anwendungsfragen und Bedeutung, DB 2009, 2363; Tromp/Nagler/Gehrke, Die Möglichkeit einer Befreiung von der Offenlegung von Jahresabschlüssen nach § 264 Abs. 3 HGB bei (un-)mittelbarer Konzernmutter im EU-/EWR-Ausland?, GmbHR 2009, 641; Küting/Eichenlaub, Verabschiedung des MicroBilG – Der „vereinfachte“ Jahresabschluss für Kleinstkapitalgesellschaften, DStR 2012, 2615; Schellhorn, Anmerkungen zum Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz, DB 2012, 2296; Schienstock/Veldkamp, Verzicht auf die Aufstellung eines Anhangs nach MicroBilG-E als berichtspflichtiger Satzungsverstoß?, BB 2012, 2809; Scholz, Zusammenspiel der Befreiungsvorschriften der §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB in mehrstufigen Konzernen, BB 2012, 107; Zwirner/König/Busch, Freiwillige Konzernrechnungslegung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften, DB 2012, 2293; Zwirner/Petersen/König, Erweiterung der handelsrechtlichen Berichtspflichten – Relevanz des § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB und seine Konsequenzen für den Jahresabschluss, DB 2012, 61; Fey/Deubert/Lewe/Roland, Erleichterungen nach dem MicroBilG – Einzelfragen zur Anwendung der neuen Vorschriften, BB 2013, 107; Haller/Löffelmann/ Schlechter, Befreiung von der Offenlegung des Jahresabschlusses nach den §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB, DB 2013, 1917; Jorde/Schröder/Tenhaak, Befreiung von Offenlegungspflichten von Konzerntöchtern im Lichte des Publizitätsgesetzes, BB 2013, 2219; Kirsch, Die Bedeutung der Generalnorm für den Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und nach dem Gesetz zur Erleichterung für Kleinstkapitalgesellschaften, DStZ 2013, 258; Kußmaul/Huwer/Palm, Die Modifikation des § 264 Abs. 3 HGB, StuB 2013, 559; Theile, Wo Licht ist, ist auch Schatten – zur (verunglückten?) Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten für Tochterunternehmen durch MicroBilG, DB 2013, 469; Meyer, Neuere europarechtliche Zweifelsfragen bei der Anwendung der §§ 264, 264b HGB, BB 2014, 1131; Reitmeier/Deubert, Befreiungsmöglichkeiten für Tochterunternehmen nach §§ 264 Abs. 3, 264b HGB i.d.F. des BilRUG-RefE, BB 2014, 2795; Bode, Befreiung eines Tochterunternehmens von der Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses nach dem RegE zum BilRUG, DB 2015, 816; Deubert, Erleichterungen für Tochterunternehmen nach §§ 264 Abs. 3 und 4, 264b HGB i.d.F. BilRUG, DB 2015, 41; Kühne/Richter, Einstandspflicht des Mutterunternehmens als Voraussetzung für die Erleichterungen bei Tochter-Kapitalgesellschaften nach BilRUGRegE, BB 2015, 877; Oser/Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), DB 2015, 1729; Renner/ Theile, Verpflichtungsübernahme nach § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB-E zur Befreiung der Kapitalgesellschaft von bilanzrechtlichen Pflichten, KoR 2015, 213; Hargarten/Seidler, Praxisprobleme der Anwendung des § 264 Abs. 3 HGB, BB 2016, 2795; Wengerofsky, Der „True and fair view“-Grundsatz im deutschen HGB – aktuelle Herausforderungen unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben, DStZ 2017, 316.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Auch für Kapitalgesellschaften gelten im Grundsatz die allgemeinen, rechtsformunabhängigen Vorschriften der §§ 238–261 HGB. In § 264 Abs. 1–2 HGB werden für Kapitalgesellschaften rechtsformspezifische Anforderungen an die Rechnungslegung aufgestellt, die teils ergänzend, teils modifizierend zu den allgemeinen Bestimmungen der §§ 238–261 HGB hinzutreten. So müssen Kapitalgesellschaften nach § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – zusätzlich zur Bilanz und zur GuV – einen Anhang sowie einen Lagebericht aufstellen. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, kommen nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB eine Kapitalflussrechnung und ein Eigenkapitalspiegel hinzu. Kleine Kapitalgesellschaften sind nach § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Lageberichts und Kleinstkapitalgesellschaften nach Maßgabe des § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses befreit. Die Aufstellungsfrist beträgt drei, für kleine Kapitalgesellschaften maximal sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs (§ 264 Abs. 1 Satz 3, 4 HGB). Alle Kapitalgesellschaften müssen den Jahresabschluss nach § 264 Abs. 1a HGB mit den in dieser Vorschrift geforderten Angaben versehen. § 264 Abs. 2 HGB regelt das Einblicksgebot (true and fair view) und einzelne Ausprägungen. § 264 Abs. 3 und 4 HGB regeln Befreiungstatbestände; nach Maßgabe dieser Vorschriften sind Kapitalgesellschaften, die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat einbezogen sind, von der Einhaltung der Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften über den Jahresabschluss und den Lagebericht, über die Abschlussprüfung sowie über die Offenlegung befreit.

II. Bedeutung und Zweck 2

Die §§ 264–335c HGB sehen für Kapitalgesellschaften und bestimmte Personengesellschaften (s. §§ 264a–264c HGB) besondere Rechnungslegungsvorschriften vor, die strenger als die allgemeinen Vor566

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 4 § 264

schriften der §§ 238–261 HGB sind. Die strengeren Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass bei den Kapitalgesellschaften zum einen aufgrund des Fehlens einer persönlichen Haftung der Gesellschafter ein stärkerer Gläubigerschutz, zum anderen eine bessere Information der Gesellschafter und der Anleger vonnöten sind.1 Für das Steuerrecht, insbes. für die steuerliche Gewinnermittlung, hat § 264 HGB keine Bedeutung; die Anwendung der Vorschrift hat keine Divergenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz zur Folge.2 Wenn eine Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des § 264 HGB verpflichtet ist, den aus Bilanz sowie GuV bestehenden Jahresabschluss um einen Anhang und einen Lagebericht zu ergänzen, sind die letzteren Dokumente nach § 60 Abs. 3 Satz 1 EStDV in Abschrift der Steuererklärung beizufügen.3

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 264 HGB und die weiteren Vorschriften des Zweiten Abschnitts (§§ 264–335c HGB) gelten in erster Li- 3 nie für Kapitalgesellschaften. Sie treten teils ergänzend, teils modifizierend zu den – grundsätzlich auch auf Kapitalgesellschaften anwendbaren – allgemeinen Vorschriften der §§ 238–261 HGB hinzu.4 Kapitalgesellschaften iSd. §§ 264 ff. HGB sind zum einen die „klassischen“ deutschen Kapitalgesellschaften AG, KGaA und GmbH, aber auch die durch das MoMiG5 eingeführte UG und die supranationale Rechtsform der SE.6 Überdies können auch Kapitalgesellschaften ausländischer Rechtsform den Vorschriften der §§ 264 ff. HGB unterfallen, sofern das deutsche Bilanzrecht auf sie anwendbar ist.7 Nach Maßgabe der §§ 264a–264c HGB finden die Bestimmungen der §§ 264 ff. HGB auch auf bestimmte Personengesellschaften Anwendung. Darüber hinaus gelten die in § 336 Abs. 2 HGB genannten Vorschriften des Zweiten Abschnitts für eingetragene Genossenschaften. Nach Maßgabe der § 340a Abs. 1, 2, § 341a Abs. 1, 2 HGB unterliegen – ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform – auch Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen den §§ 264 ff. HGB. Die in § 5 PublG genannten Bestimmungen des Zweiten Abschnitts sind zudem auf unter §§ 1, 3 PublG fallende Unternehmen anwendbar. Wie sich aus § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG ergibt, findet das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB (dazu Rz. 24 ff.) dabei keine Anwendung.8 Schließlich ordnet § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG9 an, dass Energieversorgungsunternehmen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform einen Jahresabschluss nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufstellen müssen.10 Soweit es an einer gesetzlichen Anordnung der Geltung der §§ 264 ff. HGB fehlt, sind diese auf Unterneh- 4 men, die nicht die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft haben, nicht – auch nicht analog – anwendbar.11 Der Gesetzgeber hat die Anwendbarkeit der §§ 264 ff. HGB bewusst auf Unternehmen bestimmter Rechtsformen beschränkt; an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es somit. Soweit die §§ 264 ff. HGB allerdings nur deklaratorisch allgemeine GoB kodifizieren, die für Unternehmen gleich welcher Rechtsform Geltung beanspruchen, sind diese GoB ohne Weiteres auch auf Unternehmen anwendbar, die keine Kapitalgesellschaften sind.12 Dies trifft beispielsweise auf den in § 265 Abs. 1 Satz 1 HGB geregelten Grundsatz der Bilanzstetigkeit zu.13 Zudem können einzelne in den §§ 264 ff. HGB enthaltene Regeln auch zur Konkretisierung von GoB bei Unternehmen anderer Rechtsformen herangezogen werden. So genügt auch die Bilanz eines Unternehmens, das nicht die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hat, dem allgemeinen Grundsatz der Bilanzklarheit (§ 243 Abs. 2 HGB), wenn ihre Gliederung sich an den Vorgaben des § 266 Abs. 2, 3 HGB orientiert.14 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12 13 14

Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. L Rz. 16 f. S. Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 10. S. dazu Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 230 f. ADS6, § 264 HGB Rz. 17; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 2. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 1. S. dazu Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 72 ff. Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, § 264 HGB Rz. 2 (Stand Dez. 2013); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 147; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 238. Energiewirtschaftsgesetz, erlassen als Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 7.7.2005, BGBl. I 2005, 1970. S. dazu IDW RS ÖFA 2, WPg 2006, 465 ff. BT-Drucks. 10/317, 64; BT-Drucks. 10/4268, 90; ADS6, § 264 HGB Rz. 6; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 2; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 3; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 403 (426); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 1; aA Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 3: Analogien im Einzelfall zulässig. Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 403 (426). Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 3. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 45.

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§ 264 Rz. 5 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung 5

Freilich ist es einem Unternehmen, das keine Kapitalgesellschaft ist und weder unmittelbar noch kraft anderweitiger gesetzlicher Anordnung unter die §§ 264 ff. HGB fällt, ohne Weiteres gestattet, bei seiner Rechnungslegung freiwillig die Vorgaben der §§ 264 ff. HGB einzuhalten.1 Weil die besonderen Vorschriften der §§ 264 ff. HGB strenger sind als die allgemeinen Bestimmungen der §§ 238 ff. HGB, kann hierin keine Verletzung zwingenden Rechts gesehen werden.2 Aus dem gleichen Grund kann auch im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft oder im Vertrag mit einem Dritten wirksam vereinbart werden, dass die Rechnungslegung den Bestimmungen der §§ 264 ff. HGB genügen muss, obwohl diese an sich nicht anwendbar sind.3 Eine solche Vereinbarung ist allerdings nur im Innenverhältnis zwischen den Beteiligten des Vertrags bindend. Im Außenverhältnis – insbes. im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Sanktionen – ist das Unternehmen in jedem Fall nur zu einer Rechnungslegung verpflichtet, die den allgemeinen Anforderungen der §§ 238 ff. HGB genügt.

IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen 6

Ebenso wie das gesamte Dritte Buch des HGB wurden § 264 HGB und die weiteren Vorschriften des Zweiten Abschnitts in Umsetzung der BilRL 19784, der Konzernbilanzrichtlinie5 und der Abschlussprüfungsrichtlinie6 der EWG durch das BiRiLiG von 19857 eingeführt. Durch das KapAEG von 19988 hat der Gesetzgeber § 264 HGB um Abs. 3 und durch das KapCoRiLiG von 20009 um Abs. 4 ergänzt. Mit dem TUG von 200710 wurde dem Abs. 2 des § 264 HGB ein Satz 3 hinzugefügt, der den sog. Bilanzeid regelt (s. dazu Rz. 63 ff.). Durch das MicroBilG von 201211 kamen die Bestimmungen des heutigen Abs. 1 Satz 5 sowie der heutigen Sätze 4, 5 des Abs. 2 hinzu, die in Umsetzung der Vorgaben der Micro-Bilanzrichtlinie12 Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften vorsehen (s. dazu Rz. 21 f., 70 ff.). Zugleich wurde durch das MicroBilG § 264 Abs. 3 HGB neu gefasst. § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB, der kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften erweiterte Rechnungslegungspflichten auferlegt (s. dazu Rz. 13 ff.), wurde auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 BilRL 1978 durch das BilMoG von 200913 eingeführt. Im Jahr 2013 führte der europäische Gesetzgeber die BilRL 1978 und die Konzernbilanzrichtlinie mit etlichen Änderungen und Ergänzungen der bisherigen Vorschriften in der neuen BilRL 201314 zusammen. Zur Umsetzung der neuen Bestimmungen der BilRL 2013 hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2015 das BilRUG15 erlassen. Durch das BilRUG wurde § 264 HGB um einen Abs. 1a ergänzt und in Abs. 3, 4 nochmals neu gefasst. Die Vorgaben der CSR-Richtlinie16 haben keine inhaltliche Änderung der Bestimmungen des § 264 HGB erforderlich gemacht. Mit dem CSR-RL-UmsG von 201717 hat der Gesetzgeber dem § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a HGB lediglich einen redaktionellen Verweis auf die letzte Änderung der dort in Bezug genommenen BilRL 2013 angefügt. Regelungen über den zeitlichen Geltungsbereich der einzelnen Neufassungen des § 264 HGB finden sich in den Art. 48, 62, 66, 70, 75, 80 EGHGB. 1 Zutreffend Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 133; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 1; aA Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 4. 2 AA Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 4. 3 ADS6, § 264 HGB Rz. 10; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 6. 4 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11. 5 Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. EG1983 Nr. L 193, 1. 6 Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates v. 10.4.1984 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. EG 1984 Nr. L 126, 20. 7 Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 8 Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz v. 20.4.1998, BGBl. I 1998, 707. 9 Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154. 10 Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 11 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2751. 12 Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 zur Änderung der Richtlinie 78/ 660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben, ABl. EU 2012 Nr. L 81, 3. 13 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 14 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 15 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 16 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 17 CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802; dazu Kajüter, DB 2017, 617 ff.

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B. Besondere Rechnungslegungspflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1)

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Rz. 9 § 264

Was die europarechtlichen Grundlagen der Bestimmungen des § 264 HGB im Einzelnen anbelangt, so 7 geht die Vorschrift des § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB über die Bestandteile der Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften zurück auf Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 BilRL 1978). Die Regelung des § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB über zusätzliche Rechnungslegungspflichten von kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften beruht auf Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 BilRL 1978). Die in § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB vorgesehene Befreiung kleiner Kapitalgesellschaften von der Pflicht zur Aufstellung eines Lageberichts ist in Art. 19 Abs. 3 BilRL 2013 (Art. 46 Abs. 3 BilRL 1978) gestattet. Die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften nach § 264 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 4 HGB bzw. nach § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB gehen zurück auf Art. 36 Abs. 1 Buchst. b BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 2 Buchst. c BilRL 1978). bzw. auf Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978). § 264 Abs. 1a HGB hat seine europarechtliche Grundlage in Art. 5 BilRL 2013 iVm. Art. 5 der Publizitätsrichtlinie.1 Die in § 264 Abs. 2 Satz 1, 2 HGB enthaltenen Bestimmungen über das true and fair view-Prinzip basieren auf Art. 4 Abs. 3 und 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 3–5 BilRL 1978). Die Regelung des § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB über den Bilanzeid beruht auf Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Transparenzrichtlinie.2 Die Vorschriften des § 264 Abs. 3 und 4 HGB über die Befreiung von der Pflicht zur Einhaltung der Sonderregeln für Kapitalgesellschaften gehen schließlich auf Art. 37 BilRL 2013 (Art. 57 Abs. 4 BilRL 1978) zurück.

B. Besondere Rechnungslegungspflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1) I. Erweiterter Jahresabschluss und zuständige Organe (Abs. 1 Satz 1) 1. Anhang und Lagebericht Auch Kapitalgesellschaften sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 242 HGB verpflichtet, für den Schluss jedes Geschäftsjahres einen aus Bilanz sowie GuV bestehenden Jahresabschluss aufzustellen. Für die Aufstellung gelten im Grundsatz die Vorgaben der §§ 242 ff. HGB, die allerdings durch die Sondervorschriften der §§ 264 ff. HGB teils ergänzt, teils modifiziert werden. So erlegt § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB Kapitalgesellschaften die zusätzlichen Pflichten auf, dem Jahresabschluss als weiteren Bestandteil einen Anhang hinzuzufügen, der mit der Bilanz und der GuV eine Einheit bildet, und zudem einen Lagebericht aufzustellen. Diese Pflichten sind zwingenden Rechts und daher nicht abdingbar.3 Durch die Ergänzung des Jahresabschlusses um einen Anhang werden die Bilanz und die GuV bei Kapitalgesellschaften entlastet.4 Einzelheiten zum Anhang und zum Lagebericht sind in den §§ 284 ff. HGB bzw. in den §§ 289 ff. HGB geregelt.

8

§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB bestimmt ausdrücklich, dass der Anhang mit der Bilanz und der GuV eine Ein- 9 heit bildet. Bei Kapitalgesellschaften besteht der Jahresabschluss also – anders als bei Unternehmen anderer Rechtsformen (s. § 242 Abs. 3 HGB) – nicht nur aus der Bilanz und der GuV, sondern zusätzlich aus dem Anhang als gleichwertigem Bestandteil. Indem der Gesetzgeber den Anhang explizit zum Bestandteil des Jahresabschlusses erklärt, betont er die Bedeutung des Anhangs als zusätzliches Informationsmedium zur Entlastung der Bilanz und der GuV.5 Bei Kapitalgesellschaften erstrecken sich die Pflichten zur Aufstellung, zur Prüfung, zur Unterzeichnung, zur Feststellung und zur Offenlegung des Jahresabschlusses auch auf den Anhang.6 Die Abschlussprüfung und das Testat, die Unterzeichnung und die Offenlegung müssen sich mithin stets auf den gesamten Jahresabschluss einschließlich des Anhangs beziehen.7 Ob der 1 Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaatenden Gesellschaften iSd. Art. 48 Abs. 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EU 2009 Nr. L 258, 11. 2 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU 2004 Nr. L 390, 38. 3 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 13; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 64 (Stand Apr. 2017). 4 ADS6, § 264 HGB Rz. 1; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 8; Budde/Förschle, DB 1988, 1457. 5 Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 6. 6 S. BGH v. 11.10.1999 – II ZR 120/98, ZIP 1999, 1965 (1966); ADS6, § 264 HGB Rz. 15; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 5; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 6; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 8. 7 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 10; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 8.

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§ 264 Rz. 10 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt und damit dem true and fair view-Grundsatz des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB genügt (dazu Rz. 24 ff.), muss unter Berücksichtigung auch des Anhangs beurteilt werden, in dem gem. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB ggf. zusätzliche Angaben zu machen sind.1 10

In Bezug auf den von Kapitalgesellschaften zusätzlich aufzustellenden Lagebericht ordnet § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB dagegen nicht an, dass dieser Bestandteil des Jahresabschlusses ist. Der Lagebericht ist daher im Verhältnis zum Jahresabschluss eigenständig und unterfällt mithin nicht den allein auf den Jahresabschluss bezogenen Vorschriften des Bilanzrechts.2 2. Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht

11

Wie sich § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB entnehmen lässt, ist die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses einschließlich des Anhangs bei Kapitalgesellschaften von den gesetzlichen Vertretern zu erfüllen. Auch die Erfüllung der Pflicht, einen Lagebericht aufzustellen, obliegt bei Kapitalgesellschaften deren gesetzlichen Vertretern. Dies sind bei einer GmbH und einer UG sämtliche Geschäftsführer (§ 35 GmbHG), bei einer AG und einer SE mit dualistischem System alle Mitglieder des Vorstands (§§ 78, 91 AktG; Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii, Art. 39 SE-VO iVm. §§ 78, 91 AktG), bei einer SE mit monistischem System die geschäftsführenden Direktoren (Art. 43 SE-VO iVm. § 41 SEAG) und bei einer KGaA die persönlich haftenden Gesellschafter (§ 278 Abs. 2 AktG iVm. §§ 161 Abs. 2, 125 HGB).3 Der Jahresabschluss ist nach § 245 HGB von allen gesetzlichen Vertretern eigenhändig zu unterzeichnen.4 Im Stadium der Liquidation geht die Zuständigkeit auf die Liquidatoren (s. §§ 269, 270 AktG, §§ 70, 71 GmbHG) und in der Insolvenz auf den Insolvenzverwalter über (s. § 155 Abs. 1 InsO).5 Ist die Aufstellung des Jahresabschlusses nach der internen Geschäftsverteilung bestimmten einzelnen Mitgliedern des Vertretungsorgans zugewiesen oder wird die der Aufstellung vorausgehende Erstellung auf Dritte übertragen, so entbindet diese Delegation die (übrigen) Mitglieder des Vertretungsorgans nicht von ihrer Aufstellungspflicht; vielmehr müssen diese durch eine sorgfältige Auswahl und Überwachung des mit dieser Aufgabe betrauten Mitglieds bzw. Dritten für deren Erfüllung Sorge tragen.6

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Umstritten ist, ob auch der Lagebericht von allen gesetzlichen Vertretern unterzeichnet werden muss. § 245 HGB ordnet nur die Unterzeichnung des Jahresabschlusses an; eine entsprechende Bestimmung für den Lagebericht fehlt. Vor dem Hintergrund, dass der Lagebericht im Unterschied zum Anhang gerade nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist, geht die hM zu Recht davon aus, dass es einer Unterschrift unter den Lagebericht de lege lata nicht bedarf.7 Die Gegenansicht verweist auf die zunehmende Bedeutung des Lageberichts und geht von einer Regelungslücke aus, die im Wege der entsprechenden Anwendung des § 245 HGB zu schließen sei; auch der Lagebericht müsse daher von allen gesetzlichen Vertretern unterschrieben werden.8

II. Weitere Bestandteile des Jahresabschlusses bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 2) 13

Nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB haben die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz, GuV und dem 1 ADS6, § 264 HGB Rz. 16; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 34; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 6; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 9. 2 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111 (121 f.); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 20; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 5; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 10. 3 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 40; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 18; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 11. 4 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 8; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 17; Winkeljohann/ Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 14. 5 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 40; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 11. 6 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 7; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 41; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 12; s. auch RG v. 23.10.1940 – IV 24/40, HRR 1941 Nr. 132; BGH v. 8.7.1985 – II ZR 198/84, NJW 1986, 54 (55); v. 26.6.1995 – II ZR 109/94, GmbHR 1995, 653 (654). 7 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 4; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 5; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 17. 8 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 27; Strieder, DB 1998, 1677 (1679); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 16.

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B. Besondere Rechnungslegungspflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1)

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Rz. 16 § 264

Anhang eine Einheit bilden.1 Darüber hinaus räumt § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die keinen Konzernabschluss aufstellen müssen, die Möglichkeit ein, den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung zu erweitern.2 Um eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft handelt es sich nach der Legaldefinition des § 264d HGB, wenn die Gesellschaft einen organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat (eingehend dazu § 264d HGB Rz. 6 ff.). Die Frage, ob die Kapitalgesellschaft einen Konzernabschluss aufstellen muss, richtet sich nach den §§ 290 ff. HGB sowie nach § 11 PublG. Das HGB selbst enthält keine besonderen Vorschriften über die Kapitalflussrechnung, den Eigenkapitalspiegel und die Segmentberichterstattung. Insoweit können jedoch die – an sich für den Konzernabschluss geltenden – Bestimmungen in DRS 3 (Segmentberichterstattung), DRS 21 (Kapitalflussrechnung) und DRS 22 (Eigenkapitalspiegel) entsprechend herangezogen werden (s. dazu auch § 297 HGB Rz. 12 ff.).3 § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB wurde auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 BilRL 14 2013 (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 BilRL 1978) durch das BilMoG (s. Rz. 6) eingeführt. Sie soll gewährleisten, dass die Rechnungslegung von sämtlichen kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften – unabhängig davon, ob diese einen Konzernabschluss aufstellen müssen oder nicht – vergleichbar ist.4 Ist eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, so muss dies gem. Art. 4 IAS-VO5 grundsätzlich nach den IFRS geschehen. Diese verlangen in IAS 1.10 als Bestandteile des Jahresabschlusses generell eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel (Eigenkapitalveränderungsrechnung). Von kapitalmarktorientierten Unternehmen fordert IFRS 8.2 zudem einen Segmentbericht. Im Interesse der Gleichbehandlung sieht § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB diese erweiterte Rechnungslegung auch für jene kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften vor, die nicht konzernrechnungslegungspflichtig sind. In Bezug auf die Segmentberichterstattung hat der Gesetzgeber allerdings mit Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten von der Statuierung einer Rechtspflicht abgesehen;6 die Erweiterung um einen Segmentbericht ist daher fakultativ (s. auch die für den Konzernabschluss geltende Parallelvorschrift des § 297 Abs. 1 Satz 2 HGB; dazu § 297 HGB Rz. 64 ff.). Der Anordnung des § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB bedarf es nach dem dargelegten Telos der Vorschrift nur, 15 wenn die Gesellschaft nicht bereits einen Konzernabschluss nach IFRS mit den genannten Bestandteilen bzw. Erweiterungen aufstellt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der IFRS-Konzernabschluss aufgrund einer entsprechenden Rechtspflicht oder aber freiwillig aufgestellt wird. Wenn die kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft nach Maßgabe der §§ 290 ff. HGB, § 11 PublG zwar keine Rechtspflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses trifft, sie einen solchen aber freiwillig aufstellt, ist für die Anwendung des § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kein Raum; insoweit ist eine teleologische Reduzierung geboten.7

III. Frist zur Aufstellung (Abs. 1 Satz 3) Die allgemeine Vorschrift des § 243 Abs. 3 HGB bestimmt für die Aufstellung des Jahresabschlusses keine 16 feste Frist, sondern sieht lediglich vor, dass die Aufstellung innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu erfolgen hat (s. § 243 HGB Rz. 52 ff.). Abweichend von § 243 Abs. 3 HGB legt § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB für Kapitalgesellschaften fest, dass der – aus Bilanz, GuV sowie Anhang bestehende – Jahresabschluss und der Lagebericht von den gesetzlichen Vertretern in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen sind. Spätestens am letzten Tag des dritten auf das Ende des betreffenden Geschäftsjahrs folgenden Monats müssen die gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss und den Lagebericht so weit fertiggestellt haben, dass diese, sofern es sich um 1 Kritisch dazu Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 17 ff. 2 Näher zum Ganzen Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 11 ff. (Stand Dez. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 46 ff. (Stand Apr. 2017); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 28 ff.; Zwirner/Petersen/König, DB 2012, 61 ff. 3 S. Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 10 (Stand Dez. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 13 (Stand Apr. 2017). 4 S. BT-Drucks. 16/10067, 62 f.; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 39 (Stand Apr. 2017); kritisch dazu Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 20: Für den Einzelabschluss seien Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel ohne Nutzen. 5 Verordnung Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG 2002 Nr. L 243, 1. 6 S. BT-Drucks. 16/10067, 63. 7 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 6; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 41 (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 11; Zwirner/König/Busch, DB 2012, 2293 ff.

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§ 264 Rz. 17 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung eine prüfungspflichtige Gesellschaft handelt, den Abschlussprüfern, anderenfalls dem für die Feststellung zuständigen Gesellschaftsorgan vorgelegt werden können.1 17

Aufgrund des zwingenden Charakters des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB ist eine Verlängerung der Dreimonatsfrist durch entsprechende Satzungsbestimmung unzulässig und unwirksam.2 Dagegen kann eine Verkürzung der Frist grundsätzlich wirksam in der Satzung vorgesehen werden, sofern die Frist nicht so knapp bemessen wird, dass sie für eine ordnungsgemäße und sorgfältige Aufstellung im Regelfall nicht ausreichend ist.3 Indes hat die Verkürzung nur gesellschaftsinterne Wirkung; im Außenverhältnis und insbes. im Hinblick auf mögliche öffentlich-rechtliche Sanktionen haben die gesetzlichen Vertreter nach der zwingenden Vorschrift des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB drei Monate Zeit.4

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Die Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Aufstellung ist nach der gesetzlichen Regelung nicht eigenständig sanktioniert. Versäumt es eine Kapitalgesellschaft jedoch, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen und gem. § 325 HGB offenzulegen, kann gegen die gesetzlichen Vertreter, die diese Pflichten für die Kapitalgesellschaft zu erfüllen haben, nach § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB vom Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet werden (s. dazu § 335 HGB Rz. 20 ff.).5 Entstehen der Gesellschaft durch eine verspätete Aufstellung Schäden, so kann die gesetzlichen Vertreter eine Schadensersatzhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 AktG treffen.6

IV. Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 4) 19

§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB sieht – auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 19 Abs. 3 BilRL 2013 (Art. 46 Abs. 3 BilRL 1978) – in Bezug auf die Rechnungslegung bestimmte Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 1 HGB vor (s. dazu § 267 HGB Rz. 7 ff.), die nach § 267a Abs. 2 auch für Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a Abs. 1, 3 HGB gelten (s. dazu § 267a HGB Rz. 8 ff.). § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB verpflichtet Kapitalgesellschaften grundsätzlich zur Aufstellung eines zum Jahresabschluss hinzutretenden Lageberichts. Nach § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB sind kleine Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 1 HGB jedoch von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Lageberichts befreit. Die Satzung kann eine gegenteilige Regelung treffen; in diesem Fall müssen die gesetzlichen Vertreter der kleinen Kapitalgesellschaft doch einen Lagebericht aufstellen.7 Allerdings zeitigt eine solche Satzungsbestimmung nur rechtliche Wirkungen im Innenverhältnis, etwa in Gestalt einer Schadensersatzhaftung der gesetzlichen Vertreter gegenüber der Gesellschaft oder einer Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen bei Nichtaufstellung eines Lageberichts.8 Dagegen können bei kleinen Kapitalgesellschaften keine öffentlich-rechtlichen Sanktionen an das unterlassene Aufstellen eines Lageberichts geknüpft werden.

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§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB verpflichtet Kapitalgesellschaften, den Jahresabschluss innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Ende des betreffenden Geschäftsjahrs aufzustellen. Demgegenüber gestattet § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB es kleinen Kapitalgesellschaften, den Jahresabschluss später aufzustellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahrs. Freilich ist eine spätere Aufstellung nach Ablauf der grundsätzlich geltenden Dreimonatsfrist nur zulässig, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht; anderenfalls muss die Aufstellung früher erfolgen.9 Daraus folgt, dass auch in der Satzung einer kleinen Kapitalgesellschaft nicht 1 ADS6, § 264 HGB Rz. 30; Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 6 (Stand Dez. 2013); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 9; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 21; Winkeljohann/ Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 19. 2 ADS6, § 264 HGB Rz. 33; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 9; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 43; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 17. 3 Ebenso Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 5 (Stand Dez. 2013); Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 9; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 17; aA ADS6, § 264 HGB Rz. 33. 4 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 23; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 66 (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 19. 5 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 22. 6 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 72 (Stand Apr. 2017); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 43; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 20. 7 BGH v. 26.11.2007 – II ZR 227/06, AG 2008, 83 (84); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 8; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 8. 8 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 8; s. auch BGH v. 26.11.2007 – II ZR 227/06, AG 2008, 83 (84 f.). 9 ADS6, § 264 HGB Rz. 28a; Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 5 (Stand Dez. 2013); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 43; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 17; aA Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 19.

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C. Besondere Angabepflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1a)

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Rz. 23 § 264

pauschal und ohne den Vorbehalt, dass dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, eine längere Aufstellungsfrist als die Dreimonatsfrist des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB festgelegt werden darf; eine Satzungsbestimmung dieses Inhalts ist unwirksam.1

V. Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 5) Noch weitergehende Erleichterungen sieht § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB für Kleinstkapitalgesellschaften iSd. 21 § 267a HGB vor (s. dazu § 267a HGB Rz. 8 ff.). § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB geht zurück auf Art. 1a Abs. 2 Buchst. c BilRL 1978 (jetzt: Art. 36 Abs. 1 Buchst. b BilRL 2013). Die in § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB geregelten Erleichterung für kleine Kapitalgesellschaften (s. dazu Rz. 19 f.) finden nach § 267a Abs. 2 HGB auch auf Kleinstkapitalgesellschaften Anwendung.2 Ergänzend bestimmt § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB, dass Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB den Jahresabschluss nicht um einen Anhang zu erweitern brauchen, wenn sie die in § 268 Abs. 7 HGB genannten Angaben, die in § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB genannten Angaben und im Fall einer AG die in § 160 Abs. 3 Satz 2 AktG genannten Angaben unter der Bilanz machen. Unter der Voraussetzung, dass die besagten Angaben unter der Bilanz gemacht werden, kann eine Kleinstkapitalgesellschaft also auf der Grundlage des ihr in § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB eingeräumten Wahlrechts ganz auf einen Anhang verzichten.3 Freilich kann die Satzung mit gesellschaftsinterner Wirkung einen Anhang zwingend vorschreiben.4 Bei den in § 268 Abs. 7 HGB genannten Angaben handelt es sich um Angaben zu Haftungsverhältnissen 22 iSd. § 251 HGB; dies sind nicht auf der Passivseite auszuweisende Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln, aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften und aus Gewährleistungsverträgen sowie Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten (näher dazu § 251 HGB Rz. 11 ff.). Nach § 268 Abs. 7 HGB sind diese Angaben bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich im Anhang zu machen, wobei die Haftungsverhältnisse jeweils gesondert unter Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten anzugeben und Verpflichtungen betreffend die Altersversorgung und Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen jeweils gesondert zu vermerken sind. § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB betrifft Angaben zu den an die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung gewährten Vorschüssen und Krediten einschließlich der Zinssätze, der wesentlichen Bedingungen und der ggf. im Geschäftsjahr zurückgezahlten oder erlassenen Beträge sowie zu den zugunsten dieser Personen eingegangenen Haftungsverhältnissen (s. dazu § 285 HGB Rz. 106 ff.). Auch diese Angaben müssen von einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich im Anhang gemacht werden. Nach § 160 Abs. 3 Satz 2 AktG muss auch eine kleine AG im Anhang die in § 160 Abs. 1 Nr. 2 AktG näher spezifizierten Angaben über den Bestand an eigenen Aktien – mit Ausnahme der Angaben über die Verwendung des Erlöses aus der Veräußerung eigener Aktien – machen, soweit die Aktien von ihr selbst oder durch eine andere Person für Rechnung der Gesellschaft erworben wurden und gehalten werden. Wenn die AG eine Kleinstkapitalgesellschaft iSd. § 267a HGB ist, genügt es nach § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB, wenn sie die vorstehend genannten Angaben unter der Bilanz macht.

C. Besondere Angabepflichten von Kapitalgesellschaften (Abs. 1a) Nach § 264 Abs. 1a Satz 1 HGB muss eine Kapitalgesellschaft in dem Jahresabschluss ihre Firma, ihren 23 Sitz, das Registergericht und die Nummer, unter der sie in das Handelsregister eingetragen ist, angeben. Befindet sich die Kapitalgesellschaft in Liquidation oder Abwicklung, ist nach § 264 Abs. 1a Satz 2 HGB auch diese Tatsache in dem Jahresabschluss anzugeben. § 264 Abs. 1a HGB ist in Umsetzung von Art. 5 BilRL 2013 iVm. Art. 5 der Publizitätsrichtlinie5 durch das BilRUG (s. Rz. 6) eingeführt worden. Die von § 264 Abs. 1a HGB geforderten Angaben sind „in dem Jahresabschluss“ zu machen; dies kann beispiels-

1 BayObLG v. 5.3.1987 – BReg. 3 Z 29/87, WM 1987, 502 (503); ADS6, § 264 HGB Rz. 28a; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 10; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 9. 2 BT-Drucks. 17/11292, 16. 3 Kritisch dazu Kirsch, DStZ 2013, 258 (262 ff.); Schellhorn, DB 2012, 2296 (2297 f.); die Einräumung eines Wahlrechts zu Recht gutheißend dagegen Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 11. 4 S. dazu Schienstock/Veldkamp, BB 2012, 2809 (2810). 5 Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaatenden Gesellschaften iSd. Art. 48 Abs. 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EU 2009 Nr. L 258, 11.

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§ 264 Rz. 24 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung weise in der Überschrift des Jahresabschlusses, auf einem Deckblatt, zu Beginn des Anhangs oder an anderer herausgehobener Stelle geschehen.1

D. Das Einblicksgebot (Abs. 2) I. Überblick und Allgemeines 1. Herkunft des Einblicksgebots – der true and fair view-Grundsatz des angelsächsischen Rechtskreises 24

Nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB muss der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln. Diese Vorschrift geht auf den true and fair view-Grundsatz des angelsächsischen und speziell des britischen Bilanzrechts zurück.2 Das true and fair view-Gebot – auch als Grundsatz der Bilanzwahrheit bezeichnet – ist in den Bilanzrechten der angelsächsischen Staaten einschließlich des Vereinigten Königreichs sowie auch in den stark angelsächsisch geprägten IFRS von zentraler Bedeutung. Auf Drängen des Vereinigten Königreichs wurde dieser Grundsatz mit Art. 2 Abs. 3–5 in die BilRL 1978 aufgenommen.3 In der BilRL 2013 wurden die das true and fair view-Prinzip betreffenden Bestimmungen inhaltlich unverändert in Art. 4 Abs. 3 und 4 fortgeführt. Aufgrund der europarechtlichen Vorgabe musste das true and fair view-Gebot auch vom deutschen Gesetzgeber in das Bilanzrecht des HGB eingeführt werden, was mit dem BiRiLiG und § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB geschehen ist (s. Rz. 6 f.).4 Zu Recht hat der deutsche Gesetzgeber den Geltungsbereich des dem Bilanzrecht des HGB an sich fremden true and fair view-Gebots dabei auf Kapitalgesellschaften begrenzt. Zudem steht der true and fair view-Grundsatz hier unter dem Vorbehalt der Beachtung der GoB, zu denen insbes. das Vorsichtsprinzip gehört. Dies führt dazu, dass das true and fair view-Prinzip im deutschen Bilanzrecht auch bei Kapitalgesellschaften nicht die überragende Bedeutung hat, die ihm im britischen Recht zukommt.5

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Schon vor Inkrafttreten des BiRiLiG existierte allerdings auch im deutschen Bilanzrecht speziell für AG mit § 149 Abs. 1 AktG 19656 eine Vorschrift, die gewisse Ähnlichkeiten mit dem heutigen § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB aufwies. § 149 Abs. 1 AktG 1965 lautete wie folgt: „Der Jahresabschluß hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Er ist klar und übersichtlich aufzustellen und muß im Rahmen der Bewertungsvorschriften einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft geben.“

Freilich hatte das Einblicksgebot des § 149 Abs. 1 Satz 2 AktG 1965 bei Weitem nicht die Bedeutung und Funktion, die dem true and fair view-Grundsatz des britischen Rechts zukommt; insbes. stand das Gebot, einen „möglichst sicheren Einblick“ zu gewähren, unter dem Vorbehalt der GoB und namentlich des Vorsichtsprinzips.7 26

Die zentrale Bedeutung des true and fair view-Grundsatzes im angelsächsischen Rechtskreis erklärt sich aus der von der des kontinentaleuropäischen Bilanzrechts abweichenden Zielsetzung der angelsächsischen Rechnungslegungsregeln. In den kontinentaleuropäischen Staaten – dies gilt auch für die Handelsbilanz nach dem deutschen HGB – dient die Bilanz nicht nur der Information, sondern auch den Zwecken der Kapitalerhaltung und des Schutzes der Gläubiger.8 Für das deutsche Bilanzrecht ist deshalb das Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB von fundamentaler Bedeutung.9 Im angelsächsischen Rechtskreis und auch im britischen Recht verfolgen die Rechnungslegungsregeln dagegen primär das Ziel der Information von Investoren und Anteilseignern, denen ein möglichst realistisches Bild von der Vermögens-, 1 BT-Drucks. 18/4050, 57; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 74 (Stand Apr. 2017); Oser/Orth/ Wirtz, DB 2015, 1729 (1734); einschränkend Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 49: Angabe auf Deckblatt nicht zulässig, weil dieses nicht zum Jahresabschluss gehöre. 2 S. ADS6, § 264 HGB Rz. 38; Claussen in FS Goerdeler, 79 (82 ff.); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 77 f. (Stand Apr. 2017). 3 S. dazu Alsheimer, RIW 1992, 645 (646 f.); Niehus, DB 1979, 221 ff.; Van Hulle in FS Budde, 313 ff.; Winkeljohann/ Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 22. 4 Dies zu Recht kritisierend Streim in FS Moxter, 391 (394 f.) mit dem Hinweis, dass der vage Begriff des true and fair view auch im Vereinigten Königreich selbst nicht klar konturiert ist. 5 Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 13; s. auch Streim in FS Moxter, 391 (396 ff.), der deshalb von einer nicht richtlinienkonformen Umsetzung des Art. 2 Abs. 3 BilRL 1978 ausgeht. 6 Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGBl. I 1965, 1089. 7 S. zu § 149 Abs. 1 AktG 1965 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 76 (Stand Apr. 2017). 8 BKT, Bilanzen14, Kap. II. 123, S. 98 ff.; Dettmeier/Pöschke, JuS 2007, 313 (315). 9 Dettmeier/Pöschke, JuS 2007, 313 (315); Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 252 HGB Rz. 29 ff.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 29 § 264

Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt werden soll.1 Im angelsächsischen und speziell im britischen Bilanzrecht ist daher der Grundsatz der true and fair view das wichtigste Prinzip.2 Dementsprechend ordnet im Vereinigten Königreich sec 393 des Companies Act 2006 für alle Einzel- und Konzernabschlüsse an, dass diese ein zutreffendes Bild von den Vermögenswerten, den Verbindlichkeiten, der finanziellen Lage sowie Gewinn und Verlust der Gesellschaft vermitteln müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie nach britischem Recht oder nach den IFRS aufgestellt werden.3 Die Geltung des true and fair viewPrinzips wird in sec 396(2)–(5) des Companies Act 2006 für Einzelabschlüsse und in sec 404(2)–(5) des Companies Act 2006 für Konzernabschlüsse nach britischem Recht nochmals besonders hervorgehoben.4 Aufgrund seiner überragenden Bedeutung kann das Prinzip des true and fair view im Einzelfall auch Abweichungen von den britischen Financial Reporting Standards (FRS) rechtfertigen, nach denen sich die Rechnungslegung nach britischem Recht grundsätzlich richtet.5 Eine ähnlich starke Stellung hat der true and fair view-Grundsatz in den anglo-amerikanisch geprägten 27 IFRS. Wie alle Rechnungslegungsregeln anglo-amerikanischer Provenienz verfolgen auch die IFRS ausschließlich das Ziel, Gläubigern und Investoren entscheidungsnützliche Informationen zu verschaffen und ihnen ein möglichst realistisches Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln (s. CF.OB2).6 Im Einklang mit dieser Zielsetzung tritt auch bei den IFRS an die Stelle des Vorsichtsprinzips des deutschen Handelsbilanzrechts als zentrales Prinzip der in CF.QC12, IAS 1.15 niedergelegte Grundsatz der richtigen Darstellung (true and fair view, fair presentation).7 Das auf Betreiben des Vereinigten Königreichs in die BilRL und in § 264 Abs. 2 HGB aufgenommene an- 28 gelsächsische true and fair view-Gebot bildet einen Fremdkörper im deutschen und kontinentaleuropäischen Bilanzrecht, in dem traditionell das gläubigerschützende Vorsichtsprinzip Vorrang genießt. Hieraus resultieren, wie im Folgenden noch darzulegen ist, zahlreiche Friktionen, die zu unnötigen Problemen in der praktischen Anwendung und Handhabung der bilanzrechtlichen Vorschriften führen. Der anstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU (sog. Brexit) wäre ein guter Anlass, die BilRL und die zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechnungslegungsvorschriften vom Ballast des true and fair viewPrinzips zu befreien.8 2. Die Vorgaben der EU-Bilanzrichtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht Mit seiner Aufnahme in Art. 2 Abs. 3–5 BilRL 1978 bzw. Art. 4 Abs. 3 und 4 BilRL 2013 wurde das true 29 and fair view-Prinzip Teil des europäischen und mit der Umsetzung der BilRL auch Teil des deutschen Bilanzrechts. Wenngleich das true and fair view-Gebot dem britischen Recht entstammt (s. Rz. 24, 26), ist das dortige Verständnis dieses Prinzips nicht maßgeblich für die Auslegung der das true and fair viewPrinzip betreffenden Bestimmungen der BilRL und der zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Vorschriften.9 Dies gilt umso mehr, als der vage Begriff des true and fair view auch im Vereinigten Königreich selbst nicht klar konturiert ist.10 Vielmehr ist die BilRL auch insoweit autonom ohne Bindung an das 1 Gerner-Beuerle in Gore-Browne, On Companies, Kap. 32[2]; Nieland/Scott, BBK 1998, F. 20, 2017 (2018, 2031); Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 13. 2 Gerner-Beuerle in Gore-Browne, On Companies, Kap. 32[2]; Just, Die englische Limited in der Praxis4, Rz. 263; Nieland/Scott, BBK 1998, F. 20, 2017 (2018, 2031); Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 13; s. zum Inhalt und zur historischen Entwicklung des true and fair view-Prinzips im Vereinigten Königreich Alsheimer, RIW 1992, 645 f.; Groh in FS Moxter, 45 (46 ff.); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 81 ff. (Stand Apr. 2017); Niehus, DB 1979, 221 (222 ff.). 3 S. Kershaw/Metcalf/Owen in Birds, Annotated Companies Legislation2, Rz. 15.393.05; Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 14. 4 S. Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 14. 5 Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 15; s. zum Verhältnis zwischen den FRS und dem Grundsatz des true and fair view Kershaw/Metcalf/Owen in Birds, Annotated Companies Legislation2, Rz. 15.396.05 ff.; ferner Cox/Gale in Gore-Browne, On Companies, Kap. 36[15]. 6 S. BKT, Bilanzen14, Kap. II. 31, S. 145 ff.; Breuninger/Prinz, DStR 2006, 1345 (1346); Brüggemann/Lühn/Siegel, KoR 2004, 389 f.; Heuser in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch5, Rz. 7; Kleindiek in MünchKomm. BilR, Einf. IFRS Rz. 90; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, Einl. vor § 238 HGB Rz. 180; Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 21; Wawrzinek/Lübbig in Beck IFRS-Hdb.5, § 2 Rz. 20 ff. 7 Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 58 ff. (Stand Mai 2010); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 26 ff. (Stand Apr. 2017); Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 22; Wawrzinek/Lübbig in Beck IFRS-Hdb.5, § 2 Rz. 44 f.; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Einf. Rz. 62. 8 Für eine Streichung des true and fair view-Prinzips auch Streim in FS Moxter, 391 (398 ff.). 9 Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 24. 10 S. Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 83 f. (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 35; Streim in FS Moxter, 391 (398 ff.).

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§ 264 Rz. 30 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung Rechtsverständnis einzelner Mitgliedstaaten auszulegen.1 Auch im Hinblick auf das true and fair viewPrinzip steht die Letztentscheidungskompetenz über die Auslegung der Bestimmungen der BilRL und damit auch der auf ihnen beruhenden Vorschriften des deutschen Rechts dem EuGH zu.2 30

Anders als dem britischen kommt dem unionsrechtlichen true and fair view-Grundsatz auch nicht die Bedeutung eines übergeordneten Prinzips (overriding principle) zu, das allgemein Abweichungen von Rechnungslegungsvorschriften rechtfertigen könnte. Zwar gestattet Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) – im Ansatz ähnlich wie das britische Bilanzrecht (s. Rz. 26) – eine Abweichung von den Vorgaben der Richtlinie, soweit dies zur Einhaltung des true and fair view-Grundsatzes erforderlich ist. Allerdings beschränkt Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) die Befugnis zur Abweichung ausdrücklich auf Ausnahmefälle. Klarstellend haben der Rat und die Kommission zudem in der Protokollerklärung zu Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978 festgestellt, dass es zur Wahrung des true and fair view-Grundsatzes „normalerweise ausreicht, die Richtlinien anzuwenden, damit das gewünschte, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bild entsteht“.3 Die in Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) eingeräumte Abweichungsbefugnis gestattet mithin keinesfalls ein breitflächiges Außerkraftsetzen der Vorgaben der Richtlinie, sondern allenfalls punktuelle Abweichungen im Ausnahmefall.4

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Die das true and fair view-Prinzip betreffenden Vorgaben der BilRL hat der deutsche Gesetzgeber im Wesentlichen in § 264 Abs. 2 HGB umgesetzt. Der Umsetzung von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 3 BilRL 1978) dient § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB, wonach der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln muss. Die Einschränkung „unter Beachtung der GoB“ findet sich zwar in Art. 4 Abs. 3 Satz 1 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 3 BilRL 1978) nicht. Wohl aber ordnet Art. 4 Abs. 2 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 2 BilRL 1978) an, dass der Jahresabschluss den Vorgaben der Richtlinie und damit auch den in ihr kodifizierten GoB entsprechen muss, so dass § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB mit den Vorgaben der Richtlinie im Einklang steht.5

32

Für den Fall, dass die Anwendung der Richtlinie nicht ausreicht, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln, ordnet Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978) an, dass im Anhang zum Abschluss alle zusätzlichen Angaben zu machen sind, die erforderlich sind, um dieser Anforderung nachzukommen. Diese Vorgabe der Richtlinie wurde mit § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB umgesetzt. Zwar spricht § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB im Unterschied zu Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978) von „besonderen Umständen“, die dazu führen, dass der Jahresabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt. Es entspricht jedoch der – ua. in der Protokollerklärung von Rat und Kommission (s. Rz. 30) zum Ausdruck gekommenen – Sichtweise des europäischen Gesetzgebers, dass eine nach den Bestimmungen der Richtlinie aufgestellte Rechnungslegung idR zur Wahrung des true and fair view-Grundsatzes ausreicht und mithin nur in Ausnahmefällen zusätzliche Angaben im Anhang notwendig sind, so dass auch die besagte Einschränkung in § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB richtlinienkonform ist.6

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Nicht ausdrücklich umgesetzt hat der deutsche Gesetzgeber die Regelung des Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978), wonach Bestimmungen der Richtlinie außer Anwendung gelassen werden können, wenn dies erforderlich ist, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln. Insoweit ist der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es sich von selbst verstehe, dass gesetzliche Vorschriften zur Erreichung des Gesetzeszwecks im Einzelfall nicht angewendet werden.7 Auch die hM im Schrifttum hält eine besondere Umsetzung des Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) für entbehrlich; ua. wird geltend gemacht, dass die in Einzelvorschriften – etwa in § 252 Abs. 2 HGB oder § 265 Abs. 1 HGB – vorgesehenen 1 Zutreffend Hennrichs, ZGR 1997, 66 (73 f.); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 16; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 35; Van Hulle in FS Budde, 313 (317 f.). 2 S. De Weerth, RIW 1996, 763 (764); Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 56 (Stand Sept. 2016); Weber-Grellet, DB 1996, 2089. 3 S. Erklärung von Rat und Kommission für das Ratsprotokoll zu Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978, abgedruckt bei Biener/ Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 831; Niehus, DB 1979, 221. 4 Zutreffend Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 15. 5 Beisse in FS Döllerer, 25 (38 f.); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 19; s. auch Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (538). 6 ADS6, § 264 HGB Rz. 42; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 20; s. auch Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (538). 7 S. BT-Drucks. 10/317, 77; ähnlich Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 22 f.: richtlinienkonforme Auslegung möglich.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 36 § 264

Ausnahmen für die Umsetzung ausreichend seien.1 Es erscheint indes zweifelhaft, ob die vom Gesetzgeber angenommene ungeschriebene Selbstverständlichkeit oder einzelne Ausnahmebestimmungen den Mindestanforderungen des EuGH an die Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht genügen.2 Vielmehr dürfte es insoweit bislang an einer richtlinienkonformen Umsetzung der BilRL fehlen.3

II. Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (Abs. 2 Satz 1) 1. Bedeutung des Einblicksgebots und Verhältnis zu den GoB Nach dem in Reminiszenz an § 149 Abs. 1 AktG 1965 (s. Rz. 25) auch als Einblicksgebot bezeichneten true 34 and fair view-Grundsatz des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. Mit den GoB sind nicht nur die – ungeschriebenen – GoB ieS gemeint, sondern sämtliche gesetzlichen Rechnungslegungsregeln außerhalb des Einblicksgebots.4 Das Einblicksgebot selbst ist kein GoB.5 Die Reichweite und Bedeutung des Einblicksgebots und sein Verhältnis zu den übrigen Bestimmungen des Handelsbilanzrechts und den GoB sind im Einzelnen umstritten. Nach der sog. Abkopplungslehre6 hat das Einblicksgebot keine Auswirkungen auf die Bilanz und die GuV 35 mit der Folge, dass insoweit allein die GoB maßgeblich seien. Die Bilanz und die GuV seien also gleichsam vom Einblicksgebot abgekoppelt. Die Bedeutung des Einblicksgebots beschränke sich auf den Anhang, in dem ggf. zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zusätzliche Angaben zu machen seien. Dagegen misst die hM im Schrifttum7 dem Einblicksgebot eine breite Wirkung bei, die sich auf den Jahresabschluss in seiner Gesamtheit beziehe. Im Grundsatz sei das Einblicksgebot bei der Anwendung sämtlicher Vorschriften des Handelsbilanzrechts zu berücksichtigen; dabei könne es auch für den Ansatz und die Bewertung von Bilanzpositionen und die Ausübung von diesbezüglichen Wahlrechten von Bedeutung sein. Einige Vertreter dieser Ansicht betrachten das Einblicksgebot als overriding principle und lassen auf seiner Grundlage im Einzelfall sogar Abweichungen von den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und den GoB zu,8 wohingegen andere Stimmen einen generellen Vorrang der GoB gegenüber dem Einblicksgebot annehmen.9 Die Abkopplungslehre ist indes mit den Vorgaben der BilRL nicht zu vereinbaren. Das Prinzip der Bilanz- 36 wahrheit wird in Art. 4 Abs. 3 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 3 BilRL 1978) ausdrücklich auf den Jahresabschluss in seiner Gesamtheit bezogen; einen Nachrang im Verhältnis zu den übrigen Vorschriften und Grundsät1 So ADS6, § 264 HGB Rz. 43 ff.; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 36; ein Umsetzungsdefizit ebenfalls verneinend Beine, WPg. 1995, 467 (475); Beisse in FS Döllerer, 25 (37 ff.); Claussen in FS Goerdeler, 79 (88 f.); Groh, DStR 1998, 813 (817); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 53, 59; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (541 f.); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 30. 2 S. dazu Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5, Art. 288 AEUV Rz. 32 ff. mwN. 3 Ebenso Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 106 (Stand Apr. 2017); Müller in FS Claussen, 707 (720); Streim in FS Moxter, 391 (396). 4 S. BT-Drucks. 10/317, 76; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 46; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 32; eingehend dazu Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 141 ff. (Stand Apr. 2017). 5 Beisse in FS Döllerer, 25 (30); Beisse, BB 1990, 2007 (2008, 2012); Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 5 (Stand Mai 2010); aA Claussen in FS Goerdeler, 79 (89). 6 Beisse in FS Döllerer, 25 (41 f.); Beisse, BB 1990, 2007 (2008 ff.); Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 44 f., 53 (Stand Mai 2010); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 91 ff., 97 ff. (Stand Apr. 2017); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 44; Moxter in FS Budde, 419 (426 ff.). 7 Beine, WPg. 1995, 467 (468 ff.); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 25 f.; Groh, DStR 1998, 813 (816 f.); Hennrichs, ZGR 1997, 66 (78 ff.); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 27 ff.; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 11, 16; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (541 ff.); Van Hulle in FS Budde, 313 (317 ff.); Weber-Grellet, DB 1996, 2089 (2090); Wengerofsky, DStZ 2017, 316 (319 ff.); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 26 ff. 8 Groh, DStR 1998, 813 (817); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 27 ff.; Klinke, ZGR 1998, 212 (231 f.); Van Hulle in FS Budde, 313 (318 ff.); Weber-Grellet, DB 1996, 2089 (2090); Wengerofsky, DStZ 2017, 316 (319 ff.); wohl auch Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 25 f. 9 Budde/Förschle in Mellwig/Moxter/Ordelheide, Einzelabschluss und Konzernabschluss, Bd. 1, 27 (36 ff.); Kessler, DB 1997, 1 ff.; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 51 ff., 80; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 41, 45, 61 f.; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (539 f.); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 26 ff.; wohl auch BT-Drucks. 10/317, 76; s. ferner BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (637).

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§ 264 Rz. 37 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung zen der Richtlinie ordnet Art. 4 Abs. 3 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 3 BilRL 1978) dabei nicht an. Ein solcher Nachrang stünde auch nicht im Einklang mit der stRspr. des EuGH, der den Grundsatz der Bilanzwahrheit als „fundamental“1 und seine Beachtung als „Hauptzielsetzung“ der Richtlinie bezeichnet.2 Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) sieht sogar explizit vor, dass der Grundsatz der Bilanzwahrheit in Ausnahmefällen die Nichtanwendung einer anderen Bestimmung der Richtlinie rechtfertigen kann, um sicherzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt wird. In einem solchen Ausnahmefall hat der Grundsatz der Bilanzwahrheit sogar Vorrang im Verhältnis zu den übrigen Bestimmungen der Richtlinie. Daher ist auch die Ansicht abzulehnen, die einen generellen Vorrang der GoB gegenüber dem Einblicksgebot annimmt.3 Im Ansatz ist vielmehr der Auffassung zu folgen, die davon ausgeht, dass der true and fair view-Grundsatz eine breite Wirkung hat und im Einzelfall auch Abweichungen von den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und den GoB gestattet. 37

Dies bedeutet freilich nicht, dass auf der Grundlage des Einblicksgebots nun reihenweise Rechnungslegungsvorschriften und GoB außer Kraft gesetzt werden könnten. Es ist zu betonen, dass Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) nur in Ausnahmefällen und nur punktuell Abweichungen gestattet.4 Wie auch der Rat und die Kommission in ihrer Protokollerklärung zu Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978 klargestellt haben (s. Rz. 30), ist jedoch idR davon auszugehen, dass eine nach den Bestimmungen der Richtlinie aufgestellte Rechnungslegung zur Wahrung des true and fair view-Grundsatzes ausreicht.5 Insofern kann zwar nicht generell, wohl aber im Regelfall ein Vorrang der allgemeinen Vorschriften und Prinzipien der Richtlinie vor dem Grundsatz der Bilanzwahrheit angenommen werden.6 Dies gilt in besonderem Maße für das gläubigerschützende Vorsichtsprinzip; auch der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft dient daher nicht nur Informations-, sondern primär Gläubigerschutzzwecken.7 Zudem ist nicht in jedem Fall, in dem die Einhaltung der allgemeinen Vorschriften und Prinzipien der BilRL ausnahmsweise nicht ausreicht, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln, eine Abweichung von den allgemeinen Rechnungslegungsregeln in der Bilanz oder GuV geboten. Vielmehr kann dem Grundsatz der Bilanzwahrheit in den meisten dieser Fälle durch zusätzliche Angaben im Anhang genügt werden.8

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Auf dieser Linie liegt auch die Rspr. des EuGH. So hat der EuGH im Tomberger-Urteil v. 27.6.1996 und nochmals im GIMLE-Urteil v. 3.10.2013 ausgesprochen, dass sich die Anwendung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit möglichst weitgehend an den in Art. 31 BilRL 1978 (jetzt: Art. 6 BilRL 2013) enthaltenen allgemeinen Grundsätzen, insbes. am Vorsichts- und Realisationsprinzip des Art. 31 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa BilRL 1978 (jetzt: Art. 6 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i BilRL 2013), zu orientieren hat und die Einhaltung dieser allgemeinen Grundsätze es gestattet, die Beachtung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit sicherzustellen.9 Weil der Grundsatz der Bilanzwahrheit im Lichte des Vorsichtsprinzips und des aus ihm folgenden Grundsatzes der Bewertung mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten auszulegen sei, genüge der Jahresabschluss dem Grundsatz der Bilanzwahrheit, wenn die Vermögensgegenstände nicht mit ihrem tatsächlichen Wert, sondern mit ihren ursprünglichen Kosten bewertet werden.10 Ähnlich hat der EuGH im BIAO-Urteil v. 7.1.2003 klargestellt, dass bei der Anwendung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit die übrigen Vorschriften der Richtlinie und namentlich auch das Vorsichtsprinzip „in jedem Fall beachtet werden“ müssen.11 Wenn die in Art. 20 Abs. 1 BilRL 1978 (Art. 12 Abs. 12 BilRL 2013) geregelten Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung nicht vorliegen, ist eine Passivierung von Rückstel1 EuGH v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 72. 2 EuGH v. 27.6.1996 – C-234/94 (Tomberger), EuGHE 1996, I-3145 Rz. 17; v. 14.9.1999 – C-275/97 (DE + ES Bauunternehmung GmbH), EuGHE 1999, I-5347 Rz. 26; v. 3.10.2013 – C-322/12 (GIMLE SA), ZIP 2014, 166 Rz. 30. 3 Ebenso Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 43. 4 Zutreffend Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 15, 28. 5 ADS6, § 264 HGB Rz. 92; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 49; Groh, DStR 1998, 813 (817); Herlinghaus, IStR 1997, 529 (534); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 28; Kessler, DB 1997, 1 (2); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 15. 6 S. auch Herlinghaus, IStR 1997, 529 (534); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 28; Winkeljohann/ Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 26 ff.; s. auch BT-Drucks. 10/317, 76. 7 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 61 f.; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 35; s. auch BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (637). 8 S. auch Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 28; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 11; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 30, 34. 9 EuGH v. 27.6.1996 – C-234/94 (Tomberger), EuGHE 1996, I-3145 Rz. 18, 22; v. 3.10.2013 – C-322/12 (GIMLE SA), ZIP 2014, 166 Rz. 32 f. 10 EuGH v. 3.10.2013 – C-322/12 (GIMLE SA), ZIP 2014, 166 Rz. 34 f. 11 EuGH v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 75.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 41 § 264

lungen daher nicht zulässig und kann auch nicht auf den Grundsatz der Bilanzwahrheit gestützt werden; dieser gebiete aber Angaben zu den betreffenden Haftungsrisiken unter der Bilanz bzw. im Anhang.1 Entsprechendes gilt, wenn ein Haftungsrisiko erst nach dem Bilanzstichtag wegfällt oder sich verringert: Aufgrund des in Art. 31 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. bb BilRL 1978 (Art. 6 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii BilRL 2013) statuierten Stichtagsprinzips rechtfertigt dies keine rückwirkende Neubewertung der Rückstellung, gebietet aber im Interesse der Bilanzwahrheit zusätzliche Angaben unter der Bilanz oder im Anhang.2 Auch der EuGH geht mithin davon aus, dass die Einhaltung der übrigen Vorschriften der Richtlinie 39 grundsätzlich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt und das Prinzip der Bilanzwahrheit im Grundsatz durch die von der Richtlinie vorgegebenen GoB beschränkt wird.3 Nach Ansicht des EuGH stellt es aber keinen Verstoß gegen das Vorsichts- und Realisationsprinzip dar, wenn eine Muttergesellschaft einen Gewinn, der ihr von der Tochtergesellschaft in deren dem Grundsatz der Bilanzwahrheit genügendem Jahresabschluss zugewiesen worden ist, phasengleich in dem Geschäftsjahr aktiviert, in dem der Gewinn von der Tochtergesellschaft zugewiesen wurde.4 Entgegen der Abkopplungslehre, die die Wirkung des Einblicksgebots generell auf den Anhang beschränken will, sind jedoch durchaus Ausnahmefälle denkbar, in denen aufgrund des Einblicksgebots eine Abweichung von allgemeinen Rechnungslegungsregeln im Jahresabschluss selbst geboten ist. So ist der EuGH im Urteil DE+ES Bauunternehmung GmbH v. 14.9.19995 und auch im BIAO-Urteil v. 7.1.20036 davon ausgegangen, dass der Grundsatz der Bilanzwahrheit Ausnahmen von den allgemeinen Rechnungslegungsgrundsätzen des Art. 31 Abs. 1 BilRL 1978 (Art. 6 BilRL 2013) rechtfertigen kann, in den beiden vom EuGH entschiedenen Fällen vom Grundsatz der Einzelbewertung nach Art. 31 Abs. 1 Buchst. e BilRL 1978 (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f BilRL 2013). 2. Verhältnis zu den IFRS Der true and fair view-Grundsatz ist nicht nur in den Bilanzrechten der angelsächsischen Staaten, sondern auch in den – ebenfalls stark angelsächsisch geprägten – IFRS von zentraler Bedeutung; die Einzelvorschriften dieser Rechnungslegungsregelwerke können in weiten Teilen als Konkretisierungen des true and fair view-Prinzips verstanden werden (s. dazu Rz. 24, 26 f.). Auch vor dem Hintergrund, dass das Bilanzrecht der BilRL und damit auch des HGB in den letzten Jahren punktuelle Annäherungen an die IFRS erfahren hat, wird die Frage diskutiert, ob und in welchem Umfang die IFRS zur Auslegung und Konkretisierung des true and fair view-Grundsatzes der BilRL und des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB herangezogen werden können.7

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In Rspr. und Schrifttum wird zum Teil die Ansicht vertreten, außer in Fällen, in denen sich der Gesetz- 41 geber bewusst für eine von den IFRS abweichende Regelung entschieden habe, könnten die IFRS generell bei der Auslegung und Konkretisierung des true and fair view-Prinzips im Bilanzrecht der BilRL und der auf ihr beruhenden Vorschriften des nationalen Rechts beachtet werden.8 Vertreter dieser Ansicht sehen sich durch die Aussage des EuGH im BIAO-Urteil bestätigt, dass bilanzrechtliche Zweifelsfragen, für die es an Detailregelungen in der BilRL fehle, „ggf. unter Berücksichtigung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS) … nach dem nationalen Recht“ beantwortet werden müssten.9 Dieser Aussage des EuGH lässt sich indes mitnichten entnehmen, dass die IFRS ganz allgemein als Auslegungshilfe in Bezug auf die Bestimmungen der BilRL herangezogen werden dürften. Vielmehr verweist der EuGH im Hinblick auf Rechtsfragen, die in der BilRL nicht detailliert geregelt und mithin gerade nicht unionsrechtlich vorgegeben sind, ausdrücklich auf das nationale Recht. Bei dessen Auslegung könnten dann „ggf.“, also soweit das nationale Recht dies – zB durch einen ausdrücklichen Verweis oder eine vom Gesetzgeber nachweislich gewollte Anlehnung an die IFRS – zulässt, die IAS bzw. IFRS herangezogen werden. Für die Sichtweise, die IFRS könnten bei der Auslegung der Richtlinie und der auf sie zurückgehenden Vorschriften des nationalen Rechts generell als Maßstab dienen, gibt das BIAO-Urteil des EuGH schlechterdings nichts her.10 1 2 3 4 5 6 7 8

EuGH v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 108 ff. EuGH v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 121 ff. Zutreffend Kessler, DB 1997, 1 f. EuGH v. 27.6.1996 – C-234/94 (Tomberger), EuGHE 1996, I-3145 Rz. 23 f. EuGH v. 14.9.1999 – C-275/97 (DE + ES Bauunternehmung GmbH), EuGHE 1999, I-5347 Rz. 30 ff. EuGH v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 116 f. S. dazu etwa Moxter, WPg. 2009, 7 ff.; Hennrichs, WPg. 2011, 861 ff. So FG Hamburg v. 22.4.1999 – II 23/97, EFG 1999, 1022 (1023); Hennrichs, S:R 2009, 127 (128 f.); Hennrichs, WPg. 2011, 861 (867 ff.); Hennrichs/Pöschke, DK 2009, 532 ff.; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 31; wohl auch Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 45. 9 EuGH v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 118. 10 So auch Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 48.

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§ 264 Rz. 42 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung 42

Für die Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage ist zu berücksichtigen, dass die Rechnungslegungsvorschriften der BilRL und das auf ihnen beruhende Bilanzrecht des HGB einerseits und die IFRS andererseits eigenständige Regelwerke und deshalb im Grundsatz jeweils autonom auszulegen sind.1 Der europäische Gesetzgeber hat die IFRS gerade nicht an die Stelle der BilRL gesetzt, sondern neben sie gestellt. Eine Heranziehung der IFRS für die Auslegung und Konkretisierung des true and fair view-Prinzips oder anderer Regeln der BilRL und der auf ihr basierenden nationalen Rechtsvorschriften kommt daher im Grundsatz nicht in Betracht.2 Hiervon geht auch der deutsche Gesetzgeber aus, wenn er in der amtlichen Begründung zum RegE des BilMoG betont, dass – ungeachtet der punktuellen Angleichung des Handelsbilanzrechts an die IFRS – „die Auslegung der handelsrechtlichen Vorschriften weiterhin im Lichte der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung …, letztlich also aus den eigenen handelsrechtlichen Wertungen heraus“ zu erfolgen habe.3

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Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die BilRL explizit auf die IFRS Bezug nimmt.4 Beispielsweise verweist Art. 2 Nr. 3 BilRL 2013 für die Definition der nahe stehenden Unternehmen und Personen ausdrücklich auf die IFRS. Art. 8 Abs. 6 BilRL 2013 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den Ansatz, die Bewertung und die Offenlegung von Finanzinstrumenten im Einklang mit den IFRS gestatten oder vorschreiben können. Auch bei Bestimmungen der BilRL, die der Gesetzgeber bewusst nach dem Vorbild der IFRS erlassen hat, und bei den zu ihrer Umsetzung erlassenen Vorschriften des nationalen Rechts können die IFRS als Auslegungshilfe herangezogen werden.5 Dies betrifft zB die §§ 248 Abs. 2, 255 Abs. 2a HGB. 3. Adressaten des Einblicks

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Nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. Die Vorschrift legt nicht explizit fest, an welche Adressaten sich der zu gewährende Einblick richtet und aus wessen Perspektive damit zu beurteilen ist, ob ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.6 Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB auf die BilRL zurückgeht. Nach Erwägungsgrund 3 BilRL 2013 dient die Richtlinie dem Schutz von Aktionären, Gesellschaftern und Dritten (s. auch Erwägungsgrund 1 BilRL 1978). Jedenfalls diese Personengruppen sind daher auch als Adressaten des zu gewährenden Einblicks anzusehen. Unter den weiten Begriff der Dritten können dabei aktuelle oder potentielle Gläubiger, Arbeitnehmer, andere Unternehmen und letztlich die gesamte Öffentlichkeit subsumiert werden.7 Da die Richtlinie keine Rangfolge festlegt, sind alle genannten Personengruppen gleichrangig Adressaten des Einblicks.8 4. Gegenstand des Einblicks a) Allgemeines

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Gegenstand des nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB zu gewährenden Einblicks ist die Vermögens-, Finanzund Ertragslage der Kapitalgesellschaft. Das Einblicksgebot bezieht sich also – im Unterschied zur allgemeinen Buchführungspflicht nach § 238 Abs. 1 HGB – nicht auf die gesamte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, sondern allein auf die in § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB genannten drei Aspekte der wirtschaftlichen Situation.9 Weder die BilRL noch § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB selbst sieht in Bezug auf die drei Gegenstände des Einblicksgebots eine Rangfolge vor; es ist daher davon auszugehen, dass bei der Gewährung des gebotenen Einblicks alle drei Aspekte gleichrangig sind.10 Dementsprechend muss die Darstellung im Jah1 In diesem Sinne auch BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, DStR 2005, 238 (240); v. 25.10.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011, 215 Rz. 23. 2 S. auch Moxter, WPg. 2009, 7 ff.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 66: Die IFRS könnten zur Konkretisierung der GoB und des Einblicksgebots „nur mit großer Vorsicht herangezogen werden“; ferner Stibi/Fuchs, DB Beil. 5/2009, 9 (11 ff.). 3 BT-Drucks. 16/10067, 35. 4 Insoweit zutreffend Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 45; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 31. 5 Weitergehend Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 31: Orientierung an IFRS nicht nur zulässig, sondern geboten. 6 S. zum Adressatenkreis des zu gewährenden Einblicks Clemm, WPg. 1989, 357 (359 f.). 7 S. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 31; Selchert, BB 1993, 753 (754 f., 758). 8 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 32; Van Hulle in FS Budde, 313 (319). 9 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 23. 10 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 48; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 34; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 77.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 47 § 264

resabschluss so geartet sein, dass alle drei Aspekte möglichst gleichermaßen zur Geltung kommen, notfalls durch zusätzliche Angaben im Anhang.1 b) Vermögenslage Soweit § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Ver- 46 mögenslage der Gesellschaft gebietet, bezieht sich dies auf das Bilanzvermögen, also die Vermögensgegenstände und die Schulden zum Bilanzstichtag.2 Die am Abschlussstichtag vorhandenen Aktiva und Schulden müssen nach Maßgabe der handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und der GoB vollständig mit ihren aus Sicht der Adressaten des Einblicks wesentlichen Merkmalen (zB Art, Bindungsdauer bzw. Fristigkeit, angewandte Bewertungsmethoden) in der Bilanz ausgewiesen und im Bedarfsfall im Anhang näher erläutert werden.3 Auch insoweit sind die GoB zu beachten, beispielsweise das Realisationsprinzip oder das Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenprinzip. Vermögenspositionen dürfen daher zumindest im Grundsatz nur dann in der Bilanz ausgewiesen werden, wenn ihr Ansatz nach den GoB dem Grunde nach gestattet ist, und auch nur mit dem Betrag, der nach den GoB zulässig ist.4 Ein selbst geschaffener Firmenwert oder stille Reserven sind nach dem Realisations- sowie dem Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenprinzip vom Bilanzausweis ausgeschlossen; das Einblicksgebot rechtfertigt grundsätzlich keine Abweichungen.5 Allenfalls in Ausnahmefällen kann das Einblicksgebot zusätzliche Angaben im Anhang gebieten.6 c) Finanzlage Soweit § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Fi- 47 nanzlage der Gesellschaft gebietet, sind damit die Herkunft, Struktur, Verwendung und Fristigkeit des Gesellschaftskapitals sowie die Liquidität der Gesellschaft gemeint, also ihre Fähigkeit zum künftigen Ausgleich der betrieblichen Ein- und Auszahlungen.7 Diese ergibt sich in erster Linie aus der Bilanz, aber auch aus der GuV.8 Auch insoweit gilt, dass sich das Einblicksgebot nur auf jene für die Finanzierung der Gesellschaft bedeutsamen Aspekte bezieht, die nach den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und den GoB im Jahresabschluss auszuweisen sind. Eine Kapitalflussrechnung, in die alle für die Finanzierung relevanten Informationen aufzunehmen sind, hat der Gesetzgeber nur für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB) und Konzernabschlüsse (§ 297 Abs. 1 Satz 1 HGB) zwingend vorgeschrieben, woraus im Umkehrschluss folgt, dass im Übrigen keine Kapitalflussrechnung erforderlich ist.9 Vielmehr ist dem Einblicksgebot idR mit der Aufstellung eines Jahresabschlusses genügt, der den handelsrechtlichen GoB entspricht. Umgekehrt dürfen finanzielle Aspekte nicht in die Darstellung des Jahresabschlusses einbezogen werden, soweit ihre Berücksichtigung nach Maßgabe der GoB unzulässig wäre. Beispielsweise dürfen Sozialplanverpflichtungen aufgrund des Fortführungsgrundsatzes nicht ausgewiesen werden, solange das Unternehmen nicht beendet worden ist.10 Auch Angaben zur Liquidität, also zur Fähigkeit des Unternehmens, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, dürfen im Jahresabschluss nur er1 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 27; Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 12 (Stand Mai 2010); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 77; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 38. 2 ADS6, § 264 HGB Rz. 64 ff.; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 50; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 35; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 78; näher dazu Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 117 ff. (Stand Apr. 2017). 3 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 28; Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 14 ff. (Stand Mai 2010); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 36; Lange, WPg. 1991, 369 (375); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 66. 4 Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 44 f. 5 EuGH v. 3.10.2013 – C-322/12 (GIMLE SA), ZIP 2014, 166 Rz. 34 ff.; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 73; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 21; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 45; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Einf. Rz. 38; aA Lachnit, WPg. 1993, 193 (198 ff.). 6 S. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 36; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 86; weitergehend Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 97 (Stand Apr. 2017): Angaben im Anhang bereits bei „erheblichen“ stillen Reserven. 7 S. ADS6, § 264 HGB Rz. 70 ff.; Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 34 ff. (Stand Dez. 2013); Lange, WPg. 1991, 369 (373); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 13; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 70; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 80. 8 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 127 f. (Stand Apr. 2017); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 13; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 80. 9 Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 20 (Stand Mai 2010); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 80; s. auch Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 13. 10 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 37.

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§ 264 Rz. 48 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung folgen, soweit die Angaben nach den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und den GoB vorgeschrieben oder zumindest zugelassen sind. d) Ertragslage 48

Schließlich verlangt § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung auch der Ertragslage der Gesellschaft. Insoweit geht es um den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft, wie er in der Differenz zwischen erwirtschafteten Erträgen und Aufwendungen im zurückliegenden Geschäftsjahr zum Ausdruck kommt.1 Darzustellen ist zum einen das Ergebnis, also die Höhe des erwirtschafteten Gewinns oder Verlusts, zum anderen aber auch dessen Zustandekommen, dh. insbes. die Struktur von Erträgen und Aufwendungen.2 Die Darstellung der Ertragslage bezieht sich primär auf den Erfolg des zurückliegenden Geschäftsjahrs, wie er sich in erster Linie aus der GuV ergibt.3 Dagegen ist die Darstellung der künftigen Erfolgsaussichten Gegenstand des Lageberichts.4 Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass eine nach den Vorschriften des Handelsbilanzrechts und den GoB aufgestellte GuV dem Einblicksgebot genügt (s. auch Rz. 37 ff.).5 Falls dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, sind erläuternde Angaben im Anhang zu machen. In einigen Fällen sind Angaben zu die Ertragslage betreffenden Aspekten im Anhang sogar ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben (s. etwa § 284 Abs. 2 Nr. 1, 3 HGB). 5. Qualität des Einblicks

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Die Darstellung des Jahresabschlusses muss so beschaffen sein, dass sie ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt. Der Jahresabschluss muss die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage so richtig und vollständig darstellen, wie dies von einem in der Rechnungslegung kundigen Adressaten des Jahresabschlusses auf der Grundlage der handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und der GoB erwartet werden darf.6 Für die Beurteilung, ob die Darstellung den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, müssen alle für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft objektiv relevanten Umstände ermittelt werden; hierzu können auch Aktivitäten des Unternehmens selbst oder äußere Einflüsse und Faktoren gehören, die nicht oder noch nicht im Jahresabschluss der Gesellschaft abgebildet sind.7 Aufgrund der Gleichrangigkeit aller Adressaten des Einblicks (s. Rz. 44) sind Umstände bereits dann relevant, wenn sie aus der objektivierten Perspektive nur einer Adressatengruppe von Bedeutung sind.8

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Wiederum wird das Einblicksgebot grundsätzlich durch die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften und durch die GoB begrenzt; der Jahresabschluss darf im Grundsatz keine Darstellungen enthalten, die mit Bestimmungen des Handelsbilanzrechts oder mit GoB unvereinbar sind, selbst wenn die abweichende Darstellung die Richtigkeit und Vollständigkeit erhöht.9 Demgemäß gewährleistet das Einblicksgebot keine perfekte und lückenlose Information, sondern lediglich ein Mindestinformationsniveau.10 Zudem ist davon auszugehen, dass ein nach den gesetzlichen Vorschriften und den GoB aufgestellter Jahresabschluss im Regelfall ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage vermittelt (s. Rz. 37 ff.).11 Letztlich ist im Fall eines rechtskonformen Jahresabschlusses nur zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer dem Einblicksgebot ausnahmsweise nicht genügt wird.12 1 S. ADS6, § 264 HGB Rz. 78 ff.; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 131 ff. (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 81; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 37. 2 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 31; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 74 f. 3 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 59; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 81. 4 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 81. 5 ADS6, § 264 HGB Rz. 92; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 49; Groh, DStR 1998, 813 (817); Kessler, DB 1997, 1 (2); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 15. 6 Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 36, 38 (Stand Mai 2010); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 39. 7 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 82; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 39 f.; s. auch Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 61. 8 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 83; s. auch Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 41 f. 9 ADS6, § 264 HGB Rz. 94 ff.; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 39; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 82; s. auch Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 57. 10 Selchert, BB 1993, 753 (754). 11 ADS6, § 264 HGB Rz. 92; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 83. 12 S. auch Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 43.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 54 § 264

6. Einzelne Funktionen des Einblicksgebots a) Interpretationsfunktion Dem Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB kommt zum einen die Funktion einer Auslegungshilfe 51 in Bezug auf andere Vorschriften des Handelsbilanzrechts zu. Wenn nach den allgemeinen Auslegungsmethoden bei einer handelsbilanzrechtlichen Vorschrift mehrere Auslegungsergebnisse denkbar sind, dann ist im Zweifel demjenigen Auslegungsergebnis der Vorzug einzuräumen, welches das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB am besten verwirklicht.1 Freilich wird das Einblicksgebot nach dem oben Gesagten (s. Rz. 37 ff.) seinerseits durch die übrigen bilanzrechtlichen Vorschriften und die GoB begrenzt, namentlich durch das dem Gläubigerschutz dienende Vorsichtsprinzip. Die Auslegung bilanzrechtlicher Normen muss daher neben dem Einblicksgebot stets auch die weiteren Regeln des Bilanzrechts berücksichtigen; bei der Auslegung von Einzelvorschriften ist letztlich ein Ergebnis anzustreben, das den uU widerstreitenden bilanzrechtlichen Prinzipien im Wege praktischer Konkordanz möglichst gleichmäßig Rechnung trägt.2 Insbes. bei den spezifisch gläubigerschützenden Vorschriften, etwa den Bestimmungen über die Gewinnermittlung, muss das Einblicksgebot ggf. hinter das Vorsichtsprinzip und seine Einzelausprägungen zurücktreten.3 Dagegen hat bei Vorschriften, die nicht den Gläubigerschutz, sondern in erster Linie die Stärkung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses bezwecken, grundsätzlich das Einblicksgebot Vorrang. So ist beispielsweise bei den Bestimmungen über die Gliederung des Jahresabschlusses und über die Stetigkeit der Darstellung und Bewertung derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die dem Einblicksgebot am besten zur Geltung verhilft.4 b) Begrenzungsfunktion in Bezug auf die Ausübung von Wahlrechten Während die Funktion des Einblicksgebots als Auslegungshilfe unstreitig ist, herrscht Uneinigkeit über die 52 Frage, ob der true and fair view-Grundsatz die Ausübung gesetzlicher Ansatz- und Bewertungswahlrechte beschränken kann. Nach der sog. Abkopplungslehre (dazu Rz. 35) ist dies klar zu verneinen; denn nach dieser Lehre wirkt sich das Einblicksgebot nur auf den Anhang, nicht dagegen auf die Bilanz und die GuV aus. Nach dieser Ansicht ist eine Beeinflussung der Ausübung von Wahlrechten durch das Einblicksgebot von vornherein ausgeschlossen.5 Wie dargelegt wurde, ist die Abkopplungslehre indes mit den unionsrechtlichen Vorgaben der BilRL nicht 53 vereinbar. Vielmehr hat das Einblicksgebot im Grundsatz den gleichen Rang wie die übrigen Prinzipien des Bilanzrechts und kann in Ausnahmefällen sogar die Nichtanwendung einer anderen bilanzrechtlichen Vorschrift rechtfertigen (s. Rz. 36). Demgemäß kann sich das Einblicksgebot grundsätzlich auch auf Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte auswirken und deren Ausübung beschränken.6 Indes ist im Regelfall davon auszugehen, dass ein Jahresabschluss, der im Einklang mit den bilanzrechtlichen Vorschriften und den GoB aufgestellt worden ist, auch dem true and fair view-Prinzip genügt (s. Rz. 37 ff.). Nur in Ausnahmefällen können sich daher aus dem Einblicksgebot Abweichungen von anderen Bestimmungen des Bilanzrechts im Allgemeinen und Beschränkungen von Wahlrechten im Besonderen ergeben. Dies betrifft namentlich jene Fälle, in denen ein Wahlrecht missbräuchlich in einer Weise ausgeübt wird, die geeignet ist, ein falsches Bild von der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln.7 c) Korrekturfunktion Ebenfalls umstritten ist die Frage, ob dem Einblicksgebot eine Korrekturfunktion in Bezug auf andere bilanzrechtliche Regeln zukommt. Insoweit geht es – anders als bei der Interpretationsfunktion des Ein1 BT-Drucks. 10/317, 76; BKT, Bilanzen14, Kap. I. 423.1, S. 37 f.; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 40; Lange, WPg. 1991, 369 (370); Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (541 f.); Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 53 (Stand Sept. 2016); Van Hulle in FS Budde, 313 (321 f.); einschränkend Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 100 (Stand Apr. 2017). 2 In diesem Sinne auch ADS6, § 264 HGB Rz. 103; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 40. 3 Ebenso Kessler, DB 1997, 1 ff.; aA wohl Weber-Grellet, DB 1996, 2089 (2090). 4 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 41. 5 S. Beisse in FS Döllerer, 25 (42); Clemm in FS Budde, 135 (145 ff.); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 109 f. (Stand Apr. 2017); wohl auch Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 50 f. (Stand Mai 2010). 6 Zutreffend Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 43; Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 53 (Stand Sept. 2016). 7 In diesem Sinne auch Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 58 ff.; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 28 f.; wohl auch Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 25; ähnlich Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 44 ff. (Stand Dez. 2013); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 70 f., die zwischen „bilanz(zweck)fremden“ und nicht „bilanz(zweck)fremden“ Wahlrechten differenzieren.

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§ 264 Rz. 55 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung blicksgebots – nicht um die richtige Auslegung einer mehrdeutigen Bestimmung des Bilanzrechts, sondern um eine auf das Einblicksgebot gestützte Abweichung von eindeutigen Vorschriften. Nach der Abkopplungslehre (dazu Rz. 35) gestattet das Einblicksgebot keine Abweichung von den Jahresabschluss betreffenden Vorschriften; denn die Abkopplungslehre misst dem Einblicksgebot eine Bedeutung nur für den Anhang, nicht dagegen für die Bilanz und die GuV bei. Nach dieser Ansicht scheidet eine Abweichung von anderen bilanzrechtlichen Vorschriften und von den GoB auf der Grundlage des Einblicksgebots von vornherein aus.1 55

Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Abkopplungslehre mit den unionsrechtlichen Vorgaben der BilRL nicht vereinbar ist (s. Rz. 36). Nach diesen Vorgaben kann das Einblicksgebot in Ausnahmefällen die Nichtanwendung einer anderen bilanzrechtlichen Vorschrift rechtfertigen.2 Allerdings sind der somit im Ansatz zu bejahenden Korrekturfunktion des Einblicksgebots in zweifacher Hinsicht Grenzen gesetzt. Zum einen gehen besondere Abweichungsklauseln dem allgemeinen Einblicksgebot nach der Regel lex specialis derogat legi generali vor. Wenn eine Abweichung von Rechnungslegungsvorschriften beispielsweise auf die Sondervorschrift des § 252 Abs. 2 HGB gestützt werden kann, ist für einen Rückgriff auf das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB als Rechtfertigungsgrund kein Raum. Allerdings kann auch in einem solchen Fall die Interpretationsfunktion des Einblicksgebots zum Tragen kommen. So muss zB für die Beantwortung der Frage, ob ein begründeter Ausnahmefall iSd. § 252 Abs. 2 HGB vorliegt, auch das Einblicksgebot berücksichtigt werden; ein begründeter Ausnahmefall ist insbes. dann gegeben, wenn die Bewertung ohne die Abweichung kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln würde.3 Eine unmittelbar auf § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB gestützte Korrektur kann daher von vornherein nur erfolgen, wo besondere Korrekturvorschriften fehlen.4

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Zum anderen ist idR davon auszugehen, dass eine im Einklang mit den übrigen bilanzrechtlichen Bestimmungen aufgestellte Rechnungslegung auch dem true and fair view-Grundsatz genügt; es besteht damit zwar nicht generell, wohl aber im Regelfall ein Vorrang der allgemeinen Vorschriften und Prinzipien des Bilanzrechts vor dem Einblicksgebot (s. Rz. 37 ff.). Eine auf das Einblicksgebot gestützte Abweichung von jenen allgemeinen Vorschriften und Prinzipien kommt daher, wie Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978) ausdrücklich vorgibt, nur in Ausnahmefällen in Betracht. Zudem ist nicht in jedem Fall, in dem die Einhaltung der allgemeinen Vorschriften und Prinzipien ausnahmsweise nicht ausreicht, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln, eine Abweichung von den allgemeinen Rechnungslegungsregeln im Jahresabschluss selbst geboten. Vielmehr kann dem Grundsatz der Bilanzwahrheit dann oftmals durch zusätzliche Angaben im Anhang genügt werden. Insofern hat die in § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB besonders geregelte Erläuterungsfunktion des Einblicksgebots (s. dazu sogleich Rz. 57 ff.) Vorrang vor der Korrekturfunktion.5

III. Zusätzliche Angaben im Anhang (Abs. 2 Satz 2) 1. Die Erläuterungsfunktion des Einblicksgebots und ihre Reichweite 57

Neben den soeben (Rz. 51 ff.) erörterten Funktionen kommt dem Einblicksgebot kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB auch eine Erläuterungsfunktion zu: Nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen, wenn besondere Umstände dazu führen, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild iSd. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht vermittelt. Die Vorschrift geht auf die Vorgabe in Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978) zurück (s. Rz. 32). Die Erläuterungsfunktion hat eine statische und eine dynamische Komponente: Nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB können zum einen zusätzliche Angaben zum wirtschaftlichen Zustand der Gesellschaft, zum anderen aber auch zusätzliche Angaben zu einer im Geschäftsjahr eingetretenen Änderung der wirtschaftlichen Situation und zu den Entwicklungstendenzen der Gesellschaft geboten sein.6. 1 S. Beisse in FS Döllerer, 25 (42). 2 Van Hulle in FS Budde, 313 (320 f.). 3 EuGH v. 14.9.1999 – C-275/97 (DE + ES Bauunternehmung GmbH), EuGHE 1999, I-5347 Rz. 30 ff.; v. 7.1.2003 – C-306/99 (BIAO), EuGHE 2003, I-29 Rz. 116 f.: Abweichung vom Grundsatz der Einzelbewertung zulässig, wenn Pauschalbewertung eher geeignet ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild zu vermitteln; s. auch Wengerofsky, DStZ 2017, 316 (321). 4 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 46. 5 Differenzierend Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 47. 6 ADS6, § 264 HGB Rz. 111 ff.; Budde/Förschle, DB 1988, 1457 (1460); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 50; Lange, WPg. 1991, 369 (373); Moxter in FS Goerdeler, 361 (372 f.); s. auch Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (563 f.).

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 61 § 264

Begrenzt wird die Pflicht zu zusätzlichen Angaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB freilich durch die Reich- 58 weite des Einblicksgebots nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. Dieses bezieht sich nicht auf die gesamte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, sondern allein auf die in § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB genannten drei Aspekte der wirtschaftlichen Situation, dh. auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (s. Rz. 45 ff.). Dementsprechend gebietet § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB zusätzliche Angaben auch nur zu diesen drei Aspekten. Erläuternde Angaben sind also nicht zum Zustand oder zu den Entwicklungstendenzen der Gesellschaft schlechthin zu machen, sondern lediglich zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass der Jahresabschluss trotz Einhaltung der bilanzrechtlichen Vorschriften ausnahmsweise kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der besagten drei Aspekte vermittelt.1 Wurden die gesetzlichen Vorschriften und bzw. oder die GoB nicht eingehalten und vermittelt der Jahresabschluss deshalb kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild, so kann die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses auch durch zusätzliche Angaben im Anhang nicht beseitigt werden.2 Hinzu kommt, dass Umstände, die die voraussichtliche wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken betreffen, gem. § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB Gegenstand des Lageberichts sind und daher von der Pflicht zur Angabe im Anhang nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht erfasst werden.3 Welchen Inhalt und Umfang die zusätzlichen Angaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB haben müssen, gibt 59 das Gesetz nicht vor, sondern hängt von der Art der Abweichung und den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist, dass die zusätzlichen Angaben nach Inhalt und Umfang geeignet sind, die durch den Jahresabschluss vermittelte unzutreffende Vorstellung von der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Gesellschaft zu korrigieren und in Verbindung mit dem eigentlichen Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild zu vermitteln.4 2. Vorliegen besonderer Umstände Zusätzliche Angaben im Anhang sind nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB nur dann zu machen, wenn beson- 60 dere Umstände dazu führen, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild iSd. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht vermittelt. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB geht zurück auf Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978), die allerdings im Unterschied zu § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB das Erfordernis der „besonderen Umstände“ nicht aufstellt. Es entspricht jedoch der – ua. in der Protokollerklärung des Rats und der Kommission zu Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978 (s. Rz. 30) zum Ausdruck gekommenen – Sichtweise des europäischen Gesetzgebers, dass eine nach den Bestimmungen der Richtlinie aufgestellte Rechnungslegung idR zur Wahrung des true and fair view-Grundsatzes ausreicht und nur in Ausnahmefällen und mithin bei Vorliegen besonderer Umstände Abweichungen bzw. zusätzliche Angaben erforderlich sind. Das Erfordernis der besonderen Umstände in § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB ist daher richtlinienkonform.5 Es besteht Einigkeit, dass vom Vorliegen besonderer Umstände iSd. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB nur aus- 61 gegangen werden kann, wenn das durch den Jahresabschluss vermittelte Bild und die tatsächliche Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage wesentlich voneinander abweichen, obwohl der Jahresabschluss nach den gesetzlichen Vorschriften aufgestellt worden ist.6 Die Wesentlichkeit der Abweichung ist aus der Perspektive eines kundigen Bilanzlesers und der für die Aufstellung zuständigen Organe unter Berücksichtigung sowohl quantitativer als auch qualitativer Kriterien sowie sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Wenn die Abweichung danach geeignet ist, beim Bilanzleser in erheblichem Umfang oder in erheblichen Punkten eine unrichtige Vorstellung von der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Gesellschaft herbeizuführen, ist sie als wesentlich anzusehen. An einer wesentlichen Abweichung fehlt es hingegen, wenn die Divergenz noch im Rahmen der Ungenauigkeiten liegt, die der Gesetzgeber mit der Entscheidung für bestimmte Bilanzregeln bewusst in Kauf genommen hat.7 1 Ebenso Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 50. 2 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 70; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 84; Winkeljohann/ Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 52. 3 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 84; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 50. 4 S. Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 54 f. 5 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 20; s. auch Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (538). 6 Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 47 (Stand Dez. 2013); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 69; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 52; Lange, WPg. 1991, 369 (370); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 84; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 48 f. 7 Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 49.

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§ 264 Rz. 62 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung 62

Beispiele: Zusätzliche Angaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB können in Fällen der langfristigen Auftragsfertigung geboten sein.1 In diesen Fällen wird die Ertragslage der Gesellschaft nicht wirklichkeitsgetreu dargestellt, wenn die Erträge aufgrund des Realisationsprinzips erst im Geschäftsjahr der vollständigen Fertigstellung ausgewiesen werden können und ein vorheriger Ausweis von Teilgewinnen nicht möglich ist. Allerdings liegen besondere Umstände nicht allein aufgrund der Einhaltung des Realisationsprinzips, sondern erst dann vor, wenn die langfristige Auftragsfertigung einen so wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten der Gesellschaft ausmacht, dass ein nicht näher erläuterter Ausweis der Erträge erst nach Abschluss der Fertigung ein erheblich unzutreffendes Bild von der Ertragslage vermitteln würde.2 Werden Vermögensgegenstände nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern allein zur Verbesserung der Bilanzstruktur im Wege des sale and lease back veräußert, so löst auch dies die Angabepflicht nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB aus.3 Angaben im Anhang sind zudem dann zu machen, wenn aufgrund eines Fehlens oder einer Änderung der höchstrichterlichen Rspr. Zweifel in Bezug auf die Gesetzeskonformität eines vorgenommenen oder unterlassenen Ansatzes in der Bilanz oder in der GuV bestehen.4 Nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB erläuterungsbedürftig können ferner sein: die Bildung oder Auflösung stiller Reserven in ungewöhnlich großem Umfang;5 erhebliche Geldwertänderungen, die aufgrund des Nominalwertprinzips im eigentlichen Jahresabschluss nicht hinreichend ausgewiesen werden;6 die Ausübung von Ansatz- oder Bewertungswahlrechten in unüblicher Weise;7 oder ungewöhnlich hohe Gewinne, die primär auf eine hohe Inflation zurückzuführen sind.8

IV. Der sog. Bilanzeid (Abs. 2 Satz 3) 1. Überblick und Allgemeines 63

Gem. § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB haben die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft, die Inlandsemittent iSd. § 2 Abs. 7 WpHG und keine Kapitalgesellschaft iSd. § 327a HGB ist, bei der Unterzeichnung schriftlich zu versichern, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild iSd. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB vermittelt oder der Anhang Angaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB enthält. Parallelvorschriften finden sich in § 297 Abs. 2 Satz 3 HGB für den Konzernabschluss (s. § 297 HGB Rz. 112 ff.) und in § 289 Abs. 1 Satz 5, § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB für den Lagebericht bzw. Konzernlagebericht (s. § 289 HGB Rz. 75 ff., § 315 HGB Rz. 49 f.). Zudem schreibt § 37v Abs. 2 Nr. 3 WpHG für kapitalmarktrechtliche Zwecke die Aufnahme der Erklärung nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB in den Jahresfinanzbericht vor.9 Die durch direkte und indirekte Verweisungen auf die umständlichen Legaldefinitionen des WpHG unnötig komplexe Regelung des § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB wurde durch das TUG von 2007 eingeführt (s. Rz. 6) und dient der Umsetzung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der EU-Transparenzrichtlinie.10 Letztere Vorschrift geht ihrerseits auf sec. 302 des US-amerikanischen Sarbanes-Oxley Act 2002 zurück,11 die allerdings im Unterschied zu § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB nicht für alle, sondern nur für bestimmte Geschäftsleiter gilt (principal executive officers, principal financial officers). Die Verpflichtung der Geschäftsleiter, die Einhaltung des true and fair view-Grundsatzes zu versichern (sog. Bilanzeid), dient dem Zweck, das Vertrauen der Anleger in die Lauterkeit des Kapitalmarkts zu stärken und so die Investitionsbereitschaft zu erhöhen.12

1 ADS6, § 264 HGB Rz. 122; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 23; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 85; s. auch BT-Drucks. 16/10067, 38. 2 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 52. 3 ADS6, § 264 HGB Rz. 117; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 73; Lachnit, WPg. 1993, 193 (198); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 85. 4 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 84; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 53; aA Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 22. 5 ADS6, § 264 HGB Rz. 121; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 73; Lachnit, WPg. 1993, 193 (199 f.); Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (564); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 50; enger Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 22: nur bei „irreführender heimlicher Auflösung“. 6 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 33; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 54; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 22 f. 7 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 54; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (564). 8 ADS6, § 264 HGB Rz. 119; Lachnit, WPg. 1993, 193 (198); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 22; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 85. 9 S. dazu Heidelbach/Doleczik in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Komm.4, § 37v WpHG Rz. 26 ff. 10 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU 2004 Nr. L 390, 38. 11 116 Stat. 745, 777 f.; s. BT-Drucks. 16/2498, 55. Näher dazu Fleischer, ZIP 2007, 97 (98 f.). 12 Allgemein dazu Fleischer, ZIP 2007, 97 (103 ff.); Hahn, IRZ 2007, 375; s. auch BT-Drucks. 16/2498, 26.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 67 § 264

Sec. 302 des Sarbanes-Oxley Act 2002 stellt einen legislativen Schnellschuss des US-amerikanischen Bun- 64 desgesetzgebers in Reaktion auf spektakuläre Bilanzskandale um die Unternehmen Enron und Worldcom dar. Nachdem es auch in Europa eine Reihe von Bilanzskandalen – ua. bei den Unternehmen Parmalat in Italien, Ahold in den Niederlanden sowie Bankgesellschaft Berlin, comroad und FlowTex in Deutschland – gegeben hatte, fühlte sich der europäische Gesetzgeber, gestützt auf die Empfehlung der von der EUKommission eingesetzten „Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“,1 bemüßigt, die US-amerikanische Regelung in die Transparenzrichtlinie zu übernehmen. Die Regelung über den sog. Bilanzeid in Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Transparenzrichtlinie und § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB ist eines der inzwischen leider erschreckend zahlreichen Beispiele für unreflektierte Übernahmen von Versatzstücken aus dem vermeintlich vorbildlichen US-amerikanischen Recht, die – offenbar allein aufgrund ihrer Provenienz und ungeachtet der völlig anderen bilanz-, zivil- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen – in das europäische und bzw. oder deutsche Recht importiert worden sind. Eine straf- und zivilrechtliche Haftung der Geschäftsleiter für unrichtige Angaben im Jahresabschluss und eine von dieser Haftung ausgehende „Appell- und Warnfunktion“ hat es indes auch schon vor Einführung des § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB gegeben; ein Mehrwert der Regelung ist nicht erkennbar.2 Sie sollte daher sowohl in der Richtlinie als auch im HGB ersatzlos gestrichen werden. Bei § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB kommt hinzu, dass der Bilanzeid rein kapitalmarktrechtlichen Zwecken dient und seine Regelung in § 37v WpHG daher zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie völlig ausgereicht hätte. Die gleichzeitige Verankerung im Handelsbilanzrecht ist unsystematisch und überflüssig.3 2. Adressaten der Pflicht zum Bilanzeid Die Pflicht zum Bilanzeid erlegt § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB den gesetzlichen Vertretern einer Kapitalgesell- 65 schaft auf, die Inlandsemittent iSd. umständlichen Legaldefinition des § 2 Abs. 7 des WpHG und keine Kapitalgesellschaft iSd. § 327a HGB ist. Als Inlandsemittenten definiert § 2 Abs. 7 WpHG Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist und deren Wertpapiere zumindest auch im Inland zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, sowie Emittenten, deren Herkunftsstaat ein anderer EU- oder EWR-Mitgliedstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.4 Als geregelter bzw. organisierter Markt ist in Deutschland nur der regulierte Markt iSd. §§ 32 ff. BörsG anzusehen, nicht aber der Freiverkehr.5 Auch dann, wenn die Eigenschaft als Inlandsemittent gegeben ist, findet § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB keine An- 66 wendung, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft iSd. § 327a HGB handelt, die Gesellschaft also keine Aktien, sondern ausschließlich zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Schuldtitel iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG mit einer Mindeststückelung von 100.000 € begibt (s. dazu § 327a HGB Rz. 11 ff.). Schuldtitel iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG sind insbes. Genussscheine, Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen und Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, sowie sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG – also Aktien, mit Aktien vergleichbare Gesellschaftsanteile sowie Aktienzertifikate – berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird. Hierunter fallen alle an den Finanzmärkten handelbaren schuldrechtlichen Ansprüche mit standardisiertem Inhalt.6 3. Inhalt und Abgabe des Bilanzeids Die gesetzlichen Vertreter einer unter § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB fallenden Kapitalgesellschaft haben bei 67 der Unterzeichnung des Jahresabschlusses schriftlich zu versichern, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild iSd. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB vermittelt oder der Anhang Angaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB enthält. Die Versicherung ist bei der Unterzeichnung des Jahresabschlusses abzugeben; ebenso wie die Unterzeichnung (s. §§ 245 Satz 1, 264 Abs. 1

1 Bericht über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa v. 4.11.2002, Kap. III. 4.3, 71 ff. 2 S. auch Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 88; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 206 (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 98; Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 52 (Stand Sept. 2016); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 67. 3 Ebenso Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 96. 4 Dazu Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 99. 5 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 91; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 68. 6 Näher dazu Kumpan in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Komm.4, § 2 WpHG Rz. 23 ff.

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§ 264 Rz. 68 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung Satz 1 HGB) muss sich daher auch die Versicherung auf den festgestellten Jahresabschluss beziehen.1 Die Versicherung muss von allen Geschäftsleitern2 und von jedem Geschäftsleiter persönlich abgegeben werden; eine Stellvertretung ist nicht zulässig.3 § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB schreibt für die Versicherung ausdrücklich die Schriftform des § 126 BGB vor. Auch die Versicherung nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB muss daher von allen Geschäftsleitern unterzeichnet werden.4 68

Unstreitig ist die Versicherung – anders als der Anhang – kein Bestandteil des Jahresabschlusses und unterliegt daher auch nicht der Abschlussprüfung.5 Konsequenterweise muss auch eine Offenlegungspflicht in Bezug auf den Bilanzeid verneint werden, zumal § 325 HGB die Offenlegung des Bilanzeids gerade nicht vorschreibt.6 Umstritten ist allerdings, ob die Versicherung separat zu unterzeichnen ist oder eine einheitliche, sich sowohl auf den Jahresabschluss als auch auf die Versicherung beziehende Unterschrift der Geschäftsleiter ausreichend ist. Teilweise wird die Ansicht vertreten, aufgrund ihres im Verhältnis zum Jahresabschluss eigenständigen Charakters müsse die Versicherung auf einem separaten Blatt abgegeben und auch gesondert unterzeichnet werden, so dass es neben der Unterschrift unter dem Jahresabschluss einer zweiten Unterschrift bedürfe.7 Vorzugswürdig ist jedoch die Gegenansicht, die eine separate Unterzeichnung für entbehrlich hält, wenn die Unterschrift unter dem Jahresabschluss erkennbar auch die Versicherung abdeckt.8 In diesem Fall wäre das Verlangen nach einer zweiten Unterschrift eine sinnlose Förmelei. Aus dem gleichen Grund kann die Versicherung nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB auch mit der auf den Lagebericht bezogenen Versicherung nach § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB zusammengefasst und sodann die zusammengefasste Versicherung gemeinsam mit dem Jahresabschluss mit einer einzigen Unterschrift unterzeichnet werden.9

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Die Einhaltung des Einblicksgebots muss nur „nach bestem Wissen“ versichert werden. Mit dieser Einschränkung wird klargestellt, dass der Geschäftsleiter keine verschuldensunabhängige Garantiehaftung übernimmt. Andererseits liegt eine unzutreffende Versicherung nicht erst dann vor, wenn der Geschäftsleiter positive Kenntnis von der Nichteinhaltung des Einblicksgebots hat. Vielmehr ergibt sich aus der Formulierung „nach bestem Wissen“, dass die Geschäftsleiter in gewissen Grenzen Informationsbeschaffungspflichten treffen.10 Mit Rücksicht auf den Vertrauensgrundsatz wird man von einer unrichtigen Versicherung aber nur ausgehen können, wenn der Geschäftsleiter aufgrund besonderer Anhaltspunkte für eine Verletzung des Einblicksgebots Anlass hatte, sich von dessen Einhaltung zu überzeugen, oder wenn er sich Hinweisen auf die Nichteinhaltung bewusst verschlossen hat.11

1 Fleischer, ZIP 2007, 97 (101 f.); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 200 (Stand Apr. 2017); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 89; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 104; aA Bosse, DB 2007, 39 (45); DAV, NZG 2006, 655 (658): auf den aufgestellten Jahresabschluss; so für den Fall, dass der aufgestellte Jahresabschluss bereits endgültig ist, auch Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 94; Schellhorn, DB 2009, 2363 (2364); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 76. 2 Fleischer, ZIP 2007, 97 (100, 102); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 92; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 65; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 102. 3 Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 26; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 91; Schellhorn, DB 2009, 2363; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 71. 4 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 199 (Stand Apr. 2017); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 26; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 72. 5 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 34; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 77. 6 AA die hM, s. Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 34; unter Verweis auf § 37v WpHG auch Schellhorn, DB 2009, 2363 (2365); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 82. 7 So Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 91. 8 Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 50 (Stand Dez. 2013); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 37; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 96; Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 65; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 201 (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 105; Schellhorn, DB 2009, 2363 (2364); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 78. 9 Schellhorn, DB 2009, 2363 (2364 f.); Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 80. 10 Bosse, DB 2007, 39 (45); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 100; Hahn, IRZ 2007, 375 (377); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 26; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 109; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 73. 11 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 66; s. auch Fleischer, ZIP 2007, 97 (101).

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 74 § 264

V. Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 2 Satz 4 und 5) 1. Überblick Wenn eine Kleinstkapitalgesellschaft iSd. § 267a HGB von der Erleichterung nach § 264 Abs. 1 Satz 5 70 HGB Gebrauch macht und nach Maßgabe dieser Vorschrift auf einen Anhang verzichtet (dazu Rz. 21 f.), sind nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB erforderliche zusätzliche Angaben gem. § 264 Abs. 2 Satz 4 HGB unter der Bilanz zu machen. Zudem wird gem. § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB bei Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB vermutet, dass ein unter Berücksichtigung der Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften aufgestellter Jahresabschluss dem Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB entspricht. Die jetzt in § 264 Abs. 2 Satz 4, 5 HGB enthaltenen Vorschriften wurden in Umsetzung der Vorgaben der Micro-Bilanzrichtlinie durch das MicroBilG eingeführt (s. Rz. 6). 2. Zusätzliche Angaben unter der Bilanz (Abs. 2 Satz 4) Wenn eine Kleinstkapitalgesellschaft iSd. § 267a HGB von der Erleichterung nach § 264 Abs. 1 Satz 5 71 HGB Gebrauch macht und – unter Angabe der in dieser Vorschrift genannten Informationen unter der Bilanz – auf einen Anhang verzichtet (dazu Rz. 21 f.), sind nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB erforderliche zusätzliche Angaben gem. § 264 Abs. 2 Satz 4 HGB unter der Bilanz zu machen. Die Bestimmungen des § 264 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 4 HGB gehen zurück auf Art. 1a Abs. 2 Buchst. c BilRL 1978 (jetzt: Art. 36 Abs. 1 Buchst. b BilRL 2013). Unstreitig gilt § 264 Abs. 2 Satz 4 HGB nur unter der Voraussetzung, dass die Kleinstkapitalgesellschaft nach Maßgabe des § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB auf einen Anhang verzichtet; anderenfalls bleibt es bei der Verpflichtung, nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB, erforderliche zusätzliche Angaben im Anhang zu machen.1 3. Vermutung einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung (Abs. 2 Satz 5) Nach § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB wird bei Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB vermutet, dass ein unter Berücksichtigung der Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften aufgestellter Jahresabschluss den Erfordernissen des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB entspricht.2 Die Vorschrift geht auf Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978) zurück, der bestimmt, dass bei Kleinstunternehmen davon ausgegangen wird, dass ein Jahresabschluss, der nach Art. 36 Abs. 1–3 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 2–4 BilRL 1978) aufgestellt worden ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild iSd. Art. 4 Abs. 3 BilRL 2013 (Art. 2 Abs. 3 BilRL 1978) vermittelt. In den von Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978) in Bezug genommenen Vorschriften des Art. 36 Abs. 1, 2 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 2, 3 BilRL 1978) legt die Richtlinie Erleichterungen fest, die die Mitgliedstaaten für Kleinstunternehmen einführen können. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber in weitem Umfang Gebrauch gemacht.

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Für das Eingreifen sowohl der Vermutung des Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978) als 73 auch der des § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB ist lediglich erforderlich, dass der nationale Gesetzgeber wenigstens einige Erleichterungen nach Art. 36 Abs. 1, 2 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 2, 3 BilRL 1978) eingeführt und die betreffende Kleinstkapitalgesellschaft den Jahresabschluss unter Ausnutzung zumindest einzelner im nationalen Recht vorgesehener Erleichterungen aufgestellt hat. Nach der Richtlinie und dementsprechend auch nach der auf ihr beruhenden Vorschrift des § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB ist dagegen für die Anwendbarkeit der Vermutung nicht erforderlich, dass die Kleinstkapitalgesellschaft von sämtlichen im nationalen Recht gewährten Erleichterungen Gebrauch gemacht hat.3 Denn wenn die Kleinstkapitalgesellschaft nur einzelne Erleichterungen ausnutzt, den Jahresabschluss aber im Übrigen nach den – strengeren – allgemeinen Vorschriften für Kapitalgesellschaften aufstellt, ist der Informationswert des Jahresabschlusses im Zweifel höher, so dass die Vermutung des § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB in diesem Fall erst recht eingreifen muss. Die in § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB im Einklang mit Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 (Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978) aufgestellte Vermutung, dass der Jahresabschluss der Kleinstkapitalgesellschaft ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt, entbindet die Kleinstkapitalgesellschaften jedenfalls von zusätzlichen Angaben, die die Inanspruchnahme der für Kleinstkapitalgesellschaften vorgesehenen Erleichterungen erläutern.4 Denn der Zweck dieser Erleichterungen, den Rechnungslegungsaufwand für Kleinst1 2 3 4

Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 55. Kritisch dazu Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 62. Zutreffend Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 56 f. S. BT-Drucks. 17/11292, 16.

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§ 264 Rz. 75 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung kapitalgesellschaften zu reduzieren, würde nur unvollkommen erreicht, wenn diese ein Gebrauchmachen von Erleichterungen durch Angaben im Anhang oder unter der Bilanz rechtfertigen müssten.1 75

Dagegen kann die Vermutung des § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB jedenfalls seit dem Inkrafttreten der BilRL 2013 nicht mehr so verstanden werden, dass Kleinstkapitalgesellschaften im Fall des Eingreifens der Vermutung in Gänze von den Angabepflichten nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB entbunden wären. Vielmehr ergibt sich aus § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB, dass Kleinstkapitalgesellschaften selbst bei Verzicht auf einen Anhang zu Angaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB verpflichtet bleiben, diese dann aber unter der Bilanz machen müssen.2 Diese Lesart des § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB wird nunmehr bestätigt durch die Neufassung der zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschrift, die früher in Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978 enthalten war und sich jetzt – leicht modifiziert – in Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 findet. Art. 1a Abs. 5 BilRL 1978 sah noch vor, dass bei Eingreifen der Vermutung nicht nur die früher in Art. 2 Abs. 5 BilRL 1978 und jetzt in Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 vorgesehene Gestattung einer Nichtanwendung von Bestimmungen der Richtlinie, sondern auch die damals in Art. 2 Abs. 4 BilRL 1978 und jetzt in Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BilRL 2013 angeordnete Pflicht zu zusätzlichen Angaben im Anhang keine Anwendung fand. Hieraus wurde von Teilen des Schrifttums hergeleitet, dass Kleinstkapitalgesellschaften in Gänze von Angaben im Anhang oder unter der Bilanz zu befreien und die jetzt in § 264 Abs. 2 Satz 4 und 5 HGB enthaltenen Vorschriften daher nicht richtlinienkonform seien.3 Nunmehr ordnet Art. 36 Abs. 4 BilRL 2013 bei Eingreifen der Vermutung jedoch nur noch an, dass Art. 4 Abs. 4 BilRL 2013 (Gestattung einer Nichtanwendung von Vorschriften der Richtlinie) auf den Jahresabschluss keine Anwendung findet. Von den Angabepflichten des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BilRL 2013 werden Kleinstkapitalgesellschaften jetzt mithin nicht mehr ausgenommen. In entsprechendem Sinne sind daher auch die Vorschriften des § 264 Abs. 2 Satz 4 und 5 HGB zu verstehen.

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Allerdings wird man bei Kleinstkapitalgesellschaften nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Verpflichtung zu zusätzlichen Angaben im Anhang bzw. unter der Bilanz annehmen können; denn anderenfalls würde der Zweck der Sondervorschriften über Kleinstkapitalgesellschaften, deren Rechnungslegungsaufwand signifikant zu verringern, verfehlt.4 Zusätzliche Angaben im Anhang bzw. unter der Bilanz können beispielsweise geboten sein, wenn in dem Ergebnis für das betreffende Geschäftsjahr ein im Vergleich zum operativen Ergebnis ungewöhnlich hohes außerordentliches Ergebnis enthalten ist.5

VI. Rechtsfolgen von Verstößen gegen Abs. 2 77

Ein Verstoß gegen die Pflichten nach § 264 Abs. 2 HGB hat zunächst einmal bilanzrechtliche Folgewirkungen. Nach § 317 Abs. 1 Satz 2, 3, § 322 Abs. 3 Satz 1 HGB beziehen sich die Prüfung des Jahresabschlusses und dementsprechend der Bestätigungsvermerk auch auf die Frage, ob die Bestimmungen des § 264 Abs. 2 HGB eingehalten wurden und der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt. Ist dies nicht der Fall, so ist der Bestätigungsvermerk gem. § 322 Abs. 4 Satz 1 HGB einzuschränken oder ganz zu versagen.6

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In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht kann ein Verstoß gegen das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB oder die aus ihm folgenden weiteren Pflichten gem. § 264 Abs. 2 Satz 2–5 HGB nach Maßgabe des § 256 AktG, der auf die GmbH grundsätzlich entsprechende Anwendung findet,7 zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses führen.8 In erster Linie kommt dabei der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG in Betracht; danach ist ein festgestellter Jahresabschluss nichtig, wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind. Das Einblicksgebot und die aus ihm folgenden Pflichten erfüllen überwiegend eine Gläubigerschutzfunktion.9 Freilich ist für eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG stets eine wesent1 S. BT-Drucks. 17/11292, 16; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 180 (Stand Apr. 2017). 2 S. BT-Drucks. 17/11292, 16; Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (108); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 175, 184 (Stand Apr. 2017); Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615 (2618). 3 S. dazu Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 57 f.; Meyer, BB 2014, 1131 f.; Schellhorn, DB 2012, 2296 (2298). 4 Zutreffend Hoffmann, StuB 2012, 729; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 180 (Stand Apr. 2017); s. auch Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (108). 5 Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (108); s. auch Kirsch, DStZ 2013, 258 (264 f.). 6 Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 20; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 59. 7 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 78; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 20. 8 S. dazu ADS6, § 264 HGB Rz. 138 f.; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 56 ff. 9 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 78; Hinz in Beck HdR, B 106 Rz. 55 (Stand Mai 2010); Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 59.

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D. Das Einblicksgebot (Abs. 2)

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Rz. 80 § 264

liche Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen erforderlich;1 es muss daher im konkreten Fall geprüft werden, ob der jeweilige Verstoß gegen die Pflichten nach § 264 Abs. 2 HGB Gläubigerbelange erheblich berührt. Führt die Verletzung des Einblicksgebots zu einem Bewertungsfehler, kommt bei Wesentlichkeit des Fehlers auch eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 5 AktG in Betracht.2 Bei einer AG kann ein Verstoß gegen § 264 Abs. 2 HGB zudem eine Sonderprüfung nach §§ 258 ff. AktG nach sich ziehen.3 Darüber hinaus kann eine Verletzung der Pflichten nach § 264 Abs. 2 HGB straf- und ordnungswidrig- 79 keitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Werden infolge eines Verstoßes gegen die Pflichten nach § 264 Abs. 2 HGB die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss oder im Lagebericht unrichtig wiedergegeben oder verschleiert, so können die dafür verantwortlichen Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats der Kapitalgesellschaft sich nach § 331 Nr. 1 HGB strafbar machen. Im Fall einer Verletzung der Pflicht zum sog. Bilanzeid aus § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB (dazu Rz. 63 ff.) durch Abgabe einer unrichtigen Versicherung ergibt sich die Strafbarkeit aus der Spezialvorschrift des § 331 Nr. 3a HGB.4 Freilich setzt die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift zumindest bedingten Vorsatz in Bezug auf die Unrichtigkeit der Versicherung voraus.5 Eine nur fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Informationsbeschaffung in Bezug auf die Einhaltung des Einblicksgebots genügt daher für die Begründung einer Strafbarkeit nicht.6 In jedem Fall erfüllt ein Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft, das bei der Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses gegen § 264 Abs. 2 HGB verstößt, den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Wird der Bilanzeid nicht unrichtig, sondern überhaupt nicht abgegeben, ist auch dies eine bloße Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB und mithin keine Straftat iSd. § 331 Nr. 3a HGB.7 Schließlich kann eine Verletzung der Pflichten aus § 264 Abs. 2 HGB eine zivilrechtliche Schadensersatz- 80 haftung auslösen. Die für die Aufstellung des Jahresabschlusses zuständigen Organe – also insbes. den Vorstand einer AG und die Geschäftsführer einer GmbH – kann eine Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG treffen.8 Im Fall einer Straftat nach § 331 Nr. 1, Nr. 3a HGB oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB kann die Haftung zudem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Schutzgesetzes aus § 823 Abs. 2 BGB hergeleitet werden.9 Wenn durch den Verstoß gegen § 264 Abs. 2 HGB keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen wird, stellt sich die Frage, ob § 264 Abs. 2 HGB selbst als Schutzgesetz angesehen werden kann mit der Folge, dass auch in diesem Fall eine Schadensersatzhaftung aus § 823 Abs. 2 BGB bestünde. Von Teilen des Schrifttums wird dies unter Verweis auf den Gläubigerschutzzweck des § 264 Abs. 2 HGB bejaht.10 Zwar trifft es zu, dass die Vorschriften des Bilanzrechts und die GoB zumindest auch den Schutz der Gläubiger sowie der Gesellschafter bezwecken. In erster Linie dient das Bilanzrecht aber öffentlichen Interessen. In diesem Kontext ist letztlich auch der mitverfolgte Zweck des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes zu sehen; insoweit geht es weniger um den Schutz bestimmter individueller Gläubiger bzw. Gesellschafter als vielmehr um den Schutz des Rechtsverkehrs in seiner Gesamtheit und mithin um Institutionenschutz. Demgemäß lehnt die Rspr. die Einordnung von Rechnungslegungsvorschriften als Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB generell ab.11 Für das Einblicksgebot und die aus ihm folgenden Pflichten gem. § 264 Abs. 2 HGB kann aus den angeführten Gründen nichts anderes gelten.12

1 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 78; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 88. 2 S. Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 186 (Stand Apr. 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 88; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 56 f. 3 ADS6, § 264 HGB Rz. 142; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 78; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 59. 4 Eingehend dazu Hamann, DK 2008, 145 ff. 5 Fleischer, ZIP 2007, 97 (102); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 114. 6 Fleischer, ZIP 2007, 97 (102); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 67. 7 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264 HGB Rz. 50; Fleischer, ZIP 2007, 97 (103); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 125; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 112. 8 ADS6, § 264 HGB Rz. 140; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 91. 9 Hahn, IRZ 2007, 375 (379); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 93, 118. 10 Bejahend Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 79; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 59; für die den Bilanzeid regelnde Vorschrift des § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB auch Merkt in Hopt/ Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 26. 11 S. RG v. 4.2.1910 – Rep. II 255/09, RGZ 73, 30 (32 ff.); BGH v. 10.7.1964 – Ib ZR 208/62, DB 1964, 1585; v. 13.4. 1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (377 ff.); aA Schnorr, ZHR 170 (2006), 9 (26 ff.). 12 Zutreffend ADS6, § 264 HGB Rz. 141; Hahn, IRZ 2007, 375 (379); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 62, 68; im Ergebnis auch Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 92, 118.

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§ 264 Rz. 81 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung

E. Befreiung von Tochterkapitalgesellschaften (Abs. 3) I. Überblick und Allgemeines 81

Nach Maßgabe des § 264 Abs. 3 HGB ist eine Kapitalgesellschaft, die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat einbezogen ist, von der Einhaltung der in §§ 264–289a HGB enthaltenen Vorschriften über den Jahresabschluss und den Lagebericht von Kapitalgesellschaften, der in §§ 316–324a HGB enthaltenen Vorschriften über die Abschlussprüfung und der in §§ 325–329 HGB enthaltenen Vorschriften über die Offenlegung des Jahresabschlusses befreit. Eine solche Tochtergesellschaft muss dann also lediglich die für alle Unternehmen geltenden allgemeinen Vorschriften der §§ 238–261 HGB einhalten. § 264 Abs. 3 HGB ist durch das KapAEG von 1998 eingeführt worden (s. Rz. 6). Sie geht auf Art. 37 BilRL 2013 (Art. 57 Abs. 4 BilRL 1978) zurück.

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In seiner ursprünglichen Fassung gewährte § 264 Abs. 3 HGB nur jenen Tochterunternehmen die Befreiung von den besagten Vorschriften, die in einen Konzernabschluss nach § 290 HGB und mithin in einen inländischen Konzernabschluss einbezogen waren, wohingegen die Einbeziehung in einen ausländischen Konzernabschluss nicht genügte. In der ursprünglichen Fassung war § 264 Abs. 3 HGB nach zutreffender Ansicht des EuGH nicht richtlinienkonform.1 Durch das MicroBilG von 2012 (s. Rz. 6) hat der deutsche Gesetzgeber die Befreiung ausdrücklich auch auf Tochterkapitalgesellschaften erstreckt, die in einen EUoder EWR-ausländischen Konzernabschluss einbezogen sind, und damit die Unionsrechtswidrigkeit der Vorschrift beseitigt. Durch das BilRUG von 2015 (s. Rz. 6) ist § 264 Abs. 3 HGB neu gefasst und an die Vorgaben des neuen Art. 37 BilRL 2013 angeglichen worden.

II. Persönlicher Anwendungsbereich 83

Die Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB ist unmittelbar nur auf Kapitalgesellschaften anwendbar, die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat einbezogen sind. Auf die Rechtsform des Mutterunternehmens kommt es nicht an.2 Anders als in seiner ursprünglichen Fassung verlangt § 264 Abs. 3 HGB in seiner durch das MicroBilG von 2012 (s. Rz. 6) geänderten Fassung nicht mehr die Einbeziehung in einen Konzernabschluss nach § 290 HGB. Erfasst werden daher nunmehr auch Tochtergesellschaften, die nach anderen nationalen Vorschriften (zB § 340i Abs. 1, § 341i Abs. 1 HGB) oder nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einbezogen sind (s. auch Rz. 82).3 Über die Verweisung in § 5 Abs. 6 PublG findet § 264 Abs. 3 HGB auch auf Unternehmen iSd. § 3 Abs. 1 PublG Anwendung, die in einen Konzernabschluss nach § 11 PublG oder § 290 HGB einbezogen sind. Für Personengesellschaften iSd. § 264a HGB gilt die besondere Befreiungsvorschrift des § 264b HGB.

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Entscheidend ist die tatsächliche Einbeziehung im Wege einer Vollkonsolidierung;4 ohne Belang ist, ob diese obligatorisch war oder freiwillig erfolgt ist.5 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob neben der in Rede stehenden Tochtergesellschaft noch weitere Unternehmen in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens einbezogen sind.6 Die bloße rechtliche Möglichkeit der Einbeziehung des Tochterunternehmens reicht nicht aus, wenn – beispielsweise nach § 296 HGB – das Mutterunternehmen auf die Einbeziehung verzichtet.7 Grundsätzlich muss die Tochterkapitalgesellschaft phasengleich für das Geschäftsjahr in den Konzernabschluss einbezogen werden, für das im Hinblick auf den Jahresabschluss die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB begehrt wird.8 Das Erfordernis der Einbeziehung in den Konzernabschluss der Muttergesellschaft führt allerdings dazu, dass der Jahresabschluss der Tochterkapitalgesellschaft für Zwecke der 1 EuGH v. 6.2.2014 – C-528/12 (Mömax Logistik), GmbHR 2014, 361 Rz. 24 ff.; näher dazu Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 70 f. mwN; Meyer, BB 2014, 1131 (1133); Tromp/Nagler/Gehrke, GmbHR 2009, 641 (644 ff.). 2 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 116. 3 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 75. 4 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 70; Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1529); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 129 f.; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 116, 118. 5 Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1529); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 106; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 116, 118. 6 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 118. 7 Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung, DB 1999, 493 (494); Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 72 (Stand Dez. 2013); Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1529); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 105; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 119. 8 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 68; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 120.

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E. Befreiung von Tochterkapitalgesellschaften (Abs. 3)

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Rz. 87 § 264

Einbeziehung in Bezug auf Ansatz, Bewertung und Ausweis an den Jahresabschluss des Mutterunternehmens anzupassen und gem. § 317 Abs. 3 HGB als Teil des Konzernabschlusses zu prüfen ist, so dass uU dann doch Vorschriften beachtet werden müssen, von deren Einhaltung § 264 Abs. 3 HGB befreit.1

III. Sachliche Befreiungsvoraussetzungen 1. Zustimmung aller Gesellschafter Damit die in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens einbezogene Tochterkapitalgesellschaft in 85 den Genuss der Entbindung von der Einhaltung der Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften kommt, müssen nach § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB alle Gesellschafter des Tochterunternehmens der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt haben. Das Zustimmungserfordernis trägt dem Umstand Rechnung, dass mit der Nichtanwendung der in § 264 Abs. 3 HGB genannten Vorschriften ein erheblicher Eingriff in Mitverwaltungs- und Vermögensrechte der Gesellschafter verbunden sein kann.2 Für die Beschlussfassung über die Zustimmung gelten die allgemeinen Regeln; grundsätzlich bedarf es daher eines förmlichen Beschlusses der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung.3 Möglich ist aber auch eine Bekundung der Zustimmung in anderer Weise.4 Die Zustimmung kann pauschal, aber auch beschränkt auf die Inanspruchnahme der Befreiung nur von einzelnen der in § 264 Abs. 3 HGB genannten Vorschriften erteilt werden.5 Erforderlich ist nach § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB die Zustimmung jedes einzelnen Gesellschafters 86 oder Aktionärs. Dies gilt auch, wenn vor Ablauf des Geschäftsjahrs, für das die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB begehrt wird, infolge einer Kapitalerhöhung neue Gesellschafter hinzutreten; deren Zustimmung muss dann ebenfalls noch eingeholt werden.6 Das Einstimmigkeitserfordernis führt dazu, dass bei Publikumskapitalgesellschaften, vor allem bei einer AG, eine Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB praktisch nie erreicht werden kann, weil eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bzw. Aktionäre hier kaum zu erlangen ist.7 Aufgrund des eindeutigen Wortlauts sowohl des § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB als auch der zugrunde liegenden Vorschrift des Art. 37 Nr. 2 BilRL 2013 („alle Aktionäre oder Gesellschafter des Tochterunternehmens“) scheidet ein abweichendes Verständnis des § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB aus.8 Die Zustimmung kann nur für das jeweilige Geschäftsjahr und nicht etwa auf Vorrat erteilt werden.9 Eine feste Frist für die Zustimmung sieht das Gesetz nicht vor, so dass diese auch noch nach Ablauf des 87 betreffenden Geschäftsjahrs erfolgen kann; sie muss allerdings spätestens bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses bzw. – sofern lediglich von der Befreiung von der Offenlegungspflicht Gebrauch gemacht werden soll – vor Ablauf der Offenlegungsfrist erteilt werden.10 Ein einzelner Gesellschafter kann die einmal erteilte Zustimmung nicht einseitig widerrufen; vielmehr kann die Zustimmung der Gesellschafter nur

1 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 5 f.; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 101 f.; Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 58 (Stand Sept. 2016); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 109. 2 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 33; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 221 (Stand Apr. 2017); Kraft in FS W. Müller, 463 (466); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 126. 3 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 42; Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 62 (Stand Dez. 2013); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 127. 4 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 42; Kraft in FS W. Müller, 463 (467 f.); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 127. 5 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 41; Baetge/Commandeur/Hippel in Küting/Weber, HdR, § 264 HGB Rz. 64 (Stand Dez. 2013); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 128. 6 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 39; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 131; weitergehend Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 19 (Stand Juli 2014); Kraft in FS W. Müller, 463 (477 f.): Zustimmung auch dann erforderlich, wenn Kapitalerhöhung und Eintritt neuer Gesellschafter nach Ablauf des Geschäftsjahrs, aber noch vor Feststellung des Jahresabschlusses erfolgen. 7 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 113; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 222 (Stand Apr. 2017). 8 S. auch Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 79; Kraft in FS W. Müller, 463 (466 f.); Winkeljohann/ Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 129; aA wohl Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1527). 9 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 40; Deilmann, BB 2006, 2347 (2350); Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 16 (Stand Juli 2014); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 132. 10 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 118; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 107; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 133; s. auch ADS6, § 264 HGB nF Rz. 33; Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 17 (Stand Juli 2014); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 223 (Stand Apr. 2017), die im ersteren Fall aber auf den Zeitpunkt der Feststellung abstellen.

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§ 264 Rz. 88 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung durch gegenläufigen Mehrheitsbeschluss wieder aufgehoben werden.1 Dagegen ist es einem Gesellschafter nicht verwehrt, die zuerst verweigerte Zustimmung später nachzuholen.2 Im Fall der Übertragung des Anteils an einer Kapitalgesellschaft tritt der Erwerber vollumfänglich in die Rechtsstellung des bisherigen Gesellschafters ein. Dementsprechend wirkt die bereits für das betreffende Geschäftsjahr erteilte Zustimmung des früheren Gesellschafters auch gegen den neuen Gesellschafter, wenn der Anteil an der Kapitalgesellschaft im Laufe oder nach Ablauf des Geschäftsjahrs an einen neuen Gesellschafter veräußert wird, dh. dieser bleibt an die Zustimmung gebunden.3 Hatte der Veräußerer die Zustimmung allerdings verweigert, ist der Erwerber nicht gehindert, diese nachträglich noch zu erteilen.4 2. Verpflichtungserklärung des Mutterunternehmens 88

Weiter verlangt § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB, dass das Mutterunternehmen sich bereit erklärt hat, für die von dem Tochterunternehmen bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen im folgenden Geschäftsjahr einzustehen. Diese Befreiungsvoraussetzung dient dem Gläubigerschutz. Wenn aufgrund der Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB der Jahresabschluss der Tochterkapitalgesellschaft nicht offengelegt wird und deren Gläubiger infolgedessen keinen Einblick in das ihnen als Haftungsmasse zur Verfügung stehende Vermögen der Tochterkapitalgesellschaft haben, sollen sie unmittelbar oder zumindest mittelbar auf das aus dem Konzernabschluss ersichtliche Vermögen der Muttergesellschaft zugreifen können.5

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Erforderlich ist grundsätzlich eine Haftungserklärung desjenigen Mutterunternehmens, in dessen Abschluss die Tochterkapitalgesellschaft einbezogen ist. Bei mehrstufigen Konzernen ist auch eine Einstandspflicht eines anderen Unternehmens innerhalb der Beteiligungskette ausreichend, sofern eine geschlossene Kette von Einstandspflichten von der Tochtergesellschaft zum Mutterunternehmen führt.6 Die Einstandspflicht kann gleichermaßen als Außenhaftung gegenüber den Gläubigern wie auch als Innenhaftung gegenüber der Tochtergesellschaft übernommen werden.7 Im ersteren Fall bedarf es einer rechtlich verbindlichen Erklärung des Mutterunternehmens, die Verbindlichkeiten der Tochterkapitalgesellschaft gegenüber deren Gläubigern zu übernehmen oder eine gesamtschuldnerische Mithaftung für diese Verbindlichkeiten zu begründen.8 Im letzteren Fall muss die Muttergesellschaft – zB durch Übernahme einer Nachschusspflicht9 oder Abgabe einer harten Patronatserklärung10 – verbindlich zusagen, die Tochtergesellschaft bei Bedarf jederzeit mit den Mitteln auszustatten, die sie für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.11 Gleichzustellen ist der Fall, dass sich die Einstandspflicht des Mutterunternehmens bereits aus dem Gesetz ergibt, zB aus § 302 AktG. Auch in diesem Fall sind allerdings eine – dann freilich deklaratorische – Erklärung des Mutterunternehmens und deren Offenlegung erforderlich.12

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Zwar ist durch das BilRUG von 2015 (s. Rz. 6) die in der früheren Fassung des § 264 Abs. 3 HGB noch enthaltene ausdrückliche Erwähnung des § 302 AktG gestrichen worden. Es entspricht jedoch dem Willen

1 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 35; Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 15 (Stand Juli 2014); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 129. 2 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 34; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 222 (Stand Apr. 2017); Kraft in FS W. Müller, 463 (469 f.). 3 Zutreffend ADS6, § 264 HGB nF Rz. 38; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 116; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 222 (Stand Apr. 2017); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 130; aA Kraft in FS W. Müller, 463 (474 f.): Bindung des Erwerbers nur bei Erwerb nach Ablauf des Geschäftsjahrs. 4 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 38; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 116; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 130. 5 S. BT-Drucks. 18/4050, 58; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 136. 6 S. ADS6, § 264 HGB nF Rz. 48; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 127; IDW HFA, IDW Life 2016, 51 (53); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 27; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 124; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 173. 7 S. BT-Drucks. 18/5256, 80; Bode, DB 2015, 816 (817); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 226 (Stand Apr. 2017). 8 S. ADS6, § 264 HGB nF Rz. 54; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 226 (Stand Apr. 2017); Reitmeier/Deubert, BB 2014, 2795 (2796); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 155 f. 9 Näher dazu IDW HFA, IDW Life 2016, 51 (52); Renner/Theile, KoR 2015, 213 (215 f.). 10 Näher dazu Maier-Reimer/Etzbach, NJW 2011, 1110 ff.; Renner/Theile, KoR 2015, 213 (216 ff.). 11 S. BT-Drucks. 18/4050, 58; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 226 f. (Stand Apr. 2017); Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1730); Renner/Theile, KoR 2015, 213 (214 ff.). 12 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 80; s. auch Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 193; aA Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 128; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 112: Erklärung und Offenlegung unnötig.

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E. Befreiung von Tochterkapitalgesellschaften (Abs. 3)

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Rz. 92 § 264

des Gesetzgebers1 und der hM im Schrifttum2, dass unverändert auch eine Verlustübernahme nach § 302 AktG den Anforderungen des § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB genügt. Die Verlustübernahme nach § 302 AktG tritt kraft Gesetzes ein, wenn die Tochterkapitalgesellschaft eine AG ist und zwischen ihr und dem Mutterunternehmen ein Beherrschungs- und bzw. oder Gewinnabführungsvertrag iSd. § 291 AktG besteht. Ein solcher kann auch mit einer Tochterkapitalgesellschaft anderer Rechtsform, etwa mit einer GmbH, geschlossen werden; in diesem Fall wird die Geltung des § 302 AktG in aller Regel im Vertrag vereinbart.3 Die wirksame Begründung der Verlustübernahmepflicht setzt in jedem Fall die Eintragung des Beherrschungs- und bzw. oder Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister voraus. Wird außerhalb des Geltungsbereichs des § 302 AktG – etwa mit einem im EU- oder EWR-Ausland ansässigen Mutterunternehmen – eine vertragliche Vereinbarung getroffen, die inhaltlich einer Verlustübernahme nach § 302 AktG entspricht, reicht auch dies für § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB aus.4 Die früher umstrittene Frage, auf welche Verbindlichkeiten und auf welchen Zeitraum die Verpflichtungs- 91 erklärung des Mutterunternehmens bzw. die ihr gleichstehende gesetzliche Einstandspflicht bezogen sein muss,5 hat der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich dahin geregelt, dass die Einstandspflicht sich auf jene Verpflichtungen der Tochtergesellschaft beziehen muss, die bis zum Abschlussstichtag des Geschäftsjahrs, für das die Befreiung begehrt wird, eingegangen worden sind, und dass sie für das auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr gelten muss. Nach Ablauf dieses Geschäftsjahrs muss die Tochtergesellschaft, wenn sie weiter von der Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB Gebrauch machen will, eine Verlängerung der Einstandspflicht des Mutterunternehmens erwirken oder aber ihren Jahresabschluss wieder offenlegen, so dass ein ausreichender Gläubigerschutz sichergestellt ist.6 Die Einstandspflicht muss sich nicht nur auf die zu bilanzierenden Verbindlichkeiten und Rückstellungen beziehen, sondern auch auf noch nicht zu bilanzierende Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften.7 Sie kann auch noch nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahrs, für das die Befreiung begehrt wird, begründet werden, weil es unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes keinen Unterschied macht, ob die Einstandspflicht vor oder nach dem Abschlussstichtag entsteht.8 Freilich muss sie spätestens bei der Aufstellung des Jahresabschlusses, in dem von den Erleichterungen nach § 264 Abs. 3 HGB Gebrauch gemacht werden soll, bzw. – sofern nur eine Befreiung von der Offenlegungspflicht in Anspruch genommen wird – bis zum Ablauf der Offenlegungsfrist offengelegt worden sein.9 Beruht die Einstandspflicht auf § 302 AktG, muss bis dahin auch die Eintragung des Beherrschungs- und bzw. oder Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister erfolgt sein.10 3. Anforderungen an die Konzernrechnungslegung Nach § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB müssen der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht des 92 Mutterunternehmens zudem nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem das Mutterunternehmen seinen Sitz hat, und im Einklang mit der BilRL 2013 (s. Rz. 6) und der Abschlussprüfungsrichtlinie in ihrer Neufassung von 200611 aufgestellt und geprüft worden sein. Diese Voraussetzung trifft auch auf Konzernabschlüsse zu, die das Mutterunternehmen aufgrund einer sich aus § 315e Abs. 1, 2 HGB bzw. aus Art. 4 IAS-VO ergebenden Rechtspflicht oder gem. § 315e Abs. 3 HGB freiwillig nach den IFRS aufgestellt hat.12 Ob das Mutterunternehmen in den Anwendungsbereich der BilRL 2013 fällt, ist ohne Belang; entschei1 BT-Drucks. 18/5256, 80. 2 IDW HFA, IDW Life 2016, 51 f.; Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1730); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 160; einschränkend Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 231 (Stand Apr. 2017): nur „stark indikative Wirkung“ der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG. 3 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 110. 4 Näher dazu Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 166 f.; s. auch Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 232 (Stand Apr. 2017). 5 S. dazu Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 80 mwN. 6 BT-Drucks. 18/5256, 80. 7 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 229 (Stand Apr. 2017); Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1730); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 144; aA Kühne/Richter, BB 2015, 877 (878). 8 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 148; s. auch Kühne/Richter, BB 2015, 877 (879); aA Bode, DB 2015, 816 (818): Begründung spätestens am Abschlussstichtag. 9 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 148; s. auch ADS6, § 264 HGB nF Rz. 58, die allerdings auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses abstellen. 10 ADS6, § 264 HGB nF Rz. 58; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 164. 11 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl. EU 2006 Nr. L 157, 87. 12 BT-Drucks. 18/5256, 80 f.; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 76; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 124.

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§ 264 Rz. 93 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung dend ist, dass der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht – und sei es auch freiwillig – tatsächlich nach den Vorgaben der BilRL 2013 aufgestellt worden sind.1 4. Angabe der Befreiung im Anhang des Konzernabschlusses 93

Überdies setzt § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 HGB voraus, dass die Befreiung des Tochterunternehmens im Anhang des Konzernabschlusses des Mutterunternehmens angegeben wird. Dabei sind die Firma und der Sitz des Tochterunternehmens sowie die Befreiung als solche anzugeben; dagegen sind Angaben zum Umfang der in Anspruch genommenen Befreiung nicht notwendig.2 Die Angabe nach § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 HGB ist auch dann erforderlich, wenn das Mutterunternehmen nach § 313 Abs. 3 HGB berechtigt ist, auf die in § 313 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Angaben zum Tochterunternehmen zu verzichten.3 5. Offenlegung

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Schließlich verlangt § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB, dass für das Tochterunternehmen bestimmte Angaben und Dokumente nach § 325 Abs. 1–1b HGB offengelegt werden. Die Offenlegung ist für die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB auch dann erforderlich, wenn das Mutterunternehmen nach § 313 Abs. 3 HGB berechtigt ist, auf die in § 313 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Angaben zum Tochterunternehmen zu verzichten.4 Die Notwendigkeit einer Offenlegung besteht nicht nur für Muttergesellschaften mit Sitz im Inland, sondern auch für solche mit Sitz in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat.5 Die Offenlegung muss den Anforderungen des § 325 Abs. 1–1b HGB genügen; es muss also eine elektronische Einreichung der Unterlagen in deutscher Sprache beim Bundesanzeiger innerhalb eines Jahres nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahrs, auf das sie sich beziehen, erfolgen.6 Zuständig sind die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der betreffenden Tochterkapitalgesellschaft. Soll bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses von den Befreiungen nach § 264 Abs. 3 HGB Gebrauch gemacht werden, so muss die Einreichung der Unterlagen zum Bundesanzeiger allerdings spätestens bis zur Aufstellung erfolgt sein.7 Ohne rechtzeitige Offenlegung kann die Tochterkapitalgesellschaft die Befreiungen nach § 264 Abs. 3 HGB nicht in Anspruch nehmen. Allerdings kann die Offenlegung nachgeholt werden, dh. das Versäumen einer rechtzeitigen Offenlegung hat nicht den endgültigen Verlust der Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB zur Folge.8 Offenzulegen sind nach § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB der Beschluss, mit dem die Gesellschafter des Tochterunternehmens der Befreiung gem. § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB zugestimmt haben;9 die – im Fall einer gesetzlichen Einstandspflicht deklaratorische (s. Rz. 89) – Verpflichtungserklärung, mit der sich das Mutterunternehmen gem. § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB bereit erklärt hat, für die von dem Tochterunternehmen bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen im folgenden Geschäftsjahr einzustehen;10 der Konzernabschluss; der Konzernlagebericht; und schließlich der Bestätigungsvermerk zum Konzernabschluss und Konzernlagebericht des Mutterunternehmens.

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Wenn allerdings bereits das Mutterunternehmen einzelne oder alle der in § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB bezeichneten Unterlagen offengelegt hat, braucht das Tochterunternehmen die betreffenden Unterlagen nach § 264 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 HGB nicht erneut offenzulegen, wenn sie im Bundesanzeiger unter dem Tochterunternehmen auffindbar sind. Durch diese Regelung soll eine Mehrfachoffenlegung derselben Unterlagen vermieden werden.11 Um die Auffindbarkeit der Unterlagen im Bundesanzeiger unter dem Tochterunternehmen sicherzustellen, muss das Mutterunternehmen dem Bundesanzeiger mitteilen, dass die 1 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 180. 2 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 185. 3 Zutreffend LG Bonn v. 6.5.2010 – 36 T 837/09, NJW-RR 2010, 1406 (1407); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 125; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 187; aA Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 136. 4 Zutreffend LG Bonn v. 6.5.2010 – 36 T 837/09, NJW-RR 2010, 1406 (1407); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 82. 5 LG Bonn v. 8.12.2010 – 31 T 652/10, NJW-RR 2011, 194 f.; v. 27.3.2012 – 35 T 693/11, GmbHR 2012, 803 (804); Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (111). 6 S. Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 254 (Stand Apr. 2017); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 190. 7 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 197; s. auch Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 254 (Stand Apr. 2017): bis zur Feststellung. 8 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 198. 9 Einschränkend Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 191: Offenzulegen seien nur die Tatsache der Zustimmung und das Geschäftsjahr, nicht der Beschluss im Wortlaut. 10 Näher dazu Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 192 ff. 11 BT-Drucks. 18/4050, 58; Hargarten/Seidler, BB 2016, 2795 (2796).

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E. Befreiung von Tochterkapitalgesellschaften (Abs. 3)

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Rz. 97 § 264

Offenlegung auch für das Tochterunternehmen erfolgt.1 Die in § 326 Abs. 2 HGB vorgesehene Erleichterung für Kleinstunternehmen ist auf diese Offenlegung gem. § 264 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 HGB nicht anzuwenden. Kleinstkapitalgesellschaften, die Tochterunternehmen sind, können also entweder die Hinterlegungsoption des § 326 Abs. 2 HGB oder aber die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB in Anspruch nehmen, nicht aber beide Regelungen miteinander kombinieren.2 Nach § 264 Abs. 3 Satz 3 HGB gilt § 264 Abs. 3 Satz 2 HGB allerdings nur dann, wenn das Mutterunternehmen die betreffende Unterlage in deutscher oder in englischer Sprache offengelegt hat oder das Tochterunternehmen zusätzlich eine beglaubigte Übersetzung dieser Unterlage in deutscher Sprache nach § 325 Abs. 1–1b HGB offenlegt.3 Offenbar wollte der Gesetzgeber die Befugnis zur Offenlegung in englischer Sprache auf den geprüften Konzernabschluss und den Konzernlagebericht beschränken.4 Indes hat ein solcher Wille des Gesetzgebers keinen Niederschlag im Gesetzestext gefunden und ist daher unbeachtlich. Im Einklang mit dem Wortlaut des § 264 Abs. 3 Satz 3 HGB können daher sämtliche in § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB genannten Unterlagen in englischer Sprache offengelegt werden.5

IV. Reichweite der Befreiung Wenn der persönliche Anwendungsbereich des § 264 Abs. 3 HGB eröffnet ist und die in dieser Vorschrift 96 statuierten Befreiungsvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Tochterkapitalgesellschaft zum einen von der Einhaltung der in §§ 264–289a HGB enthaltenen Sondervorschriften über den Jahresabschluss und den Lagebericht von Kapitalgesellschaften befreit. Insbes. gilt für sie dann nicht die Aufstellungsfrist des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB von drei Monaten, sondern die allgemeine Frist des § 243 Abs. 3 HGB, und sie muss die Vorgaben des § 266 HGB für die Gliederung der Bilanz nicht einhalten. Auch einen Anhang und einen Lagebericht muss die Tochterkapitalgesellschaft nicht aufstellen. Zum anderen unterliegt sie nicht den in §§ 316–324a HGB enthaltenen Vorschriften über die Abschlussprüfung und den in §§ 325–329 HGB enthaltenen Vorschriften über die Offenlegung des Jahresabschlusses, so dass sie weder prüfungs- noch offenlegungspflichtig ist. In jedem Fall muss die Tochterkapitalgesellschaft aber die allgemeinen Vorschriften der §§ 238–261 HGB einhalten.6 Unberührt bleiben zudem Angabe- und Offenlegungspflichten nach anderen Vorschriften; so ist auch eine Tochterkapitalgesellschaft, die die Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB erfüllt, nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften zur Abgabe einer Entsprechenserklärung nach § 161 AktG und eines Jahresfinanzberichts nach § 37v WpHG verpflichtet.7 Hinsichtlich der Vorschriften, von deren Einhaltung § 264 Abs. 3 HGB befreit, steht es der Tochterkapitalgesellschaft frei, ob sie insgesamt oder nur in Bezug auf einzelne Vorschriften von der Befreiung Gebrauch macht.8 Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag die Entscheidungsfreiheit der Tochterkapitalgesellschaft beschränken und ihr die Inanspruchnahme der in § 264 Abs. 3 HGB vorgesehenen Befreiungen ganz oder teilweise verwehren.9 Wenngleich das Gesetz dies nicht ausdrücklich regelt, besteht Einigkeit, dass die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB nicht für die Vorschrift des § 268 Abs. 8 HGB gilt.10 Diese Vorschrift begrenzt die Gewinnausschüttung für den Fall, dass von den Bilanzierungswahlrechten in Bezug auf selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, aktive latente Steuern oder Gegenstände des Deckungsvermögens iSd. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB Gebrauch gemacht wird, und dient damit der Kapitalerhaltung und dem Gläubigerschutz. Weil § 268 Abs. 8 HGB aufgrund dieses Schutzzwecks zwingenden Charakter hat, muss er auch von Tochterkapitalgesellschaften beachtet werden, die die Befreiungsvoraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB erfüllen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 206. BT-Drucks. 18/4050, 59. Kritisch zum Erfordernis der Beglaubigung Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 210. S. BT-Drucks. 18/5256, 81. AA Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 207. BT-Drucks. 13/7141, 10; BT-Drucks. 18/4050, 58; ADS6, § 264 HGB nF Rz. 2; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 121. Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264 Rz. 120; Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 58 (Stand Sept. 2016); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 105. ADS6, § 264 HGB nF Rz. 4; Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1530); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 83; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 106. ADS6, § 264 HGB nF Rz. 4; Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1530); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264 HGB Rz. 143; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 106; aA Hargarten/Seidler, BB 2016, 2795 (2796 f.): Der Zustimmungsbeschluss gem. § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB stelle eine implizite Satzungsdurchbrechung dar. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264 HGB Rz. 83; Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 12 (Stand Juli 2014); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 110.

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§ 264 Rz. 98 | Pflicht zur Aufstellung; Befreiung 98

Bei Tochterkapitalgesellschaften, die als Inlandsemittenten Wertpapiere begeben, sind allerdings die Bestimmungen des § 37v Abs. 1 und 2 WpHG zu beachten. Danach muss eine solche kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft – ohne Rücksicht darauf, ob sie nach Handelsbilanzrecht eine Offenlegungspflicht trifft – für kapitalmarktrechtliche Zwecke für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen Jahresfinanzbericht erstellen und offenlegen, der ua. einen geprüften Jahresabschluss und einen Lagebericht enthalten muss. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften können daher letztlich nur sehr eingeschränkt von der Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB Gebrauch machen.1

F. Befreiung bei Konzernabschluss nach PublG (Abs. 4) 99

Nach der durch das KapCoRiLiG von 2000 (s. Rz. 6) eingeführten Regelung des § 264 Abs. 4 HGB ist die Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB nicht anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft das Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens ist, das einen Konzernabschluss nach den Vorschriften des PublG aufgestellt hat, und wenn in diesem Konzernabschluss von dem Wahlrecht des § 13 Abs. 3 Satz 1 PublG Gebrauch gemacht worden ist. Im Umkehrschluss ergibt sich aus § 264 Abs. 4 HGB, dass sich im Grundsatz auch Tochterkapitalgesellschaften, die in einen Konzernabschluss nach dem PublG einbezogen sind, auf die Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB berufen können, sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Ob die Einbeziehung nach § 11 PublG gesetzlich vorgeschrieben ist oder freiwillig erfolgt, ist ohne Belang.2 Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft, die in den Konzernabschluss nach dem PublG einbezogen worden ist, nicht um eine Kapitalgesellschaft, sondern um ein nach § 3 Abs. 1 PublG rechnungslegungspflichtiges Unternehmen anderer Rechtsform, so findet § 264 Abs. 3 HGB zwar keine unmittelbare Anwendung. § 5 Abs. 6 PublG ordnet jedoch an, dass Unternehmen iSd. § 3 Abs. 1 PublG von den Anforderungen des PublG befreit sind, wenn sie in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens iSd. § 11 PublG oder iSd. § 290 HGB einbezogen sind und sie im Übrigen die entsprechend geltenden Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 HGB erfüllen (s. auch Rz. 83).

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Die Berufung auf § 264 Abs. 3 HGB ist der in einen Konzernabschluss nach dem PublG einbezogenen Tochterkapitalgesellschaft allerdings nach § 264 Abs. 4 HGB verwehrt, wenn in dem betreffenden Konzernabschluss von dem Wahlrecht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 PublG Gebrauch gemacht worden ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Unternehmen, das nach § 11 PublG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, von der Einhaltung des § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB in Bezug auf den Konzernabschluss befreit, dh. im Konzernanhang sind die in § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB verlangten Angaben zu den Bezügen und sonstigen Leistungen an Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung des Mutterunternehmens für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Mutterunternehmen und den Tochterunternehmen entbehrlich. Wird in dem Konzernabschluss nach dem PublG auf diese Angaben verzichtet, verliert die Tochterkapitalgesellschaft die Befreiungsmöglichkeit nach § 264 Abs. 3 HGB.

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§ 264 Abs. 4 Halbs. 2 HGB stellt jedoch klar, dass § 314 Abs. 3 HGB unberührt bleibt. Im Konzernabschluss kann also auf der Grundlage eines mit qualifizierter Mehrheit von 75 % gefassten Hauptversammlungsbeschlusses (§ 314 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 286 Abs. 5 HGB) bzw. bei nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften auch ohne einen solchen Beschluss (§ 314 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 286 Abs. 4 HGB) auf die in § 314 Abs. 3 HGB näher bezeichneten Angaben verzichtet werden (s. dazu § 314 HGB Rz. 110 ff.), ohne dass dadurch der Zugang zur Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB versperrt wird.

§ 264a Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften (1) Die Vorschriften des Ersten bis Fünften Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts sind auch anzuwenden auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter 1. eine natürliche Person oder 2. eine offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter ist oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. 1 Hargarten/Seidler, BB 2016, 2795 (2797); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 107. 2 BT-Drucks. 18/4050, 59; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264 HGB Rz. 240 (Stand Apr. 2017).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 2 § 264a

(2) In den Vorschriften dieses Abschnitts gelten als gesetzliche Vertreter einer offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft nach Absatz 1 die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der vertretungsberechtigten Gesellschaften. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendbarkeit der Vorschriften für Kapitalgesellschaften auf bestimmte Personengesellschaften (Abs. 1)

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I. Erfasste Personengesellschaften . . . . . . . . . . II. Keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter 1. Natürliche Person als unmittelbarer persönlich haftender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . 2. Natürliche Person als mittelbarer persönlich haftender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . C. Gesetzliche Vertreter (Abs. 2) . . . . . . . . . .

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Literatur: Lutter/Mertens/Ulmer, Die GmbH & Co. KG und das Bilanzrichtlinie-Gesetz, BB 1983, 1737; Weilbach, Die Wirkungen der verfehlten Mittelstands- und GmbH & Co.-Richtlinie, BB 1992, 955; Nothhelfer, Die Auswirkungen der GmbH & Co.-Richtlinie auf die Praxis, BB 1996, 1655; Strobel, Die neuen EU-Bilanzpflichten für Kapitalgesellschaften & Co. im Rahmen neuer Schwellenwerte und Offenlegungssanktionen, DB 1999, 1025; Wiechmann, Der Jahres- und Konzernabschluß der GmbH & Co. KG, WPg. 1999, 916; Bitter/Grashoff, Anwendungsprobleme des Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetzes, DB 2000, 833; Dorozala/Söffing, Zur Vermeidung handelsrechtlicher Offenlegungspflichten durch alternative Rechtsformen, DStR 2000, 1567; Eisolt/Verdenhalven, Erläuterung des Kapitalgesellschaften und Co.-Richtlinie-Gesetzes (KapCoRiLiG), NZG 2000, 130; Luttermann, Das Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz, ZIP 2000, 517; Zimmer/Eckhold, Das Kapitalgesellschaften & Co.-Richtlinie-Gesetz, NJW 2000, 1361; Grüter/Mitsch, Beitritt einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, Teil I, INF 2001, 142, Teil II, INF 2001, 174; Herrmann, Zur Rechnungslegung der GmbH & Co. KG im Rahmen des KapCoRiLiG, WPg. 2001, 271; Schiedermair/Maul, Bilanzierungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten von haftungsbeschränkten & Co.-Gesellschaften nach Inkrafttreten des Kapitalgesellschaften- und Co.Richtlinien-Gesetzes, FS W. Müller, 2001, 503; Waßmer, Die GmbH & Stroh KG als Publizitäts-Vermeidungsmodell, GmbHR 2002, 412; von Kanitz, Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, WPg. 2003, 324; Kiesel/Grimm, Die Offenlegungsverpflichtung bei Kapitalgesellschaften & Co. nach dem Beschluss des EuGH vom 23.9.2004, DStR 2004, 2210; Vater, EuGH bestätigt Offenlegungspflicht für GmbH & Co. KG, KoR 2005, 130; Giedinghagen, Rückwirkende Befreiung von den Offenlegungspflichten iS der §§ 264a, 325 ff. HGB?, NZG 2007, 933; von Kanitz, Rückwirkende Befreiung von Personenhandelsgesellschaften iS des § 264a Abs. 1 HGB von den erweiterten Rechnungslegungspflichten bei Eintritt einer natürlichen Person als Vollhafter?, WPg. 2008, 1059; Buchheim, Die Publizität der Kapitalgesellschaften & Co. nach dem EHUG, DB 2010, 1133; Hafner/Spitz, Vermeidung von Prüfungs- und Offenlegungspflicht bei Personengesellschaften: mögliche Gestaltungen und deren handels- und steuerrechtliche Folgen, DStR 2015, 2623; Künkele/Zwirner, Bilanzierung bei Personengesellschaften – Besonderheiten der Bilanzierung bei Personenhandelsgesellschaften aus Sicht der Handels- und Steuerbilanz, StuB 2015, Beil. 1, 1.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 264a Abs. 1 HGB ordnet an, dass die besonderen Vorschriften für Kapitalgesellschaften über die Auf- 1 stellung des Jahresabschlusses und Lageberichts (§§ 264–289f HGB) und des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts (§§ 290–315e HGB), über die Abschlussprüfung (§§ 316–324a HGB) und über die Offenlegung (§§ 325–329 HGB) sowie über den Erlass von Rechtsverordnungen (§ 330 HGB) auf bestimmte Personenhandelsgesellschaften Anwendung finden. Der praktisch wichtigste Fall ist die typische GmbH & Co. KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist. § 264a Abs. 2 HGB bestimmt, dass im Rahmen der Anwendung der §§ 264–335c HGB auf die unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden oHG und KG als gesetzliche Vertreter die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der vertretungsberechtigten Gesellschaften gelten, also die Vertretungsorgane der juristischen Person, die unmittelbar oder mittelbar persönlich haftender Gesellschafter der oHG oder KG ist. Jene sind mithin Adressaten der für oHG und KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB geltenden Rechnungslegungspflichten.

II. Bedeutung und Zweck Die in § 264a Abs. 1 HGB vorgenommene Gleichstellung von Personenhandelsgesellschaften, die keine 2 natürliche Person als – unmittelbaren oder mittelbaren – persönlich haftenden Gesellschafter haben, mit Kapitalgesellschaften gründet auf dem Umstand, dass bei beiden Rechtsformen keine natürliche Person den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen für die GesellStöber

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§ 264a Rz. 3 | Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften schaftsverbindlichkeiten haftet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung macht es bei Fehlen einer unbeschränkt persönlich haftenden natürlichen Person für die Gläubiger keinen Unterschied, in welche Rechtsform das betreffende Unternehmen gekleidet ist. Dieser Befund rechtfertigt es, die – gerade wegen des Fehlens einer unbeschränkt persönlich haftenden natürlichen Person strengeren – Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften im Interesse des Gläubigerschutzes auch auf Personengesellschaften ohne natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter anzuwenden.1 Die Belange kleiner und mittelständischer Unternehmen werden durch die in den Vorschriften für Kapitalgesellschaften vorgesehenen größenabhängigen Erleichterungen gewahrt, die über § 264a Abs. 1 HGB auch den unter die Vorschrift fallenden Personenhandelsgesellschaften zugute kommen.2 3

Wenngleich die Kapitalgesellschaften & Co., namentlich die GmbH & Co. KG, den in der Praxis wichtigsten Anwendungsfall des § 264a Abs. 1 HGB bilden, ist der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift keineswegs auf Kapitalgesellschaften & Co. beschränkt. Erfasst werden vielmehr – über die europarechtlichen Vorgaben hinaus (s. dazu Rz. 7) – auch Personenhandelsgesellschaften, an denen als persönlich haftende Gesellschafter ausschließlich juristische Personen beteiligt sind, die keine Kapitalgesellschaften sind, beispielsweise die Stiftung & Co. oder die Genossenschaft & Co.3 Durch die weite Fassung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 264a Abs. 1 HGB wollte der deutsche Gesetzgeber etwaigen Ausweichgestaltungen – zB Gründung einer Stiftung & Co. anstelle einer GmbH & Co. KG – von vornherein entgegenwirken.4

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4

§ 264a HGB ist auf alle oHG und KG anwendbar, die keine natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter haben. Gem. § 264a Abs. 1 HGB gelten für diese Personenhandelsgesellschaften – mit den in §§ 264a Abs. 2, 264b und 264c HGB vorgesehenen Besonderheiten – neben den allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften die zu diesen teils ergänzend, teils modifizierend hinzutretenden strengeren Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften. Dies sind die Bestimmungen der §§ 264–289f HGB über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts, der §§ 290–315e HGB über die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts, der §§ 316–324a HGB über die Abschlussprüfung, der §§ 325–329 HGB über die Offenlegung sowie die Verordnungsermächtigung des § 330 HGB. Vereinzelt finden sich unter diesen Bestimmungen Sondervorschriften speziell für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB (s. § 285 Nr. 11a, 15, § 286 Abs. 3 Satz 1 HGB).

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Spezifisch für oHG und KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB geltende Regeln enthalten auch die §§ 264b, 264c HGB. Unter den in § 264b HGB geregelten Voraussetzungen sind Gesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Einhaltung der Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften befreit und müssen nur die allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften der §§ 242–261 HGB beachten (näher dazu § 264b HGB Rz. 5 ff.). § 264c HGB enthält für oHG und KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB besondere Regeln über den Ausweis im Jahresabschluss (näher dazu § 264c HGB Rz. 6 ff.). Die §§ 264b, 264c HGB haben als Spezialvorschriften Vorrang vor den über § 264a Abs. 1 HGB anwendbaren allgemeinen Regeln für Kapitalgesellschaften.5 Die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 331–335c HGB werden von der Anordnung in § 264a Abs. 1 HGB nicht erfasst. Die Anwendung dieser Vorschriften auf oHG und KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB ist in der Spezialvorschrift des § 335b Satz 1 HGB besonders geregelt (dazu § 335b HGB Rz. 4 f.). Im Verhältnis zu den Regelungen des PublG sind die §§ 264a–264c HGB aufgrund ihrer Spezialität vorrangig.6

1 S. BT-Drucks. 14/1806, 18; LG Osnabrück v. 1.7.2005 – 15 T 6/05, GmbHR 2005, 1618; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 4; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 1 (Stand März 2015); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264a HGB Rz. 1; Schiedermair/Maul in FS W. Müller, 503 (506); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 2. 2 Zutreffend Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 4; s. auch Zimmer/Eckhold, NJW 2000, 1361 (1363). 3 BT-Drucks. 14/1806, 18; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 13; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 11; Wiechmann, WPg. 1999, 916 (919). 4 BT-Drucks. 14/1806, 18; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 8; Wiechmann, WPg. 1999, 916 (919). 5 ADS6, § 264a HGB Rz. 48; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 15. 6 ADS6, § 264a HGB Rz. 6; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 2.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 7 § 264a

IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen Bei der Umsetzung der BilRL 19781, der Konzernbilanzrichtlinie2 und der Abschlussprüfungsrichtlinie3 6 der EU durch das BiRiLiG von 19854 bezog der deutsche Gesetzgeber die Kapitalgesellschaften & Co. – mangels ausdrücklicher europarechtlicher Vorgabe – zunächst nicht in den Geltungsbereich der besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften ein.5 Mit der GmbH & Co.-Richtlinie von 19906 ordnete der europäische Gesetzgeber dann aber durch entsprechende Ergänzung von Art. 1 Abs. 1 BilRL 1978 und Art. 4 Abs. 1 der Konzernbilanzrichtlinie explizit an, dass die in diesen Richtlinien enthaltenen Vorgaben auch für Personengesellschaften galten, bei denen nur Kapitalgesellschaften oder andere Kapitalgesellschaften & Co. unbeschränkt persönlich haften.7 Diese Regelung wurde in Art. 1 Abs. 1 der neuen BilRL 20138 übernommen. Danach gilt die BilRL 2013 zum einen für Unternehmen in der Rechtsform einer AG, KGaA oder GmbH, zum anderen für Unternehmen in der Rechtsform einer oHG oder KG, bei denen alle unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter mit ansonsten unbeschränkter Haftung tatsächlich nur beschränkt haftbar sind, weil diese Gesellschafter über die Rechtsform einer AG, KGaA oder GmbH verfügen. Die Gleichstellung von Personengesellschaften, die ausschließlich Kapitalgesellschaften als unmittelbare oder mittelbare unbeschränkt haftende Gesellschafter haben, mit Kapitalgesellschaften beruht auf der Erwägung, dass den Gläubigern solcher Personengesellschaften ebenfalls nur ein Gesellschaftsvermögen und nicht das Privatvermögen einer natürlichen Person haftet.9 Der deutsche Gesetzgeber bezog die Kapitalgesellschaften & Co. jedoch zunächst weiterhin nicht in den 7 Anwendungsbereich der Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften ein. Im Rahmen eines von der EG-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens wurde die Bundesrepublik Deutschland daraufhin im Jahr 1999 vom EuGH verurteilt, die europarechtswidrige Rechtslage zu beseitigen.10 Dieser Verpflichtung kam die Bundesrepublik dann durch den Erlass des KapCoRiLiG von 200011 nach, durch das die §§ 264a–264c HGB eingeführt wurden. Die neuen Vorschriften waren gem. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 EGHGB erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 begannen. Mit § 264a Abs. 1 HGB ist der deutsche Gesetzgeber sogar in zulässiger Weise über die europarechtlichen Vorgaben hinausgegangen. Denn Art. 1 Abs. 1 BilRL 1978 und Art. 4 Abs. 1 der Konzernbilanzrichtlinie gebieten nur die Gleichstellung von Personengesellschaften, die ausschließlich Kapitalgesellschaften oder andere Kapitalgesellschaften & Co. als persönlich haftende Gesellschafter haben. Demgegenüber erfasst § 264a Abs. 1 HGB auch solche Personengesellschaften, deren einzige persönlich haftende Gesellschafter nicht Kapitalgesellschaften, sondern andere juristische Personen sind, beispielsweise die Stiftung & Co. oder die Genossenschaft & Co.12

1 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11. 2 Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. EG 1983 Nr. L 193, 1. 3 Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates v. 10.4.1984 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. EG 1984 Nr. L 126 v., 20. 4 Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 5 Kritisch dazu Lutter/Mertens/Ulmer, BB 1983, 1737 (1738 f.). 6 Richtlinie 90/605/EWG des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. EG 1990 Nr. L 317, 60. 7 Kritisch dazu Weilbach, BB 1992, 955 ff.; zu den praktischen Auswirkungen der Richtlinie Nothhelfer, BB 1996, 1655 ff. 8 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 9 EuGH v. 23.9.2004 – C-435/02, C-103/03 (Springer), EuGHE 2004, I-8667 Rz. 67 f. 10 EuGH v. 22.4.1999 – C 272/97 (Kommission/Deutschland), EuGHE 1999, I-2185 Rz. 27 ff. 11 Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154. 12 ADS6, § 264a HGB Rz. 24; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 8, 13; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264a HGB Rz. 1.

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§ 264a Rz. 8 | Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften

B. Anwendbarkeit der Vorschriften für Kapitalgesellschaften auf bestimmte Personengesellschaften (Abs. 1) I. Erfasste Personengesellschaften 8

Nach § 264a Abs. 1 HGB sind die besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften auch anzuwenden auf oHG und KG, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder eine oHG, KG oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter ist oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. § 264a Abs. 1 HGB erfasst in erster Linie deutsche oHG iSd. §§ 105 ff. HGB und deutsche KG iSd. §§ 161 ff. HGB.1 Im Grundsatz setzt das Vorliegen einer oHG oder KG gem. § 105 Abs. 1, § 161 Abs. 1 HGB den Betrieb eines Handelsgewerbes iSd. § 1 HGB voraus. Kraft Eintragung in das Handelsregister kann gem. § 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB aber auch eine Gesellschaft, die lediglich ein Kleingewerbe betreibt oder nur eigenes Vermögen verwaltet, eine oHG oder KG sein. Aufgrund der Rspr. des EuGH zur Niederlassungsfreiheit2 sind im EU- oder EWR-Ausland nach dortigem Recht gegründete Gesellschaften im Fall der grenzüberschreitenden Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes grundsätzlich auch in Deutschland anzuerkennen. Sofern die EU- oder EWR-ausländische Gesellschaft einer deutschen oHG oder KG entspricht – was jedenfalls bei den in Anh. II zur BilRL 2013 genannten ausländischen Rechtsformen zutrifft – und das deutsche Bilanzrecht auf sie anwendbar ist,3 wird auch eine solche ausländische Personengesellschaft von § 264a Abs. 1 HGB erfasst. Umgekehrt sind nach der EuGH-Rspr. in Deutschland gegründete oHG oder KG auch dann als Gesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB anzusehen, wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in andere EU- oder EWR-Mitgliedstaaten verlegen.4 Von vornherein nicht unter § 264a Abs. 1 HGB fallen Personengesellschaften anderer Rechtsformen, etwa BGBoder Partnerschaftsgesellschaften, selbst wenn ausschließlich Kapitalgesellschaften an ihnen beteiligt sind.5 Personengesellschaften anderer Rechtsformen können aber den Vorschriften des PublG unterliegen.

II. Keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter 1. Natürliche Person als unmittelbarer persönlich haftender Gesellschafter 9

Als weitere Voraussetzung für das Eingreifen der besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften verlangt § 264a Abs. 1 HGB, dass die oHG oder KG keine natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter hat, die unbeschränkt persönlich haftet. Auf die Staatsangehörigkeit der natürlichen Person kommt es ebenso wenig an wie auf den Staat der Ansässigkeit.6 Entscheidend ist das rechtliche Bestehen einer unbeschränkten persönlichen Außenhaftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Ob die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gesellschafters eine tatsächliche Durchsetzung dieser Haftung gestatten, ist ohne Bedeutung.7 Demgemäß kann es zumindest nicht ohne Weiteres, sondern allenfalls in Fällen evidenten Missbrauchs als sittenwidrig und für die Anwendung des § 264a Abs. 1 HGB unbeachtlich angesehen werden, wenn eine vermögenslose und bzw. oder erwerbsunfähige Person als Gesellschafter aufgenommen wird.8 1 ADS6, § 264a HGB Rz. 11 ff.; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 8 (Stand Nov. 2009); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 3 ff.; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 15 ff. 2 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 (Centros), EuGHE 1999, I-1459 Rz. 19 ff.; v. 5.11.2002 – C-208/00 (Überseering), EuGHE 2002, I-9943 Rz. 56 ff.; v. 30.9.2003 – C-167/01 (Inspire Art), EuGHE 2003, I-10195 Rz. 95 ff. 3 S. dazu Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 72 ff. 4 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264a HGB Rz. 4; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 28 (Stand März 2015); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 18; aA noch ADS6, § 264a HGB Rz. 17. 5 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 9; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 7, 9 (Stand Nov. 2009); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 27 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 5; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 4; Zimmer/Eckhold, NJW 2000, 1361 (1363). 6 ADS6, § 264a HGB Rz. 18, 26; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 11 f. (Stand Nov. 2009). 7 ADS6, § 264a HGB Rz. 29; Herrmann, WPg. 2001, 271 (272 f.); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 33 (Stand März 2015). 8 Zutreffend Dorozala/Söffing, DStR 2000, 1567 (1569); Herrmann, WPg. 2001, 271 (272 f.); Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 14 (Stand Nov. 2009); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 33 (Stand März 2015); Schiedermair/Maul in FS W. Müller, 503 (520 f.); Waßmer, GmbHR 2002, 412 (416 ff.); aA Schmidt/ Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 27; wohl auch Hafner/Spitz, DStR 2015, 2623 (2629); differenzierend Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 8.

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B. Anwendbarkeit der Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Abs. 1)

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Rz. 12 § 264a

Ohne Belang ist auch, ob der betreffende Gesellschafter im Innenverhältnis einen Freistellungsanspruch ge- 10 gen die Gesellschaft, einen Mitgesellschafter oder einen Dritten hat.1 Daher greifen die Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften auch dann nicht ein, wenn die natürliche Person den Anteil an der oHG oder KG treuhänderisch für eine Kapitalgesellschaft hält.2 Entscheidend ist, dass die natürliche Person auch als Treuhänder im Außenverhältnis gem. §§ 128, 161 Abs. 2 HGB uneingeschränkt haftet.3 Der Umstand, dass im Innenverhältnis ein – bei Fehlen einer besonderen Vereinbarung aus § 675 Abs. 1, § 670, § 257 BGB folgender4 – Freistellungsanspruch gegen die Kapitalgesellschaft als Treugeber besteht, ändert hieran nichts. Andererseits ist die Übernahme einer persönlichen Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten durch 11 eine natürliche Person ohne Gesellschafterstellung auf der Grundlage eines schuldrechtlichen Vertrags, etwa einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitritts, nicht ausreichend, um das Eingreifen der für Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften auszuschließen.5 Vielmehr muss die unbeschränkte Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten auf einer rechtswirksam begründeten Gesellschafterstellung beruhen.6 Bei Anwendbarkeit deutschen Rechts setzt die wirksame Begründung eines Gesellschaftsverhältnisses die zumindest beschränkte Geschäftsfähigkeit der betreffenden Person voraus.7 Sofern die oHG oder KG ihre Geschäfte mit Zustimmung des betreffenden Gesellschafters bereits aufgenommen hat oder fortsetzt, kommt es gem. § 123 Abs. 2 HGB auf die Eintragung des Gesellschafters in das Handelsregister nicht an.8 Gleichfalls ohne Bedeutung ist es, ob der Gesellschafter – entsprechend dem gesetzlichen Regelfall (s. § 114 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB) – zur Geschäftsführung berechtigt oder nach dem Gesellschaftsvertrag von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist.9 Um die Anwendung der Vorschriften für Kapitalgesellschaften auszuschließen, muss die natürliche Person 12 gem. § 264a Abs. 1 HGB unbeschränkt haften; eine nur beschränkte persönliche Außenhaftung, wie sie namentlich bei dem Kommanditisten einer KG besteht, genügt also nicht.10 Dies gilt auch, soweit der Kommanditist seine Einlage noch nicht geleistet oder zurückerhalten hat.11 Er haftet dann zwar nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, aber beschränkt auf die Haftsumme. Gleichfalls nicht ausreichend ist es, wenn der Kommanditist nach § 176 HGB gleich einem Komplementär haftet, weil die KG bzw. der Eintritt des Kommanditisten nicht in das Handelsregister eingetragen worden ist.12 Zum einen erfasst die Haftung nach § 176 HGB nur die bis zur Handelsregistereintragung begründeten Verbindlichkeiten, zum anderen steht sie unter dem Vorbehalt, dass der Gläubiger die Kommanditistenstellung nicht kennt. § 176 HGB begründet mithin nicht die für den Ausschluss der Regeln für Kapitalgesellschaften erforderliche unbeschränkte Haftung gegenüber allen Gläubigern der KG. Im Ergebnis erfasst § 264a Abs. 1 HGB in erster Linie die typische GmbH & Co. KG, bei der die GmbH der einzige Komplementär ist. Darüber hinaus fallen unter § 264a Abs. 1 HGB aber auch Personengesellschaften, die keine Kapitalgesellschaften, sondern andere juristische Personen als einzige persönlich haftende Gesellschafter haben, beispielsweise die Stiftung & Co. oder die Genossenschaft & Co.13 1 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 10 (Stand Nov. 2009); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a– 264c Rz. 8; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 26; aA ADS6, § 264a HGB Rz. 30; wohl auch Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 6. 2 AA ADS6, § 264a HGB Rz. 31; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 13 (Stand Nov. 2009); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 35 (Stand März 2015). 3 S. BGH v. 11.11.2008 – XI ZR 468/07, NZG 2009, 57 Rz. 18 ff.; v. 21.4.2009 – XI ZR 148/08, NZG 2009, 779 Rz. 15; v. 20.7.2010 – XI ZR 465/07, NZG 2010, 991 Rz. 25; v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, NZG 2011, 588 Rz. 10; v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, NZG 2012, 1024 Rz. 21 f.; Stöber, NJW 2013, 832 f. 4 S. BGH v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, NZG 2012, 1024 Rz. 20; v. 18.10.2012 – III ZR 150/11, NZG 2013, 229 Rz. 17; v. 18.10.2012 – III ZR 279/11, MDR 2012, 1478 Rz. 16; Stöber, NJW 2013, 832 (833). 5 ADS6, § 264a HGB Rz. 33; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 8; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 25. 6 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 31 (Stand März 2015); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 20. 7 ADS6, § 264a HGB Rz. 26; Grüter/Mitsch, INF 2001, 142 (143); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 32 (Stand März 2015). 8 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 5; Herrmann, WPg. 2001, 271; v. Kanitz, WPg. 2008, 1059 (1061); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 12; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 8; Schiedermair/Maul in FS W. Müller, 503 (519); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 21. 9 ADS6, § 264a HGB Rz. 32; Grüter/Mitsch, INF 2001, 142 (144); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 9. 10 ADS6, § 264a HGB Rz. 21; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264a HGB Rz. 6; s. auch Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264a HGB Rz. 10. 11 Zutreffend ADS6, § 264a HGB Rz. 22. 12 LG Bonn v. 18.6.2013 – 37 T 580/12, NZG 2013, 1220 (1221). 13 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 8, 13; Luttermann, ZIP 2000, 517 (519); Schiedermair/Maul in FS W. Müller, 503 (504); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 11.

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§ 264a Rz. 13 | Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften 2. Natürliche Person als mittelbarer persönlich haftender Gesellschafter 13

Wenn an der oHG oder KG selbst keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist, entfällt gem. § 264a Abs. 1 Nr. 2 HGB gleichwohl die Anwendung der für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften, wenn persönlich haftender Gesellschafter der oHG oder KG eine weitere oHG, KG oder andere Personengesellschaft ist, die eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter hat, oder wenn sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. Bei mehrstufigen Personengesellschaften genügt es somit für den Ausschluss der für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften, wenn auf einer Stufe der aus Personengesellschaften als persönlich haftenden Gesellschaftern bestehenden Beteiligungskette eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist.1 Bei den zwischengeschalteten Personengesellschaften muss es sich nach der ausdrücklichen Regelung des § 264a Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht zwingend um eine weitere oHG oder KG handeln; vielmehr kann die Beteiligung der persönlich haftenden natürlichen Person auch durch Personengesellschaften anderer Rechtsform vermittelt sein, etwa eine GbR oder Partnerschaftsgesellschaft.2 Als zwischengeschaltete Personengesellschaften kommen auch ausländische Gesellschaften in Betracht, die einer Personengesellschaft des deutschen Rechts entsprechen.3

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Wenn an der oHG oder KG als persönlich haftender Gesellschafter eine KGaA beteiligt ist, die ihrerseits eine natürliche Person als Komplementär hat, dann gibt es eine natürliche Person, die gem. § 278 Abs. 2 AktG iVm. § 161 Abs. 2, § 128 HGB unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen mittelbar auch für die Verbindlichkeiten der oHG oder KG haftet. Gleichwohl soll die oHG oder KG nach hM auch in diesem Fall den für Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften unterliegen, weil deren Anwendung nach dem Wortlaut des § 264a Abs. 1 HGB nur bei einer Personengesellschaft als zwischengeschalteter Gesellschaft entfalle, die KGaA aber eine Kapitalgesellschaft sei.4

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Sinn und Zweck des § 264a Abs. 1 HGB ist es jedoch, mit der Anordnung der Anwendung der Vorschriften für Kapitalgesellschaften das völlige Fehlen einer natürlichen Person als unmittelbarer oder mittelbarer persönlich haftender Gesellschafter zu kompensieren. Wenn die oHG oder KG aber als persönlich haftenden Gesellschafter eine KGaA und diese wiederum als Komplementär eine natürliche Person hat, dann ist eine natürliche Person als mittelbarer Vollhafter vorhanden. § 264a Abs. 1 HGB ist in diesem Fall im Wege teleologischer Reduktion außer Anwendung zu lassen. Dies ist auch mit den Vorgaben der BilRL 20135 vereinbar. Diese ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. b nur auf jene Unternehmen in der Rechtsform einer oHG oder KG anwendbar, bei denen alle unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter mit ansonsten unbeschränkter Haftung tatsächlich nur beschränkt haftbar sind, weil sie die Rechtsform einer AG, KGaA oder GmbH haben. Die Einbeziehung derartiger oHG oder KG beruht auf der Erwägung, dass den Gläubigern hier – wie bei Kapitalgesellschaften – nur ein Gesellschaftsvermögen und nicht das Privatvermögen einer natürlichen Person haftet.6 Bei Beteiligung einer KGaA mit natürlicher Person als Komplementär ist Letztere ein mittelbarer Gesellschafter, der gerade nicht die Rechtsform einer AG, KGaA oder GmbH hat, sondern als natürliche Person unbeschränkt mit dem Privatvermögen haftet. Auf diesen Fall ist die BilRL 2013 nach ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck nicht anwendbar.

1 BT-Drucks. 14/1806, 18; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264a HGB Rz. 11; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 12; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 49 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 13; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 6; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 37; aA Luttermann, ZIP 2000, 517 (519): mindestens eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter auf jeder Gesellschaftsebene. 2 BT-Drucks. 14/1806, 18; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 12; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 16 (Stand Nov. 2009); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 39. 3 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264a HGB Rz. 12; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 48 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 13; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 39. 4 BT-Drucks. 14/1806, 18; OLG Köln v. 31.1.2017 – 28 Wx 30/16, nv.; ADS6, § 264a HGB Rz. 40; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 12; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 2; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 14; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 40. 5 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 6 EuGH v. 23.9.2004 – C-435/02, C-103/03 (Springer), EuGHE 2004, I-8667 Rz. 67 f.

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B. Anwendbarkeit der Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Abs. 1)

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Rz. 18 § 264a

3. Maßgeblicher Zeitpunkt Abzustellen ist im Rahmen des § 264a Abs. 1 HGB grundsätzlich auf die Verhältnisse am Abschlussstich- 16 tag.1 Diese sind auch dann maßgeblich, wenn die persönlich haftende natürliche Person zeitnah nach dem Abschlussstichtag aus der Gesellschaft ausscheidet; denn nach Maßgabe der §§ 159, 160, 161 Abs. 2 HGB haftet auch ein ausgeschiedener Gesellschafter für die während seiner Mitgliedschaft begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten weiter.2 Dies gilt selbst dann, wenn die betreffende Person erst kurz vor dem Abschlussstichtag in die Gesellschaft eingetreten ist; denn gem. §§ 130, 161 Abs. 2 HGB haftet sie auch für die vor dem Beitritt begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten.3 Die nach dem Abschlussstichtag erfolgte Aufnahme einer natürlichen Person als – unmittelbaren oder 17 mittelbaren – persönlich haftenden Gesellschafter führt dazu, dass jedenfalls die noch nicht erfüllte Offenlegungspflicht rückwirkend wegfällt.4 Ebenso entfallen auch alle anderen erweiterten Rechnungslegungspflichten nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften für zurückliegende Geschäftsjahre, soweit diese Pflichten noch nicht erfüllt wurden.5 Denn nach §§ 130, 161 Abs. 2 HGB haftet ein neu eintretender Gesellschafter auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Aufnahme einer natürlichen Person als persönlich haftenden Gesellschafter kann auch noch in einem wegen Verletzung der Offenlegungspflichten bereits eröffneten Justizverwaltungsverfahren erfolgen.6 Ein bereits festgesetztes Ordnungsgeld wird durch die nachträgliche Aufnahme indes nicht berührt.7

III. Anwendbare Vorschriften Wenn es sich um eine oHG oder KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB handelt, sind nach dieser Vorschrift die un- 18 mittelbar nur für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften der §§ 264–289f HGB über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts, der §§ 290–315e HGB über die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts, der §§ 316–324a HGB über die Abschlussprüfung, der §§ 325– 329 HGB über die Offenlegung und die Verordnungsermächtigung des § 330 HGB anwendbar. Die Erstreckung der Offenlegungspflicht auf Personengesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB ist unionsrechtskonform; die Ungleichbehandlung gegenüber regulären Personengesellschaften rechtfertigt sich dadurch, dass den Gläubigern bei Personengesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB nur ein Gesellschaftsvermögen und nicht das Privatvermögen einer natürlichen Person haftet.8 Über die spezielle Verweisungsvorschrift des § 335b Satz 1 HGB gelten ferner die Straf- und Bußgeldbestimmungen der §§ 331–335c für oHG und KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB (dazu § 335b HGB Rz. 4 f.). Uneingeschränkt auf oHG und KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB anzuwenden sind auch die größenabhängigen Erleichterungen.9 Demgemäß kann eine oHG oder KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB die Anwendung zumindest einzelner Vorschriften für Kapitalgesellschaf-

1 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 4; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264a HGB Rz. 7; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264a HGB Rz. 13; Herrmann, WPg. 2001, 271; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 7; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 14 (Stand Nov. 2009); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 29. 2 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264a HGB Rz. 9; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264a HGB Rz. 13; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 14 (Stand Nov. 2009); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 29; aA ADS6, § 264a HGB Rz. 36: Gesellschafterstellung müsse bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses bestehen bleiben. 3 Ebenso v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (326); wohl auch Bitter/Grashoff, DB 2000, 833 (838); aA ADS6, § 264a HGB Rz. 37; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 5; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 11. 4 LG Osnabrück v. 1.7.2005 – 15 T 6/05, GmbHR 2005, 1618 f.; IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 4; Böcking/ Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264a HGB Rz. 7; Giedinghagen, NZG 2007, 933 (934 f.); Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 7; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 14 (Stand Nov. 2009); v. Kanitz, WPg. 2008, 1059 (1061 ff.); Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264 HGB Rz. 1; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 10. 5 Zutreffend v. Kanitz, WPg. 2008, 1059 (1063); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 42 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 10; aA IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 4; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264a HGB Rz. 7; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 14 (Stand Nov. 2009); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 7: nur Offenlegungspflicht entfällt. 6 v. Kanitz, WPg. 2008, 1059 (1063); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 10. 7 LG Bonn v. 13.11.2009 – 30 T 1279/09, NZG 2010, 36; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 10; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 7. 8 S. EuGH v. 23.9.2004 – C-435/02, C-103/03 (Springer), EuGHE 2004, I-8667 Rz. 66 ff.; dazu Vater, KoR 2005, 130 ff. 9 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 57 (Stand März 2015); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 45 f.; Wiechmann, WPg. 1999, 916 (923).

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§ 264a Rz. 19 | Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ten dadurch vermeiden, dass sie durch entsprechende Gestaltungen die für die Zuordnung zu einer Größenklasse maßgeblichen Merkmale unterschreitet.1

C. Gesetzliche Vertreter (Abs. 2) 19

§ 264a Abs. 2 HGB bestimmt, dass für die Anwendung der §§ 264–335c HGB auf die unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden oHG und KG als gesetzliche Vertreter die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der vertretungsberechtigten Gesellschaften gelten. Der in § 264a Abs. 2 HGB gebrauchte Begriff der „vertretungsberechtigten Gesellschaften“ ist untechnisch und in einem weiten Sinne zu verstehen.2 Denn unter § 264a Abs. 1 HGB fallen nicht nur oHG und KG mit einer Kapitalgesellschaft als persönlich haftendem Gesellschafter, sondern auch solche oHG oder KG, die andere juristische Personen wie Stiftungen oder Genossenschaften als einzige persönlich haftende Gesellschafter haben.

20

Die Regelung hat letztlich klarstellenden Charakter.3 Bei einer oHG oder KG sind gem. § 125 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB grundsätzlich alle persönlich haftenden Gesellschafter Vertretungsorgane der Gesellschaft. Wenn persönlich haftender Gesellschafter aber eine Kapitalgesellschaft oder andere juristische Person ist, nehmen deren Vertretungsorgane mit der Vertretung der juristischen Person zugleich auch die Vertretung der oHG oder KG wahr. Dies stellt § 264a Abs. 2 HGB klar; die Organe der als persönlich haftender Gesellschafter beteiligten juristischen Person sind mithin Adressaten der Rechnungslegungspflichten einer unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden oHG oder KG.4 Bei der typischen GmbH & Co. KG ist dies der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (§ 35 GmbHG), bei einer AG & Co. KG der Vorstand der Komplementär-AG (§§ 78, 91 AktG) und bei einer Stiftung & Co. KG der Stiftungsvorstand (§ 86 Satz 1 iVm. § 26 Abs. 1 BGB).5 Bei einer englischen Limited, die ebenfalls Komplementär sein kann,6 ist Vertretungsorgan der director.7 Wenn das Vertretungsorgan aus mehreren Personen besteht, müssen alle gemeinsam die Rechnungslegungspflichten erfüllen.8

21

Zu den Rechnungslegungspflichten, die das Vertretungsorgan der als Komplementär beteiligten juristischen Person für die oHG oder KG erfüllen muss, gehört gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB insbes. die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses mit Anhang sowie des Lageberichts einschließlich der Unterzeichnung des Jahresabschlusses nach § 245 HGB (s. dazu § 264 HGB Rz. 8 ff.).9 Bei Bestehen einer Konzernrechnungslegungspflicht hat das Vertretungsorgan der als Komplementär beteiligten juristischen Person auch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht aufzustellen (s. dazu § 290 HGB Rz. 182 ff.). Ebenso sind die Pflichten zur Abgabe des Bilanzeids (§ 264 Abs. 2 Satz 3 HGB) und zur Offenlegung gem. §§ 325 ff. HGB vom Vertretungsorgan der als Komplementär beteiligten juristischen Person zu erfüllen. Im Stadium der Liquidation der als Komplementär beteiligten juristischen Person geht die Zuständigkeit auf die Liquidatoren (s. zB §§ 269, 270 AktG, §§ 70, 71 GmbHG) und in der Insolvenz auf den Insolvenzverwalter über (s. § 155 Abs. 1 InsO).10 Die Nichterfüllung der Pflichten kann die Sanktionen nach § 335b Satz 1 iVm. §§ 331–335 HGB nach sich ziehen.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

S. eingehend dazu Hafner/Spitz, DStR 2015, 2623 ff. S. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 15. S. BT-Drucks. 14/1806, 18. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264a HGB Rz. 2. S. Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264a HGB Rz. 19; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 16; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 9; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.10, § 264a HGB Rz. 58. S. Schall in Heidel/Schall, HGB2, Anh. IntPersGesR Rz. 102 f.; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, Anh. A nach § 177 HGB Rz. 28. Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 83 (Stand März 2015). Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264a HGB Rz. 18 (Stand Nov. 2009); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 84 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264a HGB Rz. 16. S. die Liste der zu erfüllenden Rechnungslegungspflichten bei Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264a HGB Rz. 82 (Stand März 2015). Müller in Haufe BilKomm.7, § 264 HGB Rz. 40; Winkeljohann/Schellhorn in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 11.

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Befreiung der offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften

| § 264b

§ 264b Befreiung der offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne des § 264a von der Anwendung der Vorschriften dieses Abschnitts Eine Personenhandelsgesellschaft im Sinne des § 264a Absatz 1 ist von der Verpflichtung befreit, einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach den Vorschriften dieses Abschnitts aufzustellen, prüfen zu lassen und offenzulegen, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. die betreffende Gesellschaft ist einbezogen in den Konzernabschluss und in den Konzernlagebericht a) eines persönlich haftenden Gesellschafters der betreffenden Gesellschaft oder b) eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wenn in diesen Konzernabschluss eine größere Gesamtheit von Unternehmen einbezogen ist; 2. die in § 264 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 genannte Voraussetzung ist erfüllt; 3. die Befreiung der Personenhandelsgesellschaft ist im Anhang des Konzernabschlusses angegeben und 4. für die Personenhandelsgesellschaft sind der Konzernabschluss, der Konzernlagebericht und der Bestätigungsvermerk nach § 325 Absatz 1 bis 1b offengelegt worden; § 264 Absatz 3 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. A. I. II. III. IV. B. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiung von Personenhandelsgesellschaften durch Einbeziehung in Konzernabschluss Überblick und Allgemeines . . . . . . . . . . . . Sachliche Befreiungsvoraussetzungen

. . . .

.

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5

1. Einbeziehung in Konzernabschluss und Konzernlagebericht (Nr. 1) a) Einbeziehung bei persönlich haftendem Gesellschafter (Nr. 1 Buchst. a) . . . . . . . . b) Einbeziehung bei Mutterunternehmen (Nr. 1 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an die Konzernrechnungslegung (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Angabe der Befreiung im Anhang des Konzernabschlusses (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Offenlegung (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichweite der Befreiung . . . . . . . . . . . . . .

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10 15 16 17 20

Literatur: Bitter/Grashoff, Anwendungsprobleme des Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetzes, DB 2000, 833; Theile, Publizität des Einzel- oder Konzernabschlusses bei der GmbH & Co. KG nach neuem Recht?, GmbHR 2000, 215; Giese/Rabenhorst/Schindler, Erleichterungen bei der Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung von Konzerngesellschaften, BB 2001, 511; Keller, Befreiende Konzernabschlüsse und das Publizitätsgesetz nach Umsetzung des KapCoRiLiG, StuB 2001, 212; Schulze-Osterloh, Befreiung der Kapitalgesellschaft & Co. von der Rechnungslegungspflicht für Kapitalgesellschaften durch Einbeziehung in den „Konzernabschluss“ ihres persönlich haftenden Gesellschafters, BB 2002, 1307; von Kanitz, Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, WPg. 2003, 324; Küting/Weber/Pilhofer, Zur Frage der Einbeziehung einer GmbH & Co. KG in den Konzernabschluss eines übergeordneten Mutterunternehmens im Rahmen der Abgrenzung des Konsolidierungskreises, WPg. 2003, 793; Graf/Bisle, Jahresabschluss und Gewinnverwendung bei Personengesellschaften unter Berücksichtigung der Otto-Entscheidung des BGH, FS Buchner, 2009, 258; Scholz, Zusammenspiel der Befreiungsvorschriften der §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB in mehrstufigen Konzernen, BB 2012, 107; Haller/Löffelmann/Schlechter, Befreiung von der Offenlegung des Jahresabschlusses nach den §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB, DB 2013, 1917; Meyer, Neuere europarechtliche Zweifelsfragen bei der Anwendung der §§ 264, 264b HGB, BB 2014, 1131; Reitmeier/Deubert, Befreiungsmöglichkeiten für Tochterunternehmen nach §§ 264 Abs. 3, 264b HGB idF des BilRUG-RefE, BB 2014, 2795; Wulf, Rechnungslegung nach MicroBilG und Befreiung von der Offenlegung nach §§ 264 Abs. 3 und 264b HGB, DStZ 2014, 22; Bode, Befreiung eines Tochterunternehmens von der Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses nach dem RegE zum BilRUG, DB 2015, 816; Deubert, Erleichterungen für Tochterunternehmen nach §§ 264 Abs. 3 und 4, 264b HGB idF BilRUG, DB 2015, 41; Künkele/Zwirner, Bilanzierung bei Personengesellschaften – Besonderheiten der Bilanzierung bei Personenhandelsgesellschaften aus Sicht der Handels- und Steuerbilanz, StuB 2015, Beil. 1, 1.

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§ 264b Rz. 1 | Befreiung der offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 264b HGB enthält einen besonderen Befreiungstatbestand für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB, also für oHG und KG, die keine natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter haben (dazu § 264a HGB Rz. 8 ff.). Grundsätzlich müssen diese Personenhandelsgesellschaften die strengeren Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften einhalten, also die Bestimmungen der §§ 264–289f HGB über die Aufstellung des Jahresabschlusses und Lageberichts, der §§ 290–315e HGB über die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts, der §§ 316–324a HGB über die Abschlussprüfung und der §§ 325–329 HGB über die Offenlegung (näher § 264a HGB Rz. 18). Unter den in § 264b HGB geregelten Voraussetzungen sind Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Einhaltung der Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften befreit und müssen nur die allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften der §§ 238–261 HGB beachten.

II. Bedeutung und Zweck 2

Die Befreiungsvorschrift des § 264b HGB soll die Belastung mildern, die den unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden Personenhandelsgesellschaften mit der Verpflichtung zur Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften auferlegt wird.1 Durch Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen des § 264b HGB können Personenhandelsgesellschaften insbes. die Offenlegung und die damit verbundene Preisgabe von internen Informationen über das Unternehmen vermeiden.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

§ 264b HGB gilt für alle Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB, dh. oHG und KG ohne natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter (dazu § 264a HGB Rz. 8 ff.). Auf Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ist § 264b HGB gem. § 340a Abs. 2 Satz 4, § 341a Abs. 2 Satz 4 HGB nur mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 264b HGB lediglich die Vorschriften der §§ 325–329 HGB über die Offenlegung nicht anzuwenden braucht. Die für Kapitalgesellschaften geltende parallele Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB wird durch die Spezialvorschrift des § 264b HGB verdrängt und ist daher auf Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB nicht anwendbar.2

IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen 4

Bei der Umsetzung der BilRL 1978,3 der Konzernbilanzrichtlinie4 und der Abschlussprüfungsrichtlinie5 der EU durch das BiRiLiG von 19856 bezog der deutsche Gesetzgeber die Kapitalgesellschaften & Co. zunächst nicht in den Geltungsbereich der besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften ein.7 Erst nach Erlass der GmbH & Co.-Richtlinie von 19908 und einer Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den EuGH im Jahr 1999 in einem Vertragsverletzungsverfahren9 hat der deutsche Gesetzgeber mit dem KapCoRiLiG von 200010 die §§ 264a–264c HGB erlassen (näher dazu § 264a HGB Rz. 6 f.). Dabei wurde mit § 264b HGB die durch die GmbH & Co.-Richtlinie eingeführte Regelung des 1 S. auch Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264b HGB Rz. 2. 2 S. auch Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 5; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 1; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 10. 3 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11. 4 Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. EG 1983 Nr. L 193, 1. 5 Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates v. 10.4.1984 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. EG 1984 Nr. L 126, 20. 6 Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 7 Kritisch dazu Lutter/Mertens/Ulmer, BB 1983, 1737 (1738 f.). 8 Richtlinie 90/605/EWG des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. EG 1990 Nr. L 317, 60. 9 EuGH v. 22.4.1999 – C 272/97 (Kommission/Deutschland), EuGHE 1999, I-2185 Rz. 27 ff. 10 Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154; dazu Strobel, DB 2000, 53 ff.

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B. Befreiung von Personenhandelsgesellschaften durch Einbeziehung in Konzernabschluss

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Rz. 6 § 264b

Art. 57a Abs. 2 BilRL 1978 umgesetzt. Die neuen Vorschriften einschließlich des § 264b HGB waren gem. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 EGHGB erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 begannen. Art. 57a Abs. 2 BilRL 1978 wurde mit gewissen Modifikationen in Art. 38 Abs. 2 der neuen BilRL 20131 übernommen. Im Zuge der Umsetzung der BilRL 2013 durch das BilRUG von 20152 hat der deutsche Gesetzgeber auch § 264b HGB an die neu gefassten Richtlinienvorgaben angepasst. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 EGHGB war § 264b idF des BilRUG erstmals auf Jahresabschlüsse sowie Lageberichte für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.

B. Befreiung von Personenhandelsgesellschaften durch Einbeziehung in Konzernabschluss I. Überblick und Allgemeines Der Befreiungstatbestand des § 264b HGB ist auf alle Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 5 anwendbar, also oHG und KG, die keine natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter haben (dazu § 264a HGB Rz. 8 ff.). Grundsätzlich sind Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB nach dieser Vorschrift verpflichtet, die besonderen Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§§ 264–289f HGB) und des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts (§§ 290–315e HGB), über die Abschlussprüfung (§§ 316–324a HGB) und über die Offenlegung (§§ 325–329 HGB) einzuhalten. Nach Maßgabe des § 264b HGB sind Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB aber von der Einhaltung der genannten Sondervorschriften befreit und müssen nur die allgemeinen Vorschriften der §§ 238–261 HGB beachten, wenn sie in den Konzernabschluss des persönlich haftenden Gesellschafters oder eines Mutterunternehmens einbezogen werden. Das Erfordernis der Einbeziehung der oHG oder KG in den Konzernabschluss des persönlich haftenden Gesellschafters oder einer Muttergesellschaft führt allerdings dazu, dass der Jahresabschluss der oHG oder KG für Zwecke der Einbeziehung in Bezug auf Ansatz, Bewertung und Ausweis an den Jahresabschluss des persönlich haftenden Gesellschafters oder Mutterunternehmens anzupassen und gem. § 317 Abs. 3 HGB als Teil des Konzernabschlusses zu prüfen ist. Infolgedessen müssen dann uU doch Vorschriften beachtet werden, von deren Einhaltung § 264b HGB eigentlich befreit.3 § 264b HGB ist ohne Rücksicht darauf anwendbar, welcher Größenklasse die betreffende oHG oder KG zuzuordnen ist.4 Wie sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 PublG ergibt, können – neben den Gesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB – auch Personengesellschaften von der Befreiungsvorschrift des § 264b HGB Gebrauch machen, die in den Anwendungsbereich des PublG fallen.5 In europarechtlicher Hinsicht beruht § 264b HGB auf der Vorschrift des Art. 57a Abs. 2 BilRL 1978,6 die in Art. 38 Abs. 2 der neuen BilRL 20137 übernommen wurde. Nicht umgesetzt hat der deutsche Gesetzgeber die Regelung des Art. 57a Abs. 3 BilRL 1978 bzw. des Art. 38 Abs. 3 BilRL 2013, wonach das betreffende Unternehmen in den Fällen des Art. 57a Abs. 2 BilRL 1978 bzw. des Art. 38 Abs. 2 BilRL 2013 auf Anfrage den Namen des den Abschluss offenlegenden Unternehmens zu nennen hat. Indes muss die Befreiung der Personenhandelsgesellschaft nach § 264b Nr. 3 HGB im Anhang des Konzernabschlusses angegeben werden, und dieser ist nach § 264b Nr. 4 HGB offenzulegen, so dass der Name des Unternehmens, das mit befreiender Wirkung für die Personenhandelsgesellschaft seinen Konzernabschluss offenlegt, von jedermann über den elektronischen Bundesanzeiger ermittelt werden kann. Aus diesem Grund war eine explizite Umsetzung des Art. 57a Abs. 3 BilRL 1978 bzw. des Art. 38 Abs. 3 BilRL 2013 entbehrlich.8

1 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 2 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 3 Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 69 (Stand Juli 2014); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 9 (Stand Dez. 2015); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 12. 4 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 10. 5 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264b HGB Rz. 2; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 8 (Stand Dez. 2015). 6 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11. 7 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 8 S. BT-Drucks. 14/1806, 19 f.; ADS6, § 264b HGB Rz. 31.

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§ 264b Rz. 7 | Befreiung der offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften 7

Im Unterschied zu § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB (s. § 264 HGB Rz. 85 ff.) verlangt § 264b HGB nicht die Zustimmung aller Gesellschafter zur Befreiung. Bei Personengesellschaften gilt in Ermangelung einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag das Einstimmigkeitsprinzip, so dass im Grundsatz auch Beschlüsse über die Bilanzfeststellung und die mit ihr einhergehende Ausübung von Bilanzierungswahlrechten ohnehin der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen.1 Zwar hat der BGH im Otto-Urteil von 2007 entschieden, dass für eine Abweichung vom Einstimmigkeitsprinzip auch bei der Bilanzfeststellung schon eine allgemeine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag ausreichend ist.2 Wenn eine solche Mehrheitsklausel gegeben war, konnte früher die Gesellschaftermehrheit auf der Grundlage des § 253 Abs. 4 HGB aF, wonach Abschreibungen auch außerhalb der gesetzlich besonders geregelten Fälle „im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zulässig“ waren, das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafterminderheit empfindlich einschränken. Nachdem § 253 Abs. 4 HGB aF aber durch das BilMoG von 20093 aufgehoben worden ist, ist diese rechtliche Grundlage für eine die Gewinnbezugsrechte von Minderheitsgesellschaftern einschränkende Mehrheitsentscheidung entfallen. Daher ist das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter bei Personengesellschaften weiterhin entbehrlich.4 Ein weiterer Unterschied zur Parallelvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB besteht darin, dass § 264b HGB keine Verpflichtungserklärung des Mutterunternehmens fordert. Bei den Personengesellschaften gibt es stets mindestens einen persönlich haftenden Gesellschafter, so dass hier auch eine besondere Verpflichtungserklärung verzichtbar ist.5

II. Sachliche Befreiungsvoraussetzungen 1. Einbeziehung in Konzernabschluss und Konzernlagebericht (Nr. 1) a) Einbeziehung bei persönlich haftendem Gesellschafter (Nr. 1 Buchst. a) 8

Erste Voraussetzung für die Befreiung einer Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Einhaltung der besonderen Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften ist gem. § 264b Nr. 1 HGB die Einbeziehung in den Konzernabschluss und in den Konzernlagebericht entweder eines persönlich haftenden Gesellschafters (Buchst. a) oder aber eines Mutterunternehmens (Buchst. b). Das Eingreifen der Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften kann also bei einer oHG oder KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB zum einen dadurch vermieden werden, dass der persönlich haftende Gesellschafter die oHG oder KG in einen Konzernabschluss einbezieht. Es muss sich um einen persönlich haftenden Gesellschafter der betreffenden oHG oder KG selbst und mithin um einen unmittelbaren Gesellschafter handeln.6 Für die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse am Abschlussstichtag an7 (näher dazu § 264a HGB Rz. 16 f.).

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Wie sich im Umkehrschluss aus § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB ergibt, muss der persönlich haftende Gesellschafter nicht zugleich ein Mutterunternehmen sein.8 Ebenso wenig ist notwendig, dass den persönlich haftenden Gesellschafter eine Rechtspflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses trifft; ein freiwillig aufgestellter Konzernabschluss ist also für die Befreiung nach § 264b HGB ausreichend.9 Erforderlich ist die tatsächliche Einbeziehung in den Konzernabschluss des persönlich haftenden Gesellschafters im 1 BGH v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 (274 ff.). 2 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rz. 6 ff.; s. dazu Graf/Bisle in FS Buchner, 2009, 258 ff.; Wertenbruch, ZIP 2007, 798 ff. 3 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 4 Giese/Rabenhorst/Schindler, BB 2001, 511 (516); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 4; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 6 (Stand Dez. 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 1; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 3. 5 Giese/Rabenhorst/Schindler, BB 2001, 511 (516); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 6 (Stand Dez. 2015). 6 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 28 (Stand Dez. 2015); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 27. 7 S. auch Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 26. 8 BT-Drucks. 14/1806, 19; Bode, DB 2015, 816 (819); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 16 f.; Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 71 (Stand Juli 2014); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 27 (Stand Dez. 2015); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 11; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 24; aA Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264b HGB Rz. 7; Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307 (1310); kritisch auch Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 18 (Stand Okt. 2013); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 11 f. 9 ADS6, § 264b HGB Rz. 17; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 5; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a– 264c Rz. 12; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 24.

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B. Befreiung von Personenhandelsgesellschaften durch Einbeziehung in Konzernabschluss

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Rz. 12 § 264b

Wege der Vollkonsolidierung.1 Ebenfalls aus einem Umkehrschluss aus § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB folgt, dass es im Rahmen des § 264b Nr. 1 Buchst. a HGB auf den Ansässigkeitsstaat des persönlich haftenden Gesellschafters nicht ankommt; dieser kann also auch in einem Drittstaat außerhalb der EU und des EWR ansässig sein.2 b) Einbeziehung bei Mutterunternehmen (Nr. 1 Buchst. b) Eine Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB ist – bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen 10 des § 264b HGB – gem. § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB auch dann von der Einhaltung der besonderen Rechnungslegungspflichten für Kapitalgesellschaften befreit, wenn sie in den Konzernabschluss und Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens einbezogen ist, sofern dieser Konzernabschluss eine größere Gesamtheit von Unternehmen umfasst. Den Anforderungen des § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB kann zum einen dadurch genügt werden, dass die betreffende oHG oder KG als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss und Konzernlagebericht eines anderen Unternehmens als Mutterunternehmen einbezogen wird.3 Dies muss nicht ein Unternehmen auf der nächsten Beteiligungsebene, sondern kann auch ein nur mittelbar beteiligtes Unternehmen auf einer höheren Konzernebene sein.4 Zum anderen kann das Mutterunternehmen, das den befreienden Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufstellt, aber auch die betreffende oHG oder KG selbst sein, so dass diese eine Selbstbefreiung vornehmen kann.5 In jedem Fall muss das Mutterunternehmen gem. § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB seinen Sitz in einem EU- oder EWRMitgliedstaat haben. Maßgeblich ist die tatsächliche Einbeziehung der oHG oder KG in den Konzernabschluss und Konzern- 11 lagebericht im Wege der Vollkonsolidierung.6 Es kommt nicht darauf an, ob eine Rechtspflicht zur Konzernrechnungslegung besteht. Demgemäß genügt für § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB auch ein freiwillig aufgestellter Konzernabschluss.7 Dagegen ist die bloße Möglichkeit der Einbeziehung nicht ausreichend, wenn von ihr auf der Grundlage des § 296 HGB kein Gebrauch gemacht wird.8 Die Einbeziehung mittels der sog. Equity-Methode oder im Wege einer Quotenkonsolidierung genügt nicht.9 Entscheidend ist, dass die oHG oder KG am Abschlussstichtag in den Konzernabschluss und Konzernlagebericht einbezogen ist; es ist also nicht erforderlich, dass die Einbeziehung für ein volles Geschäftsjahr erfolgt ist.10 Mit dem Erfordernis der Einbeziehung in den Konzernabschluss und Konzernlagebericht eines Mutter- 12 unternehmens verlangt § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB, dass zwischen der oHG oder KG und dem anderen Unternehmen ein Mutter-Tochter-Verhältnis besteht.11 Ein solches ist gem. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB gegeben, wenn das eine Unternehmen in der Lage ist, auf das andere Unternehmen unmittelbar oder mittel1 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 15 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 31 (Stand Dez. 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 7. 2 ADS6, § 264b HGB Rz. 18; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264b HGB Rz. 6; Giese/Rabenhorst/ Schindler, BB 2001, 511 (516); Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 13 (Stand Okt. 2013). 3 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264b HGB Rz. 6; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 50. 4 ADS6, § 264b HGB Rz. 19; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 10; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 9 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 39 (Stand Dez. 2015); s. auch BT-Drucks. 14/1806, 19. 5 BT-Drucks. 18/4050, 59; LG Bonn v. 30.9.2009 – 30 T 848/09, BB 2010, 1208 (1209); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 6; ADS6, § 264b HGB Rz. 13; Bode, DB 2015, 816 (820); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264b HGB Rz. 6; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 38 (Stand Dez. 2015); Lüdenbach/Freiberg, BB 2015, 363 (364); Müller/Weller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 18; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 11; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 40, 50; s. auch BT-Drucks. 18/5256, 81; aA Haller/Löffelmann/Schlechter, DB 2013, 1917 (1921); Wulf, DStZ 2014, 22 (29 f.). 6 ADS6, § 264b HGB Rz. 20 f.; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 20; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 12 (Stand Okt. 2013); Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 78 (Stand Juli 2014); v. Kanitz, WPg 2003, 324 (327 f.); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 16. 7 ADS6, § 264b HGB Rz. 14; Bitter/Grashoff, DB 2000, 833 (836); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 15; Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307 (1308); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 47. 8 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 12 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 21 (Stand Dez. 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 16; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 51. 9 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 8; ADS6, § 264b HGB Rz. 21; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 22 (Stand Dez. 2015); Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307 (1308 f.); aA Bitter/Grashoff, DB 2000, 833 (837). 10 v. Kanitz, WPg 2003, 324 (327); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 23 (Stand Dez. 2015). 11 ADS6, § 264b HGB Rz. 12; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 6 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 37 (Stand Dez. 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 15.

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§ 264b Rz. 13 | Befreiung der offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften bar einen beherrschenden Einfluss auszuüben (näher dazu § 290 HGB Rz. 62 ff.). Bei der typischen GmbH & Co. KG als dem praktisch wichtigsten Anwendungsfall des § 264a Abs. 1 HGB ist idR die Komplementär-GmbH einziger geschäftsführungsberechtigter Gesellschafter; als solcher hat sie einen beherrschenden Einfluss und ist damit im Verhältnis zur KG das Mutterunternehmen.1 Freilich kann der persönlich haftende Gesellschafter schon nach § 264b Nr. 1 Buchst. a HGB ohne Rücksicht auf das Bestehen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses mit befreiender Wirkung einen Konzernabschluss aufstellen (dazu Rz. 8 f.). Wenn ausnahmsweise – aufgrund der Übertragung wesentlicher Geschäftsführungsbefugnisse – der beherrschende Einfluss beim Kommanditisten liegt, kann dieser als Mutterunternehmen gem. § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB den befreienden Konzernabschluss aufstellen.2 Ebenfalls ausreichend für ein Mutter-Tochter-Verhältnis iSd. § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB ist eine Konzernabschlusspflicht nach § 11 PublG.3 13

Während die für Kapitalgesellschaften geltende Parallelvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB in Satz 1 Nr. 2 HGB für die Befreiung eine Haftungsübernahme durch das Mutterunternehmen fordert (dazu § 264 HGB Rz. 88 ff.), verlangt § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB, dass in den Konzernabschluss eine größere Gesamtheit von Unternehmen einbezogen ist. Der Sinn und Zweck dieser Voraussetzung ist nicht ganz klar. Offenbar soll sie sicherstellen, dass bei einer oHG oder KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB das Fehlen einer unbeschränkt haftenden natürlichen Person entweder durch die Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften oder aber dadurch kompensiert wird, dass das Mutterunternehmen über die Beteiligung an der betreffenden oHG oder KG hinaus durch die Beteiligung an anderen Unternehmen weiteres Vermögen hat.4 Allerdings erscheint zweifelhaft, ob das Erfordernis der Einbeziehung einer größeren Gesamtheit von Unternehmen ein taugliches Mittel zum Gläubigerschutz ist, weil die Gläubiger der betreffenden oHG oder KG nicht ohne Weiteres Zugriff auf das Vermögen der anderen Konzerngesellschaften haben.5 Wie sich im Umkehrschluss aus § 264b Nr. 1 Buchst. a HGB ergibt, ist eine unmittelbare Haftung des Mutterunternehmens für die Verbindlichkeiten der oHG oder KG für eine Befreiung nach § 264b Nr. 1 Buchst. b HGB ja gerade nicht erforderlich.6 Die Voraussetzung der Einbeziehung einer größeren Gesamtheit von Unternehmen ist daher wenig sinnvoll und sollte de lege ferenda aufgehoben werden; de lege lata ist eine restriktive Auslegung und Anwendung geboten.

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Von der Einbeziehung einer größeren Gesamtheit von Unternehmen in den Konzernabschluss wird gemeinhin ausgegangen, wenn dieser mindestens drei Unternehmen umfasst, also neben dem Mutterunternehmen wenigstens zwei vollkonsolidierte Tochterunternehmen.7 Diese Mindestzahl wird bei einer GmbH & Co. KG als der praktisch wichtigsten Erscheinungsform einer Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB aber schon dann erreicht, wenn die GmbH & Co. KG nur einen Kommanditisten hat und dieser zugleich sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH hält; denn dann sind der Kommanditist das Mutterunternehmen und die GmbH und die KG zwei Tochterunternehmen iSd. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB.8 2. Anforderungen an die Konzernrechnungslegung (Nr. 2)

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Weitere Voraussetzung für die Befreiung einer Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Einhaltung der strengeren Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften ist gem. § 264b Nr. 2 HGB die Erfüllung der in § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB genannten Voraussetzung. Nach § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB müssen der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht nach den Rechtsvorschriften des Staats, in dem das Mutterunternehmen seinen Sitz hat, und im Einklang mit der BilRL 20139 und der 1 Näher dazu Küting/Weber/Pilhofer, WPg. 2003, 793 (794 ff.); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 29 ff.; s. auch Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 72 (Stand Juli 2014); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 37 (Stand Dez. 2015); Theile, GmbHR 2000, 215 (218); aA Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 12; Reitmeier/Deubert, BB 2014, 2795 (2798). 2 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 7 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 37 (Stand Dez. 2015); Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307 (1309). 3 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 15; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 11. 4 S. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 41. 5 S. auch Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 41. 6 S. auch BT-Drucks. 18/4050, 59. 7 BT-Drucks. 18/4050, 59; BT-Drucks. 18/5256, 81; Bode, DB 2015, 816 (820); Hafner/Spitz, DStR 2015, 2623 (2628); Lüdenbach/Freiberg, BB 2015, 363 (364); Theile, GmbHR 2015, 281 (284); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 42. 8 Deubert, DB 2015, 41 (48); aA wohl Hafner/Spitz, DStR 2015, 2623 (2628); Theile, GmbHR 2015, 281 (285): Die KG müsse noch eine weitere Tochtergesellschaft haben. 9 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19.

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B. Befreiung von Personenhandelsgesellschaften durch Einbeziehung in Konzernabschluss

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Rz. 18 § 264b

Abschlussprüfungsrichtlinie in ihrer Neufassung von 20061 aufgestellt und geprüft worden sein. Diesen Anforderungen genügen auch Konzernabschlüsse, die das Mutterunternehmen aufgrund einer sich aus § 315e Abs. 1, 2 HGB bzw. aus Art. 4 IAS-VO ergebenden Rechtspflicht oder gem. § 315e Abs. 3 HGB freiwillig nach den IFRS aufgestellt hat.2 Ob das Mutterunternehmen in den Anwendungsbereich der BilRL 2013 fällt, ist ohne Belang; entscheidend ist, dass der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht – und sei es auch freiwillig – tatsächlich nach den Vorgaben der BilRL 2013 aufgestellt worden sind.3 3. Angabe der Befreiung im Anhang des Konzernabschlusses (Nr. 3) Darüber hinaus verlangt § 264b Nr. 3 HGB – entsprechend der Parallelvorschrift des § 264 Abs. 3 Satz 1 16 Nr. 4 HGB (s. § 264 HGB Rz. 93) – für die Befreiung einer Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Beachtung der besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften, dass die Befreiung der Personenhandelsgesellschaft im Anhang des Konzernabschlusses angegeben ist. Dabei sind die Firma und der Sitz der oHG oder KG sowie die Befreiung als solche anzugeben; dagegen sind Angaben zum Umfang der in Anspruch genommenen Befreiung nicht notwendig.4 Die Angabe nach § 264b Nr. 3 HGB ist auch dann erforderlich, wenn das Mutterunternehmen nach § 313 Abs. 3 HGB berechtigt ist, auf die in § 313 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Angaben zum Tochterunternehmen zu verzichten.5 4. Offenlegung (Nr. 4) In Parallele zu § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB (s. dazu § 264 HGB Rz. 94 f.) setzt § 264b Nr. 4 HGB schließ- 17 lich für die Befreiung einer Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Einhaltung der strengeren Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften voraus, dass für die oHG oder KG der Konzernabschluss, der Konzernlagebericht und der Bestätigungsvermerk nach § 325 Abs. 1–1b HGB offengelegt worden sind, wobei § 264 Abs. 3 Satz 2, 3 HGB entsprechend anzuwenden ist. Die Offenlegung muss den Anforderungen des § 325 Abs. 1–1b HGB genügen; es muss also eine elektronische Einreichung der Unterlagen in deutscher Sprache beim Bundesanzeiger innerhalb eines Jahres nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahrs, auf das sie sich beziehen, erfolgen.6 Soll bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses von der Befreiung nach § 264b HGB Gebrauch gemacht werden, so muss die Einreichung der Unterlagen zum Bundesanzeiger allerdings spätestens bis zur Aufstellung erfolgt sein.7 Die Offenlegung ist für die Befreiung nach § 264b HGB auch dann erforderlich, wenn das Mutterunternehmen nach § 313 Abs. 3 HGB berechtigt ist, auf die in § 313 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Angaben zum Tochterunternehmen zu verzichten.8 Nach dem Wortlaut des § 264b Nr. 4 HGB, der insoweit keine Einschränkungen macht, besteht die Not- 18 wendigkeit einer Offenlegung nach § 325 Abs. 1–1b HGB nicht nur für Mutterunternehmen mit Sitz im Inland, sondern auch für Mutterunternehmen mit Sitz in einem ausländischen EU- oder EWR-Mitgliedstaat.9 Gleiches gilt nach deren Satz 1 Nr. 5 für die Parallelvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB (s. dazu § 264 HGB Rz. 94). Allerdings verlangt Art. 37 Abs. 7 BilRL 2013, auf dem § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB beruht, ausdrücklich eine Offenlegung „nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Verfahren“. Demgegenüber ist in Art. 38 Abs. 2 BilRL 2013, auf den § 264b HGB zurückgeht, nur von einer Offenlegung „gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie“ bzw. „im Einklang mit die1 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl. EU 2006 Nr. L 157, 87. 2 BT-Drucks. 18/5256, 80 f.; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264b HGB Rz. 8; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 21; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 58. 3 S. auch Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 59 f. 4 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264b HGB Rz. 13; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264b HGB Rz. 32; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 62 (Stand Dez. 2015); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 66. 5 Zutreffend LG Bonn v. 6.5.2010 – 36 T 837/09, NJW-RR 2010, 1406 (1407); Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 22 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 64 (Stand Dez. 2015); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 68. 6 S. Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 22 f. (Stand Okt. 2013); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 74. 7 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 68 (Stand Dez. 2015); Kühne/Richter, BB 2015, 877 (879); Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 74. 8 Zutreffend LG Bonn v. 6.5.2010 – 36 T 837/09, NJW-RR 2010, 1406 (1407); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/ Gros, BilR3, § 264b HGB Rz. 12. 9 S. LG Bonn v. 8.12.2010 – 31 T 652/10, NJW-RR 2011, 194 f.; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 14.

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§ 264b Rz. 19 | Befreiung der offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ser Richtlinie“ die Rede. Danach ist für eine Befreiung nach Art. 38 Abs. 2 BilRL 2013 nicht zwingend eine Offenlegung nach den inländischen Vorschriften des betreffenden EU-Mitgliedstaats erforderlich, sondern auch eine Offenlegung nach den im Einklang mit der BilRL 2013 stehenden Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats ausreichend. In diesem Sinne muss auch § 264b Nr. 4 HGB unionsrechtskonform ausgelegt werden.1 19

Wenn bereits der persönlich haftende Gesellschafter oder das Mutterunternehmen einzelne oder alle der in § 264b Nr. 4 HGB bezeichneten Unterlagen offengelegt hat, braucht die oHG oder KG die betreffenden Unterlagen nach der über § 264b Nr. 4 HGB entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 264 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 HGB nicht erneut offenzulegen, wenn sie im Bundesanzeiger unter der oHG oder KG auffindbar sind.2 Durch diese Regelung soll eine Mehrfachoffenlegung derselben Unterlagen vermieden werden.3 Um die Auffindbarkeit der Unterlagen im Bundesanzeiger unter der oHG oder KG sicherzustellen, muss der persönlich haftende Gesellschafter oder das Mutterunternehmen dem Bundesanzeiger mitteilen, dass die Offenlegung auch für die oHG oder KG erfolgt.4 Die in § 326 Abs. 2 HGB vorgesehene Erleichterung für Kleinstunternehmen ist auf diese Offenlegung gem. § 264 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 HGB nicht anzuwenden. Eine oHG oder KG iSd. § 264a Abs. 1 HGB, die ein Kleinstunternehmen ist, kann also entweder die Hinterlegungsoption des § 326 Abs. 2 HGB oder die Befreiung nach § 264b HGB in Anspruch nehmen, nicht aber beide Regelungen miteinander kombinieren.5 Nach der ebenfalls über § 264b Nr. 4 HGB entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 264 Abs. 3 Satz 3 HGB gilt § 264 Abs. 3 Satz 2 HGB zudem nur dann, wenn der persönlich haftende Gesellschafter oder das Mutterunternehmen die betreffende Unterlage in deutscher oder in englischer Sprache offengelegt hat oder die oHG oder KG zusätzlich eine beglaubigte Übersetzung dieser Unterlage in deutscher Sprache nach § 325 Abs. 1–1b HGB offenlegt.6

III. Reichweite der Befreiung 20

Wenn der persönliche Anwendungsbereich des § 264b HGB eröffnet ist und die in dieser Vorschrift statuierten Befreiungsvoraussetzungen erfüllt sind, ist die oHG oder KG zum einen von der Einhaltung der in §§ 264–289f HGB enthaltenen Sondervorschriften über den Jahresabschluss und den Lagebericht von Kapitalgesellschaften befreit. Insbes. gilt für sie dann nicht die Aufstellungsfrist des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB von drei Monaten, sondern die allgemeine Frist des § 243 Abs. 3 HGB, und sie muss die Vorgaben des § 266 HGB für die Gliederung der Bilanz nicht einhalten. Auch einen Anhang und einen Lagebericht muss die oHG oder KG nicht aufstellen. Zum anderen unterliegt sie nicht den in §§ 316–324a HGB enthaltenen Vorschriften über die Abschlussprüfung und den in §§ 325–329 HGB enthaltenen Vorschriften über die Offenlegung des Jahresabschlusses, so dass sie weder prüfungs- noch offenlegungspflichtig ist.

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Hinsichtlich der Vorschriften, von deren Einhaltung § 264b HGB befreit, steht es der oHG oder KG frei, ob sie insgesamt oder nur in Bezug auf einzelne Vorschriften von der Befreiung Gebrauch macht.7 Ungeachtet des von dem des § 264 Abs. 3 HGB abweichenden Wortlauts begründet § 264b HGB also ebenso wie § 264 Abs. 3 HGB ein Wahlrecht.8 Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag die Entscheidungsfreiheit der oHG oder KG beschränken und ihr die Inanspruchnahme der in § 264b HGB vorgesehenen Befreiungen ganz oder teilweise verwehren.9 In jedem Fall muss die oHG oder KG aber die allgemeinen Vorschriften der §§ 238–261 HGB einhalten.10

1 Ebenso Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264b HGB Rz. 10; Meyer, BB 2014, 1131 (1134); s. auch Fey/Deubert/ Lewe/Roland, BB 2013, 107 (111); Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 90 (Stand Juli 2014). 2 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 70 (Stand Dez. 2015). 3 BT-Drucks. 18/4050, 58; Hargarten/Seidler, BB 2016, 2795 (2796). 4 Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264 HGB Rz. 206. 5 BT-Drucks. 18/4050, 59; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 69 (Stand Dez. 2015). 6 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 70 (Stand Dez. 2015). 7 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264b HGB Rz. 1; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264b HGB Rz. 1; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 1; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 11. 8 Ischebeck/Oser in Beck HdR, B 110 Rz. 67 (Stand Juli 2014); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264b HGB Rz. 16 (Stand Dez. 2015); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 10. 9 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264b HGB Rz. 3 (Stand Okt. 2013); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a– 264c Rz. 10; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 14. 10 BT-Drucks. 14/1806, 19; ADS6, § 264b HGB Rz. 7; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264b HGB Rz. 1; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264b HGB Rz. 1; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 11.

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Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften

| § 264c

§ 264c Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne des § 264a (1) 1Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern sind in der Regel als solche jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. 2Werden sie unter anderen Posten ausgewiesen, so muss diese Eigenschaft vermerkt werden. (2) 1§ 266 Abs. 3 Buchstabe A ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Eigenkapital die folgenden Posten gesondert auszuweisen sind: I. Kapitalanteile II. Rücklagen III. Gewinnvortrag/Verlustvortrag IV. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. 2Anstelle des Postens „Gezeichnetes Kapital“ sind die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter auszuweisen; sie dürfen auch zusammengefasst ausgewiesen werden. 3Der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters für das Geschäftsjahr entfallende Verlust ist von dem Kapitalanteil abzuschreiben. 4Soweit der Verlust den Kapitalanteil übersteigt, ist er auf der Aktivseite unter der Bezeichnung, „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ unter den Forderungen gesondert auszuweisen, soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht. 5Besteht keine Zahlungsverpflichtung, so ist der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ zu bezeichnen und gemäß § 268 Abs. 3 auszuweisen. 6Die Sätze 2 bis 5 sind auf die Einlagen von Kommanditisten entsprechend anzuwenden, wobei diese insgesamt gesondert gegenüber den Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter auszuweisen sind. 7Eine Forderung darf jedoch nur ausgewiesen werden, soweit eine Einzahlungsverpflichtung besteht; dasselbe gilt, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. 8Als Rücklagen sind nur solche Beträge auszuweisen, die auf Grund einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung gebildet worden sind. 9Im Anhang ist der Betrag der im Handelsregister gemäß § 172 Abs. 1 eingetragenen Einlagen anzugeben, soweit diese nicht geleistet sind. (3) 1Das sonstige Vermögen der Gesellschafter (Privatvermögen) darf nicht in die Bilanz und die auf das Privatvermögen entfallenden Aufwendungen und Erträge dürfen nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen werden. 2In der Gewinn- und Verlustrechnung darf jedoch nach dem Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ ein dem Steuersatz der Komplementärgesellschaft entsprechender Steueraufwand der Gesellschafter offen abgesetzt oder hinzugerechnet werden. (4) 1Anteile an Komplementärgesellschaften sind in der Bilanz auf der Aktivseite unter den Posten A.III.1 oder A.III.3 auszuweisen. 2§ 272 Abs. 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für diese Anteile in Höhe des aktivierten Betrags nach dem Posten „Eigenkapital“ ein Sonderposten unter der Bezeichnung „Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile“ zu bilden ist. (5) 1Macht die Gesellschaft von einem Wahlrecht nach § 266 Absatz 1 Satz 3 oder Satz 4 Gebrauch, richtet sich die Gliederung der verkürzten Bilanz nach der Ausübung dieses Wahlrechts. 2Die Ermittlung der Bilanzposten nach den vorstehenden Absätzen bleibt unberührt. A. I. II. III. IV. B. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis von Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern (Abs. 1) Überblick und Allgemeines . . . . . . . . . . . . Reichweite der Ausweispflicht . . . . . . . . . .

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III. C. I. II. III. IV. V. 1. 2.

Form des Ausweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis von Eigenkapital (Abs. 2) Überblick und Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalanteile der Kommanditisten . . . . . . . Nicht geleistete Einlagen des Kommanditisten Weitere Eigenkapitalposten Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnvortrag/Verlustvortrag; Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 264c Rz. 1 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften D. Privatvermögen der Gesellschafter und fiktiver Steueraufwand (Abs. 3) I. Keine Berücksichtigung von Privatvermögen und Steueraufwand der Gesellschafter (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Berücksichtigung eines fiktiven Steueraufwands (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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E. Anteile an Komplementärgesellschaften (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 F. Folgen der Ausübung eines Wahlrechts nach § 266 Abs. 1 Satz 3, 4 HGB (Abs. 5) . . . . . . 33

Literatur: Huber, Gesellschafterkonten in der Personengesellschaft, ZGR 1988, 1; Herrmann, Zur Bilanzierung bei Personenhandelsgesellschaften, WPg. 1994, 500; Wiechmann, Der Jahres- und Konzernabschluß der GmbH & Co. KG, WPg. 1999, 916; Bitter/Grashoff, Anwendungsprobleme des Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetzes, DB 2000, 833; Hempe, Eigenkapitalausweis der GmbH & Co. KG nach dem „KapCoRiLiG“, GmbHR 2000, 613; Hoffmann, Eigenkapitalausweis und Ergebnisverteilung bei Personenhandelsgesellschaften nach Maßgabe des KapCoRiLiG, DStR 2000, 837; Kusterer/Kirnberger/Fleischmann, Der Jahresabschluss der GmbH & Co. KG nach dem Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz, DStR 2000, 606; Theile, Ausweisfragen beim Jahresabschluß der GmbH & Co. KG nach neuem Recht, BB 2000, 555; Herrmann, Zur Rechnungslegung der GmbH & Co. KG im Rahmen des KapCoRiLiG, WPg. 2001, 271; von Kanitz, Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, WPg. 2003, 324; Bingel/Weidenhammer, Ausweis des Eigenkapitals bei Personenhandelsgesellschaften im Handelsrecht, DStR 2006, 675; Bundessteuerberaterkammer, Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zum Ausweis des Eigenkapitals bei Personenhandelsgesellschaften im Handelsrecht, DStR 2006, 668; Sieker, Die Funktion des Gesellschaftsrechts für den Ausweis des Eigenkapitals in der Handelsbilanz der Personengesellschaft, FS H.P. Westermann, 2008, 1519; Zeyer, Lösungshinweise zu ausgewählten Bilanzierungsproblemen der Einheits-GmbH & Co. KG, BB 2008, 1442; Hoffmann, Gesellschafterkonten oder Eigenkapital bei der Personenhandelsgesellschaft nach § 264c HGB, StuB 2009, 407; Ley, Gesellschafterkonten im Lichte der grundlegenden BFH-Entscheidung vom 16.10.2008, IV R 98/06, DStR 2009, 613; Wälzholz, Ausgewählte gesellschaftsrechtliche Aspekte von Gesellschaftskonten bei Personengesellschaften, Teil 1, DStR 2011, 1815, Teil 2, DStR 2011, 1861; Ley, Gesellschafterkonten einer Personengesellschaft in der Handels- und Steuerbilanz – eine Fortschreibung, KÖSDI 2014, 18844; Ley, Gesellschafterkonten einer Personengesellschaft in der Handels- und Steuerbilanz – Spezialfragen, KÖSDI 2014, 18891; Künkele/Zwirner, Bilanzierung bei Personengesellschaften – Besonderheiten der Bilanzierung bei Personenhandelsgesellschaften aus Sicht der Handelsund Steuerbilanz, StuB 2015, Beil. 1, 1.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB, also oHG und KG, die keine natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter haben (s. dazu § 264a HGB Rz. 8 ff.), müssen bei der Rechnungslegung grundsätzlich – zusätzlich zu den allgemeinen Vorschriften der §§ 238–263 HGB – die in §§ 264–329 HGB enthaltenen strengeren Vorschriften für Kapitalgesellschaften einhalten (s. dazu § 264a HGB Rz. 18). § 264c HGB stellt für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB eine Reihe von Sonderregeln auf, die ergänzend und modifizierend zu den Vorschriften für Kapitalgesellschaften hinzutreten und den Besonderheiten Rechnung tragen, die Personengesellschaften im Vergleich zu Kapitalgesellschaften aufweisen. Die Sonderregeln des § 264c HGB betreffen den Ausweis von Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern (Abs. 1), den Eigenkapitalausweis (Abs. 2), die Abgrenzung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter (Abs. 3 Satz 1), die Aufnahme eines fiktiven Steueraufwands der Gesellschafter in die Gewinnund Verlustrechnung (Abs. 3 Satz 2), den Ausweis von Anteilen an Komplementärgesellschaften (Abs. 4) und die Folgen der Ausübung eines Wahlrechts für Klein- und Kleinstgesellschaften nach § 266 Abs. 1 Satz 3, 4 HGB (Abs. 5).

II. Bedeutung und Zweck 2

Die in § 264c HGB enthaltenen Sondervorschriften für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB sollen die auf diese Gesellschaften grundsätzlich anwendbaren Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften an die Besonderheiten anpassen, die bei Personengesellschaften im Vergleich zu Kapitalgesellschaften bestehen.1 Die §§ 264 ff. HGB sind auf Kapitalgesellschaften zugeschnitten; bei einzelnen Vorschriften erfordern die besonderen Eigenarten von Personengesellschaften Ergänzungen und Modifikationen. Der Gesetzgeber hat dabei die Lösung gewählt, diese Ergänzungen und Modifikationen nicht bei den betroffenen Einzelvorschriften, sondern gleichsam gebündelt in § 264c HGB zu regeln.2 1 BT-Drucks. 14/1806, 20; Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 1. 2 BT-Drucks. 14/1806, 20; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 1 (Stand März 2015).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 5 § 264c

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 264c HGB gilt für alle Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB, dh. oHG und KG ohne 3 natürliche Person als unmittelbaren oder mittelbaren persönlich haftenden Gesellschafter (dazu § 264a HGB Rz. 8 ff.). Als Sondervorschriften für Personenhandelsgesellschaften haben die in § 264c HGB enthaltenen Regeln Vorrang vor den an sich über § 264a Abs. 1 HGB anwendbaren Rechnungslegungsregeln für Kapitalgesellschaften.1 Die Bestimmungen des § 264c HGB sind nicht nur auf den Jahresabschluss, sondern auch auf den Konzernabschluss einer unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden oHG oder KG anwendbar.2 Zumindest den in § 264c Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB enthaltenen Regeln ist zudem der Charakter von GoB beizumessen. Als GoB sind diese Regeln daher auch von Personenhandelsgesellschaften zu beachten, die nicht unter § 264a Abs. 1 HGB fallen.3 § 264c Abs. 1 HGB wurde nach dem Vorbild der für GmbH geltenden Parallelregelung des § 42 Abs. 3 GmbHG erlassen.4 Die Vorschriften des § 264c Abs. 2 Satz 2–5 HGB lehnen sich an die in § 286 Abs. 2 AktG getroffenen Regelungen für den Kapitalanteil des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA an.5 § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB orientiert sich schließlich an § 5 Abs. 4 PublG, der für in den Anwendungsbereich des PublG fallende Personengesellschaften und Einzelkaufleute gilt.6

IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen Bei der Umsetzung der BilRL 19787, der Konzernbilanzrichtlinie8 und der Abschlussprüfungsrichtlinie9 4 der EU durch das BiRiLiG von 198510 bezog der deutsche Gesetzgeber die Kapitalgesellschaften & Co. zunächst nicht in den Geltungsbereich der besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften ein.11 Erst nach Erlass der GmbH & Co.-Richtlinie von 199012 und einer Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den EuGH im Jahr 1999 in einem Vertragsverletzungsverfahren13 hat der deutsche Gesetzgeber mit dem KapCoRiLiG von 200014 die §§ 264a–264c HGB erlassen (näher dazu § 264a HGB Rz. 6 f.). Die neuen Vorschriften einschließlich des § 264c HGB waren gem. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 EGHGB erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 begannen. Durch das BilMoG von 200915 wurde die in der ursprünglichen Fassung des § 264c HGB enthaltene Vorschrift des Abs. 4 Satz 3, der einen Sonderposten für bestimmte aktivierte Bilanzierungshilfen nach dem Posten „Eigenkapital“ vorsah, gestrichen.16 Durch das MicroBilG von 201217 kam § 264c Abs. 5 HGB hinzu. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die in Umsetzung der Vorgaben der MicroBilanzrichtlinie18 durch das MicroBilG eingeführten Wahlrechte für Klein- und Kleinstgesellschaften sich 1 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 11 (Stand März 2015); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 16. 2 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 60; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 13 (Stand März 2015). 3 S. v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (330); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 14 (Stand März 2015); Ley, KÖSDI 2014, 18844 Rz. 3; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 1. 4 BT-Drucks. 14/1806, 20. 5 BT-Drucks. 14/1806, 20. 6 BT-Drucks. 14/1806, 21. 7 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11. 8 Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. EG 1983 Nr. L 193, 1. 9 Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates v. 10.4.1984 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. EG 1984 Nr. L 126, 20. 10 Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 11 Kritisch dazu Lutter/Mertens/Ulmer, BB 1983, 1737 (1738 f.). 12 Richtlinie 90/605/EWG des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. EG 1990 Nr. L 317, 60. 13 EuGH v. 22.4.1999 – C 272/97, EuGHE 1999, I-2185 Rz. 27 ff. – Kommission/Deutschland. 14 Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154; dazu Strobel, DB 2000, 53 ff. 15 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 16 S. dazu BT-Drucks. 16/10067, 63; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 55 ff.; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 7 (Stand März 2015). 17 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2751. 18 Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 zur Änderung der Richtlinie 78/ 660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben, ABl. EU 2012 Nr. L 81, 3.

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§ 264c Rz. 6 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften bei Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB nur auf die Gliederungstiefe auswirken, jedoch nicht die Notwendigkeit der Einhaltung der Vorschriften des § 264c Abs. 1–4 HGB entfallen lassen.1 Nach Art. 70 Abs. 1 Satz 1 EGHGB war § 264c Abs. 5 HGB erstmals auf Jahresabschlüsse anzuwenden, die sich auf einen nach dem 30.12.2012 liegenden Abschlussstichtag bezogen. Durch das BilRUG von 2015,2 mit dem der deutsche Gesetzgeber die neue BilRL 20133 umgesetzt hat, ist § 264c HGB nicht geändert worden. Auch das zur Umsetzung der CSR-Richtlinie4 erlassene CSR-RL-UmsG von 20175 hat § 264c HGB unverändert gelassen.

B. Ausweis von Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern (Abs. 1) I. Überblick und Allgemeines 6

Nach § 264c Abs. 1 Satz 1 HGB müssen Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern idR als solche jeweils gesondert ausweisen oder im Anhang angeben. Werden Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern unter anderen Posten ausgewiesen, so muss diese Eigenschaft gem. § 264c Abs. 1 Satz 2 HGB vermerkt werden. § 264c Abs. 1 HGB lehnt sich an die für GmbH geltende Parallelregelung des § 42 Abs. 3 GmbHG an.6 Er trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Personengesellschaften typischerweise nicht nur gesellschaftsrechtliche, sondern auch vielfältige schuldrechtliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bestehen. Häufig wirkt sich das Gesellschaftsverhältnis auch auf die schuldrechtlichen Beziehungen aus, etwa in der Weise, dass – im Vergleich zu Schuldverhältnissen mit gesellschaftsfremden Dritten – ungewöhnliche Konditionen vereinbart oder Forderungen weniger strikt durchgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist ein schutzwürdiges Interesse der Adressaten der Rechnungslegung an der Kenntnis von Rechtsbeziehungen der in Rede stehenden Art anzuerkennen. § 264c Abs. 1 HGB soll sicherstellen, dass diese Rechtsbeziehungen im Jahresabschluss transparent gemacht werden.7

II. Reichweite der Ausweispflicht 7

Gesellschafter iSd. § 264c Abs. 1 HGB sind sowohl Komplementäre als auch Kommanditisten.8 Für die Gesellschafterstellung sind die Verhältnisse am Abschlussstichtag maßgeblich.9 Auf den Umfang der Beteiligung an der Gesellschaft kommt es dabei nicht an.10 Nicht erfasst werden dagegen nur mittelbare Gesellschafter.11 Auch stille Gesellschafter fallen nicht unter § 264c Abs. 1 HGB.12 Zu den Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gehören alle Ansprüche aus schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, beispielsweise aus Darlehen, Miete oder Pacht, Dienstvertrag oder Kauf.13 Ausgenommen sind die – gesellschaftsrechtlichen – Einzahlungsverpflichtungen persönlich haften1 BT-Drucks. 17/11292, 17. 2 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 3 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 4 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 5 CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802; dazu Kajüter, DB 2017, 617 ff. 6 BT-Drucks. 14/1806, 20. 7 BT-Drucks. 14/1806, 20; ADS6, § 264c HGB Rz. 6; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 27 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 7; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 17; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 5. 8 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 28 (Stand März 2015); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 5. 9 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 3; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264c HGB Rz. 1. 10 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 5; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 28 (Stand März 2015); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 5. 11 Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 6. 12 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 5; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 28 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 7; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 8. 13 ADS6, § 264c HGB Rz. 8; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 4 (Stand Okt. 2013); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 8.

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B. Ausweis von Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten (Abs. 1)

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Rz. 9 § 264c

der Gesellschafter oder Kommanditisten, die in den vorrangigen Vorschriften des § 264c Abs. 2 Satz 4, 6, 7 HGB besonders geregelt sind.1 Ebenfalls nicht erfasst von der Angabepflicht nach § 264c Abs. 1 HGB werden Rückstellungen der Gesellschaft im Verhältnis zu Gesellschaftern.2

III. Form des Ausweises Der Ausweis der unter § 264c Abs. 1 HGB fallenden Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten kann gem. § 264c Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB in Gestalt besonderer Bilanzposten erfolgen.3 Für „Ausleihungen gegenüber Gesellschaftern“ ist dann auf der Aktivseite ein zusätzlicher Posten unter „Finanzanlagen“ (§ 266 Abs. 2 A.III. HGB) zu bilden, für „Forderungen gegen Gesellschafter“ ebenfalls auf der Aktivseite ein zusätzlicher Posten unter „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ (§ 266 Abs. 2 B.II. HGB) und für „Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern“ ein zusätzlicher Posten auf der Passivseite unter „Verbindlichkeiten“ (§ 266 Abs. 3 C. HGB).4 Für gewöhnlich sind die Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern zugleich solche gegenüber verbundenen Unternehmen bzw. Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, so dass sie an sich unter den in § 266 Abs. 2 A.III., B.II., Abs. 3 C. HGB für Rechtsverhältnisse gegenüber solchen Unternehmen vorgeschriebenen Bilanzposten auszuweisen wären. Die Spezialregelung des § 264c Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB hat insoweit jedoch Vorrang vor den Bestimmungen des § 266 Abs. 2 A.III., B.II., Abs. 3 C. HGB, so dass jeweils allein ein besonderer Bilanzposten „gegenüber Gesellschaftern“ zu bilden ist.5 Allerdings ist dabei durch einen Mitzugehörigkeitsvermerk („davon“) klarzustellen, inwieweit es sich zugleich um Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen bzw. Unternehmen handelt, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht.6

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Alternativ gestattet § 264c Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB auch eine bloße Angabe im Anhang. Zu jedem Bilanz- 9 posten, der Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern enthält, muss dann im Anhang erläutert werden, welcher Betrag des betreffenden Bilanzpostens auf die Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern entfällt.7 Schließlich ist gem. § 264c Abs. 1 Satz 2 HGB ein Ausweis unter den in § 266 Abs. 2, 3 HGB vorgesehenen anderen Bilanzposten mittels eines „davon“-Vermerks möglich. Wenn die Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern – was dem Regelfall entspricht – zugleich solche gegenüber verbundenen Unternehmen bzw. gegenüber Unternehmen sind, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, sind die „davon“-Vermerke unter den in § 266 Abs. 2 A.III., B.II., Abs. 3 C. HGB für Rechtsverhältnisse gegenüber solchen Unternehmen vorgeschriebenen Bilanzposten anzubringen.8 Vorrangig („in der Regel“) hat der Ausweis der unter § 264c Abs. 1 HGB fallenden Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gem. § 264c Abs. 1 Satz 1 HGB aber in Gestalt besonderer Bilanzposten oder im Anhang zu erfolgen; beide Varianten sind im Verhältnis zueinander gleichrangig.9 Im Verhältnis zu diesen Ausweisformen ist die Darstellung mittels eines „davon“-Vermerks nachrangig und nur dann zulässig, wenn die beiden vorrangigen Ausweisformen ausnahmsweise nicht möglich oder nicht sachgerecht sind.10

1 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 10; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 11; Theile, BB 2000, 555 (557 f.). 2 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 5 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 30 (Stand März 2015). 3 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 11. 4 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 32 (Stand März 2015). 5 ADS6, § 264c HGB Rz. 11; Theile, BB 2000, 555 (556). 6 ADS6, § 264c HGB Rz. 11; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 32 (Stand März 2015); Theile, BB 2000, 555 (556); Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 6. 7 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 34 (Stand März 2015). 8 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 33 (Stand März 2015). 9 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 5; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264c HGB Rz. 1; Theile, BB 2000, 555 (556); aA Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 9; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 11; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 18: vorrangig Ausweis als besonderer Bilanzposten. 10 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 5; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 12; Theile, BB 2000, 555 (556); aA Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 4.

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§ 264c Rz. 10 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften

C. Ausweis von Eigenkapital (Abs. 2) I. Überblick und Allgemeines 10

§ 264c Abs. 2 HGB enthält für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB besondere Regeln über den Eigenkapitalausweis, die von den grundsätzlich anwendbaren Vorschriften für Kapitalgesellschaften abweichen. Bei Kapitalgesellschaften ist das Eigenkapital gem. § 266 Abs. 3 A. HGB mit folgenden Posten auszuweisen: I. Gezeichnetes Kapital; II. Kapitalrücklage; III. Gewinnrücklagen; IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag; V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. Dabei ist das Gezeichnete Kapital eine feste Größe, die dem im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung festgelegten Stamm- bzw. Grundkapital der Kapitalgesellschaft und damit zugleich dem Betrag entspricht, auf den sich die Haftung der Gesellschafter beschränkt (s. § 272 HGB Rz. 49 ff.).

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Bei den Personenhandelsgesellschaften gibt es demgegenüber kein festes Gesellschaftskapital, auf das die Haftung der Gesellschafter beschränkt wäre.1 Vielmehr hat hier nach der gesetzlichen Regelung der § 120 Abs. 2, § 167 HGB jeder Gesellschafter einen variablen Kapitalanteil.2 Dessen Umfang ändert sich durch Einlagen und Entnahmen sowie durch die auf den Gesellschafter entfallenden Gewinn- bzw. Verlustanteile. Den hieraus folgenden Besonderheiten trägt § 264c Abs. 2 HGB Rechnung. Nach § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB ist § 266 Abs. 3 A. HGB auf Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Eigenkapital die folgenden Posten gesondert auszuweisen sind: I. Kapitalanteile; II. Rücklagen; III. Gewinnvortrag/Verlustvortrag; IV. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. Wenngleich die gesetzliche Regelung zumindest für persönlich haftende Gesellschafter von einem einzigen, variablen Kapitalkonto ausgeht, werden in der gesellschaftsrechtlichen Praxis intern üblicherweise mehrere, meist drei Gesellschafterkonten geführt:3 Das Kapitalkonto I ist ein festes Kapitalkonto, das die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Einlage des Gesellschafters ausweist. Das Kapitalkonto II ist dagegen variabel; auf ihm werden die dem Gesellschafter zugewiesenen nicht entnahmefähigen Gewinne sowie die Verluste erfasst. Schließlich wird für gewöhnlich ein Entnahme- oder Privatkonto für entnahmefähige Gewinne sowie Entnahmen geführt. Diese Praxis ändert freilich nichts daran, dass für die externe Rechnungslegung die Gliederungsvorgaben des § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB sowie die weiteren Vorschriften des § 264c Abs. 2 Satz 2–9 HGB eingehalten werden müssen.

II. Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter 12

Gem. § 264c Abs. 2 Satz 2 HGB sind anstelle des Postens „Gezeichnetes Kapital“ die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter auszuweisen; diese dürfen auch zusammengefasst ausgewiesen werden. Dagegen untersagt § 264c Abs. 2 Satz 6 HGB eine Zusammenfassung der Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter mit den Kapitalanteilen der Kommanditisten (dazu Rz. 17). Der Kapitalanteil ist eine Rechnungsziffer, die den aktuellen Stand der Beteiligung des betreffenden Gesellschafters am Eigenkapital der Gesellschaft wiedergibt, wie er sich aus der Fortschreibung der ursprünglichen Einlage um zugewiesene Gewinne und Verluste sowie um weitere Einlagen und um Entnahmen ergibt.4 Anders als bei den Kapitalgesellschaften sind bei den Personenhandelsgesellschaften von den Gesellschaftern – mit Ausnahme der Kommanditisten – nicht zwingend Kapitaleinlagen zu leisten. Nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag eine bestimmte Kapitaleinlage eines Komplementärs vorsieht (sog. bedungene Einlage), ist diese im Eigenkapital unter dem Posten „I. Kapitalanteile“ auszuweisen.5 Anderenfalls – beim Gesellschafter ohne Kapitalanteil – ist insoweit ein Bilanzausweis entbehrlich.6

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Als Einlage, die in den Posten „I. Kapitalanteile“ einfließt, wird nur solches Kapital berücksichtigt, das der Gesellschaft auf gesellschaftsvertraglicher und nicht bloß schuldrechtlicher Grundlage überlassen wird 1 BT-Drucks. 14/1806, 20; ADS6, § 264c HGB Rz. 13; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 7. 2 Eingehend dazu Huber, ZGR 1988, 1 (4 ff.); s. auch Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 577 (Stand Feb. 2014); Wälzholz, DStR 2011, 1815 (1816). 3 Eingehend dazu Huber, ZGR 1988, 1 (42 ff.); Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 586 ff. (Stand Feb. 2014); s. auch BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rz. 20; v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NZG 2016, 424, Rz. 20; Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (670 f.); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 31 ff.; Ley, KÖSDI 2014, 18844 Rz. 10 ff.; Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 42 ff. 4 Bingel/Weidenhammer, DStR 2006, 675 (676); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 9; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 20; Sassenrath in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 575 ff. (Stand Feb. 2014). 5 S. v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (331); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 57 (Stand März 2015). 6 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 8.

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C. Ausweis von Eigenkapital (Abs. 2)

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Rz. 15 § 264c

und als Eigenkapital einzuordnen ist.1 Für Eigenkapital ist kennzeichnend, dass das Kapital der Gesellschaft dauerhaft überlassen wird, an den Verlusten der Gesellschaft teilnimmt und im Insolvenzfall nur nachrangig nach Befriedigung aller Gläubiger zurückgefordert werden kann.2 Führt der persönlich haftende Gesellschafter der oHG oder KG nach der ersten Einlageleistung weitere Einlagen zu, erhöht sich sein Kapitalanteil entsprechend, wohingegen spätere Entnahmen zu einer Verringerung des Kapitalanteils führen.3 Soweit eine vereinbarte Einlage noch nicht geleistet bzw. noch nicht eingefordert worden ist, muss dies gem. § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB auch bei Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB kenntlich gemacht werden, indem die ausstehenden und noch nicht eingeforderten Einlagen auf der Passivseite offen von der bedungenen Einlage abgesetzt werden und der verbleibende Betrag als „Eingeforderte bedungene Einlage“ oder ähnlich bezeichnet wird.4 Eingeforderte, aber noch nicht geleistete Einlagen sind auf der Aktivseite als Forderungen auszuweisen.5 Im Einklang mit § 120 Abs. 2 HGB bestimmt § 264c Abs. 2 Satz 3 HGB, dass der auf den Kapitalanteil ei- 14 nes persönlich haftenden Gesellschafters für das Geschäftsjahr entfallende Verlust – ebenso wie Entnahmen – von dem Kapitalanteil abzuschreiben ist. Weil ein Verlust erst am Ende des Geschäftsjahrs feststeht, wohingegen Entnahmen während des Geschäftsjahrs und mithin zeitlich früher vorgenommen werden, sind vorrangig Entnahmen und erst dann ein Verlust vom Kapitalanteil abzuschreiben.6 Im Schrifttum wird § 264c Abs. 2 Satz 3 HGB unter Verweis auf den Wortlaut („ist … abzuschreiben“) teilweise als zwingende Vorschrift angesehen.7 Dieser Sichtweise ist indes entgegenzuhalten, dass § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB als Bilanzposten ausdrücklich auch „Verlustvortrag“ und „Jahresfehlbetrag“ vorsieht. Diese Bilanzposten wären nicht denkbar, wenn ein Verlust stets nach § 264c Abs. 2 Satz 3 HGB von dem Kapitalanteil abzuschreiben wäre. Richtigerweise ist daher von einem Wahlrecht auszugehen; ein Verlust kann entweder von dem Kapitalanteil abgeschrieben oder aber unter den Posten „III. Verlustvortrag“ und bzw. oder „IV. Jahresfehlbetrag“ offen ausgewiesen werden.8 Durch Verluste, die von dem Kapitalanteil des persönlich haftenden Gesellschafters abgeschrieben werden, 15 aber auch durch Entnahmen kann der Kapitalanteil negativ werden. Der Ausweis eines negativen Kapitalanteils in der Bilanz hängt davon ab, ob den Gesellschafter aufgrund des negativen Kapitalanteils eine Zahlungsverpflichtung trifft. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall. Ohne abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag besteht für die Gesellschafter einer Personengesellschaft eingedenk ihrer in § 128 HGB angeordneten persönlichen Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 707 BGB keine Nachschusspflicht.9 Auch Entnahmen können grundsätzlich in unbegrenzter Höhe vorgenommen werden (s. § 122 Abs. 1 HGB).10 Für den Fall, dass keine Zahlungsverpflichtung besteht, bestimmt § 264c Abs. 2 Satz 5 HGB, dass der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haf1 BT-Drucks. 14/1806, 20; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264c HGB Rz. 2; s. auch Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 11. 2 BT-Drucks. 14/1806, 20; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264c HGB Rz. 2; Wittmann/Zwirner/König in Petersen/ Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 8; s. auch IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 13 f.; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 9 (Stand Okt. 2013); v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (329); Wälzholz, DStR 2011, 1815 (1816), die allerdings die Dauerhaftigkeit der Überlassung nicht als Merkmal von Eigenkapital ansehen. 3 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 52; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (335); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 61 (Stand März 2015); Ley, KÖSDI 2014, 18891 Rz. 29; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 22. 4 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 45; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 17; Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 14; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 57 (Stand März 2015); Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 13. 5 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 45; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 17; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 13 (Stand Okt. 2013); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 20; Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 13. 6 Zutreffend IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 52; Bingel/Weidenhammer, DStR 2006, 675 (677); Böcking/ Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 12; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 21; Herrmann, WPg. 2001, 271 (277); Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 11; aA Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 62 (Stand März 2015). 7 ADS6, § 264c HGB Rz. 15; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 26; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (334); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 40. 8 Ebenso Theile, BB 2000, 555 (558); für die Verlustanteile von Kommanditisten auch Hempe, GmbHR 2000, 613 (615); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 20. 9 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 53; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (334); Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 397 (Stand Jan. 2015). 10 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 53; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (334 f.); Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 632 (Stand Jan. 2015).

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§ 264c Rz. 16 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften tender Gesellschafter“ zu bezeichnen und gem. § 268 Abs. 3 HGB am Schluss der Aktivseite der Bilanz auszuweisen ist.1 Bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung kann den Gesellschafter im Fall eines negativen Kapitalanteils jedoch eine Zahlungspflicht treffen.2 Eine solche kann sich auch aus dem Gesetz ergeben. Wenn bei einer GmbH & Co. KG durch eine Entnahme zugleich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der GmbH angegriffen wird, folgt eine gesetzliche Rückzahlungspflicht aus §§ 30, 31 GmbHG analog.3 Bei Bestehen einer Zahlungspflicht ist gem. § 264c Abs. 2 Satz 4 HGB der Verlust, soweit er den Kapitalanteil übersteigt, auf der Aktivseite unter der Bezeichnung „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ unter den Forderungen gesondert auszuweisen.4 16

Zwar gestattet § 264c Abs. 2 Satz 2 HGB, dass die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter zusammengefasst ausgewiesen werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn es sowohl positive als auch negative Kapitalanteile gibt. Wie sich aus dem in § 264c Abs. 2 Satz 4 HGB statuierten Gebot des gesonderten Ausweises negativer Kapitalanteile ergibt, dürfen in diesem Fall lediglich alle positiven sowie alle negativen Kapitalanteile zusammengefasst werden, nicht jedoch die positiven mit den negativen.5 Dies folgt letztlich auch aus dem Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB (dazu § 264 HGB Rz. 24 ff.).

III. Kapitalanteile der Kommanditisten 17

§ 264c Abs. 2 Satz 6 HGB ordnet die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des § 264c Abs. 2 Satz 2–5 HGB auf die Einlagen von Kommanditisten an, wobei diese insgesamt gesondert gegenüber den Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter auszuweisen sind. Die Kapitalanteile der Kommanditisten dürfen aber gem. § 264c Abs. 2 Satz 6 iVm. Satz 2 HGB durchaus zusammengefasst ausgewiesen werden.6 Im Unterschied zu den persönlich haftenden Gesellschaftern haben die Kommanditisten einer KG gem. § 161 Abs. 1 HGB zwingend eine bestimmte, im Gesellschaftsvertrag festgelegte Einlage an die Gesellschaft zu leisten. Von der nach dem Gesellschaftsvertrag zu leistenden Pflichteinlage zu unterscheiden ist die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme, die nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 1 HGB maßgeblich für den Umfang der Haftung des betreffenden Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ist. Für den Bilanzausweis der Kapitalanteile der Kommanditisten ist die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Pflichteinlage und nicht die im Handelsregister eingetragene Haftsumme maßgeblich.7 Soweit die Pflichteinlage noch nicht geleistet bzw. noch nicht eingefordert worden ist, richtet sich der Bilanzausweis auch bei Kommanditisten nach § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB8 (s. dazu Rz. 13). Nach § 264c Abs. 2 Satz 6 iVm. Satz 3 HGB ist der auf den Kapitalanteil eines Kommanditisten für das Geschäftsjahr entfallende Verlust von dem Kapitalanteil abzuschreiben; ebenso mindern Entnahmen den Kapitalanteil (s. auch § 167 Abs. 1 iVm. § 120 Abs. 2 HGB). Wahlweise kann ein Verlust auch – ebenso wie beim Komplementär (s. Rz. 14) – unter den Posten „III. Verlustvortrag“ und bzw. oder „IV. Jahresfehlbetrag“ offen ausgewiesen werden.

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Eine Forderung darf in Bezug auf den Kapitalanteil des Kommanditisten gem. § 264c Abs. 2 Satz 7 HGB nur ausgewiesen werden, soweit eine Einzahlungsverpflichtung besteht; dasselbe gilt, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei einem Kommanditisten besteht eine Zahlungspflicht gegenüber der Gesell1 Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 28; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 12; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 65 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 16. 2 S. IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 53; Herrmann, WPg. 2001, 271 (276). 3 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (674); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 53; Herrmann, WPg. 2001, 271 (276). Eingehend zur entsprechenden Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG Blaum in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 3318 ff. mwN (Stand Apr. 2013). 4 ADS6, § 264c HGB Rz. 20; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 12; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 16; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 22. 5 Zutreffend IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 44; ADS6, § 264c HGB Rz. 22; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 18; Herrmann, WPg. 2001, 271 (275); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 13; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (331 f.); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 66 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 15; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 21; aA wohl Bitter/Grashoff, DB 2000, 833 (835). 6 ADS6, § 264c HGB Rz. 16; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 15; Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264c HGB Rz. 2. 7 BT-Drucks. 14/1806, 20; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 23. 8 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 73 (Stand März 2015); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 30.

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C. Ausweis von Eigenkapital (Abs. 2)

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Rz. 21 § 264c

schaft aber grundsätzlich nur in Bezug auf die Pflichteinlage. Ebenso wie ein Komplementär (s. Rz. 15) ist auch ein Kommanditist gem. § 707 BGB nicht zu Nachschüssen verpflichtet. Wenn der Kommanditist seine Pflichteinlage in voller Höhe geleistet hat, trifft ihn im Grundsatz keine Zahlungspflicht gegenüber der Gesellschaft mehr, so dass in Bezug auf die Einlage keine Forderung auf der Aktivseite der Bilanz auszuweisen ist.1 Dies gilt auch dann, wenn durch eine Entnahme die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB wieder auflebt; denn diese Haftung besteht nur im Außenverhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern, nicht im Innenverhältnis zur Gesellschaft.2 Bei Fehlen einer Zahlungsverpflichtung ergibt sich aus § 264c Abs. 2 Satz 6 iVm. Satz 5 HGB, dass der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil der Kommanditisten“ zu bezeichnen und gem. § 268 Abs. 3 HGB am Schluss der Aktivseite der Bilanz auszuweisen ist.3 Eine Zahlungspflicht des Kommanditisten kann sich jedoch aus einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung ergeben.4 Wie ein persönlich haftender Gesellschafter (s. Rz. 15) ist der Kommanditist einer GmbH & Co. KG zudem analog §§ 30, 31 GmbHG zur Rückzahlung verpflichtet, wenn durch eine Entnahme zugleich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der GmbH angegriffen wird. Gem. § 264c Abs. 2 Satz 7 HGB ist dann im Umfang der Zahlungspflicht eine Forderung auf der Aktivseite der Bilanz auszuweisen.

IV. Nicht geleistete Einlagen des Kommanditisten § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB bestimmt, dass der Betrag der im Handelsregister gem. § 172 Abs. 1 HGB ein- 19 getragenen Einlagen der Kommanditisten im Anhang anzugeben ist, soweit diese nicht geleistet sind. Nach der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme bestimmt sich der Umfang der Haftung der Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (s. § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 1 HGB). Soweit der Wert der geleisteten Pflichteinlage hinter dem Betrag der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme zurückbleibt, bleibt die Haftung der Kommanditisten bestehen (zur Unterscheidung zwischen Pflichteinlage und Haftsumme s. Rz. 17). Dieser Differenzbetrag ist gem. § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB im Anhang anzugeben. Hierdurch sollen die Gesellschaftsgläubiger über die Höhe der Haftung des Kommanditisten informiert werden.5 Für die Angabe nach § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB ist die Haftsumme maßgeblich, die am Abschlussstichtag im Handelsregister eingetragen ist.6 Nach seinem Wortlaut erfasst § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB nur den Fall, dass der Wert der ursprünglich ge- 20 leisteten Pflichteinlage hinter dem Betrag der Haftsumme zurückbleibt oder die Pflichteinlage noch überhaupt nicht geleistet worden ist. Die Haftung des Kommanditisten lebt jedoch gem. § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB auch nach vollständiger Leistung der Pflichteinlage wieder auf, soweit die Einlage an den Kommanditisten zurückgezahlt wird oder der Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder durch die Entnahme herabgemindert wird. Jedenfalls dann, wenn – wie im Regelfall – in den Fällen des § 172 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB kein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft besteht und daher keine Forderung auszuweisen ist (dazu Rz. 18), muss auch hier eine Angabe im Anhang erfolgen.7 Im Fall der Entnahme von Gewinnanteilen gem. § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB ist § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB zu beachten. Danach sind bei der Berechnung des Kapitalanteils Beträge iSd. § 268 Abs. 8 HGB – also die für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens angesetzten Beträge sowie die über die Anschaffungskosten hinausgehenden Mehrbeträge für Deckungsvermögen iSd. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB – nicht zu berücksichtigen (s. dazu § 268 HGB Rz. 84 ff.).8 Umstritten ist die Behandlung der Konstellation, dass die Pflichteinlagen zwar noch nicht gezahlt, aber 21 bereits eingefordert sind. In diesem Fall werden die Einlagen gem. § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB im Eigenkapi1 BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rz. 11; v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NZG 2016, 424 Rz. 11; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (335); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 76 (Stand März 2015); aA ADS6, § 264c HGB Rz. 21. 2 BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rz. 9 ff.; v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NZG 2016, 424 Rz. 9 ff. 3 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 77 (Stand März 2015); Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 25; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 52. 4 S. BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rz. 8; v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NZG 2016, 424 Rz. 8. 5 BT-Drucks. 14/1806, 20. 6 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 102 (Stand März 2015); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 61. 7 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (674); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 35 f.; Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 18; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 19 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 97 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 21; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 60. 8 Näher dazu IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 38 f.

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§ 264c Rz. 22 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften tal und als Forderungen auf der Aktivseite ausgewiesen (s. Rz. 13, 17), so dass die Höhe der noch nicht geleisteten Pflichteinlagen und damit der Umfang der Haftung der Kommanditisten bereits aus der Bilanz ersichtlich sind. Aus diesem Grund wird von Teilen des Schrifttums eine zusätzliche Angabe im Anhang für entbehrlich gehalten; dort sei nur die Differenz zwischen Pflichteinlage und Haftsumme anzugeben.1 Allerdings verfolgt § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB den Zweck, den Gläubigern den Umfang der Haftung der Kommanditisten gleichsam auf einen Blick vor Augen zu führen. Überdies müssen auch nach dem Wortlaut des § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB alle Einlagen angegeben werden, „soweit diese nicht geleistet sind“, ohne dass es darauf ankommt, ob sie bereits eingefordert wurden. Demgemäß ist im Anhang die volle Differenz zwischen der Haftsumme und den tatsächlich geleisteten Einlagen anzugeben.2 Allerdings spricht nichts dagegen, bei der Angabe zusätzlich kenntlich zu machen, in welcher Höhe die noch nicht geleisteten Einlagen bereits eingefordert und daher in der Bilanz ausgewiesen wurden.3

V. Weitere Eigenkapitalposten 1. Rücklagen 22

§ 264c Abs. 2 Satz 1 HGB sieht für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB den weiteren Eigenkapitalposten „II. Rücklagen“ vor. Gem. § 264c Abs. 2 Satz 8 sind als Rücklagen nur solche Beträge auszuweisen, die aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung gebildet worden sind. Anderenfalls – ohne besondere gesellschaftsrechtliche Vereinbarung – können die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft den auf sie entfallenden Gewinnanteil nach der gesetzlichen Regelung jederzeit entnehmen (§ 122 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung kann in einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, aber auch in einem Beschluss der Gesellschafterversammlung liegen.4 Eine Rücklage kann beispielsweise für den Fall vorgesehen sein, dass ein neuer Gesellschafter für den Gesellschaftsanteil eine Vergütung gezahlt hat, die den Kapitalanteil des bisherigen Gesellschafters übersteigt.5 Eine weitere Untergliederung des Postens „Rücklagen“ oder eine Unterscheidung zwischen Komplementären und Kommanditisten sind nicht vorgeschrieben, aber durchaus zulässig.6 Wenn die oHG oder KG Rücklagen gebildet hat, sind angefallene Verluste im Zweifel zuerst von den Rücklagen und erst danach von den Kapitalanteilen abzusetzen.7

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Als weitere Eigenkapitalposten nennt § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB „III. Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ und „IV. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“. Wenngleich das Gesetz dies nicht explizit ausspricht, ist auch für diese Eigenkapitalposten nur im Fall einer entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung Raum. In Bezug auf Verluste sieht § 264c Abs. 2 Satz 3 HGB vor, das diese von dem Kapitalanteil abzuschreiben sind. Nach der hier vertretenen Ansicht besteht aber ein Wahlrecht der Gesellschaft; sie kann einen Verlust auch unter den Posten „Verlustvortrag“ und bzw. oder „Jahresfehlbetrag“ offen ausweisen (s. Rz. 14, 17).

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Was Gewinne anbelangt, so sind auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinne gem. § 120 Abs. 2 HGB dessen Kapitalanteil zuzuschreiben, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung trifft.8 Auch ein auf den Kommanditisten entfallender Gewinn ist grundsätzlich dem Kapitalanteil zuzuschreiben, allerdings nach § 167 Abs. 2 HGB nur, solange der Betrag der Pflichteinlage nicht er-

2. Gewinnvortrag/Verlustvortrag; Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag

1 So etwa ADS6, § 264c HGB Rz. 17; Theile, BB 2000, 555 (560); wohl auch v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (341). 2 Zutreffend IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 35; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 39; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 17; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 22; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 24; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 60; Zeyer, BB 2008, 1442 (1445). 3 Ebenso Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 101 (Stand März 2015); s. auch v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (341). 4 ADS6, § 264c HGB Rz. 26; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 26. 5 Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 19. 6 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (670, 673); Hoffmann, DStR 2000, 837 (839); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 26; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 34; s. auch Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 20. 7 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (674); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 51; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 19; v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (333). 8 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (670, 673); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 47; ADS6, § 264c HGB Rz. 15; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 59 (Stand März 2015); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 40.

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D. Privatvermögen der Gesellschafter und fiktiver Steueraufwand (Abs. 3)

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Rz. 26 § 264c

reicht ist.1 Darüber hinausgehende Gewinnanteile des Kommanditisten sind jederzeit entnahmefähig und auf dessen Privatkonto zu verbuchen; sie gehören zu den Verbindlichkeiten und damit zum Fremdkapital der KG.2 Auch im Übrigen können die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft den auf sie entfallenden Gewinnanteil nach der gesetzlichen Regelung jederzeit entnehmen (§ 122 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB). Mit der Geltendmachung dieses Gewinnentnahmerechts entstehen ein Gewinnanspruch des Gesellschafters und eine mit ihm korrespondierende Verbindlichkeit der Gesellschaft, die nicht mehr im Eigenkapital (Kapitalanteil), sondern im Fremdkapital auszuweisen ist.3 Gleiches gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass der Gewinnanteil sofort dem Entnahme- oder Privatkonto des betreffenden Gesellschafters zuzuschreiben ist.4 Im Regelfall verbleibt mithin kein unverteilter Gewinn für einen Gewinnvortrag oder einen Jahresüber- 25 schuss.5 Es wird dann ein Jahresabschluss nach Ergebnisverwendung gem. § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB aufgestellt.6 Wenn der Gesellschaftsvertrag aber vorsieht, dass die Gesellschafterversammlung über die Verwendung des gesamten Jahresüberschusses zu entscheiden hat, ist ein Jahresüberschuss auszuweisen, sofern der Gesellschafterbeschluss am Abschlussstichtag noch nicht ergangen ist.7 Ist die Verwendung des Jahresüberschusses im Gesellschaftsvertrag in Höhe eines Teilbetrags vorgegeben – etwa in der Weise, dass ein Teil des Gewinns in eine Rücklage einzustellen oder im Wege der Vorabausschüttung an die Gesellschafter auszuschütten ist –, dann muss in Höhe des noch nicht verwendeten Gewinns gem. § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB ein Bilanzgewinn ausgewiesen werden.8 Wenn der vorbehaltene Ergebnisverwendungsbeschluss der Gesellschafterversammlung bereits ergangen ist, sich aber nicht auf den gesamten Gewinn erstreckt, dann ist in Höhe des nicht verwendeten Betrags ein Gewinnvortrag auszuweisen.9

D. Privatvermögen der Gesellschafter und fiktiver Steueraufwand (Abs. 3) I. Keine Berücksichtigung von Privatvermögen und Steueraufwand der Gesellschafter (Abs. 3 Satz 1) Nach § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB darf bei Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB das sons- 26 tige Vermögen der Gesellschafter – das Privatvermögen – nicht in die Bilanz und die auf das Privatvermögen entfallenden Aufwendungen und Erträge dürfen nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen werden. Vielmehr werden nur das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft und die auf dieses entfallenden Aufwendungen und Erträge im Jahresabschluss ausgewiesen.10 Eine Parallelregelung für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des PublG fallen, findet sich in § 5 Abs. 4 PublG. Zum Privatvermögen der Gesellschafter gehören nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva, also Privatschulden; auch diese dürfen nicht in die Bilanz der oHG oder KG aufgenommen werden.11 Die Einbeziehung von Gegenständen des Privatvermögens der Gesellschafter in die Bilanz der oHG oder KG ist handelsbilanz1 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 47; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 75 (Stand März 2015). 2 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (671); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 47; ADS6, § 264c HGB Rz. 24; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 14; Herrmann, WPg. 2001, 271 (276); Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 24 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 75 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 24; zweifelnd Hempe, GmbHR 2000, 613 (615). 3 ADS6, § 264c HGB Rz. 15; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 21 f.; s. auch Bitter/Grashoff, DB 2000, 833 (835). 4 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 22 f.; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 44; s. auch BGH v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NZG 2016, 424 Rz. 23 ff. 5 ADS6, § 264c HGB Rz. 25; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 27; Wittmann/Zwirner/König in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264c HGB Rz. 22 f. 6 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (674); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 15; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 27; Herrmann, WPg. 2001, 271 (276); Hoffmann, DStR 2000, 837 (842); v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (334); Ley, KÖSDI 2014, 18891 Rz. 26. 7 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 48; ADS6, § 264c HGB Rz. 25; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 23; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 25 (Stand Okt. 2013); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 87 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 24. 8 Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (674); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 48; Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 23; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 24; s. auch Herrmann, WPg. 2001, 271 (277). 9 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 88 (Stand März 2015). 10 Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 28. 11 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 107 (Stand März 2015).

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§ 264c Rz. 27 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften rechtlich auch dann unzulässig, wenn es sich um Sonderbetriebsvermögen handelt, das in die steuerliche Gewinnermittlung einbezogen wird.1 Mit der Anordnung der strikten Trennung von Geschäfts- und Privatvermögen bei der Rechnungslegung kodifiziert § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB letztlich klarstellend einen allgemeinen GoB, der für Unternehmen aller Rechtsformen gilt.2 27

Speziell für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB soll § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB aber zugleich sicherstellen, dass nur jene Steuern Eingang in den Jahresabschluss der oHG oder KG finden, die die Gesellschaft als solche und nicht die Gesellschafter treffen.3 Subjekte der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sind gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Gesellschafter als Mitunternehmer und nicht die Gesellschaft; demgemäß dürfen die Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht im Jahresabschluss der oHG oder KG berücksichtigt werden.4 Dagegen ist Schuldnerin der Gewerbesteuer gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG die oHG oder KG als solche; Gewerbesteuerschulden bzw. -aufwand sind daher im Jahresabschluss der oHG oder KG auszuweisen.5 Weitere Steuern, bei denen die Personenhandelsgesellschaft als solche Steuersubjekt ist, sind zB die Umsatzsteuer (s. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG) oder die Grundsteuer (§ 10 Abs. 1 GrStG).6 Soweit ein Steueraufwand im Jahresabschluss der Personenhandelsgesellschaft zu berücksichtigen ist, hat der Ausweis bei den in § 275 Abs. 2, 3 HGB vorgegebenen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen. Beispielsweise ist Gewerbesteueraufwand bei den „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 14, Abs. 3 Nr. 13 HGB) und Grundsteueraufwand bei den „sonstigen Steuern“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 16, Abs. 3 Nr. 15 HGB) auszuweisen.7

II. Berücksichtigung eines fiktiven Steueraufwands (Abs. 3 Satz 2) 28

Das sich aus § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB ergebende Verbot der Berücksichtigung eines Einkommen- oder Körperschaftsteueraufwands im Jahresabschluss der oHG oder KG bewirkt allerdings eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften. Bei Letzteren findet der Körperschaftsteueraufwand ohne Weiteres Eingang in den Jahresabschluss. Vor diesem Hintergrund bestimmt § 264c Abs. 3 Satz 2 HGB, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung der unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden oHG oder KG nach dem Posten „Jahresüberschuss/-fehlbetrag“ ein dem Steuersatz der Komplementärgesellschaft entsprechender fiktiver Steueraufwand oder -ertrag der Gesellschafter offen abgesetzt oder hinzugerechnet werden darf. Dies ist allerdings nicht zwingend; vielmehr begründet § 264c Abs. 3 Satz 2 HGB ein Wahlrecht der Gesellschaft.8 Der Posten kann beispielsweise als „fiktiver Körperschaftsteueraufwand/-ertrag“ und der anschließende Saldoposten als „Jahresüberschuss/-fehlbetrag nach fiktivem Körperschaftsteueraufwand/-ertrag“ bezeichnet werden.9 Durch die in § 264c Abs. 3 Satz 2 HGB gestattete Berücksichtigung eines fiktiven Steueraufwands soll die Ungleichbehandlung von Personenhandels- im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften gemildert und die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse erhöht werden.10

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In den Fällen des § 264a Abs. 1 HGB ist die Komplementärgesellschaft ein Körperschaftsteuersubjekt, so dass der Steueraufwand sich bemisst nach dem Körperschaftsteuersatz von 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG) zuzüglich des Solidaritätszuschlags von 5,5 % der festgesetzten Körperschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Satz 1 SolZG).11 Die genannten inländischen Steuersätze sind auch dann maßgeblich, wenn es sich bei der Komplementärgesellschaft um eine im Ausland ansässige Körperschaft handelt.12 Auch die – fiktive – Bemessungsgrundlage ist nach körperschaftsteuerlichen Regeln und mithin nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 1 IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 12; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 46; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 26. 2 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 108 (Stand März 2015). 3 BT-Drucks. 14/1806, 21; IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 32; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 28; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 28. 4 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 28; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 109 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 26. 5 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 28; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 71. 6 ADS6, § 264c HGB Rz. 28; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 31 (Stand Okt. 2013). 7 BT-Drucks. 14/1806, 21; ADS6, § 264c HGB Rz. 28; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 31 (Stand Okt. 2013); Theile, BB 2000, 555 (560). 8 Merkt in Hopt/Merkt, § 264c HGB Rz. 3. 9 Ähnlich IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189, Rz. 58; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 28; Schmidt/ Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 75. 10 BT-Drucks. 14/1806, 21. 11 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 117 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 27; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 29. 12 Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 73.

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E. Anteile an Komplementärgesellschaften (Abs. 4)

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Rz. 32 § 264c

Satz 1 KStG iVm. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zu ermitteln.1 Bei dem bilanziellen Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist allerdings ein Sonderbetriebsvermögen wegen § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB nicht zu berücksichtigen.2

E. Anteile an Komplementärgesellschaften (Abs. 4) Nach § 264c Abs. 4 Satz 1 HGB sind Anteile an Komplementärgesellschaften in der Bilanz auf der Aktiv- 30 seite unter den in § 266 Abs. 2 HGB aufgeführten Posten A.III.1. (Anteile an verbundenen Unternehmen) oder A.III.3. (Beteiligungen) auszuweisen. Gem. § 264c Abs. 4 Satz 2 HGB ist § 272 Abs. 4 HGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass für diese Anteile in Höhe des aktivierten Betrags nach dem Posten „Eigenkapital“ ein Sonderposten unter der Bezeichnung „Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile“ zu bilden ist. Die Regelung des § 264c Abs. 4 HGB betrifft in erster Linie die Fälle einer sog. Einheits-GmbH & Co. KG, bei der die KG die Anteile an ihrer eigenen Komplementär-GmbH hält.3 § 264c Abs. 4 HGB greift in jedem Fall ein, wenn die KG unmittelbar an ihrer eigenen Komplementär-GmbH beteiligt ist. In der Literatur wird § 264c Abs. 4 HGB teilweise auch auf den Fall angewendet, dass die KG die Anteile an der Komplementärgesellschaft mittelbar über eine Tochtergesellschaft hält.4 Einige Vertreter des Schrifttums wollen § 264c Abs. 4 HGB zudem auf die Konstellation anwenden, dass sich die Personenhandelsgesellschaft nicht an der Komplementärgesellschaft, sondern an ihrem Kommanditisten beteiligt.5 Für beide Erweiterungen des Anwendungsbereichs des § 264c Abs. 4 HGB fehlt jedoch jede Stütze im Gesetz. Trotz mehrfacher Änderungen des § 264c HGB hat der Gesetzgeber den Wortlaut des Abs. 4 unverändert gelassen und so die in der Literatur vorgeschlagene Erweiterung implizit abgelehnt. Eine Anwendung des § 264c Abs. 4 HGB auf Fälle der mittelbaren Beteiligung am Komplementär bzw. der Beteiligung am Kommanditisten ist daher abzulehnen.6 Der in § 264c Abs. 4 Satz 1 HGB vorgeschriebene Bilanzausweis hat bei Vorliegen eines Mutter-Tochter- 31 Verhältnisses zwischen der KG und der Komplementärgesellschaft unter dem Posten A.III.1. und bei Fehlen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses unter dem Posten A.III.3. zu erfolgen.7 Der Ausweis kann entweder durch einen gesonderten Unterposten, durch einen „davon“-Vermerk oder durch Angaben im Anhang vorgenommen werden.8 Die in § 264c Abs. 4 Satz 2 iVm. § 272 Abs. 4 HGB angeordnete Bildung eines Sonderpostens „Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile“ für Anteile der KG an ihrer eigenen Komplementärgesellschaft trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Einheits-GmbH & Co. KG zwar im Eigenkapital ein Kapitalanteil der GmbH an der KG ausgewiesen wird, bei wirtschaftlicher Betrachtung aber keine Einlageleistung der GmbH zugrunde liegt, weil die Einlage der GmbH indirekt aus den eigenen Mitteln der – ihrerseits an der GmbH beteiligten – KG aufgebracht wird.9 Durch den Sonderposten nach § 264c Abs. 4 Satz 2 iVm. § 272 Abs. 4 HGB soll verdeutlicht werden, dass das ausgewiesene Eigenkapital im Umfang des Sonderpostens nicht durch eine zusätzliche Einlageleistung gedeckt ist; dementsprechend werden die auf der Aktivseite ausgewiesenen Anteile durch den passivischen Sonderposten neutralisiert.10 Der Sonderposten ist grundsätzlich zu Lasten des Kapitalanteils der Komplementärgesellschaft zu bilden.11 Nach dem darge1 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 118 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 27; s. auch IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189, Rz. 33. 2 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 32 (Stand Okt. 2013). 3 Allgemein zur Einheits-GmbH & Co. KG Normann, GmbH-StB 2014, 237 ff.; Werner, StBW 2011, 810 ff.; Zeyer, BB 2008, 1442 ff.; s. auch Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 30. 4 Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 33; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 88; aA IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 17. 5 Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 37 (Stand Okt. 2013); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 83; differenzierend Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 32. 6 Ebenso Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 33. 7 Theile, BB 2000, 555 (559). 8 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 26; Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 127 (Stand März 2015); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 29. 9 S. BT-Drucks. 14/1806, 21; ADS6, § 264c HGB Rz. 29; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 31; Schmidt/ Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 83. 10 Eingehend dazu Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 131 ff. (Stand März 2015); s. auch BTDrucks. 14/1806, 21; ADS6, § 264c HGB Rz. 29. 11 ADS6, § 264c HGB Rz. 30; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264c HGB Rz. 29 ff.; Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 54; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 35 (Stand Okt. 2013); aA Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668 (674); IDW RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 16; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264a–264c Rz. 31; Zeyer, BB 2008, 1442 (1445): Bildung des Sonderpostens zu Lasten aller Kapitalanteile; so wohl auch Bitter/Grashoff, DB 2000, 833 (836).

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§ 264c Rz. 33 | Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften legten Sinn und Zweck der Regelung des § 264c Abs. 4 Satz 2 HGB ist die Bildung eines Sonderpostens entbehrlich, wenn die Komplementärgesellschaft gar keine Einlage an die KG geleistet hat und deshalb auch kein Kapitalanteil ausgewiesen wird.1

F. Folgen der Ausübung eines Wahlrechts nach § 266 Abs. 1 Satz 3, 4 HGB (Abs. 5) 33

§ 264c Abs. 5 HGB ist durch das MicroBilG von 20122 eingefügt worden, mit dem der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Micro-Bilanzrichtlinie3 umgesetzt hat. Die Vorschrift betrifft den Fall, dass es sich bei der Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB um eine kleine Gesellschaft iSd. § 267 Abs. 1 HGB oder um eine Kleinstgesellschaft iSd. § 267a HGB handelt und die Gesellschaft von einem Wahlrecht nach § 266 Abs. 1 Satz 3 oder Satz 4 HGB Gebrauch macht. Für diesen Fall bestimmt § 264c Abs. 5 Satz 1 HGB, dass sich die Gliederung der verkürzten Bilanz nach der Ausübung dieses Wahlrechts richtet. Gem. § 264c Abs. 5 Satz 2 HGB bleibt die Ermittlung der Bilanzposten nach § 264c Abs. 1–4 HGB unberührt.

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Nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB brauchen kleine Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1, § 267 Abs. 1 HGB nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die lediglich die in § 266 Abs. 2, 3 HGB mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden (näher dazu § 266 HGB Rz. 8). § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB räumt Kleinstpersonenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1, § 267a HGB das Wahlrecht ein, eine noch stärker verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in § 266 Abs. 2, 3 HGB mit Buchstaben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden (näher dazu § 266 HGB Rz. 9). Für den Fall, dass die oHG oder KG eines dieser Wahlrechte ausübt, stellt § 264c Abs. 5 Satz 1 HGB klar, dass sich die Gliederungstiefe der verkürzten Bilanz nach der Ausübung dieses Wahlrechts richtet.4 Die in § 264c Abs. 1–4 HGB für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB vorgeschriebenen zusätzlichen Angaben hindern diese Gesellschaften also nicht, in Ausübung eines Wahlrechts nach § 266 Abs. 1 Satz 3 oder Satz 4 HGB eine verkürzte Bilanz mit einer geringeren Gliederungstiefe aufzustellen; die Wahlrechte werden durch das Erfordernis der zusätzlichen Angaben mithin nicht konterkariert.

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Gem. § 264c Abs. 5 Satz 2 HGB bleibt die Ermittlung der Bilanzposten nach § 264c Abs. 1–4 HGB jedoch unberührt. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung müssen entgegen der hM auch kleine und Kleinstpersonenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB, die eine verkürzte Bilanz aufstellen, die in § 264c Abs. 1–4 HGB geforderten Angaben machen, freilich ggf. innerhalb der vereinfachten Gliederung, hilfsweise im Anhang.5 Insbes. müssen auch kleine und Kleinstpersonenhandelsgesellschaften die in § 264c Abs. 1 HGB vorgeschriebenen Angaben zu Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in den Jahresabschluss aufnehmen.6 Ebenso gilt das Gebot des gesonderten Ausweises der Kapitalanteile von persönlich haftenden Gesellschaftern einerseits und Kommanditisten andererseits (§ 264c Abs. 2 Satz 6 HGB; dazu Rz. 17) auch für Kleinstgesellschaften; zumindest müssen diese nähere Erläuterungen im Anhang geben.7 Wenn Kleinstpersonenhandelsgesellschaften gem. § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB keinen Anhang aufstellen (dazu § 264 HGB Rz. 21 f.), müssen sie die erforderlichen Angaben unter der Bilanz machen.8

1 Zutreffend Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 37 (Stand Okt. 2013); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264c HGB Rz. 32; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264c HGB Rz. 87; Zeyer, BB 2008, 1442 (1444); aA wohl v. Kanitz, WPg. 2003, 324 (329). 2 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2751. 3 Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/ EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben, ABl. EU 2012 Nr. L 81, 3. 4 BT-Drucks. 17/11292, 17. 5 AA Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (109); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 36; unklar BT-Drucks. 17/11292, 17. 6 Zutreffend Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 150 (Stand März 2015); wohl auch Hoffmann, StuB 2012, 729 (730); aA Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (109); Graf/Bisle in MünchKomm. BilR, § 264c HGB Rz. 59; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264c HGB Rz. 36; Ischebeck/Nissen-Schmidt in HdR, § 264c HGB Rz. 39 (Stand Okt. 2013); Zwirner/Froschhammer, StuB 2013, 83 (85). 7 AA Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 153 (Stand März 2015). 8 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264c HGB Rz. 152 (Stand März 2015).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 2 § 264d

§ 264d Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft Eine Kapitalgesellschaft ist kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinn des § 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begriff der kapitalmarktorientierten Gesellschaft

__ _ _ 1 2 3 4

_ _ _ _ 6

I. Organisierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inanspruchnahme durch selbst ausgegebene Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung zu börsennotierten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besondere Regeln für kapitalmarktorientierte Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .

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11 13

Literatur: Döge/Jobst, Aktienrecht zwischen börsen- und kapitalmarktorientiertem Ansatz, BKR 2010, 136; Zwirner, Kapitalmarktorientierung – Legaldefinition und Rechtsfolgen, KoR 2010, 1; Zwirner, Kapitalmarktorientierung versus Börsennotierung, PiR 2010, 93.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 264d HGB enthält eine für das gesamte Handelsbilanzrecht gültige Legaldefinition des Begriffs der kapi- 1 talmarktorientierten Kapitalgesellschaft. In erster Linie fällt unter diesen Begriff die börsennotierte AG, KGaA oder SE. Allerdings sind die Begriffe „börsennotiert“ und „kapitalmarktorientiert“ nicht deckungsgleich; insbes. können Unternehmen, die nicht die Rechtsform einer AG, KGaA oder SE haben, zwar nicht börsennotiert iSd. § 3 Abs. 2 AktG, wohl aber kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB sein (näher Rz. 11 f.). Das Handelsbilanzrecht sieht speziell für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften eine Reihe von Sonderregeln vor, die im Vergleich zu den für alle Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften strenger sind. Zudem bestimmt § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB, dass eine Kapitalgesellschaft iSd. § 264d HGB stets als große Kapitalgesellschaft gilt. Damit unterliegen kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften zugleich den – ebenfalls strengeren – Regelungen für große Kapitalgesellschaften.

II. Bedeutung und Zweck Die strengeren Rechnungslegungsvorschriften für kapitalmarktorientierte Unternehmen tragen dem Um- 2 stand Rechnung, dass diese Unternehmen sich zur Deckung ihres Kapitalbedarfs öffentlich an ein breites Anlegerpublikum wenden und daher ein erhöhtes Informationsinteresse der Marktteilnehmer besteht.1 Überdies handelt es sich regelmäßig um Unternehmen von einer größeren gesamtwirtschaftlichen Bedeutung; auch dies rechtfertigt die Anwendung strengerer Rechnungslegungsregeln.2 Durch die Festlegung einer einheitlichen Legaldefinition der kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft in einer einzigen Vorschrift – der des § 264d HGB – kann in den für diese Gesellschaften geltenden Einzelvorschriften ohne neuerliche Definition auf § 264d HGB verwiesen werden, wodurch der Gesetzestext nach dem Willen des Gesetzgebers schlanker und besser lesbar werden sollte.3 Ob dieses Ziel erreicht wurde, erscheint freilich zweifelhaft. Denn § 264d HGB nimmt auf die schwerfälligen Begriffsbestimmungen des § 2 Abs. 1, 5 WpHG Bezug, die alles andere als gut lesbar sind. Obendrein zwingt die vom Gesetzgeber in § 264d HGB angewendete Verweisungstechnik dazu, sich die Definition der kapitalmarktorientierten Gesellschaft aus verschiedenen Gesetzen zusammenzupuzzeln.

1 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264d HGB Rz. 2. 2 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 1 (Stand Jan. 2017). 3 BT-Drucks. 16/10067, 63; s. auch Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 2 (Stand Jan. 2017).

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§ 264d Rz. 3 | Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

§ 264d HGB gilt in erster Linie für Kapitalgesellschaften, über § 264a Abs. 1 HGB aber auch für Personenhandelsgesellschaften iS dieser Vorschrift1 (dazu § 264a HGB Rz. 8 ff.). Über den Verweis in § 5 Abs. 2a Satz 1 PublG ist § 264d HGB sinngemäß auch auf Unternehmen anwendbar, die in den Anwendungsbereich des PublG fallen.

IV. Rechtsentwicklung und europarechtliche Grundlagen 4

Bei Erlass des BiRiLiG von 19852, mit dem der deutsche Gesetzgeber ua. die BilRL 19783 umgesetzt hat, enthielt § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB aF eine Begriffsbestimmung, die der jetzt in § 264d HGB geregelten Legaldefinition weitgehend entsprach, allerdings noch nicht ausdrücklich den Begriff der kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft verwendete. Durch das KapCoRiLiG von 20004 hat der Gesetzgeber § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB aF neu gefasst; durch das BilMoG von 20095 wurde er dann ohne weitere inhaltliche Änderungen in den neu erlassenen § 264d HGB überführt. Mit der Überführung der Legaldefinition in die übergreifende Regelung des § 264d HGB wollte der Gesetzgeber den Gesetzestext schlanker und besser lesbar machen (s. bereits Rz. 2). Durch das BilRUG von 20156, mit dem die neue BilRL 20137 umgesetzt wurde, ist § 264d HGB nur redaktionell, nicht jedoch inhaltlich geändert worden.

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Die heute in § 264d HGB enthaltene Legaldefinition und die besonderen Vorschriften für kapitalmarktorientierte Gesellschaften gehen auf die Vorgaben der BilRL 1978 bzw. der BilRL 2013 zurück. Art. 53a BilRL 1978 bestimmte, dass eine Reihe von in der Richtlinie geregelten Befreiungen und Erleichterungen nicht den Gesellschaften gewährt werden durften, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt iSd. Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Kapitalmarktrichtlinie von 2004 (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID)8 zugelassen sind. Auch die BilRL 2013 sieht in Bezug auf „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ ua. in Art. 16, 17, 19a zusätzliche Angabepflichten und in Art. 40 ein Verbot von Erleichterungen und Befreiungen vor. Zu den „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ gehören nach der Legaldefinition des Art. 2 Nr. 1 Buchst. a BilRL 2013 auch Unternehmen, die unter das Recht eines Mitgliedstaats fallen und deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats iSd. Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 MiFID zugelassen sind. Nach letzterer Vorschrift ist geregelter Markt ein „von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gem. den Bestimmungen der Art. 36–47 MiFID funktioniert“. Auf diese – unnötig komplizierte – Definition des geregelten Markts geht die Bestimmung des Begriffs des organisierten Markts in § 2 Abs. 5 WpHG zurück, auf die § 264d HGB Bezug nimmt (dazu noch Rz. 6 f.).

B. Begriff der kapitalmarktorientierten Gesellschaft I. Organisierter Markt 6

Nach der Legaldefinition des § 264d HGB ist eine Kapitalgesellschaft kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat. Im Einklang mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 MiFID (dazu Rz. 5) definiert § 2 Abs. 5 WpHG als organisierten Markt „ein im Inland, in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem anderen EWR1 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264d HGB Rz. 1; Reiner in MünchKomm. HGB3, §§ 264d HGB Rz. 2. 2 Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 3 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11. 4 Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154; dazu Strobel, DB 2000, 53 ff. 5 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 6 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 7 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 19. 8 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU 2004 Nr. L 145, 1.

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B. Begriff der kapitalmarktorientierten Gesellschaft

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Rz. 9 § 264d

Vertragsstaat betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt“.1 Zentrale Merkmale des organisierten Markts sind danach die staatliche Überwachung, das Stattfinden eines kontinuierlichen Handels und die grundsätzliche öffentliche Zugänglichkeit.2 Ein organisierter Markt ist in Deutschland nur die Börse als regulierter Markt iSd. §§ 32 ff. BörsG ein- 7 schließlich etwaiger Teilsegmente (zB Prime Standard und General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse), nicht jedoch der Freiverkehr iSd. § 48 BörsG3 (zB Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse).4 Unter § 264d HGB iVm. § 2 Abs. 5 WpHG fallen indes nicht nur inländische Börsen, sondern auch ihnen entsprechende organisierte Märkte in anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaaten.5 Dagegen sind Unternehmen, deren Wertpapiere lediglich zu einem organisierten Markt in einem Drittstaat, etwa zum Handel an der US-amerikanischen New York Stock Exchange, zugelassen sind, nicht kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB.6 Solche Unternehmen können aber börsennotiert iSd. § 3 Abs. 2 AktG sein (dazu noch Rz. 11 f.). Von § 264d HGB erfasst werden in erster Linie die börsennotierte AG, KGaA oder SE, sofern die Börsennotierung an einer Börse in Deutschland oder im EU- oder EWR-Ausland erfolgt ist. Allerdings ist der Begriff der kapitalmarktorientierten Gesellschaft nicht auf diese Gesellschaften beschränkt, sondern schließt auch GmbH sowie Personengesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB ein, sofern diese für von ihnen selbst ausgegebene Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG, beispielsweise Anleihen, einen organisierten Markt in Anspruch nehmen7 (dazu sogleich Rz. 8 ff.). Schließlich können auch Gesellschaften entsprechender ausländischer Rechtsformen, die einen organisierten Markt in Anspruch nehmen, unter § 264d HGB fallen, sofern das deutsche Bilanzrecht auf sie anwendbar ist.8

II. Inanspruchnahme durch selbst ausgegebene Wertpapiere Die Eigenschaft als kapitalmarktorientierte Gesellschaft setzt voraus, dass die betreffende Gesellschaft den 8 organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr selbst ausgegebene Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt. In Anspruch genommen wird der organisierte Markt, wenn die Wertpapiere der Gesellschaft bereits zum Handel an der Börse zugelassen und damit an der Börse notiert sind.9 Dies muss auf einen eigenen Antrag der Gesellschaft zurückzuführen sein; mithin begründet die Einbeziehung der Wertpapiere auf Antrag eines Handelsteilnehmers oder von Amts wegen (§ 33 BörsG) nicht die Eigenschaft als kapitalmarktorientierte Gesellschaft iSd. § 264d HGB.10 Auch der Umstand, dass eine Tochtergesellschaft mit ihren Wertpapieren an der Börse notiert ist, reicht nicht aus, um der Muttergesellschaft die Eigenschaft als kapitalmarktorientierte Gesellschaft zu verleihen.11 Nach der von § 264d HGB in Bezug genommenen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 WpHG sind Wertpapiere 9 „alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind“. Zentrale Merkmale des Wertpapierbegriffs des § 2 Abs. 1 WpHG sind die Standardisierung, die Übertragbarkeit und die marktmäßige Handelbarkeit des Rechts.12 § 2 Abs. 1 WpHG bestimmt ausdrücklich, dass es auf eine Verbriefung des betreffenden Rechts nicht an1 Eingehend zum Begriff des organisierten Markts iSd. § 2 Abs. 5 WpHG Fuchs in Fuchs, WpHG2, § 2 Rz. 155 ff. 2 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 11 (Stand Jan. 2017); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264d HGB Rz. 4; Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 17 ff. 3 Näher zum Freiverkehr Lenenbach, Kapitalmarktrecht2, Rz. 3.208 ff. 4 Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264d HGB Rz. 3; Ellerich in HdR, § 264d HGB Rz. 7 (Stand Aug. 2010); Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264d HGB Rz. 3; Müller in Haufe BilKomm.7, § 264d HGB Rz. 4; Zwirner, KoR 2010, 1 (3). 5 Eine Liste aller Märkte innerhalb der EU, die als geregelte Märkte iSd. Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 MiFID anzusehen sind, ist abrufbar unter https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_registers_mifid_rma. 6 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 13 (Stand Jan. 2017); Müller in Haufe BilKomm.7, § 264d HGB Rz. 4. 7 Merkt in Hopt/Merkt, BilR, § 264d HGB Rz. 1; Suchan in MünchKomm. BilR, § 264d HGB Rz. 23. 8 S. dazu Stöber in Schall, Companies Act, ssec. 380–474 Rz. 72 ff. 9 Suchan in MünchKomm. BilR, § 264d HGB Rz. 21. 10 Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 15 (Stand Jan. 2017); Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 24. 11 Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 1; Suchan in MünchKomm. BilR, § 264d HGB Rz. 21; Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 5; Zwirner, KoR 2010, 1. 12 Näher dazu BT-Drucks. 16/4028, 53 f.; Suchan in MünchKomm. BilR, § 264d HGB Rz. 6 ff.; Zwirner in Petersen/ Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 11 ff.; Zwirner, PiR 2010, 93.

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§ 264d Rz. 10 | Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft kommt („auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind“). Entbehrlich ist allerdings nur die Einzelverbriefung, wohingegen eine Sammel- oder Globalurkunde erforderlich ist.1 Nach der nicht abschließenden Aufzählung in § 2 Abs. 1 WpHG sind Wertpapiere insbes. Aktien (Nr. 1), andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie Aktien vergleichbar sind, und Zertifikate, die Aktien vertreten (Nr. 2), sowie Schuldtitel, insbes. Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten (Nr. 3 Buchst. a), und sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpHG berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird (Nr. 3 Buchst. b).2 10

Für die Inanspruchnahme des organisierten Markts kommt es auf den Abschlussstichtag an.3 Wenn die Börsenzulassung im Laufe des Geschäftsjahrs – beispielsweise durch einen vollständigen Börsenrückzug (sog. Delisting) oder ein sog. Downlisting von der Börse in den Freiverkehr4 – geendet hat, muss die Gesellschaft für ihre Rechnungslegung für dieses Geschäftsjahr nicht mehr die strengeren Vorschriften für kapitalmarktorientierte Gesellschaften einhalten.5 Dagegen lässt es die Pflicht zur Beachtung der Sonderregeln für kapitalmarktorientierte Gesellschaften nicht entfallen, wenn die Börsennotierung der Gesellschaft kurz nach dem Abschlussstichtag endet.6 Allerdings reicht es gem. § 264d HGB für die Eigenschaft als kapitalmarktorientierte Gesellschaft aus, wenn die Gesellschaft bis zum Abschlussstichtag die Zulassung von Wertpapieren iSd. § 2 Abs. 1 WpHG zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat. Demgemäß müssen die besonderen Vorschriften für kapitalmarktorientierte Gesellschaften bereits bei dem Abschluss für dasjenige Geschäftsjahr befolgt werden, in dem der Antrag auf Börsenzulassung gestellt worden ist, selbst wenn die Zulassung am Abschlussstichtag noch nicht erfolgt ist.7

III. Abgrenzung zu börsennotierten Gesellschaften 11

Das Handelsbilanzrecht sieht nicht nur für kapitalmarktorientierte Gesellschaften iSd. § 264d HGB, sondern auch für börsennotierte Unternehmen eine Reihe von strengeren Regeln vor.8 Der Begriff der Börsennotierung ist in § 3 Abs. 2 AktG definiert. Nach dieser Vorschrift ist eine AG börsennotiert, wenn ihre Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Wenngleich der Begriff der Börsennotierung danach deutliche Übereinstimmungen mit dem der Kapitalmarktorientierung aufweist, ist er im Vergleich zu diesem teils enger, teils weiter.

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Enger ist der Begriff der Börsennotierung insofern, als § 3 Abs. 2 AktG maßgeblich darauf abstellt, dass es sich bei dem Unternehmen um eine AG, KGaA oder SE und bei den zum organisierten Markt zugelassenen Wertpapieren um eigene Aktien der betreffenden Gesellschaft handelt. Demgegenüber kann ein Unternehmen auch dann kapitalmarktorientiert sein, wenn es eine andere Rechtsform als die einer AG hat und wenn es sich um andere Wertpapiere als Aktien handelt.9 Demgemäß ist eine Gesellschaft, die einen organisierten Markt nur für Schuldverschreibungen in Anspruch nimmt, nicht börsennotiert iSd. § 3 Abs. 2 AktG; sie ist aber kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB, sofern es sich um einen Markt in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat handelt.10 Weiter ist der Begriff der Börsennotierung insofern, als § 3 Abs. 2 AktG im Unterschied zu § 264d HGB nicht voraussetzt, dass sich der Markt in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat befindet. Ein Unternehmen, dessen Wertpapiere lediglich zu einem organisierten Markt in einem Drittstaat außerhalb der EU und des EWR zugelassen sind, ist zwar nicht kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB (s. Rz. 7), wohl aber börsennotiert iSd § 3 Abs. 2 AktG.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Suchan in MünchKomm. BilR, § 264d HGB Rz. 10. Eingehend zu Begriff und Arten von Wertpapieren iSd. § 2 Abs. 1 WpHG Fuchs in Fuchs, WpHG2, § 2 Rz. 8 ff. Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 1. Dazu Stöber, BB 2014, 9 ff. mwN. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 264d HGB Rz. 3; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 1; s. auch Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 23. AA Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 1. Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 14 (Stand Jan. 2017); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 1; Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 23. S. dazu Müller in Haufe BilKomm.7, § 264d HGB Rz. 3; Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 6 f.; Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 6; Zwirner, PiR 2010, 93 (95). S. Zwirner in Petersen/Zwirner/Brösel, Praxiskomm. BilR3, § 264d HGB Rz. 34. Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR3, § 264d HGB Rz. 9; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 264d Rz. 5. Ellerich in HdR, § 264d HGB Rz. 11 (Stand Aug. 2010); Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 55 (Stand Jan. 2017); Schmidt/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 264d HGB Rz. 6.

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C. Besondere Regeln für kapitalmarktorientierte Gesellschaften

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Rz. 16 § 264d

C. Besondere Regeln für kapitalmarktorientierte Gesellschaften Nach § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB gilt eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft iSd. § 264d HGB stets als 13 große Kapitalgesellschaft mit der Folge, dass sie zwingend die Rechnungslegungsvorschriften für große Kapitalgesellschaften befolgen muss, die im Vergleich zu den für andere Kapitalgesellschaften geltenden Regeln strenger sind. Darüber hinaus sieht das Gesetz speziell für kapitalmarktorientierte Gesellschaften iSd. § 264d HGB eine Reihe von weiteren, nochmals strengeren Sondervorschriften vor.1 So verpflichtet § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern (dazu § 264 HGB Rz. 13 ff.). Gem. § 286 Abs. 3 Satz 3 HGB bzw. gem. § 313 Abs. 3 Satz 3 HGB darf eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft die Angaben im Anhang nach § 285 Nr. 11, 11b HGB bzw. die Angaben im Konzernanhang nach § 313 Abs. 2 HGB auch dann nicht unterlassen, wenn diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Nach § 289 Abs. 4 HGB haben Gesellschaften iSd. § 264d HGB im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu beschreiben. In Umsetzung der CSR-Richtlinie der EU2 wurden durch das CSR-RL-UmsG von 20173 ua. die §§ 289b–289e HGB und die §§ 315b, 315c HGB eingeführt. Nach Maßgabe dieser Vorschriften sind bestimmte kapitalmarktorientierte Gesellschaften iSd. § 264d HGB verpflichtet, ihren Lagebericht bzw. ihren Konzernlagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern. § 290 Abs. 1 Satz 2 HGB verkürzt die Frist für die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts auf vier Monate, wenn das Mutterunternehmen eine Gesellschaft iSd. § 264d HGB und keine Gesellschaft iSd. § 327a HGB ist. Ein kapitalmarktorientiertes Mutterunternehmen kann sich gem. § 291 Abs. 3 Nr. 1 bzw. gem. § 293 Abs. 5 HGB nicht auf die Befreiung von der Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts nach § 291 Abs. 1 bzw. nach § 293 Abs. 1–4 HGB berufen. Nach § 315 Abs. 4 HGB ist im Konzernlagebericht eines kapitalmarktorientierten Mutterunternehmens auch einzugehen auf die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Konzernrechnungslegungsprozess. § 315e Abs. 1, 2 HGB iVm. Art. 4 IAS-VO4 verpflichtet alle kapitalmarktorientierten Gesellschaften, die dem Recht eines EU-Mitgliedstaats unterliegen, ihre Konzernabschlüsse nach den von der EU-Kommission für verbindlich erklärten IFRS aufstellen.

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§ 317 Abs. 3a HGB ordnet an, dass auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen, die kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB sind, vorrangig die Vorschriften der EU-Abschlussprüfungsverordnung5 anzuwenden sind. § 319a Abs. 1 HGB regelt zusätzliche, zu denen der § 319 Abs. 2 und 3 HGB hinzutretende Gründe für den Ausschluss eines Wirtschaftsprüfers von der Abschlussprüfung eines Unternehmens, das kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB ist. Nach § 324 Abs. 1 Satz 1 HGB sind kapitalmarktorientierte Unternehmen, die keinen Aufsichts- oder Verwaltungsrat haben, der die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllen muss, verpflichtet, einen Prüfungsausschuss iSd. § 324 Abs. 2 HGB einzurichten. Schließlich bestimmt § 324 Abs. 3 Satz 1 HGB, dass die Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle von einem Unternehmen, das kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB ist, eine Darstellung und Erläuterung des Ergebnisses sowie der Durchführung der Tätigkeit seines Prüfungsausschusses verlangen kann.

15

§ 325 Abs. 4 HGB begrenzt die sonst einjährige Frist nach § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB für die Einreichung der offenzulegenden Rechnungslegungsunterlagen beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers bei einer Gesellschaft iSd. § 264d HGB, die keine Gesellschaft iSd. § 327a HGB ist, auf längstens vier Monate. Für den Fall der Verletzung von Offenlegungspflichten sieht § 335 Abs. 1a HGB für Gesellschaften iSd. § 264d HGB höhere Ordnungsgelder und § 335 Abs. 1d HGB besondere Mitteilungspflichten des Bundesamts für Justiz gegenüber der BaFin vor.

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1 S. dazu auch Kirsch in BKT, Bilanzrecht, eKommentar, § 264d HGB Rz. 21, 26, 31 (Stand Jan. 2017); Zwirner, KoR 2010, 1 (3 ff.). 2 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/ 34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 3 CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802; dazu Kajüter, DB 2017, 617 ff. 4 Verordnung Nr. 1606/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.2.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG 2002 Nr. L 243, 1. 5 Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, ABl. EU 2014 Nr. L 158, 77.

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§ 265 | Allgemeine Grundsätze für die Gliederung

§ 265 Allgemeine Grundsätze für die Gliederung (1) 1Die Form der Darstellung, insbesondere die Gliederung der aufeinanderfolgenden Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen, ist beizubehalten, soweit nicht in Ausnahmefällen wegen besonderer Umstände Abweichungen erforderlich sind. 2Die Abweichungen sind im Anhang anzugeben und zu begründen. (2) 1In der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung ist zu jedem Posten der entsprechende Betrag des vorhergehenden Geschäftsjahrs anzugeben. 2Sind die Beträge nicht vergleichbar, so ist dies im Anhang anzugeben und zu erläutern. 3Wird der Vorjahresbetrag angepaßt, so ist auch dies im Anhang anzugeben und zu erläutern. (3) Fällt ein Vermögensgegenstand oder eine Schuld unter mehrere Posten der Bilanz, so ist die Mitzugehörigkeit zu anderen Posten bei dem Posten, unter dem der Ausweis erfolgt ist, zu vermerken oder im Anhang anzugeben, wenn dies zur Aufstellung eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses erforderlich ist. (4) 1Sind mehrere Geschäftszweige vorhanden und bedingt dies die Gliederung des Jahresabschlusses nach verschiedenen Gliederungsvorschriften, so ist der Jahresabschluß nach der für einen Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung aufzustellen und nach der für die anderen Geschäftszweige vorgeschriebenen Gliederung zu ergänzen. 2Die Ergänzung ist im Anhang anzugeben und zu begründen. (5) 1Eine weitere Untergliederung der Posten ist zulässig; dabei ist jedoch die vorgeschriebene Gliederung zu beachten. 2Neue Posten dürfen hinzugefügt werden, wenn ihr Inhalt nicht von einem vorgeschriebenen Posten gedeckt wird. (6) Gliederung und Bezeichnung der mit arabischen Zahlen versehenen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sind zu ändern, wenn dies wegen Besonderheiten der Kapitalgesellschaft zur Aufstellung eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses erforderlich ist. (7) Die mit arabischen Zahlen versehenen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung können, wenn nicht besondere Formblätter vorgeschrieben sind, zusammengefaßt ausgewiesen werden, wenn 1. sie einen Betrag enthalten, der für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes im Sinne des § 264 Abs. 2 nicht erheblich ist, oder 2. dadurch die Klarheit der Darstellung vergrößert wird; in diesem Falle müssen die zusammengefaßten Posten jedoch im Anhang gesondert ausgewiesen werden. (8) Ein Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung, der keinen Betrag ausweist, braucht nicht aufgeführt zu werden, es sei denn, daß im vorhergehenden Geschäftsjahr unter diesem Posten ein Betrag ausgewiesen wurde. A. I. II. III. IV. B. I. 1. 2. 3. 4. II. C. I. II.

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Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz der Darstellungsstetigkeit (Abs. 1) Beibehalten der Darstellungsform (Abs. 1 Satz 1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltung für Anhang und Lagebericht . . . . . . Regelungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen (Abs. 1 Satz 1 aE) . . . . . . . . Erläuterung im Anhang (Abs. 1 Satz 2) . . . . Vorjahresbeträge (Abs. 2) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabe der Vorjahresbeträge (Abs. 2 Satz 1)

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__ __ 1 3 4 5

__ ___ __ 6 7 8 10 14 15 16

III. Angabe und Erläuterung im Anhang (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anpassung sowie Angabe und Erläuterung im Anhang (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausweis der Mitzugehörigkeit (Abs. 3) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitzugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausweisalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gliederung bei mehreren Geschäftszweigen (Abs. 4) I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Synthese bei Gliederungskonkurrenz (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Angabe und Begründung im Anhang (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Erweiterung der Gliederung (Abs. 5) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Untergliederung (Abs. 5 Satz 1) . . . III. Neue Posten (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . .

_ _ __ _ _ _ _ __ _ 17 19 20 22 24 25 26 27 28 29 31

G. Abweichung in Gliederung und Bezeichnung (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Zusammenfassung von Posten (Abs. 7) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ 33 38 39

A. Grundaussagen der Vorschrift III. IV. I. J.

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Rz. 4 § 265

Unerhebliche Beträge (Abs. 7 Nr. 1) . . . . Vergrößerung der Klarheit (Abs. 7 Nr. 2) . (Nicht-)Ausweis von Leerposten (Abs. 8) Rechtsfolgen eines Verstoßes . . . . . . . .

. . . .

__ __ 40 41 42 45

. . . .

Literatur: Coenenberg, Gliederungs-, Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen bei der Anpassung des Einzelabschlusses nach dem Bilanzrichtliniengesetz, DB 1986, 1581; Emmrich, Fragen der Gestaltung des Jahresabschlusses nach neuem Recht, WPg. 1986, 698; Meyer/Jahn, Formale Gestaltung von Bilanz und GuV nach HGB, StuB 2003, 1005; Kirsch, Konzeption der Gewinn- und Verlustrechnung nach HGB und IFRS, StuB 2005, 651; Küting/Tesche/Tesche, Der Stetigkeitsgrundsatz nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz im Einzel- und Konzernabschluss, StuB 2008, 655; Löffler/Müller, Vorjahreszahlen im handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschluss. Ein Überblick zu IDW RS HFA 39 und IDW RS HFA 44, WPg. 2013, 291; Peun/Rimmelspacher, Änderungen in der handelsrechtlichen GuV durch das BilRUG, DB 2015, Beilage 5, 12.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 265 HGB enthält die allgemeinen Grundsätze für die Gliederung von Bilanz und GuV. Die Norm 1 konkretisiert in ihrem Anwendungsbereich den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) und die rechtsformspezifische Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. § 265 HGB enthält in seinen einzelnen Absätzen folgende Einzelgrundsätze: – Darstellungsstetigkeit (Abs. 1), – Angabe von Vorjahresbeträgen (Abs. 2), – Vermerk der Mitzugehörigkeit (Abs. 3), – Gliederung bei mehreren Geschäftszweigen (Abs. 4), – Erweiterung der Gliederung (Abs. 5), – Abweichung in Gliederung und Bezeichnung (Abs. 6), – Zusammenfassung von Posten (Abs. 7), – Leerpostenausweis (Abs. 8). Ob und inwieweit die Gliederungsgrundsätze des § 265 HGB auch für den Anhang und den Lagebericht gelten, ist umstritten.1 Diese Frage ist mE für die einzelnen Absätze unterschiedlich zu beurteilen.2 Die Darstellungsstetigkeit gilt bereits nach dem Wortlaut des Abs. 1 („insbesondere“) umfassend (s. Rz. 7). Abs. 8 kann nach hM analog angewendet werden.3

2

II. Bedeutung und Zweck Den Einzelregelungen des § 265 HGB liegen zwei Zweckrichtungen4 interner und externer Vergleichbarkeit 3 zugrunde. Abs. 1, 2 und 8 sollen zeitlich aufeinanderfolgende Jahresabschlüsse desselben Unternehmens untereinander vergleichbar machen (Zeitvergleich oder innerbetriebliche Vergleichbarkeit). Durch Abs. 5–7 kann der Jahresabschluss anderer Unternehmen, insbes. der von Wettbewerbern, ohne größere Anpassungen gegenübergestellt werden (Unternehmensvergleich oder zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit).

III. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 265 HGB gilt als rechtsformspezifisches Bilanzrecht des Zweiten Abschnitts (§§ 264 ff. HGB) in persönlicher Hinsicht nur für Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB, nach § 336 Abs. 2 HGB für eingetragene Genossenschaften sowie für publizitätspflichtige Unternehmen (§ 5 1 Dazu, selbst die Ausdehnung auf Anhang und Lagebericht befürwortend, Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 6 mwN. 2 AA, vollständige Anwendbarkeit dieser „allgemeinen Vorschrift“, Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 1; ebenso ADS6, § 265 HGB Rz. 3. 3 Für die Anwendung nur von Abs. 8 analog Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 3; Böcking/Gros in Ebenroth/ Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 2; für die Anwendung „insbes. Abs. 8“ analog Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 1. 4 Zum Folgenden BKT, Bilanzen14, 119; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 1; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 1.

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4

§ 265 Rz. 5 | Allgemeine Grundsätze für die Gliederung Abs. 1 Satz 2 PublG). Für andere Personengesellschaften und Kaufleute gelten nur die Grundsätze der Klarheit und Übersichtlichkeit aus § 243 Abs. 2 HGB iVm. den GoB.1 Vergleichbarkeit in der Zeit (s. Rz. 3) ist zwar eine allgemeine Anforderung, allerdings können nach dem Aufbau des Dritten Buchs und der Regelungstiefe des § 265 HGB besondere Gliederungsvorgaben wie die Angabe von Vorjahresbeträgen nach Abs. 2 nicht als allgemeine GoB auf alle Kaufleute erstreckt werden.2

IV. Rechtsentwicklung 5

§ 265 wurde durch das BiRiLiG vom 19.12.19853 eingefügt und setzt Art. 3, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2–5 und Art. 13 Abs. 2 der 4. EG-Richtlinie4 in nationales Recht um.5 Im Rahmen des BilMoG vom 25.5.20096 wurde § 265 Abs. 3 Satz 2 aF gestrichen, wodurch Eigenanteile nun nicht mehr im Umlaufvermögen ausgewiesen werden dürfen.7

B. Grundsatz der Darstellungsstetigkeit (Abs. 1) I. Beibehalten der Darstellungsform (Abs. 1 Satz 1) 1. Allgemeines 6

§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB normiert den Grundsatz der Darstellungsstetigkeit (sog. formelle Stetigkeit)8, der zusammen mit den Prinzipien der Ansatzstetigkeit nach § 246 Abs. 3 HGB und der Bewertungsstetigkeit des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB (sog. materielle Stetigkeit) den Grundsatz der Vergleichbarkeit bildet.9 Dies soll die Vergleichbarkeit in der Zeit gewährleiten (s. Rz. 3). Die „Form der Darstellung“ umfasst Bezeichnung, Inhalt und Reihenfolge der Einzelposten sowie die Unterteilung nach Bilanz, GuV und Anhang.10 Die Darstellungsstetigkeit umfasst „insbesondere“ als Unterprinzip die Stetigkeit in der „Gliederung der aufeinander folgenden Bilanzen und GuV“ (sog. Gliederungsstetigkeit).11 Die formelle Stetigkeit ist generell gewahrt, wenn die Gesellschaft das gesetzliche Gliederungsschema angewandt und andere gesetzliche Sonderposten eingefügt und fortgeführt hat.12 2. Geltung für Anhang und Lagebericht

7

Abs. 1 gilt nach hM auch für Anhang und Lagebericht.13 Dass die Gliederungsstetigkeit nur „insbesondere“ für Bilanz und GuV gilt, zeigt die erweiterte Anwendbarkeit auch des Oberprinzips Darstellungsstetigkeit.14 Dies bestätigt ein Umkehrschluss zu den Abs. 2–8, die sich nur auf Bilanz und GuV beziehen.15 Systematisch ist § 265 HGB zudem „Allgemeine Vorschrift“ des Ersten Unterabschnitts, der auch Anhang (§§ 284 ff. HGB) und Lagebericht (§§ 289 f. HGB) umfasst.16 Diese gegenüber dem Gesetzentwurf geänderte systematische Einordnung kann als bewusste Erstreckung auf den Anhang verstanden werden, der ursprünglich gerade nicht erfasst sein sollte.17 Auch ist der Leser ist mit Blick auf die fehlende gesetzliche Vorstrukturierung in besonderer Weise auf eine Kontinuität in der Darstellung angewiesen.18 1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 3. 2 Dazu Löffler/Müller, Wpg. 2013, 291 ff.; aA Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 5. 3 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), BGBl. I 1985, 2355. 4 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978. 5 Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 3. 6 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz), BGBl. I 2009, 1102. 7 Zur früheren Rechtlage Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 265 HGB Rz. 45 (Stand Aug. 2006). 8 ADS6, § 265 HGB Rz. 6. 9 BKT, Bilanzen14, 118 f. 10 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 4. 11 Hüttemann/Meyer in GroßKomm. 5, § 265 HGB Rz. 4. 12 Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 2. 13 Aigner in Haag/Löffler, HGB2, § 265 Rz. 3; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 5; Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 3; Grottel in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 27, § 289 HGB Rz. 29; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 6; Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 1; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 4; aA nur für den Lagebericht Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 6; nicht für den Anhang Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 4. 14 Ebenso Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 6. 15 So Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 6. 16 Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 1. 17 BT-Drucks. 10/317, 79. 18 Dies betonend Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 4.

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B. Grundsatz der Darstellungsstetigkeit (Abs. 1)

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Rz. 13 § 265

3. Regelungsfälle Die gesetzlichen Vorgaben zur Gliederung der Bilanz in §§ 266, 268 HGB und der GuV in §§ 275, 277 HGB sind vorrangige Regelungen. Insoweit bedarf es bei der Rechtsanwendung keines Rückgriffs auf den Grundsatz des Abs. 1. Dieser entfaltet eigenständige Bedeutung, wenn mehr als eine zulässige Darstellungsform existiert, was bei der Abgrenzung zwischen Gliederungsposten und bei Ausweiswahlrechten der Fall ist.1 Die einmal gewählte Darstellungsform ist dann grundsätzlich für die Zukunft beizubehalten.

8

Ausweiswahlrechte bestehen etwa bei der Entscheidung zwischen Gesamtkosten- (§ 275 Abs. 2 HGB) und 9 Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) oder beim bilanziellen Ausweis erhaltener Anzahlungen auf Vorräte.2 Spielräume bei der Abgrenzung von Gliederungsposten bestehen zB bei der Unterscheidung von Umsatzerlösen und sonstigen betrieblichen Erträgen,3 zwischen Finanzanlagen und finanziellem Umlaufvermögen4 sowie bei der Frage, ob nach § 276 HGB mehrere Aufwands- und Ertragsposten als „Rohergebnis“ zusammengefasst werden.5 4. Abweichungen (Abs. 1 Satz 1 aE) Die formelle Stetigkeit wird nur in Ausnahmefällen partiell durchbrochen, soweit dies wegen der besonderen Umstände erforderlich ist (§ 265 Abs. 1 Satz 1 aE HGB). Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, so besteht eine Abweichungspflicht,6 weil die Abweichung gerade „erforderlich“ ist.7 Keine solche Abweichung ist die Aufnahme neuer Gliederungsposten.8

10

Die besonderen Umstände können vorliegen, wenn sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse der Unternehmenslage grundlegend geändert haben.9 Diese können sich aus der Entwicklung des Unternehmens oder auch der bisherigen Form der Darstellung ergeben.10

11

Die Erforderlichkeit der Änderungen verlangt gewichtige Gründe, die die Abweichung rechtfertigen.11 12 Die durch die Abweichung in der Darstellung verminderte Vergleichbarkeit in der Zeit muss durch die Verbesserung der Aussagekraft aufgewogen werden.12 Auf eine verbesserte Aussagekraft wird auch in der internationalen Rechnungslegung (IAS 1.45 iVm. IAS 8.14) abgestellt,13 ohne dass daraus unmittelbar rechtliche Maßstäbe für die Auslegung des HGB erwachsen (s. § 238 HGB Rz. 33). Stets erforderlich sind Abweichungen, die durch eine Änderung des Bilanzrechts geboten sind.14 Ein Gleichlauf mit den Gründen für eine Durchbrechung der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) liegt nahe.15 Beispiele sind die Fehlerbeseitigung,16 der Bedeutungswandel bei einzelnen Positionen,17 die Änderung des Produktionsprogramms,18 eine Anpassung an konzerneinheitliche Rechnungslegungsvorgaben,19 eine Anpassung aufgrund geänderter Rspr.,20 die Änderungen der Unternehmensgröße21 sowie der Wechsel

1 Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 3; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 Rz. 7, 9 unterscheiden zwischen expliziten und impliziten Darstellungswahlrechten. 2 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 Rz. 7. 3 Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 7 mwN. 4 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 9. 5 Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 265 Rz. 2. 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 8. 7 Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 7. 8 Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 3. 9 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 5; ähnlich Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 8. 10 Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 3. 11 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 5; Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 8. 12 Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 8; in diese Richtung auch Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 13. 13 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 13. 14 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 10. 15 Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 11. 16 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 5. 17 So Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 8; nur unter zusätzlichen Voraussetzungen Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 12. 18 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 8. 19 Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 3. 20 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 5; aA Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 8 für den Fall, dass die Rechtsprechungsänderung eine andere Darstellungsform erzwingt. 21 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 5.

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13

§ 265 Rz. 14 | Allgemeine Grundsätze für die Gliederung der Konzernzugehörigkeit1. Kein besonderer Umstand ist dagegen ein Wechsel in der Geschäftsführung der Gesellschaft.2

II. Erläuterung im Anhang (Abs. 1 Satz 2) 14

Nach § 265 Abs. 1 Satz 2 HGB sind die Änderungen im Anhang zu benennen und zu begründen. Die Benennung erfordert die Bezeichnung der geänderten Posten.3 Eine Betragsangabe ist nach dem Wortlaut nicht erforderlich.4 Die Begründung muss aufzeigen, dass eine Änderung der Darstellungsform erforderlich war und ggf. die Verbesserungen hinsichtlich der Aussagekraft darstellen.5 Eine pauschale Begründung, etwa durch Verweis auf den Wortlaut der Vorschrift, leistet dies nicht.6 Dies gilt auch für Abweichungen aufgrund geänderter Gesetzeslage, wobei als Begründung ein Verweis auf die Gesetzesänderung genügt.7 Keiner Begründung bedarf eine nur unwesentliche Abweichung, weil diese die Vergleichbarkeit nicht beeinträchtigt.8

C. Vorjahresbeträge (Abs. 2) I. Allgemeines 15

§ 265 Abs. 2 Satz 1 HGB regelt die Pflicht zur Angabe der Vorjahresbeträge in Bilanz und GuV. Dies soll den Zeitvergleich gewährleisten (s. Rz. 3). Zwischen dieser Zweckrichtung und der Pflicht nach Satz 1, den Nominalbetrag anzugeben, besteht jedoch ein Widerstreit, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zwischenzeitlich geändert haben.9 Diesen suchen die Sätze 2 und 3 auszugleichen: Sind Vorjahresbeträge und Nachfolgebeträge nicht vergleichbar, so besteht ein Wahlrecht10 zwischen einer bloßen Erläuterung im Anhang (Abs. 2 Satz 2) und einer Anpassung des Vorjahresbetrags unter Erläuterung im Anhang (Abs. 2 Satz 3). Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine nach Art. 4 Abs. 4 Satz 2 der 4. EGRL mögliche Anpassungspflicht entschieden.11 Eine Anpassung ist mit Blick auf den erhöhten Informationsgehalt jedoch regelmäßig vorzugswürdig.12 Das Wahlrecht unterliegt zudem faktischen Grenzen, etwa hinsichtlich der Anpassung bei abweichenden Vergleichszeiträumen.13

II. Angabe der Vorjahresbeträge (Abs. 2 Satz 1) 16

Die Pflicht des § 265 Abs. 2 Satz. 1 HGB, in Bilanz und GuV Vorjahresbeträge anzugeben, gilt für Anhang und Lagebericht grundsätzlich nicht.14 Ausnahmsweise greift die Angabepflicht, wenn ein Ausweiswahlrecht zwischen Anhang und Bilanz oder GuV ausgeübt wird.15 Nur so bleibt die Vergleichbarkeit in der Zeit (s. Rz. 3) gewährleistet16 und wird eine Gesetzesumgehung durch eine „Flucht in den Anhang“ verhindert.17 Im Fall des § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB (s. Rz. 41) gilt die Pflicht zur Angabe nach § 265 Abs. 2 Satz 1 HGB auch für den Anhang.18

III. Angabe und Erläuterung im Anhang (Abs. 2 Satz 2) 17

Die Pflicht zur Angabe und Erläuterung im Anhang nach § 265 Abs. 2 Satz 2 HGB wird durch die eine fehlende Vergleichbarkeit der angebenden Beträge ausgelöst. Die fehlende Vergleichbarkeit kann sich aus 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

So Kirsch in Kirsch 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 25 (Stand Okt. 2015). Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 26 (Stand Okt. 2015). Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 3. Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 4. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 12. Ebenso Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 3. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 10, 17. So Korth in Kölner Komm. RLR, § 265 HGB Rz. 11. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 22. Aigner in Haag/Löffler, HGB2, § 265 Rz. 10. Hüttemann/Meyer in GroßKomm. HGB5, § 265 Rz. 12. Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 16. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 16. Ebert in Heidel/Schall, HGB2 § 265 Rz. 13. Ebenso Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 20. Ballwieser in BKT, § 265 HGB Rz. 32 (Stand Aug. 2006). Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 7. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 5; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 265 Rz. 2; Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 5; aA Coenenberg, DB 1986, 1582.

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D. Ausweis der Mitzugehörigkeit (Abs. 3)

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Rz. 21 § 265

einer Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben.1 Beispiele sind etwa Fehlerbeseitigung und Rechtsprechungsänderungen,2 verschiedene Berichtszeiträume (Rumpfwirtschaftsjahr),3 Verschmelzungen und Spaltungen,4 der Wechsel zwischen Gesamt- und Umsatzkostenverfahren5 sowie die Änderung der Zusammensetzung eines Posteninhalts6. Nicht von der Pflicht zur Angabe und Erläuterung im Anhang nach § 265 Abs. 2 Satz 2 HGB erfasst ist nach hM die Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten,7 die bereits nach § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB zu erläutern sind.8 Ebenfalls nicht erfasst ist der bloße Rechtsformwechsel, der die Vergleichbarkeit nicht beeinträchtigt.9 Angabe und Erläuterung im Anhang verlangen nicht, dass die Auswirkungen beziffert werden, weil dies einer unterlassenen Anpassung nach § 265 Abs. 2 Satz 3 HGB gleichkommen würde.10

18

IV. Anpassung sowie Angabe und Erläuterung im Anhang (Abs. 2 Satz 3) Alternativ zur Anhangangabe und Erläuterung nach § 265 Abs. 2 Satz 2 HGB (s. Rz. 17) kann der Vorjah- 19 resbetrag bei fehlender Vergleichbarkeit angepasst werden. Auch in diesem Fall sind die Veränderungen im Anhang anzugeben und zu erläutern. Die Anpassung erfolgt, indem als Vorjahresbeträge diejenigen Beträge angegeben werden, die sich bei Anwendung der aktuellen Darstellungsmethode ergeben hätten.11 Im Anhang sind die die angepassten Einzelposten anzugeben und die Änderungen zu erläutern. Auch hier werden keine Zahlenangaben gefordert.12

D. Ausweis der Mitzugehörigkeit (Abs. 3) I. Allgemeines Die in § 266 HGB vorgeschriebene Bilanzgliederung kann zu Überscheidungen zwischen einzelnen Bilanz- 20 posten führen (sog. Mitzugehörigkeit). Um die Klarheit und Übersichtlichkeit der Bilanz (vgl. § 243 Abs. 2 HGB) dennoch sicherzustellen, verlangt § 265 Abs. 3 HGB in diesen Fällen einen Vermerk der Mitzugehörigkeit (Abs. 3 Alt. 1) oder eine Angabe im Anhang (Abs. 3 Alt. 2). Ein Vorrang einer der Alternativen besteht nicht.13 Die einmal getroffene Wahl unterliegt indes dem Stetigkeitsgrundsatz des § 265 Abs. 1 HGB.14 § 265 Abs. 3 HGB gilt nach seinem Wortlaut nur für die Bilanz, nicht dagegen für die GuV.15 Für die GuV 21 gelten allein die Anforderungen an Klarheit und Übersichtlichkeit nach § 243 Abs. 2 HGB.16 Denn es fehlt auch an einem Erstreckungsbedürfnis von § 265 Abs. 3 HGB, weil bei der GuV regelmäßig bloße Abgrenzungs-, nicht aber Mitzugehörigkeitsprobleme bestehen.17

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

So Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 22. Ballwieser in BKT, § 265 HGB Rz. 33 (Stand Aug. 2006). Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 15. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 14. Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 265 Rz. 3. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 12. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 10; Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 15; Hoffmann/ Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 31; Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 7; Suchan in MünchKomm. BilR, § 265 HGB Rz. 12; aA Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 8; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 8. Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 12; aA Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 8. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 27; Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 6; aA Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 7; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 8. Ballwieser in BKT, § 265 HGB Rz. 34 (Stand Aug. 2006). Ballwieser in BKT, § 265 HGB Rz. 35 (Stand Aug. 2006). Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 11. Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 17. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 10. ADS6, § 265 HGB Rz. 41; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 13. AA Korth in Kölner Komm. RLR, § 265 HGB Rz. 20. ADS6, § 265 HGB Rz. 41; Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 19; aA Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 9.

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§ 265 Rz. 22 | Allgemeine Grundsätze für die Gliederung

II. Mitzugehörigkeit 22

Die Mitzugehörigkeit erfasst nur Überschneidungen aufgrund unterschiedlicher Gliederungsprinzipien, nicht aber definitorische Abgrenzungsprobleme.1 Bei Mitzugehörigkeit erfolgt der Ausweis des Vermögensgegenstands bzw. der Verbindlichkeit bei dem Posten, zu dem die engste Zugehörigkeit besteht.2 Maßstab ist zum einen die Eigenart des Vermögensgegenstands oder der Schuld, zum anderen das Interesse daran, ein Bild von der Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens zu erhalten, das den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.3 Bei gleich enger Zugehörigkeit zu mehreren Posten besteht ein Ausweiswahlrecht.4 Unbedeutende Fälle der Mitzugehörigkeit bleiben nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit (materiallity) außer Betracht.5

23

Beispiele für Mitzugehörigkeit sind die Forderungen und Verbindlichkeiten gegen verbundene Unternehmen6 sowie die Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber GmbH-Gesellschaftern, wobei im letzteren Fall § 43 Abs. 3 GmbHG das Ausweiswahlrecht dahingehend einschränkt, dass ein DavonVermerk (s. Rz. 24) nur ausnahmsweise zulässig ist.7

III. Ausweisalternativen 24

Die Mitzugehörigkeit zu einem anderen Posten kann nach § 265 Abs. 3 Alt. 1 HGB bei dem Posten, unter dem der Vermögensgegenstand oder die Schuld ausgewiesen ist, vermerkt werden (sog. Davon-Vermerk). Nach § 265 Abs. 3 Alt. 2 HGB kann alternativ eine Angabe im Anhang erfolgen. Zwischen beiden gleichberechtigten Alternativen besteht ein Wahlrecht, wobei die getroffene Wahl dem Stetigkeitsgrundsatz des § 265 Abs. 1 HGB unterliegt.8 Darum erfordert der Wechsel zwischen Bilanzvermerk und Anhangangabe einen besonderen Grund.

E. Gliederung bei mehreren Geschäftszweigen (Abs. 4) I. Anwendungsbereich 25

§ 265 Abs. 4 Satz 1 HGB regelt für in verschiedenen Geschäftszweigen tätige Unternehmen die Fälle konkurrierender Gliederungsschemata (sog. Gliederungskonkurrenz). Die Gliederungen von Bilanz (§ 266 HGB) und GuV (§ 275 HGB) sind auf die Normalfälle von Industrie- und Handelsunternehmen ausgerichtet und genügen daher regelmäßig den besonderen Anforderungen anderer Wirtschaftszweige nicht.9 Daher wurden auf Basis der Ermächtigung des § 330 HGB etwa für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Wohnungsunternehmen und Krankenhäuser verbindliche Formblätter im Wege der Rechtsverordnung vorgeschrieben.

II. Synthese bei Gliederungskonkurrenz (Abs. 4 Satz 1) 26

Liegt ein Fall der Gliederungskonkurrenz vor (s. Rz. 25), so ist der Jahresabschluss zunächst nach der für einen Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung (sog. Grundgliederung)10 aufzustellen. Die Grundgliederung ist dann nach der für den anderen Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung zu ergänzen. Als Grundgliederung ist mit Blick auf das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) regelmäßig die Gliederung für den wichtigsten Geschäftszweig heranzuziehen, sofern nicht ausnahmsweise eine andere zulässige Gliederung weniger Ergänzungen erfordert.11 Eine unterschiedliche Wahl für Bilanz und GuV ist grundsätzlich nicht sachgerecht.12 Eine einmal getroffene Wahl unterliegt dem Stetigkeitsgebot des § 265 Abs. 1 HGB.13

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 19. Aigner in Haag/Löffler, HGB2, § 265 Rz. 12. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 11; Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 19. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 265 HGB Rz. 3. Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 265 Rz. 4. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 54. Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 8. Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 7. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 17. Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 22. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 15. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 21. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 9.

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F. Erweiterung der Gliederung (Abs. 5)

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Rz. 31 § 265

III. Angabe und Begründung im Anhang (Abs. 4 Satz 2) Anzugeben sind die miteinander kombinierten Gliederungsschemata sowie die hierdurch hervorgerufenen Ergänzungen.1 Die Begründung muss sich nach wohl überwiegender Meinung auch auf die Gründe für die Auswahlentscheidung erstrecken.2 Zu begründen sind nach dem Wortlaut aber nur die Ergänzungen, nicht aber die Wahl des jeweiligen Grundschemas. § 265 Abs. 4 Satz 2 HGB gilt nach § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB nicht für Kleine Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 1 HGB.

27

F. Erweiterung der Gliederung (Abs. 5) I. Allgemeines Die in den gesetzlichen Gliederungsschemata bezeichneten Posten sind nach § 266 Abs. 1 Satz 2 HGB in der Bilanz und nach § 275 Abs. 1 HGB in der GuV gesondert in der angegebenen Reihenfolge auszuweisen. Da die Gliederungsschemata der §§ 266, 275 HGB jedoch auf den Regelfall eines Industrie- und Handelsunternehmens zugeschnitten sind, eröffnet das Gesetz in § 265 Abs. 5 HGB die Möglichkeit, die Gliederung zu erweitern, um so die Informationskraft des Jahresabschlusses zu erhöhen.3 Möglich ist es, Posten weiter zu untergliedern (Satz 1) sowie neue Posten und Zwischensummen hinzuzufügen (Satz 2). Mangels unterschiedlicher Rechtsfolgen, insbes. im Hinblick auf die Zulässigkeitsgrenzen, hat die Unterscheidung zwischen Untergliederung und Hinzufügung neuer Posten keine rechtliche Relevanz.4

28

II. Weitere Untergliederung (Abs. 5 Satz 1) Die Untergliederung nach § 265 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 HGB umfasst grundsätzlich die Aufteilung eines be- 29 reits bestehenden Postens in seine Bestandteile5 (Aufgliederung) und die gesonderte Ausweisung eines Unterpostens aus dem gesetzlichen Posten (Ausgliederung)6. Zur Aufgliederung können auch eine Vorund Hauptspalte gebildet werden.7 Eine weitere Form zulässiger Untergliederung sind Davon-Vermerke.8 Grenze der Untergliederung ist zum einen das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB). Darum darf nicht in zu viele oder unwesentliche Posten untergliedert werden.9 Zum anderen ist nach § 265 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 HGB die vorgeschriebene Gliederung zu beachten. Folglich ist eine abweichende Untergliederung von Posten, die mit Großbuchstaben oder römischen Zahlen versehen sind, unzulässig.10

30

III. Neue Posten (Abs. 5 Satz 2) § 265 Abs. 5 Satz 2 HGB erlaubt es, neue Posten und Zwischensummern hinzuzufügen, wenn ihr Inhalt 31 nicht von einem vorgeschriebenen Posten gedeckt ist. Der Gesetzeswortlaut „dürfen“ räumt der Gesellschaft ein Wahlrecht ein. Dieses Wahlrecht kann sich aber unter besonderen Umständen zu einer Pflicht verdichten.11 Dies kann der Fall sein, wenn der Jahresabschluss ansonsten nicht klar und übersichtlich (§ 243 Abs. 2 HGB) ist. Zudem kann die Pflicht zum sachgerechten Einblick in die Finanz-, Vermögensund Ertragslage nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB zur Einfügung neuer Posten zwingen, wenn etwa der Ausweis unter einem Posten des gesetzlichen Gliederungsschemas unzutreffend wäre.12 Auch das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 HGB) kann diese Pflicht auslösen.13. Werden aber unwesentliche neuer Posten 1 Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 13. 2 Dafür Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 58; Korth Kölner Komm. RLR, § 265 HGB Rz. 11; Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 265 Rz. 4; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 11; aA Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 13; wohl auch Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 23. 3 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 16. 4 So Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 39. 5 Ballwieser in BKT, § 265 HGB Rz. 31 (Stand Aug. 2006). 6 Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrechte Kommentar, § 265 HGB Rz. 114 (Stand Okt. 2015). 7 Etwa Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 17. 8 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 37. 9 Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 13. 10 Suchan in MünchKomm BilR, § 265 HGB Rz. 27. 11 Hüttemann/Meyer in GroßKomm. 5, § 265 HGB Rz. 18. 12 Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 15. 13 So Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 17.

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§ 265 Rz. 32 | Allgemeine Grundsätze für die Gliederung hinzugefügt, so kann ein Konflikt mit der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses (§ 243 Abs. 2 HGB) entstehen.1 32

Das Einfügen von Zwischensummen hat, abgesehen vom Eigenkapital in der Bilanz, vor allem in der GuV Bedeutung.2 Sie kann mit einer Änderung der Postenreihenfolge (§ 265 Abs. 6 HGB) verbunden werden.3

G. Abweichung in Gliederung und Bezeichnung (Abs. 6) 33

§ 265 Abs. 6 HGB verpflichtet das Unternehmen grundsätzlich, die Gliederung und Bezeichnung von arabisch bezifferten Bilanz- und GuV-Posten zu ändern, wenn Besonderheiten der Kapitalgesellschaft bestehen und die Änderung im Interesse eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses erforderlich ist. Die Gliederungsänderung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gliederungsschemata der §§ 266, 275 HGB auf den Regelfall eines Industrie- und Handelsunternehmens zugeschnitten sind (s. Rz. 28). Besonderheiten der Kapitalgesellschaft können sich aus der Spezifität der Tätigkeit oder der Erfolgsquelle (zB Holding- und Leasinggesellschaften) oder der Branchenzugehörigkeit ergeben (zB Baugewerbe, Brauereigewerbe, Transportbranche).4 § 265 Abs. 6 HGB gilt nicht für Kreditinstitute (§ 340a Abs. 2 Satz 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 2 Satz 1 HGB).

34

Nach dem Wortlaut des § 265 Abs. 6 HGB erfasst sind nur mit arabischen Ziffern versehene Posten.5 Gleichwohl wird eine ausnahmsweise Erstreckung auf die zweite Gliederungsebene als zulässig erachtet, etwa in Form einer Verkürzung des Postens „Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks“.6

35

Die Anpassungen müssen für Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) erforderlich sein. Die Unbestimmtheit der Anforderungen an „Klarheit“ und „Übersichtlichkeit“ wird § 265 Abs. 6 HGB freilich nur in Ausnahmefällen zu einer Pflicht verdichten, weshalb regelmäßig zumindest faktisch ein Wahlrecht besteht.7

36

Eine Änderung der Postengliederung liegt vor, wenn die Posten einer anderen Reihenfolge innerhalb des gesetzlichen Gliederungsschemas unterworfen werden.8 Die neue Reihenfolge darf der gesetzlichen Reihenfolge an Klarheit und Übersichtlichkeit nicht nur gleichwertig sein, sondern muss diese übertreffen.9 Dies gilt etwa für die GuV von Holdingsgesellschaften, weil bei diesen die Beteiligungserträge die Umsatzerlöse regelmäßig deutlich überwiegen.10

37

Die Postenbezeichnung kann durch Verkürzung, Erweiterung oder Konkretisierung geändert werden.11 Die Verkürzung erfolgt, wenn ein Bestandteil der gesetzlichen Bezeichnung im konkreten Unternehmen nicht vertreten ist (zB „Grundstücke und Bauten“, wenn es an grundstückgleichen Rechten und Bauten auf Fremdgrundstücken fehlt).12 Dagegen können sprachlich motivierte Raffungen (zB „Wertpapiere“ statt „Wertpapiere des Anlagevermögens“) irreführend wirken.13 Erweiterungen sind angebracht, wenn für einen Sachverhalt ein konkreter Posten fehlt (zB für Genossenschaftsanteile, die ansonsten „sonstige Ausleihungen“ wären, oder für GmbH-Anteile, die in „Wertpapiere“ einzubeziehen wären).14 Konkretisierungen sind sinnvoll, wenn ein bestimmter Posten für das Unternehmen von besonderer Bedeutung ist (zB „Ausleihungen an Tochterunternehmen“ statt „Ausleihungen an verbundene Unternehmen“).15 Die Postennummerierung (Buchstabe, Zahl) ist nicht Postenbezeichnung iSd. Vorschrift und daher stets der tatsächlichen Reihenfolge anzupassen.16 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 17. Mit Anwendungsbeispielen Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 118 (Stand Okt. 2015). Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 119 (Stand Okt. 2015). Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 26. Darauf beschränkend Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 16. Dafür ADS6, § 265 HGB Rz. 73; Ebert in Heidel/Schall, HGB2 § 265 Rz. 28. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 Rz. 45. Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 122 (Stand Okt. 2015). Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 24. Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 122 (Stand Okt. 2015) mit weiteren Beispielen. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 28 ff. Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 126 (Stand Okt. 2015). So Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 46; zurückhaltend auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 16; aA bei diesen „buchhalterischen Selbstverständlichkeiten“ Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 126 (Stand Okt. 2015). 14 Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 29. 15 Beispiel nach Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 44. 16 Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 12. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

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H. Zusammenfassung von Posten (Abs. 7)

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Rz. 41 § 265

H. Zusammenfassung von Posten (Abs. 7) I. Allgemeines § 265 Abs. 7 HGB erlaubt es, die arabisch bezifferten Posten von Bilanz (§ 266 HGB) und GuV (§ 275 38 HGB) zusammengefasst auszuweisen. Zusammenzufassen heißt den gesamten Posten an anderer Stelle einzubeziehen.1 Es besteht dazu keine Pflicht, sondern nur ein Darstellungswahlrecht.2 Voraussetzung ist, dass die zusammenzufassenden Beträge entweder unerheblich sind (§ 265 Abs. 7 Nr. 1 HGB) oder aber die Klarheit der Darstellung durch die Zusammenfassung vergrößert wird (§ 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB).

II. Anwendungsbereich § 265 Abs. 7 HGB gilt nach seinem Wortlaut nur für mit arabischen Zahlen zu nummerierende Posten. Für die mit Kleinbuchstaben versehenen Posten der GuV greift die Regelung ebenfalls.3 In der GuV dürften bei wortgetreuer Auslegung alle Posten zusammengefasst werden. Allerdings muss zumindest die Erfolgsspaltung (Betriebsergebnis, Finanz- und Beteiligungsergebnis, Steuern und Jahresüberschuss/-fehlbetrag) weiterhin erkennbar sein.4 Grundsätzlich wäre es denkbar, für sämtliche Posten einer Ergebnisebene eine einzige Zwischensumme auszuweisen.5 Für Kreditinstitute ist § 265 Abs. 7 HGB nicht anwendbar (§ 340a Abs. 2 Satz 1 HGB).

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III. Unerhebliche Beträge (Abs. 7 Nr. 1) Nach § 265 Abs. 7 Nr. 1 HGB kann die Zusammenfassung erfolgen, wenn die Beträge nach Maßgabe des Einblicksgebots (§ 264 Abs. 2 HGB) unerheblich sind. Die Unerheblichkeit bemisst sich nach hM nicht nur quantitativ nach der relativen und absoluten Größe des Postens,6 sondern auch qualitativ nach dem sachlichen Posteninhalt.7 Denn auch betragsmäßig kleine Posten können nach dem Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 HGB von besonderem Informationsgehalt sein.8 Bei Unerheblichkeit kommt eher die Zusammenfassung zu einem neu geschaffenen, als zu einem übergeordneten Posten in Frage.9 Diese Voraussetzung folgt dem Grundsatz der Wesentlichkeit.10 Die Zusammenfassung wegen Unerheblichkeit scheidet aus, wenn ein gesonderter Ausweis des Postens gesetzlich vorgeschrieben ist.11

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IV. Vergrößerung der Klarheit (Abs. 7 Nr. 2) § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB berechtigt zu einer Informationsverlagerung in den Anhang.12 Dadurch muss, wie 41 bei der Änderung der Postengliederung nach § 265 Abs. 6 HGB (s. Rz. 36), die Klarheit gegenüber den gesetzlichen Gliederungsschemata noch vergrößert werden.13 Dies ist insbes. dann der Fall, wenn Bilanz und GuV aufgrund der Vielzahl der Einzelposten zu komplex und daher schwerer verständlich werden.14 Dies kann allerdings nur punktuelle Korrekturen erfassen, weil ansonsten eine Minimalisierung der gesetzlich vorgeschriebenen Schemata droht.15 Auch kann die Verlagerung einer Vielzahl von Posten in den Anhang (vgl. § 265 Abs. 7 Nr. 2 Halbs 2 HGB) dessen Übersichtlichkeit beeinträchtigen, was teleologisch nicht auf § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB gestützt werden kann.16 Für Bilanz, GuV und Anhang als Einheit muss insgesamt ein Gewinn an Klarheit erzielt werden.17 Der Ausweis im Anhang muss zudem dem in Bilanz und GuV

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 29. Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 131 (Stand Okt. 2015). Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 22. Zur Rechtslage vor dem BilRUG Ballwieser in BKT, § 265 HGB Rz. 32 (Stand Aug. 2006). So Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 131 (Stand Okt. 2015). ADS6, § 265 HGB Rz. 88. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 23; aA Ebert in Heidel/Schall, HGB2 § 265 Rz. 33 in erster Linie quantitativ. So Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 134 (Stand Okt. 2015). Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 48. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 2. ADS6, § 265 HGB Rz. 89; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 23. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 34. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 15. Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 136 (Stand Okt. 2015). Zutreffend Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 15. Dies betonend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 24. Dies fordernd Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 265 HGB Rz. 50.

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§ 265 Rz. 42 | Allgemeine Grundsätze für die Gliederung gleichwertig sein, was eine klare Gliederung und Strukturierung des Anhangs verlangt.1 § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB birgt folglich die Gefahr, dass das Informationsmittel Anhang als Reservebilanz bzw. – GuV zweckentfremdet wird.2 Jedenfalls ist eine „Flucht in den Anhang“ unzulässig, um die tatsächlichen Verhältnisse des Unternehmens zu verschleiern.3

I. (Nicht-)Ausweis von Leerposten (Abs. 8) 42

§ 265 Abs. 8 HGB eröffnet die Möglichkeit, Posten der Bilanz oder GuV, die keinen Betrag aufweisen (sog. Leerposten), nicht auszuweisen. Dies dient der Klarheit der Darstellung.4 Diese Ausnahme steht zudem im Zusammenhang mit der Ausweispflicht von Vorjahresbeträgen nach § 265 Abs. 2 HGB. Das Gesetz sieht ein Recht und keine Pflicht zum Verzicht auf Leerposten vor.5 Dieser entspricht aber regelmäßig dem Grundsatz eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses (§ 243 Abs. 2 HGB).6 Im Lichte dieses Grundsatzes wird das Wahlrecht faktisch zum Gebot.7

43

Der Ausweis ist jedoch nach Halbs. 2 unverzichtbar, wenn im vorhergehenden Geschäftsjahr unter diesem Posten ein Betrag ausgewiesen wurde. Dies gilt nach hM dann nicht, wenn ein unwesentlicher Vorjahresposten nach § 265 Abs. 7 Nr. 1 HGB analog nachträglich zusammengefasst werden kann.8 In diesem Fall ist die Vorjahreszahl gleichzeitig nach § 265 Abs. 2 Satz 3 HGB zu ändern.9

44

§ 265 Abs. 8 HGB gilt auch ohne explizite Erwähnung für Davon-Vermerke,10 weil diese Teil des jeweiligen Bilanz- oder GuV-Postens sind.11 Ein freiwilliger „Null-Vermerk“ ist möglich.12 Für Anhang und Lagebericht gilt § 265 Abs. 8 HGB analog (s. Rz. 2).

J. Rechtsfolgen eines Verstoßes 45

Schwerwiegende Verstöße gegen die Vorgaben des § 265 HGB, die die Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigen, können nach § 256 Abs. 4 AktG analog zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen.13 Gravierende vorsätzliche Zuwiderhandlungen sind nach § 331 Nr. 1 HGB als Vergehen strafbar. Eine vorsätzliche Missachtung von § 265 Abs. 2–4 oder 6 HGB kann nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Zweiter Titel Bilanz § 266 Gliederung der Bilanz (1) 1Die Bilanz ist in Kontoform aufzustellen. 2Dabei haben mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 und 3) auf der Aktivseite die in Abs. 2 und auf der Passivseite die in Abs. 3 bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge auszuweisen. 3Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den Absätzen 2 und 3 mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden. 4Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) brauchen nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den Absätzen 2 und 3 mit Buch1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 265 Rz. 2. Berechtigte Kritik bei Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 15. Kirsch in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 265 HGB Rz. 136 (Stand Okt. 2015). Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 18. ADS6, § 265 HGB Rz. 95; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 26. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 26. So Morck in Koller/Kindler ua., HGB8, § 265 HGB Rz. 10. Dafür ADS6, § 265 HGB Rz. 95; Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 265 Rz. 34; Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 18. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 265 Rz. 23. Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 18. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 265 Rz. 15; Korth in Kölner Komm. RLR, § 265 HGB Rz. 35. ADS6, § 265 HGB Rz. 96; aA iS einer Ausweispflicht Korth in Kölner Komm. RLR, § 265 HGB Rz. 35. Winkeljohann/Büssow in Beck BilKomm.10, § 265 HGB Rz. 22.

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Gliederung der Bilanz

| § 266

staben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden. (2) Aktivseite A. Anlagevermögen: I. Immaterielle Vermögensgegenstände: 1. Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte; 2. entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten; 3. Geschäfts- oder Firmenwert; 4. geleistete Anzahlungen; II. Sachanlagen: 1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken; 2. technische Anlagen und Maschinen; 3. andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung; 4. geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau; III. Finanzanlagen: 1. Anteile an verbundenen Unternehmen; 2. Ausleihungen an verbundene Unternehmen; 3. Beteiligungen; 4. Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; 5. Wertpapiere des Anlagevermögens; 6. sonstige Ausleihungen. B. Umlaufvermögen: I. Vorräte: 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe; 2. unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen; 3. fertige Erzeugnisse und Waren; 4. geleistete Anzahlungen; II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände: 1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen; 2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen; 3. Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; 4. sonstige Vermögensgegenstände; III. Wertpapiere: 1. Anteile an verbundenen Unternehmen; 2. sonstige Wertpapiere; IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks. C. Rechnungsabgrenzungsposten. D. Aktive latente Steuern. E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung. (3) Passivseite A. Eigenkapital: I. Gezeichnetes Kapital; II. Kapitalrücklage; III. Gewinnrücklagen: 1. gesetzliche Rücklage; 2. Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen; Drüen

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§ 266 | Gliederung der Bilanz

B.

C.

D. E.

3. satzungsmäßige Rücklagen; 4. andere Gewinnrücklagen; IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag; V. Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag. Rückstellungen: 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen; 2. Steuerrückstellungen; 3. sonstige Rückstellungen. Verbindlichkeiten: 1. Anleihen davon konvertibel; 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten; 3. erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen; 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel; 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; 8. sonstige Verbindlichkeiten, davon aus Steuern, davon im Rahmen der sozialen Sicherheit. Rechnungsabgrenzungsposten. Passive latente Steuern.

A. I. II. III. IV. V. B. I. II. 1. 2. C. I. II. 1.

2.

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Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontoform und Erleichterungen (Abs. 1) Kontoform (Abs. 1 Satz 1 und 2) . . . . . . . . Größenabhängige Erleichterungen (Abs. 1 Satz 3 und 4) Kleine Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 3) . Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 4) . Gliederung der Aktivseite (Abs. 2) Strukturprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagevermögen (A.) Immaterielle Vermögensgegenstände (I.) a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte (1.) c) Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte (2.) . . . . . . . . . . d) Geschäfts- und Firmenwert (3.) . . . . . . . e) Geleistete Anzahlungen (4.) . . . . . . . . . Sachanlagen (III.) a) Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten (1.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Technische Anlagen und Maschinen (2.) c) Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (3.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau (4.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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__ __ _ _ __ _ _ _ __ _ __ _ _ 1 2 3 4 5 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

3. Finanzanlagen (III.) a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteile an verbundenen Unternehmen (1.) c) Ausleihungen an verbundene Unternehmen (2.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beteiligungen (3.) . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (4.) f) Wertpapiere des Anlagevermögens (5.) . g) Sonstige Ausleihungen (6.) . . . . . . . . . . III. Umlaufvermögen (B.) 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorräte (I.) a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (1.) . . . . . c) Unfertige Erzeugnisse und Leistungen (2.) d) Fertige Erzeugnisse und Waren (3.) . . . . e) Geleistete Anzahlungen (4.) . . . . . . . . . 3. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände (II.) a) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (1.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderungen gegen verbundene Unternehmen (2.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (3.) d) Sonstige Vermögensgegenstände (4.) . . . 4. Wertpapiere (III.) a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteile an verbundenen Unternehmen (1.) c) Sonstige Wertpapiere (2.) . . . . . . . . . . . 5. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks (IV.) .

__ __ __ _ _ __ __ _ _ _ __ __ _ _ 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

34 35 36 37 38 39 40 41

IV. Rechnungsabgrenzungsposten (C.) . . . . . . . V. Aktive latente Steuern (D.) . . . . . . . . . . . . VI. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung (E.) . . . . . . . . . . . . . . D. Gliederung der Passivseite (Abs. 3) I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenkapital (A.) 1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gezeichnetes Kapital (I.) . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalrücklage (II.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinnrücklagen (III.) a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Rücklagen (1.) . . . . . . . . . . c) Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (2.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Satzungsmäßige Rücklagen (3.) . . . . . . . e) Andere Gewinnrücklagen (4.) . . . . . . . . 5. Gewinnvortrag/Verlustvortrag (IV.) . . . . . . 6. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (V.) . . . . 7. Sonderposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückstellungen (B.) 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ _ _ __ _ __ __ __ __ _ 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 3 § 266

2. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (1.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrückstellungen (2.) . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Rückstellungen (3.) . . . . . . . . . . . IV. Verbindlichkeiten (C.) 1. Anleihen, davon konvertibel (1.) . . . . . . . . 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (2.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen (3.) 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (4.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel (5.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (6.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (7.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sonstige Verbindlichkeiten (8.) . . . . . . . . . V. Rechnungsabgrenzungsposten (D.) . . . . . . . VI. Passive latente Steuern (E.) . . . . . . . . . . . . VII. Sonderposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Rechtsfolgen von Verstößen . . . . . . . . . . .

__ _ _ __ _ _ _ __ __ __ 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Literatur: Knop, Die Gliederungskonzeption des BiRiLiG, DB 1984, 569; Küting/Eichenlaub, Verabschiedung des MicroBilG – Der „vereinfachte“ Jahresabschluss für Kleinstkapitalgesellschaften, DStR 2012, 2615; Theile, Jahresabschluss der Klein- und Kleinstkapitalgesellschaften, 2013.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 266 schreibt für Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Kaufleute in Abs. 1 die Kontoform als zwin- 1 gende Darstellungsform für die Bilanz fest. Abs. 2 und 3 enthalten ein verbindliches Gliederungsschema für die Bilanz.

II. Bedeutung und Zweck Die gesetzliche Vorgabe eines verbindlichen Gliederungsschemas dient dem Grundsatz der Bilanzklarheit (§ 243 Abs. 2 HGB) sowie dem Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB.1 Die Gliederung dient zugleich der Vergleichbarkeit von Bilanzen, indem sie den Vergleich mit der Vorjahresbilanz (Zeitvergleich) sowie mit den Bilanzen konkurrierender Unternehmen (Unternehmensvergleich) vereinfacht.2

2

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 266 HGB konkretisiert in seinem Anwendungsbereich die Anforderungen an die Bilanz aus §§ 243 3 Abs. 1 und 2, 247, 264 Abs. 2 sowie § 265 HGB. Im Gegensatz zu § 266 HGB sehen internationale Rechnungslegungsvorschriften kein verpflichtendes Schema für die Bilanzgliederung vor.3 IAS 1.54 zählt die aufzunehmenden Pflichtposten auf.4 Für das Steuerrecht ist das Bilanzschema des § 266 HGB trotz des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 EStG) materiell ohne Belang.5 Allerdings legt die von der Finanzverwaltung erarbeitete sog. Steuer-Taxonomie für die sog. E-Bilanz (auf der zweifelhaften Rechtsgrundlage des § 5b EStG) ein Gliederungsschema für die mit der Steuererklärung dem Finanzamt elektronisch zu übermittelnde Bilanz fest.6 Suchaen in MünchKomm. HGB3, § 266 Rz. 3. BKT, Bilanzen13, 118 f. Kirsch in BHR, § 265 HGB Rz. 161 (April 2012); Wawrzinek/Lübbig in Beck’sches IFRS-Handbuch5, § 2 Rz. 292. Dazu Brücks/Ehrcke in Thiele/von Keitz/Brück, Internationales Bilanzrecht, IAS 1 Rz. 204 ff. (Stand Mai 2010); zur Gliederung nach Fristigkeit Wawrzinek/Lübbig in Beck’sches IFRS-Handbuch5, § 2. 5 Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 35. 6 Dazu Schubert/Adrian in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 332 ff.

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Drüen

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§ 266 Rz. 4 | Gliederung der Bilanz

IV. Rechtsentwicklung 4

§ 266 HGB setzt die 4. EG-Richtlinie1 in nationales Recht um. Art. 8 RL eröffnet dabei die Möglichkeit, die Kontoform vorzuschreiben. Von der Option des Art. 10a RL,2 eine Gliederung nach kurz- und langfristigen Posten zu gestatten oder vorschreiben, hat der Gesetzgeber bislang nicht Gebrauch gemacht. Die im Ausland eröffnete und gebräuchliche Staffelform lässt § 266 Abs. 1 Satz 1 HGB trotz ihrer Übersichtlichkeit3 nicht zu.4 Im Rahmen des BilMoG vom 25.5.20095 wurde die Mustergliederung für einzelne Posten angepasst.6

V. Anwendungsbereich 5

§ 266 HGB gilt in persönlicher Hinsicht nur für Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB, nach § 336 HGB für eingetragene Genossenschaften sowie für publizitätspflichtige Unternehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). § 266 gilt nicht für Kreditinstitute (§ 340a Abs. 2 Satz 2 HGB), Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 2 Satz 2 HGB) sowie bei entsprechenden Formblattvorgaben (§ 330 HGB). Andere Kaufleute können freiwillig die Gliederungsvorschriften des § 266 HGB anwenden.7

6

In sachlicher Hinsicht gilt § 266 HGB für die „Bilanz“ und auch für Sonderbilanzen, wie Eröffnungs-, Zwischen- und Abwicklungsbilanzen.8

B. Kontoform und Erleichterungen (Abs. 1) I. Kontoform (Abs. 1 Satz 1 und 2) 7

Die Bilanz ist nach Abs. 1 Satz 1 in Kontoform aufzustellen. Die für die GuV durch § 275 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgeschriebene Staffelform ist unzulässig. Die Kontoform fordert die Trennung von Aktiv- und Passivposten (§ 266 Abs. 2 und 3 HGB). Vorgeschrieben sind nach § 266 Abs. 1 Satz 2 HGB grundsätzlich auch Posteninhalt und Reihenfolge. Ausnahmevorschiften dazu enthalten § 264c Abs. 2 und § 265 Abs. 5– 8 HGB. Sonderregelungen sehen §§ 268, 269, 272 Abs. 1, 273, 274, 281, 330 HGB iVm. dem jeweiligen Formblatt, §§ 58 Abs. 2a, 152, 240, 286 Abs. 2 AktG sowie §§ 29 Abs. 4, 42 GmbHG vor.

II. Größenabhängige Erleichterungen (Abs. 1 Satz 3 und 4) 1. Kleine Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 3) 8

Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) dürfen nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB eine verkürzte Bilanz aufstellen. Die Bilanz endet dann auf Ebene der römischen Ziffern. Die Hauptversammlung kann aber nach § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG die Vorlage einer ungekürzten Bilanz verlangen. Für die GmbH kann sich Entsprechendes aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.9 Die Möglichkeit, eine verkürzte Bilanz aufzustellen, lässt weitergehende Einsichts- und Auskunftsrechte des Gesellschafters (zB nach § 51a GmbHG) unberührt.10 2. Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 4)

9

Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) müssen nach § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB nur die mit Großbuchstaben gekennzeichneten Posten gesondert ausweisen. Die weitere Untergliederung entfällt. Dadurch lässt das Gesetz eine bedenkliche Einschränkung des Informationsgehalts der Bilanz zu.11

1 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978. 2 Eingefügt durch die sog. „Modernisierungsrichtlinie“ Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.6.2003. 3 Brücks/Ehrcke in Thiele/von Keitz/Brück, Internationales Bilanzrecht, IAS 1 Rz. 202 (Mai 2010). 4 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 266 HGB Rz. 1. 5 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz), BGBl. I 2009, 1102. 6 Überblick bei Korth in Kölner Komm. RLR, § 266 HGB Rz. 1. 7 Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 15. 8 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 266 HGB Rz. 3. 9 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 266 HGB Rz. 10. 10 ADS6, § 266 HGB Rz. 19; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 10. 11 Kritisch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 12.

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C. Gliederung der Aktivseite (Abs. 2)

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Rz. 15 § 266

C. Gliederung der Aktivseite (Abs. 2) I. Strukturprinzipien Die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens bestimmen sich nach § 247 Abs. 2 HGB. Die Aktivseite 10 der Bilanz stellt die Mittelverwendung des Unternehmens dar und zeigt an, in welche Aktivposten die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel investiert worden sind.1 Im Interesse des Gläubigerschutzes listet die Aktivseite die zur Befriedigung der Gläubiger am Bilanzstichtag zur Verfügung stehenden Vermögensgegenstände auf und lässt zugleich einzuschreitende Vollstreckungswege (zB Zwangsvollstreckung nach dem ZVG oder Forderungspfändung) erkennen. Die Gliederung der Aktivposten folgt zeitlichen Aspekten und gibt zugleich Aufschluss über die Liquidierbarkeit der einzelnen Vermögensgegenstände: Am Anfang stehen beständige Vermögensgegenstände (Anlagevermögen), es folgt das „Unternehmensvermögen auf Zeit“ (Umlaufvermögen) und am Ende stehen transitorische Posten zur Ergebnisabgrenzung (ARAP und aktive latente Steuern).

II. Anlagevermögen (A.) 1. Immaterielle Vermögensgegenstände (I.) a) Definition Immaterielle Vermögensgegenstände sind unkörperliche, selbstständig bewertbare und veräußerbare ver- 11 mögenswerte Vorteile.2 b) Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte (1.) Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte unterliegen dem Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB. Dieses gilt nicht für Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare Vermögensgegenstände (§ 248 Abs. 2 Satz 2 HGB).

12

c) Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte (2.) Konzessionen sind behördliche Genehmigungen für eine bestimme Gewerbe- oder Handelstätigkeit, zB 13 UMTS-Lizenzen und bergrechtliche Gewinnberechtigungen.3 Gewerbliche Schutzrechte sind immaterielle Vermögensrechte, die ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht erst durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann4 (zB Gebrauchsund Geschmacksmuster, Patente und Warenzeichen)5. Ähnliche Rechte sind Urheberrechte und Verlagsrechte.6 Ähnliche Werte sind alle faktische Positionen von wirtschaftlichem Wert (zB ungeschützte Erfindungen, Kenntnisse, Kundenlisten).7 Eine Lizenz ist die privatrechtliche Befugnis ein fremdes Recht oder einen fremden Wert zu benutzen.8 d) Geschäfts- und Firmenwert (3.) Nach § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB ist der Geschäfts- und Firmenwert ein zeitlich begrenzt nutzbarer Ver- 14 mögensgegenstand. e) Geleistete Anzahlungen (4.) Geleistete Anzahlungen umfassen Zahlungen auf den noch nicht erfolgten Erwerb eines immateriellen 15 Vermögensgegenstands.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Korth in Kölner Komm. RLR, § 266 HGB Rz. 12a. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 6. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 17. BFH v. 19.10.2006 – III R 6/05, BStBl. II 2007, 301. Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 60. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 17. So Suchan in MünchKomm Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 22. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 266 Rz. 27. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 10.

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§ 266 Rz. 16 | Gliederung der Bilanz 2. Sachanlagen (III.) a) Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten (1.) 16

Ein Grundstück ist ein räumlich abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche.1 Bilanzrechtlich ist dies nur der reine Grund und Boden.2 Grundstücksgleiche Rechte sind das Erbbaurecht, das Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht nach dem WEG sowie das Bergwerkseigentum, nicht aber Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB), der Grundstücksnießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), die beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB)3 und erst recht nicht die nur obligatorischen Rechte Miete und Pacht4. Bauten sind Gebäude, die mit dem Grund und Boden fest verbunden und beständig sind, dem Menschen Aufenthalt gestatten sowie dem Menschen und Sachen Schutz vor Witterung gewähren.5 Dies umfasst aber auch Gebäudeeinrichtungen, die dem Gebäude dienen, sowie selbständige Grundstückseinrichtungen (zB Parkplätze, Straßen und Kanalbauten).6 Abgrenzungsprobleme zum Posten „technische Anlagen und Maschinen“ bestehen bei Betriebsvorrichtungen (zum steuerrechtlichen Bewertungsrecht vgl. § 68 Abs. 2 Satz 2 BewG). Betriebsvorrichtungen sind technische Einrichtungen, die mit der Produktionstätigkeit in einen unmittelbaren Nutzungs- und Funktionszusammenhang treten und trotz einer festen Verbindung mit dem Gebäude bewegliche Vermögensgegenstände sind.7 Bauten auf fremden Grundstücken verlangen eine Bebauung allein aufgrund eines dinglichen oder obligatorischen Nutzungsrechts.8 Mieterein- und -umbauten sind, sofern aktivierbar, als Grundvermögen auszuweisen, wenn sie zur Nutzung des Gebäudes beitragen.9 b) Technische Anlagen und Maschinen (2.)

17

Der Posten „technische Anlagen und Maschinen“ erfasst in Abgrenzung zum Posten „Andere Anlagen“ alle Vermögensgegenstände, die unmittelbar dazu dienen, die konkrete betriebliche Leistung zu erbringen.10 Eine Unterscheidung zwischen technischen Anlagen und Maschinen ist nicht erforderlich.11 c) Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (3.)

18

„Andere Anlagen“ als Sammelposten sind alle nur mittelbar der betrieblichen Leistung dienende Vermögensgegenstände. Betriebsausstattung sind etwa Baustellencontainer, Fuhrparks, Leergut und Labore.12 Die Geschäftsausstattung umfasst alle Ausstattungsgegenstände, die zur allgemeinen Verwaltung des Unternehmens eingesetzt werden, zB Büroausstattung, EDV-Anlagen, Büromaschinen und Telekommunikationseinrichtungen.13 d) Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau (4.)

19

Geleistete Anzahlungen sind Vorleistungen auf schwebende Geschäfte, die den Erwerb von Wirtschaftsgütern des Sachanlagevermögens zum Gegenstand haben.14

20

Anlagen im Bau sind Sachanlagen, die am Bilanzstichtag noch nicht fertig gestellt sind.15 3. Finanzanlagen (III.) a) Grundlegendes

21

Finanzanlagen sind Investitionen in fremde Unternehmen.16 Zur Abgrenzung von den Forderungen und Wertpapieren des Umlaufvermögens (B. II. und III.) ist eine Mittelbindung in strategischen Zwecken er1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 9. So Suchan in MünchKomm. BilR, § 266 HGB Rz. 28. Zu dieser Aufzählung Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 12. So Suchan in MünchKomm. BilR, § 266 HGB Rz. 33. Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 19 (Stand Sept. 2015). Suchan in MünchKomm. BilR, § 266 HGB Rz. 30. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 11. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 20. Suchan in MünchKomm BilR, § 266 HGB Rz. 31. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 21. So Suchan in MünchKomm. BilR, § 266 HGB Rz. 35. So Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 56 (Stand Sept. 2015). Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 56 (Stand Sept. 2015). Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 23. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 15. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 16.

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C. Gliederung der Aktivseite (Abs. 2)

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Rz. 29 § 266

forderlich, was eine Halteabsicht voraussetzt, die über den ausschließlichen Renditeerzielungszweck hinausgeht.1 b) Anteile an verbundenen Unternehmen (1.) Anteile sind alle verbrieften und unverbrieften Kapitalanteile an anderen Unternehmen.2 Der Begriff des verbundenen Unternehmens ist in § 271 Abs. 2 HGB legaldefiniert.

22

c) Ausleihungen an verbundene Unternehmen (2.) Ausleihungen sind Darlehensforderungen in Geld aufgrund schuldrechtlicher Verträge.3 Verbundene Un- 23 ternehmen definiert § 271 Abs. 2 HGB). Die notwendige Daueranlageabsicht (s. Rz. 21) wird regelmäßig ab einer Überlassungsdauer von über einem Jahr angenommen.4 Ausleihungen an GmbH-Gesellschafter, die zu verbundenen Unternehmen zählen, sind nach § 42 Abs. 3 GmbHG gesondert auszuweisen.5 d) Beteiligungen (3.) Beteiligungen sind solche iSd. § 271 Abs. 1 HGB, soweit sie nicht vorrangig Anteile (s. Rz. 22) sind.

24

e) Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (4.) Erfasst sind Ausleihungen (s. Rz. 23) an Unternehmen mit Beteiligung, sofern sie nicht vorrangig unter 25 den spezielleren Posten Nr. 2 zu fassen sind (s. Rz. 23). f) Wertpapiere des Anlagevermögens (5.) Wertpapiere des Anlagevermögens sind alle übertragbaren Inhaber- und Orderpapiere, die als längerfris- 26 tige Kapitalanlage fungieren.6 Die spezielleren Posten „Anteile an verbundenen Unternehmen“ (A. III. 1.) und „Beteiligungen“ (A. III. 3.) sind vorrangig. Die längerfristige Zwecksetzung (s. Rz. 21) dient der Abgrenzung von den „Wertpapieren des Umlaufvermögens“ (B. III.). Hierunter sind auch sammelverwahrungsfähige wertpapierähnliche Rechte auszuweisen.7 g) Sonstige Ausleihungen (6.) Sonstige Ausleihungen sind alle Ausleihungen (s. Rz. 23), die nicht unter A. III 2. (s. Rz. 23) oder 4. (s. Rz. 25) auszuweisen sind

27

III. Umlaufvermögen (B.) 1. Grundlegendes Als Umlaufvermögen sind alle Vermögensgegenstände auszuweisen, die nicht zum Anlagevermögen zäh- 28 len (negative Komplementarität). Dies sind solche Vermögensgegenstände, die nicht iSd. § 247 Abs. 2 HGB dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen. 2. Vorräte (I.) a) Definition Vorräte sind Vermögensgegenstände, die zum Verbrauch oder zur Weiterveräußerung angeschafft oder 29 hergestellt worden sind.8

1 2 3 4 5 6 7 8

So überzeugend Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 61 (Stand Feb. 2013). Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 19. Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 26 (Stand Sept. 2015). Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 61 (Stand Feb. 2013). Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 77. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 22. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 66 (Stand Feb. 2013). Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 25.

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§ 266 Rz. 30 | Gliederung der Bilanz b) Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (1.) 30

Rohstoffe sind alle Stoffe, die in die betrieblichen Produkte eingehen und deren Hauptbestandteile bilden.1 Dies sind nicht nur die Stoffe der Urproduktion (zB Kohle, Eisenerz), sondern auch von anderen Unternehmen gelieferte körperliche Gegenstände, die zur Weiterverwendung im Unternehmen bestimmt sind.2 Hilfsstoffe sind Stoffe die als untergeordnete Bestandteile in das Produkt eingehen (zB Nägel, Schrauben und Verpackung).3 Betriebsstoffe werden im Zusammenhang mit der betrieblichen Erzeugung verbraucht und gehen als solche nicht in das Produkt ein (zB Schmier- und Heizmittel).4 c) Unfertige Erzeugnisse und Leistungen (2.)

31

Unfertige Erzeugnisse sind Gegenstände, die bereits in den Produktionsprozess einbezogen wurden, aber noch nicht die Verkaufsreife erlangt haben.5 Unfertige Leistungen sind in Ausführung begriffene, aber noch nicht abgeschlossene Aufträge und Dienstleistungsunternehmungen.6 d) Fertige Erzeugnisse und Waren (3.)

32

Fertige Erzeugnisse sind selbst hergestellte, verkaufsfertige Vermögensgegenstände.7 Waren sind demgegenüber hinzuerworbene, unbewegliche oder bewegliche Gegenstände, die ohne oder ohne nennenswerte Be- oder Verarbeitung im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsablaufs veräußert werden sollen.8 e) Geleistete Anzahlungen (4.)

33

Geleistete Anzahlungen sind Zahlungen für den Erwerb noch nicht gelieferter Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens oder für Dienstleistungen, die Bestandteil der Herstellungskosten der Erzeugnisse werden, die vor Abnahme bzw. Gefahrübergang geleistet werden.9 3. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände (II.) a) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (1.)

34

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind Erfüllungsansprüche in Bezug auf die Hauptleistung im Rahmen gegenseitiger Verträge, sofern diese Leistung eine übliche Umsatztätigkeit des Unternehmens ist.10 Besteht die Forderung gegen ein verbundenes Unternehmen iSd. § 271 Abs. 2 HGB, so ist der Posten B. II 2. vorrangig.11 Vorrang hat ebenso der Ausweis als Forderung gegen Beteiligungsunternehmen iSd. § 271 Abs. 2 HGB unter Posten B. II. 3.12 Ein Vermerk der Mitzugehörigkeit nach § 265 Abs. 3 HGB ist in diesem Fall angebracht (s. § 265 HGB Rz. 20 ff.). b) Forderungen gegen verbundene Unternehmen (2.)

35

Die Verbundenheit von Unternehmen definiert § 271 Abs. 2 HGB nach Maßgabe einer Vollkonsolidierung nach §§ 300–307 HGB. c) Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (3.)

36

Für das Beteiligungsverhältnis nach § 271 Abs. 1 HGB ist der Abschlussstichtag entscheidend.13

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 33. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 266 HGB Rz. 57. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 24. Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 33 (Stand Sept. 2015). Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 34. Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 100. Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 36 (Stand Sept. 2015). Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 78.1 (Stand Feb. 2013). Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 27. Suchan in MünchKomm BilR, § 266 HGB Rz. 67. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 37. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 265 HGB Rz. 39. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 32.

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C. Gliederung der Aktivseite (Abs. 2)

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Rz. 44 § 266

d) Sonstige Vermögensgegenstände (4.) Unter den Auffangsammelposten „sonstige Vermögensgegenstände“ fallen zB kurzfristige Darlehensforderungen, Steuererstattungsansprüche, Forderungen aus Rechtsstreitigkeiten, Genossenschaftsanteile bei fehlender Daueranlageabsicht sowie fällige aber noch nicht erfüllte Miet- und Zinsansprüche.1

37

4. Wertpapiere (III.) a) Grundlegendes Zu den Wertpapieren des Umlaufvermögens gehören übertragbare Inhaber- und Orderpapiere, die nicht 38 dem Anlagevermögen nach § 247 Abs. 2 HGB (s. Rz. 28) zuzurechnen sind. b) Anteile an verbundenen Unternehmen (1.) Unter Anteile sind alle verbrieften und unverbrieften Kapitalanteile an anderen Unternehmen zu verstehen.2 Sie dürfen nicht dem Anlagevermögen zugehören (s. Rz. 28) Der Begriff des verbundenen Unternehmens ist in § 271 Abs. 2 HGB legaldefiniert. GmbH-Anteile sind, obwohl keine Wertpapiere, nach hM kraft Sachzusammenhangs unter diesem Bilanzposten zu verzeichnen.3

39

c) Sonstige Wertpapiere (2.) Dieser Auffangposten erfasst nicht unter den Posten B. III. 1. fallende Wertpapiere (s. Rz. 26) des Umlaufvermögens, insbes. Finanzwechsel, Euronotes, Certifcates of Deposit sowie abgetrennte Dividenden- und Zinsscheine.4

40

5. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks (IV.) Diese Position enthält die liquiden Mittel des Unternehmens. Zum Kassenbestand gehören das Bargeld 41 in Form von Banknoten und Münzen in- wie ausländischer Währung aller Kassen sowie unverbrauchte Wertzeichen (zB Briefmarken).5 Die Guthaben bei Kreditinstituten sind die Forderungen gegen in- wie ausländische Kreditinstitute aus dem Kreditverkehr.6 Das Bundesbankguthaben ist mit Blick auf die weite Fassung „Guthaben bei Kreditinstituten“ überflüssig.7 Schecks sind Bar- und Verrechnungsschecks jedweder Art, über die für eigene Rechnung verfügt werden kann.8

IV. Rechnungsabgrenzungsposten (C.) Aktive Rechnungsabgrenzungsposten sind als transitorische Abgrenzungsposten nach Maßgabe des § 250 Abs. 1 HGB auszuweisen.

42

V. Aktive latente Steuern (D.) Ist das Steuerbilanzgewinn höher als der handelsrechtliche, so kann die latente Steuerentlastung aktivisch 43 abgegrenzt werden (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die aktiven latenten Steuern sind entweder netto als positiver Saldo aus aktiven und passiven latenten Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB) oder aber mit dem Bruttobetrag auszuweisen (§ 274 Abs. 1 Satz 3 HGB).

VI. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung (E.) Der Posten zum aktiven Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung ist der „gesonderte Posten“ 44 des § 246 Abs. 2 Satz 3 HGB. Dieser entsteht, wenn Altersvorsorgeverpflichtungen nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB mit den dort genannten Vermögenswerten verrechnet werden.

1 Weitere Beispiele bei Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 45 (Stand Sept. 2015). 2 Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 19. 3 ADS6, § 266 HGB Rz. 138; Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 34; Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 36; Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 136. 4 Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 37. 5 Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 36. 6 Suchan in MünchKomm BilR, § 266 HGB Rz. 85. 7 Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 154. 8 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 266 Rz. 82.

Drüen

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§ 266 Rz. 45 | Gliederung der Bilanz

D. Gliederung der Passivseite (Abs. 3) I. Grundlegendes 45

Die Passivseite der Bilanz stellt die Mittelherkunft der Vermögensgegenstände des Unternehmens dar und zeigt die Relation von Eigen- und Fremdfinanzierung auf.

II. Eigenkapital (A.) 1. Definition 46

Das Eigenkapital umfasst als Residualposten zur Herstellung des Bilanzgleichgewichts alle vom Unternehmensinhaber aufgebrachten oder thesaurierten Mittel.1 Es wird beim bilanziellen Ausweis entsprechend § 272 HGB untergliedert: 2. Gezeichnetes Kapital (I.)

47

Das gezeichnete Kapital ist in § 272 Abs. 1 Satz 1 HGB legaldefiniert. Bei der GmbH ist nach § 42 Abs. 1 GmbHG das Stammkapital, bei der AG nach § 152 Abs. 1 AktG das Grundkapital auszuweisen. 3. Kapitalrücklage (II.)

48

Den Posten der Kapitalrücklage bestimmt § 272 Abs. 2 HGB näher. 4. Gewinnrücklagen (III.) a) Grundlegendes

49

Gewinnrücklagen behandelt § 272 Abs. 3 HGB. b) Gesetzliche Rücklagen (1.)

50

Gesetzliche Rücklagen iSd. § 272 Abs. 3 Satz 2 HGB sind die Rücklagen bei AG und KGaA nach § 150 Abs. 1 und 2 AktG und bei der UG (haftungsbeschränkt) nach § 5a Abs. 3 GmbHG. c) Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (2.)

51

Die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen normiert § 272 Abs. 4 HGB. d) Satzungsmäßige Rücklagen (3.)

52

Satzungsmäßige Rücklagen erwähnt § 272 Abs. 3 Satz 2 HGB. Eine weitere Untergliederung nach dem Kriterium der Zweckgebundenheit ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, jedoch aus Klarheitsgesichtspunkten empfehlenswert.2 e) Andere Gewinnrücklagen (4.)

53

Andere Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 3 Satz 2 HGB) sind alle nicht bereits erfassten Gewinnrücklagen, mithin alle sonstigen Rücklagen aus dem Jahresergebnis aufgrund Beschlussfassung.3 5. Gewinnvortrag/Verlustvortrag (IV.)

54

Der Gewinnvortrag ergibt sich aus dem positiven Saldo der akkumulierten Vorjahresergebnisse, soweit diese nicht ausgeschüttet oder zur Rücklagenbildung verwendet wurden.4 Der Verlustvortrag ist der nicht durch Rücklagen und Gewinne ausgeglichene Vorjahresfehlbetrag.5

1 2 3 4 5

Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 58 (Stand Sept. 2015). Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 150 (Stand Feb. 2013). Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 51. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 161 (Stand Feb. 2013). Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 52.

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D. Gliederung der Passivseite (Abs. 3)

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Rz. 62 § 266

6. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (V.) Der Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag ist das vom Bilanzierenden in der Periode erzielte wirtschaftliche Ergebnis.1 Dieser GuV-Betrag muss mit dem nach § 275 Abs. 2 Nr. 17 bzw. Abs. 3 Nr. 16 HGB übereinstimmen.

55

7. Sonderposten Genusskapital ist ein Sonderposten des Eigenkapitals, wenn die Vergütung für den Genussrechtsinhaber 56 erfolgsabhängig ist, er am Verlust in voller Höhe teilhat, es im Insolvenzfall dem gezeichneten Kapital vergleichbar nachrangig ist und die Kapitalüberlassung auf längere Sicht erfolgt.2 Die zuvor für Genussrechte genannten Kriterien lassen sich auf stille Beteiligungen übertragen.3

III. Rückstellungen (B.) 1. Grundlegendes Ansatzvorschriften für Rückstellungen enthält § 249 HGB.

57

2. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (1.) Rückstellungen für Pensionen sind Verpflichtungen aus laufenden Zusagen sowie Einmalzahlungen mit 58 Versorgungscharakter.4 Ähnliche Verpflichtungen sind mittelbaren oder unmittelbaren Pensionszusagen vergleichbare Verpflichtungen, die Versorgungscharakter haben (zB Sterbe- und Übergangsgeld).5 3. Steuerrückstellungen (2.) Steuerrückstellungen sind alle ungewissen Steuerverbindlichkeiten, bei denen der Bilanzierende Steuerschuldner ist oder für fremde Steuern als Dritter haftet.6 Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, nach dem die verwirklichte Steuer kraft Gesetzes exakt feststeht (vgl. § 38 AO), spricht dafür, eine (feststehende) Steuerverbindlichkeit auszuweisen. Bis zur finanzbehördlichen Steuerfestsetzung (§ 155 AO) besteht indes faktisch gleichwohl Ungewissheit, die eine Passivierung als Rückstellung rechtfertigt.7

59

4. Sonstige Rückstellungen (3.) Der Sammelposten sonstige Rückstellungen erfasst alle zuvor nicht einzuordnenden Rückstellungen. Eine 60 weitere Untergliederung nach § 265 Abs. 5 Satz 1 HGB nach Maßgabe von § 249 Abs. 1 HGB ist zulässig.8

IV. Verbindlichkeiten (C.) 1. Anleihen, davon konvertibel (1.) Anleihen sind langfristige Verbindlichkeiten, die am Kapitalmarkt aufgenommen wurden.9 Dazu gehören Gewinn-, Options- und Wandelschuldverschreibungen sowie Genussrechte, soweit ihnen nicht Eigenkapitalqualität zukommt (s. Rz. 56).10

61

2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (2.) Zu den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten zählen alle Verbindlichkeiten, einschließlich zu leis- 62 tender Zinsen, gegenüber Gläubigern, die die Definition des § 1 KWG erfüllen.11

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Suchan in MünchKomm. BilR, § 266 HGB Rz. 106. Näheres bei Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht § 266 HGB Rz. 182 ff. (Stand Feb. 2013). Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 50. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 266 Rz. 106. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 266 HGB Rz. 65. Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 53. Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 201. Suchan in MünchKomm. BilR, § 266 HGB Rz. 118; Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 203. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 233 (Stand Feb. 2013). Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 266 HGB Rz. 69. Schubert in Beck BilKomm.10, § 266 Rz. 221.

Drüen

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§ 266 Rz. 63 | Gliederung der Bilanz 3. Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen (3.) 63

Bei einer erhaltenen Anzahlung auf Bestellung hat ein Dritter im Rahmen eines Liefer- oder Leistungsvertrags eine Zahlung getätigt, wobei die Lieferung oder Leistung noch nicht erfolgt ist.1 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (4.)

64

Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sind Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen betreffend den Bezug von Gütern oder Dienstleistungen, deren Erfüllung noch aussteht.2 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel (5.)

65

Wechsel sind gesetzlichen Formvorgaben folgende Wertpapiere, die ein bestimmtes Zahlungsversprechen beinhalten und durch Indossament übertragbar sind.3 Auf das Unternehmen gezogene Wechsel werden Tratten, eigene Wechsel werden Solawechsel genannt.4 Wechsel zur Kreditgewährung, denen kein Umsatzgeschäft zugrunde liegt (sog. Finanzwechsel), sind gleichfalls erfasst.5 Zu Sicherungszwecken hinterlegte Wechsel, die nur unter der Bedingung in Verkehr gebracht werden dürfen, dass der Ausreichende seiner Verpflichtung nicht nachkommt (Kautions-, Sicherungs- oder Depotwechsel), sind hingegen nicht erfasst.6 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (6.)

66

Die Verbindlichkeit muss gegenüber einem verbundenen Unternehmen iSv. § 271 Abs. 2 HGB bestehen. 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (7.)

67

Die Verbindlichkeit besteht in diesen Fällen gegenüber einem Unternehmen, an dem eine Beteiligung nach § 271 Abs. 1 HGB gehalten wird (Aktivbeteiligung), oder das selbst eine solche Beteiligung am bilanzierenden Unternehmen hält (Passivbeteiligung).7 8. Sonstige Verbindlichkeiten (8.)

68

Dieser Sammelposten erfasst alle nicht vorrangig unter Nr. 1–7 eingeordneten sonstigen Verbindlichkeiten. Für Verbindlichkeiten aus Steuern und im Rahmen der sozialen Sicherheit ist ein Davon-Vermerk vorgeschrieben. Erfasst sind nur Steuern iSd. § 3 AO.8 Verbindlichkeiten im Rahmen der sozialen Sicherheit sind solche zur sozialen Absicherung der Arbeitnehmer auf gesetzlicher oder privatautonomer Grundlage, zB Beiträge zu den Sozialversicherungen, zu den Ersatzkassen sowie den Zusatzversorgungseinrichtungen, aber auch Verpflichtungen zu Abfindungs- und Altersteilzeitvereinbarungen.9

V. Rechnungsabgrenzungsposten (D.) 69

Der passive Rechnungsabgrenzungsposten dient der zutreffenden Ertragsperiodierung und ist in § 250 Abs. 2 HGB normiert.

VI. Passive latente Steuern (E.) 70

Passive latente Steuern sind nach § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB in der Bilanz anzusetzen. Sie können zum einen netto als Saldo aus passiven und aktiven latenten Steuern ausgewiesen werden (vgl. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB), zum anderen auch brutto als Summe der passiven latenten Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 3 HGB).

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Schubert in Beck BilKomm.10, § 266 Rz. 55. Ebert in Heidel/Schall, HGB2, § 266 Rz. 69. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 242 (Stand Feb. 2013). Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 266 HGB Rz. 93. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 266 Rz. 119. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 242 (Stand Feb. 2013). Lezius in Ensthaler, HGB8, § 266 Rz. 63. Drewes in Kirsch, 360° Bilanzrecht eKommentar, § 266 HGB Rz. 94 (Stand Sept 2015). Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 266 Rz. 125.

656

| Drüen

Umschreibung der Größenklassen

| § 267

VII. Sonderposten Ggf. ist der Sonderposten „Zur Durchführung der beschlossenen Kapitalerhöhung geleistete Einlagen“ an- 71 zusetzen, wenn Gesellschafter Einlagen in Erwartung eines Mitgliedschaftsrechts geleistet haben, für die die Eintragung als Kapitalerhöhung noch aussteht.1

E. Rechtsfolgen von Verstößen Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Gliederungsvorgaben kann eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 72 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB begründen. Eine Straftat nach § 331 Nr. 1 HGB kommt in Betracht, wenn durch die Gesetzesverletzung die Verhältnisse unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Übersichtlichkeit und Klarheit der Bilanz führt nach § 278 Abs. 4 AktG zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.2 Bei Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften greift diese Rechtsfolge nur in gravierenden Fällen ein.3 Eine wesentliche Beeinträchtigung ist zB anzunehmen, wenn die Bilanzaufstellung in Staffelform zur Postenvermischung führt, unberechtigterweise nur eine verkürzte Bilanz aufgestellt wird oder nicht von § 265 Abs. 4–7 HGB gedeckte, nicht branchenübliche Postenbezeichnungen gewählt werden.4

§ 267 Umschreibung der Größenklassen (1) Kleine Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: 1. 6.000.000 Euro Bilanzsumme. 2. 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlußstichtag. 3. Im Jahresdurchschnitt fünfzig Arbeitnehmer. (2) Mittelgroße Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei in Absatz 1 bezeichneten Merkmale überschreiten und jeweils mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: 1. 20.000.000 Euro Bilanzsumme. 2. 40.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlußstichtag. 3. Im Jahresdurchschnitt zweihundertfünfzig Arbeitnehmer. (3) 1Große Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei in Absatz 2 bezeichneten Merkmale überschreiten. 2Eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 264d gilt stets als große. (4) 1Die Rechtsfolgen der Merkmale nach den Absätzen 1 bis 3 Satz 1 treten nur ein, wenn sie an den Abschlußstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren über- oder unterschritten werden. 2Im Falle der Umwandlung oder Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1, 2 oder 3 am ersten Abschlußstichtag nach der Umwandlung oder Neugründung vorliegen. 3Satz 2 findet im Falle des Formwechsels keine Anwendung, sofern der formwechselnde Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personenhandelsgesellschaft im Sinne des § 264a Absatz 1 ist. (4a) 1Die Bilanzsumme setzt sich aus den Posten zusammen, die in den Buchstaben A bis E des § 266 Absatz 2 aufgeführt sind. 2Ein auf der Aktivseite ausgewiesener Fehlbetrag (§ 268 Absatz 3) wird nicht in die Bilanzsumme einbezogen. (5) Als durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer gilt der vierte Teil der Summe aus den Zahlen der jeweils am 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer, jedoch ohne die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. (6) Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. 1 2 3 4

Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 266 HGB Rz. 85. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 266 HGB Rz. 88. ADS6, § 266 HGB Rz. 21. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 282 (Stand Feb. 2013).

Drüen/Karrenbrock

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657

§ 267 Rz. 1 | Umschreibung der Größenklassen A. Grundaussagen der Vorschrift I. Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abgrenzung der Größenklassen I. Kleine Kapitalgesellschaften (Abs. 1) . . . . . II. Mittelgroße Kapitalgesellschaften (Abs. 2) . III. Große Kapitalgesellschaften (Abs. 3) . . . . . C. Die Größenmerkmale im Einzelnen I. Bilanzsumme (Abs. 4a) . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

_ __ __ _ _ 1 5 6

7 9 10

II. Umsatzerlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zahl der Arbeitnehmer (Abs. 5) . . . . . . . . . D. Zeitliche Komponente der Größenklasseneinstufung (Abs. 4) I. Die Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten bei Neugründung und Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen (Abs. 6) . . . . . . F. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

__ _ _ __ 17 19 24 26 35 36

Literatur: Lehwald, Die Zahl der Beschäftigten als Abgrenzungsmerkmal im Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes, BB 1981, 2107; Volk, Möglichkeiten zur erfolgsneutralen Beeinflussung des Betriebsgrößenmerkmals „Bilanzsumme“, DStR 1988, 380; Veit, Zur Bedeutung formeller Bilanzpolitik, DB 1994, 2509; Joswig, Größenabhängige Klassifizierung nach § 267 HGB bei Neugründungen und Umwandlungen, BB 2007, 763; Zwirner, Kapitalmarktorientierung – Legaldefinition und Rechtsfolgen, KoR 2010, 1; Richter, Anpassung der Umsatzerlösdefinition durch das BilRUG, DB 2015, 385; Röser/Roland/Rimmelspacher, Änderungen in der Bestimmung der Größenklassen nach §§ 267, 293 HGB durch das BilRUG, DB 2015, Beil. 5, 4.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Gegenstand und Zweck 1

Die Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, hinsichtlich der Anforderungen an die Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften in Abhängigkeit von der Größe der Unternehmen Erleichterungen vorzusehen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber umfassend Gebrauch gemacht. So enthalten die §§ 264, 266, 276, 288, 316, 326, 327 HGB größenabhängige Erleichterungen im Hinblick auf eine verkürzte Darstellung von Bilanz (§ 266 Abs. 1 HGB), Gewinn- und Verlustrechnung (§ 276 HBG) und Anhang (§ 288 HGB), die Befreiung von der Aufstellung eines Lageberichts (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB) bzw. eines Anhangs (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB), Erleichterungen bei der Offenlegung (§§ 326, 327 HGB) und die Befreiung von der Prüfungspflicht (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB). Darüber hinaus entbindet § 274a HGB kleine Kapitalgesellschaften von bestimmten Erläuterungspflichten sowie der Anwendung des § 274 HGB über die Bilanzierung latenter Steuern.

2

Die Größenmerkmale, bei deren Unterschreiten die Erleichterungen in Anspruch genommen werden können, werden indessen nicht in den Einzelvorschriften, sondern gesondert in § 267 HGB geregelt. Ergänzend enthält § 267a HGB seit der Verabschiedung durch das Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) eine Definition der sog. Kleinstkapitalgesellschaften. § 267 HGB nimmt anhand der quantitativen Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer sowie der Kapitalmarktorientierung als zusätzliches qualitatives Kriterium eine Einteilung in die drei Größenklassen kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften vor. Die Schwellenwerte für die quantitativen Größen werden dabei nach Art. 3 Abs. 13 der EU-Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) durch die Europäische Kommission in regelmäßigen Abständen von fünf Jahren überprüft und ggf. an inflatorische und wirtschaftliche Entwicklungen angepasst.1 Die Umsetzung der letzten Anpassung erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG). Dabei hat sich der Gesetzgeber an den nach der EU-Bilanzrichtlinie 2013/34/EU vom 26.6.2013 zulässigen Obergrenzen orientiert.2

3

Die Einordnung in eine bestimmte Größenklasse erfolgt dann, wenn mindestens zwei der in § 267 Abs. 1, 2 oder 3 HGB für die jeweilige Größenklasse genannten Merkmale erfüllt sind. Die Rechtsfolgen der Einstufung treten nach § 267 Abs. 4 Satz 1 HGB allerdings erst ein, wenn die Schwellenwerte an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren über- oder unterschritten werden. Im Fall der Umwandlung oder Neugründung genügt es, wenn die Voraussetzungen am ersten Abschlussstichtag nach der Umwandlung oder Neugründung vorliegen (§ 267 Abs. 4 Satz 2 HGB). Das gilt allerdings nicht, wenn im Fall eines Formwechsels der formwechselnde Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB ist (§ 267 Abs. 4 Satz 3 HGB).

1 Vgl. Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 2 (Stand Jan. 2013). 2 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 5.1 (Stand Sept. 2015).

658

| Karrenbrock

B. Abgrenzung der Größenklassen

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Rz. 9 § 267

§ 267 Abs. 6 HGB stellt abschließend klar, dass mit der Einordnung in eine der Größenklassen keine Be- 4 schränkung der Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach anderen Gesetzen verbunden ist.

II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 267 HGB richtet sich in erster Linie an Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte haftungs- 5 beschränkte Personengesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB (s. § 264a HGB Rz. 8 ff.). Daneben entfaltet die Vorschrift über den in § 336 Abs. 2 Satz 1 HGB enthaltenen Verweis aber auch für Genossenschaften Bedeutung. Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen haben unabhängig von der Überschreitung der in § 267 Abs. 1 bis 3 HGB genannten Schwellenwerte stets die für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften zu beachten (§§ 340a Abs. 1, 341a Abs. 1 HGB). Für Unternehmen anderer Rechtsformen enthält das PublG eigene Schwellenwerte für Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Zahl der Arbeitnehmer, die von denjenigen des HGB abweichen (§ 1 Abs. 1 PublG).1

III. Rechtsentwicklung Die Vorschrift ist durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985 in das HGB eingefügt wor- 6 den. Sie hatte ihre Grundlage in Art. 11 und Art. 27 der 4. EG-Richtlinie. Änderungen mit wesentlichen Auswirkungen auf § 267 HGB haben das Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000, mit dem der Anwendungsbereich auf Personenhandelsgesellschaften iSv. § 264a HGB erweitert wurde, sowie das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, mit dem in § 264d HGB eine Definition des Begriffs „kapitalmarktorientiert“ erfolgte, gebracht. Im Laufe der Zeit sind zudem die ursprünglichen Schwellenwerte für die einzelnen Größenklassen aufgrund von Art. 53 Abs. 2 der 4. EGRichtlinie bzw. Art. 3 Abs. 13 der EU-Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) mehrfach angepasst worden. Die letzte Anpassung erfolgte durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015. Mit diesem Gesetz erfolgten zugleich Klarstellungen bezüglich der Ermittlung der Bilanzsumme (Abs. 4a) sowie hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Größenklasseneinstufung in Fällen des Formwechsels, wenn der formwechselnde Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft iSd. § 264a HGB ist (Abs. 4 Satz 3). Die durch das BilRUG erfolgten Änderungen des § 267 HGB sind nach Art. 75 Abs. 2 Satz 2 EGHGB verpflichtend erstmals auf Jahresabschlüsse für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. Davon abweichend ist nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 EGHGB allerdings auch eine vorzeitige Anwendung auf Jahresabschlüsse für das nach dem 31.12.2013 beginnende Geschäftsjahr zulässig.

B. Abgrenzung der Größenklassen I. Kleine Kapitalgesellschaften (Abs. 1) Als kleine Kapitalgesellschaften gelten nach § 267 Abs. 1 iVm. Abs. 4 HGB solche, die an zwei aufeinan- 7 derfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der drei folgenden Schwellenwerte nicht überschreiten: 1. Bilanzsumme 6.000.000 €. 2. Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag 12.000.000 €. 3. Im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer. Darüber hinaus setzt die Einstufung als kleine Kapitalgesellschaft stets voraus, dass es sich nicht um eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft iSd. § 264d HGB handelt. Das Gesetz spricht von einem Überschreiten der Merkmale. Ein genaues Erreichen der Schwellenwerte ist daher unschädlich. Wird ein Schwellenwert überschritten, kommt es allerdings auf das Ausmaß der Überschreitung nicht an.2

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II. Mittelgroße Kapitalgesellschaften (Abs. 2) Eine Kapitalgesellschaft gilt nach § 267 Abs. 2 iVm. Abs. 4 HGB als mittelgroß, wenn sie an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der drei Schwellenwerte für kleine Kapitalgesellschaften überschreitet und mindestens zwei der drei folgenden Werte nicht überschreitet: 1 Zur Kritik an den abweichenden Schwellenwerten nach HGB und PublG und den seit Jahrzehnten unveränderten Werten im PublG vgl. Wagner, Das Publizitätsgesetz, 126 ff. 2 Vgl. Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 5.

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§ 267 Rz. 10 | Umschreibung der Größenklassen 1. Bilanzsumme 20.000.000 €. 2. Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag 40.000.000 €. 3. Im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. Nicht erforderlich ist es, dass mindestens zwei der drei Merkmalsausprägungen innerhalb der Schwellenwerte liegen. So ist eine mittelgroße Kapitalgesellschaft auch dann gegeben, wenn lediglich die Ausprägung eines Merkmals innerhalb der Bandbreite liegt und nur der Wert eines anderen Merkmals den jeweiligen Schwellenwert überschreitet (Beispiel: Bilanzsumme 15.000.000 €, Umsatzerlöse 10.000.000 €, im Jahresdurchschnitt 300 Arbeitnehmer).1 Voraussetzung für die Einstufung als mittelgroße Kapitalgesellschaft ist jedoch unabhängig von der Unterschreitung der Schwellenwerte stets, dass es sich nicht um eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft iSv. § 264d HGB handelt.

III. Große Kapitalgesellschaften (Abs. 3) 10

Eine Kapitalgesellschaft gilt nach § 267 Abs. 3 iVm. Abs. 4 HGB als groß, wenn sie an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der drei folgenden Schwellenwerte überschreitet: 1. Bilanzsumme 20.000.000 €. 2. Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag 40.000.000 €. 3. Im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. Darüber hinaus gelten kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften iSd. § 264d HGB nach § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB unabhängig vom Überschreiten der Schwellenwerte stets als groß.

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Eine Kapitalgesellschaft gilt nach § 264d HGB als kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG (insbes. Aktien und vergleichbare Wertpapiere; Zertifikate, die Aktien vertreten; Genussscheine; Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen sowie Zertfikate, die Schuldtitel vertreten) in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat. Ein organisierter Markt iSv. § 2 Abs. 5 WpHG ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten nach festgelegten Regeln in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Ein in diesem Sinne organisierter Markt ist in der Bundesrepublik Deutschland der Regulierte Markt (§ 32 ff. BörsG). Dagegen stellt der Freiverkehr (§ 48 BörsG) keinen organisierten Markt iSv. § 2 Abs. 5 WpHG dar (s. § 264d HGB Rz. 7).2

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Die Einstufung als große Kapitalgesellschaft erfolgt bereits mit dem Antrag auf Zulassung zum Handel am organisierten Markt. Damit wird dem erhöhten Informationsbedürfnis der potenziellen Anleger Rechnung getragen.3 Mit dem Ende der Notierung an einem organisierten Markt richtet sich die Einstufung bereits am unmittelbar darauffolgenden Abschlussstichtag wieder allein nach den quantitativen Größenkriterien von § 267 Abs. 1–3 iVm. Abs. 4 HGB.4

C. Die Größenmerkmale im Einzelnen I. Bilanzsumme (Abs. 4a) 13

Die Bilanzsumme iSv. § 267 Abs. 1–3 HGB setzt sich nach § 267 Abs. 4a HGB aus den Posten zusammen, die in § 266 Abs. 2 Buchst. A–E aufgeführt sind. Damit sind grundsätzlich sämtliche Positionen der Aktivseite (einschließlich aktiver latenter Steuern5) zu berücksichtigen. Lediglich ein „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ (§ 268 Abs. 3 HGB) ist abzuziehen (§ 267 Abs. 4a Satz 2 HGB). Entsprechendes gilt bei haftungsbeschränkten Personengesellschaften und KGaA für einen nach § 264c Abs. 2 Satz 5 HGB bzw. 1 Vgl. Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 3. 2 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 43 (Stand Sept. 2015); Schellhorn in Hofbauer/Kupsch, Rechnungslegung, § 267 HGB Rz. 35.3 (Stand Jan. 2013); Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 4. 3 Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 21 (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 43.1 (Stand Sept. 2015); Zwirner, KoR 2010, 1 (3). 4 Vgl. Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 35.6 (Stand Jan. 2013); Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 4. 5 Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4.

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C. Die Größenmerkmale im Einzelnen

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Rz. 16 § 267

§ 286 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 AktG als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ auszuweisenden Betrag. Bilanzvermerke beeinflussen die Bilanzsumme nicht.1 Die Höhe der Bilanzsumme hängt letztlich auch davon ab, in welcher Weise gesetzlich zulässige Ansatz-, 14 Bewertungs- und Ausweiswahlrechte ausgeübt wurden. Wenngleich der bilanzpolitische Spielraum durch das BilMoG erheblich eingeschränkt worden ist, enthält das HGB nach wie vor eine Reihe von Wahlrechten, mit denen das Größenmerkmal Bilanzsumme zielgerichtet beeinflusst werden kann. Von Bedeutung sind dabei allerdings nur solche Wahlrechte, die sich auf die Aktivseite der Bilanz beziehen, da die Bilanzsumme durch die Ausübung von Passivierungswahlrechten nicht verändert wird.2 Das Passivierungswahlrecht für Pensionsrückstellungen nach Art. 28 EGHGB stellt daher insoweit kein bilanzpolitisches Aktionselement (zur Beeinflussung der Bilanzsumme) dar.3 Entsprechendes gilt für die Ausübung von Ermessensspielräumen bei anderen Rückstellungsarten. Als Wahlrechte, mit denen eine Beeinflussung der Bilanzsumme ermöglicht wird, sind neben der Nutzung von Ermessensspielräumen beispielsweise zu nennen:4 (1) Ansatzwahlrechte – Verzicht auf die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 HGB); – Verzicht auf die Aktivierung eines Disagios (§ 250 Abs. 3 HGB); – Verzicht auf die Aktivierung eines Aktivüberhangs latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 HGB). (2) Bewertungswahlrechte – Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter; – Wahl der degressiven Abschreibung bei Vermögensgegenständen des abnutzbaren Anlagevermögens; – außerplanmäßige Abschreibungen auf Finanzanlagen bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung (§ 253 Abs. 3 Satz 6 HGB); – keine Einbeziehung von Wahlbestandteilen in die Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB); – Inanspruchnahme von Bewertungsvereinfachungsverfahren bei der Bewertung des Vorratsvermögens (§ 256 HGB). (3) Ausweiswahlrechte – offene Absetzung erhaltener Anzahlungen von den Vorräten (§ 268 Abs. 5 Satz 2 HGB); – Saldierung aktiver und passiver latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 HGB). Von den genannten Wahlrechten zur Beeinflussung der Bilanzsumme sind insbes. die Ausweiswahlrechte 15 von besonderem Interesse, da sie nicht mit einer Veränderung des Periodenergebnisses verbunden sind und demzufolge nicht mit anderen bilanzpolitischen Zielsetzungen konfligieren.5 Allerdings werden die Einsatzmöglichkeiten auch bei diesen Wahlrechten durch den Grundsatz der Ausweisstetigkeit begrenzt.6 Die Vermeidung einer Überschreitung des Schwellenwerts für die Bilanzsumme stellt vor dem Hintergrund des mit dem Stetigkeitsgrundsatz verfolgten Zwecks keinen begründeten Ausnahmefall dar, der eine Stetigkeitsunterbrechung rechtfertigt. Anders als nach § 1 Abs. 2 Satz 2 PublG ist die Aufstellung einer „Probebilanz“ zur Ermittlung der Bilanz- 16 summe mangels rechtsformspezifisch abweichender Rechnungslegungsvorschriften bei Kapitalgesellschaften nicht erforderlich. Die Ermittlung der Bilanzsumme hat vielmehr auf der Grundlage der endgültigen Bilanz zu erfolgen.7 1 Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 7 (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 22 (Stand Sept. 2015); Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 6. 2 Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 8 (Stand Nov. 2016); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 9. 3 So aber Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 22.2 (Stand Sep. 2015); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 16 (Stand Jan. 2013). 4 Vgl. zu einem entsprechenden Katalog von Wahlrechten auch Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 9 ff. (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 22.2 (Stand Sept. 2015); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 16 (Stand Jan. 2013). 5 Vgl. Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 16 (Stand Jan. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 9. Auf die Möglichkeiten und die Bedeutung einer erfolgsneutralen Beeinflussung des Größenmerkmals „Bilanzsumme“ haben bereits Volk und Veit hingewiesen, vgl. Volk, DStR 1988, 380; Veit, DB 1994, 2509. 6 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 22.1 (Stand Sept. 2015); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 16 (Stand Jan. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 9. 7 Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 11 (Stand Nov. 2016); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 17 (Stand Jan. 2013).

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§ 267 Rz. 17 | Umschreibung der Größenklassen

II. Umsatzerlöse 17

Im Gegensatz zur „Bilanzsumme“ wird das Merkmal „Umsatzerlöse“ in § 267 HGB nicht konkretisiert. Die Abgrenzung der hierzu gehörenden Erfolgskomponenten richtet sich daher nach § 277 Abs. 1 HGB. Die darin enthaltene Definition der Umsatzerlöse hat durch das BilRUG einschneidende Änderungen erfahren (s. § 277 HGB Rz. 5 ff.). Während als Umsatzerlöse bisher lediglich Erlöse aus dem für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit typischen Leistungsangebot auszuweisen waren, geht die Neufassung weit darüber hinaus.1 Umsatzerlöse sind danach sämtliche Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern.2 Eine Beschränkung auf Erlöse aus typischen Leistungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit besteht damit nicht mehr. Das hat zur Folge, dass bestimmte Erlöse, die bisher als sonstige betriebliche Erträge zu erfassen waren, künftig als Umsatzerlöse auszuweisen sind.3 Damit dürfte eine nicht unerhebliche Ausweitung der als Umsatzerlöse zu erfassenden Beträge verbunden sein, die ungeachtet der Anhebung der Schwellenwerte in Einzelfällen die Einstufung in eine höhere Größenklasse zur Folge haben kann.4 Andererseits sind nach der Neuregelung künftig neben der Umsatzsteuer auch sonstige direkt mit dem Umsatz verbundene Steuern abzuziehen, wodurch es gegenüber dem bisherigen Recht zu einer Verminderung dieser Position kommt.5

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Maßgeblich sind nach dem Gesetzeswortlaut die Umsatzerlöse in den letzten zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag. Im Fall eines Rumpfgeschäftsjahres sind die insoweit fehlenden Monate des vorangegangenen Geschäftsjahres mit einzubeziehen. Eine Hochrechnung der Umsätze des Rumpfgeschäftsjahres auf einen Zwölfmonatsumsatz ist nicht zulässig.6 Die Umsätze der betreffenden Vorjahresmonate werden damit sowohl bei der Ermittlung des Schwellenwerts für das Vorjahr als auch bei der Ermittlung des Schwellenwerts für das Rumpfgeschäftsjahr berücksichtigt.7 Grundsätzlich sind die tatsächlichen Umsätze der Vorjahresmonate zugrunde zu legen. Die Zugrundelegung durchschnittlicher Monatsumsätze ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn die genauen Umsätze für die Vorjahresmonate nicht festgestellt werden können.8

III. Zahl der Arbeitnehmer (Abs. 5) 19

Der Begriff des Arbeitnehmers wird im Gesetz nicht definiert. Er ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts zu bestimmen. Nach der Rspr. des BAG kommt dabei der persönlichen Abhängigkeit, die sich insbes. in der Weisungsgebundenheit ausdrückt, entscheidende Bedeutung zu.9 Arbeitnehmer sind daher Personen, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags der anderen Vertragspartei ihre Arbeitskraft schulden und im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses verpflichtet sind, deren Weisungen zu folgen. Auf die Rechtswirksamkeit des Arbeitsvertrags kommt es nicht an.10

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Zu den Arbeitnehmern in diesem Sinne gehören auch11: Aushilfskräfte, Heimarbeiter, Schwerbehinderte, unselbständige Handelsvertreter, zu Wehrübungen kurzfristig freigestellte Arbeitnehmer, wegen Mutterschaft beurlaubte Beschäftigte, Kurzarbeiter, geringfügig Beschäftigte, Teilzeitkräfte, Beschäftigte in einem Probearbeitsverhältnis. Teilzeitkräfte, geringfügig Beschäftigte und Kurzarbeiter zählen dabei unabhängig vom Beschäftigungsumfang als volle Arbeitskräfte. Eine lediglich anteilige Berücksichtigung ist nicht zulässig.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Richter, DB 2015, 385 (386 f.); Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). Dabei sind unter Produkten sowohl Waren als auch Erzeugnisse zu verstehen. Vgl. BT-Drucks. 18/2050, 63. Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). Vgl. Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 21 (Stand Jan. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 11; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 8. Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 12; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 8; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 11. Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 13 (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 25 (Stand Sept. 2015); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 21 (Stand Jan. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 11; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 8. Vgl. BAG v. 8.6.1967 – 5 AZR 461/66, DB 1967, 1374 (1375). Vgl. Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 9; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 12. Vgl. dazu auch die entsprechenden Aufzählungen bei Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 8; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 13 und Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 10. Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 13; Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 15 (Stand Nov. 2016); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 27 (Stand Jan. 2013); Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 12; aA Lehwald, BB 1981, 2107 (2108).

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D. Zeitliche Komponente der Größenklasseneinstufung (Abs. 4)

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Rz. 24 § 267

Keine Arbeitnehmer iSv. § 267 HGB sind dagegen1: die gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft 21 (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer einer GmbH, vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA); Mitglieder eines gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorgans (Aufsichtsrat, Beirat), soweit es sich nicht um Arbeitnehmervertreter handelt; ohne Arbeitsvertrag mitarbeitende Familienangehörige eines Gesellschafters; aufgrund eines anderen privatrechtlichen Vertrags (zB Werkvertrag, Gesellschaftsvertrag) Beschäftigte; freie Mitarbeiter; Arbeitnehmer in Elternzeit; aufgrund von Vorruhestandsoder Altersfreizeitregelungen ausgeschiedene Personen; Leiharbeitnehmer. Ausdrücklich nicht zu berücksichtigen sind nach § 267 Abs. 5 HGB die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (zB Auszubildende, Praktikanten, Volontäre). Unerheblich ist dagegen nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut, ob die Beschäftigung des Arbeitnehmers im In- oder Ausland erfolgt. Im Falle einer Überlassung von Arbeitnehmern (zB innerhalb von Konzernen) sind die betreffenden Ar- 22 beitnehmer dem Unternehmen zuzurechnen, mit dem der Arbeitsvertrag besteht. Das gilt selbst dann, wenn das überlassende Unternehmen die Personalaufwendungen weiterbelastet.2 Lediglich in Ausnahmefällen, in denen Überlassungen von erheblicher Dauer iSv. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG praktiziert werden, sind die Arbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen zuzurechnen.3 Maßgebend ist nach § 267 Abs. 5 HGB die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer. Dieser Durchschnitt 23 ist als der vierte Teil der Summe aus den Zahlen der jeweils am 31.3., 30.6., 30.9. und 31.12. beschäftigten Arbeitnehmer zu ermitteln. Ausschlaggebend für die Berücksichtigung ist dabei jeweils, ob an dem betreffenden Stichtag ein Arbeitsverhältnis bestand. Wie lange die Beschäftigung vor dem Stichtag bereits bestanden hat und ob das Beschäftigungsverhältnis über den Stichtag hinaus fortbesteht, ist unerheblich. Zu berücksichtigen sind deshalb auch solche Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis mit dem betreffenden Quartal endet.4 Ergibt sich aufgrund der Umstellung des Geschäftsjahres ein Rumpfgeschäftsjahr, sind für die fehlenden Quartalszahlen die entsprechenden Werte des vorangegangenen Geschäftsjahres zugrunde zu legen.5

D. Zeitliche Komponente der Größenklasseneinstufung (Abs. 4) I. Die Grundregel Die Rechtsfolgen der Klassifikation nach § 267 Abs. 1–3 HGB treten nur dann ein, wenn die betreffenden 24 Größenmerkmale an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren über- bzw. unterschritten werden (§ 267 Abs. 4 Satz 1 HGB). Rumpfgeschäftsjahre gelten dabei als volle Geschäftsjahre.6 Besonderheiten ergeben sich insoweit nur hinsichtlich der Ermittlung der maßgeblichen Vergleichsgrößen (s. Rz. 18 und 23). Sinn und Zweck dieser zusätzlichen zeitlichen Komponente ist es, die Größenklasseneinstufung von Zufälligkeiten freizuhalten und auf diese Weise eine größere Stetigkeit hinsichtlich der von der jeweiligen Kapitalgesellschaft anzuwendenden Vorschriften zu erreichen.7 Das einmalige Über- oder Unterschreiten der Schwellenwerte der bisherigen Größenklasse löst deshalb noch keine Einstufung in eine andere Größenklasse aus. Unerheblich ist dagegen, ob in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils dieselben oder unterschiedliche Schwellenwerte über- bzw. unterschritten werden. Die Größenkriterien sind vielmehr gleichrangig. So ist eine bisher kleine Kapitalgesellschaft auch dann als mittelgroß einzustufen, wenn am Abschlussstichtag die Schwellenwerte nach § 267 Abs. 1 HGB für Bilanzsumme und Zahl der Arbeitnehmer, in dem unmittelbar vorangegangenen Geschäftsjahr dagegen die entsprechenden Schwellenwerte für Umsatzerlöse und Bilanzsumme überschritten worden sind.8 1 Vgl. dazu auch die entsprechenden Aufzählungen bei ADS6, § 267 HGB Rz. 13; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 29 (Stand Sept. 2015); Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 8; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 13 und Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 11. 2 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 14; Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 15 (Stand Nov. 2016); Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 9; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 15. 3 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 14; Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 15 (Stand Nov. 2016). 4 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 10; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 16; Winkeljohann/ Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 12. 5 Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 16 (Stand Nov. 2016); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 33 (Stand Jan. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 16; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 13. 6 Vgl. Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 19; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 14. 7 Vgl. Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 18 (Stand Nov. 2016); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 19. 8 Vgl. Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 19; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 14.

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§ 267 Rz. 25 | Umschreibung der Größenklassen 25

Probleme ergeben sich dann, wenn die Ausprägungen der Größenmerkmale bei einer Kapitalgesellschaft starken Schwankungen unterworfen sind und im Wechsel die Kriterien für unterschiedliche Größenklassen über- bzw. unterschritten werden. In diesen Fällen hat die Zuordnung nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen: a) Unproblematisch ist eine Zuordnung dann, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen jeweils die Merkmale derselben Größenklasse erfüllt sind. In diesem Fall erfolgt am zweiten Stichtag die Einordnung in die betreffende Größenklasse. b) Die Einordnung in eine bestimmte Größenklasse ändert sich nicht, wenn an einem Stichtag die Merkmale für die bisherige Größenklasse über- bzw. unterschritten werden, in dem darauffolgenden Geschäftsjahr jedoch wieder die Merkmale für die Einordnung in die ursprüngliche Größenklasse erfüllt sind. In diesem Fall ist die Voraussetzung eines Über- bzw. Unterschreitens an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht erfüllt. c) Befindet sich eine Kapitalgesellschaft im ständigen Wechsel der drei Größenklassen, ohne dass an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen die Merkmale derselben Größenklasse erfüllt sind, so ist sie unabhängig von ihrer bisherigen Einstufung am Stichtag des dritten Jahres stets als mittelgroß einzustufen. Das ergibt sich, worauf Reiner zutreffend hinweist,1 unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, wonach es eben nicht darauf ankommt, dass eine Kapitalgesellschaft an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen die Merkmale derselben Größenklasse erfüllt. Entscheidend ist vielmehr, ob die in § 267 Abs. 1 und 2 HGB genannten Schwellenwerte an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen überbzw. unterschritten werden. So ist eine im Jahr 01 noch kleine Kapitalgesellschaft, die im Jahr 02 die Schwellenwerte nach § 267 Abs. 1 HGB (für kleine Kapitalgesellschaften) und im Jahr 03 die Schwellenwerte nach § 267 Abs. 2 HGB (für mittelgroße Kapitalgesellschaften) überschreitet, am Stichtag des Jahres 03 als mittelgroß einzustufen, da sie die Schwellenwerte nach § 267 Abs. 1 HGB (für kleine Kapitalgesellschaften) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren überschritten hat. Eine Einstufung als große Kapitalgesellschaft kommt zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht in Betracht, da die hierfür maßgeblichen Schwellenwerte nur in einem Jahr (dem Jahr 03) überschritten wurden. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall einer im Jahr 01 noch großen Kapitalgesellschaft, die im Jahr 02 zunächst die Schwellenwerte nach § 267 Abs. 2 HGB (für mittelgroße Kapitalgesellschaften) und im Jahr 03 die Schwellenwerte nach § 267 Abs. 1 HGB (für kleine Kapitalgesellschaften) unterschreitet. Sie ist im Jahr 03 als mittelgroß einzustufen, da die Schwellenwerte für große Kapitalgesellschaften an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen unterschritten wurden.2

II. Besonderheiten bei Neugründung und Umwandlung 26

Im Fall der Neugründung oder Umwandlung sind für die Einstufung eines Unternehmens in eine der drei Größenklassen des § 267 HGB keine Werte aus früheren Jahren verfügbar. Abweichend von der Grundregel schreibt § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB deshalb für diese Fälle vor, dass die Rechtsfolgen schon dann eintreten, wenn die entsprechenden Größenmerkmale am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung oder Umwandlung vorliegen. Die Größenmerkmale der Unternehmen, aus denen die Kapitalgesellschaft hervorgegangen ist, haben für die Einordnung somit grundsätzlich keine Bedeutung.3

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Das Abstellen auf die Merkmalswerte am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung bzw. Umwandlung ist unproblematisch, wenn sich an den Zeitpunkt der Neugründung oder Umwandlung ein volles Geschäftsjahr anschließt. In diesem Fall lassen sich die für die Einstufung erforderlichen Werte unmittelbar aus den für dieses Jahr vorliegenden Daten der neu gegründeten bzw. umgewandelten Gesellschaft ableiten. Probleme ergeben sich jedoch dann, wenn auf die Neugründung bzw. Umwandlung lediglich ein Rumpfgeschäftsjahr folgt. So kann zwar die „Bilanzsumme“ als stichtagsbezogene Größe ohne weitere Anpassungen zugrunde gelegt werden. Hinsichtlich der zeitraumbezogenen Größe „Umsatzerlöse“ sowie der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer ist dies jedoch nicht der Fall, da das Gesetz in § 267 Abs. 1–3 HGB auf den Jahresumsatz bzw. den Jahresdurchschnitt abstellt und es insoweit an einem entsprechend langen Zeitraum für die Ermittlung der Vergleichsgröße mangelt. In diesen Fällen ist wie folgt zu verfahren:

1 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 14. 2 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 14. Im Ergebnis glA Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 53 (Stand Sept.); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 20. 3 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 15; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 21; Winkeljohann/ Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 22.

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D. Zeitliche Komponente der Größenklasseneinstufung (Abs. 4)

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Rz. 31 § 267

Im Fall der Neugründung beginnt das Geschäftsjahr spätestens mit dem Zeitpunkt der Eintragung der Ge- 28 sellschaft in das Handelsregister. Hat die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb als Vorgesellschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommen, sind die in diesem Zeitraum erzielten Umsatzerlöse bei der Ermittlung der Größenmerkmale insoweit zu berücksichtigen, als das Rumpfgeschäftsjahr den Zeitraum von zwölf Monaten nicht erreicht.1 Das erscheint iS einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zuletzt deshalb gerechtfertigt, weil der Zeitpunkt der Handelsregistereintragung aus der Sicht der Kapitalgesellschaft ein eher zufälliges Datum ist, das die betrieblichen Abläufe als solche nicht beeinflusst.2 Fraglich ist indessen, wie zu verfahren ist, wenn auch unter Berücksichtigung des Geschäftsbetriebs der Vorgesellschaft ein Zeitraum von 12 Monaten nicht erreicht wird. In der Literatur werden hierzu im Wesentlichen zwei Positionen vertreten: Während der eine Teil des Schrifttums in diesem Fall auf die tatsächlichen Umsätze des (ggf. um den Zeitraum des Geschäftsbetriebs der Vorgesellschaft erweiterten) Rumpfgeschäftsjahres abstellen will,3 hält der andere Teil eine Hochrechnung auf einen Jahresumsatz für erforderlich.4 Für die erste Auffassung spricht zwar, dass sich die Werte als solche weitgehend willkürfrei und ohne Schätzungen ermitteln lassen, dem Gesetzeszweck entspricht ein solches Vorgehen jedoch nicht. Schließlich verbindet der Gesetzgeber mit der Höhe der jährlichen Umsatzerlöse doch gerade die Vorstellung von einer bestimmten Größenordnung des Unternehmens. Dieser Maßstab wird verändert, wenn lediglich die Umsätze eines kürzeren Zeitraums als Vergleichsgröße herangezogen werden. Wer aber an falschen Maßstäben misst, wird selten zu richtigen Ergebnissen gelangen. Konkret besteht die Gefahr, dass es zu Einstufungen in zu niedrige Größenklassen kommt, die erst nach Ablauf von zwei weiteren Geschäftsjahren korrigiert werden.5 Damit werden den Jahresabschlussadressaten durch eine letztlich ungerechtfertigte und durch die Dauer des Rumpfwirtschaftsjahres beeinflusste Inanspruchnahme von Erleichterungen Informationen vorenthalten. Eine am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung erfordert es daher, entweder die Umsätze des Rumpfgeschäftsjahres unter Berücksichtigung etwaiger saisonaler Einflüsse auf einen Jahresumsatz hochzurechnen oder aber die Einstufung auf der Basis eines an die Dauer des Rumpfgeschäftsjahres angepassten Schwellenwerts vorzunehmen. In die Ermittlung der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer sind nur die in das Rumpfgeschäftsjahr 29 fallenden Stichtage einzubeziehen. Dabei ist der Divisor an die Anzahl der berücksichtigten Stichtage anzupassen.6 Der maßgebliche Vergleichswert ergibt sich dann als arithmetisches Mittel der an den einbezogenen Stichtagen beschäftigten Arbeitnehmer. Fällt keiner der in § 267 Abs. 5 HGB genannten Stichtage in das Rumpfgeschäftsjahr, ist von der Zahl der Arbeitnehmer am Abschlussstichtag auszugehen.7 Hinsichtlich der Ermittlung der Umsatzerlöse und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer in Um- 30 wandlungsfällen ist zwischen Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel zu unterscheiden. Allen Fällen ist dabei allerdings gemeinsam, dass bei Vorliegen eines Rumpfwirtschaftsjahres eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. Zur Ermittlung der Größenmerkmale Umsatzerlöse und Zahl der Arbeitnehmer sind deshalb die vor der Eintragung der Umwandlung bestehenden Verhältnisse der später eingetragenen Gesellschaft zuzurechnen.8 Insoweit entspricht das Vorgehen der weiter oben dargestellten Berücksichtigung der Verhältnisse von Vorgesellschaften bei Neugründungen (Rz. 28). Eine Verschmelzung ist im Wege der Aufnahme und der Neugründung möglich. Beide Fälle unterschei- 31 den sich im Hinblick auf die Systematik der Vorgehensweise zur Ermittlung der Größenmerkmale nicht.9 Zur Ermittlung der Umsatzerlöse sind die Umsätze, die die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger vor dem Verschmelzungsstichtag erzielt haben, insoweit zu berücksichtigen, als das Rumpfgeschäftsjahr

1 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 19; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 62 (Stand Sept.); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 46 (Stand Jan. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 22; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 24. 2 Vgl. Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 24; ADS6, § 267 HGB Rz. 19; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 62 (Stand Sept. 2015); Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 16; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 22. 3 So etwa Joswig, BB 2007, 763 (764); Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 29 (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 63 (Stand Sept. 2015); Schellhorn in BHR, § 267 HGB Rz. 45 (Stand Jan. 2013). 4 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 19; Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 16; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 22. 5 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 16. 6 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 20; Joswig, BB 2007, 763 (764); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 23. 7 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 20; Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 16; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 23. 8 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 21. 9 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 22.

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§ 267 Rz. 32 | Umschreibung der Größenklassen einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht erreicht.1 Umsätze zwischen den beteiligten Unternehmen sind dabei als Innenumsätze allerdings zu eliminieren.2 Entsprechendes gilt auch für die Ermittlung der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer: Soweit das Rumpfgeschäftsjahr nicht die in § 267 Abs. 5 HGB genannten Stichtage umfasst, sind ergänzend die Arbeitnehmerzahlen der beteiligten Unternehmen an den entsprechenden Stichtagen vor der Verschmelzung heranzuziehen.3 32

Werden Vermögensteile im Wege der Spaltung auf eine andere Kapitalgesellschaft übertragen, sind zur Ermittlung der Umsatzerlöse des übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträgers im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die anteiligen Umsatzerlöse der übertragenden Rechtsträger entsprechend dem Verhältnis der übertragenen zu den zurückbehaltenen Vermögensteilen zu berücksichtigen.4 Soweit dies praktisch auf Schwierigkeiten stößt oder zu offensichtlich nicht sachgerechten Ergebnissen führt, ist eine Hochrechnung der bei der übernehmenden Gesellschaft nach dem Umwandlungsstichtag entstandenen Umsatzerlöse vorzunehmen.5 Entsprechend ist bei der Ermittlung der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer vorzugehen.6

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Im Fall eines Formwechsels greift die Ausnahmeregelung des § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB nicht, wenn es sich bei dem formwechselnden Rechtsträger um eine Kapitalgesellschaft oder eine Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB handelt. Das hat der Gesetzgeber mit dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) durch Einfügung von § 267 Abs. 4 Satz 3 HGB klargestellt. In diesen Fällen gilt daher die Grundregel nach Abs. 4 Satz 1, wonach die Rechtsfolgen der Einstufung in eine Größenklasse erst dann eintreten, wenn die betreffenden Größenmerkmale an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen über- bzw. unterschritten wurden. Das erscheint auch sachgerecht. Schließlich soll die Ausnahmeregelung des Abs. 4 Satz 2 sicherstellen, dass eine bisher nicht nach den Vorschriften für Kapitalgesellschaften rechnungslegungspflichtige Gesellschaft bereits im ersten Jahr nach der Gründung bzw. Umwandlung den ihrer Größe entsprechenden Rechnungslegungsvorschriften nachkommen muss.7 Für Unternehmen, die schon vor dem Formwechsel in den Anwendungsbereich der §§ 264 ff. HGB fallen, ist eine solche Regelung nicht erforderlich. Sie hätte im Gegenteil zur Folge, dass eine Kapitalgesellschaft allein aufgrund eines Formwechsels ggf. ein Jahr früher in eine andere Größenklasse eingestuft wird als dies nach der Grundregel der Fall wäre.8 In der Literatur wurde deshalb schon vor der Neuregelung die Auffassung vertreten, dass entsprechende Fälle im Wege der teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich der Regelung des Abs. 4 Satz 2 auszunehmen sind.9

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Von Bedeutung ist die Einjahres-Ausnahmeregelung nach Abs. 4 Satz 2 damit nur noch für die Fälle, in denen ein bisher nicht in den Anwendungsbereich der §§ 264 ff. HGB fallendes Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft bzw. Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a HGB umgewandelt wird (zB Umwandlung einer OHG oder KG in eine GmbH). In diesen Fällen sind zur Ermittlung der Umsatzerlöse und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer erforderlichenfalls die Verhältnisse vor dem Formwechsel ergänzend zu berücksichtigen.10

E. Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen (Abs. 6) 35

§ 267 Abs. 6 HGB stellt klar, dass die nach anderen Gesetzen bestehenden Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen durch die Einstufung in eine bestimmte Größenklasse nicht tangiert 1 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 22; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 58 (Stand Sep. 2015); Knop/ Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 28 (Stand Nov. 2016); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 24; Winkeljohann/Lawall in Beck BilKomm.10, § 267 HGB Rz. 28; aA Joswig, BB 2007, 763 (766), der lediglich die Verhältnisse der aufnehmenden bzw. der neu gebildeten Gesellschaft berücksichtigen will. 2 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 18, der allerdings aus Vereinfachungsgründen für eine Hochrechnung der Umsatzerlöse auf einen Jahresumsatz plädiert. 3 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 58 (Stand Sept. 2015); Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 27 (Stand Nov. 2016); ADS6, § 267 HGB Rz. 22; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 24. 4 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 23; Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 28 (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 61(Stand Sept. 2015); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 25; aA Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 19. 5 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 23; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 25. 6 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 23; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 25. 7 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 24; Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). 8 Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 20. 9 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 24; Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 20; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 26. 10 Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 24; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 26; aA Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 20, der für eine Hochrechnung der Werte des neuen Unternehmens plädiert.

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Kleinstkapitalgesellschaften

| § 267a

werden. Insoweit wird die sachliche Reichweite der aus der Größenklasseneinstufung resultierenden Erleichterungen eingeschränkt.1 Nach der Gesetzesbegründung soll damit verhindert werden, dass Erleichterungen bei der Offenlegung die gesetzlichen Rechte der Arbeitnehmer beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich § 108 Abs. 5 BetrVG genannt.2 Den Arbeitnehmervertretungen sind daher auch diejenigen Teile des Jahresabschlusses im betriebsverfassungsrechtlich erforderlichen Ausmaß vorzulegen, die aufgrund gesetzlich normierter Erleichterungen von kleinen und mittelgroßen Gesellschaften nicht offengelegt werden müssen.3 Erleichterungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses werden hingegen durch die Regelung in Abs. 6 nicht eingeschränkt, da sich die Erläuterungspflicht nach § 108 Abs. 5 BetrVG nur auf den tatsächlich aufgestellten Jahresabschluss bezieht.4

F. Sanktionen § 267 HGB enthält lediglich Definitionen der Größenklassen. Eine Verletzung der Vorschrift selbst ist deshalb nicht denkbar. Aus einer fehlerhaften Einstufung können sich jedoch mittelbar Rechtsfolgen ergeben, wenn größenabhängige Erleichterungen ungerechtfertigt in Anspruch genommen werden.

§ 267a Kleinstkapitalgesellschaften (1) 1Kleinstkapitalgesellschaften sind kleine Kapitalgesellschaften, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: 1. 350.000 Euro Bilanzsumme; 2. 700.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; 3. im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. 2§ 267 Absatz 4 bis 6 gilt entsprechend. (2) Die in diesem Gesetz für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Absatz 1) vorgesehenen besonderen Regelungen gelten für Kleinstkapitalgesellschaften entsprechend, soweit nichts anderes geregelt ist. (3) Keine Kleinstkapitalgesellschaften sind: 1. Investmentgesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 11 des Kapitalanlagegesetzbuchs, 2. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften im Sinne des § 1a Absatz 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften oder 3. Unternehmen, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Unternehmen eingreifen, wobei die Ausübung der ihnen als Aktionär oder Gesellschafter zustehenden Rechte außer Betracht bleibt. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Definition der Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 1)

_ __ 1 4 7

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I. Die Größenmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zeitliche Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . C. Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen (Abs. 1 Satz 2) . . . D. Erleichterungen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . E. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 12 18 19 21

Literatur: Küting/Eichenlaub, Verabschiedung des MicroBilG – Der „vereinfachte“ Jahresabschluss für Kleinstkapitalgesellschaften, DStR 2012, 2615; Küting/Eichenlaub/Strauß, MicroBilG-E: Geplante Gesetzesänderungen zur Erleichterung der Rechnungslegung und Offenlegung von Kleinstkapitalgesellschaften, DStR 2012, 1670; Theile, Vereinfachte Jahresabschlüsse für Kleinstkapitalgesellschaften, GmbHR 2012, 1112; Fey/Deubert/Lewe/Roland, Erleichterungen nach dem MicroBilG – Einzelfragen zur Anwendung der neuen Vorschriften, BB 2013, 107; Müller/Kreipl, Rechnungslegungserleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften und Tochterunternehmen ausländischer Konzern1 2 3 4

Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 22. Vgl. BT-Drucks. 10/4268, 104. Vgl. BT-Drucks. 10/4268, 104; ADS6, § 267 HGB Rz. 32. Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3, § 267 Rz. 22. In diesem Sinne auch ADS6, § 267 HGB Rz. 32; Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 32 (Stand Nov. 2016); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 28.

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§ 267a Rz. 1 | Kleinstkapitalgesellschaften mütter durch das MicroBilG, DB 2013, 73; Oser/Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), DB 2015, 1729.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Gegenstand und Zweck 1

§ 267a HGB schafft mit der Kategorie der Kleinstkapitalgesellschaften über die in § 267 HGB enthaltene Dreiteilung hinaus eine weitere Größenklasse.1 Die Regelung ist vor dem Hintergrund des Bestrebens zu sehen, sehr kleine Unternehmen durch Bürokratieabbau zu entlasten. Zu diesem Zweck wird Kapitalgesellschaften, die die in § 267a HGB genannten Schwellenwerte nicht überschreiten, eine Reihe von Erleichterungen hinsichtlich der Darstellungsform von Bilanz und GuV, der Aufstellung eines Anhangs sowie bezüglich der Offenlegung gewährt.2 Zweck der Regelung des § 267a HGB ist es in diesem Zusammenhang, den Kreis der anspruchsberechtigten Unternehmen abzugrenzen und damit eine gemeinsame Grundlage für die Anwendung der Erleichterungsvorschriften zu schaffen. Dabei knüpft die Vorschrift für die Definition der Kategorie der Kleinstkapitalgesellschaften an die auch schon der Regelung des § 267 HGB zugrunde liegenden Größenkriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer an (s. § 267 HGB Rz. 13 ff.).

2

Eine Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft erfolgt dann, wenn mindestens zwei der drei in § 267a Abs. 1 HGB genannten Größenmerkmale nicht überschritten werden. Die Rechtsfolgen der Einstufung treten nach § 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 4 Satz 1 HGB allerdings erst ein, wenn die Schwellenwerte an den Abschussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschritten werden. Im Falle der Umwandlung oder der Neugründung genügt es, wenn die Größenmerkmale am ersten Abschlussstichtag nach der Umwandlung oder Neugründung vorliegen (§ 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB). Das gilt über den Verweis in § 267a Abs. 1 Satz 2 auf § 267 Abs. 4 Satz 3 HGB allerdings nicht, wenn bei einem Formwechsel der formwechselnde Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB ist. In diesem Fall greift die allgemeine Zweijahresregel.

3

Ebenso wie bei kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften bleiben durch die Einordnung als Kleinstkapitalgesellschaften die Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen nach anderen Gesetzen unberührt (§ 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 6 HGB).

II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4

Die Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach zunächst einmal für Kapitalgesellschaften. Durch den in § 264a Abs. 1 HGB enthaltenen Verweis auf die für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen wird ihr Anwendungsbereich jedoch auf Personengesellschaften iSd. § 264a HGB ausgedehnt. Darüber hinaus ist § 267a HGB nach der durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) erfolgten Änderung von § 336 Abs. 2 Satz 3 HGB nunmehr auch auf Genossenschaften anzuwenden.3 Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen haben unabhängig von ihrer Größe stets die für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften zu beachten (§§ 340a Abs. 1, 341a Abs. 1 HGB). Entsprechendes gilt für kapitalmarktorientierte Gesellschaften iSv. § 264d HGB (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB).

5

Explizit ausgeschlossen wird die Anwendbarkeit der Vorschrift in § 267a Abs. 3 HGB für Investmentgesellschaften iSd. § 1 Abs. 11 KAGB (Nr. 1), Unternehmensbeteiligungsgesellschaften iSd. § 1a Abs. 1 UBGG (Nr. 2) sowie für Unternehmen, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Unternehmen eingreifen (Nr. 3). Die Regelung des § 267a Abs. 3 HGB ist durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) eingefügt worden. Während der ausdrückliche Ausschluss von Investmentgesellschaften (Nr. 1) und Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (Nr. 2) einen eher klarstellenden Charakter hat4, zielt die Regelung in Nr. 3 darauf ab, zu verhindern, dass auch Holding-Kapitalgesellschaften die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften in Anspruch nehmen können.5 1 Vgl. Müller/Kreipl, DB 2013, 73 (73). 2 Zu den Erleichterungen vgl. Lanfermann, BB 2012, 1209; Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107; Küting/Eichenlaub/Strauß, DStR 2012, 1670; Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615; Theile, GmbHR 2012, 1112. 3 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267a HGB Rz. 7 (Stand Sept. 2015). 4 Vgl. BT-Drucks. 18/4050, 61. 5 Vgl. BT-Drucks. 18/4050, 61; Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1731). Zur Kritik an der bisherigen Abgrenzung der Kleinstkapitalgesellschaften im Hinblick auf Holdinggesellschaften vgl. Müller/Kreipl, DB 2013, 73 (73).

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B. Definition (Abs. 1 Satz 1)

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Rz. 10 § 267a

Die Vorschrift des § 267a HGB steht in engem Zusammenhang mit der Größenklasseneinteilung des § 267 6 HGB. Sie schafft mit den Kleinstkapitalgesellschaften eine Unterkategorie1 der in § 267 Abs. 1 HGB definierten kleinen Kapitalgesellschaften. Dabei knüpft die Vorschrift zur Definition der Kleinstkapitalgesellschaften nicht nur an dieselben Größenkriterien an, die auch der Abgrenzung der Größenklassen in § 267 Abs. 1–3 HGB zugrunde liegen, sondern verweist in Abs. 1 Satz 2 auch hinsichtlich der Einzelheiten der Ermittlung der Größenmerkmale sowie hinsichtlich der für den Eintritt der Rechtsfolgen zu beachtenden zeitlichen Komponente auf die Regelungen in § 267 Abs. 4–6 HGB.

III. Rechtsentwicklung § 267a HGB wurde durch das Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) v. 7 27.12.1012 in das HGB eingefügt. Er basiert auf der EU-Richtlinie 2012/6/EU (Micro-Richtlinie) v. 14.3. 2012, durch die den Mitgliedstaaten ermöglicht wird, Kleinstkapitalgesellschaften Erleichterungen im Bereich der Rechnungslegung und Offenlegung zu gewähren. Die seinerzeit verabschiedeten Schwellenwerte sind bisher unverändert geblieben. Durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) wurde jedoch mit einem neuen Abs. 3 der Anwendungsbereich der Vorschrift neu abgegrenzt. Bestimmte Beteiligungsgesellschaften (insbes. Holding-Kapitalgesellschaften) können danach unabhängig von der Erfüllung der Größenmerkmale keine Kleinstkapitalgesellschaften sein. Die Neuregelung ist nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 EGHGB erstmals auf Jahresabschlüsse für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.

B. Definition der Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 1) I. Die Größenmerkmale Kleinstkapitalgesellschaften werden in § 267a Abs. 1 HGB als Unterkategorie der kleinen Kapitalgesell- 8 schaften definiert. Die Abgrenzung erfolgt dabei analog zu § 267 Abs. 1–3 HGB anhand der Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer. Eine kleine Kapitalgesellschaft gilt danach als Kleinstkapitalgesellschaft, wenn sie mindestens zwei der drei folgenden Schwellenwerte nicht überschreitet: 1. Bilanzsumme 350.000 €. 2. Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag 700.000 €. 3. Im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. Darüber hinaus darf es sich nicht um eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft iSd. § 264d HGB (s. § 267 HGB Rz. 11) oder um eine Beteiligungsgesellschaft iSd. Abs. 3 handeln. Hinsichtlich der Konkretisierung der Größenmerkmale sowie der zeitlichen Voraussetzungen für den Ein- 9 tritt der Rechtsfolgen verweist § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB auf die entsprechenden Regelungen in § 267 Abs. 4–6 HGB. Die Bilanzsumme setzt sich danach aus den Posten zusammen, die in § 266 Abs. 2 Buchst. A–E aufgeführt sind. Ein auf der Aktivseite ausgewiesener Fehlbetrag iSd. § 268 Abs. 3 HGB ist jedoch abzuziehen (§ 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 4a HGB). Damit sind grundsätzlich sämtliche Positionen der Aktivseite zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn in Ausübung des Aktivierungswahlrechts von § 274 Abs. 1 iVm. § 274a Nr. 4 HGB latente Steuern aktiviert wurden (s. § 274 HGB Rz. 10 ff.). Die bislang anderslautende Vorschrift des § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB aF wurde durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) aufgehoben.2 Die Aktivierung latenter Steuern wirkt sich damit uU auf die Größeneinordnung eines Unternehmens aus.3 Hinsichtlich der Ermittlung der Bilanzsumme besteht mithin kein Unterschied mehr zur Ermittlung des entsprechenden Schwellenwerts nach § 267 HGB.4 Hinsichtlich der Einzelheiten der Ermittlung sowie der Gestaltungsmöglichkeiten wird deshalb auf § 267 HGB Rz. 13 ff. verwiesen. Die Abgrenzung der Umsatzerlöse richtet sich mangels gesonderter Definition nach § 277 Abs. 1 HGB in der durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) geänderten Fassung. Danach gehören hierzu sämtliche Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern.5 Maßgeblich sind die Umsatzerlöse in den letzten 1 2 3 4 5

Vgl. Küting/Eichenlaub/Strauß, DStR 2012, 1670 (1670); Theile, GmbHR 2012, 1112 (1113). Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des BilRUG vgl. Küting/Eichenlaub/Strauß, DStR 2012, 1670 (1671). Vgl. Zwirner, DB 2015, Beil. 6, 1 (8). Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267a HGB Rz. 25 (Stand Sept. 2015). Vgl. dazu Richter, DB 2015, 385 (386 f.); Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5).

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§ 267a Rz. 11 | Kleinstkapitalgesellschaften zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag. Im Fall eines Rumpfgeschäftsjahres sind die insoweit fehlenden Monate des vorangegangenen Geschäftsjahres einzubeziehen. Wegen der Einzelheiten s. § 267 HGB Rz. 17 f. 11

Der Begriff des Arbeitnehmers bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts (zu Einzelheiten s. § 267 HGB Rz. 19 ff.). Maßgebend ist nach § 267a Abs. 1 Nr. 3 HGB die durchschnittliche jährliche Zahl der Arbeitnehmer. Diese ist nach § 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 5 HGB als der vierte Teil der Summe aus den Zahlen der jeweils am 31.3., 30.6., 30.9. und 31.12. beschäftigten Arbeitnehmer zu ermitteln. Im Fall eines Rumpfwirtschaftsjahres sind für die fehlenden Quartalszahlen die entsprechenden Werte des vorangegangenen Geschäftsjahres ergänzend heranzuziehen.

II. Zeitliche Voraussetzung 12

Nach § 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 4 HGB treten die Rechtsfolgen der Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft nur ein, wenn die Größenmerkmale nach Abs. 1 an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschritten werden. Das einmalige Unterschreiten der Schwellenwerte löst deshalb noch keine Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft aus. Umgekehrt ist es unschädlich, wenn eine bisher als Kleinstkapitalgesellschaft eingestufte Gesellschaft die Schwellenwerte an einem Abschlussstichtag überschreitet, im darauffolgenden Geschäftsjahr jedoch wieder die Merkmale für die Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft erfüllt. In diesem Fall bleibt es bei der ursprünglichen Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft. Welche Schwellenwerte über- bzw. unterschritten werden, ist dagegen ohne Bedeutung. Die Größenmerkmale sind vielmehr gleichrangig.1 Die Regeln zur Größenklasseneinstufung nach § 267 Abs. 4 HGB gelten dabei analog. Insoweit wird deshalb bezüglich der Einzelheiten auf § 267 HGB Rz. 24 f. verwiesen.

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Abweichend von der vorstehend beschriebenen Grundregel treten im Fall der Neugründung oder Umwandlung die Rechtsfolgen der Einstufung schon ein, wenn die Größenmerkmale einer Kleinstkapitalgesellschaft am ersten Abschlussstichtag über- oder unterschritten werden (§ 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB). Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass in derartigen Fällen Vorjahreswerte nicht verfügbar sind.2 Probleme ergeben sich bezüglich der Ermittlung der Umsatzerlöse sowie der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer, wenn das erste Geschäftsjahr nach der Neugründung bzw. Umwandlung ein Rumpfwirtschaftsjahr ist. In diesen Fällen ist zwischen Neugründung und denkbaren Umwandlungsfällen wie folgt zu differenzieren (zu Einzelheiten vgl. § 267 HGB Rz. 28 ff.):

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Im Fall der Neugründung ist eine etwaige vor Handelsregistereintragung aufgenommene Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft bei der Ermittlung der Umsatzerlöse insoweit zu berücksichtigen, als das Rumpfgeschäftsjahr weniger als den nach dem Gesetz zugrunde zu legenden Zeitraum von zwölf Monaten umfasst. Wird auch unter Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft ein Zeitraum von zwölf Monaten nicht erreicht, sind die tatsächlich erzielten Umsätze unter Eliminierung etwaiger saisonaler Einflüsse auf einen Jahresumsatz hochzurechnen.3 Die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer ist dagegen ausschließlich auf der Basis der in das Rumpfgeschäftsjahr fallenden Stichtage zu ermitteln. Der maßgebliche Vergleichswert ergibt sich als arithmetisches Mittel der an den einbezogenen Stichtagen beschäftigten Arbeitnehmer.

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Im Fall der Verschmelzung sind zur Ermittlung der Umsatzerlöse die Umsätze, die die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger vor dem Verschmelzungsstichtag erzielt haben, insoweit zu berücksichtigen, als das Rumpfgeschäftsjahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfasst.4 Entsprechend sind zur Ermittlung der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer die Arbeitnehmerzahlen der beteiligten Unternehmen an den entsprechenden Stichtagen vor der Verschmelzung ergänzend heranzuziehen.

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Im Fall der Spaltung sind zur Ermittlung der Umsatzerlöse des übernehmenden Rechtsträgers ggf. die anteiligen Umsatzerlöse der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger entsprechend dem Verhältnis der übertragenen zu den zurückbehaltenen Vermögensteilen zu berücksichtigen.5 In entsprechender Weise ist die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer zu ermitteln.

Vgl. Küting/Eichenlaub in HdR5, § 267a HGB Rz. 4 (Stand Okt. 2013). Vgl. Suchan in MünchKomm. BilR, § 267a HGB Rz. 13. Vgl. Reiner in Münchkomm. HGB3. § 267 Rz. 16; Suchan in MünchKomm. BilR, § 267a HGB Rz. 14. Vgl. ADS6, § 267 HGB Rz. 22; Knop/Küting in HdR5, § 267 HGB Rz. 28 (Stand Nov. 2016); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 267 HGB Rz. 58 (Stand Sept. 2015); Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 24. 5 Vgl. Suchan in MünchKomm. BilR, § 267 HGB Rz. 25. 1 2 3 4

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E. Sanktionen

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Rz. 21 § 267a

Im Fall eines Formwechsels hängt die Vorgehensweise davon ab, in welcher Rechtsform das Unternehmen 17 in der Zeit vor dem Formwechsel betrieben wurde. Handelt es sich bei dem formwechselnden Rechtsträger um eine Kapitalgesellschaft oder eine haftungsbeschränkte Personengesellschaft iSd. § 264a Abs. 1 HGB, so gilt nach § 267a Abs. 1 Satz 2 iVm. § 267 Abs. 2 Satz 3 HGB die allgemeine Zweijahresregel nach § 267 Abs. 4 Satz 1 HGB. Wird dagegen ein bisher nicht in den Anwendungsbereich der §§ 264 ff. HGB fallendes Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft oder haftungsbeschränkte Personengesellschaft umgewandelt, ist zur Ermittlung der Größenmerkmale auf die Werte am Abschlussstichtag nach dem Formwechsel abzustellen. Dabei sind erforderlichenfalls die Verhältnisse vor dem Formwechsel ergänzend zu berücksichtigen.

C. Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen (Abs. 1 Satz 2) § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB stellt durch Verweis auf § 267 Abs. 6 HGB klar, dass nach anderen Gesetzen bestehende Informations- und Auskunftsrechte der Arbeitnehmervertretungen durch die Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft nicht eingeschränkt werden (zu Einzelheiten s. § 267 HGB Rz. 35).

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D. Erleichterungen (Abs. 2) Nach § 267a Abs. 2 HGB werden Kleinstkapitalgesellschaften die für kleine Kapitalgesellschaften vor- 19 gesehenen Erleichterungen entsprechend gewährt, soweit das Gesetz keine ausdrücklich abweichende Regelung enthält. Das ist im Grunde nur die logische Konsequenz aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Kleinstkapitalgesellschaften in Abs. 1 als Unterkategorie der kleinen Kapitalgesellschaften definiert. Insoweit hat die Regelung denn auch eher klarstellenden Charakter. Darüber hinausgehend wird den Kleinstkapitalgesellschaften eine Reihe weiterer Erleichterungen ge- 20 währt, die jeweils unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden können.1 Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Anhangs, wenn zusätzliche Angaben unter der Bilanz gemacht werden (§ 264 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 Satz 4 HGB)2; die Möglichkeit der Aufstellung einer verkürzten Bilanz, die nur die in § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB mit Buchstaben bezeichneten Posten enthält (§§ 266 Abs. 1 Satz 4, 264c Abs. 5 HGB); die Möglichkeit der Aufstellung einer verkürzten GuV (§ 275 Abs. 5 HGB); das Wahlrecht zur Hinterlegung der Rechnungslegungsunterlagen anstelle der Offenlegung (§ 326 Abs. 2 HGB); die Befreiung von den die Bilanz betreffenden Vorschriften des § 152 Abs. 1–3 AktG (§ 152 Abs. 4 AktG) sowie die Befreiung von den die GuV betreffenden Vorschriften des § 158 Abs. 1 und 2 AktG (§ 158 Abs. 3 AktG).3 Daneben nehmen eine Reihe weiterer Vorschriften auf die Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft Bezug: „Fair-Value-Verbot“4 als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erleichterungen (§ 253 Abs. 1 Satz 5 HGB); bedingte Einschränkung der Erleichterungen bezüglich der Zusammenfassung bestimmter GuV-Positionen zum „Rohergebnis“ (§ 276 Satz 3 HGB); maßgebliches Recht bei inländischen Zweigniederlassungen (325a Abs. 3 HGB); Höhe des Ordnungsgelds (§ 335 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 HGB).

E. Sanktionen § 267a HGB enthält lediglich eine Definition der Kleinstkapitalgesellschaften. Ein Verstoß gegen die Vor- 21 schrift selbst ist deshalb nicht möglich. Rechtsfolgen können sich jedoch mittelbar ergeben, wenn die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften ungerechtfertigt in Anspruch genommen werden. Die für diesen Fall zu erwartenden Sanktionen hängen von der Vorschrift ab, gegen die verstoßen worden ist.

1 Vgl. Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615 (2615); Theile, GmbHR 2012, 1112 (1116). 2 Zu den Angabepflichten bei Verzicht auf die Aufstellung eines Anhangs vgl. Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (108 f.). 3 Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Kommentierungen der entsprechenden Vorschriften verwiesen. Vgl. dazu auch Lanfermann, BB 2012, 1209; Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615; Küting/Eichenlaub/Strauß, DStR 2012, 1670; Müller/Kreipl, DB 2013, 73; Theile, GmbHR 2012, 1112; Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107; Winkeljohann/Lawall in Beck Bilkomm.10, § 267a HGB Rz. 5 ff. 4 Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615 (2616).

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§ 268 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke

§ 268 Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke (1) 1Die Bilanz darf auch unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt werden. 2Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, so tritt an die Stelle der Posten „Jahresüberschuß/ Jahresfehlbetrag“ und „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ der Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“; ein vorhandener Gewinn- oder Verlustvortrag ist in den Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ einzubeziehen und in der Bilanz gesondert anzugeben. 3Die Angabe kann auch im Anhang gemacht werden. (2) [aufgehoben] (3) Ist das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht und ergibt sich ein Überschuß der Passivposten über die Aktivposten, so ist dieser Betrag am Schluß der Bilanz auf der Aktivseite gesondert unter der Bezeichnung „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ auszuweisen. (4) 1Der Betrag der Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr ist bei jedem gesondert ausgewiesenen Posten zu vermerken. 2Werden unter dem Posten „sonstige Vermögensgegenstände“ Beträge für Vermögensgegenstände ausgewiesen, die erst nach dem Abschlußstichtag rechtlich entstehen, so müssen Beträge, die einen größeren Umfang haben, im Anhang erläutert werden. (5) 1Der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr und der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind bei jedem gesondert ausgewiesenen Posten zu vermerken. 2Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen sind, soweit Anzahlungen auf Vorräte nicht von dem Posten „Vorräte“ offen abgesetzt werden, unter den Verbindlichkeiten gesondert auszuweisen. 3Sind unter dem Posten „Verbindlichkeiten“ Beträge für Verbindlichkeiten ausgewiesen, die erst nach dem Abschlußstichtag rechtlich entstehen, so müssen Beträge, die einen größeren Umfang haben, im Anhang erläutert werden. (6) Ein nach § 250 Abs. 3 in den Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite aufgenommener Unterschiedsbetrag ist in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. (7) Für die in § 251 bezeichneten Haftungsverhältnisse sind 1. die Angaben zu nicht auf der Passivseite auszuweisenden Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnissen im Anhang zu machen, 2. dabei die Haftungsverhältnisse jeweils gesondert unter Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten anzugeben und 3. dabei Verpflichtungen betreffend die Altersversorgung und Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen jeweils gesondert zu vermerken. (8) 1Werden selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in der Bilanz ausgewiesen, so dürfen Gewinne nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags mindestens den insgesamt angesetzten Beträgen abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern entsprechen. 2Werden aktive latente Steuern in der Bilanz ausgewiesen, ist Satz 1 auf den Betrag anzuwenden, um den die aktiven latenten Steuern die passiven latenten Steuern übersteigen. 3Bei Vermögensgegenständen im Sinn des § 246 Abs. 2 Satz 2 ist Satz 1 auf den Betrag abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern anzuwenden, der die Anschaffungskosten übersteigt. A. I. II. III. IV. V. VI. B. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis des Jahresergebnisses (Abs. 1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . .

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II. Zulässigkeit der Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . III. Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses 1. Erfordernis der Verwendung des Jahresergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke 2. Gesellschaftsrechtliche Vorgaben für die Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen der teilweisen Berücksichtigung des Jahresergebnisses bei der Aufstellung (Abs. 1 Satz 2) a) Ausweis des Bilanzgewinns/Bilanzverlusts (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung von Gewinn- oder Verlustvorträgen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2) . . . . . . . . c) Sonstige Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgen der vollständigen Berücksichtigung des Jahresergebnisses bei der Aufstellung . . . . . . 5. Fehlende Erfassung der Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Aufstellung der Bilanz ohne Berücksichtigung der Verwendung des Jahresergebnisses . . . . . . . V. Alternativer Ausweis im Anhang (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verstoß gegen Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anlagenspiegel bzw. -gitter (Abs. 2) – aufgehoben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausweis des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags (Abs. 3) I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verstoß gegen Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Forderungen (Abs. 4) I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Langfristige Forderungen (Abs. 4 Satz 1) . . . III. Sonstige Vermögensgegenstände (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verstoß gegen Abs. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Verbindlichkeiten (Abs. 5)

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21 22 23 24 25 27 28 29 31 32 34 36 38 40 42 44 51 55

| § 268

I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kurz- und langfristige Verbindlichkeiten (Abs. 5 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zukünftig entstehende Verbindlichkeiten (Abs. 5 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verstoß gegen Abs. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Ausweis des Disagio (Abs. 6) . . . . . . . . . . . H. Ausweis der Haftungsverhältnisse (Abs. 7) I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausweis im Anhang (Abs. 7 Nr. 1) . . . . . . . IV. Gesonderter Ausweis (Abs. 7 Nr. 2) . . . . . . . V. Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Altersversorgung und gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen (Abs. 7 Nr. 3) VI. Verstoß gegen Abs. 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschüttungssperre (Abs. 8) I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reichweite der Ausschüttungssperre 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (Abs. 8 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . 3. Latente Steuern (Abs. 8 Satz 2) . . . . . . . . . . 4. Altersversorgungsverpflichtungen (Abs. 8 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschluss der Ausschüttungssperre bei Bestehen ausreichender freier Rücklagen . . . . . . . IV. Rechtsfolgen der Ausschüttungssperre 1. Bilanzielle Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . 4. Konzernrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . V. Verstoß gegen Abs. 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Verstoß gegen § 268 HGB . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ __ _ __ __ __ _ _ __ _ _ __ ___ _ 57 59 63 64 65 67 70 72 76 77 79 82 84 87 89 91 92 94

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Literatur: Haller, Probleme bei der Bilanzierung der Rücklagen und des Bilanzergebnisses einer Aktiengesellschaft nach neuem Bilanzrecht, DB 1987, 645; Knop, Die Bilanzaufstellung nach teilweiser oder vollständiger Ergebnisverwendung, DB 1986, 549; Herrmann, Der ungedeckte Fehlbetrag nach § 268 Abs. 3 HGB und die Folgepflichten für Abschlussprüfer und Gesellschaftsorgane in AG und GmbH, ZGR 1989, 273; Gelhausen/Althoff, Die Bilanzierung ausschüttungs- und abführungsgesperrter Beträge im handelsrechtlichen Jahresabschluss nach dem BilMoG, WPg. 2009, 584 (Teil I) und 629 (Teil 2); Lanfermann/Röhricht, § 268 Abs. 8 HGB als neue Generalnorm für außerbilanzielle Ausschüttungssperren, DStR 2009, 1216; Simon, Ausschüttungs- und Abführungssperre als gläubigerschützendes Institut in der reformierten HGB-Bilanzierung – Zur Regelung des § 268 VIII HGB n.F., NZG 2009, 1081; Wendholt/Wesemann, Bilanzierung von latenten Steuern im Einzel- und Konzernabschluss, DB 2009, Beilage Nr. 5; Kropff, Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB, FS Hüffer, 2010, 539; Marx/ Dallmann, Problembereiche und Anwendungsfragen der außerbilanziellen Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, Stbg. 2010, 453; Verse, Auswirkungen der Bianzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009, 2010, 67; Zülch/Hoffmann, Probleme und mögliche Lösungsansätze der „neuen“ Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 HGB, DB 2010, 909; Kühnberger, Eigenkapitalausweis und Kompetenzregeln für die AG bei der Kapitalaufbringung und -erhaltung nach BilMoG, BB 2011, 1387; Melcher/Murer, Bilanzierung von latenten Steuern bei Organschaften nach dem BilMoG im Fall von Steuerumlageverträgen, DB 2011, 2329; Ruberg, Keine Mehrdeutigkeit der Ausschüttungssperre gem. § 268 VIII HGB, NZG 2011, 1048; Althoff, Ausschüttungssperre für Steuerlatenzen auch ohne Aktivierung latenter Steuern?, DStR 2012, 868; von der Laage, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – Systematik der Sperre, ihre Anwendung auf Personenhandelsgesellschaften i.S.d. § 264a HGB sowie Rechtsfolgen eines Verstoßes, WM 2012, 1322; Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014.

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§ 268 Rz. 1 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 268 HGB werden in Abweichung zu den allgemeinen Vorschriften (§§ 242 ff. HGB) eine ganze Reihe von Sonderregelungen zu einzelnen Posten der Bilanz bzw. zu den Bilanzvermerken aufgestellt, ohne dass diese Regelungen untereinander in einem besonderen systematischen Verhältnis zueinander stehen. So verhält sich § 268 HGB zum Bilanzgewinn bzw. -verlust (Abs. 1 – Rz. 14 ff.), zum nicht durch das Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (Abs. 3 – Rz. 32 ff.), zum Ausweis von Forderungen (Abs. 4 – Rz. 42 ff.) und von Verbindlichkeiten (Abs. 5 – Rz. 57 ff.), zum Disagio (Abs. 6 – Rz. 67 ff.), zu den Haftungsverhältnissen (Abs. 7 – Rz. 57 ff.) und zur Ausschüttungssperre beim Ausweis selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände (Abs. 8 – Rz. 84 ff.).

II. Bedeutung und Zweck 2

Die durch Abs. 1 angeordnete Zulässigkeit der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses soll die Informationsfunktion der Bilanz erhöht werden, da dadurch sichergestellt wird, dass ein Ausweis des Postens „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ nur dann erfolgen darf, wenn noch keine Verwendung des Jahresergebnisses erfolgt ist. Damit wird der Adressat des Jahresabschlusses darüber informiert, dass möglicherweise noch Vermögen im Rahmen der Ergebnisverwendung abfließen wird.

3

Mit dem nach Abs. 3 auf der Aktivseite ggf. zu bildenden Posten „nicht durch das Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ soll zunächst die Informationsfunktion der Bilanz erhöht werden, indem der Adressat des Jahresabschlusses gezielt auf diesen Fehlbetrag und damit auf die bilanzielle Überschuldung hingewiesen wird, ohne dass er daraus auf die Überschuldung iSv. § 19 Abs. 2 InsO schließen kann.1 Darüber hinaus hat dieser Ausweis aber konzeptionelle Gründe, da anderenfalls ein negatives Eigenkapital ausgewiesen werden müsste.2

4

Das Handelsbilanzrecht unterscheidet bei den Forderungen des Bilanzierenden nicht nach deren Restlaufzeit, sondern aktiviert diese grundsätzlich (§ 246 HGB Rz. 17 ff.). Dem bei Forderungen bestehenden Insolvenzrisiko des Schuldners wird durch die Zugangs- und die Folgebewertung Rechnung getragen (§ 252 HGB Rz. 17 ff., § 253 HGB Rz. 19 ff.). Davon unabhängig statuiert Abs. 4 Satz 1 die Pflicht, den Betrag der Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr bei jedem gesondert ausgewiesenen Posten zu vermerken (Rz. 44 ff.), da dieser Umstand für die Einschätzung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vor allem hinsichtlich der Liquidität3 von entscheidender Bedeutung ist. Somit dient Abs. 4 der Steigerung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses. Die gleiche Gefahr besteht bei bestimmten sonstigen Vermögensgegenständen, so dass Abs. 4 Satz 2 (Rz. 51 ff.) einen entsprechenden Ausweis vorsieht.

5

Durch Abs. 5 wird eine besondere Vermerkpflicht für Verbindlichkeiten (Abs. 5 Satz 1 – Rz. 59 ff.) und für Anzahlungen auf Bestellungen (Abs. 5 Satz 2 – Rz. 63) statuiert, um den Adressaten des Jahresabschlusses einen besseren Einblick in die Liquidität des Bilanzierenden zu ermöglichen.4 Der Ausweis der zukünftig entstehenden Verbindlichkeiten (Abs. 5 Satz 3 Rz. 64) dient ebenfalls diesem Ziel. Darüber hinaus soll durch den Ausweis bei den Verbindlichkeiten eine bilanzielle Neutralisierung des den erhaltenen Anzahlungen zugrundeliegenden Geschäfts erreicht werden.5

6

Die Regelung in Abs. 6 (Rz. 67 ff.) zum gesonderten Ausweis des Disagio oder Damnums nach § 250 Abs. 3 HGB (§ 250 HGB Rz. 21 ff.) dient der besseren Information des Adressaten des Jahresabschlusses, da die durch § 250 Abs. 3 HGB vorgesehen (bloße) Aktivierung keine hinreichende Unterrichtung gewährleistet. 1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 24; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 HGB Rz. 28; zur fehlenden Maßgeblichkeit der bilanziellen Überschuldung für § 19 Abs. 2 InsO vgl. Mock in Uhlenbruck14, § 19 Rz. 17. 2 Beschlussempfehlung und Bericht Rechtsausschoss BiRiLiG, BT-Drucks. 10/4268, 105; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 11; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 23; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 268 Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 49. 3 Vgl. nur ADS6, § 268 HGB Rz. 96. 4 ADS6, § 268 HGB Rz. 109; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 31; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 34; Schubert in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 35; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 65. 5 ADS6, § 268 HGB Rz. 114; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 34.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 11 § 268

Die besonderen Ausweisvorschriften für die in § 251 HGB bezeichneten Haftungsverhältnisse in Abs. 7 (Rz. 70 ff.) dienen der Vervollständigung von § 251 HGB, da dieser lediglich die allgemeine Ausweispflicht anordnet, ohne die Art und Weise des Ausweises festzulegen. Insofern dient Abs. 7 der Verbesserung der Informationsfunktion gegenüber den Adressaten des Jahresabschlusses.

7

Da durch das BilMoG teilweise der Ausweis realisierbarer, aber noch nicht realisierter Gewinne erlaubt 8 wurde, sieht Abs. 8 (Rz. 84 ff.) eine Ausschüttungssperre1 vor, um den damit verbundenen Bedenken vor dem Hintergrund des kapitalgesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzsystems (§§ 30 ff. GmbHG, §§ 57 ff. AktG) Rechnung zu tragen.2 Damit dient Abs. 8 dem Gläubigerschutz. Daher darf dieser Gewinn nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden freien Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags mindestens den insgesamt angesetzten Beträgen abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern entsprechen. Damit wird der ausschüttbare Gewinn auf den Betrag reduziert, der bei einer fehlenden Aktivierung bzw. Passivierung bestünde.

III. Rechtsentwicklung Die in § 268 HGB geregelten Aspekte wurden teilweise bereits durch die §§ 261 f. HGB 1897 geregelt und 9 später in § 131 AktG 19373 und dann in §§ 151 f. AktG 19654 übernommen. Diese Regelungen sind aber nur bedingt mit dem heutigen Regelungsgehalt von § 268 HGB vergleichbar, da sie meist nur Einzelaspekte aufgriffen und über mehrere Normen verstreut geregelt wurden. Die Regelung des § 268 HGB wurde in seiner heutigen Form durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)5 10 neu geschaffen. Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)6 wurde der Ausweis der Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs (Rz. 31) verändert und zudem die Ausschüttungssperre des Abs. 8 (Rz. 84 ff.) eingeführt, da durch das BilMoG nunmehr auch der Ausweis nicht realisierter Gewinne möglich wurde. Durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)7 hat § 268 HGB erneut nachhaltige Veränderungen erfahren, indem der Ausweis des Jahresergebnisses in Abs. 1 modifiziert (Rz. 14 ff.), die Möglichkeit des Ausweises der Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs (Rz. 31) abgeschafft und der Ausweis sowohl kurzfristiger Verbindlichkeiten in Abs. 5 Satz 1 (Rz. 59 ff.) als auch der Haftungsverhältnisse nach Abs. 7 (Rz. 70 ff.) konkretisiert. Die Norm ist seitdem unverändert.

IV. Europarechtlicher Hintergrund Die Regelungen in § 268 HGB gehen teilweise auf die Bilanzrichtlinie8 zurück. Dies gilt zunächst teilweise 11 für Abs. 1 (Rz. 14 ff.), der der Umsetzung von Art. 9 Abs. 6 Bilanzrichtlinie dient. Die Regelung in Abs. 3 (Rz. 32 ff.) geht auf das in Art. 9 Jahresabschlussrichtlinie aF9 vorgesehene Wahlrecht zurück, das allerdings in der Bilanzrichtlinie nicht mehr besteht. Da es sich bei dieser aber nicht um eine Maximalregelung handelt, stehen die europarechtlichen Vorgaben der Beibehaltung der Regelung in Abs. 3 nicht entgegen. Die Sondervorschrift zum Ausweis von Forderungen (Abs. 4 Satz 1 – Rz. 44 ff.) gehen auf Anhang III Aktiva D. II. Bilanzrichtlinie zurück. Das Vermerkerfordernis für Verbindlichkeiten nach Abs. 5 Satz 1 (Rz. 59 ff.) basiert auf Anhang III Passiva C. Bilanzrichtlinie. Für die Regelung zum Ausweis der erhaltenen Anzahlungen auf Bestellungen (Abs. 5 Satz 2 – Rz. 63) ist Anhang III Aktiva D.I.4. bzw. Anhang III Passiva C. 3. Bilanzrichtlinie die Basis. Für den besonderen Ausweis von zukünftig entstehenden Verbindlichkeiten in Abs. 5 Satz 3 (Rz. 64) fehlt es hingegen an einem europäischen Pendant. Die Regelung zum Disagio (Abs. 6 – Rz. 67 ff.) basiert auf Art. 12 Abs. 10 Bilanzrichtlinie. Der gesonderte Ausweis der Haftungs-

1 Mit dieser Terminologie Begr RegE, BilMoG BT-Drucks. 16/10067 S. 64. 2 Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 65; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 39. 3 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) v. 30.1.1937 (RGBl. I 1937, 107). 4 Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGBl. I, S. 1089. 5 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 6 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 7 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 8 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EG 2013 Nr. L 182, 253 ff. 9 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchst. g des Vertrags über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11.

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§ 268 Rz. 12 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke verhältnisse (Abs. 7 – Rz. 70 ff.) ist in Art. 16 Abs. 1 Buchst. d Bilanzrichtlinie vorgesehen. Die Ausschüttungssperre des Abs. 8 (Rz. 84 ff.) hat schließlich keine Basis im Europarecht.

V. Anwendungsbereich 12

Da es sich bei § 268 HGB um eine Regelung mit zahlreichen verschiedenen Regelungsaspekten handelt, kann der Anwendungsbereich nicht einheitlich bestimmt werden. Dieser muss vielmehr für jeden einzelnen Regelungsbereich von § 268 HGB bestimmt werden. Für Abs. 1 s. Rz. 14, für Abs. 3 s. Rz. 34 ff., für Abs. 4 s. Rz. 42 f., für Abs. 5 s. Rz. 57, für Abs. 6 s. Rz. 67, für Abs. 7 s. Rz. 72 ff. und für Abs. 8 s. Rz. 84 ff.

VI. Übergangsrecht 13

Die durch das BilRUG (Rz. 10) vorgenommenen Änderungen hinsichtlich des Ausweises des Bilanzgewinns bzw. -verlusts (Abs. 1 – Rz. 15 ff.), des Anlagespiegels (Abs. 2 – Rz. 31), der Verbindlichkeiten (Abs. 5 – Rz. 57 ff.) und der Haftungsverhältnisse (Abs. 7 – Rz. 70 ff.) sind erstmals bei den Jahresabschlüssen zu berücksichtigen, deren Geschäftsjahr nach dem 31.12.2015 begonnen hat (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Die Ausschüttungssperre nach Abs. 8 (Rz. 84 ff.) ist erstmals bei den Jahresabschlüssen anzuwenden, deren Geschäftsjahr nach dem 31.12.2009 begonnen hat (Art. 66 Abs. 3 EGHGB). Alle übrigen Regelungen sind auf die nach dem 31.12.1986 beginnenden Geschäftsjahre anzuwenden (Art. 23 EGHGB).

B. Ausweis des Jahresergebnisses (Abs. 1) I. Anwendungsbereich 14

Aufgrund seiner Stellung im Zweiten Abschnitt des Dritten Buchs gilt Abs. 1 für alle Kapitalgesellschaften. Darüber hinaus findet Abs. 1 aber auch auf alle kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) und auf Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB) Anwendung. Zudem gilt Abs. 1 auch für bilanzierende Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). Bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) findet Abs. 1 uneingeschränkt Anwendung.

II. Zulässigkeit der Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses (Abs. 1 Satz 1) 15

Durch Abs. 1 Satz 1 wird die Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses gestattet. Damit trägt Abs. 1 Satz 1 einem allgemeinen praktischen Bedürfnis (Rz. 18 f.) vor allem der Rechtslage bei der Aktiengesellschaft Rechnung, da bei dieser diese Vorgehensweise der Regelfall ist (§ 58 AktG). Bei der durch Abs. 1 Satz 1 angeordneten Zulässigkeit handelt es sich aber nur um eine Möglichkeit der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses, ohne dass damit eine entsprechende Pflicht begründet wird. Daher begründet Abs. 1 ein Wahlrecht, das zugunsten der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses (Rz. 18 ff.) oder zugunsten der Aufstellung der Bilanz ohne Berücksichtigung der Verwendung des Jahresergebnisses (Rz. 27) ausgeübt werden kann.

16

Auch wenn Abs. 1 nach seinem Wortlaut ein uneingeschränktes Wahlrecht einräumt, ergeben sich für dieses Einschränkungen in den Fällen, in denen bei der Bilanzaufstellung eine Ergebnisverwendung bereits gesetzlich oder aufgrund von Satzungsregelungen vorgeschrieben ist. Dies gilt zunächst für vor dem Bilanzstichtag beschlossene Vorabausschüttungen, da die Bilanz dann zwingend unter Berücksichtigung der Gewinnverwendung aufzustellen ist.1 Dazu zählen allerdings nicht die Vorabausschüttungen nach § 59 AktG, da sich diese nicht auf den Jahresabschluss des Geschäftsjahrs auswirken. Ebenso erfolgt stets eine Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses, sofern eine Rücklagenbildung gesetzlich oder kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung vorgesehen ist.2 Daraus ergibt sich, dass das Wahlrecht nach Abs. 1 nur dann besteht, wenn die Rücklagendotierung den für die Bilanzaufstellung zuständigen Organen zugewiesen ist. Diese Einschränkung ergibt sich zwar – mit Ausnahme von § 270 Abs. 1 HGB (§ 270 HGB Rz. 11 ff.) – nicht direkt aus dem Handelsbilanzrecht, ist aber als Folge der gesellschaftsrechtlichen Bindungen der für die Bilanzaufstellung zu1 ADS6, § 268 HGB Rz. 25; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 3. 2 ADS6, § 268 HGB Rz. 21; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 5; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 10, 14; aA Haller, DB 1987, 645 (651 f.).

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B. Ausweis des Jahresergebnisses (Abs. 1)

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Rz. 19 § 268

ständigen Organe hinzunehmen.1 Dem steht auch nicht Art. 9 Abs. 6 (Neue) Bilanzrichtlinie entgegen, da dieser den Mitgliedstaaten nur ein Wahlrecht einräumt und es somit keiner zwingenden Umsetzung bedarf. Aufgrund der in Rz. 16 dargestellten Grundsätze gilt das Wahlrecht aufgrund von § 5a Abs. 3 GmbHG 17 nicht für die Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt. Für die übrigen Kapitalgesellschaften und die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften bleibt es hingegen bestehen, soweit die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag keine Vorgaben für die Ergebnisverwendung vorsieht.

III. Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses 1. Erfordernis der Verwendung des Jahresergebnisses Der Begriff der Verwendung des Jahresergebnisses wird in Abs. 1 nicht definiert. Darunter sind aber alle 18 Vorgänge zu verstehen, die bei der Überleitung des Postens „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ zum Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ vorgenommen werden können. Damit ist allerdings noch nicht entschieden, ob auch die Maßnahmen von Abs. 1 erfasst sind, bei denen es nicht zu einer Verwendung des Jahresüberschusses kommt, sondern bei denen ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird, ohne dass dieser auf eine Ergebnisverwendung zurückzuführen ist. Letzteres gilt für die Einstellungen in die Kapitalrücklage und die Auflösung von Kapital- und Gewinnrücklagen. Aufgrund der Bezugnahme von Abs. 1 Satz 1 auf das Jahresergebnis können diese Maßnahmen von Abs. 1 Satz 1 nicht erfasst werden, da sie gerade keine Maßnahme der Ergebnisverwendung des jeweiligen Geschäftsjahrs darstellen.2 Zwar könnte man den Begriff des Jahresergebnisses auch dahingehend verstehen, dass auch frühere Jahresergebnisses und damit auch spätere Einstellungen in die Kapitalrücklage und die Auflösung von Kapital- und Gewinnrücklagen erfasst werden sollen. Allerdings erscheint dies aufgrund der Anknüpfung an das Jahresergebnis in Abs. 1 Satz 1 zweifelhaft. Somit ist eine Verwendung des Jahresergebnisses nur bei einer Einstellung in die Gewinnrücklagen, der Auflösung von Verlustvorträgen und der Vornahme von Ausschüttungen an Gesellschafter3 gegeben. Voraussetzung ist zudem, dass die Verwendung des Jahresergebnisses tatsächlich erfolgt, so dass entsprechende bloße Absichten unbeachtlich sind.4 Keine Verwendung des Jahresergebnisses iSv. Abs. 1 ist die Verwendung des (bereits) ausgewiesenen Bi- 19 lanzgewinns, da es sich dabei nicht um einen Vorgang im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses handelt.5 Dies gilt auch für die Vorabausschüttung nach § 59 AktG, da sich diese nicht auf den Jahresabschluss des Geschäftsjahrs auswirkt.6 Auch ergebnisabhängige Aufwendungen stellen keine Verwendung des Jahresergebnisses iSv. Abs. 1 dar, da sie ihren Ursprung nicht im Gesellschafts-, sondern in einem davon unabhängigen Schuldverhältnis haben.7 Dies gilt auch für den Fall, dass die ergebnisabhängigen Aufwendungen an Gesellschafter fließen. Als bloße ergebnisabhängige Aufwendungen stellt sich auch die Erfüllung von Verpflichtungen wie etwa Genussrechte, stille Beteiligungen oder partiarische Darlehen dar, auch wenn diese vom Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn abhängig sind.8 Auch die Abführung von Gewinnen im Rahmen von Gewinnabführungsverträgen stellt keine Verwendung des Jahresergebnisses dar, da es dann schon an einer Dispositionsfreiheit der Gesellschafter fehlt.9 Das Gleiche gilt für Ausgleichs- und Abfindungszahlungen.10 1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 3. 2 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 7; aA ADS6, § 268 HGB Rz. 15, 21; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 2; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 6. 3 Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 2; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3. 4 ADS6, § 268 HGB Rz. 15; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 2; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 6. 5 ADS6, § 268 HGB Rz. 15; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 8. 6 ADS6, § 268 HGB Rz. 24; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 7; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 11. 7 ADS6, § 268 HGB Rz. 16; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 7. 8 ADS6, § 268 HGB Rz. 16; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 2; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3. 9 ADS6, § 268 HGB Rz. 26; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 2; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 7. 10 ADS6, § 268 HGB Rz. 26; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 3; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 7.

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§ 268 Rz. 20 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke 2. Gesellschaftsrechtliche Vorgaben für die Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses 20

Da Abs. 1 Satz 1 nur die handelsbilanzrechtliche Zulässigkeit der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses regelt, kann diese nur dann vorgenommen werden, wenn dies für das für die Aufstellung zuständige Organ auch gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Dies ist bei der Aktiengesellschaft aufgrund von § 58 AktG und bei der Europäischen Aktiengesellschaft (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. ii SE-VO) der Fall. Bei der GmbH bedarf es trotz § 29 Abs. 1 Satz 2 GmbHG idR eines Gesellschafterbeschlusses.1 Gleiches gilt für die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften.2 Allerdings kann sowohl für die GmbH als auch für die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften3 eine entsprechende Regelung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. 3. Folgen der teilweisen Berücksichtigung des Jahresergebnisses bei der Aufstellung (Abs. 1 Satz 2) a) Ausweis des Bilanzgewinns/Bilanzverlusts (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1)

21

Rechtsfolge der Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses ist die Pflicht zur Bildung des Postens „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ anstelle von „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“. Damit ordnet Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 eine Abweichung vom allgemeinen Gliederungsschema des § 266 Abs. 3 A. HGB (§ 266 HGB Rz. 46 ff.) an. Über die Verwendung dieses Bilanzgewinns muss dann das zuständige Gesellschaftsorgan beschließen. b) Behandlung von Gewinn- oder Verlustvorträgen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2)

22

Zudem kann bei einer Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses kein Ausweis eines Gewinn- oder Verlustvortrags mehr erfolgen, da ein solcher in den Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ einzubeziehen ist. c) Sonstige Folgen

23

Wird dieses Wahlrecht zugunsten einer Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses ausgeübt, ist bei Gewinnrücklagen § 270 Abs. 2 HGB zu beachten (§ 270 HGB – Rz. 11 ff.). Zudem muss bei einer Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen § 272 Abs. 4 Satz 3 HGB (§ 272 HGB – Rz. 230 ff.) beachtet werden. 4. Folgen der vollständigen Berücksichtigung des Jahresergebnisses bei der Aufstellung

24

Im Gegensatz zur teilweisen Berücksichtigung des Jahresergebnisses bei der Aufstellung (Rz. 21 ff.) ist für die vollständige Berücksichtigung keine ausdrückliche Regelung in Abs. 1 aufgenommen worden. Da bei einer vollständigen Berücksichtigung des Jahresergebnisses bei der Aufstellung idR kein Bilanzgewinn oder -verlust verbleibt, bedarf es auch keines entsprechenden Ausweises.4 Kommt es dennoch – etwa wegen der von Abs. 1 nicht erfassten Auflösung von Kapital- und Gewinnrücklagen (Rz. 18) – zu einem Bilanzgewinn oder -verlust, muss dieser als solcher ausgewiesen werden.5 5. Fehlende Erfassung der Gewinn- und Verlustrechnung

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Da sich Abs. 1 ausdrücklich nur auf die Bilanz bezieht, gilt dieser nicht für die Gewinn- und Verlustrechnung, so dass es bei dieser bei einem Ausweis des Postens „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ bleibt (§ 275 Abs. 2 Nr. 17 bzw. Abs. 3 Nr. 16 HGB – § 275 HGB Rz. 57 f.).6 Allerdings ist für die Aktiengesell1 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG8, § 29 Rz. 18. 2 BGH v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 (274 ff.) = NJW 1996, 1678; offen lassend BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Tz. 15 = NJW 2007, 1685; dazu Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB4, § 167 Rz. 3 f. 3 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Tz. 15 = NJW 2007, 1685; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB4, § 167 Rz. 4. 4 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 9. 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 10. 6 ADS6, § 268 HGB Rz. 14; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 3; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 5; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 2; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 4.

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C. Anlagenspiegel bzw. -gitter (Abs. 2) – aufgehoben

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Rz. 31 § 268

schaft ein gesonderter Ausweis des Postens „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ vorgesehen (§ 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG). Für die GmbH fehlt es an einer entsprechenden Regelung. Aufgrund von § 243 Abs. 2 HGB (§ 243 HGB Rz. 40 ff.) empfiehlt sich aber die entsprechende Anwendung von § 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG.1 Dies gilt ebenso für die kapitalistische Personenhandelsgesellschaft. Aufgrund der Abweichung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung im Fall der Aufstellung der Bi- 26 lanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses bedarf es eines entsprechenden Hinweises im Anhang.2

IV. Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Aufstellung der Bilanz ohne Berücksichtigung der Verwendung des Jahresergebnisses Wird das Wahlrecht zugunsten der Aufstellung der Bilanz ohne Berücksichtigung der Verwendung des 27 Jahresergebnisses ausgeübt, bleibt es bei dem Ausweis des Postens „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ und ggf. dem Ausweis des Postens „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“.3 Über die Ergebnisverwendung müssen dann die zuständigen Gesellschaftsorgane unabhängig von der Aufstellung entscheiden.

V. Alternativer Ausweis im Anhang (Abs. 1 Satz 3) Nach Abs. 1 Satz 3 kann die Angabe auch im Anhang gemacht werden. Damit ist der Gewinn- oder Ver- 28 lustvortrag gemeint, der in den Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ einbezogen wurde. Hintergrund der durch das BilRUG (Rz. 10) geschaffenen Regelung ist Art. 16 Abs. 3 (Neue) Bilanzrichtlinie, wonach eine derartige Anhangangabe bei kleinen Kapitalgesellschaften aufgrund der Maximalharmonisierung der Anhangangaben bei diesen nicht mehr möglich ist. Mit der nunmehr in Abs. 1 Satz 2 – im Gegensatz zum bisherigen Abs. 1 Satz 2 aF – vorgesehen Berücksichtigung des Gewinn- oder Verlustvortrags in der Bilanz wird diesen Anforderungen entsprochen. Um die bisherige Praxis aber fortzuführen, gestattet Abs. 1 Satz 3 auch eine Angabe im Anhang.4 Aufgrund von Art. 16 Abs. 3 (Neue) Bilanzrichtlinie besteht diese Option aber nicht für kleine Kapitalgesellschaften iSv. Art. 3 Abs. 2 (Neue) Bilanzrichtlinie, da bei diesen eine entsprechende Anhangangabe gegen Art. 16 Abs. 3 (Neue) Bilanzrichtlinie verstoßen würde. Diese Einschränkung von Abs. 1 Satz 3 ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung von Abs. 1 Satz 3. Kleine Kapitalgesellschaften iSv. Art. 3 Abs. 2 (Neue) Bilanzrichtlinie müssen daher stets eine Berücksichtigung in der Bilanz vornehmen.

VI. Verstoß gegen Abs. 1 Ein Verstoß gegen die Vorgaben zum Ausweis des Jahresergebnisses in Abs. 1 kann als unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft den Straftatbestand der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) verwirklichen.

29

In zivilrechtlicher Hinsicht führt ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 1 zunächst zu einer Ein- 30 schränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46). Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann durch einen Verstoß gegen die Vorgaben zum Ausweis des Jahresergebnisses in Abs. 1 eintreten, wenn dieser Verstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit der Gliederung des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs. 4 AktG). Eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist hingegen nicht gegeben. Schließlich bildet Abs. 1 kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.

C. Anlagenspiegel bzw. -gitter (Abs. 2) – aufgehoben Der bisherige Abs. 2 sah den Ausweis des sogenannten Anlagenspiegels bzw. -gitters vor. Da Art. 17 Abs. 1 31 Buchst. a (Neue) Bilanzrichtlinie für die bisher in Abs. 2 vorgesehenen Angaben einen zwingenden Ausweis im Anhang vorsieht, hat der Gesetzgeber im Rahmen des BilRUG (Rz. 10) Abs. 2 aufgehoben. Den Ausweis dieser Angaben im Anhang sieht nunmehr § 284 Abs. 3 HGB (§ 284 HGB Rz. 78 ff.) vor.

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ADS6, § 268 HGB Rz. 14; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 5. ADS6, § 268 HGB Rz. 14; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 2. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 5; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 12. Begr RegE BilRUG, BR-Drucks. 23/15, 73.

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§ 268 Rz. 32 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke

D. Ausweis des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags (Abs. 3) I. Grundlagen 32

Nach Abs. 3 muss auf der Aktivseite der Posten „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ ausgewiesen werden, wenn das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht (Rz. 36) ist und sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten (Rz. 37) ergibt.

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Bei dem Posten handelt es sich trotz des Ausweises auf der Aktivseite weder um einen Vermögensgegenstand noch um eine Bilanzierungshilfe.1 Vielmehr stellt dieser eine bloße Korrekturgröße2 dar zur Vermeidung der Abbildung eines negativen Eigenkapitals (Rz. 38).

II. Anwendungsbereich 34

Abs. 3 gilt für alle Kapitalgesellschaften und Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB). Zudem findet Abs. 3 auch bei den bilanzierenden Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG) Anwendung. Zudem gilt Abs. 3 auch bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB).

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Auch die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften unterfallen Abs. 3. Allerdings besteht bei diesen mit § 264c Abs. 2 Satz 4 und 5 HGB (§ 264c HGB Rz. 12 ff.) eine Sonderregelung, wonach der Posten „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ zu bilden ist. Dies gilt auch für die KGaA (§ 286 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 AktG).

III. Voraussetzungen 36

Der Ausweis setzt zunächst voraus, dass das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht ist. Die dabei im Eigenkapital zu berücksichtigenden Posten ergeben sich aus § 266 Abs. 3 A. HGB.3 Da § 272 Abs. 1 HGB für den Ausweis der nicht eingeforderten Einlagen nunmehr die Netto-Methode vorsieht (§ 272 HGB Rz. 58 ff.), muss der entsprechend gekürzte Betrag des gezeichneten Kapitals in die Rechnung nach Abs. 3 einbezogen werden, so dass sich der Posten „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ dadurch entsprechend erhöht.4 Ebenso können eigene Anteile den Fehlbetrag aufgrund der auch bei diesen anwendbaren Netto-Methode (§ 272 Abs. 1a und 1b HGB – § 272 HGB Rz. 83 ff.) beeinflussen. Die Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen berühren die Höhe dieses Postens allerdings nicht, da diese Anteile durch eine entsprechende Rücklage nach § 272 Abs. 4 HGB kompensiert werden (§ 272 HGB Rz. 229 ff.). Der Begriff des Verlusts in Abs. 3 knüpft an den Jahresfehlbetrag und etwaige Verlustvorträge bzw. bei Ausübung des Wahlrechts nach Abs. 1 (Rz. 15 ff.) an den Bilanzverlust an.

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Darüber hinaus muss sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten ergeben.5 Da sich dieser aufgrund der doppelten Buchführung nicht ergeben kann, muss Abs. 3 so verstanden werden, dass ein Überschuss der Passivposten (ohne Eigenkapital) über die Aktivposten bestehen muss.6

IV. Ausweis 38

Der Ausweis des Postens „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ erfolgt auf der Aktivseite. Einer Erläuterung dieses Postens im Anhang bedarf es nicht.7 Allerdings empfiehlt sich eine derartige Erläuterung vor allem dann, wenn keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, da anderenfalls eine solche von den Adressaten des Jahresabschlusses aufgrund des Ausweises des Postens angenommen werden

1 ADS6, § 268 HGB Rz. 86; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 23; Küting/Göth, BB 1994, 2446 (2447); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 268 Rz. 3. 2 Mit dieser Begrifflichkeit ADS6, § 268 HGB Rz. 86; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 23. 3 ADS6, § 268 HGB Rz. 92; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 51. 4 Ebenso Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 18; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 27; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 52. 5 Ausführlich Herrmann, ZGR 1989, 273 (276 f.). 6 ADS6, § 268 HGB Rz. 92; Herrmann, ZGR 1989, 273 (276 f.); Knop/Zander in HdR, § 268 HGB Rz. 189, 191 (Stand Juni 2017); Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 27; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 51. 7 ADS6, § 268 HGB Rz. 89; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 13; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 50; aA Herrmann, ZGR 1989, 273 (281 ff.), der jedenfalls für große Kapitalgesellschaften eine uneingeschränkte Pflicht zu Angaben im Anhang annimmt.

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E. Forderungen (Abs. 4)

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Rz. 44 § 268

könnte.1 Zudem wird idR eine Erläuterung im Lagebericht erforderlich sein,2 da der Ausweis des Postens in jedem Fall die weitere Entwicklung der Gesellschaft (§ 289 Abs. 1 Satz 4 HGB – § 289 HGB Rz. 24 ff.) auf den Prüfstand stellt. Der Ausweis des Postens „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ berührt den Ausweis der Pos- 39 ten auf der Passivseite nicht, und zwar auch dann nicht, wenn deren Saldo lediglich null Euro beträgt.3

V. Verstoß gegen Abs. 3 Ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 3 kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB – § 334 HGB Rz. 35 ff.). Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Abs. 3 als unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft den Straftatbestand der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) verwirklichen.

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In zivilrechtlicher Hinsicht führt ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 3 zunächst zu einer Ein- 41 schränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46 ff.).4 Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses wird durch einen Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 3 nicht begründet, da es sich bei Abs. 3 weder um eine Vorschrift handelt, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft dient (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG), noch dieser die Klarheit und Übersichtlichkeit der Gliederung des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs. 4 AktG). Schließlich bildet Abs. 3 auch kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.

E. Forderungen (Abs. 4) I. Anwendungsbereich Aufgrund seiner Stellung im Zweiten Abschnitt des Dritten Buchs gilt Abs. 4 für alle Kapitalgesellschaf- 42 ten. Darüber hinaus findet Abs. 4 aber auch auf alle kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) und für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB) Anwendung. Zudem gilt Abs. 4 auch für bilanzierende Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). Bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) findet Abs. 4 auch grundsätzlich Anwendung. Allerdings gilt bei diesen die Einschränkung, dass Abs. 4 Satz 1 (Rz. 44 ff.) nicht zur Anwendung kommt (§§ 340a Abs. 1, 341a Abs. 1 HGB). Für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.) wird der Anwendungsbereich von Abs. 4 kraft ausdrücklicher Anordnung in § 274a HGB dahingehend eingeschränkt, dass der gesonderte Ausweis der Forderungen nach Abs. 4 Satz 2 (Rz. 51 ff.) bei diesen nicht erfolgen muss. Dies gilt ebenso für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a Abs. 2 HGB – § 267a HGB Rz. 19 ff.).

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II. Langfristige Forderungen (Abs. 4 Satz 1) Die besonderen Ausweisvorschriften für langfristige Forderungen gelten nur für die Forderungen des 44 Umlaufvermögens. Zwar kommt dies im Wortlaut von Abs. 4 Satz 1 nicht eindeutig zum Ausdruck, ergibt sich aber aus einer richtlinienkonformen Auslegung, da Abs. 4 Satz 1 auf Anhang III Aktiva D. II. (Neue) Bilanzrichtlinie zurückgeht. Abs. 4 Satz 1 bezieht sich auf alle Forderungen des Umlaufvermögens, so dass Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (§ 266 Abs. 2 B.II.1. HGB – § 266 HGB Rz. 34), Forderungen gegen verbundene Unternehmen (§ 266 Abs. 2 B.II.2. HGB – § 266 HGB Rz. 35), und Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (§ 266 Abs. 2 B.II.3. HGB – § 266 HGB Rz. 36), und sonstige Vermögensgegenstände (§ 266 Abs. 2 B.II.4. HGB – § 266 HGB Rz. 37) erfasst werden.5 Voraussetzung ist aber, dass die Forderungen zum Bilanzstichtag bereits entstanden sind. Keine Bedeutung für die Vermerkpflicht nach Abs. 4 Satz 1 hat, ob sich die Forderung gegen einen Gesellschafter richtet oder nicht.

1 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 28; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 50; ähnlich Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 24. 2 Dies jedenfalls für große Kapitalgesellschaften annehmend Herrmann, ZGR 1989, 273 (290 f.). 3 ADS6, § 268 HGB Rz. 89; Küting/Weber, GmbHR 1984, 165 (177); Küting/Göth, BB 1994, 2446 (2447); aA Rosenbach, BFuP 1986, 129 (139). 4 Dazu Herrmann, ZGR 1989, 273 (293 ff.). 5 ADS6, § 268 HGB Rz. 99; Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 25; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 29.

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§ 268 Rz. 45 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke 45

In den Anwendungsbereich von Abs. 4 Satz 1 fallen auch Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter, die ihren Ursprung im Gesellschaftsverhältnis haben.1 Dies gilt vor allem für die Nachschusspflichten von GmbH-Gesellschaftern (§ 42 Abs. 2 GmbHG) und eingeforderte und noch nicht eingezahlte Einlagen (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB – § 272 HGB Rz. 58 ff.) Denn auch bei diesen Forderungen besteht ein Informationsinteresse des Adressaten des Jahresabschlusses.

46

Nicht erfasst werden allerdings Anzahlungen, soweit diese dem Anlagevermögen zuzurechnen sind (§ 266 Abs. 2 A. I.4. und A.II.4. HGB – § 266 HGB Rz. 15 und 19).2

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Die Bestimmung der Restlaufzeit richtet sich nach dem Bilanzstichtag und dem erwarteten Eingang des Forderungsbetrags, so dass gerade nicht auf die Fälligkeit abgestellt wird.3 Daher muss vor allem bei erwarteten Zahlungsschwierigkeiten der Eingang des Forderungsbetrags zeitlich nach hinten verschoben werden. Gegebenenfalls muss eine Schätzung vorgenommen werden, die vorsichtig (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB – § 252 HGB Rz. 120 ff.) zu erfolgen hat.4 Bei Ratenzahlungen muss die Berechnung der Restlaufzeit für jede Rate einzeln ermittelt werden.5

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Der nach Abs. 4 Satz 1 erforderliche Vermerk ist bei einem getrennten Ausweis von Forderungen im Rahmen des Umlaufvermögens für jede Forderungsart gesondert vorzunehmen.6 Wird eine Forderungsart nicht ausgewiesen, muss auch kein Vermerk nach Abs. 4 Satz 1 aufgenommen werden. Bei einem zusammengefassten Ausweis nach § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB (§ 265 HGB Rz. 41) muss dann im Anhang der Vermerk nach Abs. 4 Satz 1 vorgenommen werden.7

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Bei kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.), die von der Möglichkeit der Aufstellung einer verkürzten Bilanz nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB (§ 266 HGB Rz. 8) Gebrauch machen, muss entsprechend der Gesamtbetrag der Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr angegeben werden.8 Dies gilt auch für Kleinstgesellschaften (§ 267a HGB), bei denen dann ein Gesamtvermerk für das Umlaufvermögen vorgenommen werden muss.9

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Der nach Abs. 4 Satz 1 vorzunehmende Vermerk muss als Davon-Vermerk erfolgen.10 Ein Ausweis der Vorjahreswerte ist nicht erforderlich, kann aber vorgenommen werden.11

III. Sonstige Vermögensgegenstände (Abs. 4 Satz 2) 51

Durch Abs. 4 Satz wird für sonstige Vermögensgegenstände, die erst nach dem Abschlussstichtag rechtlich entstehen und einen größeren Umfang haben, eine besondere im Anhang vorzunehmende Erläuterungspflicht begründet. Dabei handelt es sich aber nur um eine Erläuterungsvorschrift, so dass die Aktivierungspflicht davon im Übrigen unberührt bleibt.12

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Der Anwendungsbereich von Abs. 4 Satz 2 erstreckt sich nur auf Forderungen, die erst nach dem Abschlussstichtag rechtlich entstehen und einen größeren Umfang haben. Damit erfasst Abs. 4 Satz 2 seinem Wortlaut nach nur sehr wenige Forderungen, da eine Aktivierung idR die rechtliche Entstehung der Forderung voraussetzt (§ 246 HGB Rz. 91 ff.). Eine Aktivierung ohne rechtliche Entstehung kommt etwa bei nach dem Bilanzstichtag entstehenden Steuererstattungsansprüchen bei Ertragsteuern, Vorsteuererstattungsansprüchen vor Rechnungserteilung oder phasengleich aktivierten Gewinnansprüchen in Betracht.13 1 ADS6, § 268 HGB Rz. 100; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 57. 2 AA Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 57. 3 ADS6, § 268 HGB Rz. 101; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 26; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 58; Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 28; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 29. 4 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 58; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 29. 5 ADS6, § 268 HGB Rz. 101; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 26; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 58; Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 28; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 30. 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 25; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 30. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 27. 8 Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 27. 9 Hoffmann, StuB 2012, 729 (730); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 31; offen lassend Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 59; aA Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 27; Theile, GmbHR 2012, 1112 (1115). 10 ADS6, § 268 HGB Rz. 103; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 31. 11 Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 31. 12 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 29. 13 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 29; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 61; Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 32; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 32.

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F. Verbindlichkeiten (Abs. 5)

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Rz. 59 § 268

Um diesem sehr eingeschränkten Anwendungsbereich von Abs. 4 Satz 2 zu begegnen, wird teilweise eine erweiternde Auslegung dahingehend vorgenommen, dass auch rechtlich bereits entstandene, aber zum Bilanzstichtag noch nicht fällige Forderungen erfasst sein sollen.1 Auch wenn sich diese Auslegung auf Art. 18 Satz 1 Jahresabschlussrichtlinie aF2 stützen konnte, ist dafür nach der neuen Rechtslage kein Raum mehr, da es an einer entsprechenden Regelung in der (Neuen) Bilanzrichtlinie fehlt. Weitere Voraussetzung ist, dass die betreffenden Beträge einen größeren Umfang haben. Da dieser Be- 53 griff weder in Abs. 4 noch in anderen handelsbilanzrechtlichen Zusammenhängen verwendet wird, muss auf den Begriff der Wesentlichkeit zurückgegriffen werden.3 Bezugsgröße ist der Gesamtbetrag der sonstigen Vermögensgegenstände.4 Liegen die Voraussetzungen von Abs. 4 Satz 2 vor, muss eine Erläuterung im Anhang erfolgen. Dabei ist vor allem auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Forderungsentstehung einzugehen.5 Quantitative Angaben sind hingegen nicht erforderlich, da diese in Abs. 4 Satz 2 nicht genannt werden.

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IV. Verstoß gegen Abs. 4 Ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 4 kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) HGB – § 334 HGB Rz. 35 ff.). Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Abs. 4 als unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft den Straftatbestand der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) verwirklichen.

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In zivilrechtlicher Hinsicht führt ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 4 zunächst zu einer Ein- 56 schränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46 ff.). Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann durch einen Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 4 eintreten, wenn dieser Verstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit der Gliederung des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs. 4 AktG). Eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist hingegen nicht gegeben. Schließlich bildet Abs. 4 kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.

F. Verbindlichkeiten (Abs. 5) I. Anwendungsbereich Aufgrund seiner Stellung im Zweiten Abschnitt des Dritten Buchs gilt Abs. 5 für alle Kapitalgesellschaf- 57 ten. Darüber hinaus findet Abs. 5 aber auch auf alle kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) und für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB) Anwendung. Zudem gilt Abs. 5 auch für bilanzierende Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). Bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) findet Abs. 5 auch grundsätzlich Anwendung. Allerdings gilt bei diesen die Einschränkung, dass Abs. 5 Satz 1 und 2 (Rz. 59 ff., 63) nicht zur Anwendung kommen (§§ 340a Abs. 1, 341a Abs. 1 HGB). Für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.) wird der Anwendungsbereich 58 von Abs. 5 kraft ausdrücklicher Anordnung in § 274a HGB dahingehend eingeschränkt, dass der gesonderte Ausweis der Verbindlichkeiten nach Abs. 5 Satz 3 (Rz. 64) bei diesen nicht erfolgen muss. Dies gilt ebenso für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a Abs. 2 HGB – § 267a HGB Rz. 19 f.).

II. Kurz- und langfristige Verbindlichkeiten (Abs. 5 Satz 1) Nach Abs. 5 Satz 1 muss zunächst der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu einem 59 Jahr (kurzfristige Verbindlichkeiten) und der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr (langfristige Verbindlichkeiten) im Rahmen eines besonderen Vermerks angegeben werden. Verbindlichkeiten sind alle in § 266 Abs. 3 C. HGB genannten Posten. Anzahlungen auf Bestel-

1 ADS6, § 268 HGB Rz. 106; Knop/Zander in HdR, § 268 HGB Rz. 205 (Stand Juni 2017); wohl auch Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3 § 268 Rz. 62; a.A. und dies ablehnend Schubert/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 31; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 32. 2 Siehe Nachweis in Fn. 14. 3 ADS6, § 268 HGB Rz. 107; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 Rz. 30; Knop/Zander in HdR, § 268 HGB Rz. 207 (Stand Juni 2017); offen lassend Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 33. 4 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 63. 5 ADS6, § 268 HGB Rz. 108; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 64; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 33.

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§ 268 Rz. 60 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke lungen (Rz. 63) sind nicht erfasst,1 da deren Ausweis bei den Passiva lediglich der bilanziellen Neutralisierung dieses schwebenden Geschäfts dient (Rz. 5). Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Gesellschafterdarlehen sind ebenfalls von Abs. 5 Satz 1 erfasst, müssen aber bei Erklärung eines qualifizierten Nachrangs ausgebucht werden (§ 266 HGB Rz. 56, § 272 HGB Rz. 44) so dass der Vermerk nach Abs. 5 Satz 1 dann nicht erfolgen muss. 60

Bei der Berechnung der Restlaufzeit ist in Abweichung zur Parallelproblematik in Abs. 4 (Rz. 47) nicht auf den erwarteten Zahlungszeitpunkt, sondern allein auf die Fälligkeit abzustellen.2 Diese im Hinblick zu Abs. 4 abweichende Anknüpfung ergibt sich aus dem Umstand, dass aus Sicht des Bilanzierenden ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit mit einem Abfluss der jeweiligen Mittel gerechnet werden muss, während umgekehrt nicht automatisch mit einem Eingang der Forderungen zu diesem Zeitpunkt gerechnet werden kann. Daher sind auch Stundungen erst dann relevant, wenn diese wirksam vereinbart wurden.3 Bei Roll-overKrediten, Revolving-Underwriting Facilities (RUF’s) und Note-Issuance Facilities (NIF’s) kommt es darauf an, welchen Kreditrahmen der Bilanzierende zum Bilanzstichtag tatsächlich in Anspruch genommen hat.4

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Der gesonderte Ausweis nach Abs. 5 Satz 1 erfolgt idR durch einen Davon-Vermerk bei jedem einzelnen Posten.5 Es kann auch eine Zusammenfassung erfolgen, wenn von dem Wahlrecht des § 265 Abs. 7 (§ 265 HGB Rz. 38 ff.) HGB Gebrauch gemacht wird. Die Regelung zu den kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten in Abs. 5 Satz 1 wird schließlich durch § 285 Nr. 1 Buchst. a HGB komplettiert, wonach der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren im Anhang anzugeben ist (§ 285 HGB Rz. 14 ff.). Die Angaben nach Abs. 5 Satz 1 und § 285 Nr. 1 Buchst. a HGB können auch in einem Verbindlichkeitenspiegel zusammengefasst werden.6

62

Die besondere Ausweisvorschrift des Abs. 5 wird bei der GmbH noch durch § 42 Abs. 3 GmbHG komplettiert, wonach Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern idR als solche jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben sind. Für andere Gesellschaftsformen fehlt es hingegen an einer solchen Spezialregelung, so dass es bei dem allgemeinen Ausweis nach Abs. 5 bleibt.

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Durch Abs. 5 Satz 2 können – trotz der rechtspolitischen Zweifelhaftigkeit dieser Regelung7 – erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen unter den Verbindlichkeiten gesondert ausgewiesen werden (§ 266 Abs. 3 C.3. HGB – § 266 HGB Rz. 63), soweit sie nicht als Anzahlungen auf Vorräte vom dem Posten „Vorräte“ (§ 266 Abs. 2 B.I.4. HGB – § 266 HGB Rz. 33) offen abgesetzt werden. Der alternative Ausweis bei den Vorräten ist aber nur dann zulässig, wenn zwischen der Anzahlung und den Vorräten ein inhaltlicher Bezug besteht, der nur dann vorliegt, wenn die Vorräte für die jeweilige Bestellung angeschafft wurden.8 Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Adressaten des Jahresabschlusses anderenfalls über einen solchen Bezug getäuscht werden würden.

III. Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen (Abs. 5 Satz 2)

IV. Zukünftig entstehende Verbindlichkeiten (Abs. 5 Satz 3) 64

Schließlich sieht Abs. 5 Satz 3 eine besondere Vermerkpflicht für zukünftig entstehende Verbindlichkeiten vor. Ansatzpunkt ist dabei, dass diese Verbindlichkeiten erst nach dem Abschlussstichtag rechtlich entstehen (sogenannte antizipative Verbindlichkeiten). Soweit dies der Fall ist und es sich um größere Beträge handelt, bedarf es einer besonderen Erläuterung im Anhang. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Abs. 5 Satz 3 dürfen die Verbindlichkeiten zum Bilanzstichtag noch nicht rechtlich entstanden sein, auch 1 Ebenso ADS6, § 268 HGB Rz. 111; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 32; Schubert in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 35. 2 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 33; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 34; Schubert in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 35; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 66. 3 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 33; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 34; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 66. 4 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 34; Schubert in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 37. 5 ADS6, § 268 HGB Rz. 113; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 67. 6 ADS6, § 268 HGB Rz. 113; Göllert, BB 1984, 1845 (1849 f.); Hoffmann, BB 1983, Beilage 1, 10; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 34; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 67. 7 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 36; diesen Bedenken unter Verweis auf die Bilanzrichtlinie entgegentretend Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 64. 8 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 34; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 36; Weirich/Zimmermannm AG 1986, 265 (268 f.); aA ADS6, § 266 HGB Rz. 99; ebenfalls abweichend Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 69 mit der Beschränkung, dass der Bestand nicht negativ werden darf.

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G. Ausweis des Disagio (Abs. 6)

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Rz. 69 § 268

wenn damit der tatsächliche praktische Anwendungsbereich von Abs. 5 Satz 3 äußerst beschränkt ist.1 Erfasst werden etwa nicht auf einem Vertrag beruhende Verlustübernahmen, wenn für diese ein faktischer Übernahmezwang gegeben ist.2 Der zudem erforderliche größere Umfang dieser Verbindlichkeiten bestimmt sich nach den Maßstäben, die auch schon bei Abs. 4 Satz 2 (Rz. 51 ff.) gelten.

V. Verstoß gegen Abs. 5 Ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 5 kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 334 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB – § 334 HGB Rz. 35 ff.). Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Abs. 5 als unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft den Straftatbestand der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) verwirklichen. In zivilrechtlicher Hinsicht führt ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 5 zunächst zu einer Ein- 66 schränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46 ff.). Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann durch einen Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 5 eintreten, wenn dieser Verstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit der Gliederung des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs. 4 AktG). Eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist hingegen nicht gegeben. Schließlich bildet Abs. 5 kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.

G. Ausweis des Disagio (Abs. 6) Nach Abs. 6 muss das nach § 250 Abs. 3 HGB gebildete Disagio oder Damnum in der Bilanz oder im An- 67 hang gesondert ausgewiesen werden. Dieser Ausweis kann entweder durch einen Davon-Vermerk oder durch eine Untergliederung erfolgen, ohne dass für den Posten eine bestimmte Bezeichnung vorgesehen ist.3 Besteht ein Disagio bei mehreren Fällen, darf ein einheitlicher Posten gebildet werden.4 Bei einem Ausweis im Anhang müssen die Höhe des Betrags und in den Folgejahren die Beträge der außerplanmäßigen Abschreibung genannt werden.5 Abs. 6 gilt aufgrund seiner Stellung im Zweiten Abschnitt des Dritten Buches für alle Kapitalgesellschaf- 68 ten. Darüber hinaus findet Abs. 6 aber auch auf alle kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) und für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB) Anwendung. Zudem gilt Abs. 7 auch für bilanzierende Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). Bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) findet Abs. 7 auch Anwendung. Für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.) wird der Anwendungsbereich von Abs. 6 kraft ausdrücklicher Anordnung in § 274a HGB dahingehend eingeschränkt, dass der gesonderte Ausweis des Disagio nach Abs. 6 (Rz. 67 ff.) bei diesen nicht erfolgen muss. Dies gilt ebenso für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a Abs. 2 HGB – § 267a HGB Rz. 19 f.). Ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 6 kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 334 69 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB – § 334 HGB Rz. 35 ff.). Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Abs. 6 als unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft den Straftatbestand der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) verwirklichen. In zivilrechtlicher Hinsicht führt ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 6 zunächst zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46 ff.). Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann durch einen Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 6 eintreten, wenn dieser Verstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit der Gliederung des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs. 4 AktG). Eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist hingegen nicht gegeben. Schließlich bildet Abs. 6 kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.

1 ADS6, § 268 HGB Rz. 118; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 35; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 37; aA Knop/Zander in HdR, § 268 HGB Rz. 217. 2 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 37; Schubert in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 42; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 71. 3 Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 46; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 36; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 38. 4 ADS6, § 268 HGB Rz. 123; Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 47; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 36; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 38; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 72. 5 Grottel/Waubke in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 48; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 38.

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§ 268 Rz. 70 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke

H. Ausweis der Haftungsverhältnisse (Abs. 7) I. Grundlagen 70

Die Regelung des Abs. 7 konkretisiert die Art und Weise des Ausweises der nach § 251 HGB nicht auf der Passivseite auszuweisenden Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse. Dabei sieht Abs. 7 konkret einen allgemeinen Ausweis im Anhang (Abs. 7 Nr. 1 – Rz. 76), die gesonderte Angabe von Pfandrechten und Sicherheiten (Abs. 7 Nr. 2 – Rz. 77 f.) und einen gesonderten Vermerk für Verpflichtungen betreffend die Altersversorge und für Verpflichtungen gegenüber verbundenen Unternehmen (Abs. 7 Nr. 3 – Rz. 79 ff.) vor. Diese Angaben stehen in keinem Alternativverhältnis zueinander, sondern sind kumulativ zu beachten.

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Da Haftungsverhältnisse auch Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern berühren, besteht zwischen Abs. 7 und § 264c Abs. 1 HGB (§ 264c HGB Rz. 6 ff.) bei kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften ein Spannungsverhältnis, das zugunsten von § 264a Abs. 1 HGB aufzulösen ist.1 Dies gilt ebenso für die besondere Ausweisvorschrift des § 42 Abs. 3 GmbHG (§ 42 GmbHG Rz. 39 ff.) bei der GmbH.2 Zum eingeschränkten Anwendungsbereich von Abs. 7 bei kleinen und Kleinstkapitalgesellschaften s. Rz. 73 f.

II. Anwendungsbereich 72

Aufgrund seiner Stellung im Zweiten Abschnitt des Dritten Buchs gilt Abs. 7 für alle Kapitalgesellschaften. Darüber hinaus findet Abs. 7 aber auch auf alle kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) und für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB) Anwendung. Zudem gilt Abs. 7 auch für bilanzierende Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG). Bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) findet Abs. 7 auch grundsätzlich Anwendung. Allerdings gilt bei diesen die Einschränkung, dass die entsprechenden Formblätter verwendet werden müssen (§§ 340a Abs. 1 Satz 2, 341a Abs. 1 Satz 2 HGB).

73

Für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.) ist die Anwendbarkeit der Vorgaben für den Ausweis von Haftungsverhältnissen in Abs. 7 nicht ausdrücklich geregelt. Dies ist problematisch, da Abs. 7 bei diesen aufgrund der Erleichterungen bei der Gliederung der Bilanz (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB – § 266 HGB Rz. 8) ins Leere geht und es damit schon an einer Anknüpfungsmöglichkeit für den besonderen Ausweis nach Abs. 7 fehlt. Trotz dieser fehlenden Abstimmung von Abs. 7 und § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB muss aber von einer Anwendbarkeit von Abs. 7 ausgegangen werden.3 Denn eine solche Auslegung von Abs. 7 steht im Widerspruch zu Art. 16 Abs. 1 Buchst. d (Neue) Bilanzrichtlinie, der einen solchen Befreiungstatbestand gerade nicht zulässt. Insofern ist auch Abs. 7 uneingeschränkt bei kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.) anzuwenden, so dass diese – bei Bestehen der nach Abs. 7 relevanten Verbindlichkeiten (Rz. 70 ff.) – von der vereinfachten Gliederung nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB – § 266 HGB Rz. 8) keinen Gebrauch machen können.4

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Unklar ist zudem die Anwendbarkeit der Vorgaben für den Ausweis von Haftungsverhältnissen in Abs. 7 auf Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB), da dieser nach seinem Wortlaut uneingeschränkt auf Kleinstkapitalgesellschaften Anwendung findet. Ansatzpunkt für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs ist neben der auch in diesem Zusammenhang aufgrund der Vorgaben der (Neuen) Bilanzrichtlinie nicht überzeugenden vereinfachten Gliederung der Bilanz (Rz. 11) die Regelung des § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB (§ 264 HGB Rz. 20 f.), wonach Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) den Jahresabschluss nicht um einen Anhang erweitern müssen, wenn sie unter anderem die Angaben nach Abs. 7 unter der Bilanz angeben.5 Da Art. 16 Abs. 1 Buchst. d (Neue) Bilanzrichtlinie eine derartige Bereichsausnahme nicht zulässt, muss dieses Wahlrecht europarechtskonform dahingehend eingeschränkt werden, dass stets ein Anhang zu erstellen ist und in diesem die Angaben nach Abs. 7 zu machen sind, da ansonsten den Vorgaben von Art. 16 Abs. 1 Buchst. d (Neue) Bilanzrichtlinie nicht entsprochen werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber die Angaben nach Abs. 7 bei Kleinstkapitalgesellschaften für 1 Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 58. 2 Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 58; ähnlich Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 44. 3 AA – zum bisherigen Recht – ADS6, § 268 HGB Rz. 125; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 39; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 75. 4 Im Ergebnis auch Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 51, 57; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 37; aA ADS6, § 268 HGB Rz. 125; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 78. 5 Daraus eine fehlende Anwendbarkeit von Abs. 7 ableitend Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 51, die allerdings bei den Angaben nach Abs. 7 Nr. 3 von einer Anwendbarkeit ausgehen (Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 56).

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H. Ausweis der Haftungsverhältnisse (Abs. 7)

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Rz. 80 § 268

entbehrlich hält,1 da der Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 Buchst. d (Neue) Bilanzrichtlinie dahingehend eindeutig ist. Daher bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass Abs. 7 auch für Kleinstkapitalgesellschaften uneingeschränkt gilt. Da gesetzestypische Personengesellschaften und Einzelkaufleute im Anwendungsbereich des PublG (§ 5 Abs. 2 Satz 1 PublG) keinen Anhang erstellen müssen, gilt Abs. 7 für diese nicht, so dass es bei einem entsprechenden Ausweis unter der Bilanz bleibt.2

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III. Ausweis im Anhang (Abs. 7 Nr. 1) Die Angaben zu den nach § 251 HGB nicht auf der Passivseite auszuweisenden Verbindlichkeiten und 76 Haftungsverhältnissen (§ 251 HGB Rz. 11 ff.) sind nach Abs. 7 Nr. 1 im Anhang zu machen. Diese Angabe muss die Haftungsverhältnisse allgemein umschreiben und darf sich nicht auf einen bloßen Ausweis des jeweiligen Betrags beschränken, da dies bereits durch § 251 HGB (§ 251 HGB Rz. 11 ff.) vorgegeben wird und ansonsten für Abs. 7 Nr. 1 kein originärer Anwendungsbereich mehr bliebe.3 Fehlt es an derartigen Haftungsverhältnissen, kann ein Ausweis im Anhang unterbleiben.4

IV. Gesonderter Ausweis (Abs. 7 Nr. 2) Darüber hinaus müssen die Haftungsverhältnisse nach Abs. 7 Nr. 2 jeweils gesondert angegeben werden.

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Zudem müssen gewährte Pfandrechte uns sonstige Sicherheiten angegeben werden. Zu den Pfandrechten 78 und sonstigen Sicherheiten zählen Grundpfandrechte, Pfandrechte an beweglichen Sachen und Rechten, Sicherungsübereignungen und -abtretungen und Eigentumsvorbehalte.5 Erfasst werden allerdings nur Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten.6 Dazu muss bei den einzelnen Haftungsverhältnissen eine jeweils konkrete Betragsangabe gemacht werden.7 Die Angabepflicht bezieht sich auf den Betrag der gesicherten Verbindlichkeit und nicht auf den Wert des Sicherungsguts.8 Die Angabepflicht entfällt auch dann nicht, wenn die Bestellung von Pfandrechten oder sonstigen Sicherheiten branchen- oder verkehrsüblich ist,9 da es für den Adressaten des Jahresabschlusses dann nicht möglich ist, den tatsächlichen Umfang der Sicherheiten zu erkennen, womit eine nicht unerhebliche Einschränkung des Informationsgehalts des Jahresabschlusses verbunden wäre.

V. Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Altersversorgung und gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen (Abs. 7 Nr. 3) Schließlich sind die Verbindlichkeiten betreffend die Altersversorgung und die Verbindlichkeiten gegen- 79 über verbundenen oder assoziierten Unternehmen gesondert zu vermerken, da diese typischerweise eine herausragende Stellung einnehmen und somit ein besonderes Informationsinteresse des Adressaten des Jahresabschlusses besteht. Dabei bezieht sich Abs. 7 Nr. 3 aber nur auf die gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen bestehenden Haftungsverhältnisse. Für den umgekehrten Fall gibt es keine ausdrückliche Ausweispflicht,10 was einen freiwilligen Ausweis aber nicht ausschließt. Der Begriff der Altersversorgung wird in Abs. 7 nicht definiert. Soweit Altersversorgungsverpflichtungen 80 passiviert werden müssen, bedarf es keines besonderen Vermerks nach Abs. 7 Nr. 3, da dann dem Informationsinteresse der Adressaten bereits hinreichend Rechnung getragen wird.11 Dies gilt auch für Verbindlichkeiten nach Art. 28 Abs. 2 EGHGB.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

So ausdrücklich Begr RegE MicroBilG, BR-Drucks. 558/12, 18. Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 50. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 41. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 40. ADS6, § 268 HGB Rz. 126; Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 54; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 42; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 77. Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 54. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 37; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 42. ADS6, § 268 HGB Rz. 126; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 37; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 77. Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 42; aA Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 55; offen lassend Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 77. Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 56; Kersting in HdJ, III/9 Rz. 53 (Stand Aug. 2013); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 78. Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 55. Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 55.

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§ 268 Rz. 81 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke 81

Für den Begriff der verbundenen Unternehmen ist die Definition des § 271 Abs. 2 HGB maßgeblich (§ 271 HGB Rz. 28 ff.), für den der assoziierten Unternehmen die des § 311 Abs. 1 HGB. Liegen die jeweiligen Voraussetzungen vor, müssen alle Verbindlichkeiten mit ihrem Betrag gesondert ausgewiesen werden. Nicht erfasst sind allerdings Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die zugunsten eines verbundenen Unternehmens eingegangen wurden.1 Auch eine Subsidiärhaftung für Formen der betrieblichen Altersversorgung ist nicht im Rahmen von Abs. 7 Nr. 3 anzugeben.2

VI. Verstoß gegen Abs. 7 82

Ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 7 kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB – § 334 HGB Rz. 35 ff.). Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Abs. 7 als unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft den Straftatbestand der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) verwirklichen.

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In zivilrechtlicher Hinsicht führt ein Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 7 zunächst zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46 ff.). Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann durch einen Verstoß gegen die Ausweispflicht nach Abs. 7 eintreten, wenn dieser Verstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit der Gliederung des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs. 4 AktG). Eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist hingegen nicht gegeben. Schließlich bildet Abs. 4 kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.

I. Ausschüttungssperre (Abs. 8) I. Anwendungsbereich 84

Aufgrund des Regelungsstandorts findet Abs. 8 zunächst auf alle Kapitalgesellschaften3 Anwendung. Bei Kreditinstituten (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) gilt Abs. 8 ohne Einschränkungen. Auch für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 7 f.) oder Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a Abs. 1 HGB – § 267 HGB Rz. 8 ff.) sind für Abs. 8 keine Erleichterungen vorgesehen. Die Ausnahmeregelung des § 264 Abs. 3 HGB (§ 264 HGB Rz. 80 ff.) findet hinsichtlich Abs. 8 keine Anwendung, da es sich bei Abs. 8 um eine gesellschaftsrechtliche Regelung handelt, die unabhängig von den rechnungslegungsrechtlichen Erwägungen des § 264 Abs. 3 HGB bei allen Kapitalgesellschaften zur Anwendung kommen muss.4

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Im Ergebnis gilt Abs. 8 – trotz einer wohl gegenteiligen Auffassung des Gesetzgebers5 – auch für die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB – § 264a HGB Rz. 8 ff.), da bei diesen ebenso wie bei den Kapitalgesellschaften (Rz. 84) das rechtspolitische Bedürfnis nach einem Gläubigerschutz bei der Aktivierung der in Abs. 8 adressierten Vermögensgegenstände besteht.6 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB, wonach bei der Berechnung des Kapitalanteils des Kommanditisten Beträge iSd. Abs. 8 nicht zu berücksichtigen sind, da § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB nur bei den Kommanditgesellschaften Anwendung finden kann, bei denen Abs. 8 eingreift. Insofern kann § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB für die Reichweite von Abs. 8 argumentativ nichts entnommen werden.7

1 ADS6, § 268 HGB Rz. 127; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 43. 2 Fink/Theile, DB 2015, 753 (755); Grottel/Haußer in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 55. 3 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67; Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 65; Hüttemann/ Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 40. 4 Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 66. 5 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 64 („Der Anwendungsbereich der Ausschüttungssperre wird auf Kapitalgesellschaften beschränkt.“). 6 Ebenso Hennrichs, WPg. 2011, 864 f. (Fn. 30); Hennrichs, DB 2008, 537 (541); von der Laage, WM 2012, 1322 (1324); Marx/Dallmann, Stbg. 2010, 453 (454); Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 57; Simon, NZG 2009, 1081 (1082); Wehrheim/Rupp, DB 2009, 356 (357 f.); Zwirner/Froschhammer, StuB 2012, 140; aA Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 152 (155); Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, N Rz. 4 f.; Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 65; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 Rz. 41; IDW RS HFA Rz. 38; Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 57 ff.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 268 Rz. 9; offen lassend Althoff, DStR 2012, 868. 7 Ähnlich Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 59.

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I. Ausschüttungssperre (Abs. 8)

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Rz. 91 § 268

Für die gesetzestypischen Personengesellschaften und Einzelkaufleute gilt Abs. 8 nicht. Dies wird durch 86 den Wortlaut von Abs. 8 zwar nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, ergibt sich aber aus dem Umstand, dass bei diesen die für Kapitalgesellschaften und kapitalistische Personenhandelsgesellschaften typische Gläubigergefährdungslage (Rz. 8) nicht besteht.1 Zudem spricht der Regelungsstandort von Abs. 8 im Zweiten Abschnitt des Dritten Buchs eindeutig gegen eine entsprechende Einbeziehung.

II. Reichweite der Ausschüttungssperre 1. Grundlagen Die Ausschüttungssperre nach Abs. 8 kann sich nur aufgrund eines Ausweises von selbst geschaffenen im- 87 materiellen Vermögensgegenständen (Abs. 8 Satz 1 – Rz. 89 f.), latenten Steuern (Abs. 8 Satz 2 – Rz. 91) und im Zusammenhang mit Altersversorgungsverpflichtungen (Abs. 8 Satz 3 – Rz. 92 f.) ergeben. Dabei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung, so dass der Anwendungsbereich von Abs. 8 nicht auf andere Fälle ausgedehnt werden kann. Die Voraussetzungen der Ausschüttungssperre sind nicht nur im Jahr der Aktivierung der von ihr erfass- 88 ten Vermögensgegenstände, sondern fortlaufend zu prüfen.2 Kommt es zum Abgang des Vermögensgegenstands, entfällt die Ausschüttungssperre.3 2. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (Abs. 8 Satz 1) Bei den selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen iSv. Abs. 8 Satz 1 handelt es sich um 89 diejenigen nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB (§ 248 HGB Rz. 23 ff.). Für entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und die dem Aktivierungsverbot unterliegenden selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB (§ 248 HGB Rz. 43 ff.) gilt Abs. 8 Satz 1 hingegen nicht, so dass auf den Ausweis zurückzuführende Gewinne nicht der Ausschüttungssperre unterliegen.4 Ebenso wenig gilt Abs. 8 Satz 1 für unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände. Voraussetzung für die Anwendung der Ausschüttungssperre nach Abs. 8 Satz 1 ist, dass die selbst geschaf- 90 fenen immateriellen Vermögensgegenstände auch tatsächlich aktiviert wurden, und zwar unabhängig davon, in welchem Geschäftsjahr die Aktivierung erfolgte.5 3. Latente Steuern (Abs. 8 Satz 2) Zudem gilt die Ausschüttungssperre nach Abs. 8 Satz 2 für latente Steuern (§ 274 HGB Rz. 10 ff.), bei de- 91 nen sich die Ausschüttungssperre auf den Betrag bezieht, um den die aktiven latenten Steuern die passiven latenten Steuern übersteigen. Soweit bei den selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen nach Abs. 8 Satz 1 (Rz. 89 f.) und den Altersversorgungsverpflichtungen nach Abs. 8 Satz 3 (Rz. 92 f.) latente Steuern berücksichtigt wurden,6 scheidet eine (erneute) Einbeziehung im Rahmen von Abs. 8 Satz 2 aus, da eine Doppelberücksichtigung für das mit Abs. 8 verfolgte Gläubigerschutzziel nicht notwendig ist und Abs. 8 insofern einschränkend ausgelegt werden muss.7

1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 41; Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 75 ff.; Simon, NZG 2009, 1081 (1082); im Ergebnis auch Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 64. 2 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (586); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (543 f.); von der Laage, WM 2012, 1322 (1323). 3 Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 68; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 46. 4 Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 68; Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 83 ff. 5 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (586); Küting/Lorson in HdR, § 268 HGB Rz. 255, 257 (Stand Juni 2017); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 83. 6 Zu einer dahingehenden Pflicht Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 64; Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (586); Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216 (1217); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 85. 7 Althoff, DStR 2012, 868 (869 ff.); Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 71; Herzig/Vossel, BB 2009, 1174 (1177); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 43; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1005 (1012); Küting/Seel, DB 2009, 922 (925); Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 51; Ruhberg, NZG 2011, 1048 (1049); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 85; Wendtholt/Wesemann, DB Beil. 5/2009, 64 (69); Zülch/Hoffmann, DB 2010, 909 (910 ff.).

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§ 268 Rz. 92 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke 4. Altersversorgungsverpflichtungen (Abs. 8 Satz 3) 92

Schließlich findet die Ausschüttungssperre nach Abs. 8 Satz 3 auch auf Vermögensgegenstände Anwendung, die dem Zugriff aller Gläubiger entzogen sind und die ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbar langfristig fälligen Verpflichtungen dienen (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB). Dabei unterliegt aber nur der die Anschaffungskosten übersteigende Betrag abzüglich der dafür gebildeten passiven latenten Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 274 HGB Rz. 10 ff.) der Ausschüttungssperre.

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Auch im Rahmen von Abs. 8 Satz 3 bezieht sich die Ausschüttungssperre zunächst auf den gesamten aktivierten Betrag. Soweit die Vermögensgegenstände zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB – § 253 HGB Rz. 71 ff.), bezieht sich die Ausschüttungssperre nur auf die Differenz zwischen dem zum Bilanzstichtag bestehenden Zeitwert und den nach den § 253 Abs. 1 und 3 HGB (§ 253 HGB Rz. 19 ff. und 96 ff.) anzusetzenden Anschaffungskosten.1 Diese sind nicht um fiktive Abschreibungen zu reduzieren.2 Zudem sind positive und negative Beträge nicht miteinander zu verrechnen.3

III. Ausschluss der Ausschüttungssperre bei Bestehen ausreichender freier Rücklagen 94

Die Ausschüttungssperre besteht dann nicht, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden freien Rücklagen (s. Rz. 8) – zuzüglich eines Gewinn- und abzüglich eines Verlustvortrags – den für die in den Rz. 87 ff. genannten Vermögensgegenstände aktivierten Beträgen entsprechen. Damit muss für die Zulässigkeit einer Ausschüttung keine besondere Rücklage gebildet, sondern lediglich geprüft werden, ob die nach der Ausschüttung verbleibenden freien Rücklagen den für die in den Rz. 87 ff. genannten Vermögensgegenstände aktivierten Beträgen entsprechen.4 Insofern erfolgt lediglich eine Kontrollrechnung.

95

Zu den freien Rücklagen iSv. Abs. 8 zählen neben den Gewinnrücklagen auch die frei verfügbaren Kapitalrücklagen, so dass also auch § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB (§ 272 HGB Rz. 179 ff.) erfasst wird.5 Die satzungsmäßigen Rücklagen sind ebenfalls als freie Rücklagen zu berücksichtigen, soweit die Satzung keine Ausschüttungsbeschränkungen vorsieht.6 Unberücksichtigt bleiben hingegen die gesetzliche Rücklage (§ 150 AktG) und die Rücklage für Anteile an einem herrschenden Unternehmen (§ 272 Abs. 4 HGB – § 272 HGB Rz. 229 ff.).7 Der Jahresüberschuss kann einer Ausschüttung schließlich schon der Sache nach nicht entgegenstehen.

IV. Rechtsfolgen der Ausschüttungssperre 1. Bilanzielle Folgen 96

Die Ausschüttungssperre hat zunächst keine unmittelbaren bilanzrechtlichen Folgen, da die Ausschüttungsfähigkeit nicht durch das Bilanz-, sondern durch das Gesellschaftsrecht bestimmt wird (Rz. 99 ff.). Daher muss insbes. bei den nicht in den Anwendungsbereich von Abs. 8 fallenden Gesellschaften (Rz. 84 ff.) keine Transparentmachung der entsprechenden Beträge in der Bilanz erfolgen.8 Der durch Abs. 8 gegen die Ausschüttung gesperrte Betrag ist aber im Anhang anzugeben und dort näher aufzugliedern (§ 285 1 Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216, (1216 f.); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 83. 2 Beschlussempfehlung und Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucks. 16/12407, 87; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 44. 3 Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 69; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 44; Küting/Lorson in HdR, § 268 HGB Rz. 281 (Stand Juni 2017). 4 Zur Funktionsweise Simon, NZG 2009, 1081 (1083 f.). 5 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 64; Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (590 f.); Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 73; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216 (1217); Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 101 f.; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 53; Simon, NZG 2009, 1081 (1084); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 84. 6 Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216 (1217); Simon, NZG 2009, 1081 (1084); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 84. 7 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (588 ff.); Kropff, FS Hüffer, 2010, 539, 544; Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216 (1217); Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 104 ff.; Simon, NZG 2009, 1081 (1084); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 84. 8 So aber von der Laage, WM 2012, 1322 (1324 ff.); Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 52; dies ebenfalls ablehnend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 41; Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (543); Reiner/ Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 54; Simon, NZG 2009, 1081 (1083 f.); Verse, VGR 2009, 2010, 67 (72).

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I. Ausschüttungssperre (Abs. 8)

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Rz. 101 § 268

Nr. 28 HGB – § 285 HGB Rz. 259 ff.). Die Deckung frei verfügbarer Eigenkapitalanteile muss hingegen nicht erläutert werden. Allerdings empfiehlt sich eine dahingehende Erläuterung.1 Die Ausschüttungssperre des Abs. 8 hat keinen Einfluss auf die Bildung von Rücklagen, da sich daraus 97 keine unmittelbaren Ausschüttungsmöglichkeiten ergeben. Daher muss (§ 58 Abs. 1 und 2 AktG) die Berechnung grundsätzlich auf Basis der in der Bilanz ermittelten Werte (ohne den ausschüttungsgesperrten Betrag) erfolgen2 (zu den sich dabei stellenden Kompetenzfragen Rz. 100). Ebenso sind gesetzliche Rücklage (§ 150 AktG, § 5a Abs. 3 GmbHG, § 272 Abs. 4 HGB – § 272 HGB Rz. 229 ff.) und satzungsmäßige Rücklagen ohne Rücksicht auf die Ausschüttungssperre zu dotieren.3 Allerdings kann die Verwendung der gebildeten Rücklagen eingeschränkt sein (Rz. 94 f.). 2. Vertragsrechtliche Folgen Soweit vertraglich vorgesehene Rechte an einen bilanziellen Gewinn (des Bilanzierenden) anknüpfen, wie 98 dies etwa beim partiarischen Darlehen4 oder verpfändeten Gewinnansprüchen der Fall ist, muss im Wege der Vertragsauslegung ermittelt werden, ob die Ausschüttungssperre des Abs. 8 in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist.5 Dabei muss im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass die Ausschüttungssperre des Abs. 8 keine Anwendung findet, da dieser an das Problem der Haftungsbeschränkung bei Kapitalgesellschaften anknüpft (Rz. 84 ff.) und Vermögensabflüsse an Dritte nicht berührt. Ist der Dritte zugleich Gesellschafter, greifen idR die Kapitalschutzvorschriften (Rz. 99 ff.) ein, so dass es meist schon keiner Auslegung des Vertrags bedarf. Zu den Auswirkungen auf einen Unternehmensvertrag s. Rz. 105 f. 3. Gesellschaftsrechtliche Folgen Die Regelung des Abs. 8 ist als eine Spezialregelung zu den übrigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften 99 zur Bemessung des ausschüttbaren Gewinns zu betrachten und geht diesen in der Anwendung vor.6 Daher kann ein ausschüttungsfähiger Gewinn nur dann vorliegen, wenn zunächst Abs. 8 und anschließend die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Regelungen (§ 29 GmbHG, § 58 AktG) angewendet werden. Daher muss der Gewinnverwendungsvorschlag (§ 170 Abs. 2 AktG – § 170 AktG Rz. 22 ff.) die Ausschüttungssperre bereits berücksichtigen.7 Unklar ist allerdings, inwieweit die Ausschüttungssperre im Rahmen der organisationsrechtlichen Kom- 100 petenzregelungen für die Ergebnisverwendung berücksichtigt werden muss. Dies gilt vor allem für die Frage der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung durch die Hauptversammlung im Verhältnis zur Kompetenz der Verwaltung zur Rücklagenbildung nach § 58 Abs. 2 AktG. Da die Ausschüttungssperre dem Gläubigerschutz dient (Rz. 8) und daher nicht in gesellschaftsinterne Kompetenzfragen eingreifen soll, muss die Ausschüttungssperre im Rahmen von § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG hälftig berücksichtigt werden, so dass im Ergebnis sowohl die Verwaltung als auch die Hauptversammlung in ihrer Ergebnisverwendungskompetenz zu gleichen Teilen eingeschränkt werden.8 Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Erwerbs eigener Anteile (§ 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2 101 Satz 1 GmbHG) muss die Ausschüttungssperre allerdings berücksichtigt werden, so dass der ausschüttungsgesperrte Betrag nicht für den Erwerb herangezogen werden kann.9 Zwar könnte die Gesellschaft bei Vorliegen einer Ausschüttungssperre eine entsprechende Rücklage iSv. § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 1 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (591); Küting/Lorson in HdR, § 268 HGB Rz. 289 (Stand Juni 2017); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 80. 2 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (590 f.); Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 73; Hüttemann/ Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Kühnberger, BB 2011, 1387 (1390); Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 180 ff.; Simon, NZG 2009, 1081 (1084 f.); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 79; aA Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (543). 3 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (588 ff.); Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 73; Hüttemann/ Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (541); Kühnberger, BB 2011, 1387 (1390); Simon, NZG 2009, 1081 (1083). 4 Dazu nur Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB4, § 230 Rz. 54 ff. 5 Simon, NZG 2009, 1081 (1085). 6 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (590); Küting/Lorson in HdR, § 268 HGB Rz. 301 (Stand Juni 2017); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 79. 7 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (590); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 79 (Fn. 280). 8 AA Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (590 f.); Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (541 f.); Verse, VGR 2009, 2010, 67 (76). 9 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (545 ff.); Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 187 ff.

Mock

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§ 268 Rz. 102 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke Abs. 2 Satz 1 GmbHG bilden. Allerdings würde es bei einer fehlenden Berücksichtigung der Ausschüttungssperre zu einer Ausschüttung durch den Rückerwerb der Anteile kommen, was durch Abs. 8 gerade verhindert werden soll. Auch eine Verrechnung mit einem Aufgeld beim Erwerb eigener Anteile (§ 272 Abs. 1a Satz 2, Abs. 1b Satz 2 HGB – § 272 HGB Rz. 95 ff. und Rz. 111 ff.) kommt nicht in Betracht.1 Das Gleiche gilt bei Einziehung von Aktien (§ 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG).2 Zudem kann der von der Ausschüttungssperre gesperrte Betrag und in die Kapital- und Gewinnrücklagen eingestellte Betrag nicht im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln genutzt werden, da es dann an einer effektiven Kapitalaufbringung fehlen würde.3 102

Während sich die Ausschüttungssperre des Abs. 8 im aktienrechtlichen Kapitalschutz aufgrund der Anknüpfung an den Bilanzgewinn (§§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 4 AktG) ohne Weiteres integrieren lässt, bestehen im GmbH-Recht Schwierigkeiten, da dieses im Rahmen von § 30 GmbHG an das zur Erhaltung des Stammkapitals notwendige Vermögen anknüpft. Diese fehlende Abstimmung muss dadurch aufgelöst werde, dass jede Ausschüttung gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstößt, die die Stammkapitalziffer und die den nach Abs. 8 gesperrten Betrag angreift.4 Keine Bedeutung hat die Ausschüttungssperre allerdings für die Anzeigepflicht bei Verlust des halben Stamm- bzw. Grundkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG, § 92 Abs. 1 AktG).5

103

Die Ausschüttungssperre des Abs. 8 wirkt sich zudem auch auf einen Gewinnanspruch im Rahmen einer stillen Gesellschaft (mit dem Bilanzierenden als Inhaber des Handelsgewerbes) aus, so dass bei der Berechnung des Gewinnanspruchs des stillen Gesellschafters (§ 231 HGB) der um den ausschüttungsgesperrten Betrag verminderte Gewinn zugrunde zu legen ist. Dies gilt unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der stillen Gesellschaft. Zu den konzernrechtlichen Folgen s. Rz. 105 ff.

104

Fehlt es an der Zulässigkeit einer Ausschüttung aufgrund von Abs. 8, müssen die für die Ergebnisverwendung zuständige Organe darüber entscheiden, ob der entsprechende Betrag in eine Rücklage einzustellen oder als Gewinnvortrag auszuweisen ist.6 4. Konzernrechtliche Folgen

105

Soweit ein Gewinnabführungsvertrag besteht, mindert der ausschüttungsgesperrte Betrag den Höchstbetrag der zulässigen Ausschüttung (§ 301 Satz 1 AktG), so dass auch in diesem Fall dem Gläubigerschutz Rechnung getragen wird.7 Dies gilt auch für die GmbH.8 Bei der Berechnung der Ausschüttungssperre können – entgegen § 301 Satz 2 AktG – auch Positionen aus der Zeit vor Abschluss des Gewinnabführungsvertrags berücksichtigt werden, da der Gläubigerschutzgedanke von Abs. 8 dadurch nicht beeinträchtigt wird.9 Die passiven latenten Steuern (Rz. 91) sind bei der Berechnung der Ausschüttungssperre bei der Organgesellschaft zu berücksichtigen (sog. Netto-Betrachtung).10 Für Gewinnabführungsverträge, die vor dem Inkrafttreten des BilMoG (Rz. 10) geschlossen wurden, findet die Ausschüttungssperre keine Anwendung.11 Zur stillen Gesellschaft s. Rz. 103.

106

Keine ausdrückliche Regelung sieht das Aktienkonzernrecht für den Fall der Verlustübernahme nach § 302 AktG vor. Dabei stellt sich die Frage, ob die Ausschüttungssperre nach Abs. 8 beim Jahresfehlbetrag hinzuzurechnen ist, so dass sich dieser um den von der Ausschüttungssperre erfassten Betrag erhöhen würde. Dies ist aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht geboten, da es dadurch nicht zu einem tatsächlichen Abfluss der gesperrten Beträge kommt und der andere Vertragsteil ansonsten zur Leistung des gesperrten Betrags verpflichtet wäre, womit bei der abhängigen Gesellschaft dieser Betrag doppelt vorhanden 1 AA Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (544). 2 AA Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (544). 3 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 183 ff.; aA Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (544); Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 54. 4 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 40; von der Laage, WM 2012, 1322 (1327); Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 172 ff.; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 55; Verse, VGR 2009, 2010, 67 (73). 5 Verse, VGR 2009, 2010, 67 (77). 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 42; Kühnberger, BB 2011, 1387 (1390); von der Laage, WM 2012, 1322 (1323). 7 Ausführlich Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 198 ff. 8 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 45 ; Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 46. 9 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 629 (630 f.); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 45; Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (550 f.); Küting/Lorson in HdR, § 268 HGB Rz. 307 (Stand Juni 2017); aA Simon, NZG 2009, 1081 (1083). 10 Offen lassend Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 75. 11 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 46; aA Verse, VGR 2009, 2010, 67 (74).

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| Mock

Bildung bestimmter Posten

| § 270

wäre.1 Ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt sind die eingegliederten Gesellschaften (§§ 319 ff. AktG), bei denen aber ebenfalls eine Anwendung von Abs. 8 – in analoger Anwendung von § 301 Satz 1 AktG – angenommen werden muss.2

V. Verstoß gegen Abs. 8 Ein Verstoß gegen die Ausschüttungssperre des Abs. 8 stellt weder eine Ordnungswidrigkeit dar noch wird dadurch ein Straftatbestand verwirklicht.

107

Ein Verstoß gegen die Ausschüttungssperre des Abs. 8 führt zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 4 HGB – § 322 HGB Rz. 46 ff.). Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann durch einen Verstoß gegen die Ausschüttungssperre des Abs. 8 nicht eintreten.

108

Wird die Ausschüttungssperre nicht beachtet und der gesperrte Betrag im Rahmen der Gewinnverwen- 109 dung an die Gesellschafter ausgeschüttet, ist der entsprechende Gewinnverwendungsbeschluss aufgrund des Verstoßes gegen gläubigerschützende Vorschriften nach § 241 Nr. 3 AktG insgesamt und nicht nur hinsichtlich des nicht ausschüttungsfähigen Betrages nichtig.3 Die Gesellschafter müssen die empfangenen Leistungen wieder an die Gesellschaft zurückgewähren (§ 62 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 31 Abs. 1 GmbHG, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB), soweit kein Ausschluss- oder einschränkender Tatbestand (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 31 Abs. 2 GmbHG, § 172 Abs. 6 HGB) eingreift. Darüber hinaus besteht eine Haftung der Geschäftsleiter und ggf. der Aufsichtsratsmitglieder auf Ersatz des durch die verbotene Ausschüttung entstehenden Schadens (§ 93 Abs. 2, 116 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG). Schließlich bildet Abs. 8 kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.4

J. Verstoß gegen § 268 HGB Da § 268 HGB eine Reihe verschiedener Regelungsbereiche adressiert, können die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die einzelnen Regelungen nicht abstrakt bestimmt werden, sondern müssen für die einzelnen Regelungen einzeln ermittelt werden. Für Abs. 1 s. Rz. 29 f., für Abs. 3 s. Rz. 40 f., für Abs. 4 s. Rz. 55 f., für Abs. 5 s. Rz. 65 f., für Abs. 6 s. Rz. 69, für Abs. 7 s. Rz. 82 f. und für Abs. 8 s. Rz. 107 ff.

§ 269 (weggefallen)

§ 270 Bildung bestimmter Posten (1) Einstellungen in die Kapitalrücklage und deren Auflösung sind bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen. (2) Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, so sind Entnahmen aus Gewinnrücklagen sowie Einstellungen in Gewinnrücklagen, die nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorzunehmen sind oder auf Grund solcher Vorschriften beschlossen worden sind, bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen.

1 Ebenso Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 629 (632); Küting/Lorsen/Eichenlaub/Toebe, GmbHR 2011, 1 (9); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 268 Rz. 9; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 87; offen lassend Simon, NZG 2009, 1081 (1086 f.). 2 Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (552). 3 Grottel/Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 81; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 46; Kropff, FS Hüffer, 2010, 539 (541); wohl auch Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 89; aA und eine Teilnichtigkeit annehmend Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (590); Küting/Lorsen/Eichenlaub/Toebe, GmbHR 2011, 1 (7); von der Laage, WM 2012, 1322 (1326 f.); Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 60; Simon, NZG 2009, 1081 (1085); Verse, VGR 2009, 2010, 67 (73). 4 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 268 HGB Rz. 46; Küting/Lorsen/Eichenlaub/Toebe, GmbHR 2011, 1 (7); von der Laage, WM 2012, 1322 (1328); Link, Die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB, 2014, 177 ff.; aA Grottel/ Huber in BeckBilKomm.10, § 268 HGB Rz. 81.

Mock/Berndt

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110

§ 270 Rz. 1 | Bildung bestimmter Posten A. I. II. III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . .

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__ __ 1 2 6 8

B. Einstellung und Auflösung der Kapitalrücklagen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einstellung und Auflösung der Gewinnrücklagen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ 11 16 20

Literatur: Bieg/Kuβmaul/Petersen/Waschbusch/Zwirner, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009; Ebeling, Die Verwendung der Kapitalrücklage der AG gemäß § 150 Abs. 3 und 4 AktG, WPg. 1988, 502 Moxter, Bilanzlehre, Bd. 2, 3. Aufl. 1986; Scheffler, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und steuerliche Gewinnermittlung, StuB 2009, 45.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 270 HGB ist vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen der Regelung der Gewinnermittlung und der Regelung der Gewinnverwendung zu verstehen. Die Vorschrift erfüllt insofern zwei Normzwecke: Sie bestimmt zum einen den zulässigen Zeitpunkt der Einstellung bzw. Auflösung der Kapitalrücklage (Abs. 1) und der Gewinnrücklage (Abs. 2): Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Aufstellung, nicht der Feststellung. Da Gewinnermittlung und Gewinnverwendung in unterschiedliche Kompetenzbereiche der Gesellschaftsorgane fallen, regelt die Norm zum anderen folglich für einen eng definierten Sachverhalt auch die entsprechende Verantwortlichkeit.1

II. Bedeutung und Zweck 2

Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen werden „gebildet“ bzw. „aufgelöst“, indem die entsprechenden Beträge in die jeweilige Eigenkapitalposition eingestellt oder aus dieser entnommen werden. Eine eigentliche bilanzielle „Bewertung“ dieser Passivposten findet insofern nicht statt. § 270 HGB klärt im Wesentlichen eine rein technische Fragestellung des ordnungsgemäßen Bilanzausweises. Die vorgelagerten materiellen Fragestellungen, welche Sachverhalte überhaupt in der Kapitalrücklage und den Gewinnrücklagen auszuweisen sind, klären vor allem § 272 Abs. 2 und Abs. 3 HGB sowie ggf. spezialgesetzliche Regelungen, etwa §§ 58, 150 AktG.

3

Auflösungen der Rücklagen können erfolgswirksam oder erfolgsneutral erfolgen: Der Regelfall einer erfolgswirksamen Auflösung liegt etwa vor, wenn ein Teil der Rücklagen zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags verwendet wird. In diesem Fall findet die Gegenbuchung in der Gewinn- und Verlustrechnung statt. Erfolgsneutrale Auflösungen ergeben sich durch Umbuchungen zwischen einzelnen Rücklagebestandteilen. Ein solcher Sonderfall einer erfolgsneutralen Auflösung ergibt sich etwa aus der in §§ 207 ff. AktG, §§ 57c ff. GmbHG geregelten Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. In diesem Fall findet buchungstechnisch lediglich eine Umbuchung – ein Passivtausch – aus der Kapitalrücklage in das gezeichnete Kapital (Grund- oder Stammkapital) statt.

4

Die Unterscheidung zwischen erfolgswirksamer und erfolgsneutraler Auflösung ist unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzabgrenzung der Gesellschaftsorgane bedeutend. Eine erfolgsneutrale Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bedarf zunächst der Zustimmung der Haupt- oder Gesellschafterversammlung. Die Entscheidung über eine Kapitalerhöhung liegt damit nicht im Ermessen des zur Bilanzaufstellung verpflichteten Gesellschaftsorgans; § 270 Abs. 1 HGB greift für diese Form der Auflösung der Kapitalrücklage nicht.2 Die hM spricht insofern bei den erfolgsneutralen Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln auch klarstellend von Umbuchungen statt von Auflösung.3

5

§ 270 HGB ist auch in Zusammenhang mit § 268 Abs. 1 HGB zu sehen: Danach besteht insofern ein Wahlrecht, als die Bilanz „unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt werden“ kann. Die Regelung zur Behandlung der Gewinnrücklagen in § 270 Abs. 2 HGB ist aus buchungstechnischer Sicht demnach vor allem klarstellend. 1 Thiele in BKT, Bilanzrecht, § 270 HGB Rz. 2 (Stand: Januar 2017) spricht davon, dass § 270 hinsichtlich der Kompetenzordnung „lediglich eine indirekte Bedeutung“ hat. Deutlicher Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 270 HGB Rz. 10, der klarstellt: „§ 270 wirkt deshalb nicht endgültig kompetenzbegründend, sondern nur deklaratorisch.“ Ebenso den Vorrang gesellschaftsrechtlicher Kompetenzen betonend Reiner in MünchKomm. HGB3, § 270 HGB Rz. 1. 2 Ebenso ADS, § 270 HGB Rz. 7; Förschle in Beck BilKomm.10, § 270 HGB Rz. 13. 3 Vgl. auch Heymann in Beck HdR, B 231 Rz. 75; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 270 Rz. 3.

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| Berndt

B. Einstellung und Auflösung der Kapitalrücklagen (Abs. 1)

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Rz. 11 § 270

III. Geltungsbereich Aus der Stellung im Gesetz ergibt sich, dass § 270 HGB auf alle Kapitalgesellschaften und KapCo-Gesellschaften iSv. §264a HGB anzuwenden ist. Aufgrund entsprechender Verweisnormen gilt § 270 HGB auch für Konzernabschlüsse (§ 298 Abs. 1 HGB), für eingetragene Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 HGB), für Kreditinstitute, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden (§ 340a Abs. 1 HGB), sowie Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds (§ 341a Abs. 1 HGB). Darüber hinaus gilt § 270 HGB gem. § 5 Abs. 1 PublG sinngemäss auch für unter den Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes fallende Unternehmen und Konzerne.

6

Mit Verweis auf das BFH-Urteil v. 23.1.2008 – I R 18/07 hält das FG Düsseldorf in seinem Urteil v. 16.11. 7 2010 – 6 K 3643/09 F fest, dass Betriebe gewerblicher Art, die in einen übergeordneten Hoheitsbetrieb eingebettet sind, nicht als Eigenbetrieb, sondern wie ein Regiebetrieb zu qualifizieren sind.1 Daher können für den Regiebetrieb, der über kein eigenes Kapital verfügt, auch keine Gewinn- bzw. Verlustvorträge nach §§268 Abs. 1, 270 Abs. 2 HGB ausgewiesen werden.

IV. Rechtsentwicklung Regelungen zur Einstellung und Auflösung von Rücklagen fanden sich in § 151 Abs. 4 AktG aF. Danach 8 galt: „Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen und Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteil sind bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Gleiches gilt für Entnahmen aus offenen Rücklagen sowie Einstellungen in offene Rücklagen, die nach Gesetz oder Satzung vorzunehmen sind oder die Vorstand und Aufsichtsrat auf Grund des § 58 Abs. 2 vornehmen (…).“ Da es sich bei Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen unbestritten ohnehin um Maßnahmen der Gewinnermittlung handelt, brauchten diese Sachverhalte auch nicht mehr bei der Einführung von § 270 HGB gesondert im Zusammenhang mit den Rücklagen erwähnt zu werden.2 Da die offenen Rücklagen „in dem festgestellten Jahresabschluss um die Entnahmen vermindert (…), die Entnahmen selbst in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert auszuweisen“3 waren, handelte es sich – in der aktuellen Terminologie des Gesetzes – um Maßnahmen der den Jahresabschluss aufstellende Personen bzw. Organe, also wiederum um Gewinnermittlungs-, nicht Gewinnverwendungsfragen. Mit Inkrafttreten des BilMoG v. 25.5.2009 (BGBl. I S. 1102) ist § 270 HGB aus redaktionellen und systema- 9 tischen Gründen verkürzt worden:4 Der im HGB aF vorhandene § 270 Abs. 1 Satz 2 HGB wurde ersatzlos gestrichen, ansonsten sind § 270 Abs. 1 und Abs. 2 im Wortlaut unverändert geblieben. Der aufgehobene § 270 Abs. 1 Satz 2 HGB formulierte: „Satz 1 ist auf Einstellungen in den Sonderposten mit Rücklageanteil und dessen Auflösung anzuwenden.“ Die Sonderposten mit Rücklageanteil waren als steuerfreie Rücklagen Ausfluss der umgekehrten Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz. Der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit ist durch das BilMoG aufgegeben worden. Da entsprechend der zuvor in §§ 247 Abs. 3, 273 HGB aF kodifizierte Passivposten „Sonderposten mit Rücklageanteil“ aufgehoben wurde, musste auch die Verweisnorm in § 270 Abs. 1 Satz 2 HGB aF eliminiert werden. Art. 66 Abs. 5 EGHGB regelt für § 270 Abs. 1 Satz 2 HGB den Übergang vom alten zum neuen Recht. Da- 10 nach war die Vorschrift letztmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse für das vor dem 1.1.2010 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.

B. Einstellung und Auflösung der Kapitalrücklagen (Abs. 1) § 270 Abs. 1 ist als zwingende Norm formuliert: Einstellungen in die und Auflösungen der Kapitalrück- 11 lage müssen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden. § 272 Abs. 1b und Abs. 2 Nr. 1–4 HGB benennen vier Sachverhalte, die im Regelfall zur Bildung einer Kapitalrücklage führen: – Agio bei der Ausgabe von (Bezugs-)Anteilen; – Agio bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte; – Zahlungen der Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs ihrer Anteile; – andere Zahlungen der Gesellschafter in das Eigenkapital. Diese Sachverhalte bereits bei der Aufstellung, nicht erst bei der Feststellung oder Genehmigung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen, ist folgerichtig und untergräbt in keiner Weise die Gewinnverteilungs1 2 3 4

Vgl. BFH v. 23.1.2008 – I R 18/07, BStBl. II 2008, 573; FG Düss. v. 16.11.2010 – 6 K 3643/09 F, juris. Vgl. auch Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 270 HGB Rz. 1. ADS4, § 151 AktG Rz. 263. Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 65.

Berndt

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695

§ 270 Rz. 12 | Bildung bestimmter Posten kompetenz der Haupt- oder Gesellschafterversammlung: Zum einen handelt es sich bei diesen Sachverhalten um erfolgsneutrale Kapitalzuführungen der Gesellschafter, mithin gerade nicht um eine Gewinnverteilungsfrage; die Gegenbuchung für die Erhöhung der Kapitalrücklagen findet auf der Aktivseite der Bilanz, nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung statt.1 Darüber hinaus müssen die entsprechenden Mittel der Gesellschaft bis zum Aufstellungszeitpunkt zugeflossen sein – ein bloßer Beschluss, etwa zur Ausgabe von Anteilen über dem Nennwert, ist ohnehin noch kein buchungspflichtiges Ereignis. Und schliesslich hat die Haupt- oder Gesellschafterversammlung bereits zuvor ihre Kompetenz beim Beschluss etwa zur Ausgabe entsprechender Anteile ausgeübt, sodass § 270 Abs. 1 HGB diesbezüglich eine bloße Ausweisfrage klärt. 12

Die Aufstellung des Jahresabschlusses, sowohl hinsichtlich der hierzu verpflichteten Personen als auch hinsichtlich der zeitlichen Anforderungen, ist in § 264 Abs. 1 HGB geregelt.

13

Für Aktiengesellschaften bestimmt § 150 Abs. 3 AktG, unter welchen gesetzlichen bzw. satzungsmässigen Bestimmungen die Kapitalrücklage aufgelöst werden darf.2 Grundsätzlich ist nur die Verwendung zum Zweck des Ausgleichs eines Jahresfehlbetrags oder eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr zulässig.

14

Einstellungen wie auch Auflösungen von Kapitalrücklagen müssen gem. § 275 Abs. 4 HGB in der Gewinnund Verlustrechnung „erst nach dem Posten Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag ausgewiesen werden“. Damit greifen die Gliederungsvorschriften den Normzweck von § 270 HGB hinsichtlich der Unterscheidung zwischen der Regelung der Gewinnermittlung und der Regelung der Gewinnverwendung konsequent auf.3

15

Inwiefern Sanierungszuschüsse der Gesellschafter zu einer Erhöhung der Kapitalrücklagen führen, ist umstritten. Zutreffend weisen Taetzner/Winkeljohann darauf hin, dass es auf die „Zweckbestimmung“ des Zuschusses ankomme.4 Entsprechend ist in jedem Einzelfall danach zu unterscheiden, ob der Zuschuss zur Stärkung des Eigenkapitals dient – mit der erfolgsneutralen Gegenbuchung im Eigenkapital – oder einer (sofortigen) Verlustbegrenzung – mit der erfolgswirksamen Gegenbuchung als Ertrag in der Gewinnund Verlustrechnung. Im letzten Fall bleibt die Kapitalrücklage unverändert; solche Sanierungszuschüsse fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 270 Abs. 1 HGB.

C. Einstellung und Auflösung der Gewinnrücklagen (Abs. 2) 16

Ebenso wie § 270 Abs. 1 HGB ist auch Abs. 2 als zwingende Vorschrift formuliert („sind … zu berücksichtigen“). Anders als Kapitalrücklagen entstehen Gewinnrücklagen nicht durch Mittelzuführung von außen, sondern durch im Unternehmen selbst erwirtschaftete Mittel. Die Höhe der Zuführung erwirtschafteter Mittel zu den Gewinnrücklagen berührt damit unmittelbar die Gewinnverteilungskompetenz der Gesellschafter. Abs. 2 kennt zwei notwendige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Einstellungen und Auflösungen der Gewinnrücklagen bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden müssen: Zum einen muss das bilanzierende Unternehmen das Wahlrecht gem. § 268 Abs. 1 HGB anwenden, die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufzustellen. Zum anderen sind nur solche Veränderungen der Gewinnrücklagen bei der Aufstellung zu erfassen, die sich aus zwingenden Vorschriften (Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung oder darauf beruhenden – zwingenden – Beschlüssen) ergeben. Dies ergibt sich unmittelbar im Zusammenhang mit § 272 Abs. 3 HGB, wonach gilt: „Als Gewinnrücklagen dürfen nur Beträge ausgewiesen werden, die im Geschäftsjahr oder in einem früheren Geschäftsjahr aus dem Ergebnis gebildet worden sind. Dazu gehören aus dem Ergebnis zu bildende gesetzliche oder auf Gesellschaftsvertrag oder Satzung beruhende Rücklagen und andere Gewinnrücklagen.“ Zwingende Einstellungen in die Gewinnrücklagen (etwa aufgrund §§ 150 Abs. 2 und 300 AktG) sind also auch zwingend bereits bei der Bilanzaufstellung zu erfassen.

17

Die Voraussetzungen in Abs. 2 sind abschließend; für faktische Wahlrechte oder Ermessensspielräume besteht kein Raum. Damit ist etwa ausgeschlossen, dass lediglich ein Teil der zwingenden Einstellung oder Auflösung der Gewinnrücklagen bei der Bilanzaufstellung, ein anderer Teil hingegen erst im Zuge der Genehmigung des Jahresabschlusses berücksichtigt wird.5 Zutreffend hat Claussen festgestellt, „dass für eine extensive Interpretation von Abs. 2 bei der AG kein Raum“ sei; denn der Gewinnverwendungsbeschluss gilt als „Grundrecht der Aktionäre“6. Vor dem Hintergrund der Kompetenzordnung der AG ist Abs. 2 daher nur als eine Ausnahmeregelung zu verstehen. 1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

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Thiele, in BKT, Bilanzrecht, § 270 HGB Rz. 21 (Stand Jan. 2017). dazu Ebeling, WPg. 1988, 502. Moxter, Bilanzlehre, Bd. 2, 96. Taetzner/Winkeljohann in Beck BilKomm.10, § 270 HGB Rz. 8. Thiele in BKT, Bilanzrecht § 270 HGB Rz. 32 (Stand Jan. 2017). beide Zitate Claussen in Kölner Komm. AktG2, § 270 HGB Rz. 7.

| Berndt

Beteiligungen. Verbundene Unternehmen

| § 271

Sofern Taetzner/Winkeljohann unter Bezug auf § 58 Abs. 2 und 2a AktG davon sprechen, § 270 Abs. 2 18 HGB erfasse auch die freiwilligen Einstellungen in oder Auflösung von Gewinnrücklagen, gilt dies einschränkend nur für solche Gewinnrücklagen, für die zuvor von den Feststellungsorganen ein das die Bilanz aufstellende Organ bindender Beschluss auf Basis des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung gefasst wurde.1 Bei der Bilanzaufstellung verbleibt daher auch in diesem Fall kein Ermessensspielraum mehr. Eine zwingende Dotierung der Gewinnrücklagen aus dem Gesetz ergibt sich vor allem aus § 150 Abs. 2 19 AktG sowie aus § 272 Abs. 4 HGB, der sich auf die Rücklagendotierung für eigene Anteile bezieht. Da sich der Wert der eigenen Anteile zum jeweiligen Abschlussstichtag ändern kann, sind in gleicher Höhe auch zwingend entsprechende Änderungen in der Dotierung der Gewinnrücklage vorzunehmen. Satzungsmäßige oder gesellschaftsvertragliche Verpflichtungen zur Einstellung von Gewinnrücklagen können sich zum Beispiel ergeben, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellt (§ 58 Abs. 1 AktG).

D. Sanktionierung Verstöße gegen § 270 HGB sind in den einschlägigen Straf- und Bussgeldvorschriften (§§ 331–334 HGB, 20 §§ 17–21 PublG) nicht sanktioniert. Allerdings kann der Verstoß gegen die pflichtgemäße Bildung von Rücklagen zur Nichtigkeit des gesamten Jahresabschlusses führen (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG).2

§ 271 Beteiligungen. Verbundene Unternehmen (1) 1Beteiligungen sind Anteile an anderen Unternehmen, die bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen. 2Dabei ist es unerheblich, ob die Anteile in Wertpapieren verbrieft sind oder nicht. 3Eine Beteiligung wird vermutet, wenn die Anteile an einem Unternehmen insgesamt den fünften Teil des Nennkapitals dieses Unternehmens oder, falls ein Nennkapital nicht vorhanden ist, den fünften Teil der Summe aller Kapitalanteile an diesem Unternehmen überschreiten. 4Auf die Berechnung ist § 16 Abs. 2 und 4 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden. 5Die Mitgliedschaft in einer eingetragenen Genossenschaft gilt nicht als Beteiligung im Sinne dieses Buches. (2) Verbundene Unternehmen im Sinne dieses Buches sind solche Unternehmen, die als Mutteroder Tochterunternehmen (§ 290) in den Konzernabschluß eines Mutterunternehmens nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einzubeziehen sind, das als oberstes Mutterunternehmen den am weitestgehenden Konzernabschluß nach dem Zweiten Unterabschnitt aufzustellen hat, auch wenn die Aufstellung unterbleibt, oder das einen befreienden Konzernabschluß nach den §§ 291 oder 292 aufstellt oder aufstellen könnte; Tochterunternehmen, die nach § 296 nicht einbezogen werden, sind ebenfalls verbundene Unternehmen. A. I. II. 1. 2. III. IV. V. B. I. 1. 2.

3.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck Begriff der Beteiligung (Abs. 1) . . . . . . . . . . Begriff der verbundenen Unternehmen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligungen (Abs. 1) Allgemeine Definition (Abs. 1 Satz 1) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . Anteile an einem anderen Unternehmen a) Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dem eigenen Geschäftsbetrieb dienen . . . . .

_ _ __ __ _ _ __ 1 2 4 6 8 9

10 11 12 16

4. Herstellung einer dauernden Verbindung . . II. Fehlende Relevanz der Verbriefung (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vermutung des Vorliegens einer Beteiligung (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 2 und 4 AktG (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . V. Keine Anwendung auf Mitgliedschaften in Genossenschaften (Abs. 1 Satz 5) . . . . . . . . . . . C. Verbundene Unternehmen (Abs. 2) I. Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelne Fallgruppen verbundener Unternehmen 1. Einbeziehung im Rahmen der Vollkonsolidierung nach § 290 HGB (Abs. 2 Alt. 1) a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ 19 22 23 26 27 28

_ 32

1 Vgl. Taetzner/Winkeljohann in Beck BilKomm.10, § 270 HGB, Rz. 15. 2 Vgl. Jung in Heymann/Emmerich, HGB, § 270 Rz. 29 ff.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 270 Rz. 3.

Berndt/Mock

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§ 271 Rz. 1 | Beteiligungen. Verbundene Unternehmen b) Tatbestandliche Reichweite der Verweisung auf § 290 HGB . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der Erfassung durch Abs. 2 Alt. 1 . 2. Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses (Abs. 2 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . .

__ _ 33 38

3. Fehlende Erfassung des Gleichordnungskonzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verstoß gegen § 271 HGB . . . . . . . . . . . . .

__ 43 44

40

Literatur: Schulze-Osterloh, Der Ausweis von Beteiligungen an Industrieunternehmen im Jahresabschluss der Kreditinstitute, ZHR 143 (1979), 227; Weber, Grundsätze ordnungsmäßiger Beteiligungen, 1980; Kropff, „Verbundene Unternehmen“ im Aktiengesetz und im Bilanzrichtlinien-Gesetz, DB 1986, 364; Zilias, Zum Unternehmensbegriff im neuen Bilanzrecht (Drittes Buch des HGB), DB 1986, 1110; Hoffmann, Wann liegen „Verbundene Unternehmen“ im Einzelabschluss von ausländisch beherrschten Konzernen vor?, BB 1987, 2192; Küting, Verbundene Unternehmen nach HGB und AktG, DStR 1987, 347; Ulmer, Begriffsvielfalt im Recht der verbundenen Unternehmen als Folge des Bilanzrichtlinien-Gesetzes, FS Goerdeler, 1987, 623; Nieskens, Die Bilanzierung und Bewertung von Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften im handelsrechtlichen Jahresabschluss, WPg. 1988, 493; Schulze-Osterloh, Die verbundenen Unternehmen nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, FS Fleck, 1988, 313; Lüders/Meyer-Kessel, Der Begriff der Beteiligung nach § 271 Abs. 1 HGB, DB 1991, 1585; Schorndorfer, Verbundene Unternehmen im Dritten Buch des HGB, 1991; Wohlgemuth, Überblick über das System der verbundenen Unternehmen nach dem AktG und nach dem HGB, DStR 1991, 1529 (Teil 2); Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992; Früh/Klar, Joint Ventures – Bilanzielle Behandlung und Berichterstattung, WPg. 1993, 493; Kropff, Wie lange noch: Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, FS Ulmer, 2003, 847; Oser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht: ein interdisziplinärer Ansatz, 1993; Ramming, Wechselseitige Beteiligungen außerhalb des Aktienrechts, 2005; Küting/Seel, Neukonzeption des Mutter-Tochter-Verhältnisses nach HGB – Auswirkungen des BilMoG auf die handelsrechtliche Bilanzierung, BB 2010, 1459.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 271 HGB werden die Begriffe der Beteiligung und der verbundenen Unternehmen definiert, ohne dass § 271 HGB selbst eine Rechtsfolge bei Vorliegen dieser Voraussetzungen an die beiden Begriffe anordnet.

II. Bedeutung und Zweck 1. Begriff der Beteiligung (Abs. 1) 2

Der in Abs. 1 definierte Begriff der Beteiligung (Rz. 10 ff.) wird in den Vorschriften zur Gliederung des Jahresabschlusses (§§ 266 Abs. 2 A III Nr. 3, 4, B II Nr. 3, Abs. 3 C Nr. 7 HGB), den Vorschriften zur Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Nr. 8 HGB), den Vorschriften zu den assoziierten Unternehmen (§§ 311, 312 HGB) und den Offenlegungsvorschriften (§§ 327 Nr. 1 A III 3, 4 B II 3, C 7 HGB) verwendet. Darüber hinaus hat vor allem die Vermutungsregelung des Abs. 1 Satz 3 (Rz. 23 ff.) im Rahmen der Bestimmung des Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters nach § 166 InsO bei globalverbrieften Inhaberaktien Bedeutung, da bei Vorliegen der Voraussetzungen von Abs. 1 Satz 3 grundsätzlich von einem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters trotz fehlenden unmittelbaren Besitzes ausgegangen wird.1 Für das Steuerbilanzrecht spielt der Begriff der Beteiligung iSv. Abs. 1 keine eigenständige Rolle.

3

Zentrales Anliegen der auf dem Begriff der Beteiligung aufbauenden bilanzrechtlichen Vorschriften ist der Ausweis besonderer Beteiligungen als Anlagevermögen, um den Adressaten des Jahresabschlusses hinreichend über diese besondere Verbindung zwischen dem Bilanzierenden und dem Unternehmen zu unterrichten, an dem dieser beteiligt ist. Denn aufgrund der besonderen Voraussetzungen des Beteiligungsbegriffs in Abs. 1 besteht für die Adressaten ein besonderes Informationsinteresse, da das bilanzierende Unternehmen mit diesen Unternehmen typischerweise nicht in einer einem Drittvergleich ohne Weiteres standhaltenden Weise interagiert.2 Dies ist aber nur bei Beteiligungsformen gegeben, bei denen der Bilanzierende auch Einflussnahmemöglichkeiten auf das Unternehmen hat, an dem er beteiligt ist.

1 BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23 = NZG 2016, 187 – Tz. 33; dazu ausführlich Häcker, Abgesonderte Befriedigung aus Rechten, 2001, Rz. 439; Mock, LMK 2016, 377720. 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum BiRiLiG, BT-Drucks. 10/4268, 106; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 1; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 3.

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| Mock

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 7 § 271

2. Begriff der verbundenen Unternehmen (Abs. 2) Der Begriff der verbundenen Unternehmen (Rz. 28 ff.) wird in den Vorschriften zur Gliederung des Jah- 4 resabschlusses (§§ 266 Abs. 2 A III Nr. 1, 2, B II Nr. 2, B III Nr. 1, Abs. 3 C Nr. 6 HGB), den Vorschriften zur Abbildung der Haftungsverhältnisse (§ 268 Abs. 7 HGB), den Vorschriften zur Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§§ 275 Abs. 2 Nr. 9–11, 13, Abs. 3 Nr. 8–10, 12, HGB), den Vorschriften zum Anhang (§ 285 Nr. 3a HGB), den Vorschriften zur Abschlussprüfung (§§ 318 Abs. 4, 323 Abs. 1, 331 Nr. 4 HGB), den Offenlegungsvorschriften (§§ 327 Nr. 1 A III 1, 2, B II 2, B III 1, C 6 HGB), den Sondervorschriften für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 340c Abs. 2, 340e Abs. 1, 341b Abs. 1 und 3 HGB) und den Vorschriften zur Prüfstelle für Rechnungslegung (§ 342c Abs. 1 HGB) verwendet. Somit ist diese Definition trotz ihres konzernrechtlichen Hintergrunds in ihrer Bedeutung auf das Dritte Buch des HGB beschränkt. Daher ist dieser vor allem für das materielle Konzernrecht der §§ 291 ff. AktG irrelevant. Somit kann aus dem Vorliegen eines verbundenen Unternehmens iSv. Abs. 2 vor allem nicht auf das Bestehen einer Abhängigkeit iSv. § 17 AktG geschlossen werden. Im Steuerbilanzrecht gibt es den Begriff der verbundenen Unternehmen iSv. Abs. 2 nicht, wird dort aber durch die Organschaft ersetzt. Regelungshintergrund der auf dem Begriff der verbundenen Unternehmen aufbauenden bilanzrechtlichen 5 Vorschriften ist – ebenso wie beim Begriff der Beteiligung in Abs. 1 (Rz. 10 ff.) – das besondere Informationsinteresse der Jahresabschlussadressaten. Dieses ergibt sich aus dem Umstand, dass das bilanzierende Unternehmen mit verbundenen Unternehmen nicht in einer einem Drittvergleich ohne Weiteres standhaltenden Weise interagiert, sondern typischerweise auf deren Interessen in gewissem Umfang Rücksicht nimmt und Interessenkonflikten ausgesetzt ist.1 Dieser Regelungszweck wird durch die derzeitige Fassung von Abs. 2 aber nur sehr bedingt erreicht, weswegen die Regelung aufgrund ihrer Lücken (Rz. 43) allgemein als unzureichend betrachtet wird.2

III. Rechtsentwicklung Die in Abs. 1 enthaltene Definition der Beteiligung (Rz. 10 ff.) wurde erst durch das Aktiengesetz 19373 in 6 dessen § 131 Abs. 1 A.II.6 neu geschaffen. Später wurde diese Regelung im Rahmen des Aktiengesetzes 19654 in dessen § 152 Abs. 2 übernommen. Die Definition der verbundenen Unternehmen in Abs. 2 (Rz. 28 ff.) wurde erst durch das AktG 1965 geschaffen und für das Handelsbilanzrecht nicht gesondert geregelt, da dieses Teil des Aktienrechts war und damit die in § 15 AktG 1965 geregelte Definition der verbundenen Unternehmen auch für das Handelsbilanzrecht galt. Das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)5 hat den § 271 HGB in seiner heutigen Form neu geschaffen. Im Rahmen des Stückaktiengesetzes (StückAG)6 kam es zu einer Anpassung des Wortlauts in Abs. 1 Satz 3 (Rz. 23) aufgrund der Einführung der Stückaktie. Durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)7 kam es zu einer Modifikation von Abs. 2 (Rz. 28 ff.) aufgrund der Änderungen im Konzernbilanzrecht. Trotz umfangreicher Kritik8 an der Regelung wurde diese im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG)9 nicht geändert. Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)10 hat schließlich zu erneuten Änderungen in Abs. 1 und Abs. 2 geführt, da zum einen der Beteiligungsbegriff in Abs. 1 Satz 3 (Rz. 23) modifiziert wurde und zum anderen der Verweis in das Konzernbilanzrecht in Abs. 2 (Rz. 28 ff.) aufgrund der dort vorgenommenen Änderungen angepasst werden musste. Die Norm ist seitdem unverändert. 1 ADS6, § 271 HGB Rz. 34; Clausen, Verbundene Unternehmen im Bilanz- und Gesellschaftsrecht, 1992, 12; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 15; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 1; Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 51 f.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 18. 2 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (214 f.); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 20 ff.; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 39; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 HGB Rz. 15, 20; Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (324 ff.). 3 Aktiengesetz v. 30.1.1937, RGBl. I 1937, 107. 4 Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGBl. I 1965, 1089. 5 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 6 Stückaktiengesetz (StückAG) v. 25.3.1998, BGBl. I 1998, 590. 7 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 8 So vor allem Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (214 f.); Kropff, FS Ulmer, 2003, 847 ff. 9 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 10 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245.

Mock

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§ 271 Rz. 8 | Beteiligungen. Verbundene Unternehmen

IV. Europarechtlicher Hintergrund 8

Die Definition der Beteiligung in Abs. 1 (Rz. 10 ff.) hat ihren Ursprung in Art. 2 Nr. 2 (Neue) Bilanzrichtlinie1 und entspricht diesem nahezu wörtlich. Der Begriff der verbundenen Unternehmen in Abs. 2 (Rz. 28 ff.) dient der Umsetzung von Art. 2 Nr. 12 (Neue) Bilanzrichtlinie, wonach verbundene Unternehmen als zwei oder mehrere Unternehmen innerhalb einer Gruppe bezeichnet werden. Zu einer Gruppe gehören nach Art. 2 Nr. 11 (Neue) Bilanzrichtlinie ein Mutterunternehmen und alle Tochterunternehmen, die wiederum als von einem Mutterunternehmen kontrollierte Unternehmen verstanden werden (Art. 2 Nr. 10 [Neue] Bilanzrichtlinie).

V. Anwendungsbereich 9

Einen eigenständigen Anwendungsbereich hat § 271 HGB nicht. Dieser richtet sich vielmehr nach dem Anwendungsbereich der handelsbilanzrechtlichen Normen, bei denen die Begriffe der Beteiligung und der verbundenen Unternehmen verwendet werden (Rz. 2 ff.). Da sich § 271 HGB nur im Zweiten Abschnitt des Dritten Buchs des HGB befindet, beschränkt sich der Anwendungsbereich auf bilanzierende Kapitalgesellschaften. Aufgrund ausdrücklicher Verweise gilt § 271 HGB aber auch für die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB), die Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 1 HGB), Kreditinstitute (§ 340a Abs. 1 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB). Aufgrund der Nennung in § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG gilt § 271 HGB aber auch für die bilanzierenden Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes. Soweit Einzelkaufleute freiwillig entsprechende Posten im Jahresabschluss ausweisen, sind diese an die Begrifflichkeiten des § 271 HGB gebunden.2

B. Beteiligungen (Abs. 1) I. Allgemeine Definition (Abs. 1 Satz 1) 1. Tatbestandsmerkmale 10

Die allgemeine Definition in Abs. 1 Satz 1 knüpft an drei Tatbestandsmerkmale an. So muss es sich um einen Anteil an einem anderen Unternehmen (Rz. 11 ff.) handeln, der dazu bestimmt sein muss, dem eigenen Geschäftsbetrieb zu dienen (Rz. 16 ff.) und durch den eine dauerhafte Verbindung (Rz. 19 ff.) hergestellt wird. Keine Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Beteiligungsbegriff nach § 1 Abs. 1 KWG.3 2. Anteile an einem anderen Unternehmen a) Unternehmensbegriff

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Da der Unternehmensbegriff weder in Abs. 1 noch in sonstigen handelsbilanzrechtlichen Zusammenhängen definiert wird, muss der Bedeutungsgehalt im Wege der Auslegung ermittelt werden. Vor dem Hintergrund des Regelungszwecks von Abs. 1 in Form der Erfassung rechtlich getrennter und damit selbständiger Wirtschaftseinheiten (Rz. 2) muss ein weites Verständnis des Unternehmensbegriffs zugrunde gelegt werden.4 Daher erfasst Abs. 1 alle selbständigen Träger unternehmerischer Planungs- und Entscheidungsgewalt, die erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen.5 Daher kommen neben Kapital- und Personengesellschaften auch etwa öffentliche Unternehmen in Betracht. Keine Voraussetzung ist dabei, dass diese Unternehmen selbst buchführungspflichtig sind, da dieser Umstand für die Erfassung der Beteiligung (Rz. 12 ff.) irrelevant ist.6 1 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 253 ff. 2 ADS6, § 271 HGB Rz. 3; Bieg in HdR, § 271 HGB Rz. 2 (Stand Juni 2017); Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10,§ 271 HGB Rz. 4; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 3; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 2; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 2. 3 FG Hamb. v. 14.12.2010 – 3 K 40/10, DStRE 2011, 1257 (1258). 4 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 11; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 4; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 14; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 5. 5 Ebenso ADS6, § 271 HGB Rz. 12; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 4; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 5. 6 ADS6, § 271 HGB Rz. 11; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 2; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 11; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 14; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 5.

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B. Beteiligungen (Abs. 1)

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Rz. 14 § 271

b) Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses Die Beteiligung setzt zudem die Begründung eines Gesellschaftsverhältnisses voraus, ohne dass es dabei 12 auf eine Kapitalbeteiligung ankommt.1 Diese Voraussetzung ergibt sich schon aus dem Umstand, dass nur Anteile an einem Unternehmen von Abs. 1 erfasst sind, die letztlich nur im Rahmen von Gesellschaftsverhältnissen begründet werden können. Allerdings muss das Gesellschaftsverhältnis wirksam begründet worden sein, so dass bei Vorliegen eines Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsgrunds eine Erfassung durch Abs. 1 Satz 1 ausscheidet,2 soweit nicht ggf. die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft eingreifen. Das Bestehen eines Kündigungs- oder Austrittsrechts lässt die Erfassung durch Abs. 1 Satz 1 unberührt. Die Beteiligungshöhe ist für die Erfassung als Beteiligung iSv. Abs. 1 Satz 1 irrelevant,3 so dass vor allem auch geringe Beteiligungen wie etwa bei Publikumsgesellschaften erfasst werden,4 wobei es dann aber meist an einem dauernden Dienen des eigenen Geschäftsbetriebs (Rz. 16 ff.) fehlen wird. Ebenso wenig kommt es bei einem persönlich haftenden Gesellschafter auf eine Kapitalbeteiligung oder eine Einlagepflicht an.5 Auch ausländische Gesellschaftsformen werden von Abs. 1 erfasst.6 Aufgrund ausdrücklicher Nennung in Abs. 1 Satz 5 (Rz. 27) sind Genossenschaften ausgenommen. Auch eine eigene Rechtspersönlichkeit ist für die Erfassung durch Abs. 1 nicht erforderlich. Daher ist auch 13 die stille Gesellschaft – aus Sicht des Bilanzierenden allerdings nur als stiller Gesellschafter – eine Beteiligung iSv. § 271 HGB, und zwar unabhängig davon, wie diese konkret ausgestaltet ist.7 Das ergibt sich schon daraus, dass der typisch stille Gesellschafter im Wesentlichen die gleichen Rechte wie ein Kommanditist hat (§§ 166 ff. HGB einerseits und §§ 231 ff. HGB andererseits) und die Kommanditbeteiligung zweifelsfrei als Beteiligung iSv. Abs. 1 Satz 2 anerkannt wird. Zudem ist auch die atypisch stille Gesellschaft eine Beteiligung iSv. § 271 HGB.8 Beteiligungen an BGB-Gesellschaften sind ebenfalls Beteiligungen iSv. Abs. 1 Satz 1, und zwar unabhängig von deren konkreten Ausgestaltung, da die für Abs. 1 relevante Gefährdungslage (Rz. 2 f.) etwa auch bei reinen Innengesellschaften ohne Gesamthandsvermögen bestehen kann.9 Ebenso werden Joint-Ventures durch Abs. 1 erfasst.10 Aufgrund des nicht bestehenden Gesellschaftsverhältnisses fehlt es bei bloßen Vertragsbeziehungen an einer Beteiligung iSv. Abs. 1 Satz 1, so dass neben dem partiarischen Darlehen11 auch Beteiligungen im sog. Treuhandmodell12 von Abs. 1 Satz 1 nicht erfasst werden. Dies gilt auch für Fremdkapitalinstrumente, und zwar auch dann, wenn das Fremdkapital über eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung13 dem haftenden Eigenkapital gleichgestellt wird. Ebenso scheiden Beteiligungen an Stiftungen, an Einzelkaufleuten oder Anstalten des öffentlichen Rechts aus, da an diese keine Anteile begründet werden können.14 Auch Genussrechte begründen keinen Anteil an einem Unternehmen iSv. Abs. 1, da sie keine mitglied1 ADS6, § 271 HGB Rz. 8; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 9 ff.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 Rz. 6; Kropff in MünchKomm. BilR § 271 HGB Rz. 15; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 2; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 6. 2 BGH v. 31.10.1978 – KZR 5/77, NJW 1980, 183, 184 = DB 1979, 540. 3 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 2; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 7. 4 AA Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 17. 5 ADS6, § 271 HGB Rz. 8; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 14; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 17; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 HGB Rz. 7. 6 ADS6, § 271 HGB Rz. 13; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 5. 7 AA Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 2, der dies bei einer bloßen Verlustbeteiligung nicht annehmen will. Ebenfalls abweichend wohl Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271HGB Rz. 4, die auf ein Auftreten nach außen abstellen, woran es bei der stillen Gesellschaft fehlt. Auch abweichend Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 15; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 18; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 8. 8 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 8; wohl auch Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 15; aA ADS6, § 271 HGB Rz. 7; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 6; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 2. 9 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 4; einschränkend aber Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 12; ähnlich Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 14, 18; ebenso einschränkend Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 7. 10 Früh/Klar, WPg. 1993, 493 (494); Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10 § 271 HGB Rz. 12; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 4; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 5a; grundsätzlich auch Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 19; so auch IDW HFA 1/1993, WPg. 1993, 441 (442). 11 Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 20; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 8. 12 Dazu Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB4, § 161 Rz. 204 ff. 13 Zu den Voraussetzungen eines qualifizierten Rangrücktritts vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Tz. 16 = GmbHR 2015, 472; dazu ausführlich Mock, JZ 2015, 925. 14 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 6; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 6; wohl auch Zilias, DB 1986, 1110 (1112, Privatleute); aA ADS6, § 271 HGB Rz. 13, die jedenfalls Einzelkaufleute erfassen wollen.

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§ 271 Rz. 15 | Beteiligungen. Verbundene Unternehmen schaftlichen Mitwirkungsrechte vermitteln.1 Dies gilt auch für eigenkapitalähnliche Genussrechte, da auch diese keine mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte vermitteln.2 Auch die Bruchteilsgemeinschaft wird nicht erfasst.3 Schließlich sind auch Anteilscheine an Sondervermögen (§ 95 KAGB) keine Beteiligungen iSv. Abs. 1.4 15

Ebenfalls keine Beteiligungen iSv. Abs. 1 Satz 1 sind eigene Anteile, da der Wortlaut von Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich auf Anteile an anderen Unternehmen Bezug nimmt. Schließlich muss es sich um eine unmittelbare Beteiligung an dem Anderen handeln, so dass weder eine Konzernzurechnung noch andere Formen mittelbarer Beteiligung für Abs. 1 Satz 1 ausreichen.5 3. Dem eigenen Geschäftsbetrieb dienen

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Die Beteiligung muss dazu bestimmt sein, dem eigenen Geschäftsbetrieb – durch Herstellung einer dauerhaften Verbindung (Rz. 19 ff.) – zu dienen, was vor allem dann nicht der Fall ist, wenn die Anteile lediglich als Kapitalanlage dienen sollen.6 Dies wird durch eine unternehmerische Entscheidung des Kaufmanns bestimmt.7 Daher bedarf es einer entsprechenden Absicht des Bilanzierenden.8 Da es sich insofern um subjektive Merkmale handelt, muss auf Indizien abgestellt werden.9 Diese können sich aus personellen Verflechtungen, einer Zusammenarbeit bei der Produktion, der Forschung und Entwicklung, dem Personalwesen oder dem Vertrieb ergeben.10 Anhaltspunkte können zudem vertragliche und faktische Mitsprachemöglichkeiten, längerfristige Lieferungs- und Leistungsverträge, eine gegenseitige Auftragsvergabe und eine Koordination im Wettbewerb sein.11 Eine bloße Mitgliedschaft im Aufsichtsrat oder eine mehrjährige Inhaberschaft der Beteiligung reichen idR nicht aus, können aber zusammen mit anderen Merkmalen relevant sein.12

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Ein dem eigenen Geschäftsbetrieb Dienen ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Bilanzierende seine mitgliedschaftsrechtlichen Rechte zugunsten seines Geschäftsbetriebs ausübt. Nicht ausreichend ist allerdings der bloße Wille der Einflussnahme, wenn es aufgrund gesellschaftsrechtlicher Schranken an einer tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeit fehlt.13 Dies ist etwa bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien der Fall.14 Keine Voraussetzung ist im Gegenschluss zu § 311 Abs. 1 Satz 1 HGB (§ 311 HGB Rz. 10 ff.) die Absicht einer (umfassenden) unternehmerischen Einflussnahme.

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Besteht die Beteiligung aus mehreren Teilen, kann von einer Bewertungseinheit nur so lange ausgegangen werden, wie die einzelnen Teile der Beteiligung auch der Herstellung einer dauerhaften Verbindung am Unternehmen dienen. Werden einzelne Teile der Beteiligung umgewidmet, endet die Bewertungseinheit.15 1 ADS6, § 271 HGB Rz. 7; Bieg in HdR, § 271 HGB Rz. 10 (Stand Juni 2017); Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 15; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 6; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 20; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 8; vgl. St/HFA 1/1994, WPg. 1994, 419. 2 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 6; aA Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 20. 3 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 12; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 18; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 5a. 4 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 12. 5 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 19. 6 ADS6, § 271 HGB Rz. 17 f.; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 16; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 8; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 26; Lüders/Meyer-Kessel, DB 1991, 1585 (1586); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 3; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 10; aA Bieg in HdR, § 271 HGB Rz. 14 ff. (Stand Juni 2017). 7 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 4. 8 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 20, 23; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 4; SchulzeOsterloh, ZHR 143 (1979), 227 (234 f.); offen lassend BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1 (13) = NJW 1987, 3186; v. 31.10.1978 – KZR 5/77, NJW 1980, 183 (184) = DB 1979, 540. 9 ADS6, § 271 HGB Rz. 20; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 20; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 4; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 11; offen lassend BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1 (14) = NJW 1987, 3186. 10 ADS6, § 271 HGB Rz. 19; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 17; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 3. 11 ADS6, § 271 HGB Rz. 19; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 17; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 24; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 3. 12 BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1 (13) = NJW 1987, 3186; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 4. 13 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 8. 14 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 25. 15 BFH v. 10.8.2005 – VIII R 26/03, BStBl. II 2006, 22 = NZG 2005, 982; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 4.

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B. Beteiligungen (Abs. 1)

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Rz. 24 § 271

4. Herstellung einer dauernden Verbindung Schließlich muss eine dauernde Verbindung hergestellt werden. Hintergrund dieses Tatbestandsmerkmals 19 ist, dass nur in diesem Fall das besondere Informationsinteresse des Jahresabschlussadressaten besteht (Rz. 3), da kurzfristige Verbindungen gerade nicht die für Abs. 1 typische Gefährdungslage begründen (Rz. 2). Bei der Bestimmung des Begriffs der dauernden Verbindung kann zunächst nicht auf die Merkmale zu- 20 rückgegriffen werden, die für den Ausweis im Anlage- oder im Umlaufvermögen gelten. Zwar setzt § 247 Abs. 2 HGB (§ 247 HGB Rz. 53 ff.) die Dauerhaftigkeit der Anlage voraus, um eine Klassifizierung als Anlage- und nicht als Umlaufvermögen zu begründen. Allerdings kann aus dieser Abgrenzung kein unmittelbarer Ertrag für die Ausfüllung des Begriffs der dauernden Verbindung gewonnen werden.1 Ebenso wenig kann eine dauerhafte Verbindung angenommen werden, wenn die Beteiligungen im sogenannten Handelsbestand (§ 20 WpÜG, § 30 Abs. 1 WpHG) gehalten werden, da damit ein ständiger Bestandswechsel verbunden ist.2 Ein Indiz für die Dauerhaftigkeit der Verbindung kann sich aber etwa aus einer Vinkulierung der Anteile 21 oder anderen Formen von Übertragungs- und Verfügungsbeschränkungen ergeben, da es dann aufgrund des fehlenden Markts für derartige Anteile schon an einer kurzfristigen Veräußerungsmöglichkeit fehlt.3 Daher ist bei Beteiligungen an Personengesellschaften meist eine dauernde Verbindung anzunehmen.4 Bei Aktien börsennotierter Aktiengesellschaften ist hingegen meist von einer fehlenden dauernden Verbindung auszugehen, soweit es sich nicht um ein eine Sperrminorität oder Sonderrechte begründendes Aktienpaket handelt.5 Ebenso führt eine Veräußerungspflicht – etwa aufgrund von kartell- oder aufsichtsrechtlichen Gründen – zu einem Wegfall der Dauerhaftigkeit.6

II. Fehlende Relevanz der Verbriefung (Abs. 1 Satz 2) Durch Abs. 1 Satz 2 wird ausdrücklich angeordnet, dass das Bestehen einer Verbriefung für die Eigenschaft als Beteiligung iSv. Abs. 1 irrelevant ist. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund der fehlenden Möglichkeit der Verbriefung von GmbH-Anteilen und dem bei der Aktiengesellschaft meist erfolgenden Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung (§ 10 Abs. 5 AktG) konsequent.

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III. Vermutung des Vorliegens einer Beteiligung (Abs. 1 Satz 3) Nach Abs. 1 Satz 3 wird das Vorliegen einer Beteiligung iSv. Abs. 1 vermutet, wenn die Anteile an einem 23 Unternehmen insgesamt den fünften Teil des Nennkapitals dieses Unternehmens oder, falls ein Nennkapital nicht vorhanden ist, den fünften Teil der Summe aller Kapitalanteile an diesem Unternehmen überschreiten. Dabei handelt es sich um eine bloße Vermutungsregelung, die widerlegt werden kann.7 Dafür reicht aber nicht eine rein verbale Erklärung. Vielmehr muss die Absicht des Inhabers des Unternehmens anhand objektiver Anhaltspunkte (Rz. 10 ff.) ermittelt werden.8 Für die Widerlegung der Vermutung können alle Tatbestandsmerkmale des Abs. 1 Satz 1 (Rz. 10 ff.) herangezogen werden.9 Die Vermutungsregelung kann etwa widerlegt werden, wenn trotz einer die Beteiligungsvoraussetzungen des Abs. 1 Satz 3 übersteigenden Beteiligungshöhe keine tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten für den Bilanzierenden bestehen, was etwa aufgrund der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises oder gesellschaftsrechtlicher Regelungen der Fall sein kann.10 Dies ist etwa bei stimmrechtlosen Vorzugsaktien

1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 7; aA Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 22; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 9. 2 Ähnlich Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 19 (für Banken). 3 Bieg in HdR, § 271 HGB Rz. 39 (Stand Juni 2017); Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10 § 271 HGB Rz. 21; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 9. 4 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 20. 5 Bieg in HdR, § 271 HGB Rz. 39 (Stand Juni 2017). 6 Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 22; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 9. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 10. 8 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 25; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 10; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 6. 9 Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 25; aA Bieg in HdR, § 271 HGB Rz. 55 (Stand Juni 2017) mit der Forderung einer kurzfristigen realisierbaren Veräußerungsabsicht. 10 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 10; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 13.

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§ 271 Rz. 25 | Beteiligungen. Verbundene Unternehmen der Fall.1 Für die Widerlegung der Vermutung ist es aber nicht schon ausreichend, wenn eine Branchenfremdheit vorliegt.2 25

Keine Anwendung findet Abs. 1 Satz 3 auf Personengesellschaften, da diese nicht über Kapitalanteile verfügen. Allerdings kann daraus nicht gefolgert werden, dass Anteile an Personengesellschaften stets Beteiligungen iSv. Abs. 1 sind.3 Vielmehr müssen bei diesen stets die Voraussetzungen von Abs. 1 Satz 1 (Rz. 10 ff.) geprüft werden. Diesen liegen vor allem bei Publikumspersonengesellschaften nicht vor, da bei diesen meist nur der Anlagecharakter im Vordergrund steht.

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Für die Berechnung der 25%-Schwelle verweist Abs. 1 Satz 4 auf § 16 Abs. 2 und 4 AktG. Daher kommt es in diesem Zusammenhang nicht – wie typischerweise im Kapitalmarktrecht (zB §§ 21 ff. WpHG) – auf die Stimmrechte, sondern auf die Anzahl der Anteile an (§ 16 Abs. 2 AktG). Zudem muss eine Zurechnung für mittelbare Beteiligungen vorgenommen werden (§ 16 Abs. 4 AktG).

IV. Entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 2 und 4 AktG (Abs. 1 Satz 4)

V. Keine Anwendung auf Mitgliedschaften in Genossenschaften (Abs. 1 Satz 5) 27

Schließlich werden Genossenschaftsanteile vom Anwendungsbereich des Abs. 1 durch Abs. 1 Satz 5 ausdrücklich ausgenommen. Hintergrund dieser Bereichsausnahme sind die Kreditinstitute in der Rechtsform der Genossenschaft, da diese ansonsten Kredite als Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen mit einem Beteiligungsverhältnis ausweisen müssten,4 da deren Kunden (= Darlehensnehmer) typischerweise Genossenschaftsanteile halten. Da diese Bereichsausnahme keine Entsprechung in der (Neuen) Bilanzrichtlinie hat, ist Abs. 1 Satz 5 europarechtswidrig und darf daher nicht angewendet werden.5

C. Verbundene Unternehmen (Abs. 2) I. Unternehmensbegriff 28

Der Unternehmensbegriff des Abs. 2 wird im Handelsbilanzrecht nicht definiert und muss daher vor dem Hintergrund des Regelungszwecks der auf dem Begriff der verbundenen Unternehmen aufbauenden Vorschriften (Rz. 4) entwickelt werden. Vor diesem Hintergrund sind als Unternehmen jedenfalls alle rechtsfähigen Wirtschaftseinheiten anzusehen, bei denen der Bilanzierende einem Interessenkonflikt aufgrund seiner Position als Mutter- oder als Tochterunternehmen ausgesetzt sein kann.6 Darüber hinaus muss das andere Unternehmen auch selbst buchführungspflichtig sein, da nur dann eine Einbeziehung des bilanzierenden Unternehmens oder des anderen Unternehmens in einen Konzernabschluss in Betracht kommt.7 Denn anderenfalls würde durch die Einbeziehung eine mittelbare Buchführungspflicht für diese Unternehmen geschaffen werden.

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Daher sind grundsätzlich alle Kapital- und Personenhandelsgesellschaften vom Unternehmensbegriff erfasst, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um in- oder ausländische Gesellschaften handelt. Bei ausländischen Gesellschaftsformen ist allerdings gesondert zu prüfen, ob diese der Buchführungspflicht unterliegen, was regelmäßig der Fall ist.8 Ebenfalls erfasst werden die supranationalen Gesellschaftsformen, da für diese das nationale (harmonisierte) Bilanzrecht gilt (Art. 61 f. SE-VO, Art. 68 ff. SCE-VO).

1 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 13. 2 BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1 (14) = NJW 1987, 3186; ADS6, § 271 HGB Rz. 21; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 6; Schulze-Osterloh, ZHR 143 (1979), 227 (239 ff.); aA Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 10. 3 ADS6, § 271 HGB Rz. 23; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 6. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum BiRiLiG, BT-Drucks. 10/4268, 106. 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 12; Vogel, Die Rechnungslegungsvorschriften des HGB für Kapitalgesellschaften und die 4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie), 1993, 33 f. 6 Ähnlich Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 58; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 20 mit der Erfassung von Nichtkapitalgesellschaften. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 17; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 9; Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 30; Oser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1993, 47 f.; Zilias, DB 1986, 1110 (1112); aA Clausen, Verbundene Unternehmen im Bilanz- und Gesellschaftsrecht, 1992, 58; Kreher, Konzernleitung im qualifiziert faktischen Konzern, 1996, 9 ff. 8 Zilias, DB 1986, 1110 (1112).

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C. Verbundene Unternehmen (Abs. 2)

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Rz. 35 § 271

Ausgenommen sind aber Privatpersonen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts.1 Auch die BGB- 30 Gesellschaft wird mangels handelsbilanzrechtlicher Buchführungspflicht von Abs. 2 nicht erfasst.2 Dies gilt auch für die stille Gesellschaft, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine typisch oder atypisch stille Gesellschaft handelt. Auch die Beteiligung an einer Personengesellschaft in Form des Treuhandmodells (s. Nachweise in Fn. 26) reicht für Abs. 2 nicht aus. Da verbundene Unternehmen auch aneinander beteiligt sein können, besteht eine Überschneidung mit der Definition nach Abs. 1, die zugunsten von Abs. 2 als lex specialis aufzulösen ist.3

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II. Einzelne Fallgruppen verbundener Unternehmen 1. Einbeziehung im Rahmen der Vollkonsolidierung nach § 290 HGB (Abs. 2 Alt. 1) a) Grundsatz Verbundene Unternehmen sind zunächst solche, die als Mutter- oder Tochterunternehmen iSv. § 290 32 HGB in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einzubeziehen sind, das als oberstes Mutterunternehmen den am weitestgehenden Konzernabschluss nach §§ 290 ff. HGB aufzustellen hat. Dies gilt nach dem Wortlaut von Abs. 2 unabhängig davon, ob die Aufstellung tatsächlich vorgenommen wird oder nicht. Maßgebliche Anknüpfung ist daher die Konzernrechnungslegungspflicht nach § 290 HGB, so dass auf andere Kriterien – trotz vermeintlicher Regelungslücken (Rz. 35) – wie etwa auf den Begriff der nahe stehenden Personen (IAS 24)4 nicht zurückgegriffen werden kann. b) Tatbestandliche Reichweite der Verweisung auf § 290 HGB Durch den Verweis von Abs. 2 auf § 290 HGB ergibt sich zunächst, dass nicht nur die Fälle des Bestehens eines beherrschenden Einflusses (§ 290 Abs. 2 HGB – § 290 HGB Rz. 98 ff.) inklusive der Zweckgesellschaften5 (§ 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB – § 290 HGB Rz. 142 ff.) erfasst werden, sondern auch eine Zurechnung nach § 290 Abs. 3 HGB (§ 290 HGB Rz. 157 ff.) erfolgen muss.

33

Nicht eindeutig ist, ob bei der Anknüpfung an die Konzernrechnungslegungspflicht auch die bestehenden 34 größenmäßigen Befreiungen nach § 293 HGB zu beachten sind. Da nach Abs. 2 Alt. 2 (Rz. 40 ff.) auch die Fälle der befreienden Wirkung einer ausländischen Konzernabschlusspflicht der Klassifizierung als verbundenes Unternehmen nicht entgegenstehen, muss dies auch für die größenmäßigen Befreiungen gelten, so dass die Befreiungen nach § 293 HGB unbeachtlich sind.6 Dafür spricht auch der Regelungszweck von Abs. 2 (Rz. 4 f.), da dieser grundsätzlich unabhängig von der Größe der verbundenen Unternehmen ist. Die Bezugnahme von Abs. 2 auf § 290 HGB wirft in zweifacher Hinsicht das Problem der Entstehung ei- 35 ner (scheinbaren) Regelungslücke auf. Denn dadurch werden Tochtergesellschaften von inländischen – gesetzestypischen und damit nicht unter § 264a HGB fallenden – Personengesellschaften (Fall 1) sowie Tochterunternehmen ausländischer Gesellschaften aufgrund der fehlenden inländischen Konzernrechnungslegungspflicht (Fall 2) nicht als verbundene Unternehmen iSv. Abs. 2 erfasst. Dies führt bei einer Wortlautauslegung zu einer fehlenden Anwendung der handelsbilanzrechtlichen Vorschriften für verbundene Unternehmen bei den grau unterlegten Gesellschaften, so dass der Jahresabschluss über die bei diesen bestehenden Interessenkonflikte nicht hinreichend informiert.

1 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum BiRiLiG, BT-Drucks. 10/4268, 113; Hüttemann/ Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 16; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 58. 2 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 17. 3 ADS6, § 271 HGB Rz. 32; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 7; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 16; Küting in HdR, § 271 HGB Rz. 89 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 16; aA Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 9. 4 So etwa Müller, NZG 2004, 1037 (1039). 5 Küting/Seel, BB 2010, 1459 (1464). 6 ADS6, § 271 HGB Rz. 64; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 28; Kropff, DB 1986, 364 (367); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 9; Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (321); aA Biener/Berneke, BiRiLiG, 187; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 34; Küting, DStR 1987, 347 (351); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 23.

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705

§ 271 Rz. 36 | Beteiligungen. Verbundene Unternehmen Fall 1

Fall 2

gesetzestypische Personengesellschaft

Tochter (kapital) gesellschaft 1

Tochter (kapital) gesellschaft 2

Tochter (kapital) gesellschaft 3

ausländische Gesellschaft

inländische (Tochter)Gesellschaft

36

Diese (wohl beabsichtigte)1 Regelungslücke ist allerdings aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Abs. 2 hinzunehmen.2 Dieser kann insbes. nicht dahingehend teleologisch reduziert werden, dass es für die verbundenen Unternehmen allein auf das Bestehen eines Mutter-/Tochterverhältnisses – unter Ausblendung der Konzernrechnungslegungspflicht – ankommt.3 Ebenso wenig kann eine Erfassung als verbundene Unternehmen im Wege der Anwendung der Generalklausel des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB erfolgen,4 da dem der eindeutige Wortlaut von Abs. 2 entgegensteht.5 Auch eine richtlinienkonforme Auslegung hilft in diesem Zusammenhang – sofern man den Richtlinienwortlaut überhaupt für dahingehend eindeutig hält6 – aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Abs. 2 nicht weiter.7 An dieser Betrachtungsweise ist im Rahmen von Fall 1 auch dann festzuhalten, wenn die gesetzestypische Personenhandelsgesellschaft (Fall 1) in den Anwendungsbereich von § 11 PublG fällt. Denn auch wenn in diesem Fall eine Konzernrechnungslegungspflicht besteht, ergibt sich diese gerade nicht aus dem in Abs. 2 Alt. 1 erwähnten § 290 HGB, sondern aus einer in Abs. 2 Alt. 1 nicht erwähnten Spezialregelung. Somit bleibt es auch in dieser Konstellation bei einer fehlenden Erfassung als verbundene Unternehmen.8

37

Aufgrund der Anknüpfung an die Vollkonsolidierung des § 290 HGB werden Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 HGB – § 310 HGB Rz. 18 ff.) nicht von Abs. 2 erfasst.9 Dies gilt allerdings nicht für den Fall einer gemeinschaftlichen einheitlichen Leitung.10 Zudem sind auch assoziierte Unternehmen (§ 311 HGB – § 311 HGB Rz. 10 ff.) keine verbundenen Unternehmen iSv. Abs. 2.11 c) Folgen der Erfassung durch Abs. 2 Alt. 1

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Im Rahmen der Vollkonsolidierung nach Abs. 2 alt. 1 gelten als verbundenen Unternehmen nicht nur die konzernabschlusspflichtige (oberste) Muttergesellschaften und deren Tochtergesellschaften, sondern auch die Tochtergesellschaften zueinander, so dass auch Schwestergesellschaften verbundene Unterneh1 Dies jedenfalls indizierend die Begr. des RegE, BT-Drucks. 10/3440, 35. 2 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 24; Küting, DStR 1987, 347 (354 ff.); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 32; Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (324 ff.); dem ebenfalls im Rahmen der Abschlussprüfung grundsätzlich folgend BGH v. 3.6.2004 – X ZR 104/03, BGHZ 159, 234 Tz. 5 = NZG 2004, 770; aA ADS6, § 271 HGB Rz. 68 ff.; Biener/Berneke, BiRiLiG, 187; Grottel/Kreher in BeckBilKomm.10, § 271 HGB Rz. 34; Hoffmann, BB 1987, 2192 (2197); Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 48 ff.; Kropff, FS Ulmer, 2003, 847 (858 ff.); Kropff, DB 1986, 364 (367); Müller, NZG 2004, 1037 (1039); Wohlgemuth, DStR 1991, 1529 (1531). 3 So aber ADS6, § 271 HGB Rz. 56 ff.; Kropff, DB 1986, 364 (366 f.); Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 102 ff.; Ulmer, FS Goerdeler, 1987, 623 (633); diesen Ansatz ablehnend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 24. 4 So etwa Clausen, Verbundene Unternehmen im Bilanz- und Gesellschaftsrecht, 1992, 13. 5 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 24; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 33; aA Clausen, Verbundene Unternehmen im Bilanz- und Gesellschaftsrecht, 1992, 14. 6 Dies zu recht bezweifelnd Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 24. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 24; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 32; aA ADS6, § 271 HGB Rz. 56 ff.; Kropff in MünchKomm. BilR, § 271 HGB Rz. 50; Ulmer, FS Goerdeler, 1987, 623 (645 f.). 8 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 30; Küting, DStR 1987, 347 (354); Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (324); aA Kropff, DB 1986, 364 (365). 9 ADS6, § 271 HGB Rz. 41; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 25; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 10; Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 97; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 Rz. 23. 10 ADS6, § 271 HGB Rz. 41; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 25; Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (319). 11 ADS6, § 271 HGB Rz. 41; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 25; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 Rz. 10; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 271 HGB Rz. 23; Ulmer, FS Goerdeler, 1987, 623 (634 f.).

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D. Verstoß gegen § 271 HGB

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Rz. 44 § 271

men sind. Dies rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass auch im Verhältnis von Tochtergesellschaften der Regelungszweck von Abs. 2 tangiert wird und eine Einbeziehung somit geboten ist.1 Zudem liegen verbundene Unternehmen auch dann vor, wenn ein Tochterunternehmen nach § 296 HGB nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden muss (Abs. 2 Halbs. 2).

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2. Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses (Abs. 2 Alt. 2) Weiterhin sind verbundene Unternehmen auch solche, wenn die oberste Muttergesellschaft einen befrei- 40 enden Konzernabschluss nach §§ 291, 292 HGB aufstellt oder aufstellen könnten. Damit werden ausländische Muttergesellschaften mit inländischen Tochtergesellschaften erfasst, bei denen wiederum letztere über eigene Tochtergesellschaften verfügen. Durch Abs. 2 Alt. 2 werden in diesem Fall auch die grau unterlegten Gesellschaften als verbundene Unternehmen klassifiziert, da die inländische (Ober-)Tochtergesellschaft selbst einen Konzernabschluss nach §§ 291, 292 HGB aufstellen könnte. ausländische Gesellschaft

inländische Tochter(ober)gesellschaft

Tochter (unter) gesellschaft 1

Tochter (unter) gesellschaft 2

Tochter (unter) gesellschaft 3

Im Rahmen von Abs. 2 Alt. 2 ist es irrelevant, ob die Voraussetzungen von § 291 Abs. 3 HGB (§ 291 HGB Rz. 32 ff.) vorliegen.2 Auch in diesem Zusammenhang sind größenabhängige Befreiungen (§ 293 HGB) ohne Bedeutung. Schließlich ist es auch ohne Bedeutung, ob der Minderheitsgesellschafter nach § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB (§ 291 HGB Rz. 34 ff.) die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses verlangt, da Abs. 2 Alt. 2 auf die abstrakte Möglichkeit der Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses abstellt.3 Aufgrund der Einbeziehung ausländischer Muttergesellschaften in Abs. 2 Alt. 2 stellt sich die Frage, nach welchem Recht sich die Verbundenheit iSv. Abs. 2 richtet. Dabei geht es um die Frage, ob sich die Einbeziehungspflicht für die inländischen Tochter(unter)gesellschaften nach dem (deutschen) Recht der inländischen Tochter(ober)gesellschaft oder nach dem Recht der (obersten) ausländischen Muttergesellschaft richtet. Da Abs. 2 Alt. 2 auf die (hypothetische) Aufstellung des Konzernabschlusses durch die inländische Tochter(ober)gesellschaft abstellt, muss dann konsequenterweise auch inländisches Recht für die Bestimmung des Konsolidierungskreises angewendet werden.4

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3. Fehlende Erfassung des Gleichordnungskonzerns Keine verbundenen Unternehmen sind schließlich solche im Rahmen eines Gleichordnungskonzerns, da das deutsche Handelsbilanzrecht für diesen keine Konzernrechnungslegungspflicht vorsieht.5

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D. Verstoß gegen § 271 HGB Da § 271 HGB lediglich Definitionen enthält, kommt ein Verstoß gegen § 271 HGB allein nicht in Betracht. Sanktionen können sich nur aus dem Regelungszusammenhang ergeben, bei dem die Definitionen verwendet werden (Rz. 2 und 4). 1 ADS6, § 271 HGB Rz. 47 ff.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 26; aA Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 HGB Rz. 10. 2 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 271 HGB Rz. 9. 3 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5 § 271 HGB Rz. 32; Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 78 f.; Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (321); aA wohl Küting, DStR 1987, 347 (354 f.). 4 ADS6, § 271 HGB Rz. 58, 78 ff.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 33; Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 86 f.; aA Biener/Berneke, BiRiLiG, 188. 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 271 HGB Rz. 35; Küting in HdR, § 271 HGB Rz. 124 (Stand Juni 2017); Nösser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 1992, 98; Schulze-Osterloh, FS Fleck, 1988, 313 (323).

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§ 272 | Eigenkapital

§ 272 Eigenkapital (1) 1Gezeichnetes Kapital ist mit dem Nennbetrag anzusetzen. 2Die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital sind von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen; der verbleibende Betrag ist als Posten „Eingefordertes Kapital“ in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen; der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist unter den Forderungen gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen. (1a) 1Der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, der rechnerische Wert von erworbenen eigenen Anteilen ist in der Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen. 2Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert und den Anschaffungskosten der eigenen Anteile ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. 3Aufwendungen, die Anschaffungsnebenkosten sind, sind Aufwand des Geschäftsjahrs. (1b) 1Nach der Veräußerung der eigenen Anteile entfällt der Ausweis nach Absatz 1a Satz 1. 2Ein den Nennbetrag oder den rechnerischen Wert übersteigender Differenzbetrag aus dem Veräußerungserlös ist bis zur Höhe des mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten Betrages in die jeweiligen Rücklagen einzustellen. 3Ein darüber hinausgehender Differenzbetrag ist in die Kapitalrücklage gemäß Absatz 2 Nr. 1 einzustellen. 4Die Nebenkosten der Veräußerung sind Aufwand des Geschäftsjahrs. (2) Als Kapitalrücklage sind auszuweisen 1. der Betrag, der bei der Ausgabe von Anteilen einschließlich von Bezugsanteilen über den Nennbetrag oder, falls ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, über den rechnerischen Wert hinaus erzielt wird; 2. der Betrag, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt wird; 3. der Betrag von Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten; 4. der Betrag von anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten. (3) 1Als Gewinnrücklagen dürfen nur Beträge ausgewiesen werden, die im Geschäftsjahr oder in einem früheren Geschäftsjahr aus dem Ergebnis gebildet worden sind. 2Dazu gehören aus dem Ergebnis zu bildende gesetzliche oder auf Gesellschaftsvertrag oder Satzung beruhende Rücklagen und andere Gewinnrücklagen. (4) 1Für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen ist eine Rücklage zu bilden. 2In die Rücklage ist ein Betrag einzustellen, der dem auf der Aktivseite der Bilanz für die Anteile an dem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen angesetzten Betrag entspricht. 3Die Rücklage, die bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu bilden ist, darf aus vorhandenen frei verfügbaren Rücklagen gebildet werden. 4Die Rücklage ist aufzulösen, soweit die Anteile an dem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen veräußert, ausgegeben oder eingezogen werden oder auf der Aktivseite ein niedrigerer Betrag angesetzt wird. (5) 1Übersteigt der auf eine Beteiligung entfallende Teil des Jahresüberschusses in der Gewinn- und Verlustrechnung die Beträge, die als Dividende oder Gewinnanteil eingegangen sind oder auf deren Zahlung die Kapitalgesellschaft einen Anspruch hat, ist der Unterschiedsbetrag in eine Rücklage einzustellen, die nicht ausgeschüttet werden darf. 2Die Rücklage ist aufzulösen, soweit die Kapitalgesellschaft die Beträge vereinnahmt oder einen Anspruch auf ihre Zahlung erwirbt. A. I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

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Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck Rechtsformneutrale Ausgestaltung des Eigenkapitalausweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1) . Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) . . . Kapitalrücklage (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . Gewinnrücklagen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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_ __ __ _ _ 1 2 3 4 6 7 8

7. Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung 1. Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1) . 2. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalrücklage (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinnrücklage (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . 5. Erwerb von Anteilen an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ __ _ _ _ 10 11 14 18 19 20 21

IV. Europarechtlicher Hintergrund 1. Vorgaben der (neuen) Bilanzrichtlinie . . . . 2. Eigenkapitalausweis und Ausweis ausstehender Einlagen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) . . . 4. Rücklagenbildung (Abs. 2–5) . . . . . . . . . . . V. Anwendungsbereich 1. Eigenkapitalausweis und Ausweis ausstehender Einlagen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) . . . 3. Rücklagenbildung (Abs. 2–5) . . . . . . . . . . . VI. Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eigenkapital I. Begriffsbildung und Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten 1. Eigenkapital als Sammelbegriff . . . . . . . . . . 2. Eigenkapital im betriebswirtschaftlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigenkapital im bilanzrechtlichen Sinne . . . II. Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erfassung des Eigenkapitals durch § 272 HGB IV. Eigenkapitalähnliche Instrumente 1. Fremdkapital mit eigenkapitalähnlichen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Qualifiziert nachrangige Verbindlichkeiten . 4. Genussrechtskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausweis des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . C. Gezeichnetes Kapital und Einlagen (Abs. 1) I. Gezeichnetes Kapital als Oberbegriff . . . . . . II. Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1 Satz 1) 1. Ansatz zum Nennwert . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veränderungen des gezeichneten Kapitals . . 3. Rechtsformspezifische Besonderheiten . . . . III. Ausweis ausstehender und geleisteter Einlagen (Abs. 1 Satz 2) 1. Grundlagen a) Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . b) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einlagenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausstehende Einlageverpflichtungen a) Ausstehen der Einlagen . . . . . . . . . . . . b) Behandlung ausstehender und nicht eingeforderter Einlagen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behandlung ausstehender und eingeforderter Einlagen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3) . d) Folgen der fehlenden Werthaltigkeit der ausstehenden Einlagen . . . . . . . . . . . . . e) Ausschluss von säumigen Gesellschaftern wegen fehlender Einlageleistung . . . . . . 3. Erfüllte Einlageverpflichtungen . . . . . . . . . IV. Rechtsform- und branchenspezifische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Steuerrechtliche Behandlung von Einlagen . D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) I. Netto- und Bruttomethode als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ _ __ __ _ __ __ __ __ __ _ __ _ 22 23 24 26 28 30 31 35

36 37 38 40 41 42 43 44 45 46 47 49 50 53 57

__ _ _ _ _ _ __ __ _ 58 59 62 66 67 70 74 78 79 81 82

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Eigenkapital

| § 272

II. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a) 1. Grundlagen – Klassifizierung als eigene Anteile und Zeitpunkt des Erwerbs . . . . . . . . . 2. Ausweis eigener erworbener Anteile (Abs. 1a Satz 1) a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf den Kapitalschutz aa) Fehlende Abstimmung mit der hypothetischen Rücklagenbildung des Kapitalschutzsystems . . . . . . . . . . . . . bb) Keine bilanzrechtliche Korrektur . . . cc) Besonderheiten bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Besonderheiten bei der GmbH . . . . 3. Behandlung der Anschaffungskosten (Abs. 1a Satz 2) a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb zum Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erwerb über dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb unter dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert . . . . . . . . . . . . . . . e) Verrechnung mit den freien Rücklagen . f) Ausweis der Verrechnung mit den freien Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufwendungen (Abs. 1a Satz 3) . . . . . . . . . III. Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1b) 1. Entfallen des Ausweises (Abs. 1b Satz 1) . . . 2. Behandlung des Veräußerungserlöses (Abs. 1b Satz 2 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veräußerung zum Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung über dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert . . . . . . . . . . . . c) Veräußerung unter dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert . . . . . . . . . . . . d) Erzielung des Veräußerungserlöses als Sachleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Behandlung von eigenen Anteilen bei mehreren Veräußerungsvorgängen und fehlender Unterscheidbarkeit der Anteile f) Einstellung in die Rücklagen . . . . . . . . . g) Ausweis der Einstellungen in die Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nebenkosten (Abs. 1b Satz 4) . . . . . . . . . . . IV. Erwerb und Veräußerung innerhalb eines Geschäftsjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einziehung der Anteile . . . . . . . . . . . . . . . VII. Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs und der Veräußerung eigener Anteile 1. Ebene der Gesellschaft a) Erwerb eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung eigener Anteile . . . . . . . . . 2. Ebene des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . E. Kapitalrücklage (Abs. 2) I. Zusammensetzung und Bildung der Kapitalrücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgeld bei der Ausgabe von Anteilen (Abs. 2 Nr. 1) 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Anteilsausgabe . . . . . . . . . . . . .

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_ _ __ __ _ _ _ __ __ _ _ _ _ _ _ __ __ _ __ 84 87

89 90 91 93 95 97 98

99 100 105 106 108 111 113 114 117 119 120 122 123 124 125 127 129

__ _ _ __

132 134 135 136 139 141

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§ 272 | Eigenkapital 3. 4. 5. 6. III. 1. 2. 3.

4. 5. IV. V. 1. 2. 3. 4. 5. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. IX.

Festsetzung des Aufgelds . . . . . . . . . . . . . . Berechnung des Aufgelds . . . . . . . . . . . . . . Leistung des Aufgelds . . . . . . . . . . . . . . . . Ausstehendes Aufgeld . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen (Abs. 2 Nr. 2) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten des Aufgelds a) Differenzierung zwischen offenem und verstecktem Aufgeld . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgabekurs über Erfüllungsbetrag (offenes Aufgeld) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende marktgerechte Verzinsung (verdecktes Aufgeld) . . . . . . . . . . . . . . . Anteile anderer Unternehmen . . . . . . . . . . (Fehlende) Ausübung des Wandlungsrechts Zuzahlungen gegen Gewährung eines Vorzugs (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Zuzahlungen (Abs. 2 Nr. 4) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuzahlungen eines Gesellschafters . . . . . . . Leistung in das Eigenkapital . . . . . . . . . . . . Subsidiarität von Abs. 2 Nr. 4 . . . . . . . . . . . Analoge Anwendung von Abs. 2 Nr. 4 . . . . Gesellschaftsrechtliche Sonderfälle der Kapitalrücklage Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösung der Kapitalrücklage Aufgeld und Zahlungen nach Abs. 2 Nr. 1–3 Sonstige Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 . . . Ausweis der Kapitalrücklage . . . . . . . . . . . Steuerrechtliche Behandlung der in die Kapitalrücklage einzustellenden Beträge . . . . . .

__ __ __ _ _ __ _ _ __ __ _ __ __ _ _

147 149 154 155

156 157 163 164 166 171 172 175 179 180 183 189 190 191 193 195 198 200

F. I. II. 1. 2. 3. 4. III. IV. V. VI. G. I. II. III. IV. V. H. I. II. I. I. II. III.

Gewinnrücklagen (Abs. 3) Bildung der Gewinnrücklage (Abs. 3 Satz 1) Gesetzliche Rücklagen (Abs. 3 Satz 2 Alt. 1) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten im Aktienrecht . . . . . . . . . Besonderheiten im GmbH-Recht . . . . . . . . Besonderheiten im Genossenschaftsrecht . . Satzungsmäßige bzw. gesellschaftsvertragliche Rücklagen (Abs. 3 Satz 2 Alt. 2) . . . . . . . . . Andere Gewinnrücklagen (Abs. 3 Satz 2 Alt. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis der Gewinnrücklagen . . . . . . . . . . Steuerrechtliche Behandlung der Gewinnrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (Abs. 4) Pflicht zur Rücklagenbildung (Abs. 4 Satz 1) Bildung der Rücklage (Abs. 4 Satz 2 und 3) . Ausweis der Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösung der Rücklage (Abs. 4 Satz 4) . . . . Steuerrechtliche Behandlung der Rücklage für die Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen . . . . . . . . Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5) Bildung der Rücklage (Abs. 5 Satz 1) . . . . . Auflösung der Rücklage (Abs. 5 Satz 2) . . . . Verstoß gegen § 272 Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . Strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . .

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207 209 210 211 214 215 220 226 228

229 230 233 234 235 236 237 238 244 245

204

Literatur Allgemeines Schrifttum: Lutter/Hommelhoff, Nachrangiges Haftkapital und Unterkapitalisierung in der GmbH, ZGR 1979, 31; Fabritius, Vermögensbindung in AG und GmbH – tiefgreifender Unterschied oder grundsätzliche Identität, ZHR 144 (1980), 628; Ebenroth, Die Vermögensbindung im Kapitalgesellschaftsrecht, in FS Trinkner, 1995, 119; H.-P. Müller, Wohin entwickelt sich der bilanzrechtliche Eigenkapitalbegriff?, in FS Budde, 1995, 445; Baetge/Brüggemann, Ausweis von Genussrechten auf der Passivseite der Bilanz des Emittenten, DB 2005, 2145; Isert/ Schaber, Zur Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital nach IAS 32 (rev. 2003), KoR 2005, 299; Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 2007; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009; Hayn/Prasse/Reuter/Weigert, Eigenkapital in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht, 2. Aufl. 2009, 280. Ausweis des gezeichneten Kapitals und der Einlagen: Döllerer, Einlagen bei Kapitalgesellschaften nach Handelsrecht und Steuerrecht, BB 1986, 1857; Groh, Verdeckte Einlagen unter dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, BB 1990, 379; Verse, Auswirkungen der Bianzrechtsmodernisierung auf den Kapitalschutz, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009, 2010, 67. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile: Zilias/Lanfermann, Die Neuregelung des Erwerbs und Haltens eigener Aktien, WPg. 1980, 61, 89; Gelhausen, Bilanzierung zur Einziehung erworbener Aktien und Kapitalschutz, in FS Baetge, 2007, 189; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, Stellungnahme zu dem Entwurf eines BilMoG: Einzelfragen zum materiellen Bilanzrecht, BB 2008, 209; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Stellungnahme zu dem Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, BB 2008, 994; Blumenberg/Roßner, Steuerliche Auswirkungen der durch das BilMoG geplanten Änderungen der Bilanzierung von eigenen Anteilen, GmbHR 2008, 1079; Küting/Reuter, Abbildung von eigenen Anteilen nach dem Entwurf des BilMoG – Auswirkungen in der Bilanzierungs- und Bilanzanalysepraxis, BB 2008, 658; Baetge/Althoff, Die Bilanzierung ausschüttungs- und abführungsgesperrter Beträge im handelsrechtlichen

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 3 § 272

Jahresabschluss nach dem BilMoG (Teil 1), WPg. 2009, 584; Kropff, Nettoausweis des Gezeichneten Kapitals und Kapitalschutz, ZIP 2009, 1137; Rodewald/Pohl, Neuregelungen des Erwerbs von eigenen Anteilen durch die GmbH im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), GmbHR 2009, 32; R. Hüttemann, Erwerb eigener Anteile im Bilanzund Steuerrecht nach BilMoG, in FS Herzig, 2010, 595; Kessler/Suchan, Kapitalschutz bei Erwerb eigener Anteile nach BilMoG, in FS Hommelhoff, 2012, 509; Briese, Eigene Anteile in der Steuerbilanz – eine Aufgabe für den Gesetzgeber, GmbHR 2016, 49; Bünning/Stoll, Bildung und Auflösung von Kapitalrücklagen bei bestehenden Gewinnabführungsverträgen, BB 2016, 555. Rücklagenbildung: Döllerer, Die Kapitalrücklage der Aktiengesellschaft bei der Ausgabe von Optionsanleihen nach Handels- und Steuerrecht, AG 1986, 237; Hommelhoff/Priester, Bilanzrichtliniengesetz und GmbH-Satzung, ZGR 1986, 463; Haller, Probleme bei der Bilanzierung der Rücklagen und des Bilanzergebnisses einer Aktiengesellschaft nach neuem Bilanzrecht, DB 1987, 645; Kropff, Handelsrechtliche Bilanzierungsfragen der Optionsanleihen, ZGR 1987, 285; Martens, Kapitalrücklage und niedrig verzinste Optionsanleihe, in Busse von Colbe (Hrsg.), Bilanzierung von Optionsanleihen im Handelsrecht, 1987, 119; Orth, Neue Aspekte zum Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren, GmbHR 1987, 195; Schneeloch, Verdeckte Vorteilszuwendungen an Kapitalgesellschaften, BB 1987, 481; Loos, Steuerliche und handelsrechtliche Einstufung von Aufgeld und Unterverzinslichkeit bei Optionsanleihen, BB 1988, 369; Küting/Kessler, Die Problematik der „anderen Zuzahlungen“ gem § 272 Abs 2 Nr 4 HGB, BB 1989, 25; Martens, Die mit Optionsrechten gekoppelte Aktienemission, AG 1989, 69 Schippel, Die Leistung der Bareinlage bei der Erhöhung des Kapitals von Aktiengesellschaften, in FS Steindorff, 1990, 249; H.-P. Müller, Differenzierte Anforderungen für die Leistung von Sacheinlagen in das Eigenkapital von Kapitalgesellschaften, in FS Heinsius, 1991, 591; Immenga, Einlagenschutz beim mittelbaren Bezugsrecht, in FS Beusch, 1993, 413; Schulze-Osterloh, Die anderen Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, in FS Claussen, 1997, 769; Häuselmann, Wandelanleihen in der Handels- und Steuerbilanz des Emittenten, BB 2000, 139; Priester, Kapitalaufbringungspflicht und Gestaltungsspielraum beim Agio, in FS Lutter, 2000, 617; Heckschen, Agio und Bezugsrechtsausschluss bei der GmbH, DStR 2001, 1437; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2003; Ekkenga, Bilanzierung von Stock Options Plans nach USGAAP, IFRS und HGB, DB 2004, 1897; Mock, Accounting for Stock Based Compensation, 16 European Business Law Review 359 (2005); Gelhausen/Rimmelspacher, Wandel- und Optionsanleihen in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen des Emittenten und des Inhabers, AG 2006, 729; Haberstock, Rückzahlungen an Gesellschafter aus freier Kapitalrücklage, NZG 2008, 220; Hennrichs, Ausgewählte Zweifelsfragen zur Kapitalrücklage, in FS Hoffmann-Becking, 2013, 511; Kirsch, Ergebnisanteile von Beteiligungen im Jahresabschluss: Bilanzielle Darstellung beim Übersteigen der Dividenden (BilRUG), BC 2015, 126.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 272 HGB enthält eine rechtsformneutrale Regelung für den Eigenkapitalausweis von Kapitalgesell- 1 schaften (AG, GmbH, Genossenschaft, SE, SCE). Nicht erfasst sind die Personenhandelsgesellschaften, bei denen keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter bzw. keine Personenhandelsgesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist (§ 264a HGB). Der Eigenkapitalausweis dieser Gesellschaften bestimmt sich nach § 264c Abs. 2 Satz 2 HGB (§ 264c HGB Rz. 12 ff.). Der Eigenkapitalausweis unterteilt sich in den Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1 – Rz. 49 ff.), der eigenen Anteile (Abs. 1a und 1b – Rz. 84 ff. und 108 ff.), der Kapitalrücklagen (Abs. 2 – Rz. 136 ff.), der Gewinnrücklagen (Abs. 3 – Rz. 207 ff.) und der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen (Abs. 4 – Rz. 229 ff.). Zudem ordnet Abs. 5 eine Ausschüttungssperre für unrealisierte Beteiligungserträge an (Rz. 236 ff.).

II. Bedeutung und Zweck 1. Rechtsformneutrale Ausgestaltung des Eigenkapitalausweises Die – jedenfalls für Kapitalgesellschaften – rechtsformneutrale Ausgestaltung des Eigenkapitalausweises in 2 § 272 HGB wird zunächst durch eine Reihe allgemeiner Bilanzierungsvorschriften ergänzt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den Ausweis des Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags (§ 266 Abs. 3 A.IV., A.V. HGB – Rz. 54 ff.) und des Bilanzgewinns/Bilanzverlusts (§ 268 Abs. 1 HGB – Rz. 14 ff.). Hinzu kommt eine Reihe von spezifischen Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts, die den Eigenkapitalausweis modifizieren bzw. ergänzen (Rz. 81). 2. Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1) Durch den Ausweis des gezeichneten Kapitals sollen die Gläubiger über die Höhe des gezeichneten Kapitals und den Umfang von dessen bisheriger Aufbringung umfassend informiert werden. Damit dient Abs. 1 vorrangig dem informationellen Gläubigerschutz. Die Sicherstellung eines materiellen GläubigerMock

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3

§ 272 Rz. 4 | Eigenkapital schutzes iSd. Kapitalschutzsystems ist nicht Aufgabe von Abs. 1, da dieses durch die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen garantiert wird. 3. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) 4

Der Hintergrund der Regelung der Abs. 1a und 1b ist in handelsbilanzrechtlichen Zusammenhängen nicht ohne weiteres zu erklären. Der Erwerb eigener Anteile stellt bei den Kapitalgesellschaften ein grundsätzliches Problem des Kapitalschutzsystems dar, da durch den Erwerb die von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen wieder – im Austausch gegen die Anteile – an die Gesellschafter zurück gewährt werden.1 Da es für den Erwerb eigener Anteile aber eine vor allem wirtschaftliche Notwendigkeit geben kann, sehen die gesellschaftsrechtlichen Regelungen entsprechende Ausnahmen vor (§§ 71 ff. AktG, § 33 GmbHG). Mit der Zulässigkeit des Erwerbs der eigenen Anteile stellt sich für das Handelsbilanzrecht das Problem des Ausweises, der konzeptionell als aktivischer Ausweis der eigenen Anteile mit Bildung einer entsprechenden Rücklage (Brutto-Methode) oder durch eine Saldierung mit dem Eigenkapital (Netto-Methode) möglich ist.

5

Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Rahmen von Abs. 1a und 1b für die Netto-Methode entschieden, um damit eine Vereinfachung der Bilanzierung eigener Anteile zu erreichen und den wirtschaftlichen Gehalt des Rückkaufs und der Veräußerung auch handelsbilanziell Rechnung zu tragen.2 Damit zielen die Abs. 1a und 1b vor allem auf die Informationsfunktion des Jahresabschlusses und damit einen informationellen Gläubigerschutz ab.3 Ein materieller Gläubigerschutz iS einer Ausschüttungsbeschränkung im Rahmen des Kapitalschutzsystems wird durch die Abs. 1a und 1b aber nur ansatzweise verfolgt und kann auch nicht begründet werden (Rz. 89 ff.), da das Kapitalschutzsystem vor allem durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.20084 und die damit verbundene Einführung einer Kapitalgesellschaft mit einem Mindestkapital von 1 € in Form der Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG) ohnehin stark relativiert wurde und somit für eine extensive Auslegung der Abs. 1a und 1b nicht herangezogen werden kann. 4. Kapitalrücklage (Abs. 2)

6

Mit der nach Abs. 2 zu bildenden Kapitalrücklage soll der durch das Kapitalschutzsystem verfolgte Gläubigerschutz weiter komplettiert werden, indem durch diese eine weitere Ausschüttungsbeschränkung geschaffen wird.5 Allerdings unterliegt die Kapitalrücklage weniger strengen Bindungen als das gezeichnete Kapital. 5. Gewinnrücklagen (Abs. 3)

7

Die Gewinnrücklagen dienen hingegen nicht dem Gläubigerschutz, sondern sollen der Gesellschaft die Möglichkeit geben, eine Begrenzung der Ausschüttungen im eigenen Interesse vorzunehmen.6 Dies kann erforderlich sein, um das Kapital etwa für Investitionen in den kommenden Geschäftsjahren vorzuhalten. Die Beschränkungen für die Einstellungen in die Gewinnrücklagen dienen dazu, dabei auch die Trennung der Einlagen von dem betrieblichen Ergebnis sicherzustellen, um damit die Informationsfunktion der Bilanz zu erhöhen. 6. Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen (Abs. 4)

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Das Kapitalschutzsystem wird durch den Erwerb eigener Anteile der Kapitalgesellschaft nachhaltig untergraben, da dies einer Rückgewähr der Einlagen an die Gesellschafter gleichkommt. Aus diesem Grund sehen die §§ 71 ff. AktG und § 33 GmbHG umfangreiche Einschränkungen für den Erwerb eigener Anteile vor, die durch die Neuregelung in Abs. 1a und Abs. 1b hinsichtlich des Ausweises des Erwerbs eigener Anteile noch weiter komplettiert werden (Rz. 4 ff.). Diese Regelungen erfassen allerdings nicht den Erwerb von Anteilen durch ein abhängiges oder mehrheitlich beherrschtes Unternehmen, da es sich dabei im Grundsatz um einen Erwerb von Anteilen eines anderen Unternehmens handelt. In wirtschaftlicher Hinsicht 1 Vgl. dazu grundlegend Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, 54 ff.; Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 2007, 195. 2 Mit dieser Begründung Begr RegE BilMoG, BTDrucks. 16/10067, 65. 3 Kritisch dazu Hüttemann, FS Herzig, 2010, 595 (600). 4 BGBl. I 2008, 2026; zum Stand des Kapitalschutzes nach dem MoMiG vgl. etwa Schall, ZGR 2009, 126 ff. 5 Dazu Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 2007, 197 ff. 6 Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 2007, 198.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 12 § 272

kommt der Erwerb von Anteilen durch ein abhängiges oder mehrheitlich beherrschtes Unternehmen dem Erwerb eigener Anteile für beide Unternehmen allerdings sehr nahe. Dies trifft zunächst für das herrschende oder mehrheitlich beteiligte Unternehmen zu, da in diesem Fall mittelbar das Vermögen der Gesellschaft in Form des Vermögens des abhängigen oder mehrheitlich beherrschten Unternehmens an die Gesellschafter des herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmens ausgeschüttet wird. Aber auch Sicht des abhängigen oder mehrheitlich beherrschten Unternehmens stellt dieser Erwerb einen mittelbaren Erwerb der eigenen Anteile dar, da die Anteile am herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen indirekt auch die Anteile am abhängigen oder mehrheitlich beherrschten Unternehmen betreffen.1 Aus Gründen des Gläubigerschutzes sieht Abs. 4 die Bildung einer entsprechenden Rücklage für Anteile 9 an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen vor. Damit wird zwar nicht der Erwerb der Anteile durch das abhängige oder mehrheitlich beherrschte Unternehmen verhindert. Allerdings führt es zu einer Beschränkung des abhängigen oder mehrheitlich beherrschten Unternehmens dahingehend, dass dieses aufgrund der Rücklagenbildung einen entsprechend geringeren Jahresüberschuss ausweisen kann, die erworbenen Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen somit einer Kapitalbindung unterliegen. Auch wenn der Erwerb eigener Anteile einem anderen Konzept folgt und insofern keine Rücklage mehr gebildet werden muss (Rz. 83 ff.), entspricht die Regelung des Abs. 4 in weiten Teil der von Abs. 1a und 1b. 7. Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5) Schließlich soll mit Abs. 5 ebenfalls ein Gläubigerschutz erreicht werden, indem auf eine Beteiligung ent- 10 fallene Beträge, die über Dividenden und Gewinnanteile hinausgehen, durch die Rücklagenbildung einer Ausschüttungssperre unterliegen, da diese Beträge der Gesellschaft noch nicht zugeflossen sind. Denn in der Bilanz können oftmals Gewinnanteile aufgrund von Beteiligungen an anderen Gesellschaften aktiviert werden, bei denen der tatsächliche Mittelzufluss oftmals aber erst später erfolgt. Damit könnten bereits Ausschüttungen vorgenommen werden und die Interessen der Gläubiger beeinträchtigt werden, was vor allem dann der Fall ist, wenn ein Mittelzufluss aufgrund der auf den Beteiligungen basierenden Gewinnanteilen nicht erfolgt.

III. Rechtsentwicklung 1. Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1) Die Definition des gezeichneten Kapitals in Abs. 1 Satz 1 ist erst durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRi- 11 LiG)2 neu eingefügt worden, um damit die Lesbarkeit des Jahresabschlusses vor allem für Ausländer zu erhöhen. Die Verallgemeinerung der Begriffe Grund- und Stammkapital sollte dabei zum Ausdruck bringen, dass es sich dabei nicht zwingend um eingezahltes Kapital handelt.3 Durch die Aktienrechtsnovelle 20164 wurde die Definition des gezeichneten Kapitals abgeschafft und der bisherige Satz 1 aufgehoben, da der Gesetzgeber keine Notwendigkeit für eine derartige Definition mehr gesehen hat.5 Der Grundsatz, dass das Grund- bzw. Stammkapital zum Nennwert anzusetzen ist, war bereits in § 261 12 Nr. 6 HGB 1897 enthalten und wurde später weitgehend wortgleich in § 133 Nr. 7 AktG 1937 und in § 156 Abs. 1 AktG 1965 übernommen. Eine entsprechende Regelung war für die GmbH nicht vorgesehen, jedoch musste ein Betrag in Höhe des im Gesellschaftsvertrag bestimmten Stammkapitals unter die Passiva der Bilanz aufgenommen werden (§ 42 Nr. 4 GmbHG aF), so dass das Stammkapital ebenfalls zum Nennbetrag ausgewiesen werden musste.6 Im Zuge der Neugestaltung des Handelsbilanzrechts durch das Bilanzrichtliniengesetz von 1985 wurden diese Regelungen rechtsformneutral in § 283 HGB aF überführt. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)7 hat diese Regelung schließlich wieder in Abs. 1 Satz 2

1 Gelhausen/Fey/Kämpfer Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (294). 2 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 3 Begr RegE BiRiLiG, BTDrucks. 10/317, 82. 4 Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016) v. 22.12.2015, BGBl. I 2015, 2565. 5 So ausdrücklich Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zur Aktienrechtsnovelle 2016, BTDrucks. 18/6681, 13. 6 Vgl. nur Goerdeler/Müller in Hachenburg, GmbHG7 § 42 Rz. 121. 7 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102.

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§ 272 Rz. 13 | Eigenkapital aufgenommen, womit allerdings keinerlei inhaltlichen Änderungen einhergehen sollen.1 Im Rahmen der Aktienrechtsnovelle 20162 wurde an diesem Grundsatz festgehalten und lediglich der Regelungsstandort aufgrund der Aufhebung des bisherigen Satzes 1 verändert. 13

Für die ausstehenden Einlagen enthielten § 261 HGB 1897, § 133 Nr. 7 AktG 1937 und § 156 Abs. 1 AktG 1965 keine ausdrückliche Regelung. Allerdings sahen § 261a Abs. 1 I. HGB 1897, § 130 AktG 1937 und § 151 Abs. 1 I. AktG 1965 vor, dass die ausstehenden Einlagen als (gesonderter) Aktivposten auszuweisen und die eingeforderten Einlagen davon abzusetzen waren. Somit galt der Grundsatz des Bruttoausweises,3 so dass das gezeichnete Kapital trotz etwaiger ausstehender Einlagen oder des Rückerwerbs eigener Anteile durch die Gesellschaft in voller Höhe auszuweisen war. Von diesem Grundsatz wich zunächst das Bilanzrichtliniengesetz von 1985 teilweise ab, indem ein Wahlrecht zwischen dem gesonderten Ausweis der nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen auf der Aktivseite vor dem Anlagevermögen oder dem offenen Absetzen auf der Passivseite beim gezeichneten Kapital geschaffen wurde (§ 272 Abs. 1 Satz 3 HGB aF). Dieses Wahlrecht ist auf Art. 9 Bilanzrichtlinie zurückzuführen. Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)4 ging der Gesetzgeber nunmehr vollständig zur Netto-Methode über, um die bilanzielle Abbildung des gezeichneten Kapitals zu vereinfachen und zu vereinheitlichen.5 2. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Aufgrund der sehr restriktiven Haltung des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts gegenüber dem Erwerb eigener Anteile war ein entsprechender bilanzieller Regelungsmechanismus entsprechend unnötig.6 Erst im Rahmen der Umsetzung von Art. 21 Abs. 2 Buchst. b Kapitalschutzrichtlinie7 im Rahmen der Aktienrechtsnovelle von 19788 wurde die Bildung einer entsprechenden Rücklage aus freien Mitteln bei der AG in § 150a AktG aF eingeführt, deren Bildung für den Erwerb Zulässigkeitsvoraussetzung war (§ 71 Abs. 2 Satz AktG aF, § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG aF). Diese Regelung wurde dann durch das Bilanzrichtliniengesetz von 1985 in § 272 Abs. 4 HGB aF überführt und damit in ihrem Anwendungsbereich somit auch auf die GmbH erstreckt. Regelungszweck dieser Rücklagenbildung war die bilanzielle Neutralisierung der als Vermögensgegenstände auszuweisenden eigenen Anteile.9

15

Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)10 brach teilweise mit diesem Regelungskonzept und schuf für die so genannten eingefrorenen Aktien eine Ausnahmeregelung, wonach zur Einziehung bindend vorgesehene Aktien bilanziell als Kapitalrückzahlung zu behandeln und insofern mit ihrem Nennbetrag in einer Vorspalte offen vom gezeichneten Kapital abzusetzen waren.11

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Der Erwerb eigener Anteile wurde schließlich durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) 12 von 2009 vollständig umgestellt.13 Der Referentenentwurf beschränkte sich dabei allerdings auf eine rechtsformunabhängige Regelung zum Erwerb eigener Anteile, ohne auch deren Veräußerung explizit zu regeln.14 Erst der Regierungsentwurf enthielt mit Abs. 1a und 1b eine vollständige Regelung zum Erwerb und zur Veräußerung eigenen Anteile, die ebenfalls rechtsformunabhängig ausgestaltet war.15 Insofern wurde die früher bestehende Differenzierung zwischen eigenen Anteilen und eigenen Aktien vollständig aufgegeben, die letztlich aufgrund der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit beider Fälle nicht

1 Begr RegE BilMoG BRDrucks. 344/08, 141. 2 Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016) v. 22.12.2015, BGBl. I 2015, 2565. 3 Vgl. Mellerowicz in GroßKomm. HGB3 § 156 Rz. 3 zum AktG 1965 und Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 133 Rz. 49 zu § 133 AktG 1937. 4 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 5 Begr RegE BilMoG BRDrucks. 344/08, 141. 6 Vgl. dazu etwa T. Bezzenberger Erwerb eigener Aktien durch die AG, Rz. 23 ff.; Kropff, ZIP 2009, 1136 (1140). 7 Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates v. 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG L 26 v. 31.1.1977, 1 ff. 8 BGBl. I 1978, 1959. 9 Vgl. dazu T. Bezzenberger Erwerb eigener Aktien durch die AG, Rz. 29. 10 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. 11 Dazu etwa Hüttemann, FS Herzig, 595 (599 f.). 12 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 13 Zu den Motiven des Gesetzgebers vgl. Kußmaul/Gräbe, in Petersen/Zwirner, BilMoG, 474 f.; Hüttemann, FS Herzig, 595 (598). 14 Kritisch dazu Küting/Reuter BB 2008, 658 (659). 15 So ausdrücklich Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 142 f.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 19 § 272

haltbar war.1 Neben diesem Übergang zu einer rechtsformneutralen Regelung hat der Regierungsentwurf auch im Übrigen den Ausweis eigener Anteile vollständig umgestellt. Für eigene Anteile ist nunmehr keine spezielle Rücklage mehr zu bilden, da die eigenen Anteile auch nicht mehr auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen werden. Nach neuem Recht erfolgt lediglich ein Ausweis im Rahmen des gezeichneten Kapitals (Netto-Methode). Der Rechtsausschuss hat in seiner Beschlussfassung und seinem Bericht2 die Regelung des Regierungsentwurfs noch einmal weitgehend umgestellt und insbes. die Gleichsetzung des Erwerbs bzw. der Veräußerung mit einer Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung abgeändert. Jedenfalls das Aktienrecht knüpft für die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien in den Fällen von § 71 Abs. 1 Nr. 1–3, 7 und 8 AktG aber noch immer an die (hypothetische) Rücklage – als bewährtes Denkmodell3 – an (§ 71 Abs. 2 Satz 2 AktG). Auch wenn damit der Erwerb grundsätzlich nur aus den freien Rücklagen erfolgen kann, ist damit in keiner Weise sichergestellt, dass diese Rücklagen später von der Gesellschaft an die Aktionäre ausgeschüttet werden, da es sich bei § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG eben nur um eine hypothetische Rücklage handelt.4

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3. Kapitalrücklage (Abs. 2) Die Bildung einer Kapitalrücklage war bereits in § 262 Nr. 2–3 HGB von 1897 vorgesehen, beschränkte sich dabei aber auf das Aufgeld und die Zuzahlungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Vorzugsrechten. Diese Regelung wurde durch § 130 Abs. 2 Nr. 2–4 AktG 1937 übernommen und dabei um das Aufgeld beim bedingten Kapital erweitert. Diese Regelungen wurden mit geringfügigen redaktionellen Änderungen in § 150 Abs. 2 Nr. 2–4 AktG 1965 überführt. Im Rahmen der Umstellung des Handelsbilanzrechts durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)5 wurden diese Regelungen in Abs. 2 Nr. 1–3 übernommen. Dabei wurde Abs. 2 Nr. 4 aber neu geschaffen, da sich die Abs. 2 Nr. 1–3 als zu eng erwiesen.6 Durch die Überführung der Regelungen zur Kapitalrücklage in das dritte Buch des HGB verblieben die Regelungen zur gesetzlichen Rücklage in § 150 Abs. 2 AktG, da diese für die GmbH nicht gelten sollten. Durch das Stückaktiengesetz (StückAG)7 wurde schließlich Abs. 2 Nr. 1 um die Möglichkeit der Ausgabe von Stückaktien erweitert.

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4. Gewinnrücklage (Abs. 3) Für die – zunächst als anderer Reservefonds bezeichneten – Gewinnrücklagen sah § 261a Abs. 1 B. II. 19 HGB 1897 den Ausweis auf der Passivseite in der Gruppe Reservefonds vor. Auch § 131 Abs. 1 B. II. AktG 1937 sah einen entsprechenden Ausweis vor, verwendete aber die Bezeichnung andere Rücklagen (freie Rücklagen), ohne dabei selbst eine genaue mit Abs. 3 vergleichbare Definition zu enthalten.8 Nach § 152 Abs. 4 Nr. 1–3 AktG 1965 musste der Ausweis der nunmehr offenen Rücklagen getrennt erfolgen, um die Rücklagenentwicklung besser auszuweisen.9 So war vorgesehen, dass jedenfalls die Beträge, die von der Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn des Vorjahres eingestellt wurden (§ 152 Abs. 4 Nr. 1 AktG 1965), die aus dem Jahresüberschuss des Geschäftsjahres eingestellt wurden (§ 152 Abs. 4 Nr. 2 AktG 1965) und die für das Geschäftsjahr entnommen wurden (§ 152 Abs. 4 Nr. 3 AktG 1965), gesondert aufzuführen waren. Die Regelung des Abs. 3 zur Gewinnrücklage wurde durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)10 neu geschaffen. Inhaltlich ergab sich der Regelungsgehalt von Abs. 3 für die AG aber schon aus § 58 AktG. Mit der Schaffung von Abs. 3 wurde auch die bis dahin verwendete Begrifflichkeit der offe-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. zum neuen Recht Kußmaul/Gräbe in Petersen/Zwirner, BilMoG, 474 (476). Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum BilMoG, BTDrucks. 16/12407, 12. So ausdrücklich RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 222. Kritisch daher Kropff, ZIP 2009, 1136 (1140 f.); zu den Implikationen für das Kapitalschutzsystem s. Rz. 89 ff. Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtausschusses zum BiRiLiG, BTDrucks. 10/4268, 106 f. Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) v. 25.3.1998, BGBl. I 1998, S. 590. Dabei ergab sich allerdings in der hM eine weit gehende Übereinstimmung mit der Definition von Abs. 3 (vgl. Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 131 Rz. 33). Kropff, AktG 1965, 235; kritisch dazu Mellerowicz in Großkomm. AktG3, § 152 Rz. 44. Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355.

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§ 272 Rz. 20 | Eigenkapital nen Rücklagen auf Gewinnrücklagen umgestellt, um die Herkunft aus dem erwirtschafteten Ergebnis der Gesellschaft besser zum Ausdruck zu bringen.1 5. Erwerb von Anteilen an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (Abs. 4) 20

Abs. 4 wurde ursprünglich im Rahmen der Aktienrechtsnovelle von 1978 in § 150a Abs. 2 AktG aF neu geschaffen und hatte insofern keine vergleichbare Vorgängervorschrift. Danach sollten für die Aktien des herrschenden oder eines mit Mehrheit beteiligen Unternehmens eine entsprechende Rücklage gebildet werden. Damit wollte der Gesetzgeber eine Lücke beim Erwerb eigener Aktien schließen.2 Durch das Bilanzrichtliniengesetz von 1985 wurde diese Reglung in Abs. 4 überführt. Aufgrund der Änderung des Regelungskonzepts bei den eigenen Anteilen durch die Schaffung von Abs. 1a und 1b im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG)3 wurde eine Neuregelung des Erwerbs von Anteilen an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen in Abs. 4 notwendig. Dieser basiert aber im Wesentlichen auf Abs. 4 Satz 4 aF, ohne dass sich dabei materielle Änderungen ergeben haben.4 6. Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5)

21

Die Pflicht zur Einstellung des Unterschiedsbetrags in die Kapitalrücklage in Abs. 5 wurde durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)5 neu eingeführt und dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 7 Buchst. c (Neue) Bilanzrechtsrichtlinie (Rz. 27). Die Regelung ist hinsichtlich der genauen Tatbestandsvoraussetzungen wenig gelungen, was auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens schon thematisiert wurde.6

IV. Europarechtlicher Hintergrund 1. Vorgaben der (neuen) Bilanzrichtlinie 22

Der Ausweis des Eigenkapitals wurde für die Kapitalgesellschaften durch die (neue) Bilanzrichtlinie7 harmonisiert. Für den Ausweis des Eigenkapitals sieht diese eine Unterteilung in das gezeichnetes Kapital, das Agio (Aufgeld), die Neubewertungsrücklagen, die Rücklagen (gesetzliche Rücklage, Rücklage für eigene Aktien, satzungsmäßige Rücklagen und sonstige Rücklagen [einschließlich der Zeitwert-Rücklage]), den Ergebnisvortrag und das Ergebnis des Geschäftsjahres vor (Art. 10 Anhang III Passiva A. [neue]) Bilanzrichtlinie). Diesen Vorgaben wird durch § 272 HGB weitestgehend entsprochen, da dieser lediglich den Ausweis des gezeichneten Kapitals, den Ausweis der ausstehenden Einlagen (Rz. 23), den Erwerb eigener Anteile (Rz. 24 f.) und teilweise die Rücklagenbildung (Rz. 26 f.) regelt. 2. Eigenkapitalausweis und Ausweis ausstehender Einlagen (Abs. 1)

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Dabei ist es den Mitgliedstaaten überlassen, einen gesonderten Ausweis für das eingeforderte Kapital vorzusehen, wobei dann das gezeichnete und das eingezahlte Kapital gesondert ausgewiesen werden müssen (Art. 10 Anhang III [Neue] Bilanzrichtlinie), so dass sich für Abs. 1 keine europarechtlichen Implikationen ergeben.

1 Begr RegE BiRiLiG, BTDrucks. 10/317, 82 f. 2 Begr RegE Entwurf eines Gesetzes zu Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BTDrucks. 8/1678, 17. 3 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 4 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (294). 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 6 So ausdrücklich Begr. des Rrchtsausschusses zum BilRUG, BTDrucks. 18/5256, 83; kritisch auch Kirsch, BC 2015, 126 ff.; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1427.1; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, Rz. 83. 7 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 182 v. 29.6.2013, 253 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 28 § 272

3. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) Hinsichtlich des Erwerbs eigener Anteile hat der europäische Gesetzgeber keine abschließende Position 24 eingenommen. So ist zunächst die Zeichnung eigener Aktien nach Art. 20 Kapitalschutzrichtlinie1 verboten. Ein Verbot des (späteren) Erwerbs eigener Aktien ist hingegen nicht vorgesehen. Vielmehr ist die Schaffung eines solchen Verbots den Mitgliedstaaten vorbehalten (Art. 21 Abs. 1 Kapitalschutzrichtlinie). Sofern ein solches Verbot nicht aufgestellt wird, ist ein Erwerb grundsätzlich nur zulässig, wenn dadurch das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft nicht unter den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der ausschüttungsgesperrten Rücklagen (Art. 17 Abs. 1) sinkt (Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Kapitalschutzrichtlinie). Zudem bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, sich für einen aktivischen Ausweis oder eine Saldierung im Eigenkapital zu entscheiden. Erfolgt ein aktivischer Ausweis, muss allerdings eine Rücklage in Höhe des aktivischen Ausweises gebildet werden (Art. 24 Abs. 1 Buchst. b Kapitalschutzrichtlinie). Diese Regelung gilt allerdings nur für die AG (Art. 1 Anhang I Kapitalschutzrichtlinie). Die (neue) Bilanzrichtlinie regelt den Ausweis eigener Anteile hingegen nicht, sondern ordnet nur an, 25 dass diese unter den dafür vorgesehenen Posten auszuweisen sind (Art. 12 [neue] Bilanzrichtlinie), die in der Richtlinie aber selbst nicht näher definiert werden. Insofern bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, sich für einen aktivischen Ausweis oder eine Saldierung im Eigenkapital zu entscheiden.2 4. Rücklagenbildung (Abs. 2–5) Die Bildung einer Kapitalrücklage (Abs. 2 – Rz. 136 ff.) wird durch das europäische Gesellschaftsrecht 26 nicht vorgegeben, sondern den Mitgliedstaaten freigestellt (Anhang III/IV Passiva A. IV. [Neue] Bilanzrichtlinie). Allerdings sieht Anhang III/IV Passiva A. IV. 2. (neue) Bilanzrichtlinie einen gesonderten Ausweis des Agio vor, was aufgrund der Erfassung des Agio durch Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.), § 266 Abs. 3 A. II. HGB aber nicht hinreichend reflektiert wird, so dass erhebliche Bedenken an der Europarechtskonformität von Abs. 2 bestehen.3 Aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts von Abs. 2, § 266 Abs. 3 A. HGB kann diesen Bedenken auch nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung Rechnung getragen werden. Somit ergibt sich trotz der Europarechtswidrigkeit von § 266 Abs. 3 A. II. HGB kein unmittelbarer Handlungsbedarf bei der Aufstellung der Bilanz. Auch die Bildung von Gewinn- bzw. satzungsmäßigen Rücklagen (Abs. 3 – Rz. 175 ff.) wird europarechtlich nicht vorgegeben, sondern nur hinsichtlich des Ausweises geregelt (Anhang III Passiva A. IV. 3. [Neue] Bilanzrichtlinie). Die Pflicht zur Bildung einer Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (Abs. 4 – Rz. 229 ff.) ergibt sich aus Art. 20 f., 28 Abs. 1 Kapitalschutzrichtlinie). Die Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5 – Rz. 236 ff.) geht auf Art. 9 Abs. 7 Buchst. c (neue) Bilanzrichtlinie zurück.

27

V. Anwendungsbereich 1. Eigenkapitalausweis und Ausweis ausstehender Einlagen (Abs. 1) Der nach Abs. 1 angeordnete Ausweis des gezeichneten Kapitals gilt für alle Kapitalgesellschaften. Dies er- 28 gibt sich im Gegensatz zum früheren Recht (Abs. 1 Satz 1 aF) nicht mehr unmittelbar aus dem Wortlaut von Abs. 1, leitet sich aber zum einen aus dem Umstand ab, dass nur die Kapitalgesellschaft über ein gezeichnetes Kapital verfügt. Zum anderen ergibt sich die Beschränkung auf Kapitalgesellschaften auch schon aus dem systematischen Standort im zweiten Abschnitt des dritten Buchs des HGB. Daher gilt Abs. 1 für die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die GmbH und die Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG). Für die Europäische Aktiengesellschaft gibt es keine gesonderte Regelung zur Bildung oder zum Ausweis des Eigenkapitals. Insofern verweist Art. 61 SE-VO auf das für die jeweiligen nationalen Aktiengesellschaften anwendbare Recht am Sitzstaat, so dass Abs. 1 über Art. 61 SE-VO zur Anwendung kommt. Dies gilt ebenso für die Europäische Genossenschaft (Art. 68 SCE-VO). Darüber hinaus muss auch eine Genossenschaft das gezeichnete Kapital ausweisen, soweit sie

1 Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG Nr. L 315 v. 14.11.2012, 74 ff. 2 Dazu Hüttemann, FS Herzig, 595 (598). 3 AA ADS6, § 272 HGB Rz. 85 (zur Jahresabschlussrichtlinie).

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§ 272 Rz. 29 | Eigenkapital über ein solches verfügt (§ 8a GenG). Ist dies nicht der Fall, findet Abs. 1 keine Anwendung, da § 337 HGB insofern eine Spezialregelung darstellt. 29

Auf Personengesellschaften findet Abs. 1 keine Anwendung, da diese schon nicht über ein gezeichnetes Kapital verfügen. Dies gilt auch für kapitalistische Personengesellschaften (§ 264a HGB), da sich der Eigenkapitalausweis bei diesen nach § 264c Abs. 2 HGB (§ 264c HGB Rz. 10 ff.) richtet. Etwas anderes gilt auch nicht für Personengesellschaften, die in den Anwendungsbereich des Publizitätsgesetz fallen (§ 5 Abs. 1 PublG), da es auch dann nicht zur Bildung eines gezeichneten Kapitals kommt. 2. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

30

Der Anwendungsbereich der Regelung des Erwerbs eigener Anteile in Abs. 1a und 1b stimmt mit dem Anwendungsbereich nach Abs. 1 überein (Rz. 28 f.), da Abs. 1a trotz seiner rechtsformneutralen Ausgestaltung1 ausdrücklich auf das gezeichnete Kapital Bezug nimmt. Somit kommt dieser für die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die GmbH, die Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG) zur Anwendung. Für die Personenhandelsgesellschaften ist der Erwerb eines eigenen Anteils in Form der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter ausgeschlossen.2 Dies gilt auch für die KG, die eigene Kommanditanteile nicht erwerben kann bzw. bei der ein Erwerb zum Wegfall der Mitgliedschaft unter Ausscheiden des Veräußerers und Anwachsung des Gesamthandvermögens bei den verbleibenden Gesellschaftern führt.3 Auch kommt eine Anwendung auf die Genossenschaft – unabhängig von der Bildung eines Mindestkapitals (§ 8a GenG) – nicht in Betracht, da diese keine eigenen Anteile erwerben kann.

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Hinsichtlich der Rücklagenbildung ergeben sich Unterschiede im Anwendungsbereich im Vergleich zu Abs. 1 (Rz. 28 f.) und Abs. 1a und 1b (Rz. 30). Dabei gilt zunächst, dass die Pflicht zur Bildung einer Kapitalrücklage nach Abs. 2 nur für Kapitalgesellschaften gilt,4 so dass insofern eine Übereinstimmung im Anwendungsbereich mit Abs. 1 (Rz. 28 f.) und Abs. 1a und 1b (Rz. 30) besteht.

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Die Gewinnrücklagen (Abs. 3 – Rz. 207 ff.) können hingegen nicht nur von Kapital-, sondern auch von den Personenhandelsgesellschaften gebildet werden.5

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Die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (Abs. 4 – Rz. 229 ff.) müssen ebenfalls nicht nur die Kapitalgesellschaften, sondern auch die Personenhandelsgesellschaften bilden. Dabei gelten die Begrifflichkeiten von §§ 16 f. AktG, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem abhängigen oder mehrheitlich beherrschten oder dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen um eine AG handelt.6 Es gilt vielmehr der aktienrechtliche Unternehmensbegriff.7 Nicht ausreichend ist das Vorliegen einer wechselseitigen Beteiligung.8 Unbeachtlich ist schließlich, ob es sich bei dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen um ein ausländisches Unternehmen handelt, da Regelungsgegenstand von Abs. 4 die Bilanzierung des abhängigen oder mehrheitlich beherrschten Unternehmens ist.

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Die Pflicht zur Bildung der Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5 – Rz. 236 f.) besteht aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Abs. 5 hingegen nur für Kapitalgesellschaften, so dass eine Übereinstimmung mit dem Anwendungsbereich nach Abs. 1 besteht (Rz. 28 f.).

3. Rücklagenbildung (Abs. 2–5)

VI. Übergangsrecht 35

Der durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz veränderte Abs. 1 ist erstmals auf den Jahresabschluss für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Da diese 1 Zu den Gründen für eine rechtsformneutrale Ausgestaltung s. Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 142 f. 2 Roth in Baumbach/Hopt, HGB37, § 105 HGB Rz. 30; K. Schmidt in MünchKomm. HGB3 § 105 Rz. 93. 3 Roth in Baumbach/Hopt, HGB37, § 161 HGB Rz. 4; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB4, § 161 Rz. 18. 4 Vgl. nur Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 93; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 1. 5 BGH v. 10.5.1976 – II ZR 180/74, DB 1976, 1324 = WM 1976, 661; Huber, GS Knobbe-Keuk, 203 ff.; Priester in MünchKomm. HGB3, § 120 Rz. 39; Westermann, FS v. Caemmerer, 658 ff. 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 65. 7 ADS6, § 272 HGB Rz. 204; Ulmer, FS Goerdeler, 623 (636 ff.). 8 ADS6, § 272 HGB Rz. 205.

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B. Eigenkapital

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Rz. 41 § 272

Änderungen aber keine materiellen Auswirkungen auf den Ausweis des Eigenkapitals haben, kommt der Übergangsregelung in diesem Zusammenhang keine eigenständige Bedeutung zu.

B. Eigenkapital I. Begriffsbildung und Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten 1. Eigenkapital als Sammelbegriff § 272 HGB regelt ausweislich seiner Gesetzesüberschrift das Eigenkapital und konkretisiert damit diesen in § 266 Abs. 3 A. HGB verwendeten Begriff. Dabei wird von § 272 HGB allerdings keine allgemeine Definition des Eigenkapitals getroffen, sondern es werden lediglich spezifische Positionen des Eigenkapitals näher bestimmt bzw. geregelt. Eine allgemeine Definition des Eigenkapitalbegriffs lässt sich auch nicht für die gesamte Rechtsordnung bestimmen, da der Begriff in den einzelnen Regelungszusammenhängen unterschiedlich verwendet wird. Dabei kann man grundsätzlich folgende Eigenkapitalbegriffe unterscheiden.

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2. Eigenkapital im betriebswirtschaftlichen Sinne In der Betriebswirtschaftslehre stellt Eigenkapital die Summe der Mittel dar, die die Gesellschafter dem Unternehmen zeitlich unbegrenzt zur Verfügung stellen (investierter Betrag) oder diesem aus laufender Geschäftstätigkeit überlassen (erwirtschafteter Betrag).1

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3. Eigenkapital im bilanzrechtlichen Sinne Der Eigenkapitalbegriff des Bilanzrechts folgt diesen Kriterien nur bedingt, da das Bilanzrecht auch die un- 38 terschiedlichen Interessen der Adressaten der Rechnungslegung berücksichtigen muss bzw. davon abhängig ist. Aufgrund der engen Verzahnung von deutschem Bilanz- und Gesellschaftsrecht2 orientiert sich der Eigen- 39 kapitalbegriff des HGB im Wesentlichen an der Haftungsqualität. Danach handelt es sich bei Eigenkapital um von Gesellschaftern oder Dritten der Kapitalgesellschaft zugeführte Mittel, wenn diese Haftungsqualität haben.3 Dies ist der Fall, wenn sie im Insolvenz- oder Liquidationsfall erst nach Befriedigung aller Gläubiger zurückgezahlt werden (Nachrangigkeit), in voller Höhe am Verlust teilnehmen, dem Unternehmen grundsätzlich dauerhaft zur Verfügung stehen und nur erfolgsabhängig vergütet werden. Da Eigenkapital bei Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen auch an die Gesellschafter zurückfließen kann, bleibt als entscheidendes Kriterium die Nachrangigkeit.4

II. Funktionen Das Eigenkapital hat verschiedene Funktionen.5 Im Vordergrund steht dabei zunächst die Arbeits- und Kontinuitätsfunktion, die sich daraus ergibt, dass das Eigenkapital jedenfalls in bestimmten Umfang aus dem Unternehmen nicht abgezogen werden darf. Daneben hat das Eigenkapital eine Verlustausgleichfunktion, da es als Residualgröße das Verlustdeckungspotential der Gesellschaft widerspiegelt. In unmittelbarem Zusammenhang steht damit die Haftungsfunktion, da das Unternehmen mit seinem gesamten Vermögen den Gläubigern haftet. Darüber hinaus stellt die Eigenkapitalziffer bzw. die Eigenkapitalquote eine Ausgangsgröße für die externe Bilanzanalyse dar.6 Sie gilt als einer der wichtigsten Indikatoren für die finanzielle Stabilität eines Unternehmens und ist zudem einer der Bezugspunkte für Ratings.

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III. Erfassung des Eigenkapitals durch § 272 HGB § 272 HGB erfasst das Eigenkapital nur bedingt bzw. schafft nur für einen Teil der bestehenden Eigenkapitalinstrumente einen Regelungsrahmen. Eine vollständige Aufzählung der als Eigenkapital auszuweisenden Positionen enthält allerdings § 266 Abs. 3 A. HGB, wonach neben dem in § 272 HGB bereits geregel1 Vgl. nur Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre26, 532 ff. 2 Vgl. zu den Zusammenhängen auch aus historischer Sicht Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 27 ff. 3 Vgl. nur Singhof in HdJ, III/2 Rz. 7 (Stand Juni 2008). 4 Singhof in HdJ, III/2 Rz. 7 (Stand Juni 2008). 5 Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 358; Singhof in HdJ, III/2 Rz. 2 (Stand Juni 2008). 6 Vgl. etwa nur BKT, Bilanzanalyse2, 162 ff.; Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre26, 534 f.

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§ 272 Rz. 42 | Eigenkapital ten gezeichneten Kapital, der Kapitalrücklage und der Gewinnrücklagen zudem der Gewinn- oder Verlustvortrag und der Jahresüberschuss oder -fehlbetrag bzw. Bilanzgewinn oder -verlust als Eigenkapitalposten ausgewiesen werden (s. § 266 HGB Rz. 46 ff.).

IV. Eigenkapitalähnliche Instrumente 1. Fremdkapital mit eigenkapitalähnlichen Merkmalen 42

§ 272 HGB bzw. § 266 Abs. 3 A. HGB sind dabei allerdings nicht abschließend, da insbes. die eigenkapitalähnlichen Instrumente nicht erfasst werden. Dabei handelt es sich um Rechtsinstitute, die grundsätzlich dem Fremdkapital zugeordnet werden, bei denen allerdings auch eine Reihe eigenkapitalähnlicher Merkmale vorhanden sind. 2. Gesellschafterdarlehen

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Das gilt zunächst für die Gesellschafterdarlehen. Bei Gesellschafterdarlehen handelt es sich um Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus der vorübergehenden Überlassung von Kapital, die jederzeit geltend gemacht werden können. Erfolgt die Rückgewähr allerdings innerhalb eines Jahres vor der Insolvenzantragstellung, besteht für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung und Rückforderung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO), und zwar unabhängig davon, ob das Darlehen in der Krise gewährt oder zurückgewährt wurde. In der Insolvenz nimmt der Rückgewähranspruch des Gesellschafters als nachrangige Forderung teil (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Ausnahmen bestehen insofern nur für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter mit einer Beteiligung am Haftkapital von 10 % oder weniger (§ 39 Abs. 5 InsO) und beim Anteilserwerb bei einer nachhaltigen Sanierung (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO). Daraus folgt, dass Rückgewähransprüche der Gesellschafter grundsätzlich als Fremdkapital auszuweisen sind, da es auf die Umstände der Gewährung des Darlehens nicht ankommt.1 3. Qualifiziert nachrangige Verbindlichkeiten

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Zu den eigenkapitalähnlichen Instrumenten sind auch die qualifiziert nachrangigen Verbindlichkeiten zu zählen. Auch wenn es sich dabei oft um Gesellschafterdarlehen (Rz. 43) handelt, muss dies nicht zwingend der Fall sein. Bei den qualifiziert nachrangigen Verbindlichkeiten handelt es sich grundsätzlich um Verbindlichkeiten, die allerdings aufgrund des qualifizierten Nachrangs2 als solche nicht auszuweisen sind, da es sich dann um eine Nichtschuld3 handelt. Der eigenkapitalähnliche Charakter ergibt sich dabei daraus, dass die Verbindlichkeit trotz des Nachrangs erfüllt werden kann und dass der Gläubiger durch die Erklärung des Nachrangs auf eine Gleichbehandlung mit den übrigen Gläubigern verzichtet. Zur Umbuchung dieser Verbindlichkeiten bei einer Erklärung des Nachrangs s. Rz. 190. 4. Genussrechtskapital

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Die Bilanzierung von Genussrechtskapital ist großen Schwierigkeiten ausgesetzt, da die Gestaltungspraxis nahezu unüberschaubar ist.4 Auch wenn das klassische Genussrecht sich dadurch auszeichnet, dass es lediglich ein Vermögensrecht, aber kein Mitverwaltungsrecht begründet, ist insbes. die konkrete Ausgestaltung des Vermögensrechts meist vielseitig.5 Bilanziell hat dies zur Folge, dass Genussrechtskapital als Eigenkapital oder als Fremdkapital auszuweisen oder erfolgswirksam zu vereinnahmen ist. Für den Eigenkapitalausweis sind im Wesentlichen die folgenden vier Kriterien der Nachrangigkeit, der Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, der Verlustteilnahme bis zur vollen Höhe des Kapitals und der längerfristigen Überlassung, bei der eine vorzeitige Rückzahlung – idR – ausgeschlossen ist, maßgeblich.6 Das Kriterium 1 Ebenso schon zum alten Recht Singhof in HdJ, III/2 Rz. 194 (Stand Juni 2008); aA aber Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (53 f.); Müller, FS Budde, 445 (459, 463), die für einen Sonderausweis im Anschluss an das Eigenkapital bzw. als besonderer Posten zwischen Eigenkapital und Verbindlichkeiten (unter Geltung des bisherigen Rechts) votieren. 2 Zu den Voraussetzungen eines solchen Nachrangs vgl. Mock in Uhlenbruck, InsO14, § 19 Rz. 226 ff. 3 Mit dieser Begrifflichkeit BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 34 = NJW 2015, 1672. 4 Vgl. für eine Übersicht etwa Habersack in MünchKomm. AktG4, § 221 Rz. 75 ff.; Hirte in GroßKomm. AktG4, § 221 Rz. 347 ff. 5 Zu den charakteristischen Ausgestaltungsmerkmalen s. Singhof in HdJ, III/2 Rz. 174 (Stand Juni 2008). 6 So vor allem IDW, Stellungnahme HFA 1/1994 zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften, WPg. 1994, 419 ff.; für eine Maßgeblichkeit dieses Standards Küting/Kessler, BB 1994, 2103 (2112 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 4; im Ergebnis wohl auch Singhof in HdJ, III/2 Rz. 176 f. (Stand Juni 2008).

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B. Eigenkapital

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Rz. 48 § 272

der Längerfristigkeit ist als erfüllt anzusehen, wenn die Kapitalüberlassung jedenfalls den Zeitraum von fünf Jahren mit einer Mindestkündigungsfrist von zwei Jahren überschreitet.1 Soweit diese Voraussetzungen gegeben sind, ist das Genussrechtskapital im Eigenkapital in Form eines Sonderpostens auszuweisen.2 Ist mit der Ausgabe der Genussrechte schließlich ein Aufgeld verbunden, so ist dieses nicht in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.) einzustellen, sondern vielmehr innerhalb des Postens „Genussrechtskapital“ kenntlich zu machen.3 5. Stille Gesellschaft Bei der Begründung einer stillen Beteiligung an einem Handelsgewerbe handelt es sich trotz des Bestehens 46 einer (Innen)Gesellschaft zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und dem stillen Gesellschafter und der grundsätzlichen Verlust- und Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters um ein Fremdkapitalinstrument.4 Dies gilt aber nur für den Fall, dass es sich um eine typisch stille Gesellschaft handelt, die dem gesetzlichen Leitbild der §§ 230 ff. HGB folgt. Soweit eine atypisch stille Gesellschaft vorliegt,5 ist diese als eigener Untergliederungspunkt im Eigenkapital bei § 266 Abs. 3 A. HGB auszuweisen.6 Die Passivierung erfolgt dabei zum Nennbetrag, sofern dieser dem Verkehrswert der geleisteten Einlage entspricht.7 Soweit der (atypisch) stille Gesellschafter einen weiteren Gesellschafter aufnimmt und dafür die Zahlung eines Aufgelds an den Inhaber des Handelsgeschäfts verlangt, ist dieses nicht in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.) einzustellen.8

V. Ausweis des Eigenkapitals Das Eigenkapital wird auf der Passivseite der Bilanz als erster Posten in der in § 266 Abs. 3 A. HGB vorgeschriebenen Reihenfolge und Untergliederung ausgewiesen (§ 266 HGB Rz. 46 ff.), an deren Europarechtskonformität aber Zweifel bestehen (Rz. 26).

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Ein besonderes Instrument zur Darstellung des Eigenkapitals stellt der Eigenkapitalspiegel dar. Dieser ist 48 beim Jahresabschluss nur bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (§ 264d HGB) zwingender Bestandteil, soweit diese nicht auch einen Konzernabschluss aufstellen müssen (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). Für den Konzernabschluss ist der Eigenkapitalspiegel hingegen immer zwingend (§ 297 Abs. 1 HGB). Für Inhalt oder Form des Eigenkapitalspiegels gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Maßgeblich ist daher – jedenfalls für den Konzerneigenkapitalspiegel – vor allem der Standard „DRS 7 – Konzerneigenkapital und Konzerngesamtergebnis“ des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. maßgeblich. Zielsetzung des Eigenkapitalspiegels ist es, dem Adressaten zu ermöglichen, Herkunft, Zusammensetzung und Entwicklung des Eigenkapitals nachvollziehen zu können.9 Die Notwendigkeit des Eigenkapitalspiegels neben den anderen Informationsinstrumenten der Rechnungslegung ergibt sich vor allem daraus, dass die Gewinn- und Verlustrechnung erfolgsneutrale Veränderungen des Eigenkapitals nicht erfassen kann und sich insofern ein Informationsdefizit ergibt. Daneben sollen auch zukünftige Ausschüttungspotentiale besser eingeschätzt werden können.

1 Ebenso Baetge/Brüggemann, DB 2005, 2145 (2148); Singhof in HdJ, III/2 Rz. 176 (Stand Juni 2008), die insoweit richtigerweise auf § 10 Abs. 5 Nr. 3, 4 KWG abstellen. 2 IDW Stellungnahme HFA 1/1994 zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften, WPg. 1994, 419 (421); zustimmend ADS6, § 246 HGB Rz. 89; Emmerich/Naumann, WPg. 1994, 677 (680); aA aber Müller, FS Budde, 445 (459 f.); Singhof in HdJ, III/2 Rz. 177 (Stand Juni 2008), die den Sonderposten zwischen dem Eigenkapital und den Rückstellungen ausweisen wollen. 3 IDW Stellungnahme HFA 1/1994 zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften, WPg. 1994, 419 (421); ebenso Habersack in MünchKomm. AktG4, § 221 Rz. 417; Singhof in HdJ, III/2 Rz. 178 (Stand Juni 2008); aA aber Emde, BB 1988, 1214 (1217); Hirte in GroßKomm. AktG4, § 221 Rz. 443; Lutter in KKAktG2, § 221 Rz. 420 f. 4 Vgl. nur Kauffeld in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft8, Rz. 13.13 ff.; aA aber Glade, Praxishandbuch der Rechnungslegung und Prüfung, § 266 HGB Rz. 582. 5 Vgl. zur Abgrenzung von typischer und atypischer stiller Gesellschaft Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB4, § 230 Rz. 65 ff. 6 ADS6, § 246 HGB Rz. 91; Kauffeld in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft8, Rz. 13.18 ff.; K.Schmidt, FS Goerdeler, 487 (496); aA aber Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 192, die einen neuen (Haupt)Gliederungspunkt vorschlagen. 7 Kauffeld in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft8, Rz. 13. 35. 8 BFH v. 9.8.2010 – IV B 123/09, BFH/NV 2010, 2266. 9 Singhof in HdJ, III/2 Rz. 13 (Stand Juni 2008).

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§ 272 Rz. 49 | Eigenkapital

C. Gezeichnetes Kapital und Einlagen (Abs. 1) I. Gezeichnetes Kapital als Oberbegriff 49

Beim gezeichneten Kapital handelt es sich um einen Oberbegriff für die im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht verwendeten Begriffe des Grundkapitals (§ 6 AktG), des Stammkapitals (§ 5 Abs. 1 GmbHG) und des Mindestkapitals (§ 8a GenG). Im europäischen Gesellschaftsrecht wird ebenfalls teilweise der Begriff des gezeichneten Kapitals (Art. 4 Abs. 2 SE-VO), teilweise der des Grundkapitals (Art. 4 SCE-VO) verwendet, so dass es sich bei dem gezeichneten Kapital auch in diesem Regelungszusammenhang um einen Oberbegriff handelt.

II. Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1 Satz 1) 1. Ansatz zum Nennwert 50

Das gezeichnete Kapital ist nach Abs. 1 Satz 1 mit dem Nennbetrag anzusetzen. Insofern können keine Ab- oder Zuschreibungen vorgenommen werden. Auch eine Verzinsung des gezeichneten Kapitals erfolgt nicht. Der Pflicht des Ausweises des gezeichneten Kapitals nach Abs. 1 Satz 1 zum Nennbetrag steht auch nicht das für die ausstehenden Einlagen (Rz. 60) und den Erwerb eigener Anteile (Rz. 83) vorgesehene Netto-Prinzip entgegen, da insofern keine anderweitige Bewertung des gezeichneten Kapitals, sondern lediglich eine Korrekturrechnung vorgenommen wird.1 Daher gilt auch in diesem Zusammenhängen der Grundsatz des Ansatzes des gezeichneten Kapitals zum Nennbetrag.

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Verbindlichkeiten von Gesellschaftern gegen die Gesellschaft mit einem qualifizierten Rangrücktritt2 sind nicht im Rahmen des gezeichneten Kapitals auszuweisen, auch wenn sie eine eigenkapitalähnliche Funktion einnehmen.3 Zur Berücksichtigung dieser Verbindlichkeiten im Rahmen der Kapitalrücklage s. Rz. 190.

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Der Ausweis des gezeichneten Kapitals muss auch im Liquidationsstadium nach Abs. 1 Satz 1 erfolgen, so dass kein gesonderter Posten „Liquidationskapital“ gebildet werden kann. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass das Liquidationsstadium grundsätzlich jederzeit durch einen Fortsetzungsbeschluss wieder beendet werden kann.4 2. Veränderungen des gezeichneten Kapitals

53

Das gezeichnete Kapital kann schließlich Veränderungen unterworfen sein.5 Diese richten sich allerdings ausschließlich nach den jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Regelungen und nicht nach Handelsbilanzrecht. Bei der AG kommt für eine Erhöhung des gezeichneten Kapitals die Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 182–191 AktG), die bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192–201 AktG), die Kapitalerhöhung im Rahmen des genehmigten Kapitals (§§ 202–206 AktG) und die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207–220 AktG) in Betracht. Eine Reduzierung des gezeichneten Kapitals kann durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung (§§ 222–228 AktG), die vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229–236 AktG) und durch die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237–239 AktG) erfolgen. Bei der GmbH stehen hingegen deutlich weniger Möglichkeiten für die Veränderung des gezeichneten Kapitals zur Verfügung. Eine Erhöhung des gezeichneten Kapitals ist nur durch die ordentliche Kapitalerhöhung (§ 55 GmbHG), die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 57c GmbHG) und das durch das MoMiG eingeführte genehmigte Kapital (§ 55a GmbHG) möglich. Die Absenkung des gezeichneten Kapitals ist durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung (§ 58 GmbHG) und eine vereinfachte Kapitalherabsetzung (§ 58a GmbHG) möglich.

1 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (282). 2 Zu den Voraussetzungen eines qualifizierten Rangrücktritts vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Tz. 16 = GmbHR 2015, 472; dazu ausführlich Mock, JZ 2015, 925. 3 Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1407. 4 Förschle/Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert Sonderbilanzen5 Rz. 237; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 13; aA aber ADS6, § 283 HGB aF Rz. 14a; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG20, § 71 Rz. 18; offen lassend Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 17. 5 Dazu im Überblick Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 362 ff.

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C. Gezeichnetes Kapital und Einlagen (Abs. 1)

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Rz. 59 § 272

Als gezeichnetes Kapital gilt immer der Betrag, der am Bilanzstichtag im Handelsregister eingetragen 54 ist.1 Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Handelsregistereintragung für die Wirksamkeit der Entstehung der Gesellschaft (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG) und der Kapitalerhöhung (§§ 189, 211 Abs. 1 AktG, § 54 Abs. 3 GmbHG) bzw. der Kapitalherabsetzung (§ 224 AktG, § 54 Abs. 3 GmbHG) vorgenommen worden sein muss. Etwas anderes gilt nur bei der bedingten Kapitalerhöhung, bei der die Ausgabe der Bezugsaktien Wirksamkeitserfordernis ist (§ 200 AktG). Soweit bei einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien die Einziehung erst nach der Handelsregistereintragung erfolgt, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich (§ 238 Abs. 1 AktG). Schließlich kann der Zeitpunkt bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs. 1 AktG, § 58e GmbHG) bzw. bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung (§ 235 AktG, § 58f GmbHG) auch auf das abgelaufene Geschäftsjahr zurückverlegt werden. Falls die Eintragung der Kapitalerhöhung zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzauf- 55 stellung erfolgt, scheidet ein Ausweis als gezeichnetes Kapital aus. Ebenso wenig kann ein Ausweis zwischen dem gezeichneten Kapital und den Rücklagen erfolgen, da anderenfalls ein unzutreffendes Bild vom tatsächlich bestehenden Eigenkapital vermittelt wird.2 Aufgrund des Stichtagsprinzips ist einzig auf die Umstände zum Bilanzstichtag abzustellen.3 Zur Behandlung von vorab geleisteten Einlagen s. Rz. 80. Erfolgt die Eintragung erst nach der Bilanzaufstellung kommt ebenfalls weder ein Ausweis als gezeichne- 56 tes Kapital noch zwischen dem gezeichneten Kapital und den Rücklagen in Betracht.4 Zur Behandlung von vorab geleisteten Einlagen Rz. 80. 3. Rechtsformspezifische Besonderheiten Bei der KGaA ergeben sich beim Ausweis des Eigenkapitals keine größeren Unterschiede. Allerdings ist 57 der Kapitalanteil des persönlich haftenden Gesellschafters ein zusätzlicher gesondert auszuweisender Eigenkapitalposten (§ 286 Abs. 2 Satz 1 AktG), bei dem ein ggf. bestehender Verlustanteil abzusetzen ist (§ 286 Abs. 2 Satz 2 AktG). Soweit der Verlust den Kapitalanteil übersteigt, ist er auf der Aktivseite unter der Bezeichnung Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter unter den Forderungen gesondert auszuweisen, soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht (§ 286 Abs. 2 Satz 3 AktG). Falls eine Zahlungsverpflichtung nicht besteht, so ist der Betrag als nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter zu bezeichnen und auszuweisen (§ 268 Abs. 3).

III. Ausweis ausstehender und geleisteter Einlagen (Abs. 1 Satz 2) 1. Grundlagen a) Regelungssystematik Nach Abs. 1 Satz 2 muss für den Ausweis der ausstehenden Einlagen zunächst zwischen den eingeforder- 58 ten ausstehenden und den nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen unterschieden werden. Die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen sind von dem Posten „gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 – Rz. 67 ff.). Der Differenzbetrag zwischen dem gezeichneten Kapital und den nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen ist dann als Posten „eingefordertes Kapital“ auszuweisen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 – Rz. 67 ff.). Soweit Einlagen bereits eingefordert wurden, sind sie als Forderungen auf der Aktivseite gesondert auszuweisen und zu bezeichnen, wenn sie noch nicht eingezahlt wurden (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3 – Rz. 70 ff.). Diese Regelungen sind dabei zwingend. Ein Wahlrecht besteht nicht. b) Normzweck Die Leistung der Einlagen spielt im Kapitalgesellschaftsrecht eine herausragende Rolle, da die vollständige 59 Erbringung der Einlagen letztlich den Preis für die Gewährung der Haftungsbeschränkung der Gesellschafter darstellt. Insofern stellen die noch ausstehenden – also noch nicht geleisteten – Einlagen eine be1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 8; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 18; Küting/ Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 9 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 3; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1404; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 25. 2 Ebenso Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 13 (Stand Juni 2017); aA ADS6, § 272 Rz. 19; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 10; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1405; Winkeljohann/ Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 25. 3 Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 13 (Stand Juni 2017); vgl. auch FG Köln v. 15.2.2000 – 13 K 1261/96, GmbHR 2000, 830. 4 Ebenso Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1405.

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§ 272 Rz. 60 | Eigenkapital sondere Problematik dar. Dies gilt dabei weniger für die Gründung der Kapitalgesellschaft, als vielmehr bei der Kapitalerhöhung bei Publikumsgesellschaften, da die vollständige Erbringung der Einlagen bei diesen aus praktischen Gründen nicht zur Voraussetzung für die Durchführung der Kapitalmaßnahme gemacht werden kann und insofern auch keine Voraussetzung ist (§§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1, 188 Abs. 2 AktG, §§ 7 Abs. 2, 56a GmbHG). 60

Abs. 1 Satz 2 folgt dem Konzept des so genannten Netto-Ausweises. Danach wird das gezeichnete Kapital nicht mit seinem vollen Nennbetrag, sondern nur noch in Höhe der tatsächlich eingeforderten Einlagen ausgewiesen. Damit verbunden ist der fehlende Ausweis der Einlageforderungen auf der Aktivseite, solange diese nicht eingefordert wurden. Somit kommt es im Vergleich mit der Brutto-Methode zu einer Bilanzkürzung. Die fehlende vollständige Aufbringung des gezeichneten Kapitals wird also bilanziell nachgezogen.1 Diese Veränderungen gelten dabei auch für die Größenmerkmale des § 267 HGB.2 Ziel des Netto-Ausweises ist es, eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der bilanziellen Abbildung und eine Stärkung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses zu erreichen.3 Zu den Auswirkungen auf das Kapitalschutzsystem s. Rz. 74 ff.

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Die Anwendung der Netto-Methode erfordert eine Trennung der Einlageforderungen bzw. –verpflichtungen in verschiedene Kategorien. Zunächst sind die ausstehenden von den erfüllten Einlageverpflichtungen zu trennen, wofür der zivilrechtliche Erfüllungsbegriff mit seinen ggf. spezifisch gesellschaftsrechtlichen Ergänzungen zugrunde zu legen ist (Rz. 62 ff.). Darüber hinaus muss bei den ausstehenden Einlagen danach unterschieden werden, ob es sich bei diesen um bereits eingeforderte oder um nicht eingeforderte Einlagen handelt (Rz. 66 ff.). c) Einlagenbegriff

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Von Abs. 1 Satz 2 sind alle von den Gesellschaftern bei der Gründung der Kapitalgesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung wirksam entstehenden Einlageverpflichtungen erfasst. Dies gilt allerdings nicht für etwaige Zuzahlungen, da diese nach Abs. 2 in die Kapitalrücklage einzustellen sind (Rz. 179 ff.). Für die Gründung setzt das Entstehen der Einlageverpflichtung bei der AG die formgültige Übernahme der Aktien bei der Gründung4 und bei der GmbH den Abschluss des Gesellschaftsvertrags voraus.5 Vorratsaktien, die ein Dritter für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat, werden von Abs. 1 Satz 2 erfasst, da der Zeichner – unabhängig vom jeweiligen Innenverhältnis zur Gesellschaft – in jedem Fall haftet (§ 56 Abs. 3 Satz 2 AktG).6

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Abs. 1 Satz 2 erfasst aber nicht die noch ausstehenden Einzahlungen auf Zeichnungsscheine bei Kapitalerhöhungen (§ 185 Abs. 1 Satz 1 AktG).7 Die Entstehung des Einlageanspruchs ist in diesem Fall von der Eintragung der Kapitalerhöhung abhängig und kann auch noch bis zur Durchführung der Kapitalerhöhung durch Eintragung im Handelsregister von der Gesellschafterversammlung – auch in der Insolvenz8 – wieder jederzeit aufgehoben werden.9 In diesem Zusammenhang ist es auch unbeachtlich, dass nach §§ 36 Abs. 1, 36a Abs. 1 AktG und § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG ein Teil der Einlage bereits vor der Eintragung eingezahlt worden sein muss.10

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Ebenfalls nicht von Abs. 1 Satz 2 erfasst sind eingeforderte Nachschüsse der GmbH-Gesellschafter (§ 26 GmbHG), da diese aktiviert werden müssen, wenn die Einziehung bereits beschlossen ist und den Gesellschaftern kein Recht auf einen Verweis auf ihren Geschäftsanteil zur Befreiung von der Nachschusspflicht zusteht (§ 42 Abs. 2 GmbHG, s. § 42 GmbHG Rz. 20 ff.). Auch Ansprüche aus der Differenzhaftung bei der (verdeckten) Sacheinlage sowie alle Ersatzansprüche aufgrund der Verletzung der Kapitalschutzvor1 Vgl. dazu auch Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (282 f.); Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 361; Hüttemann/ Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 15. 2 Vgl. dazu auch Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (283). 3 Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, S. 141. 4 Vgl. Cahn/von Spannenberg in Spindler/Stilz, AktG3, § 54 Rz. 12; Hüffer/Koch, AktG12, § 54 Rz. 2. 5 Vgl. dazu nur Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG8, § 19 Rz. 6; Veil in Scholz, GmbHG11, § 19 Rz. 11 f. 6 ADS6, § 272 HGB Rz. 63 (zum alten Recht). 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 17; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 32 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 13; aA Nowotny DB 1979, 557 f., der diese Forderung unter Ansatz eines Gegenpostens ausweisen will. 8 Vgl. dazu ausführlich Haas/Mock in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 93 Rz. 46 ff. 9 Hüffer/Koch, AktG12, § 182 Rz. 16; Servatius in Spindler/Stilz, AktG3, § 182 Rz. 32 f. 10 ADS6, § 272 HGB Rz. 65; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 13.

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C. Gezeichnetes Kapital und Einlagen (Abs. 1)

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Rz. 70 § 272

schriften sind nicht als Einlagen iSv. Abs. 1 Satz 2 zu verstehen, da es sich nicht um die originäre (mitgliedschaftliche) Verpflichtung der Gesellschafter, sondern lediglich um Sekundäransprüche handelt.1 Dies gilt ebenso für ausstehende Komplementärleistungen bei der KGaA, da diese als „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ auszuweisen sind (§ 286 Abs. 2 Satz 3 AktG). Schließlich besteht auch keine Erfassung durch Abs. 1 Satz 2 für aufgrund der Satzung oder des Gesell- 65 schaftsvertrags zu erbringende Nebenleistungen der Gesellschafter.2 Falls eine Vergütungspflicht der Gesellschaft besteht oder diese geleistet wurde, sind diese unter den sonstigen Vermögensgegenständen als Forderung auszuweisen (s. § 266 HGB Rz. 37). Ansonsten gelten die Grundsätze für schwebende Geschäfte (s. § 266 HGB Rz. 19). 2. Ausstehende Einlageverpflichtungen a) Ausstehen der Einlagen Weitere Voraussetzung für einen gesonderten Ausweis im Rahmen von Abs. 1 Satz 2 ist zudem das Aus- 66 stehen der Einlage. Dies ist dann der Fall, wenn die Einlageverpflichtung noch besteht und noch nicht erfüllt wurde (§ 362 BGB). Die Erfüllungswirkung tritt aufgrund des Kapitalschutzsystems erst ein, wenn die jeweilige Einlage zur freien Verfügung der Gesellschaft geleistet wurde (§ 36 Abs. 2 AktG, § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG). Insofern können Einlageleistungen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, auch nicht als eingefordertes Kapital ausgewiesen werden, wobei die Aufforderung der Gesellschaft (Rz. 72) in diesen Fällen oftmals vorliegen wird, so dass es insofern keinen Unterschied macht (zur Kritik an diesem Abgrenzungsmaßstab im Rahmen von Abs. 1 Satz 2 s.o. Rz. 3). b) Behandlung ausstehender und nicht eingeforderter Einlagen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und 2) Nach Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und 2 sind die beiden Posten „gezeichnetes Kapital“ und „nicht eingeforderte 67 ausstehende Einlagen“ in der Vorspalte auf der Passivseite der Bilanz anzugeben und die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen offen abzusetzen. Das sich aus der Saldierung dieser beiden Posten ergebene eingeforderte Kapital ist dann in der Hauptspalte auszuweisen. Eine Aktivierung der Einlageforderungen ist hingegen nicht gestattet.3 Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und 2, allerdings aus der zugrunde liegenden Netto-Methode. Trotz der fehlenden Aktivierungsmöglichkeiten müssen Zinsansprüche gegen die säumigen Gesellschafter (§ 63 Abs. 2 AktG, § 20 GmbHG) bei Bareinlageverpflichtungen aktiviert werden. Für Sacheinlagen gilt dies wegen der fehlenden Verzinsungspflicht nicht.4 Bei der AG ergeben sich aus dieser Ausweismethode keine nachteiligen Auswirkungen auf den Kapital- 68 schutz. Denn auch wenn es durch den Ausweis zu einer Verkürzung der Passivseite kommt, muss beachtet werden, dass auch die Aktivseite entsprechend verkürzt wird, da die ausstehenden und nicht eingeforderten Einlageforderungen gegen die Aktionäre nicht aktiviert werden können. Zum Problem der nicht werthaltigen Einlageforderungen s. Rz. 74 ff. Für die GmbH kann eine Verkürzung des Kapitalschutzes nicht festgestellt werden, da Anknüpfungspunkt 69 für die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG trotz der in Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und 2 verankerten Netto-Methode weiterhin das im Handelsregister eingetragene Stammkapital bleibt.5 Somit kommt es sogar bei der GmbH – im Vergleich zur Brutto-Methode – zu einer Verschärfung des Kapitalschutzes, da die ausstehenden Einlagen nicht als Aktiva ausgewiesen werden. Dies ist rechtspolitisch letztlich hinzunehmen, da damit nicht zuletzt ein Anreiz für die Gesellschafter geschaffen wird, die Einlageleistung zu erbringen. c) Behandlung ausstehender und eingeforderter Einlagen (Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3) Auch bei den ausstehenden und eingeforderten Einlagen bleibt es ebenfalls bei einer offenen Absetzung 70 vom Posten „gezeichnetes Kapital“, da Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3 lediglich eine Sonderregelung für den Aus1 Ähnlich Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 34. 2 Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 361; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 13. 3 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 HGB Rz. 2. 4 Zur fehlenden Verzinsungspflicht bei Sacheinlagen vgl. nur Fastrich in Baumbach/Hueck21, § 20 Rz. 2; Westermann in Scholz, GmbHG11, § 20 Rz. 2. 5 Verse, VGR 2009, 67 (89); aA aber Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139 f.), der die noch nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen weiter gedanklich aktivieren will.

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§ 272 Rz. 71 | Eigenkapital weis auf der Aktivseite darstellt. Danach sind die eingeforderten, aber noch nicht eingezahlten Einlageforderungen nach Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3 als Forderungen mit einer entsprechenden Bezeichnung zu aktivieren. Der Ausweis sollte im Rahmen der sonstigen Vermögensgegenstände erfolgen (§ 266 Abs. 2 B.II.4 HGB).1 Soweit es sich dabei um Forderungen gegen verbundene Unternehmen handelt, sollte ein gesonderter Ausweis mit einem Davon-Vermerk erfolgen. Bei der Bewertung muss die individuelle Leistungsfähigkeit des Gesellschafters berücksichtigt werden.2 Darüber hinaus müssen auch die Zinsansprüche der Gesellschaft (§ 63 Abs. 2 AktG, § 20 GmbHG) aktiviert werden. 71

Die für die Abgrenzung bei Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3 notwendige Klassifizierung der Einforderung der Einlagen orientiert sich an der Aufforderung zur Leistung der Einlage durch die jeweils zuständigen Gesellschaftsorgane. Mit der Ausrichtung auf die Aufforderung zur Leistung der Einlage stellt Abs. 1 Satz 2 gerade nicht auf die Entstehung der Einlageverpflichtung oder deren Fälligkeit ab. Dennoch können beide Zeitpunkte für die Anwendung von Abs. 1 Satz 2 von entscheidender Bedeutung sein. Dabei gilt zunächst, dass eine Aufforderung zur Einlageleistung unbeachtlich ist, wenn die Einlageverpflichtung noch nicht entstanden ist. Dies muss letztlich auch für den Fall gelten, dass die Aufforderung vor der – etwa im Gesellschaftsvertrag festgelegten – Fälligkeit der Einlageforderung erfolgt, da anderenfalls der Informationsfunktion des Ausweises nach Abs. 1 Satz 2 nicht entsprochen würde, wenn eine Einlageverpflichtung bereits als eingefordertes Kapital ausgewiesen wird, obwohl die Gesellschaft noch keinen durchsetzbaren Anspruch gegen den Gesellschafter hat. Umgekehrt hat eine bereits bestehende Fälligkeit keinerlei Einfluss auf die Aufforderung zur Leistung der Einlage. Abs. 1 Satz 2 stellt ausdrücklich auf die Aufforderung und nicht auf die Fälligkeit ab, zumal Letztere ohnehin in den meisten Fällen der Entstehung der Einlageverpflichtung unmittelbar nachfolgen würde (§ 271 Abs. 1 BGB). Insofern kann zwischen der Fälligkeit der Einlageforderung und der Aufforderung zur Leistung ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Festlegung eines Zahlungstermins die gesonderte (kapitalgesellschaftsrechtliche) Aufforderung zur Einlageleistung entfallen lässt, wie dies etwa im GmbH-Recht3 der Fall ist.

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Die Aufforderung zur Einlageleistung erfolgt bei der AG durch den Vorstand (§ 63 Abs. 1 Satz 1 AktG). Im GmbH-Recht ist hingegen ein Gesellschafterbeschluss erforderlich (§ 46 Nr. 2 GmbHG), der zwar anfechtbar, nicht aber nichtig sein darf. Keine ausdrückliche Regelung enthält schließlich das Genossenschaftsrecht, so dass insofern von einer Zuständigkeit des Vorstands auszugehen ist (§ 24 Abs. 1 GenG). Bei der Europäischen AG erfolgt die Aufforderung zur Einlageleistung ebenfalls durch den Vorstand (Art. 39 Abs. 1 SE-VO) bzw. durch den Verwaltungsrat bei einer monistischen Organisationsverfassung (Art. 43 Abs. 4 SE-VO, § 22 Abs. 1 SEAG). Die Aufforderung muss hinreichend zum Ausdruck bringen, dass die Gesellschaft auf der Leistung besteht, wobei die Androhung einer gerichtlichen Durchsetzung nicht erforderlich ist.

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Die Aufforderung zur Leistung der Einlage kann von den zuständigen Gesellschaftsorganen auch nicht rückgängig gemacht werden, so dass konsequenterweise auch eine Rückführung von Forderungen in den Posten „nicht eingefordertes Kapital“ nicht möglich ist. Dies ergibt sich indirekt aus dem Verbot der Befreiung der Gesellschafter von ihrer Einlageverpflichtung (§ 66 Abs. 1 AktG, § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), da dieses Verbot auch die (vorübergehende) Befreiung auf Zeit erfasst,4 eine somit einmal eingetretene Fälligkeit der Einlageverpflichtung aus Gläubigerschutzgründen nicht wieder aufgehoben werden kann. Insofern muss auch das Bilanzrecht dem beim Ausweis des nicht eingeforderten Kapitals Rechnung tragen. d) Folgen der fehlenden Werthaltigkeit der ausstehenden Einlagen

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Keine gesetzliche Regelung ist für den Fall vorgesehen, das die ausstehenden Einlagen nicht werthaltig sind. Dies ist zunächst für den Fall der eingeforderten Einlagen unproblematisch, da diese nach Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 als Forderungen auszuweisen (Rz. 70 ff.) und dann entsprechend im Rahmen einer Abschreibung (§ 253 Abs. 3 HGB – § 253 HGB Rz. 96 ff.) niedriger zu bewerten sind.5

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Weitaus schwieriger ist allerdings der Fall zu beurteilen, dass die nicht eingeforderten Einlagen nicht hinreichend werthaltig sind, weil die Einlageforderung beim Gesellschafter nicht mehr durchgesetzt werden kann. Da die nicht eingeforderten Einlagen offen vom gezeichneten Kapital (aus der Passivseite) abzusetzen sind und dieser Umstand aufgrund der fehlenden Aktivierung der nicht eingeforderten Einlagen 1 2 3 4 5

Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 40; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 18. Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 41. K. Schmidt in Scholz, GmbHG11, § 46 Rz. 49; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG8 § 46 Rz. 11. Für die GmbH Veil in Scholz, GmbHG11, § 19 Rz. 62; für die AG vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 66 Rz. 27. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (283).

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C. Gezeichnetes Kapital und Einlagen (Abs. 1)

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Rz. 78 § 272

(Rz. 67 ff.) keine Auswirkungen auf die Aktivseite hat, kommt es grundsätzlich zu einem höheren Gewinnausweis, der wiederrum in einem Spannungsverhältnis zum Kapitalschutzsystem steht.1 Zur Lösung dieses Problems kann zunächst kein bilanzrechtlicher Ansatz gewählt werden, da Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 eindeutig eine offene Absetzung vom gezeichneten Kapital und eine fehlende Aktivierung der Einlageforderungen vorsieht.2 Daher ist insbes. nicht die Bildung einer Rücklage – etwa in Analogie zu § 268 Abs. 8 HGB3 – in Höhe der nicht werthaltigen Einlageforderungen möglich. Allerdings muss eine entsprechende Anhangangabe gemacht werden, da nur auf diese Weise dem True-and-fair-view-Grundsatz des § 264 Abs. 2 HGB (§ 264 HGB Rz. 23 ff.) entsprochen wird.4 Die sich bei den nicht eingeforderten Einlagen ergebende Beeinträchtigung des Kapitalschutzsystems hat 76 auch keine Auswirkungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Daher bleibt es bei der AG im Rahmen von § 57 Abs. 3 AktG bei der Bezugnahme auf den ausgewiesenen Bilanzgewinn, so dass dieser bei einer fehlenden Werthaltigkeit nicht abweichend zu bestimmen ist.5 Ebenso wenig wird der Handlungsspielraum von Vorstand und Aufsichtsrat beim Zustandekommen eines entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlusses eingeschränkt oder modifiziert.6 Insofern muss der Gewinnverwendungsbeschluss des Vorstands (§ 170 Abs. 2 AktG – § 170 AktG Rz. 22 ff.) eine mögliche fehlende Werthaltigkeit der nicht eingeforderten Einlagen nicht berücksichtigen und der Aufsichtsrat muss den Gewinnverwendungsbeschluss dahingehend im Rahmen von § 171 AktG nicht gesondert prüfen (§ 171 AktG Rz. 7 ff.). Etwas anderes gilt nur in Insolvenznähe. Zur Parallelproblematik beim Erwerb eigener Anteile s. Rz. 89 ff. Bei der GmbH stellt sich das Problem der umfassenderen Ausschüttungen allerdings nicht, da die fehlende 77 Berücksichtigung der nicht eingeforderten Einlagen als Forderungen auf der Aktivseite insofern zu einer Beschränkung der Ausschüttungsmöglichkeiten führt. Das für das Kapitalerhaltungssystem im GmbHRecht maßgebliche Stammkapital ist in seiner Größe bzw. seinem Umfang – im Gegensatz zum Aktienrecht (Rz. 76) – von der zugrunde liegenden Bilanzierung unabhängig.7 Bedeutung hat das Bilanzrecht bei der Erhaltung des Stammkapitals erst in Form der Bestimmung des entsprechend zu berücksichtigenden Vermögens, wofür das Handelsbilanzrecht maßgeblich ist.8 Daher kann für die Zwecke der Bestimmung der Zulässigkeit einer Ausschüttung auch keine (gedankliche) Aktivierung der nicht eingeforderten Einlageforderungen vorgenommen werden,9 zumal diese Aktivierung bei einer fehlenden Werthaltigkeit auch nur einen ausschüttungserweiternden Effekt hätte, wenn man die fehlende Werthaltigkeit ignoriert, was vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes nicht zu rechtfertigen wäre.10 Auch wenn durch die Verankerung der Netto-Methode in Abs. 1 eine Verschärfung des Kapitalschutzsystems für die GmbH sicherlich nicht beabsichtigt war, muss diese aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Bestimmung des Vermögens im Rahmen von § 30 Abs. 1 GmbHG und des eindeutigen Aktivierungsverbots für nicht eingeforderte Einlagen hingenommen werden.11 e) Ausschluss von säumigen Gesellschaftern wegen fehlender Einlageleistung Soweit die rückständigen Einlagen von den Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, bleibt es trotzdem bei der Berücksichtigung dieser Einlagen im Posten „eingefordertes Kapital“. Dies ergibt sich daraus, dass bei einer Säumigkeit der Einlageleistung zwar eine Kaduzierung des Anteils erfolgt (§ 64 AktG, § 21 GmbHG), die Anteile dann aber von der Gesellschaft zum Börsenpreis bzw. durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen sind (§ 65 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 23 GmbHG) bzw. ein danach immer noch bestehender 1 Zu diesem Problem ausführlich Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139); Verse, VGR 2009, 67 (98). 2 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (283); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 36; wohl auch Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139); so wohl auch Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 141, da dort ausdrücklich auf die fehlende Möglichkeit einer Abwertung hingewiesen wird. 3 So etwa Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 39 aE. 4 Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 39; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 12; Verse, VGR 2009, 67 (98 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 36. 5 So aber Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 10; Verse, VGR 2009, 67 (90); diesen Ansatz ablehnend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 19. 6 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 19; aA aber Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 10. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 20; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 11 f. 8 Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 30 Rz. 15; Verse in Scholz, GmbHG11, § 30 Rz. 59 ff. 9 In diesem Sinne aber Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 30 Rz. 15; Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139 f.); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 11 f.; Verse, VGR 2009, 67 (89 f.). 10 Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 20. 11 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 20; aA aber Kropff, ZIP 2009, 1137 (1139 f.); Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 30 Rz. 15,; Verse in Scholz, GmbHG11, § 30 Rz. 63.

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§ 272 Rz. 79 | Eigenkapital Fehlbetrag durch die übrigen Gesellschafter aufzubringen ist (§ 24 GmbHG)1. Insofern bleibt es für die Gesellschaft trotz des möglichen Schuldnerwechsels immer bei einer Leistungspflicht, ohne dass die Existenz der Anteile bzw. der Einlageverpflichtung berührt wird. 3. Erfüllte Einlageverpflichtungen 79

Sobald die Einlageverpflichtung erfüllt wurde, sind diese Beträge trotzdem im Posten „eingefordertes Kapital“ auszuweisen, wobei dann insofern kein getrennter Ausweis innerhalb dieses Postens erfolgt. Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 spricht zwar insofern nur von den eingeforderten Einlagen, ist aber solcher als Negativabgrenzung zu den nicht eingeforderten Einlagen zu verstehen und umfasst daher konsequenterweise auch die bereits erfüllten Einlagen.2 Bei einer vollständigen Erfüllung der Einlageverpflichtungen entfällt bereits ein gesonderter Ausweis der nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen und damit auch der eingeforderten Einlagen.3 In diesem Fall wird dann lediglich das – dann vollständig geleistete – gezeichnete Kapital ausgewiesen.

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Neben dem Ausstehen der Einlage kann es auch umgekehrt zu dem Fall kommen, dass die Einlageleistungen bereits vor dem Wirksamwerden der jeweiligen Kapitalerhöhung geleistet werden (Vorleistung). In diesem Fall scheidet ein Ausweis im Rahmen des gezeichneten Kapitals aus, da für dessen Ausweis das am Bilanzstichtag im Handelsregister eingetragene gezeichnete Kapital maßgeblich ist (Rz. 53). Leistungen der Gesellschafter sind als Verbindlichkeit nach dem Eigenkapital auszuweisen, wofür der Sonderposten geleistete Einlagen zur Durchführung einer beschlossenen Kapitalerhöhung verwendet werden sollte.4 Da aufgrund des fehlenden Ausweises als gezeichnetes Kapital auch kein Aufgeld (Rz. 139 ff.) vermerkt werden kann, sind die geleisteten Einlagen mit ihrem tatsächlichen Wert und nicht mit dem Nennbetrag bzw. dem rechnerischen Betrag anzusetzen.

IV. Rechtsform- und branchenspezifische Besonderheiten 81

Die Regelung des Abs. 1 wird für die AG noch um § 152 AktG erweitert bzw. näher konkretisiert. Zudem gilt Abs. 1 für bestimmte Unternehmen wie etwa Kreditinstitute5 und Versicherungsunternehmen6, bei denen besondere Gliederungsvorgaben aufgrund der nach § 330 HGB erlassenen Formblätter zu beachten sind (s. § 330 HGB Rz. 10 ff.).

V. Steuerrechtliche Behandlung von Einlagen 82

Die von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen sind in vollem Umfang inklusive des Nennbetrags und eines Aufgelds von dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff (§ 8 Abs. 1 KStG, § 4 Abs. 1 EStG) ausgenommen. Dies gilt auch für den Fall der Leistung der Einlage durch eine Sacheinlage. Die ausstehenden Einlagen sind in der Steuerbilanz als Verbindlichkeiten auszuweisen, ohne dass dabei wegen einer Einforderung zu unterscheiden ist. Eine nicht erfolgende Verzinsung der nicht erbrachten Einlageverpflichtungen stellt keine verdeckte Gewinnausschüttung dar.7 Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt auch dann nicht vor, wenn die Gesellschaft zur Deckung des Finanzbedarfs verzinstes Fremdkapital aufnimmt, statt die Einlageforderungen gegen die Gesellschafter geltend zu machen.8

1 Für die AG gilt in diesem Zusammenhang allerdings, dass der vorübergehende Erwerb der Aktie mit dem Eintritt der Unverkäuflichkeit endgültig wird (vgl. Hüffer/Koch, AktG12, § 65 Rz. 10; Lutter in Kölner Komm. AktG2, § 65 Rz. 44). 2 Ebenso Heymann in Beck-HdR, B 231 Rz. 59 (Stand März 2017); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 36 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 6 und 17. 3 So wohl auch Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 141, da dort auf eine volle Einzahlung des gezeichneten Kapitals Bezug genommen wird. 4 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 10; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 12 (Stand Juni 2017); Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1405; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 51. 5 Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute – RechKredV (BGBl. I 1992, 203); Neufassung v. 11.12.1998 (BGBl. I 1998, 3658); zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 14 BilanzrichtlinieUmsetzungsgesetz v. 17.7.2015 (BGBl. I 2015, 1245). 6 Siehe Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung (RechVersV) v. 8.11.1994, BGBl. I 1994, 3378, zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 14 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015 (BGBl. I 2015, 1245). 7 BFH v. 14.8.1985 – I R 149/81, BStBl. II 1986, 86 = BFHE 144, 548; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 42. 8 BFH v. 29.5.1968 – I 200/65, BFHE 93, 414 = DB 1969, 939.

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D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Rz. 86 § 272

D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b) I. Netto- und Bruttomethode als Ausgangspunkt Bei dem Erwerb und der Veräußerung eigener Anteile sind grundsätzlich – ebenso wie beim gezeichneten Kapital (Rz. 60) – die so genannte Brutto- und die so genannte Netto-Methode denkbar.1 Während die Brutto-Methode die eigenen Anteile als Vermögensgegenstände auf der Aktivseite der Bilanz ausweist und diesen Ausweis durch die Bildung einer entsprechenden Rücklage wieder neutralisiert, verzichtet die Netto-Methode auf einen Ausweis der eigenen Anteile als Vermögensgegenstände auf der Aktivseite der Bilanz und setzt diese auf der Passivseite offen vom gezeichneten Kapital ab. Die Netto-Methode trägt damit dem wirtschaftlichen Gehalt eines Erwerbs eigener Anteile in Form einer faktischen Kapitalherabsetzung bzw. Kapitalrückzahlung2 besser Rechnung. Damit ist aber zugleich die Frage nach dem Verhältnis zu den Vorschriften zur Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff. AktG) verbunden, die teilweise strengere Regeln vorsehen.3 Unter Bezugnahme auf diesen Umstand wird teilweise versucht, eine über den Wortlaut von Abs. 1a und 1b hinausgehende Beschränkung zu begründen4, was im Ergebnis aber aufgrund der klaren normativen Ausgangslage und der ohnehin abnehmende Bedeutung des Kapitalschutzes abgelehnt werden muss (Rz. 89 ff.).

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II. Erwerb eigener Anteile (Abs. 1a) 1. Grundlagen – Klassifizierung als eigene Anteile und Zeitpunkt des Erwerbs Die Regelung des Abs. 1a setzt zunächst voraus, dass es sich um erworbene eigene Anteile handelt. Anteile 84 sind nur dann als eigene Anteile einzustufen, wenn das bilanzierende Unternehmen diese Anteile dinglich erworben hat, also Eigentümer ist. Insofern ist ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Anteile nicht ausreichend, zumal die mit dem Anteil verbundenen Rechte bis zu diesem Zeitpunkt vom bisherigen Eigentümer auch noch umfassend ausgeübt werden können.5 Ebenso wenig genügt es, dass das bilanzierende Unternehmen ein Optionsrecht hat. Daher kommt es sowohl für den Zeitpunkt der Absetzung vom gezeichneten Kapital (Rz. 95 ff.) als auch für die Verrechnung mit den freien Rücklagen (Rz. 100 ff.) auf den Abschluss des Erwerbsvorgangs an.6 Aufgrund der rechtsformneutralen Ausgestaltung des Ausweises erworbener eigener Anteile durch 85 Abs. 1a muss davon ausgegangen werden, dass gesellschaftsrechtliche Vorgaben für die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile (§§ 71 ff. AktG, § 33 GmbHG) unbeachtlich sind. Die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben sind aber dann von Bedeutung, wenn sie den dinglichen Vollzug des Erwerbs der eigenen Anteile ausschließen. Dies ist aber nur beim Erwerb eigener Geschäftsanteile im GmbH-Recht bei Verstoß gegen § 33 Abs. 1 GmbHG der Fall.7 Für den Erwerb eigener Aktien im Rahmen von §§ 71 ff. AktG bleibt das dingliche Geschäft unberührt.8 Dies gilt ebenso für einen Erwerb eigener Geschäftsanteile im Rahmen von § 33 Abs. 2 GmbHG (arg. § 33 Abs. 2 Satz 3 GmbHG).9 Unbeachtlich ist im Rahmen des Abs. 1a zudem, wenn die betroffenen Anteile von einem Konzernunternehmen erworben werden. Zwar erstreckt sich das Verbot des Erwerbs eigener Aktien im Aktienrecht auch auf den Fall des Erwerbs der Anteile durch ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen (§ 71d Satz 2 AktG).10 Diese aktienrechtlichen Vorgaben haben für den Ei-

1 Vgl. dazu Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280, 283 f. 2 So hatte der Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung die Absetzung auch noch als Kapitalrückzahlung ausweisen wollen, wovon später aber Abstand genommen wurde (vgl. Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 16/12407, 12). 3 Zu dem Verhältnis vgl. Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (512 f.). 4 So vor allem Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (512). 5 Ebenso Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 Rz. 137. 6 AA aber Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm10 § 272 Rz. 137, die die Verrechnung mit den freien Rücklagen schon bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts annehmen. 7 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 33 Rz. 6; Westermann in Scholz, GmbHG11, § 33 Rz. 15. 8 Hüffer/Koch, AktG12, § 71 Rz. 24; Oechsler in MünchKomm. AktG4, § 71 Rz. 339; aA aber jedenfalls für den Fall des § 71a AktG Cahn in Spindler/Stilz, AktG3, § 71a Rz. 50. 9 Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 33 Rz. 14; Westermann in Scholz, GmbHG11, § 33 Rz. 29. 10 Für das GmbH-Recht vgl. Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG8, § 33 Rz. 41 ff.

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§ 272 Rz. 87 | Eigenkapital genkapitalausweis im Rahmen von Abs. 1 aber keine Bedeutung (Rz. 91 f.). Konsequenterweise gelten daher auch von Dritten im eigenen Namen auf Rechnung der Gesellschaft erworbene Aktien (§ 71d Satz 1 AktG) nicht als eigene Anteile iSv. Abs. 1a.1 Für den Fall des Erwerbs von Anteilen an dem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen s. Rz. 229 ff. 2. Ausweis eigener erworbener Anteile (Abs. 1a Satz 1) a) Grundsatz 87

Hinsichtlich des Ausweises der eigenen erworbenen Anteile ordnet Abs. 1a Satz 1 an, dass deren Nennbetrag bzw. der rechnerische Wert in der Vorspalte offen von dem Posten „gezeichnetes Kapital“ (Abs. 1 Satz 1 – Rz. 50 ff.) abzusetzen ist. Insofern ist eine Bewertung der eigenen Anteile in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

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Zunächst ist dafür auf den Nennbetrag der entsprechenden Anteile abzustellen, sofern ein solcher besteht. Bei der AG ergibt sich dieser bei Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 2 AktG) aus deren Nennbetrag. Bei Stückaktien (§ 8 Abs. 3 AktG) ist auf den rechnerischen Wert2 der jeweiligen Stückaktien abzustellen, bei dem es sich nicht um den entsprechenden Marktwert der Anteile oder deren Anschaffungskosten, sondern um den Quotienten aus Grundkapital und Anzahl der ausgegebenen Stückaktien handelt.3 Das Problem eines Nebeneinander von Stück- und Nennbetragsaktien kann sich dabei nicht stellen (§ 8 Abs. 1 AktG). Bei der GmbH gibt es hingegen nicht die Möglichkeit der Ausgabe von „Stückgeschäftsanteilen“ (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), so dass insofern bei einer GmbH für den Ausweis eigene Anteile im Eigenkapital immer der Nennbetrag angesetzt werden muss. Dies gilt ebenso für die Genossenschaft (§ 7 GenG). b) Auswirkungen auf den Kapitalschutz aa) Fehlende Abstimmung mit der hypothetischen Rücklagenbildung des Kapitalschutzsystems

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Auch wenn die Netto-Methode dem wirtschaftlichen Gehalt des Erwerbs eigener Anteile näher kommt, ergeben sich dadurch aber zugleich Implikationen für das Kapitalschutzsystem, da mit der entsprechenden Reduzierung des gezeichneten Kapitals eine Verringerung der bilanziellen Vermögensbindung verbunden ist. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG jedenfalls an einer hypothetischen Rücklagenbildung festgehalten, so dass ein Erwerb nur dann möglich ist, wenn eine entsprechende Rücklage gebildet werden könnte. Da es sich aber nur um eine hypothetische Rücklagenbildung handelt, kann damit nicht sichergestellt werden, dass die entsprechenden Vermögenswerte später nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.4 Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Neuregelung dem Kapitalschutzsystem allein durch die Verrechnung der den Nennwert bzw. den rechnerischen Betrag übersteigenden Anschaffungskosten mit den freien Rücklagen Rechnung tragen wollen.5 bb) Keine bilanzrechtliche Korrektur

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Zunächst muss eine bilanzrechtliche Korrektur abgelehnt werden, so dass aus dieser Problemlage heraus keine Ausschüttungsbeschränkungen abgeleitet werden können. Dies gilt insbes. für den Versuch, den durch den Erwerb ausschüttbaren Mehrbetrag statt in eine freie Rücklage in eine gebundene Rücklage6 –

AA aber anscheinend Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 26. Zu diesem Begriff Mock in GroßKomm. AktG5, § 8 Rz. 153. Ausführlich Mock in GroßKomm AktG5, § 8 Rz. 139. Kritisch daher Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215); Hüttemann, FS Herzig, 595 (601 f.); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 23; Kropff, ZIP 2009, 1136 (1140); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 30. 5 Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 143; kritisch dazu Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., BB 2008, 994 (997) mit dem Hinweis auf die nur teilweise erfolgte Anpassung an die IFRS. 6 So vor allem aber Kropff, ZIP 2009, 1136 (1141), der diese (nicht näher bezeichnete) Rücklage auflösen will, wenn der Wert den Nennbetrag bzw. den entsprechenden Betrag erreicht oder übersteigt. Ähnlich Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 134 mit der Bezeichnung „Rücklage wegen eigener Anteile“ oder Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 25; Oser/Kropp, Der Konzern 2012, 185 (187); Rodewald/Pohl, GmbHR 2009, 32 (35).

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D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Rz. 91 § 272

etwa aufgrund einer Analogie zu § 237 Abs. 5 AktG1 oder zu § 268 Abs. 8 HGB2 – einzustellen.3 Zwar geht die Netto-Methode von einer Kapitalrückzahlung aus und weist den Erwerb eigener Anteile entsprechend aus. Entscheidender Unterschied zur Kapitalrückzahlung und damit zu den Fällen der Kapitalherabsetzung ist aber, dass insofern nur ein Teil des Erwerbspreises dem Nennwert entspricht, also nur eine Teilkapitalrückzahlung vorliegt. Zudem würde die Annahme der Bindung des entsprechenden Mehrbetrags bei der GmbH auf Schwierigkeiten stoßen, da bei dieser keine zwingende Rücklagenbildung bzw. entsprechende Beschränkungen der Rücklagenverwendung vorgesehen sind (Rz. 193 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber durch die rechtsformneutrale Ausgestaltung des Erwerbs eigener Anteile eine klare Trennung zwischen bilanz- und gesellschaftsrechtlichen Regelungsmechanismen geschaffen. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen setzen einseitig die Zulässigkeitsgrenzen für den Erwerb eigener Anteile, während das Handelsbilanzrecht lediglich den Ausweis in der Bilanz regelt. Zudem ergibt sich die Einstellung in die gebundenen Rücklagen auch nicht aus den Art. 17 Abs. 1, 37 Abs. 2, 41 Abs. 2 Kapitalschutzrichtlinie4, da die Rücklagenbildung für den Fall des Erwerbs eigener Anteile unter dem Nennbetrag nicht vorgesehen ist und eine entsprechende Fortentwicklung im Wege der Analogie den Regelungsauftrag der Kapitalschutzrichtlinie deutlich überziehen würde. Ebenso wenig können die Vorschriften der Kapitalschutzrichtlinie zur Kapitalherabsetzung für die Begründung einer Analogie herangezogen werden,5 da die Kapitalschutzrichtlinie den Erwerb eigener Aktien selbst regelt und somit in diesem Zusammenhang über gegenüber den Vorschriften zur Kapitalherabsetzung speziellere Regelungen verfügt. Schließlich kann eine Einstellung in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) oder gar eine einfache Vereinnahmung als Ertragszuschuss6 aus dem Wortlaut von Abs. 1a Satz 2 nicht abgeleitet werden. Vorzugswürdig ist vielmehr – sofern man in diesem Zusammenhang ein tatsächliches Problem sieht – eine Lösung durch entsprechende Anhangangaben.7 Zur Parallelproblematik beim Ausweis ausstehender nicht eingeforderter Einlagen Rz. 68 f. cc) Besonderheiten bei der Aktiengesellschaft Die in Abs. 1a vorgesehene Netto-Methode scheint vor allem bei der AG problematisch zu sein, da diese 91 durch den Erwerb eigener Anteile aufgrund des damit verbundenen (reduzierten) Ausweises des gezeichneten Kapitals die Ausschüttungsmöglichkeiten erhöhen kann.8 Insofern könnte auf aktienrechtlicher Ebene erwogen werden, eine entsprechende Pflicht des Vorstands anzunehmen, auf eine entsprechend reduzierte Gewinnausschüttung – etwa durch die Ausnutzung der Kompetenz von § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG9 – hinzuwirken. Aufgrund der eindeutigen Bezugnahme von § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG auf eine hypothetische Rücklagenbildung wird aber eine solche Verpflichtung – jedenfalls außerhalb einer Insolvenznähe – nicht angenommen werden können.10 Daher verbietet sich in diesem Zusammenhang – ebenso wie beim Ausweis ausstehender nicht eingeforderter Einlagen (Rz. 67 ff.) – die Begründung eines gesonderten Pflichtenmaßstabs für Vorstand und Aufsichtsrat, die letztlich auch schon an einer fehlenden Konkretisierung scheitern würde.11 Schließlich kann auch keine außerbilanzielle Korrektur von § 57 Abs. 3 AktG vorgenommen werden,12 da das Handelsbilanzrecht mit der Netto-Methode einen reduzierten Ausweis des gezeichneten Kapitals bewusst in Kauf nimmt. 1 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, S. 280, 287; Heymann in Beck-HdR, B 231 Rz. 64 (Stand März 2017); Hüttemann, FS Herzig, 2010, S. 595, 601 f.; Verse, VGR 2009, 67 (85 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 134. 2 So vor allem Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 34; wohl auch Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 57; unklar Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (524), die sich einerseits auf eine Information beschränken, andererseits aber auch die Ausschüttungsbeschränkung von § 268 Abs. 8 HGB anwenden wollen. 3 Ebenso Gelhausen, FS Baetge, 211 mit einem Verweis auf ein fehlendes Tätigwerden des Gesetzgebers. 4 So aber Kropff, ZIP 2009, 1136 (1142); Verse, VGR 2009, 67 (85); dies ablehenend Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (513 f.). 5 So aber Verse, VGR 2009, 67 (85). 6 Zwischen beiden Möglichkeiten schwankend Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (287). 7 Ebenso Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (523 f.); Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 57; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 33. 8 Zu dieser Problematik ausführlich Hüttemann, FS Herzig, 595 (601); Kropff, ZIP 2009, 1136 (1141 ff.); Verse, VGR 2009, 67 (80 ff.). 9 So vor allem Oechsler, AG 2010, 105 (109 f.). 10 Im Ergebnis ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (285). 11 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215); Singhof in HdJ, III/2 Rz. 163 (Lfg. 44, Stand Juni 2008). 12 In diesem Sinne Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 34; wohl auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 25.

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§ 272 Rz. 92 | Eigenkapital 92

Keine Auswirkungen hat der Erwerb eigener Anteile zudem auf die Anzeigepflicht bei Verlust des halben Grundkapitals (§ 92 Abs. 1 AktG), da die Pflicht normativ an das im Handelsregister eingetragene Grundkapital anknüpft.1 dd) Besonderheiten bei der GmbH

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Auch für die GmbH führt die in Abs. 1a vorgesehene Netto-Methode zu einer Erweiterung der Ausschüttungsmöglichkeiten. Diese ergeben sich daraus, dass bei der Brutto-Methode die eigenen Anteile nicht aktiviert werden durften und gleichzeitig die Rücklage für die eigenen Anteile im Rahmen der Ermittlung des eigenen Vermögens bei der Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG gebildet werden musste.2 Im Vergleich dazu verhindert die Netto-Methode aber lediglich die Aktivierung der eigenen Anteile, ohne durch eine (dauerhafte) Rücklagenbildung das entsprechende Kapital zu binden. Trotz dieser Verschiebungen bleibt der Anknüpfungspunkt für die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG das im Handelsregister eingetragene Stammkapital und nicht der durch den Erwerb reduzierte Betrag des gezeichneten Kapitals. Insofern könnte der Begriff des Stammkapitals (§ 30 Abs. 1 GmbHG) einschränkend ausgelegt werden, so dass sich dieses nur auf das ausgegebene Kapital beschränkt.3 Dies ist aber ebenso wie beim Ausweis der ausstehenden nicht eingeforderten Einlagen (Rz. 67 ff.) abzulehnen.4 Ebenso wenig ist der erzielte Mehrbetrag in gebundene Rücklagen einzustellen.5 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften zur Kapitalherabsetzung (§§ 58 ff. GmbHG).6

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Zudem bleibt auch bei der GmbH die Anzeigepflicht bei Verlust des halben Stammkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG) von der in Abs. 1a vorgesehenen Netto-Methode unberührt, so dass an das im Handelsregister eingetragene Stammkapital anzuknüpfen ist.7 3. Behandlung der Anschaffungskosten (Abs. 1a Satz 2) a) Grundlagen

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Für den Erwerb der eigenen Anteile sind grundsätzlich drei Fallkonstellationen denkbar. Dabei handelt es sich neben dem Erwerb zum Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert (Rz. 97) um den Erwerb über dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert (Rz. 98) und den Erwerb unter dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert (Rz. 99).

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Abs. 1a Satz 2 geht anscheinend davon aus, dass die Gesellschaft für den Erwerb der Anteile eine Barleistung erbringt. Der Fall der Erbringung einer Sachleistung zum Erwerb der Anteile ist in Abs. 1a hingegen nicht ausdrücklich geregelt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang vor allem der Fall, dass der Wert der erworbenen Anteile nicht mit dem Wert der von der Gesellschaft erbrachten Sachleistung übereinstimmt. Für die Berechnung der Anschaffungskosten iSv. Abs. 1a Satz 2 muss auf den objektiven Wert der Sachleistung und nicht auf den im Tauschvertrag festgesetzten Wert abgestellt werden, da ansonsten das mit Abs. 1a (Rz. 4 f.) verfolgte Ziel des Gläubigerschutzes umgangen werden könnte. b) Erwerb zum Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert

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Zunächst ist der – in der Praxis eher seltene – Fall des Erwerbs der eigenen Anteile zum Nennwert bzw. zum rechnerischen Wert möglich. Dabei beschränkt sich die bilanzielle Behandlung der entsprechenden Anschaffungskosten auf einen offenen Absatz des jeweiligen Nennwerts bzw. des rechnerischen Werts vom gezeichneten Kapital (Abs. 1a Satz 1). Ein Unterschiedsbetrag iSv. Abs. 1a Satz 2 entsteht dabei nicht.

1 2 3 4

Ebenso Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 59. Dazu nur Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 30 Rz. 10. So vor allem Kropff, ZIP 2009, 1136 (1143). Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (515); Hüttemann, FS Herzig, 595 (600 f.); Verse, VGR 2009, 67 (80 ff.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 136. 5 Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (523 f.); jedenfalls keine dahingehende rechtliche Verpflichtung annehmend Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1417; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 136; aA aber und für eine Einstellung in die gebundene Rücklage Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 60; Kropff, ZIP 2009, 1136 (1143 f.). 6 So aber Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (518 f.). 7 Ebenso Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 59.

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D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Rz. 101 § 272

c) Erwerb über dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert Soweit die Gesellschaft für den Erwerb der eigenen Anteile einen höheren Betrag als den Nennbetrag bzw. 98 den entsprechenden rechnerischen Betrag aufbringt, muss dieser Unterschiedsbetrag nach Abs. 1a Satz 2 mit den freien Rücklagen (Rz. 100 ff.) verrechnet werden, so dass sich diese entsprechend reduzieren.1 Dies ergibt sich daraus, dass auch in Höhe des Unterschiedsbetrags Eigenkapital zurückgezahlt wird und dieser Betrag eben nicht vom gezeichneten Kapital abgesetzt werden kann.2 d) Erwerb unter dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert Falls der von der Gesellschaft aufzubringende Betrag geringer als der Nennbetrag bzw. der entspre- 99 chende rechnerische Betrag der Anteile ist, muss nach Abs. 1a Satz 2 ebenfalls eine Verrechnung mit den freien Rücklagen (Rz. 100 ff.) durchgeführt werden, so dass der entsprechende (negative) Mehrbetrag in die freien Rücklagen einzustellen ist und sich diese durch den Rückerwerb entsprechend vergrößern.3 Auch wenn sich damit die Ausschüttungsmöglichkeiten vergrößern, muss eine entsprechende Verrechnung mit den freien Rücklagen vorgenommen werden, da sich eine alternative Einstellung in die Kapitalrücklage4 normativ nicht begründen lässt und vor dem Hintergrund der durch Abs. 1a ohnehin nur bedingt verfolgten Gläubigerschutzes (Rz. 4 f.) auch nicht zwingend ist. Zu den Auswirkungen auf den Kapitalschutz Rz. 89 ff. e) Verrechnung mit den freien Rücklagen Für eine Verrechnung mit den freien Rücklagen kommen neben den anderen Gewinnrücklagen (Rz. 220 ff.) 100 vor allem auch die Kapitalrücklage für andere Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) in Betracht.5 Die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1–3 ist allerdings bei der AG aufgrund der Kapitalbindung (Rz. 196) nicht verfügbar. Dies gilt aber nicht für die GmbH.6 Die satzungsmäßigen Rücklagen sind nur als freie Rücklagen iSv. Abs. 1a Satz 2 zu betrachten, als deren satzungsmäßiger Zweck eine Verwendung zum Erwerb eigener Abteile zulässt.7 Schließlich kann auch das laufende Ergebnis des Geschäftsjahres herangezogen werden.8 Dabei sind allerdings bei der AG die Beschränkungen von § 58 Abs. 1 und 2 AktG zu beachten. Grundsätzlich kann es auch zu einem Bilanzverlust kommen, der dann wegen der Beschränkung der Verrechnung auf die freien Rücklagen in Abs. 1a Satz 2 nicht durch Entnahmen aus der gesetzlichen oder der Kapitalrücklage (Abs. 2 Nr. 1–3) gedeckt werden darf.9 Eine Verrechnung mit den freien Rücklagen ist nicht möglich, wenn damit die Ausschüttungssperre von 101 § 268 Abs. 8 HGB (§ 268 HGB Rz. 84 ff.) verletzt werden würde, wobei in diesem Fall schon ein Erwerb wegen der fehlenden Möglichkeit der Bildung einer Rücklage nicht möglich ist.10 Wird der Erwerb dennoch durchgeführt, muss eine Verrechnung erfolgen, da die Sperrwirkung des § 268 Abs. 8 HGB dadurch nicht beeinträchtigt wird.11 Bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags reduziert sich der abzufüh1 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 28. 2 Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 142 f.; ebenso Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 131. 3 Heymann in Beck-HdR, B 231 Rz. 64 (Stand März 2017); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 26; Kessler/Suchan, FS Hommelhoff, 509 (519); Oser/Kropp, Der Konzern 2012, 185 (192); Verse, VGR 2009, 67 (87 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 131; differenzierend WP-Handbuch14, I F Rz. 321; aA aber Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 79; Singhof in HdJ, III/2 Rz. 72 (Stand Juni 2008). 4 Für eine solche aber Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 79; Singhof in HdJ, III/2 Rz. 72 (Stand Juni 2008). 5 Begr RegE BilMoG, BRDrucks. 344/08, 143; vgl. auch Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (285 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 133. 6 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (2909. 7 Ebenso Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 74. 8 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (286); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 29; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 133. 9 ADS6, § 272 HGB (ErgBd.) Rz. 21; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (286); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 133; im Ergebnis auch Gelhausen, FS Baetge, 189 (205); aA Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 77; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 29. 10 Ebenso Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 75; Kropff, FS Hüffer, 539 (545 ff.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 133. 11 Kropff, FS Hüffer, 539 (545 ff.); Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 75; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 133; offen lassend Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 29 (Fn. 141).

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§ 272 Rz. 102 | Eigenkapital rende Gewinn bzw. erhöht sich die Verlustübernahmepflicht, wenn eine Verrechnung mit freien Rücklagen nicht möglich ist.1 102

Eine Rangordnung für die Verrechnung sieht Abs. 1a nicht vor, so dass der Bilanzierende entsprechend frei ist, soweit die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag keine entsprechenden Einschränkungen vorsieht.

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Keine Regelung enthält Abs. 1a für den Fall, dass eine Verrechnung des Unterschiedsbetrags mit freien Rücklagen nicht möglich ist, da diese nicht bestehen. Allerdings setzen die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften (§ 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) voraus, dass ein Erwerb nur dann zulässig ist, wenn eine freie Rücklage gebildet werden könnte, wobei dafür auch die Möglichkeit der Auflösung einer anderen freien Rücklage ausreichend ist.2

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Kein Problem ergibt sich daraus, dass die Verrechnung mit den Rücklagen technisch erst bei der Aufstellung des nächsten Jahresabschlusses erfolgen kann, sich insofern also die Frage nach dem zwischenzeitigen Kapitalschutz stellt. Bei der AG ist dies unbeachtlich, da bei dieser ohnehin nur der Bilanzgewinn (§ 57 Abs. 3 AktG) ausgeschüttet werden kann, der die Aufstellung der Handelsbilanz voraussetzt. Aber auch bei der GmbH ergeben sich keine weiteren Ausschüttungsmöglichkeiten, da die eigenen Anteile nicht aktiviert werden dürfen. Die im Erwerbszeitpunkt noch nicht mögliche Verrechnung mit den freien Rücklagen ist für die Ausschüttungsbegrenzung des § 30 Abs. 1 GmbHG unbeachtlich, da die Rücklagen bei § 30 Abs. 1 GmbHG ohnehin nicht zu berücksichtigen sind.3 f) Ausweis der Verrechnung mit den freien Rücklagen

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Die Verrechnung mit den freien Rücklagen ist in der Verlängerungsrechnung zur Gewinn- und Verlustrechnung in Form der Entnahme aus der entsprechenden Rücklage darzustellen (§ 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 AktG). Die Verwendung für die Verrechnung mit dem Unterschiedsbetrag aufgrund des Erwerbs eigener Anteile ist entsprechend anzugeben.4 Eine bloße Saldierung ohne Berührung der Verlängerungsrechnung zur Gewinn- und Verlustrechnung ist hingegen unzulässig.5 4. Aufwendungen (Abs. 1a Satz 3)

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Nach Abs. 1a Satz 3 sind Aufwendungen, die Anschaffungsnebenkosten sind, als Aufwand des jeweiligen Geschäftsjahres zu berücksichtigen. Bei den Anschaffungsnebenkosten handelt es sich gegenüber den Anschaffungskosten um die Kosten, die dem ursprünglichen Eigentümer der Anteile aufgrund der Veräußerung nicht als Gegenleistung für die Übertragung der Anteile zufließen. Dies gilt vor allem für Provisionen6 und für die Kosten einer due diligence.7 Das für die Berücksichtigung der Anschaffungsnebenkosten maßgebliche Geschäftsjahr ist das Geschäftsjahr, in dem der Eigentumserwerb der eigenen Anteile vollzogen wird. Auf die tatsächliche Leistung der Anschaffungsnebenkosten kommt es insofern nicht an.

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Da Abs. 1a Satz 3 von dem Konzept des § 255 HGB abweicht und die Anschaffungsnebenkosten von den Anschaffungskosten trennt, ist insofern eine Abgrenzung beider Positionen vorzunehmen.8 Auch wenn dies etwa für Ordergebühren, Beratungskosten oder Depotgebühren ohne weiteres möglich ist, kann dies im Einzelfall schwierig sein, wenn die Anschaffungsnebenkosten aufgrund eines höheren Kaufpreises niedriger ausfallen. Maßstab muss dabei insofern der Betrag der durchschnittlichen Anschaffungsnebenkosten für einen entsprechenden Erwerb sein.

1 Müller/Reinke, DStR 2014, 711 (713); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 133. 2 Vgl. auch Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (306). 3 Vgl. nur Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 30 Rz. 19; Verse in Scholz, GmbHG11, § 30 Rz. 55, 68; aA aber wohl Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (285), die von einer gedanklichen Verrechnung ausgehen. 4 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (286). 5 So aber zum bisherigen Recht ADS6, § 272 HGB (ErgBd.) Rz. 17; ebenso Gelhausen, FS Baetge, 189 (206), der dies jedenfalls für nicht unzulässig hält. 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 26; Ebenso Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 73; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 4; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 28. 7 FG Köln v. 6.10.2010 – 13 K 4188/07, EFG 2011, 264, rkr.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 4; offen lassend BFH v. 9.1.2013 – I R 72/11, BStBl. II 2013, 343 Tz. 7. 8 Kritisch zu diesem Regelungskonzept Küting/Reuter, BB 2008, 658 (659).

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D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Rz. 115 § 272

III. Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1b) 1. Entfallen des Ausweises (Abs. 1b Satz 1) Nach Abs. 1b Satz 1 entfällt nach einer Veräußerung der eigenen Anteile deren Ausweis in der Vorspalte. Damit wird also der Ausweis des gezeichneten Kapitals entsprechend geändert. Der Ausweis des gezeichneten Kapitals hat dann wieder entsprechend in der Hauptspalte zu erfolgen.

108

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Entfallen des Ausweises ist der tatsächliche Abgang der eigenen Anteile, so dass also auf das Verfügungsgeschäft und nicht schon auf das Verpflichtungsgeschäft abzustellen ist.1 Dies gilt auch für den Fall, dass die Gegenleistung erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig ist. Die Art der Gegenleistung ist dabei unbeachtlich. Grundsätzlich kommt auch die unentgeltliche Veräußerung in Betracht. Nicht ausreichend für Abs. 1b ist aber die Veräußerung oder Begebung eines Wandel- oder Optionsrechts für die eigenen Anteile, da diese Fälle Abs. 2 Nr. 2 unterfallen.

109

Die Veräußerung der eigenen Anteile unterliegt weit gehenden (gesellschaftsrechtlichen) Beschränkun- 110 gen, die im Aktienrecht (§ 71c AktG) umfangreicher als im GmbH-Recht ausgestaltet sind. Diese Beschränkungen können aufgrund der rechtsformneutralen Ausgestaltung von Abs. 1b allerdings – ebenso wie schon beim Erwerb der eigenen Anteile (Rz. 85) – keine Rolle spielen und sind daher für die Frage der Anwendung von Abs. 1b unbeachtlich. 2. Behandlung des Veräußerungserlöses (Abs. 1b Satz 2 und 3) Der für die Veräußerung der eigenen Anteile der Gesellschaft zufließende Vermögensgegenstand ist zunächst nach den allgemeinen Regeln zu aktivieren.2 Für den Fall der Erbringung einer Sachleistung als Gegenleistung s. Rz. 119.

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Der Veräußerungserlös ist – wie beim Erwerb nach Abs. 1a (Rz. 99) – auch bei der Veräußerung der eige- 112 nen Anteile mit den freien Rücklagen zu verrechnen (Abs. 1b Satz 2 und 3). Dabei sind grundsätzlich drei Grundfallgruppen denkbar. Dabei handelt es sich um die Fälle, dass die Veräußerung zum (Rz. 113), über (Rz. 114 ff.) oder unter (Rz. 117 f.) dem Nennwert bzw. rechnerischen Wert erfolgt. Darüber hinaus muss bei jeder dieser Fallgruppen noch einmal danach differenziert werden, ob gegenüber dem ursprünglichen Erwerbsgeschäft (Rz. 84 ff.) ein Veräußerungsgewinn (Rz. 113, 115 und 118) oder -verlust (Rz. 113, 116 und 118) entsteht. Diese erneute Unterteilung der drei Grundfallgruppen ergibt sich aus dem Umstand, dass Abs. 1b Satz 3 jedenfalls den Fall des gegenüber dem ursprünglichen Erwerbsgeschäft entstehenden Veräußerungsgewinns regelt. a) Veräußerung zum Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert Ausgangspunkt ist dabei der praktisch seltene Fall des Erwerbs und der Veräußerung der Anteile zum 113 Nennbetrag bzw. dem rechnerischen Betrag. Da die Netto-Methode hinsichtlich des Abzugs vom gezeichneten Kapital auf den Nennbetrag bzw. den rechnerischen Betrag abstellt, ergeben sich insofern keine Schwierigkeiten. Die entsprechenden Anteile sind bei einer Veräußerung dem gezeichneten Kapital wieder zuzuschreiben. Dies gilt unabhängig davon, ob mit dieser Veräußerung ein Veräußerungsverlustoder -gewinn entsteht, so dass in diesem Fall vor allem Abs. 1b Satz 3 nicht zur Anwendung kommt. b) Veräußerung über dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert Wenn der Veräußerungserlös den Nennbetrag oder den rechnerischen Wert übersteigt, ist der entspre- 114 chende Differenzbetrag in die freien Rücklagen einzustellen, soweit diese zum ursprünglichen Erwerb der eigenen Anteile nach Abs. 1a aufgezehrt wurden. Damit soll der vor dem Erwerb der eigenen Anteile bestehende Zustand hinsichtlich der freien Rücklagen wieder hergestellt werden.3 Daraus ergibt sich auch zugleich, dass eine Einstellung dieses ursprünglich zum Erwerb der eigenen Anteile aus den freien Rücklagen aufgebrachten Betrags in die Kapitalrücklage als Aufgeld nach Abs. 2 Nr. 1 nicht in Betracht kommt.4 Wenn die Gesellschaft bei der Veräußerung der eigenen Anteile im Vergleich zu den ursprünglichen An- 115 schaffungskosten einen Veräußerungsgewinn erzielt, ist dieser Mehrbetrag nicht in die freien Rücklagen, sondern vielmehr in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 einzustellen (Abs. 1b Satz 3). Die Berücksichti1 In diesem Sinne wohl auch Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (288); aA Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 149. 2 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 42. 3 Begr RegE BilMoG, BR-Drucks. 344/08, 143 f. 4 So ausdrücklich Begr RegE BilMoG, BR-Drucks. 344/08, 143 f.

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§ 272 Rz. 116 | Eigenkapital gung dieses Veräußerungsgewinns in der Kapitalrücklage und nicht in den freien Rücklagen rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Veräußerung eigener Anteile um eine wirtschaftliche Kapitalerhöhung handelt.1 Für die GmbH hat diese Unterscheidung aufgrund der fehlenden kapitalgesellschaftsrechtlichen Bindung der Kapitalrücklage (Rz. 197) keine Bedeutung, so dass bei dieser der Veräußerungsgewinn nicht in die Rücklagen eingestellt werden muss. 116

Für den Fall, dass die Gesellschaft bei der Veräußerung der Anteile weniger als die ursprünglichen aufgebrachten Anschaffungskosten und damit einen Veräußerungsverlust erzielt, ist eine entsprechende – aber im Vergleich zur ursprünglichen Reduzierung im Rahmen des Erwerbs (Rz. 98) keine weitere – Reduzierung der freien Rücklagen vorzunehmen.2 Insofern bestimmt der Veräußerungserlös in diesem Fall die Höhe der jeweiligen freien Rücklage. Dies ergibt sich aus dem Konzept der Netto-Methode bzw. der damit verbundenen Trennung zwischen Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert einerseits und der Berücksichtigung etwaiger Differenzbeträge bei den freien Rücklagen andererseits. Die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise ergibt sich letztlich aus dem Umstand, dass die Netto-Methode auf einen Ausweis der eigenen Anteile auf der Aktivseite verzichtet, diese also nicht mit den fortgeführten Anschaffungskosten berücksichtigt werden können. Eine weiter gehende Berücksichtigung des Verlusts aus der Veräußerung gegenüber der schon beim Erwerb erfolgten Reduzierung der freien Rücklagen wäre nicht sachgerecht, da es sich dabei um eine doppelte bilanzielle Berücksichtigung handeln würde.3 c) Veräußerung unter dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert

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Zudem ist noch denkbar, dass die Gesellschaft die Anteile unter pari veräußert, was trotz des Verbots der Unter-pari-Emission (§ 9 Abs. 1 AktG, §§ 9, 19 Abs. 2 und 3, 30 GmbHG) zulässig ist, da dieses nur die erstmalige Ausgabe von Aktien bzw. GmbH-Anteilen erfasst.4 Da bei diesem Fall kein übersteigender Differenzbetrag iSv. Abs. 1b Satz 2 entstehen kann, ist eine Verrechnung in den Rücklagen ausgeschlossen. Die beim Erwerb der eigenen Anteile erfolgte Reduzierung der freien Rücklagen (Rz. 100) wird daher nicht rückgängig gemacht. Unabhängig davon muss aber Abs. 1b Satz 1 entsprochen werden, so dass die Absetzung in der Vorspalte beendet werden muss.5

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Entsteht bei einer Veräußerung unter dem Nennwert bzw. dem rechnerischen Wert ein Veräußerungsgewinn, kommt Abs. 1b Satz 3 zur Anwendung, so dass der Veräußerungsgewinn in die Kapitalrücklage einzustellen ist.6 Kommt es hingegen bei der Veräußerung zu einem Veräußerungsverlust, muss dieser mit den freien Rücklagen verrechnet werden.7 d) Erzielung des Veräußerungserlöses als Sachleistung

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Für den Fall, dass die Gesellschaft Sachleistungen statt Barleistungen als Veräußerungserlös erhält, sieht Abs. 1b keine Regelung vor. Es erscheint vor dem Hintergrund des mit Abs. 1b verfolgten Gläubigerschutzes (Rz. 4 f.) aber sachgerecht, insofern auf den objektiven (Zeit-)Wert der erworbenen Sache abzustellen, zumal dieser Fall wirtschaftlich einer Sachkapitalerhöhung gleichkommt.8 Würde man einen niedrigeren Wert zulassen, hätte man jedenfalls im Verhältnis zur ordentlichen Sachkapitalerhöhung eine systematische Schieflage im Hinblick auf Abs. 2 Nr. 1, da dort das sich aus dem objektiven Zeitwert der Sacheinlage ergebende Aufgeld vollständig in die Kapitalrücklage eingestellt werden muss (Rz. 139 ff.).

1 Vgl. zu den Regelungshintergründen Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (291). 2 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (289). 3 Ähnlich Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (289 f.). 4 Vgl. Mock in GroßKomm AktG5, § 9 Rz. 48. 5 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (290). 6 Ebenso Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 144; aA Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 82. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 27; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 144, aA aber Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (290); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 40 (mit einer erfolgswirksamen Berücksichtigung). 8 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (289); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 42; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 148; WP-Handbuch14, I F Rz. 328.

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D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Rz. 126 § 272

e) Behandlung von eigenen Anteilen bei mehreren Veräußerungsvorgängen und fehlender Unterscheidbarkeit der Anteile Die in Rz. 113 ff. dargestellten Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn mehrere Veräußerungsvor- 120 gänge vorgenommen werden. Daher darf insbes. keine Verrechnung der sich bei den einzelnen Veräußerungsvorgängen ergebenen Beträge vorgenommen werden. Werden eigene Anteile aus einem Bestand in mehreren Veräußerungsvorgängen zu verschiedenen Preisen veräußert, müssen die in den Rz. 113 ff. dargestellten Grundsätze ebenfalls angewendet werden. Dies gilt schließlich auch für den Fall, dass die veräußerten Anteile ursprünglich zu unterschiedlichen Preisen erworben wurden. Soweit die Anteile nicht individualisierbar sind und ursprünglich zu unterschiedlichen Preisen erworben 121 wurden, muss für die Berechnung des Veräußerungserlöses auf den Durchschnittserwerbspreis aller Anteile abgestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn zwischen dem Erwerb und der Veräußerung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, da sich bei einer fehlenden Unterscheidbarkeit der Anteile eine genaue Zuordnung nicht vornehmen lässt.1 f) Einstellung in die Rücklagen Soweit bei einer Veräußerung eine Einstellung in die freien Rücklagen erfolgen muss, sind dabei die Rück- 122 lagen wieder aufzufüllen, die beim Erwerb der eigenen Anteile genutzt wurden (Rz. 100 ff.), da Abs. 1b Satz 2 von einer Einstellung in die jeweiligen Rücklagen ausgeht.2 Bei der Veräußerung der eigenen Anteile handelt es sich um eine Rückgängigmachung des Erwerbs der eigenen Anteile, der bei der Einstellung in die Rücklagen entsprechend berücksichtigt werden muss. Soweit die ursprüngliche Verrechnung beim Erwerb der eigenen Anteile zu Lasten des Jahresergebnisses erfolgt ist oder zu einem Bilanzverlust geführt hat, muss der entsprechende Betrag in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden, da er ansonsten nicht berücksichtigt werden kann.3 Damit ist der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben, ggf. einen ausschüttbaren Bilanzgewinn auszuweisen; ggf. ist eine quotale Berücksichtigung notwendig. g) Ausweis der Einstellungen in die Rücklagen Die Einstellung in die freien Rücklagen ist nicht in der Verlängerungsrechnung zur Gewinn- und Verlust- 123 rechnung zu zeigen, sondern direkt in der Bilanz vorzunehmen. Es muss auch kein gesonderter Ausweis nach § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG erfolgen, da die Einstellung nach Abs. 1b Satz 2 keine Rücklagenzuführung aus dem Jahresergebnis ist.4 Dies gilt auch für die Einstellung eines etwaigen Veräußerungsgewinns in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.).5 3. Nebenkosten (Abs. 1b Satz 4) Nach Abs. 1b Satz 4 werden die Nebenkosten der Veräußerung – ebenso wie beim Erwerb der eigenen An- 124 teile (Rz. 106 ff.) – als Aufwand des jeweiligen Geschäftsjahres erfasst. Zu den Nebenkosten gehören vor allem die anfallenden Transaktionskosten.6

IV. Erwerb und Veräußerung innerhalb eines Geschäftsjahres Keine ausdrückliche Regelung enthalten die Abs. 1a und 1b allerdings für den Fall des unterjährigen Er- 125 werbs und der Veräußerung der eigenen Anteile. Auch wenn der Regelungsmechanismus der Abs. 1a und 1b offenbar davon ausgeht, dass zwischen Erwerb und Veräußerung mindestens ein Jahresabschluss aufgestellt wird, sind die Bestimmungen von Abs. 1a und 1b auch anzuwenden, wenn dies nicht der Fall ist.7 Daher ist der Veräußerungsgewinn bei einem Übersteigen der Anschaffungskosten in die freien Rück- 126 lagen (Abs. 1b Satz 2) bzw. in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 (Abs. 1b Satz 3) einzustellen (Rz. 106). 1 AA Oser/Kropp, Der Konzern 2012, 190 f.; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 146. 2 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (290); aA aber Blumenberg/Roßner, GmbHR 2008, 1079 (1081), die insofern von einem Wahlrecht ausgehen. 3 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (290); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 147. 4 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (291); ebenso für den Fall der Dotierung von Gewinnrücklagen durch die Hauptversammlung Euler/Sabel in in Spindler/ Stilz, AktG3, § 158 Rz. 12. 5 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (291 f.). 6 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (292). 7 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (292); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 43.

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§ 272 Rz. 127 | Eigenkapital Ein etwaiger Mindererlös ist mit den freien Rücklagen zu verrechnen (Abs. 1a Satz 2, Abs. 1b Satz 2 – Rz. 100, 122). Keine Berücksichtigung finden allerdings die Regelungen zum Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1a Satz 1, Abs. 1b Satz 1). Soweit es sich um eine AG handelt, müssen der Erwerb und die Veräußerung der eigenen Anteile im Anhang erläutert werden (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 AktG).

V. Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren 127

Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten oder Finanzunternehmen kann aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung gestattet werden, mit einer bestimmten Anzahl von eigenen Aktien Handel zu betreiben (§ 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG). Dieser Handelsbestand verzeichnet dann typischerweise eine Vielzahl täglicher Aktienkäufe und –verkäufe, die in Umfang und Anzahl von einer (regulären) Kapitalgesellschaft erheblich abweichen können. Die auch für diesen Fall bestehende Anwendung der Abs. 1a und 1b würde dazu führen, dass entsprechende Gewinne immer in der Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 gebunden wären (Rz. 195 ff.) und entsprechende Verluste die freien Rücklagen entsprechend reduzieren würden (Rz. 100 ff.). Da dies mit dem Zweck der Ermächtigung des § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG1 nicht zu vereinbaren ist, müssen die Abs. 1a und 1b entsprechend teleologisch reduziert werden, so dass lediglich eine Gegenüberstellung des Aktienbestands zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres erfolgen muss.2 Die für die Anwendung der Abs. 1a und 1b dann maßgeblichen Anschaffungs- und Veräußerungswerte können dann nach einer vereinfachten Bewertungsmethode bestimmte werden. Auch wenn es sich bei eigenen Anteilen nicht um Vermögensgegenstände handelt, sind §§ 256 Satz 2, 240 Abs. 4 HGB (§ 256 HGB Rz. 15, § 240 Abs. 4 HGB Rz. 32 ff.) entsprechend anzuwenden.

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Eine entsprechende Ausweitung dieser telelogischen Reduktion der Abs. 1a und 1b auf andere Fälle des § 71 Abs. 1 AktG ist aber nicht angezeigt. Dies gilt dabei insbes. für den Fall des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. Auch wenn die Hauptversammlung dem Vorstand eine Ermächtigung zum Erwerb (und zur Veräußerung) eigener Aktien erteilen kann, wird in § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 AktG der Handel in eigenen Aktien ausdrücklich ausgenommen. Das bei § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG schon der Sache nach vorausgesetzte Massengeschäft soll bei § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG gerade nicht bestehen,3 so dass es bei der Anwendung der Abs. 1a und 1b bleibt.4

VI. Einziehung der Anteile 129

Keiner gesetzlichen Regelung ist schließlich der Fall der Einziehung von (eigenen) Anteilen zugeführt worden. Dabei gilt, dass mit der Einziehung der bisherige Vorspaltenausweis des (eigenen) Anteils entfällt, da die Einziehung den Anteil mit allen Rechten und Pflichten untergehen lässt.5 Das gezeichnete Kapital ist dann mit dem reduzierten Betrag auszuweisen.6 Im Fall der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§§ 237 Abs. 3 Nr. 1–2 AktG) ist der Betrag in die Kapitalrücklage einzustellen, der dem Betrag des Grundkapitals gleichkommt, der auf die eingezogenen Aktien entfällt (§ 237 Abs. 5 AktG). Somit wird der Wegfall des bisherigen Vorspaltenausweises durch eine Dotierung der Kapitalrücklage ausgeglichen. Die Dotierung geht dann entweder zu Lasten des Jahresergebnisses oder der freien Rücklagen.7 Für den Ausweis gilt im Übrigen § 240 AktG.

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Bei der GmbH kann die Einziehung aufgrund von § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG nur zusammen mit einer Kapitalherabsetzung erfolgen, da nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmen muss.8 Darüber hinaus kommt auch eine Revalorisierung in Betracht.9 Soweit die GmbH daher den eigenen Geschäftsanteil einziehen will, ist damit entwe1 Zum Regelungszweck von § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG vgl. Cahn in Spindler/Stilz, AktG3, § 71 Rz. 84; Merkt in GroßKomm. AktG4, § 71 Rz. 238. 2 Im Ergebnis ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (292 f.); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 43. 3 Zum Regelungszweck von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG vgl. Merkt in GroßKomm. AktG4, § 71 Rz. 255. 4 AA Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (293). 5 Vgl. für die AG Oechsler in MünchKomm. AktG4, § 237 Rz. 116; vgl. auch für die GmbH Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG8, § 34 Rz. 74. 6 ADS6, § 272 HGB (ErgBd.) Rz. 27; Förschle/Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Rz. Q 96. 7 Vgl. zum Ganzen ausführlich Förschle/Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Rz. Q 96; Gelhausen, FS Baetge, 189 (202 ff.). 8 AA aber offenbar Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (293). 9 Vgl. dazu ausführlich Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 34 Rz. 20.

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D. Erwerb und Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a und 1b)

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Rz. 135 § 272

der eine Kapitalherabsetzung oder eine Neubildung des Geschäftsanteils verbunden. Für beide Möglichkeiten gelten dann die allgemeinen Vorschriften des Abs. 1 (Rz. 49 ff.). Soweit der eingezogene Geschäftsanteil zuvor von der Gesellschaft erworben wurde, entfällt entsprechend der bisherige Vorspaltenausweis des (eigenen) Anteils. Bei Erwerb und Einziehung der Anteile im gleichen Geschäftsjahr kommt eine Berücksichtigung in der Vorspalte bzw. eine entsprechende Aufhebung nicht in Betracht. Allerdings sind in der Bilanz das – jedenfalls bei der AG – geminderte gezeichnete Kapital und die Verminderung der freien Rücklagen sichtbar.1

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VII. Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs und der Veräußerung eigener Anteile 1. Ebene der Gesellschaft a) Erwerb eigener Anteile Der Erwerb eigener Anteile stellt – in Fortführung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Abs. 1a und 132 1b (Rz. 83) – keinen Anschaffungsvorgang dar, sondern ist in analoger Anwendung von § 28 Abs. 2 KStG als Herabsetzung des Nennkapitals zu betrachten.2 Das steuerliche Einlagekonto des Gesellschafters wird in Höhe des den Nennbetrag bzw. den rechnerischen Betrag übersteigenden Erwerbspreises gemindert (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG). Erfolgt der Erwerb zu einem Preis unterhalb des Nennbetrags bzw. des rechnerischen Betrags (Rz. 99), bleibt das steuerliche Einlagenkonto hingegen unverändert. Zudem ist dann von einer Kapitalherabsetzung ohne Auszahlung auszugehen, so dass § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG entsprechend anzuwenden ist. Erfolgt der Erwerb zu einem Preis oberhalb des Nennbetrags bzw. des rechnerischen Betrags (Rz. 98), erhöht sich das steuerliche Einlagenkonto. Die Annahme einer verdeckten Einlage (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG) ist aufgrund der fehlenden Aktivierbar- 133 keit von eigenen Anteilen ausgeschlossen.3 Darüber hinaus stellt der Erwerb des eigenen Anteils durch eine (gemischt) verdeckte Einlage eine (gemischte) freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) aus.4 Aufwendungen für den Erwerb der eigenen Anteile (Rz. 106 f.) sind als Betriebsausgaben abziehbar. b) Veräußerung eigener Anteile In Übereinstimmung mit der Rechtslage beim Erwerb der eigenen Anteile stellt auch die Veräußerung 134 kein Veräußerungsgeschäft, sondern eine Erhöhung des Nennkapitals dar.5 Daher entsteht bei der Gesellschaft auch kein Veräußerungsgewinn oder -verlust. Das steuerliche Einlagekonto erhöht sich bei einer Veräußerung über dem Nennwert. Bei einer Veräußerung unterhalb des Nennbetrags bzw. des rechnerischen Betrags (Rz. 117) ist der Differenzbetrag als eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu behandeln, so dass sich das steuerliche Einlagekonto entsprechend vermindert (§ 28 Abs. 1 KStG analog).6 Erfolgt die Veräußerung schließlich zu einem zu niedrigen Kaufpreis, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) vor. Die Aufwendungen für die Veräußerung der eigenen Anteile (Rz. 124) sind als Betriebsausgaben abziehbar. 2. Ebene des Gesellschafters Für den Gesellschafter stellt sich der Erwerb und die Veräußerung der Anteile als Erwerbs- oder Veräuße- 135 rungsgeschäft dar, das den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen unterliegt.7

1 Vgl. dazu ausführlich Gelhausen, FS Baetge, 189 (209 ff.). 2 BMF v. 27.11.2013 – IV C 2 - S 2742/07/10009 – DOK 2013/1047768, BStBl. I 2013, 1615; so bereits Thiel, DB 1998, 1583 (1585); Thiel, FS L. Schmidt, 569 ff.; aA aber Hüttemann, FS Herzig, 595 (605). 3 Briese, GmbHR 2016, 49 (55); aA Schmidtmann, Ubg. 2014, 326 (332); offen lassend BFH v. 20.1.2016 – II R 40/14, E Tz. 20 = DStR 2016, 743. 4 BFH v. 20.1.2016 – II R 40/14, DStR 2016, 743 Tz. 21; Eilers/Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz. 140 (Stand Sept. 2010). 5 BMF v. 27.11.2013 – IV C 2 - S 2742/07/10009 – DOK 2013/1047768, BStBl. I 2013, 1615; aA Hüttemann, FS Herzig, 595 (605). 6 BMF v. 27.11.2013 – IV C 2 - S 2742/07/10009 – DOK 2013/1047768, BStBl. I 2013, 1615. 7 BMF v. 27.11.2013 – IV C 2 - S 2742/07/10009 – DOK 2013/1047768, BStBl. I 2013, 1615.

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§ 272 Rz. 136 | Eigenkapital

E. Kapitalrücklage (Abs. 2) I. Zusammensetzung und Bildung der Kapitalrücklage 136

Die Kapitalrücklage besteht aus den Beträgen, die von den Gesellschaftern in das Eigenkapital geleistet werden oder im Rahmen von bestimmten Kapitalherabsetzungen entstehen. Es werden also die Vermögensmehrungen in die Kapitalrücklage eingestellt, die lediglich in einem Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung stehen, von den Gesellschaftern erbracht werden und nicht aus erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft stammen.1 Eine Einstellung in die Kapitalrücklage ist daher für Einlagen auf das gezeichnete Kapital ausgeschlossen. Ebenso kann grundsätzlich auch nicht das aus dem erwirtschafteten Ergebnis gebildete Vermögen in die Kapitalrücklage eingestellt werden, da dies nur in Bezug auf die Gewinnrücklagen vorgenommen werden kann (Rz. 207 ff.). Die Auflistung in Abs. ist 2 nicht abschließend, sondern wird durch die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Spezialregelungen weiter ergänzt (Rz. 191 ff.). Allerdings kann die Pflicht zur Einstellung die Kapitalrücklage nicht abbedungen werden.2

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Die Einstellung in die Kapitalrücklage und deren Auflösung sind bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen (§ 270 Abs. 1 HGB). Die Regelungen zur Kapitalrücklage sind für alle Kapitalgesellschaften zwingend (Rz. 191 ff.) und können daher auch nicht durch entsprechende Satzungs- oder Vertragsregelungen oder entsprechende Gewinnverwendungsbeschlüsse3 modifiziert werden. Eine mittelbare Ausnahme bildet insofern nur das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren (Rz. 185). Im Hinblick auf die Bildung von Rücklagen steht den Gesellschaftern lediglich die Schaffung (zusätzlicher) Gewinnrücklagen offen. Eine Einflussnahme auf die Höhe der Kapitalrücklage haben die Gesellschafter nur bei der AG indirekt über Bestimmung der Höhe des Grundkapitals (§ 150 Abs. 2 AktG).

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Die Bildung der Kapitalrücklage geschieht erfolgsneutral.4 Eine Ausnahme davon besteht lediglich für § 240 AktG für den Fall der Kapitalherabsetzung. Für die Auflösung der Kapitalrücklage s. Rz. 195 ff.

II. Aufgeld bei der Ausgabe von Anteilen (Abs. 2 Nr. 1) 1. Grundlagen 139

In die Kapitalrücklage ist zunächst das Aufgeld bei der Ausgabe von Anteilen einschließlich von Bezugsanteilen einzustellen. Dabei handelt es sich um den Betrag, der bei der Ausgabe von Nennbetragsanteilen – einschließlich von Bezugsanteilen (Rz. 143) – über den Nennbetrag oder, falls wie bei Stückaktien (§ 8 Abs. 3 AktG) ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, über den rechnerischen Wert5 hinaus erzielt wird. Das Aufgeld kann in allen Konstellationen auftreten, in denen die Gesellschaft Anteile (erstmalig) ausgibt. Dies ist bei der Aktiengesellschaft bzw. der Kommanditgesellschaft auf Aktien bei der Gründung der Gesellschaft (§ 9 Abs. 2 AktG), bei Kapitalerhöhungen (§ 185 AktG), bei mittelbaren Bezugsrechten, Verschmelzungen, bei Vorratsaktien und schließlich beim Umtausch von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen in Aktien der Fall.6 Für die GmbH ist das Aufgeld hingegen auf die Gründung, die Kapitalerhöhung und die Verschmelzung beschränkt.

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Das Aufgeld ist dabei von den sonstigen Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) abzugrenzen. Zwar muss ein getrennter Ausweis nicht zwingend erfolgen (Rz. 200 ff.), allerdings ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Auflösung der Kapitalrücklage (Rz. 195 ff.), die eine Abgrenzung zwingend notwendig machen. Ausgangspunkt der Abgrenzung ist die Bezeichnung des aufzubringenden Kapitals. Fehlt es an einer solchen, ist eine Auslegung erforderlich, die sich vor allem daran zu orientieren hat, ob die Parteien die mit dem Aufgeld verbundenen kapitalschutzrechtlichen Bindungen eingehen wollten und ob für eine Nichtleistung korporative Sanktionen vorgesehen sind.7 Das Bestehen eines eigenen Leistungsanspruchs 1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 30; ähnlich Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 160; vgl. zum Sinn und Zweck der Kapitalrücklage ausführlich Kropff, ZGR 1987, 285 (292 ff.); Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 197 f. 2 Becker, NZG 2003, 510 (516 f.); Hennrichs, FS Hoffmann-Becking, 511 (514); Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 97; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 68. 3 Vgl. ADS6, § 272 HGB Rz. 78. 4 Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 93. 5 Zu diesem Begriff Mock in GroßKomm AktG5, § 8 Rz. 153. 6 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 67; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 170. 7 Dazu ausführlich Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 127; vgl. auch Becker, NZG 2003, 510 (512); Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 102; Priester, FS Röhricht, 467 (469); Vatter in Spindler/Stilz, AktG3, § 9 Rz. 39.

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 147 § 272

der Gesellschaft ist hingegen ohne Bedeutung.1 Ebenfalls kein zwingendes Argument für die Abgrenzung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Ausgabebetrag ohne die Zuzahlung angemessen ist und ob die Zuzahlung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Finanzierungsmaßnahme steht. Denn auch in diesen Fällen kann ohne weiteres lediglich eine sonstige Zuzahlung nach Abs. 2 Nr. 4 gewollt sein. Die Abgrenzung ist weder durch den Gründungsprüfer noch durch das Registergericht2 überprüfbar. Letzteres kann eine Prüfung nur dann vornehmen, wenn weder die Übernahmeerklärung noch der Hauptversammlungsbeschluss oder der Zeichnungsschein Angaben zu einem Aufgeld enthalten.3 2. Wirksame Anteilsausgabe Der Begriff des Anteils setzt aufgrund des Regelungszusammenhangs voraus, dass dieser Eigenkapitalcha- 141 rakter hat (Rz. 41). Daher sind insbes. Zuzahlungen an die Gesellschaft für die Gewährung von Anteilen an den Gesellschaftern durch diese nicht von Abs. 2 Nr. 1 erfasst.4 Abs. 2 Nr. 1 beschränkt sich daher auf die Anteilsausgabe an der bilanzierenden Gesellschaft selbst. Als Anteile iSv. Abs. 2 Nr. 1 kommen neben Geschäftsanteilen (§ 14 GmbHG) alle Arten von Aktien in Betracht. Dies gilt auch für Vorratsaktien, die von einem Zeichner für Rechnung der AG zur Veräußerung übernommen werden, auch wenn diese für den Zeichner keinerlei Mitgliedschaftsrechte begründen können (§ 56 Abs. 3 Satz 3, 160 Abs. 1 Nr. 1 AktG).5

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Ebenso erfasst werden – kraft ausdrücklicher Nennung – Bezugsaktien (§ 192 AktG), die allerdings nur für die AG und die KGaA in Betracht kommen. Bei Bezugsanteilen handelt es sich nur um Bezugsaktien, die nach § 192 AktG bei der bedingten Kapitalerhöhung entstehen.6 Für die GmbH ist die Ausgabe derartiger Anteile aufgrund einer fehlenden Parallelregelung zu §§ 192 ff. AktG nicht möglich.

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Unberücksichtigt im Rahmen von Abs. 2 Nr. 1 bleiben allerdings Aktienoptionen und Umtauschrechte 144 auf Wandelschuldverschreibungen.7 Diese können nur indirekt Berücksichtigung finden, wenn auf deren Grundlage tatsächliche Aktien ausgegeben werden und ein entsprechendes Aufgeld erzielt wird. Darüber hinaus werden diese auch von Abs. 2 Nr. 2 erfasst (Rz. 156 ff.). Auch Genussrechte sind nicht unter Abs. 2 Nr. 1 zu fassen, soweit sie keinen Eigenkapitalcharakter ha- 145 ben.8 Das Aufgeld bei der Ausgabe von Genussrechten ist als passiver Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen (§ 250 Abs. 2 HGB), soweit es sich um eine Gegenleistung für künftige Leistungen an den Inhaber der Genussrechte handelt.9 Schließlich muss eine wirksame Anteilsausgabe vorliegen, wofür die Eintragung der Gesellschaft (§ 41 146 Abs. 1 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG) vorgenommen bzw. die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen worden sein muss (§ 189 AktG, § 54 Abs. 3 GmbHG). Soweit das Aufgeld schon vor der Handelsregistereintragung eingezahlt wurde (Vorleistung), ist es als Verbindlichkeit direkt nach dem Eigenkapital als Posten „zur Durchführung der beschlossenen Kapitalerhöhung geleistete Einlage“ auszuweisen,10 da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht der für das Aufgeld typischen Kapitalbindung unterfällt. Zur Parallelproblematik bei der Leistung auf das gezeichnete Kapital (Rz. 80). 3. Festsetzung des Aufgelds Die Bildung einer Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 ist nur für den Fall vorgesehen, dass ein Betrag erzielt wird, der den Nennbetrag bzw. den entsprechenden rechnerischen Betrag übersteigt. Voraussetzung dafür 1 Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 127; Priester, FS Röhricht, 467 (469); aA BayObLG v. 27.2.2002 – 3 Z BR 35/ 02, NZG 2002, 583 = ZIP 2002, 1484. 2 Lüssow, Das Agio im GmbH- und Aktienrecht, 185 f.; Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 135; Priester, FS Röhricht, 467 (474); Schorling/Vogel, AG 2003, 86 (91); wohl auch KK/Dauner-Lieb3 § 9 Rz. 36; Vatter in Spindler/ Stilz/Vatter3 Rz. 42; aA BayObLG v. 27.2.2002 – 3Z BR 35/02, NZG 2002, 583 = AG 2002, 510. 3 Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 135; Priester, FS Röhricht, 467 (474); Schorling/Vogel, AG 2003, 86 (91). 4 Ebenso für den Fall des Beitritts zu einer (atypisch) stillen Gesellschaft an einer AG mit Leistung eines Aufgelds an die Aktiengesellschaft BFH v. 9.8.2010 – IV B 123/09, BFH/NV 2010, 2266. 5 ADS6, § 272 HGB Rz. 101 ff.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 67. 6 ADS6, § 272 HGB Rz. 92; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 34; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 108; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 171. 7 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 67; Singhof in HdJ, III/2 Rz. 117 (Stand Juni 2008). 8 Zu Genussrechten mit Eigenkapitalcharakter siehe Hüffer/Koch, AktG12, § 221 Rz. 31 ff.; Seiler in Spindler/Stilz, AktG3, § 221 Rz. 28 f.; s. zu den Genussrechten auch oben Rz. 45. 9 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 67. 10 ADS6, § 272 HGB Rz. 93; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 12 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 67; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 51, 176.

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§ 272 Rz. 148 | Eigenkapital ist zunächst eine entsprechende Festsetzung des Aufgelds.1 Bei der AG muss das Aufgeld bereits bei der Gründung in der Satzung (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG)2 bzw. bei der Kapitalerhöhung im entsprechenden Zeichnungsschein festgesetzt werden (§ 185 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Eine Ausnahme besteht insofern bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss, bei der ein Aufgeld zwingend erhoben werden muss (§ 255 Abs. 2 AktG). Bei der GmbH erfordert die Festsetzung eines Aufgelds bei der Gründung der Gesellschaft eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 2 GmbHG)3 und bei der Kapitalerhöhung einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss, wobei die Entscheidung auch dem Geschäftsführer bei hinreichend nachvollziehbaren Regeln überlassen bleiben kann.4 Eine Einstellung des Aufgelds in die Kapitalrücklage ist aber nur möglich, wenn ein Aufgeld auch erzielt wurde. Maßgeblich ist dabei die tatsächliche Leistung des Aufgelds an die Gesellschaft. 148

Beträge die erzielt wurden, obwohl sie keine den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechende Festsetzung erfahren haben, sind kein Aufgeld und können daher auch nicht im Rahmen von Abs. 2 Nr. 1 in die Kapitalrücklage eingestellt werden.5 Allerdings können diese Beträge unter Abs. 2 Nr. 4 fallen (Rz. 179 ff.). 4. Berechnung des Aufgelds

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Als Aufgeld ist der vollständige Mehrbetrag in die Kapitalrücklage einzustellen, der bei der Ausgabe der jeweiligen Anteile erzielt wird, und zwar unabhängig davon, ob die Summe von Nennbetrag und Aufgeld den tatsächlichen Verkehrswert des Anteils überschreitet.6 Dies bedeutet, dass bei der Ausgabe mehrerer Anteile das Aufgeld der jeweiligen Anteilsausgabe zuzuordnen ist. Dabei bezieht sich das geleistete Aufgeld im Zweifel immer auf die vorherige Anteilsausgabe. Eine nachträgliche Zuordnung bzw. Erhöhung eines früheren Aufgelds ist nach Abschluss des Gründungsvorgangs bzw. der Kapitalerhöhung nicht mehr möglich, auch wenn das Aufgeld den Verkehrswert des zuletzt ausgegebenen Anteils deutlich übersteigt.7 Beim Aufgeld dürfen die Kosten für die Ausgabe der Anteile nicht abgezogen werden, sind aber als Aufwand des jeweiligen Geschäftsjahres zu berücksichtigen (§ 248 I Nr. 1 HGB bzw. arg. Abs. 1a Satz 2).8 Vertragsstrafen und Verzugszinsen sind als Ertrag zu behandeln.9 Für die Berücksichtigung des noch nicht geleisteten Aufgelds s. Rz. 155.

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Bei der Sacheinlage berechnet sich das Aufgeld aus der Differenz zwischen dem zugrunde gelegten Wert der Sacheinlage und dem Nennwert der Anteile, die für die Sacheinlage ausgegeben wurden.10 Bei der Bewertung der Sacheinlage gelten die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Schranken für Sacheinlagen. Soweit die Sacheinlage unter ihrem tatsächlichen Wert angesetzt wird, entsteht ein stilles oder verdecktes Aufgeld.11 Dieses ist dann nicht in die Kapitalrücklage einzustellen,12 da eine Unterbewertung der Sacheinlage 1 Vgl. zu den einzelnen Fallgruppen der Festsetzung ausführlich Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 25 ff. 2 Zur zwingenden Angabe über ein Aufgeld vgl. Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 90; Pentz in MünchKomm. AktG4, § 23 Rz. 60. 3 Vgl. zu Festsetzung eines Aufgelds bei der Gründung der GmbH Emmerich in Scholz, GmbHG11, § 3 Rz. 74a; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 3 Rz. 39. 4 Vgl. nur Zöllner/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 55 Rz. 13. 5 Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; aA aber wohl Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 67, der sowohl gesellschafts- als auch schuldrechtliche Vereinbarungen genügen lassen will. 6 BFH v. 27.5.2009 – I R 53/08, E 226, 500 Tz. 15 = GmbHR 2010, 156; Hüttemann/Meyer in GroßKomm. 5, § 272 HGB Rz. 34; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 68. 7 Ebenso BFH v. 27.5.2009 – I R 53/08, E 226, 500, Tz. 13 ff. = GmbHR 2010, 156; Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 100 ff. 8 ADS6, § 272 HGB Rz. 93; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 33; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 103; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 6; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 69; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 172. 9 ADS6, § 272 HGB Rz. 94. 10 ADS6, § 272 HGB Rz. 95; Hüttemann/Meyer in GroßKomm. 5, § 272 HGB Rz. 35; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 70 (Stand Juni 2017); Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 37; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 174. 11 Vgl. dazu ausführlich Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 185 ff.; Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 38. 12 ADS6, § 272 HGB Rz. 95; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 70 (Stand Juni 2017); Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 120; Röper/Leffers, WPg. 2007, 1024; wohl auch Förschle/Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Rz. D 198; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1407, der von einem Wahlrecht ausgeht; aA Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 224 ff., die darin ein Umgehungsgeschäft sieht. Ähnlich Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 35; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 109 ff.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 70; Schall in GroßKomm. AktG5, § 27 Rz. 193; offen lassend Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 174.

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 155 § 272

gesellschaftsrechtlich grundsätzlich zulässig ist1 und diese Vorgaben auch für Abs. 2 Nr. 1 maßgeblich sind. Das mit Sacheinlagen typischerweise verbundene Risiko der Bewertung kann nicht grundsätzlich auf Abs. 2 Nr. 1 verlagert werden, da anderenfalls bereits kleinste Unterbewertungen eine Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung aufgrund unzureichender Rücklagenbildung darstellen würden. Das Aufgeld bei der Verschmelzung mit Kapitalerhöhung richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Sacheinlage.2 Bei der Ausgabe von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei einer AG unter Einschaltung eines 151 Kreditinstituts durch ein mittelbares Bezugsrecht (§ 186 Abs. 5 AktG) berechnet sich das Aufgeld aus der Differenz zwischen dem Nennbetrag der Aktien und dem Ausgabekurs, zu dem das Kreditinstitut die Aktien übernimmt.3 Dabei ist es auch zulässig, die Aktien zunächst zum geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG) an das Emissionsinstitut abzugeben, das dann lediglich die Mindesteinlage von 25% des geringsten Ausgabebetrags zahlt, womit die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung im Handelsregister eingetragen werden kann. Die eigentlich für die Eintragung im Handelsregister notwendig erfolgte Zahlung des Aufgelds kann dabei außer Betracht bleiben, wenn sich das Emissionshaus verpflichtet, einen über die angemessene Vergütung hinausgehenden Betrag an die Gesellschaft abzuführen.4 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Erhöhungsbetrag nicht von einem Kreditinstitut iSv. § 186 Abs. 5 AktG übernommen wird.5 Soweit die AG junge Aktien an ein Kreditinstitut zum Nominalwert ausgibt und diese zum Zweck der 152 Weiterveräußerung an ihre Mitarbeiter (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG) zum Nominalwert zurückerwirbt, ist der gegenüber den Mitarbeitern erzielte Mehrerlös als Aufgeld in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 einzustellen, auch wenn das Aufgeld nicht vom Zeichner erzielt wurde, da insofern ein direkter Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung besteht.6 Insofern ist der Mehrerlös auch nicht als Ertrag zu erfassen. Schließlich ist auch bei der Ausgabe von Vorratsaktien der gesamte Erlös abzüglich einer Vergütung für 153 den Treuhänder in die Kapitalrücklage einzustellen, wenn die AG tatsächlich einen Anspruch auf den Erlös hat.7 5. Leistung des Aufgelds Die Leistung des Aufgelds kann sowohl in bar als auch in Form von Sachleistungen erbracht werden. Bei 154 Letzteren ist eine Einstellung in die Kapitalrücklage aber nur dann möglich, wenn die Sachleistung auch sacheinlagefähig ist. Denn anderenfalls würde der mit der Kapitalrücklage verfolgte Gläubigerschutz (Rz. 6) relativiert werden. Aufgrund des Aktivierungsverbots für eigene Anteile (Rz. 87), kann das Aufgeld daher auch nicht in eigenen Anteilen geleistet werden, da es dabei an einer realen Kapitalzuführung an die Gesellschaft fehlt.8 Zur fehlenden Berücksichtigung im Rahmen von Abs. 2 Nr. 4 s. Rz. 179 ff. 6. Ausstehendes Aufgeld Das noch nicht geleistete Aufgeld kann nicht in die Kapitalrücklage eingestellt werden, da Abs. 2 Nr. 1 155 nicht auf das formale Bestehen eines entsprechenden Anspruchs der Gesellschaft, sondern vielmehr auf das tatsächliche Erzielen eines Aufgelds abstellt.9 Vielmehr muss dann in analoger Anwendung von § 272 1 Vgl. für die AG Benz in Spindler/Stilz, AktG3, § 27 Rz. 43; Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 120; einschränkend Pentz in MünchKomm. AktG4, § 27 Rz. 39, der willkürliche Bewertungen nicht gestatten will; aA Schall in GroßKomm. AktG5, § 27 Rz. 193. 2 Vgl. dazu Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 175. 3 ADS6, § 272 HGB Rz. 97; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 36; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 105; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 71 (Stand Juni 2017); Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 39; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 170. 4 Vgl. zur Zulässigkeit dieses Verfahrens ADS6, § 272 HGB Rz. 97; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 276 f.; Hüffer/Koch, AktG12, § 186 Rz. 48; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 36; Seiler/Schlitt, WM 2003, 2175 (2183); Wiedemann in GroßKomm. AktG4, § 186 Rz. 202 f.; Wiedemann, WM 1979, 990 (991); aA aber Immenga, FS Beusch, 413 (419 ff.); Schippel, FS Steindorff, 249 (254 ff.). 5 ADS6, § 272 HGB Rz. 99. 6 Vgl. dazu ADS6, § 272 HGB Rz. 100. 7 ADS6, § 272 HGB Rz. 101 f.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 36; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 107; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 72 (Stand Juni 2017). 8 Ebenso BGH v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 (1272) = AG 2011, 87 (für die Sacheinlage unter Geltung der alten Rechtslage vor dem BilMoG). 9 ADS6, § 272 HGB Rz. 107; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 72; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 176.

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§ 272 Rz. 156 | Eigenkapital Abs. 1 Satz 2 HGB das noch nicht geleistete Aufgeld offen von der Kapitalrücklage abgesetzt werden.1 Soweit das Aufgeld bereits eingefordert wurde, muss der Posten „eingefordertes Aufgeld“ in der Hauptspalte ausgewiesen werden.2 Eine Aktivierung kommt ebenfalls in Fortführung der analogen Anwendung von § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB nur dann in Betracht, wenn die Gesellschaft die Gesellschafter zur Leistung des Aufgelds aufgefordert hat. Diese Problematik kann sich allerdings nur bei der GmbH stellen, da bei der AG die für die Gründung und Kapitalerhöhung notwendige Handelsregistereintragung erst erfolgen darf, wenn das Aufgeld ordnungsgemäß eingezahlt worden ist (§§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1, 188 Abs. 2 Satz 1, 203 Abs. 1 AktG).3 Bei der GmbH fehlt es hingegen an einer vergleichbaren Vorschrift, so dass die vollständige Leistung des Aufgelds keine Voraussetzung der Anmeldung ist (§ 7 Abs. 2 GmbHG).4 Zur Problematik des vorab geleisteten Aufgelds s. Rz. 146.

III. Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen (Abs. 2 Nr. 2) 1. Grundlagen 156

Da nach Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.) nur Zuzahlungen bei der Ausgabe von Anteilen erfasst werden, sieht Abs. 2 Nr. 2 vor, dass auch Erträge in die Kapitalrücklage einzustellen sind, die bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt werden. Die Notwendigkeit des Einstellens dieses Betrags in die Kapitalrücklage ergibt sich daraus, dass es sich dabei letztlich um eine Einlage der Altgesellschafter handelt, da das Recht auf Erwerb der Anteile an der Gesellschaft durch die Neugesellschafter eine Leistung der Altgesellschafter darstellt, die aber an die Gesellschaft erbracht wird.5 Insofern schließt Abs. 2 Nr. 2 die von Abs. 2 Nr. 1 gelassene Lücke hinsichtlich der Ausgabe von Rechten zum Bezug von Anteilen. 2. Anwendungsbereich

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Der Anwendungsbereich von Abs. 2 Nr. 2 ist auf Schuldverschreibungen für Wandlungs- und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen beschränkt und soll insofern – ebenso wie Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 149 ff.) – schuldrechtliche6 Gegenleistungspflichten für die erstmalige Gewährung von Rechten zum Erwerb von Anteilen erfassen. Insofern ist es bei Abs. 2 Nr. 2 erforderlich, dass ein indirekter Anteilserwerb erfolgt bzw. möglich ist.

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Bei Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen handelt es sich um Wandelschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG, so dass Abs. 2 Nr. 2 sowohl auf Wandelanleihen als auch auf Optionsanleihen Anwendung findet. Während bei Wandelanleihen grundsätzlich ein Recht auf eine Umwandlung des Rückzahlungsanspruchs in Anteile besteht, erhält der Gläubiger bei Optionsanleihen einen entsprechenden Anspruch neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrags zzgl. Zinsen. Zudem erstreckt sich Abs. 2 Nr. 2 auch auf Anleihen, die ein Umtauschrecht auf Anteile anderer Unternehmen gewähren7 (Rz. 171). Weiterhin werden auch Pflichtwandelanleihen erfasst.

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Ausgenommen von Abs. 2 Nr. 2 – und auch von Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) – sind allerdings Aktienoptionen an Mitarbeiter, da deren künftigen Dienstleistungen schon nicht einlagefähig (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG)

Unentschieden Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 176. Ähnlich Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 39 (Stand Juni 2017). Mock in GroßKomm. AktG5, § 9 Rz. 103 f. Vgl. zur fehlenden Erfassung des Aufgelds bei der Berechnung der Mindesteinzahlung Veil in Scholz, GmbHG11, § 7 Rz. 20. 5 Vgl. dazu ausführlich Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 37 f.; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 77 (Stand Juni 2017). 6 Insofern allerdings missverständlich spricht Reiner von Anwartschaftsrechten (Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 74). Bei Anwartschaftsrechten handelt es sich aber um ein dem Volleigentum wesensähnliches Recht, das eine selbständige verkehrsfähige Vorstufe des Eigentums darstellt (vgl. statt aller Oechsler in MünchKomm. BGB6, § 929 Rz. 17 ff.). Beim Aufgeld geht es sich aber nur um eine Leistungspflicht im Rahmen des Erwerbs von Anteilen und nicht der Verfestigung der Rechtsposition des Erwerbers. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm. 5, § 272 HGB Rz. 42. 1 2 3 4

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 164 § 272

sind und somit nicht in die Kapitalrücklage eingestellt werden können.1 Ebenfalls nicht erfasst werden die so genannten naked warrants, sofern man diese überhaupt für zulässig2 hält.3 Bei den Genussrechten muss unterschieden werden. Soweit diese mit Wandlungs- oder Optionsrechten 160 auf den Bezug von Anteilen ausgestattet sind (Wandel- oder Optionsgenussscheine), ist das Aufgeld bei deren Begebung in die Kapitalrücklage einzustellen.4 Keine Anwendung findet Abs. 2 Nr. 2 auf alle anderen Genussrechte, wenn diese über dem Nennbetrag ausgegeben werden.5 Genussrechte verfügen grundsätzlich nicht über die für Abs. 2 generell erforderliche mitgliedschaftliche Rechtsposition (Rz. 136). Dies gilt auch für Genussrechte mit Eigenkapitalcharakter, da auch diese eine solche Position nicht begründen.6 Insofern erfolgt der Ausweis der Zuzahlung wie der Ausweis des Nennbetrags selbst, wobei Nennbetrag und Zuzahlung kenntlich gemacht werden sollten. Ebenso wenig findet Abs. 2 Nr. 2 auf Gewinnschuldverschreibungen Anwendung, da diese keinen An- 161 spruch auf den Bezug von Anteilen begründen. Auch Anteile, die ein Recht zum Bezug weiterer Anteile gewähren (so genannte Huckepack-Emissionen7), werden nicht von Abs. 2 Nr. 2 erfasst, da das bei der erstmaligen Ausgabe entstehende Aufgeld von Abs. 2 Nr. 1 erfasst wird. Weiterhin fallen auch die so genannten exchangeables nicht unter Abs. 2 Nr. 2, da es sich aufgrund der fehlenden Begründung neuen Eigenkapitals dabei lediglich um eine Fremdkapitalmaßnahme handelt.8 Einen Sonderfall stellen schließlich diejenigen Wandelanleihen dar, bei denen der Emittent statt junger 162 Aktien auch bereits existierende (eigene) Aktien liefern darf. Soweit dabei die Begebung junger Aktien gesellschaftsrechtlich ausgeschlossen ist, kommt eine Einstellung in die Kapitalrücklage nicht in Betracht, da sich die Maßnahme dann zwangsläufig als Fremdkapitalmaßnahme darstellt. Dabei findet auch nicht Abs. 1b Anwendung, da sich dieser nur auf die Veräußerung von Anteilen und nicht auf Rechte zum Bezug von Anteilen erstreckt (Rz. 84). Falls eine Bedienung dieser Rechte mit jungen Aktien nicht ausgeschlossen ist, muss der gesamte erzielte Vorteil in die Kapitalrücklage eingestellt werden.9 3. Arten des Aufgelds a) Differenzierung zwischen offenem und verstecktem Aufgeld Da bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von 163 Anteilen lediglich ein späteres Recht zum Erwerb von Anteilen geschaffen wird, kann das Aufgeld auch eine unterschiedliche Ausgestaltung erfahren. Das Aufgeld kann zunächst darin bestehen, dass die Anleihe zu einem Kurs begeben wird, der über den Erfüllungsbetrag der Anleihe hinausgeht (so genanntes offenes Aufgeld, s. Rz. 164 f.). Darüber hinaus kann das Aufgeld aber auch darin bestehen, dass die Schuldverschreibung keine marktgerechte Verzinsung (so genanntes verdecktes Aufgeld, s. Rz. 166 ff.) aufweist, das Aufgeld also letztlich im Zinsgewinn des Emittenten besteht. b) Ausgabekurs über Erfüllungsbetrag (offenes Aufgeld) Soweit der Ausgabekurs der entsprechenden Anleihe über deren Erfüllungsbetrag liegt, ist dieser Betrag als erzielter Mehrbetrag in die Kapitalrücklage einzustellen. Für die Berechnung dieses Mehrbetrags ist der tatsächlich vereinbarte Emissionserlös mit dem rechnerischen Ausgabebetrag einer marktüblich verzinsten Anleihe unter Diskontierung des Rückzahlungsbetrags und der laufenden Zinszahlungen zu vergleichen.10 Für die Diskontierung muss dabei ein Kapitalmarktzins von Anleihen vergleichbarer Schuldner zugrunde 1 BFH v. 25.8.2010 – I R 103/09 BStBl. II 2011, 215 Tz. 21 = E 231, 57; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 7; aA aber Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 129 ff., der insofern den zusätzlichen Personalaufwand aktivieren will. 2 Vgl. dazu nur Hüffer/Koch, AktG12, § 221 Rz. 75; Seiler in Spindler/Stilz, AktG3, § 221 Rz. 40. 3 Ebenso BFH v. 25.8.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011, 215 Tz. 19 = E 231, 57; zustimmend Merkt in Baumbach/ Hopt, HGB37, § 272 Rz. 7; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 83 ff., 95; aA aber Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 119; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 505 f. 4 Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 183; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 76; wohl auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 39. 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 39. 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 39; aA aber Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 183. 7 Vgl. dazu ausführlich Martens, AG 1989, 69 (71 ff.). 8 Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (736). 9 Ebenso zum bisherigen Recht Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (731). 10 Vgl. dazu Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (731 f.).

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§ 272 Rz. 165 | Eigenkapital gelegt werden.1 Soweit es sich nicht um ein ausschließlich endfällig ausübbares Wandelungsrecht handelt, darf für die Abzinsung nur der Zeitraum zugrunde gelegt werden, für den das Wandelungsrecht sicher ausgeschlossen ist. Emissionskosten bleiben bei der Berechnung unberücksichtigt.2 Die entsprechende Anleihe muss mit ihrem Erfüllungsbetrag auf der Passivseite unter § 266 Abs. 3 C.1. ausgewiesen werden. 165

Soweit der Erfüllungsbetrag der Anleiheschuld bei der Ausübung der Wandel- und Optionsrechte unter dem geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG) der zu gewährenden Anteile liegt, ist der Unterschiedsbetrag entweder aus einer dafür vorgesehenen Gewinnrücklage oder durch eine Zuzahlung des Umtauschberechtigten auszugleichen (§ 199 Abs. 2 AktG). Im letzteren Fall handelt es sich aber lediglich um eine Einlageleistung und nicht um ein Aufgeld.3 c) Fehlende marktgerechte Verzinsung (verdecktes Aufgeld)

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Bei der Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen ist es auch denkbar, dass diese nicht gegen ein Aufgeld, sondern vielmehr für eine nicht marktgerechte Verzinsung ausgegeben werden. Dabei kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien tatsächlich kein Aufgeld für die Ausgabe der Wandelund Optionsanleihen vereinbaren wollten, da der Gesellschaft ein Zinsgewinn und dem Erwerber ein entsprechender Zinsverlust entsteht, der dem Aufgeld entspricht.4 Daher ist der vom Erwerber geleistete Zeichnungsbetrag in einem angemessenen Verhältnis aufzuspalten, um das versteckte Aufgeld in Form des Zinsgewinns für die Gesellschaft zu ermitteln.5 Insofern muss zunächst der Betrag ermittelt bzw. ggf. geschätzt werden, der unter Berücksichtigung aktueller Marktkonditionen für eine (reine) Schuldverschreibung mit einer marktgerechten Verzinsung zu zahlen wäre.6 Dieser Betrag ist dann von dem Zeichnungserlös abzuziehen und nach Abs. 2 Nr. 2 in die Kapitalrücklage einzustellen.

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Diese Grundsätzen gelten dabei unabhängig davon, ob die Parteien die Konditionen für eine solche (reine) Anleihe auch tatsächlich vereinbart haben bzw. Bezug darauf genommen haben,7 da anderenfalls die Regelung des Abs. 2 Nr. 2 – und bei der AG die damit verbundene Kapitalbindung nach § 150 AktG – ohne Weiteres umgangen werden könnte. Das versteckte Aufgeld in Form des Zinsgewinns ist auch nicht pro rata temporis in Höhe des jährlichen Zinsverzichts des Erwerbers, sondern einmalig und vollständig zu dotieren, da nur dies dem wirtschaftlichen Gehalt des Erwerbs des Wandel- oder Optionsanleihe entspricht.8

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Für die konkrete Aufteilung des Zeichnungsbetrags kommen zwei unterschiedliche Methoden in Betracht. Nach der Kapitalwertmethode müssen laufende Zinszahlungen sowie der Erfüllungsbetrag abgezinst werden. Als Diskontierungssatz gilt dabei der fristadäquate Marktzinssatz im Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihe, der für vergleichbare Emittenten am Markt bei gleicher Laufzeit besteht.9 Die Bestimmung der Dauer des Zinsvorteils kann sich aber als problematisch erweisen, wenn die Wandelanleihe keinen festen Wandlungszeitpunkt aufweist, sondern dafür vielmehr ein bestimmter Zeitraum in Betracht kommt, dem Emittenten also der Zinsvorteil jederzeit entzogen werden kann. Dabei muss zunächst gelten, dass sich der Zinsvorteil für die Bestimmung der Rückstellungshöhe nur auf den Zeitraum erstrecken kann, in dem eine Ausübung 1 ADS6, § 272 HGB Rz. 123, Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 180. 2 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 40; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 120; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 77; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 180. 3 ADS6, § 272 HGB Rz. 92; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272B Rz. 77; aA Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 182. 4 So ausdrücklich Beschlussempfehlung des Bericht des Rechtsausschusses zum RegE BiRiLiG, BTDrucks. 10/4268, 106; vgl. auch ADS6, § 272 HGB Rz. 123; Döllerer, AG 1986, 237 (239); Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. l 22 Rz. 380; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 124; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 180; Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (731); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 41; Kropff, ZGR 1987, 285 (302); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 78 (Stand Juni 2017). 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 41; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 78 (Stand Juni 2017); Kropff, ZGR 1987, 285 (302 ff.). 6 Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 124. 7 Ebenso Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 79 (Stand Juni 2017); ähnlich Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 80, der von einem ersten Anhaltspunkt ausgeht; aA aber Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 180; Martens in Busse von Colbe, Bilanzierung von Optionsanleihen im Handelsrecht, 119 (144). 8 ADS6, § 272 HGB Rz. 123; Döllerer, AG 1986, 237 (239); Kropff, ZGR 1987, 285 (307); aA aber vor allem Gelhausen/ Rimmelspacher, AG 2006, 729 (733). 9 ADS6, § 272 HGB Rz. 123; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 41; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 82, 84 (Stand Juni 2017).

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 172 § 272

des Wandlungsrechts sicher ausgeschlossen ist.1 Soweit der Wandlungszeitraum schon im Emissionszeitpunkt beginnt, bestehen daher kein Zinsvorteil und damit keine entsprechende Kapitalrücklagenbildung.2 Alternativ kann die Aufteilung aber auch anhand von effektiven Marktpreisen erfolgen, indem vom 169 Zeichnungsbetrag der Marktpreis für die reine Anleihe abgezogen wird. Die umgekehrte Methode des Abzugs des Marktpreises eines vergleichbaren Optionsrechts ist allerdings nicht möglich, da Optionspreise stärkeren Schwankungen unterliegen und damit keinen geeigneten Maßstab bilden.3 Bei der Orientierung an den effektiven Marktpreisen kommen unterschiedliche Zeitpunkte in Betracht. Dabei handelt es sich neben dem Zeitpunkt der ersten Notierung der Optionsanleihe und der Optionsscheine an der Börse vor allem um den Zeitpunkt der getrennten Notierung und tatsächlichen Trennung von Optionsanleihen und Optionsscheinen.4 Abs. 2 Nr. 2 trifft für die beiden genannten Ermittlungsmethoden keine Entscheidung, so dass insofern 170 grundsätzlich von einem Ermessensspielraum auszugehen ist.5 Dies gilt allerdings nicht für Wandelanleihen, da bei diesen ein getrennter Handel nicht möglich und ein Abstellen auf effektive Marktpreise somit ausgeschlossen ist. Da der Emissionserlös neben dem versteckten Aufgeld in Form des Zinsvorteils bei einer Ausgabe zu pari nur den geringeren Zeitwert der unterverzinslichen Anleiheverbindlichkeit und nicht die Differenz zum höheren Rückzahlungsbetrag erfasst, muss dieser Differenzbetrag als Disagio betrachtet werden, das nach § 250 Abs. 3 Satz 1 HGB (§ 250 HGB Rz. 21 ff.) aktiviert werden darf und über die Laufzeit der Anleihe abzuschreiben ist (§ 253 Abs. 3 Satz 2 HGB – § 253 HGB Rz. 101 ff.).6 Der Differenzbetrag ist in diesem Fall gesondert unter den aktiven Rechnungsangrenzungsposten auszuweisen oder im Anhang zu erläutern (§ 268 Abs. 6). Soweit von dem Aktivierungswahlrecht kein Gebrauch gemacht wird, ist der Differenzbetrag in der Gewinn- und Verlustrechnung als Zinsaufwendung zu erfassen. Dabei kann es auch zu einer Kombination von offenem Aufgeld und einem Disagio kommen.7 4. Anteile anderer Unternehmen Wandel- und Optionsrechte können nicht nur für die eigenen Anteile der jeweiligen Gesellschaft, sondern 171 auch hinsichtlich von Anteilen anderer Gesellschaften begeben werden. Soweit es sich dabei um Mutterund Tochterunternehmen handelt (Warrant-Anleihe), stellt die Muttergesellschaft dabei typischerweise die entsprechenden Anteile bereit und erhält dafür von der Tochtergesellschaft ein Entgelt.8 Dieses Entgelt ist dann ebenfalls von Abs. 2 Nr. 2 erfasst.9 Im Rahmen von Abs. 2 Nr. 2 kann es aber nicht auf die Frage ankommen, wer die entsprechenden Schuldverschreibungen und Optionsrechte ausübt.10 Soweit die Gesellschaft für die Bereitstellung von Anteilen ein Entgelt erhält, ist dieses in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 2 einzustellen.11 Soweit für die Bereitstellung der Anteile kein Entgelt gezahlt wird, muss der Ausweis eines fiktiven Entgelts unterbleiben.12 5. (Fehlende) Ausübung des Wandlungsrechts Entscheidet sich der Inhaber der Wandelschuldverschreibung zur Ausübung seines Wahlrechts, erlischt beim Emittenten die Anleiheverbindlichkeit im Austausch gegen die entsprechenden Anteile. Die Anteile 1 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 123; Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (732); Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 124; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 90 (Stand Juni 2017); vgl. auch FG Berlin-Brandenb. v. 11.6.2013 – 8 K 8326/10, juris, Tz. 18; aA aber Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 181. 2 Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (732). 3 Vgl. zum Ganzen Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 82 f. (Stand Juni 2017). 4 Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 84 (Stand Juni 2017). 5 Kropff, ZGR 1987, 285 (306); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 85 (Stand Juni 2017). 6 ADS6, § 272 HGB Rz. 125; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 181; Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (733 f.); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 41; Kropff, ZGR 1987, 285 (306); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 87 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 81; vgl. auch BFH v. 30.11.2005 – I R 26/04, DStRE 2006, 385, 388; aA aber Döllerer, AG 1986, 237 (239); Loos, BB 1988, 369 (374). 7 Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 89. 8 Vgl. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 42; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 128; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 92 ff. (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 82. 9 Kropff, ZGR 1987, 285 (309 f.); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 94 (Stand Juni 2017); aA aber Lutter DB 1986, 1607 (1613), der das Identitätsprinzip von § 221 AktG auch auf Abs. 2 Nr. 2 anwenden will. 10 Vgl. dazu ausführlich Kropff, ZGR 1987, 285 (309). 11 ADS6, § 272 HGB Rz. 127; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 42; Kropff, ZGR 1987, 285 (307 ff.). 12 ADS6, § 272 HGB Rz. 127; Kropff, ZGR 1987, 285 (303, 309 f.); offen lassend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 42; aA aber Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 96 (Stand Juni 2017); Loos BB 1988, 369 (375).

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§ 272 Rz. 173 | Eigenkapital sind dann mit ihrem jeweiligen Nennwert bzw. rechnerischen Wert in das gezeichnete Kapital und in Höhe des Restbetrags in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 umzubuchen. Somit entsteht neben dem Aufgeld bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen ein weiteres (reguläres) Aufgeld nach Abs. 2 Nr. 1.1 Da Abs. 2 für beide Fälle eine Regelung vorsieht, müssen beide Aufgelder auch entsprechend getrennt in die Kapitalrücklage eingestellt werden.2 Da innerhalb der Kapitalrücklage kein getrennter Ausweis erfolgen muss (Rz. 200 ff.), fällt diese getrennte Berücksichtigung aber kaum ins Gewicht. Eine Umbuchung des bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielten Aufgelds in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 1 ist nicht möglich.3 173

Soweit die Wandelschuldverschreibung eine Wandlungsmöglichkeit vor der Fälligkeit der Rückzahlung vorsieht und davon Gebrauch gemacht wird, entsteht für die Gesellschaft nur einen Erlös in Höhe des Rückzahlungsbetrags abzüglich des noch nicht amortisierten Disagio (Rz. 170). Soweit das Aktivierungswahlrecht nicht genutzt wurde, entsteht ein entsprechender Ertrag, mit dem der dann entsprechend zuvor entstandene Aufwand kompensiert wird.4

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Da es sich bei Wandelschuldverschreibungen und Optionsrechten lediglich um Rechte der jeweiligen Inhaber handelt, muss eine Ausübung nicht zwangsläufig erfolgen. Falls das Recht nicht ausgeübt wird, ergibt sich daraus nicht die Möglichkeit der entsprechenden Auflösung der Kapitalrücklage.5 Bei dem Aufgeld im Rahmen von Abs. 2 Nr. 2 handelt es sich um eine Kapitalzufuhr im Zeitpunkt der Begebung der entsprechenden Rechte, die von dem späteren Schicksal des Rechts unabhängig sein muss. Auch eine Umbuchung in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) ist nicht möglich.

IV. Zuzahlungen gegen Gewährung eines Vorzugs (Abs. 2 Nr. 3) 175

Die Zuzahlung für die Gewährung gesellschaftsrechtlicher Vorzugsrechte ist nach Abs. 2 Nr. 3 ebenfalls in die Kapitalrücklage einzustellen. Die Bestimmung des genauen Anwendungsbereichs von Abs. 2 Nr. 3 ist dabei allerdings Schwierigkeiten ausgesetzt, da der Wortlaut ungenau bzw. missverständlich ist. Die Formulierung „Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten“ wird allgemein so verstanden, dass nicht nur Zuzahlungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Vorzugsaktien nach § 139 AktG, sondern alle Arten von Vorteilen in Betracht kommen, die Gesellschaftern bei der Anteilsausgabe gewährt werden.6 Auch wenn die Erfassung aller Arten von Vorteilen dem Regelungszweck von Abs. 2 Nr. 3 entspricht, kann das Kriterium der Anteilsausgabe nicht überzeugen und ist daher auch nicht notwendig. Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass Zuzahlungen bei der Anteilsausgabe bereits von Abs. 1 Nr. 1 (Rz. 193 ff.) erfasst werden und eine Berücksichtigung in Abs. 2 Nr. 3 insofern überflüssig wäre, zumal ein gesonderter Ausweis der einzelnen Arten der Zahlungen in die Kapitalrücklage ohnehin nicht zwingend ist (Rz. 200 ff.). Die Regelung des Abs. 2 Nr. 3 soll vielmehr nur die Zuzahlungen erfassen, die nach der Ausgabe zur Modifizierung der Mitgliedschaft geleistet werden und somit die Höhe des gezeichneten Kapitals unberücksichtigt lassen, da anderenfalls die Einstellung der Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 1 dadurch umgangen werden könnte, indem die Gesellschaft einfache Gesellschaftsanteile ausgibt und diese gegen eine Zuzahlung später modifiziert bzw. mit einem Vorzug ausstattet. In der Verhinderung der freien Verfügbarkeit dieser Zuzahlungen ist daher der eigentliche Regelungszweck von Abs. 2 Nr. 3 zu sehen. Schließlich stammt die Formulierung ursprünglich aus § 262 HGB 1897 mit entsprechender Fortführung in § 130 Nr. 4 AktG 1937 bzw. § 150 Abs. 2 Nr. 4 AktG 1965, wodurch nur Zuzahlungen erfasst werden sollten, die für bereits ausgegebene Aktien geleistet werden.7 Insofern beEbenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 38. Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 38. Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (734). Vgl. dazu Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 181; aA aber Häuselmann, BB 2000, 139 (145), der den verbleibenden Betrag des Disagio als Aufwand erfassen will. 5 ADS6, § 272 HGB Rz. 111, 129; Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 380; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 118; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 181; Gelhausen/Rimmelspacher, AG 2006, 729 (734); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 43; Kropff, ZGR 1987, 285 (301); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 7; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 76; vgl. auch BFH v. 30.11.2005 – I R 3/04, BStBl. II 2008, 809 = E 211, 339; v. 30.11.2005 – I R 26/04, DStRE 2006, 385. 6 So vor allem ADS6, § 272 HGB Rz. 130; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 44; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 135 f.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 98; Singhof in HdJ, III/2 Rz. 120 (Stand Juni 2008); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 190. 7 So ausdrücklich Staub, HGB14, § 262 Rz. 22; vgl. auch Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 130 Rz. 10 zur Nachfolgeregelung in § 130 Nr. 4 AktG 1937. 1 2 3 4

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 182 § 272

schränkt sich der Regelungsgehalt von Abs. 2 Nr. 3 auf den Fall, dass der Gesellschafter für die Umgestaltung seines Mitgliedschaftsrechts eine Zuzahlung leisten muss. Dabei ist es unerheblich, ob dem Gesellschafter ein tatsächlicher Vorteil gewährt oder lediglich ein Nachteil erspart bleibt.1 Bloße Nebenabreden oder Zahlungen im Rahmen vertraglicher Verpflichtungen wie etwa Liefer- oder Abnahmerechte hinsichtlich von der Gesellschaft erbrachter Leistungen werden von Abs. 2 Nr. 3 aufgrund ihres bloß schuldrechtlichen Charakters nicht erfasst. Vergleichsmaßstab für die Bestimmung des Vorliegens eines Vorteils ist der ursprüngliche Zustand der 176 jeweiligen Gesellschaftsanteile seit ihrer letzten Modifikation. Insofern sind Zuzahlungen auf (reguläre) Gesellschaftsanteile unter Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.) zu fassen, auch wenn diese von den bereits zuvor ausgegebenen Aktien in ihrem Umfang hinsichtlich der Vermögens- und Verwaltungsrechte abweichen. Bei der AG können den Aktionären unterschiedlich weitgehende Vermögens- und Verwaltungsrechte ein- 177 geräumt werden, ohne dass dem das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot entgegensteht.2 Für die GmbH besteht ebenfalls grundsätzlich Gestaltungsfreiheit.3 Für die Einstellung in die Kapitalrücklage nach Abs. 2 Nr. 3 ist schließlich ein Zusammenhang der Zuzah- 178 lung mit der Gewährung dieser Vorteile notwendig. Dafür muss ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang von Zuzahlung und Gewährung eines Vorteils gefordert werden. Besteht ein solcher nicht handelt es sich möglicherweise um andere Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.).

V. Andere Zuzahlungen (Abs. 2 Nr. 4) 1. Grundlagen Bei der Erfassung der anderen Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 handelt es sich um einen Auffangtatbestand.4 Im Gegensatz zu den anderen Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 1-3 unterliegt die nach Abs. 2 Nr. 4 zu bildende Kapitalrücklage keinen Kapitalschutzbindungen und ist daher jederzeit durch die zuständigen Organe auflösbar (Rz. 198 f.). Regelungszweck von Abs. 2 Nr. 4 ist zum einen die insofern nicht notwendige Verbuchung der Zahlungen in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag und anschließenden Überführung in das Eigenkapital durch einen entsprechenden Verwendungsbeschluss5 und zum anderen die deutlichere Trennung von Kapital und betrieblichen Gewinn.6

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2. Zuzahlungen eines Gesellschafters Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Zuzahlung von einem Gesellschafter stammt. Dabei kommen 180 auch Leistungen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Nebenleistungspflichten (§§ 55, 61 AktG, § 3 Abs. 2 GmbHG) in Betracht, denen keine Gegenleistungspflicht der Gesellschaft gegenübersteht.7 Die Zuzahlung kann auch von einem Dritten stammen, wenn diese einem Gesellschafter zuzurechnen ist.8 181 Dies ist insbes. dann der Fall, wenn der Dritte auf Veranlassung oder auf Rechnung eines Gesellschafters leistet. Die (weiteren) Zahlungen eines Genussrechtsinhabers sind nicht in Abs. 2 Nr. 4 zu berücksichtigen, da es sich bei Genussrechtsinhabern nicht um Gesellschafter handelt.9 Nicht erfasst ist hingegen die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter. Bei diesen stellt zunächst die 182 zukünftige Arbeitsleistung von Mitarbeitern keine sonstige Zuzahlung iSv. Abs. 2 Nr. 4 dar, da es sich bei diesen schon nicht um Gesellschafter handelt. Darüber hinaus erbringen aber auch die Altgesellschafter trotz des Ausschlusses des Bezugsrechts (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) keine Leistung an die AG.10 Zur fehlenden Erfassung durch Abs. 2 Nr. 1 Rz. 139 ff. 1 So schon Mellerowicz in Großkomm. AktG3, § 150 Rz. 30. 2 Vgl. nur Hüffer/Koch, AktG12, § 11 Rz. 2; Mock in GroßKomm. AktG5, § 11 Rz. 23 ff.; Vatter in Spindler/Stilz, AktG3, § 11 Rz. 6. 3 BGH v. 4.11.1968 – II ZR 63/67, NJW 1969, 131 = WM 1968, 1350; Emmerich in Scholz, GmbHG11, § 3 Rz. 100 f.; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 3 Rz. 45. 4 Vgl. dazu ausführlich Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 286 ff. Ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272HGB Rz. 45. 5 Vgl. zum Regelungszweck Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 99. 6 Döllerer BB 1986, 1857 (1858 f.); Hüttemann/Meyer in GroßKomm. HGB5, § 272 Rz. 45; Küting/Kessler BB 1989, 25 (25 f.). 7 ADS6, § 272 HGB Rz. 139; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 103; aA aber wohl Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 283. 8 ADS6, § 272 HGB Rz. 133; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 100. 9 Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 140; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 100. 10 BFH v. 25.8.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011, 215 Tz. 20.

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§ 272 Rz. 183 | Eigenkapital 3. Leistung in das Eigenkapital 183

Zudem muss die Leistung in das Eigenkapital der Gesellschaft freiwillig1 erbracht werden. Dabei kommen sowohl Bar- als auch Sachleistungen in Betracht.2 Erforderlich ist dabei aber eine entsprechende (willentliche3) Zweckbestimmung des leistenden Gesellschafters. Diese Zweckbestimmung kann dabei ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Für den Fall, dass der Gesellschafter ohnehin nur eine Leistungspflicht gegenüber der Gesellschaft hat, ist immer von einer Leistung in das Eigenkapital auszugehen, soweit die Leistungspflicht diesen Anforderungen genügt.4 Soweit der Gesellschafter eine Leistung erbringt, ohne eine entsprechende Zweckbestimmung vorzunehmen, eine solche sich auch nicht aus den Umständen entnehmen lässt, mehrere Leistungspflichten gegenüber der Gesellschaft bestehen und nur eine von diesen eine Leistung in das Eigenkapital darstellen würde, bestimmt sich die Tilgung nach § 366 Abs. 2 BGB mit der Folge, dass zunächst die fällige Forderung getilgt wird. Besteht bei der Fälligkeit kein Unterschied, muss davon ausgegangen werden, dass die jeweils älteste Forderung zunächst erfüllt wird (§ 366 Abs. 2 Alt. 4 BGB). Die Forderungen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Nebenleistungspflichten können nicht als die für den Gesellschafter am lästigsten (§ 366 Abs. 2 Alt. 3 BGB) angesehen werden, da diese nicht zum Ausschluss des Gesellschafters führen können (§ 21 GmbHG, § 64 AktG5).

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Weiter ist erforderlich, dass durch die Zuzahlung das Gesellschaftsvermögen auch tatsächlich vermehrt wird. Auf welche Weise dies geschieht, wird von Abs. 2 Nr. 4 nicht vorgegeben, so dass sowohl Bar- als auch Sachzahlungen möglich sind.6 Voraussetzung bei der Erbringung von Sachleistungen ist deren Aktivierbarkeit.7 Der Begriff der Einlagefähigkeit8 spielt für die Bestimmung der zulässigen Zuzahlungen im Rahmen von Abs. 2 Nr. 4 keinerlei Rolle9, da er sich aus dem Kapitalschutzsystem ableitet, das die Rücklage nach Abs. 2 Nr. 4 aber gerade nicht erfasst (Rz. 198 f.). Daher kommen als Leistungen eines Gesellschafters die Begründung einer Forderung zugunsten der Gesellschaft10, der Erlass einer Schuld der Gesellschaft11 sowie die Einräumung von Nutzungsrechten12 in Betracht. Auch immaterielle Vermögensgegenstände können eine Zahlung eines Gesellschafters nach Abs. 2 Nr. 4 darstellen und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um selbst erstellte oder erworbene immaterielle Vermögensgegen-

1 BFH v. 25.8.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011, 215 Tz. 20; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 286 ff.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 9; Priester, FS Lutter, 617 (628 f.); im Ergebnis auch Müller, FS Heinsius, 591 (593 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; aA aber wohl Heckschen, DStR 2001, 1437 (1444), der die Anteilsausgabe als Grund für die Leistungsverpflichtung für zulässig erachtet. 2 ADS6, § 272 HGB Rz. 132; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 45; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 117 ff. (Stand Juni 2017); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195. 3 So ausdrücklich Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum BiRiLiG, BTDrucks. 10/4268, 106 f.; ebenso FG Hamb. v. 30.8.2001 – VII 105/01, DStRE 2002, 193 = EFG 2002, 94, rkr.; ADS6, § 272 HGB Rz. 136 f.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 46; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 107 f. (Stand Juni 2017); Küting/Kessler, BB 1989, 25 (29 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; aA aber Schneeloch BB 1987, 481 (486 f.); Schulze-Osterloh, FS Claussen, 769 (776 ff.). 4 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 136 f.; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 142; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; ähnlich Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 46; Küting/ Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 108 (Stand Juni 2017); aA aber Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 104. 5 Zur fehlenden Erstreckung auf die Nichterfüllung gesellschaftsrechtlicher Nebenleistungspflichten vgl. nur für die AG Bayer in MünchKomm. AktG4, § 64 Rz. 11 und für die GmbH Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 21 Rz. 3. 6 Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 139. 7 Müller, FS Heinsius, 591 (603 ff.); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 119 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 101. Offen lassend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 47; aA aber Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 170, die einzig auf die Einlagefähigkeit abstellt und ggf. eine Unwirksamkeit annimmt (S. 391 f.). 8 Vgl. für den fehlenden zwingenden Zusammenhang zwischen dem Begriff der Einlagefähigkeit und der bilanziellen Erfassbarkeit von Gegenständen Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaft und internationale Rechnungslegung, 185 f. mwN. 9 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 135; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 139; Müller, FS Heinsius, 591 (604 f.); aA aber Küting/Kessler, BB 1989, 25 (28, 32); Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 120, 122 (Stand Juni 2017). 10 ADS6, § 272 HGB Rz. 135; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 102; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195. 11 FG Hamburg v. 30.8.2001 – VII 105/01, DStRE 2002, 193 = EFG 2002, 94, rkr.; ADS6, § 272 HGB Rz. 132, 135; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 47; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 139; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 102; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195, 197. 12 Küting/Reuter in HdR5, § 272 Rz. 121 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 102.

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 189 § 272

stände handelt.1 Schließlich können Dienstleistungen (des Gesellschafters) nur dann eine Zahlung eines Gesellschafters iSv. Abs. 2 Nr. 4 darstellen, wenn deren Bestand und deren Bewertbarkeit gesichert sind.2 Eigene Anteile können hingegen keine sonstige Zuzahlung nach Abs. 2 Nr. 4 sein, da diese einem Aktivierungsverbot (Rz. 83 ff.) unterliegen. Leistungen im Rahmen des kaum noch gebräuchlichen Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens, die von den Gesellschaftern an die Gesellschaft ohne einen formellen Kapitalerhöhungsbeschluss geleistet werden, kommen als andere Zuzahlung iSv. Abs. 2 Nr. 4 in Betracht.3 Keine Leistung in das Eigenkapital liegt vor, wenn die Leistung des Gesellschafters ausdrücklich ergebniswirksam erfasst werden soll.4 Dies kommt etwa bei einem Ausgleich des Jahresfehlbetrages oder Bilanzverlusts in Betracht. Diese Zahlungen sind dabei direkt als Ertrag zu verbuchen und können nicht erst der Kapitalrücklage zugeführt und anschließend wieder entnommen werden.5 Sollen Verluste für mehrere zukünftige Jahre abgedeckt werden, ist in der Bilanz ein Sonderposten für erhaltenen Gesellschafterzuschuss zu bilden, da sich nur auf diese Weise der mit der Leistung verfolgte Zweck erreichen lässt.6 Zudem sind auch Verbindlichkeiten von Gesellschafter gegen die Gesellschaft mit einem qualifizierten Rangrücktritt7 als sonstige Zuzahlung nach Abs. 2 Nr. 4 zu betrachten, soweit die Gesellschaft zum Bilanzierungsstichtag kein freies Vermögen mehr hat. Denn durch den qualifizierten Rangrücktritt entfällt die Durchsetzbarkeit der Forderung gegen die Gesellschaft, solange diese nicht über freies Vermögen verfügt. Daher muss die Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zum Bilanzstichtag ausgebucht und mit ihrem Nennbetrag als sonstige Zuzahlung in die Kapitalrücklage eingestellt werden.8 Verfügt die Gesellschaft zu einem späteren Bilanzstichtag wieder über freies Vermögen, muss die Kapitalrücklage in entsprechender Höhe aufgelöst und die Verbindlichkeit wieder als solche ausgewiesen werden. Zur Behandlung von Verbindlichkeiten von Nichtgesellschaftern mit einem qualifizierten Nachrang Rz. 44. Als Zeitpunkt für die Einstellung in die Kapitalrücklage ist auf das Entstehen der Forderung abzustellen, so dass sich diese sofort erhöht.9 Die im Rahmen von Abs. 2 Nr. 1–3 in Anlehnung an Abs. 1 vorzunehmende Unterscheidung in eingeforderte und nicht eingeforderte Einlagen ist bei Abs. 2 Nr. 4 nicht vorzunehmen, da die Beträge nach Abs. 2 Nr. 4 nicht der Kapitalbindung unterliegen und eine vergleichbare Interessenlage damit nicht gegeben ist.

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4. Subsidiarität von Abs. 2 Nr. 4 Zudem darf die Zuzahlung nach Abs. 2 Nr. 4 nicht bereits unter die Abs. 2 Nr. 1–3 fallen, also vor allem nicht der Herstellung eines angemessenen Ausgabekurses für Anteile oder Wandelschuldverschreibungen dienen. In Betracht kommen dabei vor allem weitere schuldrechtliche Verpflichtungen der Gesellschafter, die unabhängig von der Ausgabe als solcher und vom Ausgabebetrag stehen, der – mit Ausnahme des Verbots der Unter-pari-Emission (§ 9 AktG) – grundsätzlich frei festgelegt werden kann.10 Es ist den Gesellschaftern daher unbenommen, entsprechend hohe freiwillige Zuzahlungen bei einem geringen oder 1 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 102; aA aber BFH v. 24.3.1987 – I R 202/83, BStBl. II 1987, 705; Groh, BB 1990, 379 (381), die von einer fehlenden Berücksichtigung aufgrund des Aktivierungsverbots des § 248 Abs. 2 a.F. ausgehen. 2 AA aber BFH v. 18.3.1999 – IV R 26/98, BStBl. II 1999, 604; ebenso Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 102. 3 ADS6, § 272 HGB Rz. 132; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 48; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 140; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 126 (Stand Juni 2017); Orth GmbHR 1987, 195 (199 f.); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; aA aber Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463 (515 f.). 4 BFH v. 8.8.2002 – I R 25/00, BStBl. II 2003, 923 Tz. 17; vgl. auch ADS6, § 272 HGB Rz. 137; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 46; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 104; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; aA aber Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 108 (Stand Juni 2017). 5 Für das Bestehen eines solchen Wahlrechts ADS6, § 272 HGB Rz. 136; Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 382; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 142; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 108 (Stand Juni 2017); Müller, FS Heinsius, 591 (605 f.); Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1425; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 195; dagegen auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 46. 6 Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1425. 7 Zu den Voraussetzungen eines qualifizierten Rangrücktritts vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Tz. 16 = GmbHR 2015, 472; dazu ausführlich Mock, JZ 2015, 925. 8 Dazu Müller, BB 2016, 491 (492 f.). 9 So auch ADS6, § 272 HGB Rz. 135; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 198. 10 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 249/06, NZG 2008, 76 = AG 2008, 122; BFH v. 27.5.2009 – I R 53/08, E 226, 500, Tz. 14 = GmbHR 2010, 156; v. 24.4.2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, 253 Tz. 15; aA aber wohl ADS6, § 272 HGB Rz. 90.

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§ 272 Rz. 190 | Eigenkapital völlig fehlenden Aufgeld zu leisten (zu den möglichen Beschränkungen bei der Auflösung der Rücklage s.u. Rz. 198 f.). Maßgeblich für die Bestimmung der sonstigen Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 sind daher die Kriterien der Freiwilligkeit der Leistung (Rz. 183) und der fehlenden Ursächlichkeit der Anteilsausgabe (Rz. 180 ff.), da sich nur auf diese Weise eine tragfähige Abgrenzung zum Aufgeld nach Abs. 2 Nr. 1 vornehmen lässt (zur Abgrenzung zu Abs. 2 Nr. 1 ausführlich Rz. 149 ff.). 5. Analoge Anwendung von Abs. 2 Nr. 4 190

Eine Einstellung in die Kapitalrücklage muss schließlich auch in analoger Anwendung von Abs. 2 Nr. 4 hinsichtlich von Verbindlichkeiten von Nichtgesellschafter gegen die Gesellschaft erfolgen, für die ein qualifizierter Rangrücktritt (s. Rz. 44) erklärt wurde, wenn die Gesellschaft zum Bilanzstichtag nicht über freies Vermögen verfügt. Denn in diesen Fällen kann die Verbindlichkeit nicht mehr durchgesetzt werden und entspricht eher dem Eigenkapital (Rz. 40).1 Allerdings muss dann ein getrennter Ausweis innerhalb der Kapitalrücklage (§ 265 Abs. 5 Satz 2 HGB – § 265 HGB Rz. 31 f.) erfolgen, um den Anforderungen von § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB (§ 264 HGB Rz. 23 ff.) zu entsprechen. Verfügt die Gesellschaft zu einem späteren Bilanzstichtag wieder über freies Vermögen, muss wieder eine Ausbuchung aus der Kapitalrücklage und eine Einstellung als Verbindlichkeit erfolgen.

VI. Gesellschaftsrechtliche Sonderfälle der Kapitalrücklage 1. Aktienrecht 191

Dabei handelt es sich bei der AG zunächst um die vereinfachte Kapitalherabsetzung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AktG), die in der Form erfolgen kann, dass Teile des gezeichneten Kapitals in die Kapitalrücklage eingestellt werden können, um diese dann unter den Voraussetzungen des § 150 AktG aufzulösen.2 Die vereinfachte Kapitalherabsetzung in Form der Umbuchung in die Kapitalrücklage ist aber ausgeschlossen, wenn die Kapitalrücklage und die gesetzliche Rücklage nach der Kapitalherabsetzung zusammen 10% des herabgesetzten Grundkapitals übersteigen würden (§ 231 AktG). Schließlich müssen bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung die Beträge in die Kapitalrücklage eingestellt werden, die sich aus einer geringeren Wertminderung oder sonstigen Verlusten gegenüber dem Zeitpunkt der Beschlussfassung ergeben (§ 232 AktG). Zudem sind bei einem Einziehungsverfahren der anteilige Betrag der Aktien am Grundkapital in die Kapitalrücklage einzustellen, sofern die Aktien der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder aber zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer Gewinnrücklage eingezogen wurden (§ 237 Abs. 5 AktG).

192

Keinen Fall des Abs. 2 Nr. 2 (Rz. 156 ff.) stellt schließlich die nach § 218 Satz 2 AktG zu bildende Sonderrücklage dar.3 In diese Sonderrücklage ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag der Bezugsaktien und dem (niedrigeren) Ausgabebetrag der für den Bezug insgesamt hinzugebenden Schuldverschreibungen einzustellen, womit das Kapital aufgrund der damit verbundenen Unterpari-Emission gesichert werden soll.4 Die Rücklagenbildung muss konsequenterweise nur dann unterbleiben, wenn sich die Umtauschberechtigten nicht zu einer Zuzahlung gegenüber der Gesellschaft verpflichtet haben (§ 218 Satz 2 Hs. 3 AktG). § 218 Satz 2 AktG findet entsprechende Anwendung auf Optionsanleihen5 nicht aber auf das genehmigte Kapital.6 2. GmbH-Recht

193

Bei der GmbH besteht bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung ein Wahlrecht, die so gewonnenen Beträge in die Kapitalrücklage einzustellen (§ 58b Abs. 2 GmbHG). Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft müssen bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung bei einer GmbH auch die Beträge in die Kapitalrücklage eingestellt werden, die sich aus einer geringeren Wertminderung oder sonstigen Verlusten gegenüber dem Zeitpunkt der Beschlussfassung ergeben (§ 58c Satz 1 GmbHG).

1 Ebenso Müller, BB 2016, 491 (493). 2 Zum Hintergrund der vereinfachten Kapitalherabsetzung in Form der Erweiterung der Kapitalrücklage vgl. Oechsler in MünchKomm. AktG4, § 229 Rz. 26; Marsch-Barner in Spindler/Stilz, AktG3, § 229 Rz. 9. 3 ADS6, § 272 HGB Rz. 88. 4 Vgl. zum Regelungszweck von § 218 Satz 2 AktG Hirte in GroßKomm. AktG4, § 218 Rz. 17; Hüffer/Koch, AktG12, § 218 Rz. 4. 5 Dazu ausführlich Hirte in GroßKomm. AktG4, § 218 Rz. 25 ff.; Hüffer/Koch, AktG12, § 218 Rz. 7. 6 Fock/Wüsthoff in in Spindler/Stilz, AktG3, 218 Rz. 9; Hirte in GroßKomm. AktG4, § 218 Rz. 32.

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E. Kapitalrücklage (Abs. 2)

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Rz. 198 § 272

Soweit bei einer GmbH eine Nachschusspflicht besteht (§§ 26 f. GmbHG), die Einziehung dieser Nach- 194 schüsse beschlossen ist und für die Gesellschafter keine Befreiungsmöglichkeit mehr besteht, ist der nachzuschießende Betrag als Sonderposten eingeforderte Nachschüsse zu aktivieren und ein entsprechender Betrag im Rahmen der Kapitalrücklage gesondert auszuweisen (§ 42 Abs. 2 GmbHG – § 42 GmbHG Rz. 20 ff.). Soweit die Nachschüsse von den Gesellschaftern erbracht wurden, entfällt die Verpflichtung zu einem gesonderten Ausweis, so dass eine Umbuchung in die (reguläre) Kapitalrücklage erfolgen muss.1 Mit Erbringung des Nachschusses besteht kein Grund für einen gesonderten Ausweis mehr, zumal ansonsten auch der Umfang der geleisteten und noch nicht geleisteten Nachschüsse aus der Bilanz – jedenfalls auf der Passivseite – nicht ohne weiteres erkennbar wäre.2 Freiwillige Zuschüsse werden von dem Sonderausweis nach § 42 Abs. 2 GmbHG nicht erfasst, sondern gelten als sonstige Zuzahlung nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.).3

VII. Auflösung der Kapitalrücklage 1. Aufgeld und Zahlungen nach Abs. 2 Nr. 1–3 Die Auflösung der Kapitalrücklage ist für das Aktien- und GmbH-Recht sehr unterschiedlich ausgestaltet 195 (§ 150 AktG bzw. § 30 Abs. 2, 58b GmbHG), was vor allem auf den im Aktienrecht stärker ausgestalteten Kapitalschutz zurückzuführen ist.4 Diese Regelungen zur Auflösung der Kapitalrücklage sind abschließend und können insbes. nicht aufgrund des Kapitalschutzsystems erweitert werden.5 Im Aktienrecht unterliegt die Auflösung der Kapitalrücklage nach § 150 AktG weit gehenden Beschränkungen. Siehe dazu die Kommentierung zu § 150 AktG.

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Bei der GmbH ist die Auflösung der Kapitalrücklage grundsätzlich keinen Beschränkungen unterworfen.6 197 Dabei kommt auch keine analoge Anwendung von § 150 Abs. 3–4 AktG in Betracht, da § 30 Abs. 1 GmbHG im Gegensetz zu § 57 Abs. 3 AktG gerade nicht auf den Bilanzgewinn abstellt.7 Allerdings können in der Satzung entsprechende Regelungen vorgesehen werden.8 Eine Ausnahme bildet insofern allerdings zunächst die Rücklage für eingeforderte Nachschüsse (Rz. 194). Diese dürfen nur an die Gesellschafter zurückgezahlt werden, wenn sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind (§ 30 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Zudem darf die Rückzahlung nicht innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntmachung des Rückzahlungsbeschlusses erfolgen (§ 30 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Soweit die Nachschusseinforderung bereits vor der vollständigen Leistung der Einlage zulässig ist (§ 28 Abs. 2 GmbHG), kann eine Rückzahlung erst nach der vollständigen Leistung der Einlagen vorgenommen werden (§ 30 Abs. 2 Satz 3 GmbHG). Ebenfalls Einschränkungen hinsichtlich ihrer Verwendung unterliegt die im Rahmen der vereinfachten Kapitalherabsetzung zu bildende Rücklage (§ 58b Abs. 1 GmbHG). Diese Rücklage darf nicht vor Ablauf von fünf Jahren ausgeschüttet werden (§ 58b Abs. 3 GmbHG), es sei denn er wird zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages, eines Verlustvortrages oder zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet (§ 58b Abs. 3 Nr. 1-3 GmbHG). Zudem steht die (generelle) Gewinnausschüttung unter der Bedingung, dass die Kapital- und Gewinnrücklagen zusammen 10% des Stammkapitals erreichen (§ 58d Abs. 1 GmbHG). 2. Sonstige Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 Die sonstigen Zuzahlungen unterliegen hingegen grundsätzlich keinen Beschränkungen und können frei verwendet werden. Daher ist es auch zulässig, wenn die Gesellschaft und die Gesellschafter Verwendungsabreden hinsichtlich der als sonstige Zuzahlungen geleisteten Mittel treffen.9 Daher können die Zuzahlun1 Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 129 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 103; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1426.1; aA aber ADS6, § 42 GmbHG Rz. 25; Crezelius in Scholz, GmbHG11, § 42 Rz. 17; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 Rz. 49. 2 So auch Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 103; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 217; aA Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1426.1. 3 Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1426.2. 4 Dazu Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 197 f. 5 Wohl auch Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 138 f., 166 ff. 6 ADS6, § 272 HGB Rz. 79. 7 Ebenso Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 165 ff.; aA aber Wilhelm, FS Flume – Band II, 337 (348); wohl auch Fabritius, ZHR 144 (1980), 628 (632). 8 ADS6, § 272 HGB Rz. 79; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 31; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 206. 9 OLG München v. 27.9.2006 – 7 U 1857/06, NJOZ 2007, 332, 335 = AG 2007, 292; bestätigt durch BGH v. 15.10.2007 – II ZR 249/06, NZG 2008, 76 = AG 2008, 122; vgl. auch Haberstock, NZG 2008, 220; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 45; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1425.

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§ 272 Rz. 199 | Eigenkapital gen an die Gesellschaft auch auf ein gesondertes Konto fließen, von dem dann später bereits feststehende Tilgungsleistungen gegenüber Gläubigern vorgenommen werden sollen. Etwas anderes kann konsequenterweise aber auch dann nicht gelten, wenn die Zahlungen an einen Gesellschafter geleistet werden, da die Gesellschafter grundsätzlich eine Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Finanzierungsform ihrer Gesellschaft haben und sich im Rahmen dieser statt für eine reguläres Aufgeld nach Abs. 2 Nr. 1 (Rz. 139 ff.) auch für eine sonstige Zuzahlung nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) entscheiden können.1 199

Bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags können die während der Vertragslaufzeit geleisteten Einlagen iSv. Abs. 2 Nr. 4 bei einer Auflösung der Kapitalrücklagen nur im Rahmen einer Gewinnausschüttung – und damit an alle Gesellschafter – wieder ausgezahlt werden (so genanntes Leg-ein-Hol-zurückVerfahren). Eine Abführung im Rahmen des Gewinnabführungsvertrags an den anderen Vertragsteil scheidet daher aus.2

VIII. Ausweis der Kapitalrücklage 200

Der Ausweis der Kapitalrücklage erfolgt im Eigenkapital als eigenständiger Posten (§ 266 Abs. 3 A.II. HGB). Dabei muss grundsätzlich keine Untergliederung erfolgen, da dies § 266 Abs. 3 A. II. HGB nicht vorsieht und aus § 152 Abs. 2 AktG insofern ein Umkehrschluss gezogen werden kann.3 Eine solche Pflicht lässt sich auch weder aus § 264 Abs. 2 HGB4 noch aus Art. 10 Anhang III/IV Passiva A.IV.1. (Neue) Bilanzrechtsrichtlinie ableiten. Europarechtswidrig ist es allerdings, dass das Aufgeld nicht getrennt von der Kapitalrücklage ausgewiesen wird, da Art. 10 Anhang III/IV Passiva A.II. (Neue) Bilanzrechtsrichtlinie dies ausdrücklich verlangt (Rz. 26 f.).

201

Eine solche Untergliederungspflicht kann zudem auch nicht aufgrund des Umstandes der unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen der Kapitalrücklage hinsichtlich ihrer Auflösung begründet werden. Zwar unterliegt der nach Abs. 2 Nr. 4 einzustellende Betrag nicht der gleichen Bindung wie die übrigen Beträge (Rz. 198 ff.). Daraus kann aber keine Pflicht für einen getrennten Ausweis abgeleitet werden5, da die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften sich zum Ausweis der Kapitalrücklage grundsätzlich nicht verhalten. Dies gilt dann auch für die nach §§ 231 Abs. 1, 232, 237 Abs. 5 AktG, §§ 58b Abs. 2, 58c Satz 1 GmbHG in die Kapitalrücklage einzustellenden Beträge6, auch wenn diese nicht den Beschränkungen des § 150 AktG unterfallen. Weiterhin ist auch ein gesonderter Ausweis der unter §§ 58b Abs. 2, 58c Satz 1 GmbHG fallenden Beträge nicht gerechtfertigt.7 Eine Ausnahme besteht schließlich nur bei der GmbH, wonach die eingeforderten Nachschüsse entsprechend gesondert in der Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG – § 42 GmbHG Rz. 29 f.).

202

Unabhängig davon ist aber eine freiwillige Untergliederung zulässig (§ 265 Abs. 5 HGB).8 Für die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der anderen Zuzahlungen (Abs. 2 Nr. 4) im Rahmen von § 150 Abs. 2 bis 4 AktG ein gesonderter Ausweis empfehlenswert.9 Für die GmbH ist ein gesonderter Ausweis aber in der Regel entbehrlich.10

203

Bei der AG und der KGaA müssen zudem der eingestellte Betrag im Geschäftsjahr (§ 152 Abs. 2 Nr. 1 AktG) und die Entnahmen aus der Kapitalrücklage in der Bilanz oder wahlweise im Anhang angegeben werden (§ 152 Abs. 2 Nr. 2 AktG). Schließlich müssen bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien die Entnahmen aus der Kapitalrücklage in der Gewinn- und Verlustrechnung an-

1 Ebenso Haberstock, NZG 2008, 220 (220 f.). 2 Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 301 Rz. 21; Bünning/Stoll, BB 2016, 555 (557 f.); Hirte in GroßKomm. AktG4, § 301 Rz. 13; Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 301 Rz. 17; ebenso BFH v. 8.8.2001 – I R 25/00, BStBl. II 2003, 923; aA aber OLG Frankfurt v. 29.6.1999 – 5 U 251/97, NZG 2000, 603 (604); Hüffer/Koch, AktG12, § 301 Rz. 8; Hüffer, FS Schneider, 559. 3 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 85 f.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 32; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 66 f. (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 66. 4 So aber Heymann in Beck-HdR, B 231 Rz. 84, der dies jedenfalls für die AG annimmt. 5 Ebenfalls ablehnend ADS6, § 272 HGB Rz. 86; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 32. 6 Einen gesonderten Ausweis empfehlend ADS6, § 272 HGB Rz. 87; dies ablehnend Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 67 (Stand Juni 2017); offen lassend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 32. 7 Für einen gesonderten Ausweis aber Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 32. 8 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 66; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 165. 9 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 86; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 66; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 165. 10 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 89.

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F. Gewinnrücklagen (Abs. 3)

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Rz. 209 § 272

gegeben werden (§ 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG). Diese Verpflichtung besteht bei der GmbH nicht, kann aber freiwillige vorgenommen werden.1

IX. Steuerrechtliche Behandlung der in die Kapitalrücklage einzustellenden Beträge Leistungen von Gesellschaftern bei der Ausgabe von Anteilen (Abs. 2 Nr. 1 – Rz. 139 ff.) sind steuerlich 204 als Einlagen zu betrachten2 und werden dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 Abs. 1 KStG) gutgeschrieben. Erfolgt die Einlageleistung durch einen Erlass einer Forderung, stellt nur der werthaltige Teil der Verbindlichkeit eine Einlagenleistung dar, so dass der übrige Teil steuerrechtlich als Ertrag behandeln ist.3 Die Beträge, die bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt werden (Abs. 2 Nr. 2 – Rz. 156 ff.), sind ebenfalls als Einlage zu betrachten, da es sich um eine Zuführung von Eigenkapital handelt.4

205

Auch die sonstigen Zuzahlungen nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) sind steuerrechtlich als Einlage zu be- 206 trachten und zwar auch für den Fall, dass diese handelsbilanzrechtlich nicht in die Kapitalrücklage eingestellt werden. Verbindlichkeiten, für die ein qualifizierter Rangrücktritt erklärt wird (Rz. 44), sind als Gesellschaftereinlage zu betrachten5 und führen zur Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 KStG), so dass der Rangrücktritt erfolgsneutral ist.6 Allerdings muss der Ansatz zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) erfolgen, so dass im Krisenfall in der Regel ein Ansatz zu Null erfolgt.7 Bei Verbindlichkeit mit einem qualifizierten Rangrücktritt von Nichtgesellschaftern handelt es sich hingegen um einen betrieblichen Vorgang, so dass der Rangrücktritt erfolgswirksam erfolgt.8

F. Gewinnrücklagen (Abs. 3) I. Bildung der Gewinnrücklage (Abs. 3 Satz 1) Während die Kapitalrücklagen nur Vermögensmehrungen erfasst, die in einem Zusammenhang mit der 207 Kapitalbeschaffung stehen, von den Gesellschaftern erbracht werden und nicht aus erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft stammen, sind die nach Abs. 3 zu bildenden – früher auch als offene Rücklagen bezeichneten – Gewinnrücklagen aus dem Ergebnis der Gesellschaft zu bilden (Abs. 3 Satz 1) und bestehen damit nur aus Beträgen, die die Gesellschaft erwirtschaftet hat. Daraus folgt, dass die Bildung von Gewinnrücklagen zwingend einen Jahresüberschuss voraussetzt.9 Das deutsche Handelsbilanzrecht kennt dabei fünf Arten von Gewinnrücklagen. Dabei handelt es sich 208 um die so genannte gesetzliche Rücklage nach Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 (Rz. 209 ff.), die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen nach Abs. 4 (Rz. 229 ff.), die satzungsmäßigen Rücklagen nach Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 (Rz. 215 ff.), die Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge nach Abs. 5 (Rz. 236 f.) und die anderen Gewinnrücklagen nach Abs. 3 Satz 2 Alt. 3 (Rz. 220 ff.).

II. Gesetzliche Rücklagen (Abs. 3 Satz 2 Alt. 1) 1. Grundlagen Die Bildung der gesetzlichen Rücklage soll durch die mit ihr verbundenen Kapitalsicherung und Kapital- 209 stärkung ebenso wie das feste Garantiekapital dem Gläubigerschutz dienen.10 Sie dient also der Kapitalerhaltung.11 Darüber stellt sie eine Gewinnregulierung dar, da sie ohne Vorliegen von bestimmten EreigADS6, § 272 HGB Rz. 80. Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1425.1. Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 220. BFH v. 30.11.2005 – I R 3/04, BStBl. II 2008, 809 Tz. 13 f. BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BStBl. II 2015, 769 Tz. 14. Müller, BB 2016, 491 (493 f.). Müller, BB 2016, 491 (494). Müller, BB 2016, 491 (494). ADS6, § 272 HGB Rz. 141; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 172; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 105; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 230. 10 Ebenroth, FS Trinkner, 119 (123 f.); Hüffer/Koch, AktG12, § 150 Rz. 1; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Kapitalgesellschaften, 469 ff.; Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 197 f.; Wagner, ZGR 1988, 210 (231); Wiedemann, Gesellschaftsrecht – Band I, 469. 11 Vgl. dazu ausführlich Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 197 ff. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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§ 272 Rz. 210 | Eigenkapital nissen wie etwas drohenden Verlusten gebildet werden muss bzw. umfangreicher gebildet werden kann.1 Es handelt sich daher – ebenso wie beim Garantiekapital selbst – um eine zwangsweise Verordnung ökonomischer Vernunft mit zweifelhaftem Erfolg.2 2. Besonderheiten im Aktienrecht 210

Im Gegensatz zur GmbH (Rz. 211 ff.) ist das Aktienrecht von einer umfassenden Bildung gesetzlicher Rücklagen geprägt. Diese aktienrechtliche Sonderegelung erklärt sich vor allem aus der fehlenden Identifikation der Aktionäre mit der AG und der damit verbundenen größeren Bereitschaft, Kapital aus dieser abzuziehen.3 Dabei ist die (reguläre) gesetzliche Rücklage nach § 150 AktG und die gesetzliche Rücklage bei Unternehmensverträgen nach § 300 AktG zu bilden. Siehe dazu ausführlich die Kommentierungen zu § 150 AktG und zu § 300 AktG. 3. Besonderheiten im GmbH-Recht

211

Das GmbH-Recht kennt – im Gegensatz zum Aktienrecht (Rz. 210) – grundsätzlich keine Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage (zu den Gründen s.o. Rz. 7). Eine Ausnahme besteht auch nicht, wenn die GmbH einen Unternehmensvertrag abgeschlossen hat, da § 300 AktG auf die GmbH aufgrund der fehlenden zwingenden Rücklagenbildung keine Anwendung findet.4

212

Allerdings besteht die Pflicht zur Rücklagenbildung bei Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG) nach § 5a Abs. 3 GmbHG. In diese gesetzliche Rücklage ist ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen. Durch die Bildung dieser gesetzlichen Rücklage soll das bei der Unternehmergesellschaft nicht zwingend erforderliche Stammkapital ersetzt werden, so dass die Unternehmergesellschaft bei einer entsprechenden wirtschaftlichen Entwicklung das für die GmbH vorgeschriebene Stammkapital von 25.000 € automatisch erreicht. Die Pflicht zur Bildung der gesetzlichen Rücklage besteht dabei unabhängig von der Höhe der Rücklage. Daher ist auch dann weiter ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen, wenn die gesetzliche Rücklage den Betrag von 25.000 € übersteigt.5 Diese Pflicht entfällt erst, wenn die Unternehmergesellschaft eine Kapitalerhöhung durchführt und damit das Mindeststammkapital (§ 5 Abs. 1 GmbHG) erreicht oder übersteigt (§ 5a Abs. 5 GmbHG).

213

Die gesetzlich Rücklage nach § 5a Abs. 3 GmbHG kann zunächst für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 57c GmbHG) verwendet werden (§ 5a Abs. 3 Nr. 1 GmbHG). Darüber hinaus kann auch ein Jahresfehlbetrag ausgeglichen werden, wenn dieser nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist (§ 5a Abs. 3 Nr. 2 GmbHG). Schließlich kann die gesetzliche Rücklage auch dazu verwandt werden, einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr auszugleichen, wenn dieser nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist (§ 5a Abs. 3 Nr. 3 GmbHG). Für andere Zwecke ist die Auflösung der gesetzlichen Rücklage nicht gestattet.6 4. Besonderheiten im Genossenschaftsrecht

214

Im Genossenschaftsrecht besteht ebenfalls die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage (§ 7 Nr. 2 GenG). Dabei sieht das Genossenschaftsrecht aber lediglich die Pflicht zur Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung zur Bildung der gesetzlichen Rücklage in der Satzung vor. Weitere Vorgaben bestehen nur insoweit, als die gesetzliche Rücklage nur aus dem Ergebnis gebildet werden darf (Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 336 Abs. 2 Satz 1). Hinsichtlich der Höhe macht § 7 Nr. 2 GenG keinerlei Vorgaben, so dass die Mitglieder der Genossenschaft insofern keinen Bindungen unterliegen, wobei eine gesetzliche Rücklage bestehen muss.7 Die gesetzliche Rücklage darf nur zur Deckung eines sich aus der Bilanz ergebenden Verlustes verwendet werden (§ 7 Nr. 2 GenG), so dass diese einer strengen Zweckbindung unterliegt. Allerdings kann Brönner in GroßKomm AktG3, § 150 Rz. 3. Kritisch daher Deutscher Notarverein e.V., NZG 2001, 185 (188). Kritisch zur fehlenden Bildung einer gesetzlichen Rücklage bei der GmbH Ebenroth, FS Trinkner, 119 (131 f.). Vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit von § 300 AktG auf die GmbH ADS6, § 272 HGB Rz. 169 f.; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 300 Rz. 7; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht7, § 300 Rz. 5. 5 Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 5a Rz. 21; Westermann in Scholz, GmbHG11, § 5a Rz. 24; Roth in Roth/ Altmeppen8, § 5a Rz. 24. 6 Fastrich in Baumbach/Hueck21, § 5a Rz. 25; Westermann in Scholz, GmbHG11, § 5a Rz. 24; Roth in Roth/Altmeppen8, § 5a GmbHG Rz. 27. 7 Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG4, § 7 Rz. 14. 1 2 3 4

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F. Gewinnrücklagen (Abs. 3)

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Rz. 221 § 272

die Satzung vorsehen, unter welchen Voraussetzungen eine Verwendung zur Verlustdeckung in Betracht kommt.1

III. Satzungsmäßige bzw. gesellschaftsvertragliche Rücklagen (Abs. 3 Satz 2 Alt. 2) Zum Zwecke der Vorsorge können Gesellschaften auch die Bildung (freiwilliger) Gewinnrücklagen vor- 215 sehen. Dafür ist es aber erforderlich, dass die Bildung dieser Gewinnrücklagen zum einen in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag selbst und zum anderen zwingend vorgesehen wird. Satzungsmäßige Rücklagen iSv. § 266 Abs. 3 A.III. HGB sind daher nur die Rücklagen, die bei Vorliegen eines entsprechenden Jahresüberschusses gebildet werden müssen, insofern also kein Ermessen der Verwaltung oder der Gesellschafterversammlung besteht.2 Daher kann auch eine Überdotierung in die satzungsmäßigen Rücklagen nicht erfolgen.3 Eine dahingehende Gestaltung der Rücklagenbildung ist zwar möglich, erfordert dann aber einen Ausweis im Rahmen der anderen Gewinnrücklagen (Rz. 220 ff.). Die Rücklagen können dabei für alle Arten von Zwecken geschaffen werden. Neben Gewinnrücklagen kommen dabei insbes. zweckgebundene Rücklagen in Betracht, die für bestimmte zukünftige Investitionen oder Ereignisse gebildet werden.4 Dabei ist es empfehlenswert, die möglichen unterschiedlichen Zwecke durch einen Davon-Vermerk voneinander abzuheben oder jedenfalls im Anhang eine Erläuterung vorzunehmen (§ 265 Abs. 5 Satz 2 HGB – § 265 HGB Rz. 31 f.). Die Zweckbindung kann durch eine entsprechende Änderung der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags später geändert werden.5

216

Die Bildung satzungsmäßiger Rücklagen ist bei der AG grundsätzlich zulässig. Dies ergibt sich im Umkehr- 217 schluss aus § 58 Abs. 4 AktG, da der Anspruch der Aktionäre auf den Bilanzgewinn unter gesetzlichen und satzungsmäßigen Einschränkungen steht.6 Die Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) steht der Bildung von satzungsmäßigen Rücklagen daher nicht entgegen. Die nach § 58 Abs. 3 AktG zu bildende Gewinnrücklage ist keine satzungsmäßiger Rücklage iSv. Abs. 3 Satz 2 Alt. 2. Zwar deutet der Gesetzeswortlaut daraufhin, allerdings steht die Einstellung der entsprechenden Beträge im Ermessen der Hauptversammlung, so dass es sich insofern um eine andere Gewinnrücklage (Rz. 220) handelt.7 Bei der GmbH bestehen keine Beschränkungen für die Rücklagenbildung, da bei dieser ohnehin kein Vollausschüttungsgebot (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG – § 29 GmbHG Rz. 7 ff.) besteht.8 Erforderlich ist aber auch bei der GmbH eine ausdrückliche Aufnahme einer entsprechenden Regelung in den Gesellschaftsvertrag.9 Im Genossenschaftsrecht können ebenfalls freiwillige Gewinnrücklagen gebildet werden (§ 20 GenG). Erforderlich ist insofern wieder eine entsprechende Satzungsregelung.10

218

Die Auflösung der satzungsmäßigen bzw. gesellschaftsvertraglichen Rücklagen unterliegt vorrangig der 219 jeweiligen Regelung in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag. Soweit eine solche Regelung dort nicht enthalten ist, können die Gewinnrücklagen durch die jeweils zuständigen Gesellschaftsorgane jederzeit aufgelöst werden.

IV. Andere Gewinnrücklagen (Abs. 3 Satz 2 Alt. 3) Schließlich können auch Beträge in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden, soweit sie nicht schon 220 in die gesetzliche Rücklage oder die satzungsmäßigen bzw. gesellschaftsvertraglichen Rücklagen fallen. Bei der AG handelt es sich zunächst um den Fall, dass der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses überlassen bleibt und diese Beträge aus dem Jahresüberschuss in andere Gewinnrücklagen 1 Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG4, § 7 Rz. 15. 2 ADS6, § 272 HGB Rz. 151; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 Rz. 62; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 158 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 114; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 250. 3 ADS6, § 272 HGB Rz. 156. 4 Für eine Übersicht zu möglichen Zwecken s. Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 165 (Stand Juni 2017). 5 ADS6, § 272 HGB Rz. 146. 6 Im Ergebnis ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 151; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 Rz. 62; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 113; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 250. 7 ADS6, § 272 HGB Rz. 154; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 62; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 HGB Rz. 113; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 250. 8 Ebenso Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 169 (Stand Juni 2017); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 113. 9 ADS6, § 272 HGB Rz. 156; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 62; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 230. 10 Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG4, § 7 Rz. 16.

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§ 272 Rz. 222 | Eigenkapital einstellen möchte, wofür allerdings eine entsprechende Satzungsregelung enthalten sein muss (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dabei kann aber aus Gründen des Minderheitenschutzes1 höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden (§ 58 Abs. 1 Satz 2 AktG). Maßgeblich ist dabei der Jahresüberschuss abzüglich der in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Beträge und eines Verlustvortrags (§ 58 Abs. 1 Satz 3 AktG). 222

Ist die Feststellung des Jahresabschlusses dem Vorstand und dem Aufsichtsrat überlassen, können diese ebenfalls einen Teil des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen, wobei auch in diesem Zusammenhang höchstens die Hälfte eingestellt werden darf (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Satzung kann allerdings auch einen bestimmten Betrag für die Einstellung die anderen Gewinnrücklagen vorsehen, der dann auch größer sein kann als die Hälfte des Jahresüberschusses (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AktG). Dabei unterliegen Vorstand und Aufsichtsrat aber der Beschränkung, dass eine Einstellung nicht dazu führen darf, dass die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen (§ 58 Abs. 2 Satz 3 AktG). Maßgeblich ist dabei wieder der Jahresüberschuss abzüglich der in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Beträge und eines Verlustvortrags (§ 58 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 4 AktG).

223

Weiterhin kann die Hauptversammlung auch noch im Beschluss über die Ergebnisverwendung weitere Beträge in die anderen Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 3 AktG). Diesbezüglich bestehen für die Hauptversammlung keine quantitativen Beschränkungen2, sofern solche nicht durch die Satzung vorgegeben werden.3

224

Ebenfalls zu den anderen Gewinnrücklagen gehört die Sonderrücklage nach § 58 Abs. 2a AktG, § 29 Abs. 4 GmbHG (§ 29 GmbHG Rz. 53 ff.). Danach können Vorstand und Aufsichtsrat den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens und den bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildeten Passivposten, die nicht im Sonderposten mit Rücklageanteil ausgewiesen werden dürfen, in die anderen Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2a Satz 1 AktG, § 29 Abs. 4 Satz 1 GmbHG [§ 29 GmbHG Rz. 53 ff.]). Der Betrag ist dann aber in der Bilanz oder im Anhang gesondert auszuweisen (§ 58 Abs. 2a Satz 2 AktG, § 29 Abs. 4 Satz 2 GmbHG [§ 29 GmbHG Rz. 53 ff.]).

225

Die Auflösung der anderen Gewinnrücklagen unterliegt ebenso wie bei den Gewinnrücklagen den jeweils zuständigen Gesellschaftsorganen, die insofern keinen Beschränkungen unterliegen. Für die Rücklagen aufgrund von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens und von bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildeten Passivposten kommen zudem entsprechende satzungs- oder gesellschaftsvertragliche Bestimmungen in Betracht.4

V. Ausweis der Gewinnrücklagen 226

Der Ausweis der Gewinnrücklagen erfolgt nach § 266 Abs. 3 A.III. HGB im Eigenkapital, wobei die vier Arten der Gewinnrücklage getrennt auszuweisen sind. Für kleine Kapitalgesellschaften gilt dabei allerdings die Erleichterung, dass diese Unterteilung nicht erforderlich ist (§ 267 Abs. 1 Satz 3 HGB – § 267 HGB Rz. 8).

227

Bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien müssen zusätzlich in der Bilanz oder im Anhang Angaben über die Beträge gemacht werden, die die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn des Vorjahres eingestellt hat (§ 150 Abs. 3 Nr. 1 AktG), die aus dem Jahresüberschuss des Geschäftsjahres eingestellt werden (§ 150 Abs. 3 Nr. 2 AktG) und die für das Geschäftsjahr entnommen werden (§ 150 Abs. 3 Nr. 3 AktG). Zudem müssen in der Gewinn- und Verlustrechnung die Entnahmen und die Einstellung in den einzelnen Arten der Gewinnrücklage dargestellt werden (§ 158 Abs. 1 Nr. 3, 4 AktG). Dies kann dabei in Form eines Rücklagenspiegels erfolgen.5 Bei der GmbH sind derartige Angaben nicht verpflichtend, können aber freiwillig gemacht werden (§ 265 Abs. 5 Satz 2 HGB – § 265 HGB Rz. 31 f.).6

1 Vgl. dazu Henze in GroßKomm. AktG4, § 58 Rz. 25. 2 Henze in GroßKomm. AktG4, § 58 Rz. 78; Lutter in Kölner Komm. AktG2, § 58 Rz. 70. 3 Zur Zulässigkeit derartiger Satzungsregelungen vgl. ADS6, § 58 AktG Rz. 133; Henze in GroßKomm. AktG4, § 58 Rz. 83. 4 ADS6, § 272 HGB Rz. 158; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 276. 5 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 116. 6 Ebenso ADS6, § 272 HGB Rz. 145; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 116; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 277.

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G. Rücklage für Anteile (Abs. 4)

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Rz. 232 § 272

VI. Steuerrechtliche Behandlung der Gewinnrücklagen Die Gewinnrücklage hat keine Auswirkungen auf die steuerrechtliche Gewinnermittlung.

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G. Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (Abs. 4) I. Pflicht zur Rücklagenbildung (Abs. 4 Satz 1) Nach Abs. 4 Satz 1 muss eine Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten 229 Unternehmen gebildet werden, um den mit diesen Anteilen verbundenen Gefahren für den Gläubigerschutz (Rz. 8 f.) zu begegnen. Zum Anwendungsbereich siehe Rz. 33.

II. Bildung der Rücklage (Abs. 4 Satz 2 und 3) Die Rücklage muss mit dem Betrag gebildet werden, der für die Anteile an dem herrschenden oder mehr- 230 heitlich beteiligten Unternehmen auf der Aktivseite der Bilanz angesetzt wurde (Abs. 4 Satz 2). Damit ist die Zugangsbewertung maßgeblich. Ist der Erwerb der Anteile unentgeltlich erfolgt, muss keine Rücklage gebildet werden, wenn die Anteile auch ohne Bilanzwert angesetzt werden.1 Der Gesellschaft steht es dabei frei, die Rücklage durch eine Auflösung von freien Rücklagen zu bilden 231 (Abs. 4 Satz 3). Zu den freien Rücklagen gehört auch die nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.) zu bildende Kapitalrücklage und bei der GmbH darüber hinaus die gesamte Kapitalrücklage nach Abs. 2 (Rz. 136 ff.), da diese bei der GmbH keiner Kapitalbindung unterliegt.2 Darüber hinaus kann die Rücklagenbildung auch zu Lasten des laufenden Jahresergebnisses oder eines bestehenden Gewinnvortrags erfolgen.3 Die Dotierungsgrundlage für die Bildung der Rücklage muss auch ggf. bestehende selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände erfassen, auch wenn diese einer Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 HGB (§ 268 HGB Rz. 84 ff.) unterliegen, da die Rücklagenbildung auch zu Lasten des Jahresergebnisses erfolgen werden kann.4 Soweit diese Quellen für die Rücklagenbildung nicht ausreichen, muss die Rücklage dennoch in voller Höhe gebildet werden, was dann gegebenenfalls zu einem Bilanzverlust führen kann.5 Dabei gibt es keine Priorität zur Verwendung der freien Rücklagen, so dass zur Bildung der Rücklage nach Abs. 4 auch ein Bilanzverlust trotz des Bestehens freier Rücklagen gebildet werden darf.6 Zur Deckung dieses Bilanzverlusts dürfen keine Beträge aus der gesetzlichen Rücklage oder aus der Kapitalrücklage verwendet werden, da die Rücklage nach Abs. 4 ansonsten im Ergebnis aus gesperrten Rücklagen gebildet worden wäre.7 Die Rücklage ist ausweislich Abs. 4 Satz 3 bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu bilden. Damit soll si- 232 chergestellt werden, dass die Rücklagenbildung nicht erst im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses erfolgt. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang aber der Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen durch das abhängige oder mehrheitlich beherrschte Unternehmen. Dies gilt dabei sowohl für die Rücklagenbildung selbst, als auch für die theoretische Möglichkeit der Rücklagenbildung, wie sie beim Erwerb eigener Anteile in § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG bzw. § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG vorgesehen ist (Rz. 84 ff.).8 Daher muss das abhängige oder mehrheitlich beherrschte Unternehmen im Zeitpunkt des Erwerb der Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich 1 Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 139 (Stand Juni 2017); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 305. 2 Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (589). 3 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (294); ebenso zum bisherigen Recht ADS6, § 272 HGB Rz. 190. 4 Dazu ausführlich Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (589); ebenso Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 217; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 302. 5 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 280 (294); Kropff, ZIP 2009, 1136 (1142 f.); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 120, 124; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 302; so auch schon zum früheren Recht ADS6, § 272 HGB Rz. 195 ff.; aA aber Haller DB 1987, 645 (646); Zilias/Lanfermann WPg. 1980, 89 (92), die für eine Rücklagenbildung in den Folgejahren eintreten. 6 ADS6, § 272 HGB Rz. 189; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 303; aA Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 216; Küting/Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 151 (Stand Juni 2017). 7 Kühnberger, BB 2011, 1387 (1389); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 272 Rz. 121; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 303; aA Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 219. 8 AA aber Kropff, ZIP 2009, 1136 (1142), der den Erwerb von Anteilen an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen durch das abhängige oder mehrheitlich beherrschte Unternehmen davon abhängig machen will, dass letzteres eine entsprechende Rücklage bilden könnte.

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§ 272 Rz. 233 | Eigenkapital beteiligten Unternehmen noch nicht über entsprechend freie Rücklagen verfügen, solange diese zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz jedenfalls gebildet werden können. Die Geschäftsleiter der Gesellschaft trifft eine entsprechende Pflicht zur Prüfung der Verfügbarkeit von freien Rücklagen zum späteren Bilanzierungszeitpunkt.

III. Ausweis der Rücklage 233

Die Rücklage für die Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen ist nach § 266 Abs. 3 A. III. 2. HGB in der Bilanz bei den Gewinnrücklagen gesondert auszuweisen. Darüber hinaus müssen bei der Aktiengesellschaft in der Gewinn- und Verlustrechnung die Entnahmen und die Einstellung in die Rücklage gesondert ausgewiesen werden.

IV. Auflösung der Rücklage (Abs. 4 Satz 4) 234

Ebenso wie beim Erwerb eigener Anteile ist die Rücklage auszulösen, wenn die Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen veräußert, ausgegeben oder eingezogen werden (Abs. 4 Satz 4). Darüber hinaus ist die Rücklage entsprechend zu reduzieren, wenn die Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen mit einem niedrigeren Betrag angesetzt werden (Abs. 4 Satz 4). Der Gesetzeswortlaut spricht zwar insofern von einer Auflösung der Rücklage, meint damit aber nur die entsprechende Reduzierung im Verhältnis zur Abwertung der Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen. Andere Auflösungsgründe bestehen nicht.

V. Steuerrechtliche Behandlung der Rücklage für die Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen 235

Die Rücklage für die Anteile an dem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen hat – ebenso wie die Gewinnrücklage (Rz. 228) – keine Auswirkungen auf die steuerrechtliche Gewinnermittlung.1

H. Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5) I. Bildung der Rücklage (Abs. 5 Satz 1) 236

Die Rücklage ist nach Abs. 5 Satz 1 aus Gründen des Gläubigerschutzes (Rz. 10) zu bilden, wenn die Dividende oder der Gewinnanteil des Bilanzierenden aufgrund der Beteiligung den in der Gewinn- und Verlustrechnung eingestellten Betrag übersteigt. Welche konkreten Anforderungen dabei an das Bestehen dieser Dividende oder des Gewinnanteils bestehen müssen, gibt Abs. 5 Satz 1 nicht vor. Der eigentliche Anwendungsbereich der Regelung in Abs. 5 ergibt sich vor dem Hintergrund der Tomberger-Rechtsprechung des EuGH2, wonach bei der Realisierung von Beteiligungserträgen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist. Eine solche wirtschaftliche Realisierung liegt bereits vor, wenn die Muttergesellschaft Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin ist und somit den Gewinnverwendungsbeschluss bei dieser jederzeit herbeiführen kann, zwischen den Gesellschaften ein Mutter-Tochter-Verhältnis besteht, das Geschäftsjahr der Tochtergesellschaft spätestens mit dem der Muttergesellschaft endet und der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschluss und über die Gewinnverwendung bei der Tochtergesellschaft vor Abschluss der Prüfung des Jahresabschlusses der Muttergesellschaft erfolgt.3 Da dann aber auch schon ein rechtlicher Anspruch auf die Dividende oder den Gewinnanteil besteht und somit die Voraussetzungen von Abs. 5 Satz 2 vorliegen, bleibt kein Anwendungsbereich für die Norm.4

II. Auflösung der Rücklage (Abs. 5 Satz 2) 237

Die Rücklage muss nach Abs. 5 Satz 2 aufgelöst werden, wenn die Beträge der Gesellschaft tatsächlich zufließen oder sie einen Anspruch auf deren Zahlung erwirbt. Letzteres ist von der jeweiligen Form der Gesellschaft abhängig, an der der Bilanzierende beteiligt ist. Während bei Personengesellschaften der Auszahlungsanspruch mangels anderweitiger Regelung im Gesellschaftsvertrag schon mit der Feststellung der Bilanz entsteht, ist bei den Kapitalgesellschaften eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung notwendig. 1 Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 310. 2 EuGH v. 27.6.1996 – C-234/94 (Tomberger), EuGHE 1996, I-3133 = GmbHR 1996, 521. 3 Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, Rz. 87; offener aber Begr. des Rrechtsausschusses zum BilRUG, BTDrucks. 18/ 5256, 83, wonach es darauf ankommt, dass die Vereinnahmung so gut wie sicher sein muss. 4 Haaker, DB 2015, 510; Hermesmeier/Heinz, DB 2015, Beil. 5, 23; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, Rz. 90.

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I. Verstoß gegen § 272

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Rz. 245 § 272

I. Verstoß gegen § 272 I. Zivilrechtliche Folgen Der unrichtige Ausweis des gezeichneten Kapitals (Abs. 1 – Rz. 49 ff.) kann nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG1, nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG und nach § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG2 die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zur Folge haben.

238

Bei einem Verstoß gegen die Vorschriften zum Erwerb und der Veräußerung eigener Anteile (Abs. 1a [Rz. 84 ff.] und Abs. 1b [Rz. 108 ff.]) kommt eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG in Betracht, da auch bei diesen Regelungen der Gläubigerschutz im Vordergrund steht (Rz. 4 f.).

239

Der unrichtige Ausweis der Kapitalrücklage (Abs. 2 – Rz. 136 ff.) aufgrund gesetzeswidriger Einstellung in oder Entnahmen aus dieser führt zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG. Darüber hinaus kommt aber auch eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG in Betracht, da die Bildung der Kapitalrücklage dem Gläubigerschutz (Rz. 6) dient. Letzteres gilt allerdings nicht für die Rücklagenbildung nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 179 ff.).3 Hinsichtlich der Aufgliederung und der Darstellung der Rücklagen muss danach unterschieden werden, ob die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (§ 256 Abs. 4 AktG).4

240

Die gesetzwidrige Bildung von Gewinnrücklagen (Abs. 3 – Rz. 207 ff.) begründet auch eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG. Eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG scheidet mangels einer Gläubigerschutzfunktion der Gewinnrücklagen aus.

241

Schließlich begründet eine Verstoß gegen die Vorschriften zur Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen (Abs. 4 – Rz. 229 ff.) und der Rücklage für unrealisierte Beteiligungserträge (Abs. 5 – Rz. 236 ff.) eine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG, da es sich bei diesen auch um Gewinnrücklagen handelt.

242

Für die GmbH gelten die in Rz. 238 ff. dargestellten Grundsätze ebenso.5

243

II. Strafrechtliche Sanktionen Die Nichtbeachtung von § 272 HGB kann zunächst eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 244 lit. c) HGB darstellen. Zudem kommt eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB in Betracht, wenn durch die Verletzung von § 272 HGB die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden. Dies ist aber erst anzunehmen, wenn ein erheblicher Verstoß vorliegt, was in der Regel bei einem Nichtigkeitsgrund nach § 256 AktG (Rz. 238 ff.) der Fall ist.6

III. Enforcement-Verfahren Schließlich kann eine Verletzung von § 272 die Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung iSd. § 342b Abs. 5 Satz 2 HGB, § 37q WpHG darstellen. Insofern ist es allerdings erforderlich, dass nicht nur ein Verstoß gegen § 272 HGB vorliegt, sondern dass dieser aus Sicht des Kapitalmarkts wesentlich ist.7

1 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 272 Rz. 12; aA und eine Spezialität von § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG gegenüber § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG annehmend ADS6, § 256 AktG Rz. 34; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 160; Rölike in Spindler/Stilz, AktG3, § 256 Rz. 41, 77; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 390. 2 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 68; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 160; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 390. 3 Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 161. 4 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 68; Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 390. 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 68; Kropff in MünchKomm. BilR, § 272 HGB Rz. 160; Küting/ Reuter in HdR5, § 272 HGB Rz. 259 (Stand Juni 2017); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 272 HGB Rz. 391; vgl. dazu ausführlich Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG21, § 42a Rz. 25 ff. 6 Grottel/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 331 HGB Rz. 21; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 272 HGB Rz. 67. 7 Vgl. dazu ausführlich Hennrichs DStR 2009, 1446 (1449 f.); Mock in Kölner Komm. WpHG2, § 37q Rz. 18 ff.

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§ 274 | Latente Steuern

§ 273 (weggefallen)

§ 274 Latente Steuern (1) 1Bestehen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Differenzen, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen, so ist eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerbelastung als passive latente Steuern (§ 266 Abs. 3 E.) in der Bilanz anzusetzen. 2Eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerentlastung kann als aktive latente Steuern (§ 266 Abs. 2 D.) in der Bilanz angesetzt werden. 3Die sich ergebende Steuerbe- und die sich ergebende Steuerentlastung können auch unverrechnet angesetzt werden. 4Steuerliche Verlustvorträge sind bei der Berechnung aktiver latenter Steuern in Höhe der innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwartenden Verlustverrechnung zu berücksichtigen. (2) 1Die Beträge der sich ergebenden Steuerbe- und -entlastung sind mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen zu bewerten und nicht abzuzinsen. 2Die ausgewiesenen Posten sind aufzulösen, sobald die Steuerbe- oder -entlastung eintritt oder mit ihr nicht mehr zu rechnen ist. 3Der Aufwand oder Ertrag aus der Veränderung bilanzierter latenter Steuern ist in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ auszuweisen. A. I. II. III. IV. V. B. I. II. III. 1. 2. 3. 4. IV. 1. 2.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis latenter Steuern (Abs. 1) Ermittlung latenter Steuern . . . . . . . . . . . . (Kein) Ausweis latenter Steuern als Rückstellung und freiwillige Anwendung von § 274 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Passive latente Steuern (Abs. 1 Satz 1) Zwingender Ausweis der passiven latenten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertdifferenz zwischen der Handels- und der Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussichtliche Abnahme der Wertdifferenz Ausweis der passiven latenten Steuern . . . . . Aktive latente Steuern (Abs. 1 Satz 2) Ansatzwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ _ _ _ __ _ _ _ 1 3 6 7 8

10 11 13 14 20 25 27

3. Voraussichtliche Abnahme der Differenzen . 4. Ausweis der aktiven latenten Steuern . . . . . . 5. Ausschüttungs- und Abführungssperre (§ 268 Abs. 8 Satz 2 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Unverrechneter Ausweis (Abs. 1 Satz 3) . . . . VI. Berücksichtigung von Verlustvorträgen (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bewertung und Auflösung latenter Steuern (Abs. 2) I. Ansatz mit unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auflösung der ausgewiesenen Sonderposten (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufwand und Ertrag aus der Veränderung bilanzierter latenter Steuern (Abs. 2 Satz 3) . . . D. Verstoß gegen § 274 I. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . III. Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ 33 35 37 38 40

_ _ _ __ _ 47 52 54 55 56 57

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Literatur: Bösser/Pilhofer, Aktive latente Steuern auf steuerliche Verlustvorträge, KoR 2008, 296; Engels, Aktive latente Steuern auf Verlustvorträge, BB 2008, 1554; Karrenbrock, Von der Steuerabgrenzung zur Bilanzierung latenter Steuern – Die Neuregelung der Bilanzierung latenter Steuerzahlungen nach dem Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), WPg. 2008, 328; Loitz/Neukamm, Der Zinsvortrag und die Bilanzierung von latenten Steueransprüchen, WPg. 2008, 196; Dahlke, Bilanzierung latenter Steuern bei Organschaften nach dem BilMoG, BB 2009, 878; Dörfler/Adrian, Zur Umsetzung der HGB-Modernisierung durch das BilMoG: Steuerbilanzrechtliche Auswirkungen, DB-Beil. 5/2009, 58; Ellerbusch/Schlüter/Hofherr, Die Abgrenzung latenter Steuern im Organkreis nach BilMoG, DStR 2009, 2443; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Abschnitt M; Herzig/Vossel, Paradigmenwechsel bei latenten Steuern nach dem BilMoG, BB 2009, 1174; Kühne/Melcher/Wesemann, Latente Steuern nach BilMoG: Grundlagen und Zweifelsfragen, WPg. 2009, 1005 (Teil I) und 1057 (Teil II); Küting/Seel, Die Ungereimtheiten der Regelungen zu latenten Steuern im neuen Bilanzrecht, DB 2009, 922; Wendholt/Wesemann, Zur Umsetzung der HGB-Modernisierung durch das BilMoG: Bilanzierung von latenten Steuern im Einzel- und Konzernabschluss, DB-Beil. 5/2009, 64; Ballwieser, Latente Steuern –

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 3 § 274

Konzeptionen und Entscheidungsnützlichkeit, FS Krawitz, 2010, 539; Karrenbrock, Zur Ausweis- und Saldierungsproblematik latenter Steuern im Einzelabschluss nach dem BilMoG, FS Krawitz, 2010, 631; Kastrup/Middendorf, Latente Steuern bei Personengesellschaften im handelsrechtlichen Jahresabschluss nach BilMoG, BB 2010, 815; Küting/ Seel, Latente Steuern nach dem neuen deutschen Bilanzrecht, FS Herzig, 2010, 675; Lüdenbach/Freiberg, Beitrag von DRS 18 zur Klärung strittiger Fragen der Steuerlatenzierung, BB 2010, 1971; Meyer/Ruberg, Bekanntgabe von DRS 18 Latente Steuern – Partielle Aufhebung der Begrenzung des Prognosehorizonts bei Verlustvorträgen, DStR 2010, 2094; Naumann, Zweifelsfragen der Bilanzierung latenter Steuern im Einzelabschluss nach den Vorschriften des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, FS Krawitz, 2010, 689; Zimmert, Latente Steuern nach BilMoG – Gesetzeslücke bei Inanspruchnahme des § 7g EStG, DStR 2010, 826; Karrenbrock, Zweifelsfragen der Berücksichtigung aktiver latenter Steuern im Jahresabschluss nach BilMoG, BB 2011, 683; Lüdenbach/Freiberg, Steuerlatenzrechnung auch für Personengesellschaften? BB 2011, 1579; Weidmann, Nur steuerlich zulässige Rücklagen und außerbilanzielle Korrekturen im Konzept der latenten Steuern des § 274 Abs. 1 HGB, DStR 2011, 2108; Kirsch/Hoffmann/Siegel, Diskussion der Bilanzierung latenter Steuern nach § 249 Satz 1 HGB, DStR 2012, 1294; Pöschke, Rückstellungen für passive Steuerlatenzen in der Handelsbilanz, NZG 2013, 646.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Durch § 274 HGB wird der Ausweis aktiver und passiver latenter Steuern geregelt. Während Abs. 1 die Be- 1 griffe aktive latente Steuern (Rz. 27 ff.) und passive latente Steuern (Rz. 13 ff.) definiert, regelt Abs. 2 die Bewertung (Rz. 47 ff.) und die Auflösung (Rz. 52 f.) der aktiven und passiven latenten Steuern sowie deren Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung (Rz. 54). Das DRSC hat für die latenten Steuern einen Standard (DRS 18 – Latente Steuern) veröffentlicht, der für 2 den im Rahmen von § 274 HGB relevanten Jahresabschluss aber keinerlei Bedeutung hat, da sich die Kompetenz des DRSC nach § 342 Abs. 1 HGB nur auf das Konzernrechnungslegungsrecht beschränkt (§ 342 HGB Rz. 10 ff.).1

II. Bedeutung und Zweck Aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit von Handels- und Steuerbilanz können sich beim Ansatz und der 3 Bewertung von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten Unterschiede zwischen den Bilanzen ergeben. Soweit sich diese Differenz in späteren Geschäftsjahren abbaut oder zunimmt, können sich daraus Steuerbelastungen oder –entlastungen ergeben, die in der Bilanz angesetzt werden müssen. Denn wenn in der Handelsbilanz ein höherer Betrag als in der Steuerbilanz ausgewiesen wird, kann sich daraus ein handelsbilanzrechtlicher Gewinn ergeben, der (noch) nicht, sondern später besteuert wird (künftiger Steuermehraufwand – sogenannte passive latente Steuern – Rz. 13 ff.). Umgekehrt kann aber auch die Steuerbilanz einen höheren Betrag als die Handelsbilanz ausweisen, so dass ein höherer steuerrechtlicher Gewinn und damit eine höhere Besteuerung entstehen, die handelsbilanzrechtlich erst später nachgezeichnet wird (künftiger Steuerminderaufwand – sogenannte aktive latente Steuern – Rz. 27 ff.). Diesen Ansatz, die Bewertung und den Ausweis regelt § 274, der somit ein Korrektiv für die Folgen der sich aus der Handels- und Steuerbilanz ergebenden Unterschiede beim Ansatz und der Bewertung in der Handelsbilanz darstellt. Die Notwendigkeit des Ausweises latenter Steuern ergibt sich dabei aus dem Umstand, dass die Gewinnermittlung in zeitlichen Einzelabschnitten erfolgt, so dass die Regelung des § 274 HGB der Periodenabgrenzung und dem Informationsinteresse der Adressaten der Rechnungslegung dient.2 Denn ohne einen Ausweis der latenten Steuern würden die Adressaten der (handelsbilanziellen) Rechnungslegung über das in der Handelsbilanz ausgewiesene Ergebnis getäuscht werden, da bei diesem die später (sicher) noch anfallenden oder zu erstattenden Steuern nicht berücksichtigt sind (Informationsfunktion des Ausweises der latenten Steuern).3 Die Notwendigkeit des Ausweises ergibt sich daraus, dass 1 Wohl auch Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 16 (bloße Rechtserkenntnisquelle); aA Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971; WP-Handbuch14, I F Rz. 170; wohl auch ebenfalls von einer (selbst angeordneten) Anwendbarkeit ausgehend DRS 18.7. 2 So ausdrücklich Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67 („eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im handelsrechtlichen Jahresabschluss erreicht“); dem folgend Ballwieser, FS Krawitz, 2010, 539 (547); Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 4; Hüttemann/ Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 15; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 8; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 2; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 13; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1547; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (65); dahingehend enger Küting/Seel, FS Herzig, 2010, 675 (676 f.). 3 Diesen Aspekt betonend Karrenbrock in HdJ, I/15 Rz. 10 (Stand Okt.); Küting/Seel, FS Herzig, 2010, 675 (676 f.).

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§ 274 Rz. 4 | Latente Steuern die Steuerbilanz idR nicht veröffentlicht wird, so dass den allgemeinen Adressaten nur die Informationen der Handelsbilanz zur Verfügung steht. 4

Allerdings nähren Untersuchungen vor allem bei kapitalmarktorientieren Unternehmen Zweifel daran, ob die Adressaten den Besonderheiten des Ausweises der latenten Steuern tatsächlich Rechnung tragen und diese gerade nicht als echte Steuerbelastungen oder -entlastungen begreifen.1 Daher bestehen dahingehend nicht unerhebliche rechtspolitische Zweifel an dem Ausweis der latenten Steuern. Rechtspolitisch weitgehend unproblematisch ist hingegen der Ausweis aktiver latenter Steuern, da deren Aktivierung aufgrund der Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB (§ 268 HGB Rz. 84 ff.) kein größeres Ausschüttungspotential begründen kann.

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Das Konzept des Ausweises latenter Steuern kann auch nicht durch die allgemeine Regelung zu den Rückstellungen in § 249 HGB oder durch den Ausweis als Vermögensgegenstand (§ 247 HGB Rz. 54) ersetzt werden. Denn während es für die Bildung von Rückstellungen im Zusammenhang mit passiven latenten Steuern oft schon an einer hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit fehlt,2 scheidet ein Ausweis von aktiven latenten Steuern als Vermögensgegenstand schon aufgrund von deren fehlenden Übertragbarkeit3 generell aus.4 Allerdings können passive latente Steuern außerhalb des Anwendungsbereichs von § 274 HGB (Rz. 8 f.) als Rückstellung ausgewiesen werden (Rz. 11 f.).

III. Rechtsentwicklung 6

Der Ausweis latenter Steuern wurde durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)5 erstmals in § 274 HGB geregelt und im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG)6 umfassend neu gestaltet. Während das BiRiLiG noch von dem sogenannten Timing-Konzept ausgegangen ist, erfolgte durch das BilMoG eine Umstellung auf das Temporary-Konzept (Rz. 10). Damit verfolgt der Gesetzgeber ein Internationalisierungsgedanken7, da das Temporary-Konzept international gebräuchlicher ist (vgl. IAS 12.15 ff.). Die Norm ist seitdem unverändert.

IV. Europarechtlicher Hintergrund 7

Art. 17 Abs. 1 Buchst. f (Neue) Bilanzrichtlinie8 regelt den Ausweis latenter Steuern. Auch wenn insofern nur ein Ausweis im Anhang vorgesehen ist, setzt diese Regelung einen entsprechenden Ausweis in der Bilanz voraus, ohne dass die Richtlinie für diesen selbst Vorgaben macht. Diese Ausweisregelung gilt nur für mittlere und große Unternehmen sowie für Unternehmen von öffentlichem Interesse. Zudem gelten diese Angabepflichten nur für latente Steuerschulden, so dass ein Ausweis aktiver latenter Steuern europarechtlich nicht indiziert ist. Insgesamt ist der Ausweis latenter Steuern europarechtlich nur rudimentär geregelt und bleibt in der (Neuen) Bilanzrichtlinie somit etwa hinter der Vorgängerregelung in Art. 43 Abs. 1 Nr. 11 Jahresabschlussrichtlinie9 zurück.10

V. Anwendungsbereich 8

Der Anwendungsbereich von § 274 HGB erstreckt auf alle Kapitalgesellschaften. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Standort im zweiten Abschnitt des dritten Buchs des HGB. Daher gilt § 274 HGB für die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die GmbH und die Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG). Für die Europäische Aktiengesellschaft gibt es keine gesonderte Rege1 Vgl. dazu im Überblick Ballwieser, FS Krawitz, 2010, 540 (547 ff.) mit einer Bezugnahme auf verschiedene Untersuchungen. 2 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67; Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 4; Kirsch/Hoffmann/Siegel, DStR 2012, 1290 (1294); Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 15. 3 Zu diesem Kriterium siehe ausführlich § 246 HGB Rz. 20. 4 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67; dem folgend Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 4; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1005 (1008). 5 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 6 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 7 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67. 8 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EG 2013 Nr. L 182, 253 ff. 9 Vierte Richtlinie des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG 1978 Nr. L 222, 11 ff. 10 Zur Vorgängerregelung vgl. etwa Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 6.

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B. Ausweis latenter Steuern (Abs. 1)

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Rz. 12 § 274

lung. Insofern verweist Art. 61 SE-VO auf das für die jeweiligen nationalen Aktiengesellschaften anwendbare Recht am Sitzstaat, so dass § 274 HGB über Art. 61 SE-VO zur Anwendung kommt. Dies gilt ebenso für die Europäische Genossenschaft (Art. 68 SCE-VO). Auch findet § 274 HGB bei der kapitalistischen Personengesellschaft (§ 264a Abs. 1 HGB – § 264a HGB Rz. 8 ff.)1, der Genossenschaft (§ 336 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) und bei Unternehmen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§ 5 Abs. 1 PublG) Anwendung. Vom Anwendungsbereich des § 274 HGB befreit sind kleine Kapitalgesellschaften (§ 274a Nr. 4 HGB – 9 § 274a HGB Rz. 11 ff.). Bei Personenhandelsgesellschaften2 und bei Einzelkaufleuten findet § 274 HGB aufgrund seines Regelungsstandorts keine Anwendung.3 Dies fehlende Anwendung bedeutet aber nicht, dass latente Steuern bei diesen völlig zu ignorieren sind. Zur Behandlung latenter Steuern bei diesen Bilanzierenden s. Rz. 11 f.

B. Ausweis latenter Steuern (Abs. 1) I. Ermittlung latenter Steuern Für die generelle Berechnung latenter Steuern folgt Abs. 1 dem sogenannten Temporary-Konzept und 10 nicht mehr wie nach der Rechtslage bis zum BilMoG dem Timing-Konzept. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Bezugnahme von Abs. 1 auf die handels- und steuerrechtlichen Wertansätze und den Gesetzesmaterialien.4 Daher ist es irrelevant, ob die Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz einen direkten Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung hat oder nicht, so dass vor allem auch im Eigenkapital erfolgsneutral erfasste Abweichungen eine latente Steuer begründen können.5 Dazu ausführlich Rz. 19.

II. (Kein) Ausweis latenter Steuern als Rückstellung und freiwillige Anwendung von § 274 HGB Der Ausweis latenter Steuern muss zwingend nach den in § 274 HGB geregelten Grundsätzen erfolgen, so dass die (beiden) Sonderposten als solche und nicht als Rückstellung oder Vermögensgegenstand bezeichnet werden können.6 Dies gilt unabhängig davon, ob insbes. bei den passiven latenten Steuern auch die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung gegeben sind.

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Bei Bilanzierenden außerhalb des Anwendungsbereichs von § 274 HGB (Rz. 8 f.) ist ein Ausweis der Son- 12 derposten nach § 274 HGB aber nicht möglich. Diese können § 274 HGB auch nicht freiwillig anwenden, da die latenten Steuern als Sonderposten nur aufgrund ausdrücklicher Anordnung ausgewiesen werden dürfen und für eine analoge Anwendung kein Raum ist.7 Diese Bilanzierenden müssen aber eine Rückstellung (§ 249 HGB – § 249 HGB Rz. 30 ff.) bilden, wenn die Voraussetzungen des § 249 HGB vorliegen, was unabhängig von den Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 zu bestimmen ist.8

1 Vgl. dazu den Besonderheiten bei den kapitalistischen Personengesellschaften Kastrup/Middendorf, BB 2010, 815 ff.; Künkele/Zwirner, DStR 2011, 2309 ff. 2 Im Ergebnis ebenso Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 10; aA ADS6, § 274 HGB Rz. 8; IDW, WPg. 1988, 683 jeweils zum alten Recht. 3 Im Grundsatz auch Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 34. 4 Vgl. Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67; zustimmend Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 5; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 8; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 7; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 4; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1548. 5 So ausdrücklich Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67. 6 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 11; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37 § 274 Rz. 1. 7 Ebenso Hennrichs, GmbHR 2010, 23; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 10; Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 100 (Stand Sept. 2016); wohl auch Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1975); Schiffers in Schiffers/ Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1551; aA Lüdenbach/Freiberg, BB 2011, 1579 (1579 f.); Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M53; Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 85 f.; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1057 (1061); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 33; WP-Handbuch14, I F Rz. 171; offen lassend Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 24 f. 8 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 1; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 12; Kirsch/Hoffmann/Siegel, DStR 2012, 1290 (1293 f.); Pöschke, NZG 2013, 646 ff.

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§ 274 Rz. 13 | Latente Steuern

III. Passive latente Steuern (Abs. 1 Satz 1) 1. Zwingender Ausweis der passiven latenten Steuern 13

Zunächst sind nach Abs. 1 Satz 1 die passiven latenten Steuern als Sonderposten (§ 266 Abs. 3 E. – § 266 HGB Rz. 70) in der Bilanz auszuweisen. Bei dem Ausweis der passiven latenten Steuern handelt es sich um eine Ausweispflicht, so dass den Bilanzierenden dahingehend kein Wahlrecht zukommt.1 Die passiven latenten Steuern sind als solche zu bezeichnen, so dass für diese keine Rückstellung gebildet werden kann (Rz. 11 f.). 2. Wertdifferenz zwischen der Handels- und der Steuerbilanz

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Voraussetzung ist zunächst ein Unterschied in den Wertansätzen von Handels- und Steuerbilanz. Dabei kommen allerdings entgegen dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 1 nicht nur Unterschiede bei den Bewertungen, sondern auch bei dem Ansatz in Betracht, solange sich dadurch eine (höhere) spätere Steuerbelastung ergibt.2

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Eine Wertdifferenz zwischen der Handels- und der Steuerbilanz kann sich zunächst auf der Passivseite der Bilanz bei Pensionsrückstellungen, Zuwendungen eines Trägerunternehmens an eine Unterstützungskasse (§ 4d Abs. 2 Satz 2 EStG), der Übertragung stiller Reserven auf bestimmte Reinvestitionsgüter (§ 6b EStG), bei der Rücklage für Ersatzbeschaffungen (R 6.6 Abs. 1 EStR 2012), bei steuerlichen Ausgleichsposten (§ 4g EStG), der Übertragung von Verpflichtungen (§ 5 Abs. 7 EStG) und beim Beibehaltungswahlrecht des Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB ergeben.3

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Darüber hinaus kann sich eine Wertdifferenz zwischen der Handels- und der Steuerbilanz auch auf der Aktivseite bei der Übertragung stiller Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter (§ 6b EStG), bei höheren Wertansätzen von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens in der Handelsbilanz, bei der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 HGB – § 248 HGB Rz. 23 ff.), bei Abschreibungen auf selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, bei der (handelsrechtlichen) Verwendung der Fifo-Methode (§ 256 HGB – § 256 HGB Rz. 22 ff.), bei der Folgebewertung von Fremdwährungsforderungen mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG)4 ergeben.5 Auch bei einer Beteiligung an einer Personengesellschaft ergeben sich Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz, da deren steuerlichen Gewinne und Verluste direkt den Gesellschaftern und damit dem Bilanzierenden (als Gesellschafter) zugerechnet werden.6

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Die erforderliche Wertdifferenz wird auch bei Beteiligungen einer Körperschaft an einer anderen Körperschaft iSv. § 8b KStG begründet, so dass für den Bewertungsunterschied von 5 % passive7 latente Steuern zu bilden sind.8 Bei der phasengleichen Bilanzierung künftiger Dividendenansprüche kann es ebenfalls zu einem höheren Ansatz in der Handelsbilanz kommen, da diese steuerlich einem Aktivierungsverbot unterliegen.9

1 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 15, 36. 2 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 16; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 19. 3 Dazu jeweils ausführlich Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 21; vgl. auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 18; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 2. 4 Dazu Dörfler/Adrian, DB-Beil. 5/2009, 58 (62). 5 Dazu jeweils ausführlich Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 25; vgl. auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 17; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 2; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 28. 6 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5 § 274 HGB Rz. 19; WP-Hanfdbuch14, I F Rz. 207. 7 Für den umgekehrten Fall s. Rz. 30. 8 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 27; Herzig/Vossel, BB 2009, 1174 (1175); aA Gelhausen/Fey/ Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M9; Simlacher/ Spanheimer in HdR, § 274 HGB Rz. 19 (Stand Juni 2017); wohl auch abweichend Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 23. 9 Dazu Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 27.

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B. Ausweis latenter Steuern (Abs. 1)

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Rz. 22 § 274

Eine passive Steuerlatenz kann auch durch außerbilanzielle Korrekturen des Steuerrechts begründet wer- 18 den.1 Dies ist etwa bei Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG2 oder bei der Verteilung des Aufwands aus der Hebung stiller Lasten nach § 4f EStG3 der Fall. Schließlich können auch erfolgsneutral entstandene Differenzen passive latente Steuern begründen.4 19 Diese sind vor allem bei erfolgsneutralen Einbuchungen von Anschaffungsvorgängen bei asset deals, Sacheinlagen oder Umwandlungsvorgängen denkbar. Insofern könnte auch eine teleologische Reduktion von Abs. 1 mit der Folge vorgenommen werden, dass die latenten Steuern nicht ausgewiesen werden, sondern erfolgsneutral im Eigenkapital bzw. bei Sachgesamtheiten im Geschäfts- oder Firmenwert zu erfassen sind.5 Für eine solche teleologische Reduktion fehlt es aber schon an einer hinreichenden Rechtfertigung, zumal der Gesetzgeber des BilMoG für den Konzernabschluss mit § 306 Satz 3, 301 Abs. 3 Satz 1 HGB (§ 306 HGB Rz. 86 ff., § 301 HGB Rz. 170 ff.) entsprechende Sonderregelungen geschaffen hat, so dass für § 274 HGB von einer uneingeschränkten Geltung der generellen Ausweispflicht für passive latente Steuern ausgegangen werden muss. Somit ist auch bei diesen Vorgängen von einer regulären Anwendung von Abs. 1 Satz 1 auszugehen. 3. Voraussichtliche Abnahme der Wertdifferenz Darüber hinaus muss diese Wertdifferenz in den nachfolgenden Geschäftsjahren voraussichtlich abneh- 20 men. Dabei muss zwischen drei verschiedenen Fällen unterschieden werden.6 Bei den in Abs. 1 Satz 1 genannten voraussichtlich abnehmenden Differenzen handelt es sich um sogenannte temporäre Differenzen (Rz. 22). Daneben können die Differenzen aber auch dauerhaft sein (permanente Differenzen – Rz. 21). Weiterhin gibt es sogenannte quasi-temporäre Differenzen (Rz. 23). Einen Sonderfall bilden weiterhin die revolvierenden Differenzen. Schließlich gibt es auch erfolgsneutral entstandene Differenzen, bei denen sich aber die Problematik nicht aus der voraussichtlichen Abnahme der Differenzen, sondern aus der Frage der generellen Erfassung durch Abs. 1 Satz 1 ergibt (Rz. 19). Die permanenten Differenzen werden von Abs. 1 Satz 1 nicht erfasst und können daher keine Basis für die Entstehung passiver latenter Steuern sein, da es dann schon an der Notwendigkeit eines späteren Ausgleichs fehlt.7

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Eigentliche Anwendungsfall von Abs. 1 Satz 1 sind die temporäre Differenzen. Für diese ist schon eine 22 nur geringe Abnahme ausreichend, so dass vor allem keine vollständige Angleichung beider Wertansätze in den nachfolgenden Geschäftsjahren erfolgen muss. Die Abnahme muss nur voraussichtlich erfolgen, was immer schon dann der Fall ist, wenn mehr für als gegen eine Abnahme spricht. Dabei muss unter Beachtung des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB – § 252 HGB Rz. 120 ff.) auf objektive und zum Bilanzstichtag erwartbare Ereignisse abgestellt werden.8 Aufgrund des Imparitätsprinzips kann bei der Bildung passiver latenter Steuern aber grundsätzlich großzügiger verfahren werden als bei den aktiven latenten Steuern (Rz. 27 ff.).9 1 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 5; Herzig/Vossel, BB 2009, 1174 (1175); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 16; aA Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1972); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 22; differenzierend Weidmann, DStR 2011, 2108 ff. 2 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 5; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1005 (1009); Zimmert, DStR 2010, 826 ff.; aA Weidmann, DStR 2011, 2108 (2109 f.). 3 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 5. 4 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M18; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 24; WP-Handbuch14, I F Rz. 179; aA Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 10; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 25; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1559; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64, 72; offen lassend Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1973). 5 So aber die abweichenden Stimmen in der vorhergehenden Fußnote. 6 Dazu etwa Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M9; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 18 ff.; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1549. 7 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M9; Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 13; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 16, 24; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 1; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 18, 21; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (66); WP-Handbuch14, I F Rz. 173. 8 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M10 f.; Naumann, FS Krawitz, 2010, 689 (693); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 27; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (65). 9 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 27.

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§ 274 Rz. 23 | Latente Steuern 23

Aufgrund der in Rz. 22 dargestellten Anforderungen erfüllen die quasi-permanenten Differenzen diese Voraussetzung nicht generell.1 Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen sich die Wertdifferenz nicht automatisch abbaut, sondern durch Sonderereignisse eintreten kann.2 Dies ist etwa bei handelsbilanzrechtlich nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB (§ 253 HGB Rz. 122 ff.) vorgenommenen, steuerbilanzrechtlich aber unterlassenen Sonderabschreibungen und späteren Wertaufholungen, Veräußerungen oder Liquidationen der Fall.3 Da diese Konstellationen aber von einer unternehmerischen Entscheidung abhängig sind, können diese eine Steuerlatenz nur begründen, wenn diese unternehmerische Entscheidung zum Bilanzstichtag schon weitgehend sicher ist. Daher reicht es nicht aus, dass diese möglicherweise irgendwann in der Zukunft getroffen werden wird.4 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien,5 da diese lediglich den Begriff der quasi-permanenten Differenzen erwähnen, ohne dahingehend nähere Ausführungen zu machen.6 Schließlich taugt auch der Internationalisierungsgedanke des BilMoG (Rz. 6) nicht für eine abweichende Betrachtung.7 Der Zeitraum für die Abnahme der Wertdifferenz wird durch Abs. 1 Satz 1 nicht vorgegeben, so dass grundsätzlich von einem uneingeschränkten Zeitraum auszugehen ist. Allerdings ergibt sich aus dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB – § 252 HGB Rz. 120 ff.) eine entsprechende Einschränkung, da idR bei einem Überschreiten eines Zeitraums von fünf Jahren keine verlässliche Prognose für die Entwicklung der Wertdifferenz vorgenommen werden kann.

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Eine voraussichtliche Abnahme der Differenz ist auch bei sogenannten revolvierenden Differenzen gegeben, die dann vorliegen, wenn sich in aufeinander folgenden Geschäftsjahren die Differenzen immer wieder neu bilden und sich wieder auflösen.8 In diesem Fall darf auch nicht nur die Spitze der Schwankungen ausgewiesen werden, da damit der nach Abs. 1 Satz 1 bestehenden Passivierungspflicht und dem Saldierungsverbot nicht entsprochen werden würde.9 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Abs. 1 Satz 3 (Rz. 38 f.), da die danach gestattete Verrechnung sich nur auf die Verrechnung von passiven mit aktiven latenten Steuern selbst und nicht auf die für diese maßgeblichen Grundlagen bezieht. 4. Ausweis der passiven latenten Steuern

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Neben dem Ausweis als Sonderposten in der Bilanz müssen die passiven latenten Steuern auch im Anhang erläutert werden (§ 285 Nr. 29 HGB – § 285 HGB Rz. 264 ff.). Zudem muss die Veränderung der Salden im Anhang dargestellt werden (§ 285 Nr. 30 HGB – § 285 HGB Rz. 271 ff.). Für das Wahlrecht zwischen einem verrechneten und einem unverrechneten Ausweis s. Rz. 38 f.

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Dem Bilanzierenden steht es offen, freiwillige Zusatzangaben etwa in Form von weiteren Anhangsangaben oder Davon-Vermerken zu machen, um den Informationsgehalt der Bilanz zu erhöhen.10

IV. Aktive latente Steuern (Abs. 1 Satz 2) 1. Ansatzwahlrecht 27

Beim Ausweis aktiver latenter Steuern handelt es sich nach dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 2 um ein Wahlrecht, so dass der Ausweis nicht erfolgen muss.11 Ein Verzicht auf den Ausweis von aktiven latenten Steuern ist bei einer Verrechnung mit den passiven latenten Steuern auch nur hinsichtlich eines positiven Überhangbetrags möglich.12 Erfolgt die Darstellung unverrechnet, kann auch lediglich auf den Ausweis 1 Ebenfalls mit einer Einzelfallbetrachtung Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 24; aA Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 13; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 26, jeweils mit einer uneingeschränkten Erfassung. 2 Vgl. Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 24. 3 Dazu Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 24. 4 Im Ergebnis auch Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 24. 5 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67. 6 Ebenso Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 24; aA und die Gesetzesbegründung insofern für klarstellend haltend Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10. § 274 HGB Rz. 13. 7 Ebenso Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 24 aE. 8 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 20. 9 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 20; vgl. auch zur Vorgängerregelung Hafner, BFuP 1986, 373 (375 ff.). 10 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 15 am Ende. 11 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 15. 12 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M48 f.; Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 14; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 40; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (67); aA Karrenbrock, FS Krawitz, 2010, 631 (640); Küting/Seel, FS Herzig, 2010, 675 (688 f.).; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 44 (mit Bezügen zur Bilanzrechtrichtlinie); Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1557.

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B. Ausweis latenter Steuern (Abs. 1)

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Rz. 32 § 274

des positiven Überhangbetrags und nicht nur auf den Ausweis der aktiven latenten Steuern insgesamt verzichtet werden.1 Denn anderenfalls würde sich eine nicht vertretbare Einschränkung des Informationsgehalts der Bilanz ergeben. Zudem ist das Wahlrecht hinsichtlich des gesamten Überhangbetrags auszuüben, so dass kein teilweiser Ausweis der aktiven latenten Steuern in Betracht kommt.2 Schließlich ist in diesem Zusammenhang das Stetigkeitsgebot des § 246 Abs. 3 Satz 1 HGB (§ 246 HGB Rz. 255) zu beachten.3 2. Wertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz Aktive latente Steuern können sich zunächst durch Wertdifferenzen auf der Aktivseite ergeben, was 28 (theoretisch)4 bei einer handelsrechtlich kürzeren Abschreibungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts (§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG), bei einer degressiven Abschreibung von beweglichen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, bei außerplanmäßigen Abschreibungen des Anlagevermögens (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB – § 253 HGB Rz. 122 ff.), bei Abschreibungen bei geringwertigen beweglichen abnutzbaren Vermögensgegenständen des Anlagevermögens in der Handelsbilanz in einem Zeitraum von weniger als fünf Jahren, bei den Herstellungskosten für selbst erstellte Vermögensgegenstände, bei Unterschieden in der Höhe der Abzinsung von Forderungen, bei Abschreibungen des Umlaufvermögens, bei Wertaufholungen für den Geschäfts- oder Firmenwert (§ 253 Abs. 5 Satz 2 HGB – § 253 HGB Rz. 210 ff.), beim Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB – § 250 HGB Rz. 21 ff.), bei Rechnungsabgrenzungsposten auf Zölle und Verbrauchsteuern und Umsatzsteuer und beim Tausch von abnutzbaren Anlagegegenstände denkbar ist.5 Als Wertdifferenzen auf der Passivseite kommen unterschiedliche Bewertungen bei Pensionsrückstellun- 29 gen, bei Verbindlichkeiten insbes. bei deren Verzinsung, bei Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, bei Rückstellungen für Verpflichtungen zur Rekultivierung oder Entsorgung, bei Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen, bei Urlaubsrückstellungen, bei Jubiläumsaufwendungen, bei Rückstellungen für die Verletzung fremder Schutzrechte, für Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern und bei der Gewährung von Investitionszulagen in Betracht.6 Im Fall einer Beteiligung einer Körperschaft an einer anderen Körperschaft iSv. § 8b KStG sind hingegen keine aktiven latenten Steuern zu bilden, da es dann an einer späteren Steuerminderung fehlt.7 Ebenso wenig können durch den Erwerb eigener Anteile aktive latente Steuern entstehen.8

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Eine aktive Steuerlatenz kann auch durch außerbilanzielle Korrekturen des Steuerrechts begründet werden.9 Ebenso sind bei erfolgsneutral entstandenen Differenzen aktive latente Steuern anzusetzen, soweit die nach Abs. 1 Satz 2 erforderliche Wertdifferenz gegeben ist.10

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Aufgrund von Steuergutschriften oder von Zinsvorträgen können auch aktive latente Steuern ausgewiesen 32 werden. Denn auch wenn diese beiden Fälle in Abs. 1 Satz 2 nicht ausdrücklich genannt sind und lediglich für die steuerlichen Verlustvorträge mit Abs. 1 Satz 4 eine Sonderregelung besteht (Rz. 40 ff.), ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien eindeutig, dass diese Konstellationen erfasst sein sollen.11 Aktive latente 1 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 15; Herzig/Vossel, BB 2009, 1174 (1177); Küting/Seel, DB 2009, 922 (924); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 40. 2 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 14; Herzig/Vossel, BB 2009, 1174 (1177); Karrenbrock, BB 2011, 683 (685); wohl auch Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (67). 3 Zur Anwendung von § 246 Abs. 3 Satz 1 HGB in diesem Zusammenhang Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 14; Karrenbrock, BB 2011, 683 (686); Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 56; WP-Handbuch14, I F Rz. 178. 4 Aufgrund der idR kaum den Zeitraum von 15 Jahren übersteigenden Abschreibung (§ 253 HGB Rz. 114 ff.) ist ein praktischer Fall kaum denkbar. 5 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 31; vgl. auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 21; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 4; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 38. 6 Dazu jeweils ausführlich Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 35; vgl. auch Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 22. 7 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 27. 8 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 34. 9 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 55. 10 Siehe die Nachweise in der ersten Fußnote zu Rz. 19. 11 So ausdrücklich Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67; zustimmend Engels, BB 2008, 1554 (1557); Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M37; Grottel/Larenz in BeckBilKomm.11, § 274 HGB Rz. 50 f.; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 40; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 73 f.; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1561; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70); WP-Handbuch14, I F Rz. 186 f.; ebenfalls DRS 18.20, der allerdings in seinem Anwendungsbereich auf den Konzernabschluss beschränkt ist; aA Dahlke, BB 2007, 1831 (1837); Loitz/ Neukamm, WPg. 2008, 196 (198), allerdings beide zur Rechtslage nach den IAS/IFRS.

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§ 274 Rz. 33 | Latente Steuern Steuern können zudem durch die Aktivierung von steuerlichen Verlustvorträgen entstehen, die in Abs. 1 Satz 4 geregelt sind (Rz. 40 ff.). 3. Voraussichtliche Abnahme der Differenzen 33

Ebenso wie bei den passiven latenten Steuern ist der Zeitraum für den Abbau der Wertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz unbeschränkt. Allerdings ergeben sich für die Berücksichtigung von Verlustvorträgen nach Abs. 1 Satz 4 Beschränkungen (Rz. 40 ff.), die im Ergebnis mit den sich aus dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB – § 252 HGB Rz. 120 ff.) in diesem Zusammenhang ergebenen Einschränkungen übereinstimmen. Aus dem Erfordernis der Berücksichtigung der steuerlichen Verlustvorträge für einen Zeitraum von fünf Jahren (Abs. 1 Satz 4 – Rz. 40 ff.) folgt, dass für den Abbau der Wertdifferenz mindestens ein Zeitraum von fünf Jahren zugrunde gelegt werden muss, da anderenfalls der Verrechnungspflicht nach Abs. 1 Satz 4 nicht entsprochen werden kann.1

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Die Abnahme der Differenzen muss nur voraussichtlich erfolgen, was immer schon dann der Fall ist, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Entstehen künftiger steuerpflichtiger Einkünfte bestehen und unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB – § 252 HGB Rz. 120 ff.) mehr für als gegen eine Abnahme der Wertdifferenz spricht.2 Dabei muss auf objektive und zum Bilanzstichtag erwartbare Ereignisse abgestellt werden. Zur Berücksichtigung von steuerlichen Verlustvorträgen s. Rz. 40 ff. 4. Ausweis der aktiven latenten Steuern

35

Macht der Bilanzierende von dem Wahlrecht nach Abs. 1 Satz 2 zugunsten eines Ausweises Gebrauch, erfolgt der Ausweis der aktiven latenten Steuern als Sonderposten nach § 266 Abs. 2 D. HGB (§ 266 HGB Rz. 43).3 Neben dem Ausweis als Sonderposten in der Bilanz müssen die aktiven latenten Steuern auch im Anhang erläutert werden (§ 285 Nr. 29 HGB – § 285 HGB Rz. 264 ff.). Für das Wahlrecht zwischen einem verrechneten und einem unverrechneten Ausweis s. Rz. 38 f.

36

Darüber hinaus ist es dem Bilanzierenden freigestellt, freiwillige Zusatzangaben zu machen, um den Informationsgehalt der Bilanz zu erhöhen. So bieten sich etwa weitere Anhangsangaben oder Davon-Vermerke an, um etwa über die Fristigkeiten der latenten Steuern zu informieren.4 5. Ausschüttungs- und Abführungssperre (§ 268 Abs. 8 Satz 2 HGB)

37

Auch wenn der Ausweis aktiver latenter Steuern zu größeren Ausschüttungsmöglichkeiten führt, können diese nicht genutzt werden, da die aktiven latenten Steuern nach § 268 Abs. 8 Satz 2 HGB einer Ausschüttungssperre unterliegen, soweit sie die passiven latenten Steuern übersteigen.5 Ebenso wenig können die entsprechenden Beträge im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrags abgeführt werden (§ 301 Satz 1 AktG). Dazu ausführlich § 268 HGB Rz. 84 ff.

V. Unverrechneter Ausweis (Abs. 1 Satz 3) 38

Ergeben sich sowohl Steuerbe- als auch Steuerentlastungen, kann der Ausweis nach Abs. 1 Satz 3 getrennt oder durch eine Verrechnung (Ausweis der Abrechnungsspitze) erfolgen. Dahingehend besteht für die Bilanzierenden ein uneingeschränktes Wahlrecht, was aufgrund der beim verrechneten Ausweis fehlenden Transparenz hinsichtlich des genauen Umfangs beider latenter Steuern nicht unproblematisch ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt an dem Gesetzgebungsverfahren des BilMoG, da bei diesem eine Verrechnung ursprünglich nicht möglich sein sollte.6 Die Ausübung des Wahlrechts unterliegt allerdings den Einschränkungen des Gebots der Ausweisstetigkeit (§ 265 HGB – § 265 HGB Rz. 6 ff.).7 Zu den Auswirkungen des Wahlrechts für den Ausweis aktiver latenter Steuern auf die mögliche Verrechnung s. Rz. 27.

1 Im Ergebnis auch Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 44; ähnlich Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1057 (1058). 2 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 14; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 27 aE; Wendholt/ Wesemann, DB-Beil 5/2009, 64 (67). 3 Abweichend wohl Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 3, der insofern von einer Bilanzierungshilfe ausgeht. 4 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 15 aE. 5 Ebenso mit einer Beschränkung auf den Überhangbetrag Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 17. 6 Diesen Aspekt betonend Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 67. 7 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 28.

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B. Ausweis latenter Steuern (Abs. 1)

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Rz. 45 § 274

Die Möglichkeit des unverrechneten Ausweises entbindet den Bilanzierenden aber nicht davon, die passi- 39 ven und aktiven latenten Steuern einzeln zu berechnen.1 Denn durch Abs. 1 Satz 3 wird lediglich gestattet, die konkrete Steuerbe- und -entlastung zu verrechnen.

VI. Berücksichtigung von Verlustvorträgen (Abs. 1 Satz 4) Bei dem Ausweis von aktiven latenten Steuern sind steuerliche Verlustvorträge nach Abs. 1 Satz 4 zwingend zu berücksichtigen. Steuerliche Verlustvorträge sind im Zusammenhang mit aktiven latenten Steuern in zweifacher Hinsicht von Bedeutung.2 Zum einen führen diese bei voraussichtlich fehlenden Gewinnen zu einer fehlenden Entstehung latenter Steuern, da dann schon nicht mit einer Steuerbe- oder -entlastung zu rechnen ist. Zum anderen verursacht ein steuerlicher Verlustvortrag eine Minderung oder sogar ein Entfallen des Steueraufwands, so dass steuerliche Verlustvorträge direkt zur Entstehung aktiver latenter Steuern führen können.3 Bei der Berücksichtigung der steuerlichen Verlustvorträge handelt es sich nicht um ein Wahlrecht, so dass diese stets in die Berechnung der aktiven latenten Steuern einbezogen werden müssen.

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Aufgrund seines eindeutigen Wortlauts ist Abs. 1 Satz 4 auf die steuerlichen Verlustvorträge beschränkt, so dass handelsbilanzielle Verlustvorträge (§ 266 Abs. 3 A.IV. HGB – § 266 HGB Rz. 54) im Zusammenhang mit den (passiven) latenten Steuern keine Rolle spielen können. Dies ergibt sich unabhängig vom Wortlaut von Abs. 1 Satz 4 aber auch schon aus der Systematik der latenten Steuern, da der handelsbilanzielle Gewinnausweis für diese irrelevant ist. Zudem sind die steuerlichen Verlustvorträge nur im Rahmen der aktiven latenten Steuern zu berücksichtigen, da Abs. 1 Satz 4 eindeutig nur auf diese Bezug nimmt.4 Über diesen eindeutigen Wortlaut des Abs. 1 Satz 4 kann auch die gegenteilige Äußerung des Rechtsausschusses5 nicht hinweghelfen.6

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Eine Verrechnung der voraussichtlichen steuerlichen Bemessungsgrundlage mit den steuerlichen Verlust- 42 vorträgen ist zunächst bei den bereits zum Bilanzstichtag entstanden Verlustvorträgen erforderlich, die also aus vorherigen Geschäftsjahren fortgeführt wurden. Dabei ist es aber unbeachtlich, wann der Verlustvortrag entstanden ist, solange dieser auch weiterhin nutzbar ist.7 Die Verrechnung ist aber auch mit erst künftig entstehenden steuerlichen Verlustvorträgen möglich. 43 Dafür bedarf es einer Berechnung der künftigen Steuerbelastung. Entscheidende Faktoren für die Annahme von künftigen steuerlichen Verlustvorträgen können sich vor allem aus den sonstigen Planungsrechnungen des Unternehmens ergeben.8 Die Berücksichtigung der steuerlichen Verlustvorträge darf aber nur für die nachfolgenden fünf Geschäftsjahre erfolgen, da eine darüber hinausgehende Planung bzw. verlässliche Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses kaum möglich ist.9 Kommt der Bilanzierende daher bei der Berechnung der künftigen Steuerbelastung zu dem Ergebnis, dass ein Verlustvortrag erst nach den nachfolgenden fünf Geschäftsjahren voraussichtlich entstehen wird, kommt eine Verrechnung nicht in Betracht. Allerdings muss dann in den nachfolgenden Geschäftsjahren geprüft werden, ob diese Annahme noch gerechtfertigt ist, da dann eine Verrechnung erfolgen muss. Zudem muss stets geprüft werden, ob ein bereits entstandener oder zukünftig entstehender Verlustvortrag überhaupt genutzt werden darf. Dabei ist neben der Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG iVm. § 10a Satz 1 und 2 GewStG) vor allem auch ein möglicher Untergang des Verlustvortrags (§ 8c KStG, § 10a Satz 10 GewStG) zu berücksichtigen.10

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In beiden Fällen (Rz. 42 und 43) muss aber neben den aktiven latenten Steuern auch berechnet werden, ob die Verlustvorträge durch die voraussichtliche (anderweitige) Steuerbelastung in den nachfolgenden Jahren überhaupt entstehen oder verbraucht werden. Daher bedarf es auch in diesem Fall einer Berech-

45

1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 29; Karrenbrock, WPg. 2008, 328 (332 f.); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 28. 2 Zum Ganzen Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 34. 3 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 34. 4 Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70); aA Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 36; Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1974); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 40 aE. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/12047, 87. 6 So aber Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 36. 7 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 40. 8 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 42; Küting/Seel, FS Herzig, 2010, 675 (681 f.); Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 71; Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70); WP-Handbuch14, I F Rz. 176. 9 Ebenso Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 42. 10 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 43; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 38; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 72; WP-Handbuch14, I F Rz. 192.

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§ 274 Rz. 46 | Latente Steuern nung der künftigen konkreten (hohen) Steuerbelastung, an die strenge Anforderungen zu stellen sind, da anderenfalls ein Ausweis aktiver latenter Steuern zu einem faktischen Wahlrecht verkommen würde.1 Soweit das Unternehmen in den vergangenen Jahren überwiegend Verluste erwirtschaftet hat, sind an den Ausweis aktiver latenter Steuern hohe Anforderungen zu stellen, da in diesem Fall auch zukünftig eine Verlustsituation anzunehmen ist, so dass es aufgrund der Verlustvorträge schon nicht zu einer Steuerersparnis kommen kann.2 Aspekte, die für eine Aktivierung von latenten Steuern auf Verlustvorträge sprechen, sind etwa Gewinnerwartungen bei Großprojekten, ein hoher profitabler Auftragsbestand, der Verkauf von verlustbringenden Geschäftsbereichen oder das Vorliegen hinreichend hoher Wertdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz.3 Liegen hingegen steuerliche Verluste in der Zukunft nahe oder ist mit einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu rechnen, kann eine durch den Verlustvortrag kompensierte Steuerbelastung nicht angenommen werden, so dass auch ein Ausweis der aktiven latenten Steuern entsprechend abzulehnen ist.4 Daher bedarf es stets einer nachvollziehbaren Unternehmensplanung, aus der sich die Entstehung von Gewinnen in den nachfolgenden Geschäftsjahren ergibt.5 Bei der Berechnung sind steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, sofern deren Ausnutzung tatsächlich wahrscheinlich ist.6 Auch wenn Abs. 1 Satz 4 von einem (fixen) Zeitraum von fünf Jahren ausgeht, kann dieser im Einzelfall verkürzt werden, wenn eine entsprechend lange Prognose nicht verlässlich ermittelt werden kann.7 46

Die Berücksichtigung von Verlustvorträgen muss im Anhang erläutert werden (§ 285 Nr. 29 HGB – § 285 HGB Rz. 264 ff.).

C. Bewertung und Auflösung latenter Steuern (Abs. 2) I. Ansatz mit unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen (Abs. 2 Satz 1) 47

Bei der Ermittlung der latenten Steuern hat der Bilanzierende nach Abs. 2 Satz 1 die unternehmensindividuellen Steuersätze anzusetzen, die im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen voraussichtlich gelten werden. Dabei muss der Bilanzierende alle vom steuerlichen Gewinn abhängigen Steuern berücksichtigen und somit neben der Körperschaft- auch die Gewerbesteuer ansetzen.8 Damit ergibt sich für eine deutsche Kapitalgesellschaft regelmäßig ein typisierter Steuersatz von 30 %.9 Kann dieser Steuersatz nicht hinreichend sicher bestimmt werden, ist der Steuersatz zum Bilanzierungsstichtag zu verwenden.10 Künftige Änderungen des Steuerrechts sind erst dann zu berücksichtigen, wenn das jeweilige Gesetzgebungsverfahren weitgehend abgeschlossen ist, was schon bei einer Zustimmung des Bundesrats der Fall ist.11 Ausländische Steuern sind nur zu berücksichtigen, wenn es sich bei diesen um Ertragsteuern handelt.12

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Dieser ermittelte Steuersatz ist dann auf die nach Abs. 1 Satz 1 (Rz. 13 ff.) oder nach Abs. 1 Satz 2 (Rz. 27 ff.) ermittelte Wertdifferenz anzuwenden, so dass sich aus der Multiplikation dieser beiden Werte die Höhe des aktiven oder passiven Sonderpostens ergibt. Dabei muss die Wertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz exakt berechnet und nicht lediglich geschätzt oder überschlagen werden.13 1 Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1974); ähnlich Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 42; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 37 f. 2 Bösser/Pilhofer, KoR 2008, 296 (300); Engels, BB 2008, 1554 (1555); Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 42; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 37; Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1974); vgl. auch Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70) mit zahlreichen konkreten Beispielen. 3 Mit dieser Aufzählung etwa Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70). 4 Dazu Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70). 5 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 49; Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1974); Meyer/Ruberg, DStR 2010, 2094 (2099). 6 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 43; WP-Handbuch14, I F Rz. 190. 7 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 44. 8 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 61; Haußer in Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht3, Kap. 22 Rz. 459; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 30; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 31. 9 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 30; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 76. 10 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 68; ebenso Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 61; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 274 Rz. 6. 11 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 68; dem folgend Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 63; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 30 aE; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1005 (1010); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 51. 12 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 31; WP-Handbuch14, I F Rz. 196. 13 Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 56; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg 2009, 1005 (1013 f.).

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D. Verstoß gegen § 274

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Rz. 55 § 274

Keine Regelung enthält § 274 HGB zu der Frage der Behandlung von ertragsteuerlichen Organschaften. 49 Die Steuerabgrenzung ist aber allein auf der Ebene des Organträgers vorzunehmen.1 Vereinbarungen über Steuerumlagen sind im Rahmen von § 274 HGB nicht zu berücksichtigen, da es sich bei diesen nicht um Steuerlasten handelt.2 Da die latenten Steuern als Sonderposten ausgewiesen werden, sind diese aufgrund von Abs. 2 Satz 1 (am Ende) nicht abzuzinsen. Dies ist konsequent, zumal der genaue Zeitpunkt für den Abbau der Wertdifferenz kaum verlässlich bestimmt werden könnte.3

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Keine latenten Steuern stellt der tatsächliche Steueraufwand des laufenden Geschäftsjahres dar, da dieser – soweit die Steuerschuld noch nicht beglichen ist – als Verbindlichkeit auszuweisen ist.4

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II. Auflösung der ausgewiesenen Sonderposten (Abs. 2 Satz 2) Sobald mit der Steuerbe- oder -entlastung nicht mehr zu rechnen ist, sind die Sonderposten für die laten- 52 ten Steuern aufzulösen (Abs. 2 Satz 2). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich der ursprünglich prognostizierte Abbau der Wertdifferenz (Rz. 20 ff.) abweichend entwickelt hat und diese weggefallen ist.5 Die Auflösung des Sonderpostens ist erfolgswirksam zu erfassen.6 Von der Auflösung des Sonderpostens ist dessen Anpassung zu unterschieden, die ggf. jährlich durchzuführen ist.7 Dabei ist neben einer veränderten Entwicklung des Abbaus der Wertdifferenz auch eine Veränderung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Letzteres kommt bereits in Betracht, wenn das Gesetzgebungsverfahren für das jeweilige Steuergesetz zum Bilanzstichtag weitgehend abgeschlossen wurde, was keine Verkündung voraussetzt.8 Diese Anpassung ist erfolgswirksam zu erfassen.9

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III. Aufwand und Ertrag aus der Veränderung bilanzierter latenter Steuern (Abs. 2 Satz 3) Wenn sich aus der Veränderung bilanzierter latenter Steuern ein Aufwand oder ein Ertrag ergibt, muss die- 54 ser nach Abs. 2 Satz 3 in der Gewinn- und Verlustrechnung als eigener Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ ausgewiesen werden (§ 275 Abs. 2 Nr. 14, Abs. 3 Nr. 13 HGB – § 275 HGB Rz. 46 ff.).

D. Verstoß gegen § 274 I. Zivilrechtliche Folgen Der unrichtige Ausweis der latenten Steuern (Abs. 1 – Rz. 10 ff.) kann keine Nichtigkeit des Jahresabschlus- 55 ses zur Folge haben. Insbes. kann sich diese nicht aus § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG ergeben, da § 274 HGB in § 256 Abs. 5 Satz 2 und 3 AktG nicht erwähnt wird und eine Unter- oder Überbewertung der latenten Steuern keine Über- oder Unterbewertung iSv. § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG darstellen kann. Für die GmbH gilt dies ebenso. 1 Dazu ausführlich Wendholt/Wesemann, DB-Beil. 5/2009, 64 (70 f.); zustimmend Dahlke, BB 2009, 878 (878 f.); Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 43, 70 ff.; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 32; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1057 (1058 f.); Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 1971 (1973); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 46; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 121; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 1566; WP-Handbuch14, I F Rz. 214. 2 Ellerbusch/Schlüter/Hofherr, DStR 2009, 2443 (2447 f.); Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 33; im Ergebnis auch Dahlke, BB 2009, 878 (879). 3 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M46; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 51. 4 Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 14. 5 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 32. 6 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 68; zustimmend Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 32 aE; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 80. 7 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M47; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 50; Risse in MünchKomm. BilR, § 274 HGB Rz. 82. 8 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 68; dem folgend Grottel/Larenz in BeckBilKomm.10, § 274 HGB Rz. 63; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 30 aE; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1005 (1010); Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 51. 9 Begr RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 68; zustimmend Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009, Rz. M47; Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 32 aE; Reiner in MünchKomm. HGB3, § 274 Rz. 50.

Mock

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§ 274 Rz. 56 | Latente Steuern

II. Strafrechtliche Sanktionen 56

Die Nichtbeachtung von § 274 HGB kann zunächst eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB (§ 334 HGB Rz. 35 ff.) darstellen. Zudem kommt eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (§ 331 HGB Rz. 25 ff.) in Betracht, wenn durch die Verletzung von § 274 HGB die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden.1 Zudem ist eine Strafbarkeit nach § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB denkbar.

III. Enforcement-Verfahren 57

Schließlich kann eine Verletzung von § 274 HGB die Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung iSd. § 342b Abs. 5 Satz 2 HGB, 37q WpHG darstellen. Insofern ist es allerdings erforderlich, dass nicht nur ein Verstoß gegen § 274 HGB vorliegt, sondern dass dieser aus Sicht des Kapitalmarkts wesentlich ist.2

§ 274a Größenabhängige Erleichterungen Kleine Kapitalgesellschaften sind von der Anwendung der folgenden Vorschriften befreit: 1. § 268 Abs. 4 Satz 2 über die Pflicht zur Erläuterung bestimmter Forderungen im Anhang, 2. § 268 Abs. 5 Satz 3 über die Erläuterung bestimmter Verbindlichkeiten im Anhang, 3. § 268 Abs. 6 über den Rechnungsabgrenzungsposten nach § 250 Abs. 3, 4. § 274 über die Abgrenzung latenter Steuern. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Erleichterungen im Einzelnen I. Befreiung von der Erläuterung rechtlich noch nicht entstandener Forderungen (Nr. 1) . . . .

_ __ _ 1 4 7 8

II. Befreiung von der Erläuterung rechtlich noch nicht entstandener Verbindlichkeiten (Nr. 2) III. Befreiung von der Pflicht zum gesonderten Ausweis oder zur Angabe eines aktivierten Disagios (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Befreiung von der Anwendung der Vorschriften zur Steuerabgrenzung nach § 274 HGB (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Müller, Rückstellungen für passive Steuerlatenzen gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, DStR 2011, 1046; Müller/Kreipl, Passive latente Steuern und kleine Kapitalgesellschaften, DB 2011, 1701; Förster/Beer, Passive latente Steuern als Verbindlichkeitsrückstellungen, StuW 2012, 85; Kirsch/Hoffmann/Siegel, Diskussion der Bilanzierung latenter Steuern nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, DStR 2012, 1290; Küting/Eichenlaub, Verabschiedung des MicroBilG – Der „vereinfachte“ Jahresabschluss für Kleinstkapitalgesellschaften, DStR 2012, 2615; Küting/Eichenlaub/Strauß, MicroBilG-E: Geplante Gesetzesänderungen zur Erleichterung der Rechnungslegung und Offenlegung von Kleinstkapitalgesellschaften, DStR 2012, 1670; Fey/Deubert/Lewe/Roland, Erleichterungen nach dem MicroBilG – Einzelfragen zur Anwendung der neuen Vorschriften, BB 2013, 107; Karrenbrock, Passive latente Steuern als Verbindlichkeitsrückstellungen – Diskussion der BStBK-Verlautbarung zum Ausweis passiver latenter Steuern in der Handelsbilanz, BB 2013, 235.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Gegenstand und Zweck 1

§ 274a HGB gewährt kleinen Kapitalgesellschaften iSd. des § 267 Abs. 1 HGB und haftungsbeschränkten Personengesellschaften iSd. § 264a HGB, die die Größenkriterien des § 267 Abs. 1 HGB nicht überschreiten (s. § 267 HGB Rz. 7 f.), Erleichterungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Zweck der Regelung ist es, den Jahresabschluss von kleinen Kapitalgesellschaften zu vereinfachen und die betroffenen Unternehmen mit Rücksicht auf ihre Größe von häufig aufwendigen und kostenintensiven Ermittlungsarbeiten zu befreien und sie auf diese Weise zu entlasten. Das gilt insbes. im Hinblick auf die Befreiung von der Anwendung des § 274 HGB.

1 Hüttemann/Meyer in GroßKomm.5, § 274 HGB Rz. 46. 2 Vgl. dazu ausführlich Hennrichs DStR 2009, 1446 (1449 f.); Mock in Kölner Komm. WpHG2, § 37q Rz. 18 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 7 § 274a

Inhaltlich handelt es sich bei den Erleichterungen um Befreiungen von Ausweis- und Erläuterungs- 2 pflichten für bestimmte Forderungen und Verbindlichkeiten sowie für das Disagio. Dabei gelten die Erleichterungen auch im Hinblick auf die Angabe von Vorjahreszahlen. Darüber hinaus werden die in den Geltungsbereich der Regelung fallenden Gesellschaften von der Anwendung des § 274 HGB über die Bilanzierung latenter Steuern befreit. Für kleine Aktiengesellschaften gelten die Erleichterungen auch im Hinblick auf das Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 Abs. 1 AktG. Da § 274a HGB in der die Erleichterungen einschränkenden Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG nicht genannt wird, können kleine Aktiengesellschaften in der Hauptversammlung einen Jahresabschluss vorlegen, der lediglich die in Anspruch genommenen Erleichterungen nach § 266 Abs. 1 Satz 3, § 276 und § 288 HGB zurücknimmt.1 Die Befreiungsregelungen des § 274a HGB sind allesamt als Wahlrechte ausgestaltet. Ihre Ausübung ist 3 daher in das Belieben des jeweils begünstigten Unternehmens gestellt. Über die Inanspruchnahme jeder einzelnen Befreiung kann dabei gesondert entschieden werden. An die Art der Wahlrechtsausübung bleibt das Unternehmen wegen des Stetigkeitsgrundsatzes (§§ 246 Abs. 3 und 265 Abs. 1 HGB) allerdings in Folgeperioden grundsätzlich gebunden (s. § 246 HGB Rz. 255 ff.; § 265 HGB Rz. 6 ff.).2 Das gilt jedenfalls dann, wenn auf die Inanspruchnahme der Befreiungsmöglichkeiten verzichtet wird. Im umgekehrten Fall dürfte gegen eine abweichende Wahlrechtsausübung in späteren Jahren dagegen nichts einzuwenden sein, da der Verzicht auf die Befreiungen zu einer Erhöhung des Aussagegehalts des Jahresabschlusses führt. Insoweit liegt ein begründeter Ausnahmefall vor, der eine Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes rechtfertigt. An die geänderte Vorgehensweise bleibt der Bilanzierende dann aber in späteren Jahren gebunden.

II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 274a HGB richtet sich seinem Wortlaut nach zunächst einmal an kleine Kapitalgesellschaften iSd. § 267 4 Abs. 1 HGB. Die darin enthaltenen Erleichterungen können aber auch von haftungsbeschränkten Personengesellschaften in Anspruch genommen werden, die die Größenkriterien des § 267 Abs. 1 HGB nicht überschreiten. Das ergibt sich aus § 264a Abs. 1 HGB, der die für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt. Darüber hinaus werden die Befreiungen auch Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB gewährt (§ 267a Abs. 2 HGB).3 Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Erleichterungen nach § 274a HGB entfällt, sobald die betreffende Kapitalgesellschaft als mittelgroß oder groß einzustufen ist.4 Das ist der Fall, wenn mindestens zwei der in § 267 Abs. 1 HGB genannten Merkmale an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen überschritten werden (s. § 267 HGB Rz. 9).

5

Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen können die Erleichterungen nach § 274a HGB nicht in Anspruch nehmen. Diese Unternehmen haben ihren Jahresabschluss rechtsform- und größenunabhängig nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen (§ 340a Abs. 1 bzw. § 341a Abs. 1 HGB).5

6

III. Rechtsentwicklung § 274a HGB wurde durch das „Gesetz zur Änderung des D-Mark-Bilanzgesetzes und anderer handels- 7 rechtlicher Bestimmungen“ (DMBilG)6 in das HGB eingefügt und ergänzt die für die betreffenden Unternehmen bereits nach §§ 264 Abs. 1 Satz 4, 266 Abs. 1 Satz 3, 276 und 288 Abs. 1 HGB bestehenden Erleichterungen. Wesentliche Änderungen hat die Vorschrift durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), mit dem die Erleichterungen auf die Befreiung von der Anwendung des § 274 HGB ausgedehnt wurden, sowie unlängst durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), mit dem die Befreiung von der Aufstellung eines Anlagegitters aufgehoben wurde, erfahren. Letztere war aufgrund der Streichung von § 268 Abs. 2 HGB aF entbehrlich geworden. Die Befreiung von der Aufstellung eines Anlagegitters er1 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 274a HGB Rz. 2 (Stand Okt. 2012); Grottel in Beck BilKomm.10, § 274a HGB Rz. 1. 2 Zur Ansatzstetigkeit bei Inanspruchnahme des Aktivierungswahlrechts für latente Steuern nach § 274 Abs. 1 HGB vgl. Karrenbrock in HdJ, I/15 Rz. 28 (Stand Okt. 2013). 3 Vgl. Küting/Eichenlaub/Strauß, DStR 2012, 1670 (1671); Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615 (2615 f.); Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107 (108); Grottel in Beck BilKomm.10, § 274a HGB Rz. 1. 4 Vgl. Grottel in Beck BilKomm.10, § 274a HGB Rz. 1; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 274a HGB Rz. 2 (Stand Okt. 2012). 5 Vgl. Grottel in Beck BilKomm.10, § 274a HGB Rz. 1; Kessler/Freisleben in MünchKomm. BilR, § 274a HGB Rz. 2; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 274a HGB Rz. 4 (Stand Okt. 2012). 6 DMBilG v. 25.7.1994, BGBl. I 1994, 1682.

Karrenbrock

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§ 274a Rz. 8 | Größenabhängige Erleichterungen gibt sich nunmehr aus § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB(s. § 288 HGB Rz. 9). Die Neufassung des § 274a HGB ist nach Art. 75 Abs. 1 EGHGB erstmals auf Jahresabschlüsse für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.

B. Die Erleichterungen im Einzelnen I. Befreiung von der Erläuterung rechtlich noch nicht entstandener Forderungen (Nr. 1) 8

Nach § 268 Abs. 4 Satz 2 HGB sind die in dem Posten „sonstige Vermögensgegenstände“ enthaltenen Forderungen, die rechtlich erst nach dem Bilanzstichtag entstehen, im Anhang zu erläutern, sofern sie einen größeren Umfang haben (s. § 268 HGB Rz. 51 ff.). Dabei handelt es sich beispielsweise um Körperschaftund Gewerbesteuererstattungsansprüche oder auch um Vorsteueransprüche vor Rechnungsstellung.1 Sinn und Zweck der Erläuterung dieser sog. antizipativen Posten ist es, den Jahresabschlussadressaten über ein mit diesen Positionen verbundenes höheres Risiko zu informieren.2 Kleine Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte haftungsbeschränkte Personengesellschaften werden durch § 274a Nr. 1 HGB von dieser Erläuterungspflicht befreit.

II. Befreiung von der Erläuterung rechtlich noch nicht entstandener Verbindlichkeiten (Nr. 2) 9

Analog zur Regelung des § 268 Abs. 4 Satz 2 HGB schreibt § 268 Abs. 5 Satz 3 HGB vor, dass die unter den Verbindlichkeiten ausgewiesenen Beträge, die rechtlich erst nach dem Bilanzstichtag entstehen, im Anhang zu erläutern sind, sofern sie einen größeren Umfang haben (s. § 268 HGB Rz. 64). Entsprechende Fälle sind indessen kaum denkbar, da rechtlich noch nicht entstandene Schulden grundsätzlich als Rückstellungen auszuweisen sind.3 Dessen ungeachtet entbindet § 274a Nr. 2 HGB kleine Kapitalgesellschaften von dieser Erläuterungspflicht.

III. Befreiung von der Pflicht zum gesonderten Ausweis oder zur Angabe eines aktivierten Disagios (Nr. 3) 10

Nach § 268 Abs. 6 HGB ist ein in Ausübung des Wahlrechts von § 250 Abs. 3 HGB unter den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten aktiviertes Disagio in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben (s. § 268 HGB Rz. 67 ff.). Damit soll dem Jahresabschlussleser im Hinblick auf den besonderen Charakter dieser Größe die Inanspruchnahme des Aktivierungswahlrechts sichtbar gemacht werden.4 Kleine Kapitalgesellschaften und kleine haftungsbeschränkte Personengesellschaften werden durch § 274a Nr. 3 HGB von dieser besonderen Ausweis- bzw. Berichterstattungspflicht befreit.

IV. Befreiung von der Anwendung der Vorschriften zur Steuerabgrenzung nach § 274 HGB (Nr. 4) 11

Kapitalgesellschaften sind nach Maßgabe der Bestimmungen von § 274 HGB zur Bilanzierung latenter Steuerzahlungen verpflichtet (s. § 274 HGB Rz. 10 ff.). Aufgrund der mit dem BilMoG erfolgten Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG) hat die damit verbundene Problematik für die Bilanzierungspraxis erheblich an Bedeutung gewonnen.5 Insbesondere kann – anders als nach der bis dahin geltenden Rechtslage – nicht mehr in einer überschlägigen Betrachtung davon ausgegangen werden, dass die aktiven die passiven Differenzen übersteigen. Damit ist es nicht mehr möglich, unter Berufung auf das Aktivierungswahlrecht für eine per Saldo bestehende latente Steuerentlastung auf die aufwendige Ermittlung und Fortschreibung latenter Steuern im Wege einer Einzeldifferenzenbetrachtung zu verzichten. Um kleine Kapitalgesellschaften von dem mit der Bilanzierung latenter Steuern verbundenen Ermittlungs- und Dokumentationsaufwand zu entlasten, hat der Gesetzgeber diese Unternehmen durch § 274a Nr. 4 HGB von der Anwendung der Regelungen des § 274 HGB befreit. 1 Vgl. Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 268 HGB Rz. 32; Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 61; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 268 HGB Rz. 78 (Stand März 2016). 2 Vgl. Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 64. 3 Vgl. ADS, § 268 HGB Rz. 118; Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 268 HGB Rz. 87 (Stand März 2016); Suchan in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 71. 4 Vgl. Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 268 HGB Rz. 91 (Stand März 2016). 5 Vgl. Karrenbrock, WPg. 2008, 328; Müller/Kreipl, DB 2011, 1701.

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B. Die Erleichterungen im Einzelnen

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Rz. 16 § 274a

Das bedeutet indessen nicht, dass kleine Kapitalgesellschaften im Fall der Inanspruchnahme der Befreiung 12 auf die Ermittlung latenter Steuern vollständig verzichten können. Vielmehr richtet sich die bilanzielle Behandlung latenter Steuerzahlungen in diesem Fall wie bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften nach den allgemeinen Vorschriften über die Bilanzierung von Vermögensgegenständen und Schulden. Nach der Gesetzesbegründung sollen kleine Kapitalgesellschaften aufgrund der Befreiungsvorschrift allerdings nur passive latente Steuern zu ermitteln haben und dies auch nur dann, „wenn gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB vorliegen.“1 Ob dies tatsächlich zutrifft, ist indessen fraglich. Die Antwort auf diese Frage hängt nämlich davon ab, ob passive latente Steuern generell oder nur in Einzelfällen die Ansatzkriterien für Verbindlichkeitsrückstellungen (s. § 249 HGB Rz. 30 ff.) erfüllen und welche Grundsätze bei der Ermittlung latenter Steuerschulden gelten. In der Literatur und von den Berufsverbänden werden diesbezüglich unterschiedliche Positionen vertre- 13 ten. Während das IDW bei zu versteuernden temporären Differenzen, die nicht quasi-permanent sind, vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB ausgeht und bei deren Bewertung die latente Steuerentlastung aus der Auflösung abzugsfähiger Differenzen rückstellungsmindernd berücksichtigt wissen will,2 hält die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) eine Rückstellung für latente Steuern nur ausnahmsweise in den Fällen für geboten, in denen die zugrunde liegende temporäre Bilanzdifferenz auf der Bildung einer steuerfreien Rücklage beruht oder aber steuerpflichtige Erträge durch einen außerbilanziellen Abzug zunächst von der Besteuerung ausgenommen werden. Darüber hinaus ist nach Auffassung der BStBK eine Saldierung mit latenten Steuerentlastungen nicht zulässig.3 Entsprechend uneinheitlich ist auch das Meinungsbild in der Literatur.4 Weder dem IDW noch der BStBK ist uneingeschränkt zuzustimmen. Entgegen der Auffassung der BStBK 14 erfüllen passive latente Steuern stets die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung. Zwar ist die Steuerverbindlichkeit in der Entstehungsperiode der temporären Bilanzdifferenz noch nicht rechtlich entstanden, in der bzw. den Auflösungsperiode(n) der Differenz kommt es jedoch aufgrund des Bilanzzusammenhangs zu einer Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens mit der Folge, dass sich die Steuerbelastung der betreffenden Periode(n) um einen entsprechenden Betrag erhöht bzw. ein Verlustvortrag sich entsprechend verringert. Im letztgenannten Fall tritt die höhere Steuerbelastung infolge einer verringerten Verlustverrechnung nur periodenverschoben ein. Eine Steuermehrbelastung späterer Perioden ist bei einer zeitlich unbegrenzten steuerlichen Verlustvortragsmöglichkeit nur dann nicht zu erwarten, wenn man davon ausgeht, dass dauerhaft Verluste erwirtschaftet werden. In diesem Fall stellt sich dann aber die Frage, ob noch von der „going-concern-Prämisse“ ausgegangen werden kann. Die Steuermehrbelastung späterer Perioden ist auch wirtschaftlich in der Entstehungsperiode der Bilanz- 15 differenzen verursacht; denn in dieser Periode werden die zugehörigen Erträge handelsrechtlich ausgewiesen. Das entspricht einer Aufwandsperiodisierung nach dem Realisationsprinzip.5 Auf eine hiervon abweichende steuerliche Periodisierung der die Steuerzahlung auslösenden Erträge kommt es insoweit gerade nicht an. Schließlich ist der BStBK auch im Hinblick auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung latenter Steuerent- 16 lastungen zu widersprechen. Zwar sind aktive latente Steuern als solche mangels Erfüllung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Vermögensgegenstands nach allgemeinen Grundsätzen nicht aktivierungsfähig. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie bei der Ermittlung einer zu erwartenden Steuermehrbelastung 1 BT-Drucks. 16/10067, 68. 2 Vgl. IDW-HFA, ERS HFA 27 Rz. 20. 3 Vgl. BStBK, DStR 2012, 2296 f. Zur Diskussion der Verlautbarung der BStBK vgl. ausführlich Karrenbrock, BB 2013, 235. 4 Vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung ausgehend Kessler/Freisleben in MünchKomm. BilR, § 274a HGB Rz. 9 f.; Kirsch/Hoffmann/Siegel, DStR 2012, 1290 (1293 f.); Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1057 (1061); Naumann in FS Krawitz, 689 (699); Wendholt/Wesemann, DB 2009, Beil. 5, 64 (72). Für eine darüber hinausgehende Berücksichtigung passiver latenter Steuern auf quasi-permanente Differenzen Karrenbrock in FS Krawitz, 631 (644); Karrenbrock, BB 2013, 235 (238); Steinbach, Latente Steuern im Einzel- und Konzernabschluss nach HGB, 283. Nur in Ausnahmefällen einen Anwendungsfall von § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB gegeben sehen demgegenüber Förster/Beer, StuW 2012, 85 (89 ff.); Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 249 HGB Rz. 78; Lüdenbach/Freiberg, BB 2011, 1579 (1582 f.); Marx/Dallmann in BKT, Bilanzrecht, § 274a HGB Rz. 62 (Stand Okt. 2012); Müller, DStR 2011, 1046 (1047 ff.); Müller/Kreipl, DB 2011, 1701 (1703 f.); Pollanz, DStR 2013, 58 (61 f.). 5 Vgl. dazu Moxter, BB 1979, 433 (438 f.).

Karrenbrock

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§ 274a Rz. 17 | Größenabhängige Erleichterungen unberücksichtigt zu lassen sind. Die Ertragsteuerzahlungen einer Periode ergeben sich nämlich nicht aus einem einzelnen Geschäftsvorfall, sondern aus der rechnerischen Zusammenfassung aller Geschäftsvorfälle des betreffenden Wirtschaftsjahres. Dabei sind sowohl steuerlasterhöhende als auch steuerlastermäßigende Komponenten der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Dementsprechend ergibt sich auch die aus dem Abbau temporärer Differenzen für eine bestimmte Periode erwartete Steuermehrbelastung nicht aus der Auflösung einer einzelnen Bilanzdifferenz, sondern aus dem Saldo aller zu versteuernden und abzugsfähigen Differenzen, die sich in der betreffenden Periode auflösen. Würde man mithin latente Steuerentlastungen aus der Auflösung abzugsfähiger Differenzen bei der Ermittlung einer zu erwartenden Steuermehrbelastung unberücksichtigt lassen, so käme es durch eine Überdotierung der Rückstellung für latente Steuern zur Legung stiller Reserven.1 17

Entgegen der Auffassung von IDW und BStBK sind auch passive latente Steuern, die auf quasi-permanenten Differenzen beruhen, in die Rückstellungsbildung einzubeziehen. Einen Grundsatz, der dieses ausschließt, gibt es trotz vielfach anderslautender Behauptung nicht. Insbesondere kann die Bilanzierung latenter Steuern auf quasi-permanente Differenzen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Abbau dieser Differenzen noch von einer nicht absehbaren unternehmerischen Disposition (wie zB der Veräußerung des betreffenden Vermögensgegenstands) abhängt und der Steuerpflichtige sich deshalb im Ergebnis dieser Verpflichtung entziehen kann, indem er die steuerauslösende Disposition nicht vornimmt.2 Eine solche Ansicht verkennt, dass der Bilanzierende lediglich den Zeitpunkt der Fälligkeit (in Grenzen) beeinflussen kann. Endgültig entziehen kann er sich der Verpflichtung nicht. Dementsprechend ändert sich auch nichts am Schuldcharakter der Verpflichtung. Der Vollständigkeitsgrundsatz gebietet es deshalb, auch diese Verpflichtungen in die Rückstellungsbildung einzubeziehen.3 Andernfalls würde für wirtschaftlich bereits verursachte künftige Steuermehrzahlungen keine Vorsorge getroffen.

18

Im Ergebnis wird damit der durch § 274a Nr. 4 HGB beabsichtigte Erleichterungseffekt für kleine Kapitalgesellschaften nicht erreicht.4 Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass diese Unternehmen auf die umfangreichen Erläuterungen im Anhang verzichten können (§ 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB).5

C. Sanktionen 19

§ 274a HGB enthält lediglich größenabhängige Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften. Eine Verletzung der Vorschrift selbst ist deshalb nicht möglich. Rechtsfolgen können sich jedoch aus einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Erleichterungen ergeben. So können Verstöße gegen die Vorschriften, von deren Anwendung § 274a HGB befreit, nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c iVm Abs. 3 HGB als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € geahndet werden.

1 Im Ergebnis glA Dyck/Prokein in Küting/Weber, HdR5, § 274a HGB Rz. 6 (Stand Okt. 2010); Grottel in Beck BilKomm.10, § 274a HGB Rz. 7. 2 So aber die wohl hM, vgl. statt aller Förster/Beer, StuW 2012, 85 (89); Dyck/Prokein in HdR5, § 274a HGB Rz. 6 (Stand Okt. 2010); Kessler/Leinen/Paulus, KoR 2009, 716 (719); Kirsch/Hoffmann/Siegel, DStR 2012, 1290 (1294 f.); Kühne/Melcher/Wesemann, WPg. 2009, 1057 (1061); Naumann in FS Krawitz, 689 (699); Wendholt/Wesemann, DB 2009, Beil. 5, 64 (73). Kritisch zu dieser Auffassung insoweit auch Müller/Kreipl, DB 2011, 1701 (1706). 3 Anderenfalls müsste man konsequenterweise auch außerplanmäßige Abschreibungen auf dauerhaft in ihrem Wert geminderte Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und auf andere nicht abnutzbare Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ablehnen, weil die Realisation des Wertverlusts noch nicht absehbar ist bzw. von einer unternehmerischen Disposition (Veräußerung der betreffenden Vermögensgegenstände) abhängt. Zur Notwendigkeit der Einbeziehung von quasi-permanenten Differenzen vgl. ausführlich Karrenbrock, BB 2013, 235 (238). 4 Vgl. Grottel in Beck BilKomm.10, § 274a HGB Rz. 7; Karrenbrock in HdJ, I/15 Rz. 112 (Stand Okt. 2013); Kessler/ Freisleben in MünchKomm. BilR, § 274a HGB Rz. 10; 5 So schon Karrenbrock, WPg. 2008, 328 (333 f.).

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| Karrenbrock

Dritter Titel Gewinn- und Verlustrechnung § 275 Gliederung (1) 1Die Gewinn- und Verlustrechnung ist in Staffelform nach dem Gesamtkostenverfahren oder dem Umsatzkostenverfahren aufzustellen. 2Dabei sind die in Absatz 2 oder 3 bezeichneten Posten in der angegebenen Reihenfolge gesondert auszuweisen. (2) Bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens sind auszuweisen: 1. Umsatzerlöse 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 3. andere aktivierte Eigenleistungen 4. sonstige betriebliche Erträge 5. Materialaufwand: a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren b) Aufwendungen für bezogene Leistungen 6. Personalaufwand: a) Löhne und Gehälter b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung 7. Abschreibungen: a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten 8. sonstige betriebliche Aufwendungen 9. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 10. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und Wertpapiere des Umlaufvermögens 13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen 14. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 15. Ergebnis nach Steuern 16. sonstige Steuern 17. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (3) Bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens sind auszuweisen: 1. Umsatzerlöse 2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen 3. Bruttoergebnis vom Umsatz 4. Vertriebskosten 5. allgemeine Verwaltungskosten 6. sonstige betriebliche Erträge 7. sonstige betriebliche Aufwendungen 8. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 9. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 10. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 11. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens Schüppen

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§ 275 | Gliederung 12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen 13. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 14. Ergebnis nach Steuern 15. sonstige Steuern 16. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. (4) Veränderungen der Kapital- und Gewinnrücklagen dürfen in der Gewinn- und Verlustrechnung erst nach dem Posten „Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag“ ausgewiesen werden. (5) Kleinstkapitalgesellschaften (§ 167a) können anstelle der Staffelungen nach den Absätzen 2 und 3 die Gewinn- und Verlustrechnung wie folgt darstellen: 1. Umsatzerlöse, 2. sonstige Erträge, 3. Materialaufwand, 4. Personalaufwand, 5. Abschreibungen, 6. sonstige Aufwendungen, 7. Steuern, 8. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einzelregelungen I. Struktur der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesamtkostenverfahren oder Umsatzkostenverfahren (Abs. 1 Satz 1) 1. Gesetzliche Entscheidung für Wahlrecht . . 2. Unterschiede und Abwägungskriterien . . . 3. Wechsel des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . III. Staffelform und verbindliche Vorgabe (Abs. 1 Satz 1 und 2) 1. Entscheidung für Staffelform (Satz 1) . . . . . 2. Verbindliche Vorgabe von Posten und Reihenfolge (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. In beiden Verfahren erforderliche Gliederungsposten (Abs. 2 Nr. 1 und 9–17; Abs. 3 Nr. 1 und 8–16) 1. Umsatzerlöse (Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1) . . 2. Erträge aus Beteiligungen (Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Nr. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens (Abs. 2 Nr. 10, Abs. 3 Nr. 9) . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge (Abs. 2 Nr. 11, Abs. 3 Nr. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens (Abs. 2 Nr. 12, Abs. 3 Nr. 11) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zinsen und ähnliche Aufwendungen (Abs. 2 Nr. 13, Abs. 3 Nr. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (Abs. 2 Nr. 14, Abs. 3 Nr. 13) . . . . . . . . . . 8. Ergebnis nach Steuern (Abs. 2 Nr. 15, Abs. 3 Nr. 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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__ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 2

6 13 15 16 18 21 22 24

27 28 33 37 40 43 46 53

9. Sonstige Steuern (Abs. 2 Nr. 16, Abs. 3 Nr. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesamtkostenverfahren exklusive Gliederungsposten (Abs. 2) 1. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen oder unfertigen Erzeugnissen (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andere aktivierte Eigenleistungen (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige betriebliche Erträge (Abs. 2 Nr. 4) 4. Materialaufwand (Abs. 2 Nr. 5) a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren (Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufwendungen für bezogene Leistungen (Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Personalaufwand (Abs. 2 Nr. 6) a) Löhne und Gehälter (Buchst. a) . . . . . . b) Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung (Buchst. b) . 6. Abschreibungen (Abs. 2 Nr. 7) . . . . . . . . . a) Abschreibungen auf Anlagevermögen und immaterielle Vermögensgegenstände der Sachanlagen (Buchst. a) . . . . . . . . . b) Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Gesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten (Buchst. b) . 7. Sonstige betriebliche Aufwendungen (Nr. 8) VI. Umsatzkostenverfahren exklusive Gliederungsposten (Abs. 3 Nr. 2–7) 1. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen (Nr. 2) 2. Bruttoergebnis vom Umsatz (Nr. 3) . . . . . . 3. Vertriebskosten (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ 54 57

_ __ _ _ _ _ __ _ __ __ _ 59 63 65 66 67 69 71 75 79 80

82 84

86 93 94

4. 5. 6. VII.

__ _ _

Allgemeine Verwaltungskosten (Nr. 5) . . . . 96 Sonstige betriebliche Erträge (Nr. 6) . . . . . 98 Sonstige betriebliche Aufwendungen (Nr. 7) 99 Veränderungen der Kapital- und Gewinnrücklagen (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 3 § 275

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VIII. Gliederungsvereinfachung für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . 103 C. Sanktionen I. Ordnungswidrigkeit und Strafbarkeit . . . . . 107 II. Abschlussprüfung und Gesellschaftsrecht . . 109

Literatur: Niehus, Die Gliederung der Ergebnisrechnung nach der 4. EG-Richtlinie bzw. nach dem Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes, DB 1982, 657; Coenenberg, Gliederungs-, Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen bei der Anpassung des Einzelabschlusses nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, DB 1986, 1581; Selchert, Herstellungskosten im Umsatzkostenverfahren, DB 1986, 2397; Rosenbach, Bewertungs- und Gliederungsvorschriften für Kapitalgesellschaften, BFuP 1986, 129; Ballwieser, Die Analyse von Jahresabschlüssen nach neuem Recht, WPg. 1987, 57; Chmielewicz, Anmerkungen zum Umsatzkostenverfahren, DBW 1987, 165; Dörner, Wann und für wen empfiehlt sich das Umsatzkostenverfahren?, WPg. 1987, 154; Glade, Die Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren, BFuP 1987, 16; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Stellungnahme 1/87 des Sonderausschusses Bilanzrichtlinien-Gesetz – Probleme des Umsatzkostenverfahrens, WPg. 1987, 141; Oebel, Zuordnungsfragen in der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren, WPg. 1988, 125; Otto, Posteninhalte und Ausweisprobleme in der GuV nach § 275 HGB, BB 1988, 1703; Rogler, Vermittelt das Umsatzkostenverfahren ein besseres Bild der Ertragslage als das Gesamtkostenverfahren?, DB 1992, 749; Wimmer, Theoretische Konzeption und praktische Umsetzungsprobleme des Umsatzkostenverfahrens nach HGB, WPg. 1993, 161; Baetge/Fischer, Externe Erfolgsanalyse auf der Grundlage des Umsatzkostenverfahrens, in: Otte (Hrsg.), Praxis der GmbH-Rechnungslegung, 1994, 668; Fischer, Zur Diskussion um das Umsatzkostenverfahren – Grundsatzfragen und praktische Umsetzung, in FS Baetge, 1997, 333; Küting, Die handelsbilanzielle Erfolgsspaltungs-Konzeption auf dem Prüfstand, WPg. 1997, 693; Schindler, Bilanzierung von latenten Steuern bei Umlageverträgen im Rahmen von Organschaftsverhältnissen nach dem BilMoG, BFuP 2011, 329; Haller/Groß, Der MicroBilG-RefE – Neue Regeln für die Rechnungslegung kleiner Kapitalgesellschaften, DB 2012, 2109; Kirsch, Jahresabschlüsse von Kleinstunternehmen, DStZ 2012, 751; Fey/ Deubert/Lewe/Roland, Erleichterungen nach dem MicroBilG – Einzelfragen zur Anwendung der neuen Vorschriften, BB 2013, 107; Kolb/Roß, Änderungen der Gewinn- und Verlustrechnung durch das BilRUG, WPg. 2015, 869; Oser/ Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG),DB 2015, 1729.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 275 HGB ist – wie bereits die treffende Paragrafenüberschrift deutlich macht – eine reine Gliederungs- 1 vorschrift. Grundsätzlich verbindlich werden für die Gewinn- und Verlustrechnung die Staffelform, die Einzelposten und die Reihenfolge ihrer Angabe vorgegeben. Dabei werden den europarechtlichen Vorgaben folgend zwei alternative Gliederungsschemata – für das Gesamtkostenverfahren (Abs. 2) einerseits, für das Umsatzkostenverfahren (Abs. 3) andererseits – zur Wahl gestellt und eine Vereinfachung für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 5) angeboten.

II. Bedeutung und Zweck Obwohl Grundtatbestand und Legaldefinition der Gewinn- und Verlustrechnung in § 242 Abs. 2 HGB enthalten sind und eine ganze Reihe teils prinzipieller, teils spezieller Normen (s. Rz. 7 ff.) die für die Aufstellung geltenden Grundsätze und Inhalte bestimmen, wird § 275 HGB im Allgemeinen als zentrale gesetzliche Regelung der GuV verstanden.1 Sie hat Leitbildfunktion auch für die Gliederung der GuV bei Nicht-Kapitalgesellschaften und ist Kristallisationspunkt bei der Diskussion von sich bei der Definition und Abgrenzung von Erträgen und Aufwendungen ergebenden Fragen. Ihre Bedeutung wird dadurch unterstrichen, dass Normverstöße – obwohl es sich um eine reine Gliederungsvorschrift handelt – gem. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können (hierzu noch Rz. 107 f.).

2

Wie bei allen Gliederungsvorschriften geht es auch mit § 275 HGB darum, Übersichtlichkeit und Transparenz in diesem Fall, der Berichterstattung über Erträge und Aufwendungen, sicherzustellen.2 Die verbindliche Vorgabe von Posten und ihrer Reihenfolge ist darüber hinaus insbes. dem Anliegen, die Vergleichbarkeit der offengelegten Jahresabschlüsse zu verbessern, geschuldet.

3

1 Vgl. zB WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 723. 2 Unterstrichen wird die Bedeutsamkeit dieser Zielsetzung dadurch, dass bei wesentlicher Beeinträchtigung von Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses aufgrund von Verstößen gegen Gliederungsvorschriften der Jahresabschluss nichtig ist, § 256 Abs. 4 AktG.

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§ 275 Rz. 4 | Gliederung 4

Über den Zweck der Gliederungsvorschrift hinaus sind bei ihrer Auslegung im Zweifelsfall auch die der GuV im Rahmen der handelsrechtlichen Vorschriften vom Gesetzgeber zugewiesene Aufgabe und Funktion zu berücksichtigen. Im diesem systematischen Zusammenhang hat die GuV vor allem die Aufgabe, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ertragslage zu vermitteln.1 Vor diesem Hintergrund ermöglichen die gesetzlichen Vorschriften einen – begrenzten2 – Einblick in die Aufwands- und Ertragsstruktur des Unternehmens und haben eine Informationsfunktion.3 Neben der Vorgabe des verbindlichen Gliederungsschemas soll dieser Einblick durch Angabe der Zahlen des Vorjahres (§ 265 Abs. 2 HGB) und durch Zusatzangaben und Aufgliederungen im Anhang (s. Rz. 10) ermöglicht und verbessert werden.

5

Im System der Doppik ergibt sich ein identischer Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag als Ergebnis der GuV oder als Ergebnis des bilanziellen Vermögensvergleichs. Zur Gewinnermittlung wäre eine GuV daher nicht zwingend erforderlich, ist aber natürlich ebenfalls hierfür geeignet. Ob man vor diesem Hintergrund die Gewinnermittlung als weitere Aufgabe der GuV ansehen will,4 ist Geschmackssache und von allenfalls theoretischem Interesse.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 6

Die für alle Kaufleute geltende Grundnorm des § 242 Abs. 2 HGB beschränkt sich darauf, die Gewinnund Verlustrechnung als „Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs“ legal zu definieren und ihre Aufstellung für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs vorzuschreiben. Der systematischen Stellung im zweiten Abschnitt des Dritten Buchs entsprechend gilt die weitergehende Formvorschrift des § 275 HGB mit ihrer zusätzlichen Detaillierung demgegenüber nur für Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB). Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 PublG) gilt sie sinngemäß für nach dem PublG rechnungslegungspflichtige Unternehmen.

7

Systematisch bilden die §§ 275–277 HGB (§ 278 ist durch das BilRUG aufgehoben und unbesetzt) im Unterabschnitt zum Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft und Lagebericht einen eigenen (den dritten) Titel mit den Sondervorschriften zur Gewinn- und Verlustrechnung. Während sich § 275 HGB auf die formale Vorgabe von Gliederungsschemata – unter Berücksichtigung einer größenabhängigen Erleichterungsoption – beschränkt, enthalten die im Verhältnis zu § 275 HGB speziellen §§ 276 und 277 einerseits größenabhängige Erleichterungen (wie auch § 275 Abs. 5), andererseits inhaltliche Definitionen einzelner GuV-Positionen und damit materielle Rechnungslegungsvorgaben.

8

Bei der Anwendung des § 275 HGB zu beachten sind neben den genannten Spezialvorschriften die allgemeinen Grundsätze, namentlich und insbes. – beide ausdrücklich auch auf Aufwendungen und Erträge bezogen – das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) und das Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB, auch als „Bruttoprinzip“ oder „Saldierungsverbot“ bezeichnet). Eine praktische bedeutsame Ausnahme vom Saldierungsverbot normiert allerdings § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB für Erträge und Aufwendungen aus dem Deckungsvermögen für Altersversorgungverpflichtungen oder vergleichbare langfristige Verpflichtungen; sämtliche Erträge und Aufwendungen dieses Saldierungsbereichs sind zu einem Betrag zusammenzufassen.5 Dass Aufwendungen und Erträge unabhängig von Auszahlungen und Einzahlungen auszuweisen sind, stellt der „allgemeine Bewertungsgrundsatz“ in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB klar.

9

Schließlich enthält § 265 HGB „Allgemeine Grundsätze“, die gleichermaßen die Gliederungsvorschriften für die Bilanz wie die Gliederungsvorschriften für die GuV betreffen. Namentlich sind dies das auch die Form der Darstellung betreffende Stetigkeitsgebot (§ 265 Abs. 1)6, die Pflicht zur Angabe der Vorjahresbeträge (§ 265 Abs. 2), die Pflicht der Angabe einer Mitzugehörigkeit von Beträgen (auch) zu anderen Posten (§ 265 Abs. 3), die Option zur weiteren Untergliederung der Posten und zur Hinzufügung neuer Posten und Zwischensummen (§ 265 Abs. 5), die Option zur Änderung von Gliederung, Bezeichnung und Nummerierung, soweit wegen Besonderheiten der Gesellschaft aus Gründen der Klarheit und ÜbersichtADS6, § 275 HGB Rz. 17; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 4. Vgl. ADS6, § 275 HGB Rz. 19. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 7. So ADS6, § 275 HGB Rz. 17 f.; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 4; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 7. 5 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 736; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 9, auch zu weiteren Ausnahmen vom Verrechnungsverbot. 6 Hierzu WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 737; IDW R HFA 38 = WPg. 2011, Suppl. 3. 1 2 3 4

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B. Einzelregelungen

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Rz. 15 § 275

lichkeit erforderlich (§ 265 Abs. 6), die Option zur Zusammenfassung von Posten wegen Unwesentlichkeit oder Verbesserung der Klarheit der Darstellung (§ 265 Abs. 7) sowie die Möglichkeit, auf Posten zu verzichten, wenn diese im laufenden und im vorhergehenden Geschäftsjahr keinen Betrag ausweisen (§ 265 Abs. 8). Allerdings dürfen grundsätzliche Entscheidungen des Gesetzgebers zur Art der vorzunehmenden Erfolgsspaltung nicht korrigiert werden, so dass zB eine freiwillige Einführung neuer Posten für die durch das BilRUG gerade entfernten außerordentlichen Erträge und Aufwendungen nicht zulässig wäre.1 Eine bedeutsame Ergänzung erfahren die in § 275 HGB vorgeschriebenen GuV-Posten schließlich durch 10 die in §§ 284 und 285 HGB vorgeschriebenen Anhangangaben, die in nennenswertem Umfang GuV-bezogen sind. Hervorzuheben unter den „sonstigen Pflichtangaben“ des § 285 HGB sind die Aufgliederung der Umsatzerlöse (Nr. 4), die Angabe von Materialaufwand und Personalaufwand bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (Nr. 8), die Angabe der Organbezüge (Nr. 9), die Angabe und Aufschlüsselung des an den Abschlussprüfer bezahlten Honorars (Nr. 17) sowie die – durch das BilRUG im Zusammenhang mit der Neuabgrenzung der Umsatzerlöse eingeführte – Pflicht zur Erläuterung außergewöhnlicher (Nr. 31) und aperiodischer (Nr. 32) Erträge und Aufwendungen. Größenabhängige Vereinfachungen der GuV-Gliederung ergeben sich aus Abs. 5 für Kleinstkapitalgesell- 11 schaften (§ 267a HGB) und aus § 276 HGB für kleine und mittelgroße Gesellschaften (§ 267 Abs. 1 und 2 HGB). Darüber hinaus ergeben sich spezifisch die GuV betreffende größenabhängige Erleichterungen bei der Offenlegung aus § 326 Abs. 1 HGB, wonach kleine Kapitalgesellschaften die GuV und diese betreffende Anhangangaben nicht offenzulegen brauchen. Schließlich sind – vorrangig – ggf auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 330 HGB erlassene Rechtsverordnungen zu beachten, die durch Formblätter oder in anderer Weise eine abweichende Gliederung der GuV vorschreiben können. Führt die Tätigkeit eines Unternehmens in mehreren Gliederungszweigen zur Anwendbarkeit verschiedener Gliederungsvorschriften, so ist eine begründete Entscheidung für eine der Vorschriften zu treffen (§ 265 Abs. 4 HGB). Über die Normierung im HGB hinaus finden sich Normierungen abweichender oder zusätzlicher Gliederungsvorschriften für die GuV vor allem im AktG. Zu erwähnen sind § 158 AktG (Fortführung der GuV nach dem Posten Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag), § 240 AktG (Ausweis der Kapitalherabsetzung).und § 261 Abs1 Satz 6, Abs. 2 AktG (Ertrag aufgrund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung).

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IV. Rechtsentwicklung § 275 HGB beruht auf der Umsetzung von Europäischen Richtlinien, zunächst Art. 23 ff. der 4. EG-Richtlinie, aktuell Art. 13 Abs. 1 iVm. Anlangen V und VI EU-Bilanzrichtlinie.

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Durch das BilRUG sind die durch die EU-Bilanzrichtlinie geänderten Gliederungsschemata ins deutsche Recht umgesetzt worden; entfallen ist insbes. der zuvor erforderliche gesonderte Ausweis von außerordentlichen und periodenfremden Erträgen und Aufwendungen in der GuV; diese sind nurmehr im Anhang zu erläutern (§ 285 Nr. 32 und 31 HGB).2

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B. Einzelregelungen I. Struktur der Norm Abs. 1 enthält die grundlegenden gesetzgeberischen Entscheidungen und Weichenstellungen für Staffel- 15 form, Methodenwahlrecht (s. Rz. 16 ff.) und Verbindlichkeit von Posten und Reihenfolge (s. Rz. 22 ff.). Sodann werden in Abs. 2 für das Gesamtkostenverfahren und in Abs. 3 für das Umsatzkostenverfahren die Gliederungsschemata vorgegeben. Erläutert werden hierzu zunächst die beiden Verfahren gemeinsamen Posten in einem einheitlichen Abschnitt (s. Rz. 27 ff.), sodann die im jeweiligen Verfahren exklusiven Positionen (s. Rz. 59 ff. und Rz. 86 ff.). Abs. 4 betrifft eine Klarstellung zum Posten Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (s. Rz. 101 f.), Abs. 5 eine Vereinfachungsregelung für Kleinstkapitalgesellschaften (s. Rz. 103 ff.).

1 Regbegr. BilRUG, BR-Drucks. 23/15, 75; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 727; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 17. 2 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 761.

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§ 275 Rz. 16 | Gliederung

II. Gesamtkostenverfahren oder Umsatzkostenverfahren (Abs. 1 Satz 1) 1. Gesetzliche Entscheidung für Wahlrecht 16

Während der Regierungsentwurf zum BiRiLiG in Übereinstimmung mit der früheren (aktienrechtlichen) Regelung nur das Gesamtkostenverfahren vorgesehen hatte,1 wurde im Gesetzgebungsverfahren auf Initiative des Rechtsausschusses schließlich alternativ das Umsatzkostenverfahren zugelassen. Es galt als weltweit gebräuchlicher, so dass deutschen Unternehmen eine „international vergleichbare Darstellung“ ermöglicht werden sollte.2 Aus Sicht des Gesetzes sind beide Verfahren geeignet, ein iSd. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ertragslage zu vermitteln.3 Aus der Sicht des Gesetzgebers handelt es sich daher um grundsätzlich gleichwertige Alternativen4

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Trotz der Verwendung des Wortbestandteils „Kosten“ in der Bezeichnung beider Verfahren sind in der GuV nur Aufwendungen, nicht aber Kosten auszuweisen. Hieraus folgt insbes., dass kalkulatorische Kosten, denen keine Aufwendungen entsprechen, nicht ausgewiesen werden dürfen.5 2. Unterschiede und Abwägungskriterien

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Selbstverständlich führen beide Darstellungsformen zu demselben Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag, haben aber eine unterschiedliche Struktur und Ausrichtung bei der Darstellung der Aufwendungen. Das tradierte Gesamtkostenverfahren zeigt eine geschäftsjahresbezogene Aufwandsstruktur. Von den Umsatzerlösen werden die für die Herstellung der Produkte und Dienstleistungen im Geschäftsjahr entstanden Aufwendungen abgezogen. Die Aufwendungen werden nach Aufwandsarten (Materialaufwand, Personalaufwand, Abschreibungen) gegliedert. Dabei kommt es nicht auf den Absatz der Produkte und Dienstleistungen an, so dass es der Position „Bestandsveränderungen“ bedarf. Insofern wird das Verfahren auch als „Produktionskostenrechnung“ oder „Produktionserfolgsrechnung“ bezeichnet.6

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Beim Umsatzkostenverfahren werden von den Umsatzerlösen nur die für die im Geschäftsjahr verkauften Produkte und Dienstleistungen entstandenen Aufwendungen abgezogen. Die Aufwendungen werden nach Funktionsbereichen (Herstellungskosten, Vertriebskosten, allgemeine Verwaltungskosten) gegliedert. Es kommt bei den produktionsbezogenen Aufwendungen nicht darauf an, in welchem Geschäftsjahr der Aufwand entstanden ist, sondern auf seine Zuordnung zum erzielten Umsatz. Die GuV ist also nicht produktions-, sondern umsatzbezogen. Zugespitzt kann man formulieren, dass beim Gesamtkostenverfahren die Erträge an die Aufwendungen angepasst werden (durch den Ausweis von Bestandsveränderungen und aktivierten Eigenleistungen), während beim Umsatzkostenverfahren die Aufwendungen an die Umsätze angepasst werden (durch den Ausweis der Herstellungskosten der verkauften statt der hergestellten Erzeugnisse).7

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Das Umsatzkostenverfahren erfordert bei der Zuordnung der Kosten zu Funktionsbereichen umfangreichere Kostenschlüsselungen als das Gesamtkostenverfahren (bei dem umgekehrt ein Problemschwerpunkt in der Bewertung der Bestände liegt). Man kann hieraus – negativ – auf „Manipulationsspielräume“ schließen8 oder – positiv – von „größeren Ermessens- und Gestaltungsspielräumen“ sprechen.9 Letzteres wird von Geschäftsleitungen typischerweise geschätzt; es kommt hinzu, dass das Umsatzkostenverfahren besonders geeignet ist, mit geringem Zusatzaufwand als kurzfristige interne Erfolgsrechnung nutzbar gemacht zu werden.10 Vor diesem Hintergrund erfreut sich das Umsatzkostenverfahren wachsender Beliebtheit. Angesichts der Tatsache, dass aufgrund der bei Nutzung des Umsatzkostenverfahrens erforderlichen Zusatzangaben der Informationsverlust für die gründlichere Analyse gering ist, wird man hiermit leben kön-

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Regierungsbegründung, BT-Drucks. 10/317, 85 zu § 253 HGB-E. Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucks. 10/4268, 107. Biener/Berneke, BiRiLiG, Erl. zu § 275 HGB, S. 219. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 7. ADS6, § 275 HGB Rz. 215. ADS6, § 275 HGB Rz. 29; WP-Handbuch 2017, Kap. F Rz. 763; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 30. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 29. Claussen/Korth, Kölner Komm. AktG2, §§ 275–277 HGB, § 158 AktG Rz. 13; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 9. So Glade, BFuP 1987, 16. Otto, BB 1987, 931 (935); zu den Vorteilen des Umsatzkostenverfahrens Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 35.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 24 § 275

nen.1 Das Gesamtkostenverfahren kann demgegenüber als „solider“, aber von geringerem ökonomischen Gehalt gelten.2 3. Wechsel des Verfahrens Die gewählte Gliederung ist grundsätzlich beizubehalten, ein Wechsel des Verfahrens ist nur „in Ausnahmefällen wegen besonderer Umstände“ zulässig (§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB, Gliederungsstetigkeit).3 Solche besonderen Umstände können die erstmalige Einführung eines neuen Verfahrens wegen betriebswirtschaftlicher Neuausrichtung des Rechnungswesens, die Aufnahme in einen Konzern, ein Börsengang oder eine Veränderung der Unternehmensstruktur oder des Schwerpunkts der Unternehmenstätigkeit sein.4 Jeder Wechsel ist im Anhang anzugeben und zu erläutern (§ 265 Abs. 1 Satz 2 HGB). Darüber hinaus ist gem. § 265 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 HGB im Anhang auch anzugeben und zu erläutern, wenn die Vorjahresbeträge nicht vergleichbar sind oder wenn der Vorjahresbetrag angepasst wurde. Im Übergangsjahr ist es daher erforderlich, die GuV intern nach beiden Verfahren aufzustellen, um die Abweichungen darstellen und erläutern zu können.5

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III. Staffelform und verbindliche Vorgabe (Abs. 1 Satz 1 und 2) 1. Entscheidung für Staffelform (Satz 1) Anders als die Bilanz, die in Kontoform aufgestellt werden muss (§ 266 Abs. 1 Satz 1 HGB), ist für die 22 GuV die Staffelform verbindlich vorgegeben;6 dies entspricht der vor Inkrafttreten des BiRiLiG (nur) für Aktiengesellschaften bestehenden Rechtslage (§ 157 AktG 1965 aF). Für die europarechtlich mögliche alternative Zulassung der Kontoform sah der Gesetzgeber kein Bedürfnis.7 Nur die Formblätter für Kreditinstitute sehen alternativ beide Darstellungsformen vor (§ 2 Abs. 1 RechKredV). Aus der Vorgabe der Staffelform und der Auflistung der Abs. 2 und 3 folgt, dass jeder Posten mit dem 23 dazugehörigen in Ziffern ausgedrückten Betrag eine besondere Zeile erhält, auch wenn dies anders als in § 178 Abs. 1 Nr. 2 AktG aF nicht mehr ausdrücklich angeordnet ist.8 In der Literatur wird darüber hinaus vorgeschlagen, auch dem Vorbild des § 157 Abs. 1 AktG aF zu folgen und die Beträge teils in Vorspalten, teils in der Hauptspalte anzugeben und weitere, Klarheit und Übersichtlichkeit fördernde Zwischensummen einzufügen.9 Soweit hierbei auf § 243 Abs. 2 HGB verwiesen wird, ist dem nicht zu folgen. Dass eine strikt den Vorgaben des § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 HGB folgende Gliederung unter Verzicht auf die Unterscheidung von Vor- und Hauptspalte und im Gesetz nicht vorgesehene Zwischensummen als im Sinne des Gesetzes „klar und übersichtlich“ zu gelten hat, ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Anordnung. Richtig ist allerdings, dass die Einfügung weiterer, sachlich begründbarer Zwischensummen gem. § 265 Abs. 5 Satz 2 HGB zulässig ist und die Verwendung von Vorspalte(n) und Hauptspalte im Gesetz nicht geregelt und daher unter Beachtung von § 243 Abs. 2 HGB (Klarheit und Übersichtlichkeit) zulässig ist. Die einmal gewählte Form der Darstellung ist dann beizubehalten (§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB). 2. Verbindliche Vorgabe von Posten und Reihenfolge (Satz 2) Dass nicht nur die anzugebenden Posten, sondern auch ihre Reihenfolge zwingend vorgegeben werden, ist 24 keineswegs selbstverständlich, so dass die Verbindlichkeit der im Gesetz „angegebenen Reihenfolge“ in § 275 Abs. 1 Satz 2 HGB ausdrücklich angeordnet wird. Nicht im Widerspruch hierzu steht § 265 Abs. 5 Satz 1 HGB, der lediglich eine weitere Untergliederung der – in ihrer Reihenfolge unveränderten – Posten 1 Ebenso Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 12. 2 Ausführlicher zu unterschiedlichen Einschätzungen im Rahmen der Diskussionen des BiRiLiG Niehus, DB 1982, 657; zu den Vorteilen des Gesamtkostenverfahrens Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 34. 3 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 13. 4 Ähnlich ADS6, § 275 HGB Rz. 36; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 737; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 26. 5 Entgegen ADS6, § 275 HGB Rz. 37 ist dies wegen der auch dann bestehenden Erläuterungspflicht auch bei einer Darstellung mit angepassten Vorjahreszahlen erforderlich; s. auch IDW RS HFA 39 = WPg. 2012, Suppl. 1. 6 Einen „grundsätzlichen Vorbehalt, dass Besonderheiten der KapGes/KapCoGes. keine abweichende Gliederung bedingen“, gibt es – entgegen der durch nichts belegten und begründeten Behauptung bei Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 11 – nicht. 7 RegBegr., BT-Drucks. 10/317, 85 zu § 253 HGB-E. 8 ADS6, § 275 HGB Rz. 38. 9 ADS6, § 275 HGB Rz. 39 mit Abdruck eines „Musters“.

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§ 275 Rz. 25 | Gliederung zulässt. Zulässig ist die Einfügung von Zwischensummen, die das Ergebnis mehrerer Einzelposten zusammenzufassen.1 25

Eine Veränderung der in § 275 Abs. 2 oder 3 HGB vorgesehenen Reihenfolge kann sich auf der Grundlage des § 265 Abs. 6 HGB ergeben, der eine Änderung der Gliederung insoweit zulässt, als dies zur Aufstellung eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses erforderlich ist. Für die meisten der in diesem Zusammenhang denkbaren Anwendungsfälle sind allerdings auf der Grundlage der Ermächtigung in § 330 HGB erlassene Rechtsverordnungen einschlägig. Insoweit ist § 330 HGB iVm. der Verordnung die speziellere Regelung, ansonsten könnten diese abweichenden Gliederungen – beispielsweise für Banken und Versicherungen – durchaus auf § 265 Abs. 6 HGB gestützt werden.

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Keine Abweichung vom Grundsatz der Verbindlichkeit der Reihenfolge ergibt sich, wenn neue, in § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 HGB nicht vorgesehene Posten eingefügt werden müssen, beispielsweise auf Grundlage von § 265 Abs. 5 Satz 2, § 277 Abs. 3 HGB oder §§ 158 Abs. 1, 240, 261 Abs. 1 und 2 AktG. Insoweit bleibt die gesetzliche Reihenfolge im Prinzip verbindlich, es stellt sich lediglich die hiervon zu differenzierende Frage, an welcher Stelle dieser Reihenfolge die zusätzlichen Posten eingefügt werden sollen oder müssen.2 Gleiches gilt – umgekehrt – für die in § 265 Abs. 7 HGB zugelassene Zusammenfassung von Posten, die an der grundsätzlichen Verbindlichkeit der vorgegebenen Reihenfolge nichts ändert.3

IV. In beiden Verfahren erforderliche Gliederungsposten (Abs. 2 Nr. 1 und 9–17; Abs. 3 Nr. 1 und 8–16) 1. Umsatzerlöse (Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1) 27

Die Umsatzerlöse sind sowohl für das Gesamtkosten- als auch für das Umsatzkostenverfahren Ausgangspunkt der GuV-Gliederung und von zentraler Bedeutung für die Analyse der Ertragslage. Als Kriterium für die Einschätzung der Größe eines Unternehmens und zur Berechnung einer Reihe gebräuchlicher Erfolgskennzahlen ist ihre Kenntnis unentbehrlich. Dieser Bedeutung entsprechend enthält das HGB in § 277 Abs. 1 auch – anders als für die meisten anderen in der GuV verwendeten Begriffe – eine eigene Inhaltsbestimmung; auf die dortige Kommentierung (§ 277 HGB Rz. 5 ff.) wird verwiesen. 2. Erträge aus Beteiligungen (Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Nr. 8)

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Die Ertragsposition korrespondiert zu den Bilanzpositionen der Anteile an verbundenen Unternehmen und der Beteiligungen (§ 266 Abs. 2 A. III. Nr. 1 und 3 HGB). Auszuweisen sind in erster Linie Gewinnausschüttungen. Auch Vorabausschüttungen (vgl. für die AG § 59 AktG, bei GmbH und GmbH & Co. KG unter erleichterten Voraussetzungen zulässig) sind hier zu erfassen4, ebenso grundsätzlich, dh. wenn sie als solche erkennbar sind, verdeckte Gewinnausschüttungen.5 Auszuweisen ist der Bruttobetrag, etwaige durch die ausschüttende Gesellschaft einbehaltene Abzugsteuern (Kapitalertragsteuer) sind außerdem soweit anrechenbar als Forderung und im Übrigen unter der Nr. 14 (Steuern vom Einkommen und vom Ertrag) zu erfassen.6

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Veräußerung von Bezugsrechten, Buchgewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen und Wertaufholungen auf Beteiligungsbuchwerte sind nach allgemeiner Auffassung nicht hier, sondern unter den sonstigen betrieblichen Erträgen auszuweisen.7 Das überzeugt nicht, weil es sich auch insoweit um Elemente des nach der gesetzlichen Gliederung separierten Finanzergebnisses handelt.8 Nach einer vermittelnden Ansicht soll der Ausweis bei den Beteiligungserträgen dann erfolgen, wenn bei der Beteiligung der Aspekt der Finanzanlage im Vordergrund steht.9

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WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 728; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 42. Hierzu ADS6, § 275 HGB Rz. 42 ff. Hierzu ADS6, § 275 HGB Rz. 47 ff.; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 730 ff. Ausführlicher Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 177 aE. ADS6, § 275 HGB Rz. 147; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 42 Rz. 359; zurückhaltend Schmidt/ Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 179: nur wenn im Einzelfall „sicher abzugrenzen und zu konkretisieren“. ADS6, § 275 HGB Rz. 146; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 81; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 178. WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 812; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 31. Ähnlich Berndt in Kölner Komm. RLR, § 275 HGB Rz. 57. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 180, allerdings mit Vorschlag eines eigenen Postens im Finanzergebnis.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 35 § 275

Nicht als Beteiligungsertrag, sondern „gesondert unter entsprechender Bezeichnung“ sind gem. § 277 30 Abs. 3 Satz 2 HGB (s. § 277 HGB Rz. 21 ff.) Erträge (und Aufwendungen) aus Verlustübernahme, Gewinngemeinschaft und (Teil-)Gewinnabführungsverträgen auszuweisen. Unter Abs. 2 Nr. 10 – und nicht unter Nr. 9 – sind Zinsen auf „beteiligungsähnliche“ Darlehen einzuordnen.1 Wie bei allen Erträgen kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung an (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB), son- 31 dern darauf, ob der Anspruch wirksam entstanden oder die Entstehung so gut wie sicher ist. Bei Personengesellschaften entstehen Gewinnansprüche grundsätzlich mit Ablauf des Geschäftsjahres.2 Demgegenüber entsteht der Gewinnanspruch bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluss.3 So gut wie sicher ist der Anspruch bei Beteiligungsunternehmen, in denen die mit Mehrheit beteiligte Gesellschaft aufgrund ihrer Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung eine bestimmte Gewinnausschüttung durchsetzen kann, wenn im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft der Jahresabschluss und ein entsprechender Gewinnverwendungsvorschlag beim Beteiligungsunternehmen bereits vorliegen (sog. phasengleiche Gewinnvereinnahmung).4 Nicht überzeugend ist es, ein Wahlrecht zur phasengleichen Gewinnvereinnahmung anzunehmen, wenn zwar ein Gewinnverwendungsvorschlag, aber noch kein entsprechender Beschluss vorliegt.5 Die vorgenannten Erträge sind nur unter Abs. 2 Nr. 9 (Abs. 3 Nr. 8) auszuweisen, wenn sie aus einer Be- 32 teiligung stammen; maßgeblich ist die Begriffsbestimmung des § 271 Abs. 1 HGB, so dass es auf die Absicht der Förderung des eigenen Geschäftsbetriebs durch eine dauerhafte Verbindung ankommt, die bei einer Beteiligungsquote von mindestens 20 % vermutet wird. Durch einen Davon-Vermerk zu beziffern ist der Teil der Beteiligungserträge, der aus Verbundenen Unternehmen (§ 271 Abs. 2 iVm. § 290 HGB) stammt. 3. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens (Abs. 2 Nr. 10, Abs. 3 Nr. 9) Die Ertragsposition korrespondiert mit den Bilanzpositionen der Wertpapiere des Anlagevermögens und 33 der Ausleihungen (§ 266 Abs. 2 A. III. Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 HGB). Dementsprechend sind hier zunächst Zinsen und ähnliche Erträge aus den Ausleihungen des Finanzanlagevermögens auszuweisen.6 Zinsähnlich sind insbes. Aufzinsungen langfristiger Ausleihungen, die abgezinst auszuweisen waren.7 Erträge aus Positionen des Umlaufvermögens sind unter der Abs. 2 Nr. 12/Abs. 3 Nr. 11 (sonstige Zinsen und ähnliche Erträge) auszuweisen. Darüber hinaus und in Abgrenzung von den Erträgen aus Beteiligungen (Abs. 2 Nr. 9/Abs. 3 Nr. 10) und 34 Erträgen aus Gewinngemeinschaften und Gewinnabführungsverträgen (§ 277 Abs. 3 Satz 2 HGB) sind hier auch Dividenden und Gewinnausschüttungen aus zu den Finanzanlagen gehörenden, jedoch nicht als Beteiligung iSd. § 270 Abs. 1 HGB qualifizierenden Gesellschaftsbeteiligungen auszuweisen. Trotz des Begriffs der „Wertpapiere“, dem keine Bedeutung beigemessen wird, gilt dies nach allgemeiner Auffassung unabhängig von einer Verbriefung, so dass auch Gewinnausschüttungen einer GmbH erfasst werden.8 Umstritten ist der Ausweis von Buchgewinnen aus Wertaufholungen oder aus der Veräußerung.9 Die 35 Abschreibungen auf die Finanzanlagen sind in einem gesonderten Posten auszuweisen (Abs. 2 Nr. 13/ Abs. 3 Nr. 12), mit denen die Wertaufholungen aufgrund des Saldierungsverbots nicht verrechnet werden dürfen; auch die Abschreibungen gehen jedoch nicht in den „sonstigen Aufwendungen“ unter. Auch für die Wertaufholungen und die Veräußerungsgewinne wird man den Posten der Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens daher als die im Verhältnis zu den sonstigen Er1 ADS6, § 275 HGB Rz. 145. 2 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 816; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 177 verlangen allerdings, dass innerhalb des Wertaufhellungszeitraumes bei der Personengesellschaft die „wesentlichen Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen verbindlich“ getroffen sein müssen; ebenso IDW RS HFA 18, Tz. 14 ff. 3 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 813. 4 BGH v. 12.1.1998 – II ZR 82/93, DB 1998, 567; WP Handbuch 2017, Kap. F, Rz. 814; Schüppen, DB 1996, 1481; Schubert/Waubke in Beck BilKomm.10, § 266 HGB Rz. 120. 5 So aber WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 815; HFA, WPg. 1998, 427 f. 6 ADS6, § 275 HGB Rz. 155; zu Genussrechten siehe WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 818 Hinweis 62. 7 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 819. 8 ADS6, § 275 HGB Rz. 154; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 819; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 187. 9 Für Ausweis hier Biener/Berneke, BiRiLiG, Anm. 10 zu § 275 HGB, S.214; Claussen/Korth in Kölner Komm. AktG2, § 275–277 HGB, § 158 AktG Rz. 90; für Ausweis unter den sonstigen betrieblichen Erträgen ADS6, § 275 HGB Rz. 155; WP Handbuch 2017, Kap. 7 Rz. 822; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 187.

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§ 275 Rz. 36 | Gliederung trägen speziellere Gliederungsposition ansehen müssen. Der Ausweis hier entspricht daher am Besten der durch die gesetzliche Gliederungsvorschrift vorgesehenen Erfolgsspaltung. Im Interesse der Klarheit kann durch einen Davon-Vermerk beziffert werden, welcher Teil des ausgewiesenen Ertrags auf solche Buchgewinne entfällt. 36

Für auf verbundene Unternehmen entfallende Erträge verlangt das Gesetz einen Davon-Vermerk. Betroffen hiervon können nur Erträge aus Ausleihungen sein, da Gewinnausschüttungen von verbundenen Unternehmen nicht hier, sondern im Posten Abs. 2 Nr. 9/Abs. 3 Nr. 8 auszuweisen sind. 4. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge (Abs. 2 Nr. 11, Abs. 3 Nr. 10)

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Zinsen sind das Entgelt für die Möglichkeit, fremdes Kapital zu nutzen.1 Das Adjektiv „sonstige“ dient insbes. der Klarstellung, dass hier nur Zinsen und ähnliche Erträge auszuweisen sind, die nicht in den vorrangigen Posten Abs. 2 Nr. 10/Abs. 3 Nr. 9 (Erträge aus Ausleihungen des Finanzanlagevermögens) gehören. Für die von verbundenen Unternehmen (§ 270 Abs. 1 HGB) stammenden Erträge sieht das Gesetz einen Davon-Vermerk vor. Eine Saldierung von Zinserträgen und Zinsaufwendungen ist – wie auch sonst, § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB – unzulässig.2 Erträge und Aufwendungen aus Zinssicherungsgeschäften, die in eine Bewertungseinheit einbezogen sind, sind allerdings mit den Zinserträgen aus dem Grundgeschäft zu saldieren.3

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Erfasst sind in erster Linie Zinsen aus dem Umlaufvermögen zugeordneten Forderungen (insbes. Guthaben bei Kreditinstituten), Genußrechten und Darlehen. Als „ähnliche Erträge“kommen Aufzinsungsbeträge für unverzinsliche und niedrigverzinsliche Forderungen und Zero-Bonds, Erträge aus einem Agio, Disagio oder Damnum in Betracht.4

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Nicht zu den „ähnlichen Erträgen“ zu rechnen sind Zinszuschüsse (sonstiger betrieblicher Ertrag, Abs. 2 Nr. 4/Abs. 3 Nr. 6) und Skonti (Minderung der Anschaffungskosten, § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB).5 Auch Gewinnanteile und Dividenden aus Wertpapieren des Umlaufvermögens sind wegen des ganz anders gearteten Charakters nicht „zinsähnlich“ und können daher nicht hier, sondern nur unter den sonstigen betreblichen Erträgen ausgewiesen werden.6 5. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens (Abs. 2 Nr. 12, Abs. 3 Nr. 11)

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Der Posten korrespondiert zu den in der Bilanzgliederung der Aktivseite als Finanzanlagen (§ 266 Abs. 2 A.III. HGB) oder als Wertpapiere (§ 266 Abs. 2 B.III. HGB) auszuweisenden Posten und erfasst damit sowohl im Anlagevermögen als auch im Umlaufvermögen entstehenden Abschreibungsaufwand. Außerplanmäßige Abschreibungen auf Finanzanlagen gem. § 253 Abs. 3 Satz 5 (voraussichtlich dauernde Wertminderung) und Satz 6 HGB (voraussichtlich nicht dauernde Wertminderung) sind in der GuV gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben (§ 277 Abs. 3 Satz 1 HGB, s. § 277 HGB Rz. 19 f.).

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Hier auszuweisen sind Abschreibungen unabhängig davon, ob sie das „übliche“ Maß überschreiten, auch soweit Wertpapiere des Umlaufvermögens betroffen sind.7 Zwar käme nach dem Wortlaut bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens auch ein Ausweis unter dem Posten Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b in Betracht.8 Aus der Gesetzessystematik ergibt sich jedoch, dass aus dem Umlaufvermögen (nur) die Wertpapiere (B.III.) dem Posten Abs. 2 Nr. 12/Abs. 3 Nr. 11 zugeordnet sind, weil der Gesetzgeber für die Erfolgsspaltung den Finanzbereich vom „betrieblichen“ Bereich abgrenzen will. Diese Gesetzessystematik gilt auch und gerade hinsichtlich unüblicher Abschreibungen.

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Ebenso wie bei anderen sich auf Abschreibungen beziehenden Aufwandsposten stellt sich auch die Frage, ob auch Buchverluste aus dem Abgang von Finanzanlagen und Wertpapieren des Umlaufvermögens hier 1 ADS6, § 275 HGB Rz. 173. 2 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 3; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 193; zur Diskussion sich insoweit stellender Einzelfragen ADS6, § 275 HGB Rz. 159 ff.; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 825. 3 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 827; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 192. 4 Siehe auch Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 194; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 823 Beispiel 15 mwN. 5 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 828. 6 AA ADS6, § 275 HGB Rz. 157. 7 WP Handbuch 2017; Kap. F Rz. 829; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 291; „vorzugswürdig“: ADS6, § 275 HGB Rz. 169. 8 Ausführlicher zur dieser Diskussion ADS6, § 275 HGB Rz. 169; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 34.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 48 § 275

zu erfassen sind. Richtigerweise ist diese Frage – unter Berücksichtigung des vorgenannten Gesetzeszwecks – zu bejahren.1 6. Zinsen und ähnliche Aufwendungen (Abs. 2 Nr. 13, Abs. 3 Nr. 12) Der Posten nimmt alle Zinsaufwendungen auf, unabhängig von Charakter und Fristigkeiten der ihnen 43 zugrunde liegenden Verbindlichkeiten.2 Die zugunsten verbundener Unternehmen (§ 271 Abs. 2 HGB) entstandenen Zinsaufwendungen sind durch einen Davon-Vermerk gesondert zu beziffern. Zinsen sind das Entgelt für die Möglichkeit, fremdes Kapital zu nutzen.3 Hierher gehören dementspre- 44 chend auch Verzugszinsen, Stundungszinsen und Zinsen auf Steuerschulden.4 Vom Kunden in Anspruch genommene Skonti sind kein solches Entgelt für Kapitalnutzung, sondern Preisnachlässe, so dass auch umgekehrt der Verzicht auf die Skonto-Inanspruchnahme nicht zu Zinsaufwand führt.5 Als Zinsaufwand auszuweisen ist allerdings der in Leasingraten enthaltene Zinsanteil, wenn die Leasinggegenstände aktiviert sind.6 Bei hybriden Finanzinstrumenten (wie insbes. Genussrechten) ist entscheidend, ob diese als Eigenkapital oder als Fremdkapital zu qualifizieren sind; soweit es sich um Fremdkapital handelt, sind Vergütungen als Zinsaufwand zu erfassen.7 Problematisch ist die Behandlung des Aufwands aus der Abzinsung unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Aktiva, insbes. Forderungen.8 Besondere, mit der Bilanzierung dieser Instrumente zusammenhängende Fragen ergeben sich bei Zinsswaps, Zinsoptionsgeschäften und Zinstermingeschäften.9

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7. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (Abs. 2 Nr. 14, Abs. 3 Nr. 13) Nach dem betrieblichen Bereich (Abs. 2 Nr. 1–8, Abs. 3 Nr. 1–7) und dem Finanzbereich (Abs. 2 Nr. 9– 13, Abs. 3 Nr. 8–12) sind Steuern der dritte Bereich in der gesetzlichen GuV-Gliederung (der vierte Bereich sind Gewinn- und Gewinnverwendung, Abs. 2 Nr. 17 bzw. Abs. 3 Nr. 16 jeweils iVm. Abs. 4). Während Abs. 2 Nr. 15/Abs. 3 Nr. 16 eine bloße Zwischensumme ist, sind in den Posten Abs. 2 Nr. 14/Abs. 3 Nr. 13 und Abs. 2 Nr. 16/Abs. 3 Nr. 17 im Grundsatz die gesamten Steuern zu erfassen.

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Steuern sind nach der Legaldefinition es § 3 Abs. 1 AO Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für 47 eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie sind abzugrenzen von im Unterschied hierzu an eine Gegenleistung geknüpften Beiträgen und Gebühren oder Bußgeldern. Diese stellen keine Steuern dar und sind daher nicht unter den Posten Abs. 2 Nr. 14/Abs. 3 Nr. 13 oder Abs. 2 Nr. 16/Abs. 3 Nr. 17, sondern idR unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen (Abs. 2 Nr. 8/Abs. 3 Nr. 7) auszuweisen. Auch steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) sind keine Steuern, Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge sind als zinsähnliche Aufwendungen (Abs. 2 Nr. 13/Abs. 3 Nr. 14) zu behandeln. Nach Wortlaut und Zweck ist der Steuerbegriff nicht auf inländische Steuern begrenzt, sondern erfasst auch im Ausland auferlegte Geldleistungen, die unter den Steuerbegriff subsumiert werden können. Dort sind zT, anders als grundsätzlich in Deutschland (vgl. aber die Steuerzuschläge in § 398a Abs. 1 AO zur Abwendung der Strafverfolgung), in bestimmten Fällen Strafsteuern (Steuerzuschläge oder -vervielfachungen) zu bezahlen; solche erhöhten Steuerzahlungen bleiben trotz des Strafcharakters Steuern und sind daher als solche auszuweisen. Steuern vom Einkommen und Ertrag sind alle Steuern, die an Einkommens- und Ertragsgrößen, insbes. also an den Gewinn, anknüpfen. In Deutschland sind dies die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer. Auch auf diese Gewinnsteuern erhobene Zuschlagsteuern, namentlich der Solidaritätszuschlag, sind mittelbar vom Gewinn abhängig und daher hier auszuweisen. Entsprechendes gilt für vergleichbare ausländische Steuern.10 Auch Aufwendungen aus passiver Steuerabgrenzung, aus der Auflösung aktiver Steuer1 Biener/Berneke, BiRiLiG, Anm. 12 zu § 275 HGB, S. 215; aA ADS6, § 275 HGB Rz. 170; teilweise wird Beides unter Betonung der Stetigkeit für vertretbar gehalten (Lachnit in BHR, § 275 HGB Rz. 197). 2 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 204 und 206. 3 ADS6, § 275 HGB Rz. 173. 4 Detailkataloge zB bei ADS6, § 275 HGB Rz. 174; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 831 Beispiel 16. 5 Ebenso Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 35. 6 ADS6, § 275 HGB Rz. 176. 7 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 205. 8 ADS6, § 275 HGB Rz. 176b: Kein Zinsaufwand, sondern sonstiger betrieblicher Aufwand oder Abschreibung auf Finanzanlagen oder bei längerfristiger zinsloser Stundung von Forderungen aus Warenverkäufen Reduzierung der Umsatzerlöse. 9 Hierzu ADS6, § 275 HGB Rz. 176a; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 827. 10 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 834; s. auch. Anlage 6 zu R 34c EStR.

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§ 275 Rz. 49 | Gliederung abgrenzungsposten und der Zuführung zu Ertragsteuerrückstellungen sind hier auszuweisen;1 ebenso umgekehrt Erträge aus einer aktiven Steuerabgrenzung, der Auflösung von Steuerrückstellungen oder der Aktivierung von Erstattungsforderungen. Der Aufwand oder Ertrag aus der Veränderung bilanzierter latenter Steuern ist dabei gesondert auszuweisen (§ 274 Abs. 2 Satz 3 HGB mit Befreiung für kleine Gesellschaften, § 274a Nr. 4 HGB). 49

Anders als bei den übrigen GuV-Posten lässt der Wortlaut des Gesetzes offen, ob es sich um einen Aufwands- oder Ertragsposten handelt. In der Tat handelt es sich um einen ambivalenten Posten, der zwar typischerweise als Aufwandsposition erscheint, aber in einzelnen Jahren statt dessen eine Ertragsposition darstellen kann.2 Dies beruht darauf, dass das Gesetz keine Periodisierung der Steuerzahlungen vorsieht, sondern der im Geschäftsjahr angefallene Steueraufwand auszuweisen ist. Insbes. in Verlustjahren aufgrund eines Verlustrücktrags, aber auch in Gewinnjahren wegen geänderter Steuerbescheide der Vorperioden, kann es daher zu Steuererstattungen, der Auflösung von Steuerrückstellungen und einem Überhang der Steuererstattungen über die Steueraufwendungen kommen.

50

Inwieweit dabei eine Saldierung zulässig ist, ist unklar. Das Gesetz sieht eine Ausnahme vom Saldierungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB) nicht vor, diese lässt sich allein aus der „neutralen“ Postenüberschrift nicht begründen. Jedenfalls dann, wenn die Beträge sowohl des Steueraufwands als auch der Steuererstattungen signifikant sind, ist entgegen verbreiteter Ansicht schon innerhalb des GuV-Postens, sei es durch eine Aufteilung des Postens oder durch einen Davon-Vermerk, ein differenzierter Ausweis geboten.3 Unberührt bleibt die Pflicht zur Anhangangabe gem. § 285 Nr. 32 HGB, denn allein aus dem Vorliegen eines steuerlichen Ertrags ist keineswegs zwingend eine Zurechnung zu einem anderen Geschäftsjahr zu folgern. Da der Steuerposten keine Geschäftsjahreszuordnung beinhaltet, sind auch Steuerabgrenzungen gem. § 274 HGB entweder als Steueraufwand oder als steuerlicher Ertrag zu erfassen.4

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Auszuweisen sind – selbstverständlich – nur Steuern, die die den Jahresabschluss aufstellende Gesellschaft für eigene Rechnung schuldet oder zurückverlangen kann. Steuern, die aufgrund vertraglicher Abmachung oder gesetzlicher Pflicht für Rechnung Dritter gezahlt werden, gehören nicht hierher. Demgegenüber ist es entgegen einer in Anknüpfung an die Rechtslage vor Inkrafttreten des BiRiLiG vertretenen Auffassung5 unerheblich, ob die Gesellschaft nur Steuerschuldner oder Haftungsschuldner ist; auch die Haftungsschuld besteht im eigenen Namen. Eine andere Frage ist, ob in Haftungsfällen ein (werthaltiger) Rückgriffanspruch gegen den Steuerschuldner besteht und aktiviert werden kann.

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Bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags und der Erfüllung der Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft ist nur die Muttergesellschaft (= Organträger) Steuerschuldner, nur sie weist daher einen Steueraufwand aus.6 Erhebt der Organträger Steuerumlagen und belastet dadurch die Steuer an die Organgesellschaft(en) weiter, so ist diese Steuerumlage bei der Organgesellschaft als Steueraufwand auszuweisen mit der Folge, dass sich der Jahresüberschuss reduziert.7 Korrespondierend weist der Organträger einen entsprechend verringerten Ertrag aufgrund Gewinnabführungsvertrags und gesondert die weiterbelasteten Steuern aus.8 8. Ergebnis nach Steuern (Abs. 2 Nr. 15, Abs. 3 Nr. 14)

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Das Ergebnis nach Steuern ist ein Zwischensaldo (Summe der Erträge ./. Summe der Aufwendungen mit Ausnahme der sonstigen Steuern), dessen Bezeichnung insofern irreführend ist,9 als es sich nur um das Ergebnis nach Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, aber vor sonstigen Steuern handelt. Warum gerade an dieser Stelle eine Zwischensumme gezogen wird, ist rätselhaft, auch sonst erschließt sich der tiefere

1 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 41. 2 Was dann kenntlich zu machen ist, zutreffend WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 839. 3 AA ADS6, § 275 HGB Rz. 189; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 839; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 41; eher distanziert Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 246: Gegenansicht „hat sich als herrschend durchgesetzt“. 4 Differenzierend und teilweise aA ADS6, § 275 HGB Rz. 190. 5 ADS6, § 275 HGB Rz. 184. 6 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 247. 7 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 841; teilw. abw. (Wahlrecht) Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 248 f. 8 Ausführlicher ADS6, § 275 HGB Rz. 191 ff.; WP Handbuch 2017, Kap. 7 Rz. 841; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 250 f. 9 Ebenso Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 253.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 59 § 275

Sinn des Gliederungspostens nicht. Es ist zulässig, die Postenbezeichnung enger als „Ergebnis nach Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ zu formulieren.1 9. Sonstige Steuern (Abs. 2 Nr. 16, Abs. 3 Nr. 15) Soweit unter den Steuerbegriff fallende Aufwendungen nicht vom Einkommen oder Ertrag abhängig 54 und daher unter dem Posten Abs. 2 Nr. 14/Abs. 3 Nr. 13 auszuweisen sind, gehören sie grundsätzlich hierher. Das theoretische Spektrum ist weit und reicht von Biersteuer und Branntweinsteuer bis zur Hundeund Jagdsteuer.2 Von Besonderheiten einzelner Branchen abgesehen von allgemeiner praktischer Bedeutung sind typischerweise Grundsteuer und Kraftfahrzeugsteuer. Selbstverständlich gilt auch bei den sonstigen Steuern, dass vergleichbare ausländische Abgaben ebenfalls auszuweisen sind. Zur Frage der Saldierung von Steuererstattungen gelten die gleichen Überlegungen wie bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag (s. Rz. 50). Nicht hierher gehört die Umsatzsteuer. Sie ist beim leistenden Unternehmer von den Umsatzerlösen abzusetzen (§ 277 Abs. 1 HGB) und beim Leistungsempfänger idR als Vorsteuer abziehbar, sonst als Teil der Anschaffungs- bzw. Bezugskosten zu erfassen. Im Übrigen berührt sie als durchlaufender Posten die GuV nicht.3 Gleiches – Abzug von den Umsatzerlösen und kein Ausweis unter den sonstigen Steuern – gilt gem. § 277 Abs. 1 HGB für „sonstige direkt mit dem Umsatz verbundene Steuern“ wie beispielsweise die Mineralölsteuer (hierzu § 277 HGB Rz. 15).

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Umstritten ist, ob und inwieweit der Posten subsidiär zum Ausweis unter anderen Aufwandsposten ist. 56 Für eine solche Subsidiarität spricht die dieser ausdrücklich vorgehende Überschrift der Postenbezeichnung in der EU-Richtlinie (ehemals Art. 23 4. EG-RL, jetzt Art. 13 iVm. Anahng V EU-BilRL: „Sonstige Steuern, soweit nicht unter den Posten 1–15 enthalten“). Dass der deutsche Gesetzgeber die Postenbezeichnung nur in verkürzter Form transformiert hat, ist dabei unerheblich, da es keine Hinweise auf eine gezielte Nichtumsetzung gibt und im Anwendungsbereich der Richtlinie liegende nationale Normen richtlinienkonform auszulegen sind. Richtigerweise können sonstige Steuern daher ggf unter anderen Posten auszuweisen sein.4 10. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16) Der Posten ist eine Summenzeile, die das sich als Saldo aller Erträge und Aufwendungen ergebende Er- 57 gebnis der GuV ausweist. Er muss – selbstverständlich – dem auf der Passivseite der Bilanz unter identischer Postenbezeichnung (§ 266 Abs. 3 A.V. HGB) enthaltenen Betrag entsprechen, der sich dort rechnerisch als Differenz von Anfangs- und Endvermögen ergibt. Abhängig davon, ob Erträge oder Aufwendungen überwiegen, ist der Begriff des Jahresüberschusses oder des Jahresfehlbetrags zu verwenden. Die Ziffer spiegelt – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die GuV-Posten auch aperiodische Erträge und Aufwendungen enthalten – den nach handelsrechtlichen Maßstäben ermittelten rechnerischen Erfolg (oder Misserfolg) der Periode wider. Er ist damit auch der Ausgangspunkt der Ergebnisverwendung.5 Unter Berücksichtigung weiterer Posten nach dem Jahresüberschuss/-fehlbetrag (Ergebnisvortrag, Rücklagenveränderungen, § 268 Abs. 1, § 275 Abs. 4 HGB) kann dieser in den Bilanzgewinn/-verlust übergeleitet werden. Letzterer gibt nicht den Erfolg der Periode, sondern den zur Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung stehenden Betrag wieder. Eine solche „Verlängerung“ der GuV ist geboten, wenn die Bilanz unter Berücksichtigung der Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt wird und daher dort an die Stelle der Posten Gewinnvortrag/Verlustvortrag und Jahresüberschuss/-fehlbetrag gem. § 268 Abs. 1 HGB der Posten Bilanzgewinn/Bilanzverlust tritt. Für die AG ist die weitere Gliederung in § 158 Abs. 1 AktG insoweit gesetzlich vorgesehen.

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V. Gesamtkostenverfahren exklusive Gliederungsposten (Abs. 2) 1. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen oder unfertigen Erzeugnissen (Abs. 2 Nr. 2) Die GuV des Gesamtkostenverfahrens weist den gesamten Aufwand der Periode aus. Soweit er der Erstel- 59 lung von fertigen oder unfertigen Erzeugnissen/Leistungen gedient hat, die noch nicht zu Umsatz geführt haben, erfordert dies, eine entsprechende Bestandserhöhung auszuweisen. Umgekehrt erforderte die 1 2 3 4 5

WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 842. Kataloge „sonstiger Steuern“ z.B. bei ADS6, § 275 HGB Rz. 197; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 843 Beispiel 17. WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 846. AA ADS6, § 275 HGB Rz. 204. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 262.

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§ 275 Rz. 60 | Gliederung Periodenabgrenzung des Aufwands, Bestandsverminderungen auszuweisen, wenn Umsatzerlöse mit Produkten/Dienstleistungen erzielt werden, bei denen der mit der Erstellung verbundene Aufwand bereits in früheren Perioden angefallen und erfasst worden war. Entgegen der insoweit irreführenden und ggf. anzupassenden Postenbezeichnung fallen auch Bestandsveränderungen noch nicht abgerechneter Leistungen unter den Posten Nr. 2.1 Besondere Bedeutung hat der Posten bei langfristiger Fertigung.2 60

Eine Trennung des Ausweises bezogen auf fertige und unfertige Erzeugnisse ist nicht vorgesehen, auch bei gegenläufiger Entwicklung wird nur der sich ergebende Saldo (entweder Bestandserhöhung oder Bestandsverminderung) gezeigt.3 Grundsätzlich stimmen der in dem Posten auszuweisende Betrag und die sich aus der Bilanz ergebende Bestandsveränderung gegenüber dem letzten Abschluss überein.4

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Bestandsveränderungen können sich aus veränderten Mengen, aber auch aus veränderter Bewertung ergeben (§ 277 Abs. 2 HGB). Auch Abschreibungen gehen grundsätzlich in die Bewertung der Bestände und damit in den Posten ein; nur für Abschreibungen, die die im Unternehmen sonst üblichen Abschreibungen übersteigen, ist der Posten Nr. 7 Buchst. b als speziellere Regelung vorrangig (s. auch § 277 HGB Rz. 18).

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Problematisch ist der Ausweis von selbst erzeugten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen.5 Da es sich bei diesen offenkundig nicht um fertige oder unfertige Erzeugnisse handelt, ist eine Bestandserhöhung grundsätzlich als „andere aktivierte Eigenleistung“ (Nr. 3) auszuweisen. Auch dies begegnet allerdings erheblichen und durchaus berechtigten Bedenken; man wird daher ein „faktisches Wahlrecht“ für einen Ausweis unter dem Posten Nr. 2 akzeptieren müssen, der dann in seiner Bezeichnung entsprechend zu erweitern ist.6 2. Andere aktivierte Eigenleistungen (Abs. 2 Nr. 3)

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Die Aktivierung von Eigenleistungen kommt nur in einer begrenzten Zahl von Fällen in Betracht. Die Postenbezeichnung als „andere“ aktivierte Eigenleistungen dient primär der Abgrenzung zu den im Rahmen des Postens Nr. 2 (fertige und unfertige Erzeugnisse) zu aktivierenden Eigenleistungen. Im Wesentlichen fallen unter den Posten Nr. 3 selbst erstellte Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, aktivierte Großreparaturen und Entwicklungskosten für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.7 Fremdbezüge sind direkt auf den betreffenden Anlagekonten zu aktivieren und nicht unter der Nr. 3 auszuweisen.8

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Relativ häufig steht zunächst nicht fest, ob konkrete Aufwendungen aktivierbar sein werden, beispielsweise bei Reparaturarbeiten. Nach verbreiteter Auffassung soll es bei einer entgegen ursprünglicher Annahme später erkennbaren Beurteilung als aktivierbarer Zugang zulässig sein, auch im vorangegangenen Geschäftsjahr bereits als Aufwand verbuchte Beträge mit zu aktivieren.9 Dies begegnet allerdings durchgreifenden Bedenken, da bereits als Aufwand verbuchte Beträge grundsätzlich nicht in späteren Geschäftsjahren aktiviert werden können. Für Aktivierungen von Aufwendungen früherer Perioden im Anschluss an eine steuerliche Betriebsprüfung kommt allenfalls ein Ausweis unter dem Posten Nr. 4 (sonstige betriebliche Erträge) in Betracht.10 3. Sonstige betriebliche Erträge (Abs. 2 Nr. 4)

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Wie bereits das Signaladjektiv „sonstige“ signalisiert, handelt es sich um einen Sammelposten. Auszuweisen sind hier sämtliche betrieblichen Erträge, die nicht unter anderen Gliederungsposten auszuweisen sind.11 Typischerweise fallen unter Nr. 4 daher folgende Erträge12: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

WP Handbuch 2017, Kap. F. Rz. 777; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 17. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 75 aE. ADS6, § 275 HGB Rz. 56; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 774. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 78; ADS6, § 275 HGB Rz. 55, auch mit Hinweisen auf Sonderfälle, aufgrund derer sich Abweichungen ergeben können. Ausführlich ADS6, § 275 HGB Rz. 66 f.; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 776. ADS6, § 275 HGB Rz. 58 und 66; ähnlich Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 78; für Ausweis unter Nr. 2 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 17. ADS6, § 275 HGB Rz. 61; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 778; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 80. WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 779; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 81. ADS6, § 275 HGB Rz. 60. WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 780. ADS6, § 275 HGB Rz. 69; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 20. ADS6, § 275 HGB Rz. 71 ff.; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 781; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 91.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 70 § 275

Wertaufholungen nach § 280 HGB, Zahlungseingänge auf in früheren Jahren ausgebuchte Forderungen, Buchgewinne aus dem Abgang von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens,1 Buchgewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren des Umlaufvermögens, Erträge aus der Auflösung nicht mehr benötigter Rückstellungen,2 Erträge aus Zuschüssen und Zulagen, Erträge aus Schadensersatzleistungen und Versicherungsentschädigungen.

4. Materialaufwand (Abs. 2 Nr. 5) a) Grundlagen Unter dem Posten Nr. 5 sind Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren einerseits (Buchst. a), Aufwendungen für bezogene Leistungen andererseits (Buchst. b) zu differenzieren und gesondert auszuweisen. Mit dieser Gliederung und den Postenbezeichnungen entspricht Nr. 5 nicht den Vorgaben der EU-Bilanzrichtlinie, deren maßgeblicher Anhang V nur zwischen (a) Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen und (b) sonstigen externen Aufwendungen differenziert.

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b) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren (Buchst. a) Unter dem Posten Nr. 5 Buchst. a können – unstreitig – sämtliche Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und 67 Betriebsstoffe ausgewiesen werden.3 Eine insbes. an einen vor Inkrafttreten des BiRiLiG geführten Auslegungsstreit zu § 157 AktG aF anknüpfende Ansicht hält dies aber nicht für zwingend, sondern hält alternativ für zulässig, solche Aufwendungen, soweit sie den Bereichen Verwaltung und Vertrieb zugerechnet werden können, als sonstige betriebliche Aufwendungen (Posten Nr. 8) auszuweisen.4 Zwar wird die letztgenannte Ansicht durch die Betonung des Stetigkeitsgrundsatzes flankiert; sie vermag gleichwohl nicht zu überzeugen, da sich eine entsprechende Restriktion und Wahlmöglichkeit dem Gesetzestext nicht ansatzweise entnehmen lässt und gerade angesichts des Zwecks von Gliederungsvorschriften jede auf (faktische) Wahlrechte hinauslaufende Auslegung nicht dem Normzweck entspricht.5 Aufwendungen für bezogene Waren entstehen außer durch Abschreibungen erst bei Veräußerung.6 Wa- 68 ren sind Gegenstände und Wirtschaftsgüter, die ohne Be- oder Verarbeitung weiterveräußert werden können, mit dem Begriff des „Beziehens“ erfolgt die Abgrenzung zu selbst produzierten Wirtschaftsgütern. Auch bei den bezogenen Waren auftretende Inventurdifferenzen sind hier zu erfassen.7 Bei Leasinggesellschaften sind hier auch die Einstandskosten für Mietkaufgegenstände und die Buchwerte verkaufter Leasinggegenstände zu erfassen.8 c) Aufwendungen für bezogene Leistungen (Buchst. b) Der Begriff der „bezogenen Leistungen“ stellt zunächst eine Abgrenzung von „bezogenen Waren“ dar und ist prima facie relativ klar. Selbstverständlich sind Lohnbearbeitung- und -verarbeitung ebenso wie eingekaufte Entwicklungsleistungen, Fremdreparaturen, Fremdstrom und Energieaufwendungen, Aufwendungen für Leiharbeitskräfte, Frachten- und Transportkosten (soweit nicht Anschaffungsnebenkosten), Beratungshonorare, Werbekosten usw. Aufwendungen für bezogene Leistungen. Ein Ausweis unter dem Posten Nr. 5 Buchst. b ist daher zutreffend.9

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Eine verbreitete und die Rechnungslegungspraxis dominierende Ansicht lässt dies allerdings in zweierlei 70 Hinsicht nicht gelten: Zum einen sollen die Energieaufwendungen den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen zugerechnet werden, und zwar mit der „überzeugenden“ Begründung, dass dies „von jeher“ so sei.10 Zum Hierzu ADS6, § 275 HGB Rz. 73 ff. Hierzu ADS6, § 275 HGB Rz. 76 ff. ADS6, § 275 HGB Rz. 83; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 782. ADS6, § 275 HGB Rz. 83; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 115. Im Ergebnis, wie hier Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 22. ADS6, § 275 HGB Rz. 88. ADS6, § 275 HGB Rz. 91 f.; abzulehnen ist der aaO Rz. 92 erwogene alternative Ausweis als sonstiger betrieblicher Aufwand. 8 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 784. 9 Ebenso nur Westermann, BB 1986, 1120. 10 ADS6, § 275 HGB Rz. 97; für Wahlrecht – Posten Nr. 5 Buchst. a oder Buchst. b – WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 784 und Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 122 aE. 1 2 3 4 5 6 7

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§ 275 Rz. 71 | Gliederung anderen – und wesentlich grundsätzlicher – soll ein erheblicher Teil der bezogenen Leistungen unter den „sonstigen Aufwendungen“ auszuweisen sein, weil sich aus der Überschrift zum Posten Nr. 5 ergebe, dass unter Nr. 5 Buchst. b nur solche bezogenen Leistungen auszuweisen seien, die ihrem Charakter nach das Kriterium erfüllten, Materialaufwand zu sein.1 Bei dieser Argumentation handelt es sich um einen unzulässigen Zirkelschluss, weil mit gleicher Berechtigung gefolgert werden kann, dass durch diese Gesetzestechnik alle bezogenen Leistungen als Materialaufwand definiert werden. Eine etwas andere Argumentation stellt darauf ab, dass der Posten Nr. 5 generell nur den Aufwand des Fertigungsbereichs betreffe;2 eine Gliederung nach Funktionsbereichen ist jedoch dem Gesamtkostenverfahren fremd und in den europäischen Vorgaben nicht angelegt. Die Lösung liegt in einer richtlinienkonformen Auslegung, die zu berücksichtigen hat, dass die Richtlinie einen spezifischen Bezug der unter dem Posten auszuweisenden bezogenen Leistungen weder zum Begriff des Materialaufwands noch zum Fertigungsbereich herstellt (Anhang V der EU-BilRL, ebenso bereits Art. 23 4. EG-RL). 5. Personalaufwand (Abs. 2 Nr. 6) a) Löhne und Gehälter (Buchst. a) 71

Auszuweisen sind sämtliche Löhne und Gehälter für Arbeiter und Angestellte unabhängig von deren hierarchischer Stellung, insbes. also auch die Geschäftsführer- und Vorstandsgehälter.3 Für diese bestehen im Anhang und/oder im Lagebericht ggf. zusätzliche Angabepflichten (§ 285 Nr. 9 HGB). Auszuweisen sind die Beträge in der (wirksam) vereinbarten Höhe, so dass auch „überhöhte“ Bezüge von Gesellschafter-Geschäftsführern als Personalaufwand und nicht als Ergebnisverwendung auszuweisen sind, solange die getroffene Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ist.4 Auch Nebenleistungen und Sachbezüge sind unter dem Posten Nr. 6 Buchst. a auszuweisen; in welcher Form und unter welcher Bezeichnung die Vergütungen gewährt werden, ist unerheblich.5

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Abfindungen und Sozialplan-Aufwendungen haben ihren Ursprung im Dienstverhältnis und stellen daher ebenfalls Personalaufwand dar, soweit es sich nicht um Aufwendungen für Altersversorgung (Posten Nr. 6 Buchst. b) handelt.6 Gleiches gilt für Rückstellungsbildungen und Aufstockungszahlungen im Rahmen von Altersteilzeitmodellen.7

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Anzugeben sind die Bruttobeträge (also einschließlich der für Rechnung der Arbeiter und Angestellten abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) entsprechend ihrem „Anfall“, also unabhängig vom Zeitpunkt der Auszahlung. Für im Geschäftsjahr geleistete Tätigkeit, die noch nicht bezahlt ist, sind Verbindlichkeiten auszuweisen bzw. Rückstellungen zu bilden.8 Umgekehrt sind Vorschüsse keine Aufwendungen und – soweit am Abschlussstichtag noch nicht verrechnet – als Forderungen auszuweisen.9

74

Nicht als Personalaufwand, sondern unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen (Nr. 8) sind Bezüge von Aufsichtsrats- und Beiratsmitgliedern auszuweisen, da dieser Personenkreis zur Gesellschaft nicht in einem Arbeits- oder Anstellungsverhältnis steht.10 Ebenso sind Löhne und Gehälter für Arbeitskräfte fremder Firmen (Arbeitnehmerüberlassung, Personalleasing) kein Personalaufwand, sondern als Aufwand für bezogene Leistungen unter dem Posten Nr. 5 Buchst. b auszuweisen.11 1 ADS, § 275 HGB Rz. 93; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 23; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 122; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 787 f. mit der Empfehlung einer „gewissen Großzügigkeit bei der Abgrenzung.“ 2 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 115 und 123. 3 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 789; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 24; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 129 mit Hinweis auf Streitfrage bei aktienbasierter Vergütung. 4 ADS6, § 275 HGB Rz. 103; aA Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 42 Rz. 444 und Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 24. 5 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 789 Hinweis 60; vgl. auch die Aufzählung denkbarer Entgeltformen bei Schmidt/ Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 127 f. 6 ADS6, § 275 HGB Rz. 109; für Ausweis regelmäßig unter dem Posten Nr. 8 dagegen WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 792; differenzierend Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 131. 7 Nicht überzeugend die Differenzierung zwischen Lohn und Abfindung nebst Zuweisung des Abfindungsteils zu den sonstigen Aufwendungen bei IDW RS HFA 3, Tz. 29 und Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 132. 8 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 126. 9 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 790; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 126. 10 ADS6, § 275 HGB Rz. 113; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 794; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 24; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 130. 11 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 791, wo allerdings auch ein Ausweis unter dem Posten Nr. 8 für möglich gehalten wird.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 79 § 275

b) Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung (Buchst. b) Unter Buchst. b sind soziale Abgaben, Aufwendungen für Altersversorgung und Aufwendungen für Un- 75 terstützung auszuweisen und zu unterscheiden. Nicht vorgeschrieben ist es, die einzelnen Elemente des Buchst. b mit Ausnahme der Aufwendungen für Altersversorgung gesondert auszuweisen (durch DavonVermerk, Untergliederung oder Anhangangabe); insbes. handelt es sich nicht um einen Anwendungsfall des § 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB, weil dieser die Zusammenfassung mehrerer mit arabischer Ziffer versehener Posten voraussetzt.1 Allerdings ist eine weitere Untergliederung des Postens nach § 265 Abs. 5 Satz 1 HGB zulässig. Als soziale Abgaben werden nur gesetzliche Pflichtabgaben, also insbes. der Arbeitgeberanteil der Sozial- 76 versicherung und Beiträge zur Berufsgenossenschaft angesehen.2 Auf gesetzlicher Verpflichtung beruht auch die Zahlung der Schwerbehindertenabgabe für nicht beschäftigte Schwerbeschädigte; dass es sich gleichwohl nicht um soziale Abgaben (und damit Personalaufwand), sondern um sonstige betriebliche Aufwendungen handeln soll,3 überzeugt nicht, weil diese Abgabe ökonomisch als auf das beschäftigte Personal umzulegen gedacht werden muss. Aufwendungen aufgrund Tarifvertrags, Betriebsvereinbarung oder freiwillig übernommene Beiträge für Versicherungen sind Nebenleistungen und unter Buchst. a auszuweisen.4 Aufwendungen für Altersversorgung umfassen insbes. Pensionszahlungen, soweit sie nicht zu Lasten von 77 Pensionsrückstellungen erfolgen, Zuführungen zu Pensionsrückstellungen, Zuweisungen an Unterstützungs- und Pensionskassen und Pensionsfonds sowie Beiträge an den Pensionssicherungsverein.5 Bei Pensionsrückstellungen handelt es sich um eine nach mathematischen Grundsätzen geschätzte Gesamtlast, so dass der Ausweis eines einheitlichen Zuführungsbetrags trotz der in ihn möglicherweise eingeflossenen Auflösung von Rückstellungseinzelpositionen nicht gegen das Saldierungsverbot verstößt.6 Die Zuführungen zu Pensionsrückstellungen enthalten auch Aufwand für die Verzinsung bereits angesammelter Rückstellungen. Nach verbreiteter Auffassung7 bestand ein Wahlrecht, einen Zinsanteil aus den Zuführungen „herauszurechnen“ und unter dem Posten Nr. 13 als Zinsaufwand auszuweisen. Aufgrund der Neufassung des § 277 Abs. 5 HGB durch das BilMoG ist es nun zwingend vorgeschrieben, den Zinsanteil der Rückstellungsveränderungen unter den Zinsen auszuweisen; das Gesetz stuft Nr. 13 im Verhältnis zu Nr. 6 Buchst. b als die speziellere Vorschrift ein. Prämien für Versicherungen zur Rückdeckung künftiger Versorgungsleistungen sind, soweit sie nicht als Rückdeckungsanspruch zu aktivieren sind, unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen auszuweisen.8 Aufwendungen für Unterstützung – die dritte Komponente des Buchst. b – sind Aufwendungen für ak- 78 tive und ehemalige Mitarbeiter, die nicht für eine Gegenleistung des Unterstützungsempfängers und ohne Rechtsanspruch gezahlt werden.9 Die Abgrenzung von Nebenleistungen zum Gehalt ist im Einzelfall schwierig, beispielsweise Heirats- und Geburtsbeihilfen, die regelmäßig oder kraft Betriebsvereinbarung gezahlt werden, sind eher solche Nebenleistungen als Aufwendungen für Unterstützung.10 Leistungen für Unterstützung sind aber beispielsweise im individuellen Einzelfall quasi als „Härteregelung“ übernommene Krankheits- und Unfallunterstützung. 6. Abschreibungen (Abs. 2 Nr. 7) Innerhalb des Postens wird unterschieden zwischen Abschreibungen auf Anlagevermögen einerseits (Buchst. a), auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens andererseits (Buchst. b), wobei Letztere nur unter diesem Posten auszuweisen sind, soweit sie die bei der Gesellschaft üblichen Abschreibungen 1 AA WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 798. 2 ADS6, § 275 HGB Rz. 115 f.; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 795. 3 Allgemeine Auffassung, ADS6, § 275 HGB Rz. 116; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 797; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 25 immerhin für Wahlrecht, was aber erst recht abzulehnen ist, Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 135. 4 Demgegenüber für Klassifizierung als sonstigen betrieblichen Aufwand Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 133. 5 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 798 Beispiel 14 mwN; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 135. 6 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 139. 7 Für ein Wahlrecht („auch zulässig“) beispielsweise ADS6, § 275 HGB Rz. 121. 8 ADS6, § 275 Rz. 119; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 135. 9 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 799; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 136. 10 Nach Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 25, soll entscheidend sein, ob ein Rechtsanspruch besteht (dann keine Unterstützungsleistung).

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§ 275 Rz. 80 | Gliederung überschreiten. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nur Abschreibungen auf die in der Postenbezeichnung genannten Vermögensteile hier auszuweisen sind; für den Ausweis von Abschreibungen auf Finanzanlagen und Wertpapiere des Umlaufvermögens ist ein eigener Posten (Nr. 12) vorgesehen. Keine Abschreibungen – und daher nicht unter der Nr. 7 auszuweisen – sind Abgangsverluste.1 a) Abschreibungen auf Anlagevermögen und immaterielle Vermögensgegenstände der Sachanlagen (Buchst. a) 80

Die infrage kommenden Bestandteile des Anlagevermögens ergeben sich aus den in § 266 Abs. 2 HGB unter A.I. und A.II aufgeführten immateriellen Vermögensgegenständen und Sachanlagen. Die Gliederungsvorschrift differenziert – anders als beim Umlaufvermögen – nicht zwischen planmäßigen (§ 253 Abs. 3 Satz 1 HGB) und außerplanmäßigen Abschreibungen (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB). Letztere sind allerdings gem. § 277 Abs. 3 Satz 1 HGB gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. Abschreibungen auf die die in der Bilanzgliederung unter A.III. zu findenden Finanzanlagen sind unter dem Posten Nr. 12 auszuweisen.

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Aus dem Saldierungsverbot des § 246 Abs. 2 HGB folgt, dass Abschreibungen nicht mit Wertaufholungen saldiert werden dürfen; Erträge aus solchen Wertaufholungen sind unter dem Posten Nr. 4 als sonstige betriebliche Erträge auszuweisen.2 b) Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Gesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten (Buchst. b)

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Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens (§ 266 Abs. 2 B. HGB) sind unter dem Buchst. b der Nr. 7 nur insoweit auszuweisen, als sie die „üblichen Abschreibungen“ überschreiten. Da auf Umlaufvermögen keine planmäßigen Abschreibungen vorzunehmen sind, ist fraglich, wie „Üblichkeit“ zu bestimmen ist. Diskutiert werden als Maßstab die durchschnittliche Abschreibung der Vorjahre, die Differenzierung von gesetzlich zwingenden (= üblich) und aufgrund Wahlrechts vorgenommenen Abschreibungen, die Abweichung von den bisherigen Abschreibungsmethoden oder das Abstellen auf ungewöhnliche, seltene Abschreibungen.3 Richtigerweise ist allein auf die außergewöhnliche Höhe der einzelnen Abschreibung im Verhältnis zum Durchschnitt der letzten 3–5 Jahre abzustellen.4

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Die „üblichen“ Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens sind unter Posten Nr. 2 (Unfertige und fertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen), Nr. 5 Buchst. a (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Waren), Nr. 8 (Forderungen, Sonstige Vermögensgegenstände, Flüssige Mittel) oder Nr. 12 (Wertpapiere) auszuweisen.5 7. Sonstige betriebliche Aufwendungen (Nr. 8)

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Es handelt sich, wie schon das Adjektiv „sonstige“ signalisiert, um einen Sammelposten.6 Aufwendungen, die nicht unter einem anderen Posten der GuV-Gliederung auszuweisen sind, werden hier zusammengefasst. Aufgrund dieser Funktion ist eine Abgrenzung des Posteninhalts nur negativ möglich, so dass der in der Literatur gelegentlich unternommene Versuch der Aufzählung einzelner Aufwendungen7 müßig ist. Ohne jede Grundlage in Systematik und Wortlaut des Gesetzes und daher fernliegend ist die vereinzelt vertretene Ansicht, auch nicht ertragsabhängige betriebliche Steuern dürften in die sonstigen betrieblichen Aufwendungen einbezogen werden.8

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Fraglich ist die Bedeutung des Adjektivs „betrieblich“. Die früher vertretene – zweifelhafte – Ansicht, dass dieses der Abgrenzung von Aufwendungen außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (die aber ohne1 ADS6, § 275 HGB Rz. 128; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 802 Hinweis 61; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 26. 2 ADS6, § 275 HGB Rz. 127. 3 Ausführlicher ADS6, § 275 HGB Rz. 132 ff., Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 145. 4 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 145; nach WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 804 soll darüber hinaus die „Seltenheit“ zu berücksichtigen sein; im Hinblick auf den Informationsnutzen und den Gesichtspunkt der Wesentlichkeit liegt dies jedoch fern. 5 Nach WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 803; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 28. 6 ADS6, § 275 HGB Rz. 140; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 30. 7 Bpsw. ADS6, § 275 HGB Rz. 141; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 805. 8 Biener/Berneke, BiRiLiG, Anm. 8 zu § 275; HFA/IDW, FN 1989, 336: „nicht zu beanstanden“; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 167: „akzeptabel“, da „betriebswirtschaftliche Gründe und die internationale Praxis“ dafür sprechen.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 89 § 275

hin ausdrücklich anderweitig auszuweisen waren) diene,1 ist jedenfalls seit Eliminierung dieser Ausweiskategorie durch das BilRUG obsolet. Kapitalgesellschaften haben auch keinen „privaten“ Bereich. Allerdings können Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit nicht mehr „betrieblich“ sein; solche Aufwendungen, die bei Kapitalgesellschaften verdeckte Gewinnausschüttungen und bei Personenhandelsgesellschaften Entnahmen darstellen, dürfen in die betriebliche Veranlassung überschreitendem Umfang nicht unter der Nr. 8 ausgewiesen werden. Darüber hinaus zielt das Adjektiv „betrieblich“ aber vor dem Hintergrund der Systematik der Gliederungsvorschrift vor allem auf die Abgrenzung der „eigentlichen“ Unternehmenstätigkeit von den Erträgen und Aufwendungen des Finanzbereichs und den Steuern.

VI. Umsatzkostenverfahren exklusive Gliederungsposten (Abs. 3 Nr. 2–7) 1. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen (Nr. 2) Wie die GuV-Gliederung des Gesamtkostenverfahrens lässt sich auch die Gliederung des Umsatzkostenverfahrens in den betrieblichen Bereich (Nr. 1–7), den Finanzbereich (Nr. 8–12) und die Steuern (Nr. 13–15) einteilen. Der Unterschied der Darstellungsmethoden liegt ausschließlich im betrieblichen Bereich. Hier schlüsselt das Umsatzkostenverfahren einerseits nicht nach Aufwands- und Ertragsarten, sondern nach Funktionsbereichen auf und unterscheidet Herstellung, Vertrieb, allgemeine Verwaltung und Sonstiges. Andererseits wird die funktionsbezogene Aufschlüsselung bei den Herstellungskosten nicht periodisiert, sondern unter Bezug auf die erzielten Umsatzerlöse vorgenommen (s. auch Rz. 18 ff.).

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Der Posten Nr. 2 nimmt die Aufwendungen des Herstellungsbereichs auf, soweit sie die Umsatzerlöse 87 des Geschäftsjahres betreffen. Dies erfordert diese beiden Abgrenzungskriterien betreffende Schlüsselungen und Umlagen, für die auf die betriebliche Kosten(träger-)rechnung zurückgegriffen werden muss. Auch bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens kommt allerdings der Ansatz kalkulatorischer Kosten, denen keine Aufwendungen entsprechen, nicht in Betracht.2 Entsprechende Schlüsselungen und Umlagen von Aufwendungen sind auch bei der Ermittlung der Herstel- 88 lungskosten zur Bestandsbewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse erforderlich. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Verwendung des identischen Begriffs fragt es sich, inwieweit für die Bestimmung des Posteninhalts die gesetzliche Definition der Herstellungskosten in § 255 Abs. 2 HGB heranzuziehen ist.3 Gegen eine Überbewertung des verwendeten Worts spricht bereits, dass die Begriffsidentität offensichtlich eine Besonderheit der deutschen Sprachfassung ist, denn sowohl im englischen als auch im französischen Text der Richtlinie (Art. 35 Abs. 3 und 4 und 25 4. EG-RL bzw. Art. 2 Nr. 7 und Art. 13 Anhang VI EU-BilRL) werden jeweils unterschiedliche Begriffe verwendet („cost of sales“ vs. „production cost“ bzw. „coûts de production“ vs. „coût de revient“). Im Übrigen enthält § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB isoliert betrachtet zwar eine allgemeine und übertragbare Definition von Herstellungskosten. Die durch § 255 Abs. 2 Satz 2–4 HGB vorgenommenen näheren Bestimmungen sind jedoch nicht verallgemeinerungsfähig, weil sie bewertungsbezogen und vom Grundsatz der Vorsicht und Realisation bestimmt sind.4 Es gibt auch keinen Grundsatz, dass die Ausübung der in der Bilanz bestehenden Bewertungswahlrechte auch die Kosten bestimmt, die in der GuV unter dem Posten Nr. 2 auszuweisen sind. Grundsätzlich sind in der GuV stets alle Herstellungskosten („Vollkosten“) auszuweisen, unabhängig von der Art der Ausübung bestehender Bilanzierungswahlrechte.5 Daher sind auch dem Herstellungsbereich zuzurechnende Kosten, die nicht Verwaltungskosten oder Vertriebskosten sind, unabhängig von den Begrenzungen des § 255 Abs. 2 HGB unter dem Posten Nr. 2 auszuweisen.6 Im Einzelnen empfiehlt es sich aber, hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der in den Posten Nr. 2 einflie- 89 ßenden Herstellungskosten drei Fälle zu unterscheiden7: (i) die im Geschäftsjahr hergestellten und veräußerten Produkte, (ii) die zu Beginn des Geschäftsjahrs vorhandenen, im laufenden Geschäftsjahr veräußerten Produkte und (iii) die im Geschäftsjahr hergestellten, aber noch nicht veräußerten Produkte. Im Fall (i) ist der Ausweis der gesamten Herstellungskosten unproblematisch, weil eine Bestandsbewertung für Bilanzierungszwecke nicht erforderlich ist. Im Fall (ii) werden Produkte veräußert, die gem. § 255 1 ADS6, § 275 HGB Rz. 140. 2 ADS6, § 275 HGB Rz. 215. 3 Ausführliche Darstellung der Diskussion bei ADS6, § 275 HGB Rz. 216 ff.; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 268 ff. 4 ADS6, § 275 HGB Rz. 217; Biener/Berneke, BiRiLiG, Anm. 18 zu § 275 HGB. 5 Jonas, Die EG-Bilanzrichtlinie, 142. 6 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 878; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 50. 7 ADS6, § 275 HGB Rz. 221 ff.; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 889.

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§ 275 Rz. 90 | Gliederung Abs. 2 HGB bewertet und aktiviert worden sind. In diesem Fall wäre es betriebswirtschaftlich richtig, nachträglich auch die zunächst nicht aktivierten Teile der Herstellungskosten auszuweisen.1 Dies stößt aber auf pratkische Schwierigkeiten, es würde erfordern, einen fiktiven Ertrag in den sonstigen betrieblichen Erträgen auszuweisen (um den bereits erfassten Aufwand nachträglich zu korrigieren), und dazu führen, dass die ursprünglich nicht aktivierten Teile der Herstellungskosten ein zweites Mal als Aufwand ausgewiesen würden. Ebenso scheidet es aus Gründen der Praktikabilität aus, etwa in Ausübung des Wahlrechts gem. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB aktivierte Verwaltungskosten bei Veräußerung zu separieren und in den Posten Nr. 5 (allgemeine Verwaltungskosten) umzugliedern.2 Richtig ist es daher, die aktivierten Bestandswerte zuzüglich im Geschäftsjahr bis zur Veräußerung noch angefallener Kosten auszuweisen.3 Im Fall (iii) stellt sich die Frage, ob die in Ausübung der durch § 255 Abs. 2 HGB eröffneten Wahlrechte oder weil darüber hinausgehend nicht im Rahmen der Bestandsbewertung aktivierten Herstellungskosten unter dem Posten Nr. 2 oder als sonstige betriebliche Aufwendungen unter dem Posten Nr. 74 auszuweisen sind. Richtigerweise ist dem Ausweis unter dem Posten Nr. 2 der Vorzug zu geben, weil es zwar zu einer Periodenverschiebung kommt, aber jedenfalls die im Umsatzkosenverfahren primäre Zuordnung zum Funktionsbereich beibehalten wird.5 Die gewählte Abgrenzung zwischen den Posten Nr. 2 und Nr. 7 ist jedenfalls im Anhang anzugeben (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB) und im Zeitverlauf beizubehalten (§ 265 Abs. 1 HGB). Da Teile der Verwaltungskosten stets dem Herstellungsbereich anzurechnen sind, ist es nicht zulässig, auf eine Ermittlung der in die Herstellungskosten einrechenbaren Verwaltungskosten generell zu verzichten und diese in vollem Umfang unter dem Posten Nr. 5 auszuweisen;6 eine solche „Vereinfachung“ ist mit der Entscheidung für das Umsatzkostenverfahren nicht vereinbar. 90

Aufwandszinsen und Kostensteuern sind Herstellungskosten und können als solche behandelt werden. In diesem Fall ist der Ausweis unter dem Posten Nr. 2 vorrangig vor einer Einbeziehung in die Aufwandsposten des Finanzbereichs (Nr. 12, Zinsen und ähnliche Aufwendungen) und der Steuern (Nr. 15, sonstige Steuern).7 Der gewählte Ausweis ist im Anhang anzugeben und beizubehalten (§§ 284 Abs. 2 Nr. 1, 265 Abs. 1 HGB).

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Werden Handelswaren ohne Bearbeitung weiterverkauft, so treten an die Stelle der Herstellungskosten die Anschaffungskosten. Zu den Herstellungskosten gehören selbstverständlich auch alle Abschreibungen, die den Fertigungsbereich betreffen, so dass bei Handelswaren auch Abschreibungen auf diese anzusetzen sind; darauf, ob die Abschreibungen die „sonst üblichen“ überschreiten, kommt es nicht an8. Bei Handelsbetrieben oder wenn die Veräußerung von Handelswaren jedenfalls einen erheblichen Teil der Umsatzerlöse ausmacht, empfiehlt es sich, die Postenbezeichnung anzupassen (zB „Anschaffungskosten der verkauften Waren“ oder – bei Komibination – „Herstellungs- und Einstandskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen“).9

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Im Schrifttum wird unter Hinweis auf § 265 Abs. 5 HGB empfohlen, Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in einem gesonderten Posten nach dem Posten Nr. 3 auszuweisen, wenn sie relativ und absolut von erheblicher Bedeutung sind.10 Das begegnet allerdings Bedenken, weil diese Aufwendungen dem Fertigungsbereich auch dann zuzuordnen sind, wenn sie „keinen direkten Umsatzbezug mehr aufweisen“ – das gilt für eine ganze Reihe von den Herstellungskosten zuzuordnenden Aufwendungen.11 In Frage kommt daher auch bei erheblicher Höhe nur ein gesonderter Ausweis der F&E-Kosten unter dem Posten Nr. 2.

1 Jonas, Die EG-Bilanzrichtlinie, 142. 2 ADS6, § 275 HGB Rz. 225. 3 ADS6, § 275 HGB Rz. 222; IDW, St/SABI 1/1987, WPg. 1987, 141, 142; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 53. 4 Dafür Rechtsausschuss, BT-Drucks. 10/4268, 108; Selchert, DB 1986, 698; Emmerich, WPg. 1986, 698 (705). 5 ADS6, § 275 HGB Rz. 223; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 52 im Erg. ebenso. 6 AA WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 877. 7 ADS6, § 275 HGB Rz. 231 f.; aA (Vorrang der Nr. 12 und 15) WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 882; Hüttemann/ Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 51. 8 ADS6, § 275 HGB Rz. 228. 9 ADS6, § 275 HGB Rz. 230; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 884; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 48; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 267. 10 ADS6, § 275 HGB Rz. 234. 11 Entscheidend ist, dass und insoweit Kosten der Forschung und Entwicklung den Herstellungsprozess zurechenbar sind. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 51; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 42 Rz. 468.

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B. Einzelregelungen

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Rz. 99 § 275

2. Bruttoergebnis vom Umsatz (Nr. 3) Der Posten Nr. 3 ist eine durch Subtraktion des Posten Nr. 2 vom Posten Nr. 1 zu bildende Zwischensum- 93 me. Setzt man das Bruttoergebnis in Relation zum Umsatz, so ergibt sich die als betriebswirtschaftliche Kennzahl wichtige so genannte „Roh-“ oder „Bruttomarge“.1 Ergibt sich ein Sollsaldo, ist dies durch ein Minuszeichen kenntlich zu machen.2 3. Vertriebskosten (Nr. 4) Der Posten Nr. 4 nimmt alle Aufwendungen des Vertriebsbereichs auf. Wie bei den Herstellungskosten sind typischerweise Schlüsselungen und Umlagen erforderlich, um die verschiedenen Aufwandsarten dem Funktionsbereich zutreffend zuzuordnen. Anders als bei den Herstellungskosten ist aber kein Umsatzbezug der auszuweisenden Aufwendungen vorgesehen, sondern eine reine Periodenabgrenzung.3

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Vertriebseinzelkosten sind insbes. Verpackungs- und Transportkosten sowie Provisionen. Vertriebs- 95 gemeinkosten sind die Personalkosten der Abteilungen Verkauf, Werbung und Marketing sowie die generellen Aufwendungen für das Vertreternetz, Werbung und Absatzförderung, Kundenschulung, Messeund Ausstellungskosten etc. Durch Schlüsselung/Umlage zu berücksichtigen ist auch ein angemessener Anteil der Verwaltungskosten (Miete, Energiekosten, Telefon, IT, Versicherungen etc.).4 4. Allgemeine Verwaltungskosten (Nr. 5) Bei den allgemeinen Verwaltungskosten scheidet ein Umsatzbezug von vornherein aus, auszuweisen sind 96 alle im Geschäftsjahr angefallenen Verwaltungsaufwendungen, soweit sie nicht den Herstellungskosten oder den Vertriebskosten zugeordnet werden konnten.5 Typischerweise hier auszuweisen sind Personalund Sachaufwendungen für die Geschäftsführung, Stabs- und Serviceabteilungen (Rechnungswesen, IT, Rechts- und Steuerabteilung, Personalabteilung, Sozialeinrichtungen), Abschlussprüfung, Aufsichtsrat oder Beirat, Gesellschafterversammlungen.6 Aufgrund der Funktionsgliederung des Umsatzkostenverfahrens sind grundsätzlich sämtliche Aufwendun- 97 gen den Bereichen Herstellung, Vertrieb und Allgemeine Verwaltung zuzuordnen, so dass für die als Posten Nr. 7 genannten sonstigen betrieblichen Aufwendungen – anders als im Gesamtkostenverfahren – allenfalls ein schmaler Anwendungsbereich bleibt; im Zweifel geht ein Ausweis unter dem Posten Nr. 5 einem Ausweis im Posten Nr. 7 vor.7 Konsequenterweise sieht die EU-BilRL für das Umsatzkostenverfahren einen Posten der sonstigen betrieblichen Aufwendungen überhaupt nicht vor (Art. 13 iVm. Anhang VI EU-BilRL; ebenso bereits Art. 25 4. EG-RL). 5. Sonstige betriebliche Erträge (Nr. 6) Die hier auszuweisenden Erträge entsprechen weitgehend denen des identisch bezeichneten Postens 98 (Abs. 2 Nr. 4) im Gesamtkostenverfahren (s. Rz. 65). Da im Umsatzkostenverfahren aber kein Posten für „andere aktivierte Eigenleistungen“ vorgesehen ist, sind im Anlagevermögen aktivierte Eigenleistungen unter dem Posten Nr. 6 auszuweisen, soweit nicht eine direkte Umbuchung von den jeweiligen Aufwandsposten auf die Bestandskonten vorgenommen worden ist.8 6. Sonstige betriebliche Aufwendungen (Nr. 7) Der Posten war (Art. 25 4. EG-RL) und ist (Art. 13 iVm. Anhang VI EU-BilRL) im europäischen Richtlinienrecht nicht vorgesehen. Der deutsche Gesetzgeber hielt es gleichwohl für erforderlich, einen solchen Sammelposten für nicht den Funktionsbereichen zuzuordnende Aufwendungen vorzusehen, weil „eine 1 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 280: „gewisse Informationen über die Wirtschaftlichkeit“, mit Hinweis auf die Erschwerung zwischenbetrieblicher Vergleiche, weil Herstellungskosten in ihrem Umfang unterschiedlich bemessen sein können. 2 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 58; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 885, schlägt alternativ eine Anpassung der Postenbezeichnung vor, was angesichts der ohnehin neutralen Postenbezeichnung aber nicht einleuchtet. 3 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 886; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 59. 4 ADS6, § 275 HGB Rz. 236; WP Handbuch 2017; Kap. F Rz. 887 f.; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGBRz. 284. 5 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 60. 6 Siehe auch Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 291 mit weiteren Beispielen. 7 Ausführlicher ADS6, § 275 HGB Rz. 239. 8 Zur Zulässigkeit beider Methoden ADS6, § 275 HGB Rz. 242.

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§ 275 Rz. 100 | Gliederung Aktivierung von Vorräten und Eigenleistungen mit Vollkosten bisher nicht üblich“ sei; er solle in erster Linie die nicht aktivierten Herstellkosten noch nicht veräußerter Posten aufnehmen.1 Nach richtiger Ansicht sind diese Aufwendungen aber in den Posten Nr. 2 (Herstellungskosten) einzubeziehen (s. Rz. 88 f.). Auch wenn man dies anders sieht und diese Herstellkosten hier erfassen würde, ist der Posten nicht mit dem gleich bezeichneten Posten des Gesamtkostenverfahrens (Abs. 2 Nr. 8) zu vergleichen, weil die meisten der dort enthaltenen Aufwendungen im Umsatzkostenverfahren zu den Posten Nr. 2, 4 und 5 gehören. 100

Für einen Ausweis unter dem Sammelposten Nr. 7 bleiben beim Umsatzkostenverfahren – neben den umstrittenen nicht aktivierten Herstellkosten noch nicht veräußerter Produkte – Aufwendungen, die der Erzielung sonstiger betrieblicher Erträge (Posten Nr. 6) zuzuordnen sind.2 Kaum vertretbar erscheint es demgegenüber, Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen hier auszuweisen,3 diese sind dem Herstellungsbereich zuzuordnen.

VII. Veränderungen der Kapital- und Gewinnrücklagen (Abs. 4) 101

Veränderungen der Kapital- und Gewinnrücklagen (Bilanzgliederung § 266 Abs. 3 A. II. und III. HGB) können sich im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses oder im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses durch Rücklagenauflösung oder -dotierung ergeben. Die Kapitalrücklage kann sich auch durch Einlagevorgänge im Laufe des Geschäftsjahres erhöhen (§ 272 Abs. 2 HGB).4 Die Rücklagenveränderungen sind Maßnahmen der Gewinnverwendung, so dass sie in der GuV-Darstellung nicht mit dem Bereich der Gewinnentstehung vermischt werden dürfen.5

102

Abs. 4 gestattet, die an sich mit dem Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (Abs. 2 Nr. 17/Abs. 3 Nr. 16) endende GuV-Gliederung um die Rücklagenbewegungen zu verlängern. Sinnvoll ist dies insbes., wenn der Jahresabschluss unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt wird und daher mit dem Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ enden soll. Ein entsprechend erweitertes Gliederungsschema sieht § 158 Abs. 1 AktG für die AG vor, das auch für die GmbH angewandt werden kann. Allerdings ist auch bei der AG eine solche Erweiterung der GuV-Gliederung nicht zwingend, da die Angaben alternativ auch im Anhang gemacht werden können (§ 158 Abs. 1 Satz 2 AktG).

VIII. Gliederungsvereinfachung für Kleinstkapitalgesellschaften (Abs. 5) 103

Der Anwendungsbereich des Abs. 5 ist auf Kleinstkapitalgesellschaften beschränkt. Nach der Legaldefinition in § 267a HGB handelt es sich um Gesellschaften die zwei der drei Merkmale 350.000 € Bilanzsumme, 750.000 € Umsatzerlöse und 10 Arbeitnehmer nicht überschreiten. Für Kleinstaktiengesellschaften in diesem Sinne entfällt gem. § 158 Abs. 3 AktG auch die Pflicht zur GuV-Verlängerungsrechnung nach § 158 AktG.

104

Das vereinfachte Gliederungsschema entspricht in der Grundstruktur dem Gesamtkostenverfahren, verzichtet jedoch auf den Ausweis von Bestandsveränderungen und aktivierten Eigenleistungen, auf die Untergliederungen bei Materialaufwand, Personalaufwand und Abschreibungen sowie auf eine gesonderte Erfassung des Finanzbereichs. Dessen Erträge und Aufwendungen gehen in den sonstigen Erträgen und den sonstigen Aufwendungen auf.6

105

Es handelt sich um ein echtes Wahlrecht („können“). Soll trotz der überschaubaren Größe das Umsatzkostenverfahren gewählt werden, ist ein vergleichbar vereinfachtes Gliederungsschema nicht vorgesehen (und wäre wegen der Verzerrungen durch die Postenzusammenfassungen auch nicht sinnvoll). Das Wahlrecht besteht im Übrigen auch hinsichtlich der Anwendung von Abs. 5 oder der größenabhängigen Erleichterungen gem. § 276 Satz 1 HGB. Eine Kombination beider Vereinfachungsregelungen ist demgegenüber nicht möglich (§ 276 Satz 2 HGB).

1 Begr. Rechtsausschuss, BT-Drucks 10/4268, 108; kritisch zu Recht Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 300. 2 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 893; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 63. 3 AA ADS6, § 275 HGB Rz. 246 und auch Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 63 mit Hinweis auf Grundlagenforschung; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 307 mit Präferenz für gesonderten Posten bei „außerordentlicher Höhe“. 4 Ausführlicher WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 858 ff. 5 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 65; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 310. 6 Ausführlicher zur Zuordnung der Aufwendungen und Erträge in das verkürzte GuV-Schema Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 317; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 745; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 71 ff.

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C. Sanktionen

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Rz. 111 § 275

Es liegt auf der Hand, dass eine derart verkürzte GuV zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhält- 106 nissen entsprechenden Bilds iSv. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB kaum noch geeignet ist.1 Gem. § 264 Abs. 2 Satz 5 HGB wird gleichwohl „vermutet“, dass ein unter Inanspruchnahme der Regelungen für Kleinstkapitalgesellschaften aufgestellter Jahresabschluss diesem Erfordernis entspricht. Diese Vermutung ist – bei Beachtung der gesetzlichen Vorgaben im Übrigen – unwiderleglich und eine gesetzliche Fiktion, denn der Gesetzgeber nimmt die aus der verkürzten und vereinfachten Rechnungslegung folgenden Informationsdefizite bewusst in Kauf; zusätzliche Angaben gem. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB sind daher nicht erforderlich.2

C. Sanktionen I. Ordnungswidrigkeit und Strafbarkeit Strafbar ist gem. § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB nicht nur die unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesell- 107 schaft, sondern auch deren Verschleierung. Vorsätzliche Verstöße gegen Gliederungsvorschriften, die in ihren Auswirkungen so gravierend sind, dass ein solcher Verschleierungseffekt eintritt, können daher strafrechtlich sanktioniert werden. Dies wäre beispielsweise denkbar, wenn beim Ausweis der Umsatzerlöse Umsatzsteuer und Erlösschmälerungen nicht abgezogen werden oder in großem Stil die Abgrenzung zwischen Umsatzerlösen und sonstigen betrieblichen Erträgen vorsätzlich grob falsch vorgenommen wird. Im Übrigen ist die Nichtbeachtung von die GuV betreffenden Gliederungsgrundsätzen und -vorschriften (§§ 265 Abs. 2, 4 oder 6, 275, 277 HGB) gem. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ordnungswidrig.

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II. Abschlussprüfung und Gesellschaftsrecht Bei prüfungspflichtigen Gesellschaften (hierzu § 316 HGB Rz. 11 ff.) – oder solchen, die eine freiwillige, 109 auf die Erteilung eines § 322 HGB entsprechenden Bestätigungsvermerks zielende Prüfung beauftragen – schlagen sich im Laufe der Prüfung nicht abgestellte Verstöße gegen §§ 275, 277 HGB insbes. im Prüfungsergebnis nieder. Auch Verstöße gegen Gliederungsvorschriften sind Unregelmäßigkeiten in der Rechnungslegung, über die gem. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB im Prüfungsbericht auch bei „leichten“ Verstößen Angaben zu machen sind.3 Haben die Verstöße ein gewisses Gewicht, so dass sie zu einer Einwendung gegen die Gesetzeskonformität der GuV iSv. § 322 HGB führen, ist der Bestätigungsvermerk einzuschränken oder zu versagen.(§ 322 Abs. 4 HGB). Der eingeschränkte Bestätigungsvermerk enthält noch eine positive Gesamtaussage, so dass entscheidend ist, ob trotz der Einwendungen insgesamt noch eine positive Gesamtaussage möglich ist, weil die Einwendung sich auf abgrenzbare Teilbereiche der Rechnungslegung bezieht.4 Vor diesem Hintergrund wird eine Versagung des Bestätigungsvermerks wegen Verstößen gegen §§ 275, 277 HGB nur dann in Betracht kommen, wenn zugleich der objektive Tatbestand der strafbaren Verschleierung (s. Rz. 107) erfüllt ist. Die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft sind für die ordnungsgemäße Aufstellung des Jahresabschlusses 110 verantwortlich (§§ 242, 264 Abs. 1 HGB, §§ 91 Abs. 1, 170 Abs. 1 AktG, §§ 41, 42 GmbHG). Schuldhafte Verstöße gegen §§ 275, 277 HGB stellen zugleich grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzungen der Geschäftsleitung dar. Ein schuldhaftes Verhalten wird jedenfalls stets vorliegen, wenn –bei Durchführung einer Abschlussprüfung – Mängel trotz entsprechender Hinweise des Abschlussprüfers nicht beseitigt werden. Führt der Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften zu einer „wesentlichen Beeinträchtigung“ von Klar- 111 heit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses, so ist der Jahresabschluss gem. § 256 Abs. 4 AktG (der für andere Kapitalgesellschaften entsprechend anwendbar ist) nichtig.

1 Daher generell kritisch Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 275 HGB Rz. 69: „betriebswirtschaftlich orientierte Ergebnisanalyse kaum mehr möglich“, zudem Entlastungswirkung fraglich. 2 AA Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 317 und 320: „widerlegbare Vermutung“; aA auch WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 744, allerdings widersprüchlich zu Kap F Rz. 741, wo zu Recht ausgeführt wird, dass eine korrigierende Berichterstattung nicht erforderlich ist, soweit kleine und mittlere Kapitalgesellschaften von den Erleichterungen des § 276 Satz 1 HGB Gebrauch machen. 3 Ausführlicher WP Handbuch 2017, Kap. M Rz. 227 ff. 4 Vgl. WP Handbuch 2017, Kap. M Rz. 810 ff.

Schüppen

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§ 276 Rz. 1 | Größenabhängige Erleichterungen

§ 276 Größenabhängige Erleichterungen 1Kleine

und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1, 2) dürfen die Posten § 275 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 oder Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 6 zu einem Posten unter der Bezeichnung „Rohergebnis“ zusammenfassen. 2Die Erleichterungen nach Satz 1 gelten nicht für Kleinstkapitalgesellschaften (§267a), die von der Regelung des § 275 Absatz 5 Gebrauch machen. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . B. Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (Satz 1) . . . . . . . . . .

_ _ 1 3

C. Bedeutung für Kleinstkapitalgesellschaften (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ 6 7

Literatur: Vgl. Literatur zu § 275 HGB.

A. Grundaussagen der Vorschrift 1

§ 276 HGB formuliert in Anwendung des in der Jahresabschlussrichtlinie formulierten Mitgliedstaatenwahlrechts spezifische größenabhängige Erleichterungen im Zusammenhang mit der Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung.1 Die Erleichterungen sind als Wahlrecht ausgestaltet, indem verschiedene Positionen zu einer einzigen Position „Rohergebnis“ saldiert werden dürfen. Zu berücksichtigen ist freilich, dass diese Erleichterungen bei der Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung zugleich den Einblick in die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft begrenzen können. Der gesetzlich gewollte Zweck zum Schutz von kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften vor Wettbewerbsnachteilen durch zu detaillierte Angaben kann insofern im Einzelfall mit dem Schutzzweck einer informationellen Offenlegung konfligieren.

2

§ 276 Satz 1 HGB ist unverändert, Satz 2 hingegen infolge des BilRUG geändert worden: § 276 aF sah in Satz 2 als Erleichterung für kleine Kapitalgesellschaften vor, Erläuterungen zu den Posten „außerordentliche Erträge“ und „außerordentliche Aufwendungen“ nicht machen zu müssen. Da mit dem BilRUG aber ohnehin der gesonderte Ausweis dieser Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung entfallen ist, war auch diese größenabhängige Erleichterung nicht mehr erforderlich. Stattdessen findet sich nun in Satz 2 ein Bezug zu den durch das MicroBilG eingeführten Kleinstkapitalgesellschaften, ehemals Satz 3.

B. Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (Satz 1) 3

§ 276 HGB enthält in Satz 1 Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1, 2 HGB) bei der Aufstellung der GuV. Diese Unternehmen brauchen nicht die vollständige Mindestgliederung der GuV nach § 275 HGB zu übernehmen, sondern können die Posten Nr. 1–5 des Gesamtkostenverfahrens (§ 275 Abs. 2 HGB) bzw. bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (§ 275 Abs. 3 HGB) die Posten Nr. 1–3 und 6 zu einem einzigen Posten unter der Bezeichnung „Rohergebnis“ zusammenfassen, wobei Posten 2 des Umsatzkostenverfahrens allerdings nur eine Zwischensumme ist (s. nachfolgende Abb.). Während der Jahresüberschuss unabhängig vom angewendeten Verfahren der Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung ist, weicht das „Rohergebnis“ nach Gesamtkostenverfahren und Umsatzkostenverfahren voneinander ab und ist somit nicht vergleichbar. Im Rohergebnis nach Gesamtkostenverfahren sind im Vergleich zum Rohergebnis nach Umsatzkostenverfahren die herstellungsbezogenen Personalaufwendungen und auf den Herstellungsbereich entfallende Abschreibungen nicht enthalten. Mangels fehlender Angaben ist es für Außenstehende auch nicht möglich, durch eigene bilanzanalytische Aufbereitung die Rohergebnisse von Unternehmen nach dem Gesamtkostenverfahren mit solchen nach dem Umsatzkostenverfahren vergleichbar zu machen.

1 Vgl. Kessler/Freisleben in MünchKomm. BilR, § 276 HGB Rz. 4.

802

| Berndt

C. Bedeutung für Kleinstkapitalgesellschaften (Satz 2)

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Rz. 6 § 276

Rohergebnis nach Gesamtkostenverfahren (§ 275 Abs. 2 HGB) =

Rohergebnis nach Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) =

+ Umsatzerlöse (Nr. 1) +/– Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen (Nr. 2) + andere aktivierte Eigenleistungen (Nr. 3) + sonstige betriebliche Erträge (Nr. 4) – Materialaufwand (Nr. 5)

+ Umsatzerlöse (Nr. 1) – Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen (Nr. 3) + sonstige betriebliche Erträge (Nr. 6)

Abb.: Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Rohergebnisausweises bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens im Vergleich zum Umsatzkostenverfahren Bei Ausübung des Aufstellungswahlrechts ist demnach entgegen dem Saldierungsverbot des § 246 Abs. 2 4 HGB das Zusammenfassen von Aufwendungen und Erträgen zugelassen. Ziel der Regelung dürfte es sein, Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, indem wichtige Posten, die Aufschluss über die Erfolgsstruktur oder Kostenzusammensetzung geben könnten, wie die Umsatzerlöse, Materialaufwendungen oder Herstellungskosten, nicht angegeben werden müssen.1 Ein solcher Wettbewerbsnachteil wäre insbes. dann zu befürchten, wenn es sich – wie im Kleinunternehmerbereich nicht unüblich – etwa um spezialisierte Unternehmen mit lediglich einer geringen Anzahl an Produkten handelt. Hier könnten aus dem Bruttoergebnis nach Umsatzkostenverfahren zum Beispiel leicht Rückschlüsse auf die Marge gezogen werden. Auch gelten die Umsätze nach wie vor für viele Unternehmen noch als sensible Größe. Darüber hinaus dürften sich Vorteile auch aus Erleichterungen bei der Zuordnung von Konten zu GuV-Posten des Unternehmens ergeben, wenn statt 3–5 Posten mit dem „Rohergebnis“ lediglich ein Posten ausgewiesen wird. Allerdings werden für Zwecke der Kostenrechnung im internen Rechnungswesen die in der Gewinn- und Verlustrechnung saldierten Positionen typischerweise trotzdem erhoben. Insofern besteht die Erleichterung lediglich bei der Offenlegung gegenüber außenstehenden Dritten, nicht etwa in einer generellen Nichterhebung dieser Angaben. So wird die Angabe über die Umsatzerlöse beispielsweise schon allein dadurch erforderlich, dass bei der Bestimmung der Größenklassen – und damit auch für den Anwendungsfall von § 276 HGB – neben Bilanzsumme und Arbeitnehmerzahl auf die Umsätze verwiesen wird. Außerdem erfordern verschiedene Bestimmungen des Gesellschaftsrechts (§ 51a GmbHG, § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG, § 118 HGB) die Verfügbarkeit der Bestandteile des Rohergebnisses nach § 275 Abs. 2 oder 3 HGB. Im Schrifttum wird daher zutreffend darauf verwiesen, dass, je nach Aktionärsstruktur, es sich um lediglich „theoretische Erleichterungen“ handelt,2 wenn Gesellschafter die ausführliche Gewinn- und Verlustrechnung verlangen. Abschlussadressaten von kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften, die ihre Gewinn- und Verlust- 5 rechnung unter Anwendung der Erleichterungen nach § 276 Satz 1 HGB erstellen, können nicht mit Hinweis auf die Generalnorm des „True-and-fair-view“ nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB weitergehende Angaben verlangen. Der intendierte Zweck der Norm – der Schutz vor möglichen Wettbewerbsnachteilen – liefe ins Leere, wenn die Saldierung bestimmter Posten im Gliederungsschema durch zusätzliche Anhangangaben, etwa der Umsatzerlöse, wieder aufgehoben werden würde.

C. Bedeutung für Kleinstkapitalgesellschaften (Satz 2) Kleinstkapitalgesellschaften sind in §267a Abs. 1 HGB geregelt. Sie werden nach § 267a Abs. 2 HGB 6 grundsätzlich entsprechend den Vorschriften für kleine Kapitalgesellschaften behandelt, sofern nichts anderes geregelt ist. Eine solche andere Regelung bestimmt Satz 2. Nach § 275 Abs. 5 HGB haben Kleinstkapitalgesellschaften die Möglichkeit, statt der üblichen Gliederung nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB eine ohnehin nur aus acht Posten bestehende verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen. Wird dieses Wahlrecht ausgeübt, darf keine weitere Zusammenfassung der Posten, wie sie § 276 Satz 1 HGB vorsieht, vorgenommen werden. Kleinstkapitalgesellschaften haben damit nur die Möglichkeit, entweder eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 Abs. 5 HGB zu erstellen oder eine normale Gewinnund Verlustrechnung in Staffelform, und dann die Erleichterungen nach § 276 Satz 1 HGB auszuüben. Der Gesetzgeber will damit ein Mindestmaß an Information sicherstellen. 1 Vgl. Borchert/Budde in Küting/Weber, HdR, § 275 HGB Rz. 114 (Stand Nov. 2016); Borchert/Budde in Küting/Weber, HdR § 276 HGB Rz. 2 (Stand Nov. 2016); Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 276 HGB Rz. 2. 2 Kessler/Freisleben in MünchKomm. BilR, § 276 HGB Rz. 10.

Berndt

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§ 276 Rz. 7 | Größenabhängige Erleichterungen

D. Sanktionierung 7

Zu möglichen Folgen einer ungerechtfertigten Anwendung des § 276 HGB, z.B. infolge einer Falscheinschätzung der Größenklassen, s. § 267 HGB. Gem. § 256 Abs. 4 AktG kann ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zur Folge haben, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. Die Anwendung der expliziten gesetzlichen Erleichterungen nach § 276 HGB führt natürlich nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Anderes könnte nur gelten im Zusammenspiel der Erleichterungen mit den sonstigen pflichtgemäß zu gewährenden Angaben der Gewinn- und Verlustrechnung, insbes. §§ 275, 277 HGB. Auch die Bußgeldvorschriften nach § 334 Abs. 1 HGB verweisen in Nr. 1 Buchst. c für die Gewinn- und Verlustrechnung nur auf Zuwiderhandlungen gegen die Gliederungsvorschriften nach §§ 275, 277 HGB und nehmen § 276 HGB explizit aus.

§ 277 Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (1) Als Umsatzerlöse sind die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern auszuweisen. (2) Als Bestandsveränderungen sind sowohl Änderungen der Menge als auch solche des Wertes zu berücksichtigen; Abschreibungen jedoch nur, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft sonst üblichen Abschreibungen nicht überschreiten. (3) 1Außerplanmäßige Abschreibungen nach § 253 Absatz 3 Satz 5 und 6 sind jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. 2Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahme und auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrags erhaltene oder abgeführte Gewinne sind jeweils gesondert unter entsprechender Bezeichnung auszuweisen. (4) (weggefallen) (5) 1Erträge aus der Abzinsung sind in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ und Aufwendungen gesondert unter dem Posten „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ auszuweisen. 2Erträge aus der Währungsumrechnung sind in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige betriebliche Erträge“ und Aufwendungen aus der Währungsumrechnung gesondert unter dem Posten „Sonstige betriebliche Aufwendungen“ auszuweisen. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

B. Umsatzerlöse (Abs. 1) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erlöse aus Verkauf, Vermietung, Dienstleistung (Abs. 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abzug von Erlösschmälerungen und Steuern (Abs. 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Bestandsveränderungen (Abs. 2) . . . . . . . . D. Außerplanmäßige Abschreibungen, Verlustübernahme und Gewinnabführung (Abs. 3) I. Außerplanmäßige Abschreibungen (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlustübernahme und Gewinnabführung (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Erträge aus Abzinsung, Währungsumrechnung (Abs. 5) I. Erträge aus Abzinsung (Abs. 5 Satz 1) . . . . . II. Währungsumrechnung (Abs. 5 Satz 2) . . . . . F. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ __ _ 16

19 21 26 27 29

Literatur: Leffson, Der Ausweis des Außerordentlichen nach dem HGB, WPg. 1986, 433; Ballwieser, Die Analyse von Jahresabschlüssen nach neuem Recht, WPg. 1987, 57; Federmann, Außerordentliche Erträge und Aufwendungen in der GuV-Rechnung, Kriterien, Fälle und Fallgruppen, BB 1987, 1071; Groh, Zur Bilanzierung des Skontos, BB 1991, 2334; Marx, Außerordentliche Erträge und außerordentliche Aufwendungen i.S.der §§ 275 Abs. 2 Nr. 15 und 16, 277 Abs. 4 HGB, WPg. 1995, 476; Theile/Stahnke/Nagafi, Abzinsung sonstiger Rückstellungen im Jahresabschluss nach BilMoG, StuB 2011, 323; Zwirner/Künkele/Froschhammer, Angaben zur Fremdwährungsumrechnung nach BilMoG, BB 2011, 1323; Zwirner, Handelsrechtliche Bilanzierung von Verbindlichkeitsrückstellungen – Anmerkungen zu

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| Berndt/Schüppen

B. Umsatzerlöse (Abs. 1)

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Rz. 6 § 277

IDW ERS HFA 34, BB 2012, 1655; Oser/Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), DB 2015, 1729; Peun/Rimmelspacher, Änderungen in der handelsrechtlichen GuV durch das BilRUG, DB 2015, Beil. 5, 12; Richter, Anpassung der Umsatzerlösdefinition durch das BilRUG, DB 2015, 385;

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 277 HGB ist als Ergänzungsvorschrift zu § 275 HGB konzipiert und enthält zu einzelnen, dem Gesetz- 1 geber offenbar besonders wichtigen Posten dieser reinen Formvorschrift teils materielle, zwingend zu beachtende Vorgaben, teils die Postenuntergliederung betreffende formelle Ausweisvorschriften.

II. Bedeutung und Zweck Die Norm entlastet § 275 HGB von sonst dort zu treffenden Regelungen und trägt so zur Lesbarkeit und Übersichtlichkeit des § 275 bei. Der in § 277 Abs. 1 HGB definierte und abgegrenzte Begriff der Umsatzerlöse ist für die GuV-Gliederung und betriebswirtschaftliche Analysen von zentraler Bedeutung.

2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Norm gilt daher – ebenso wie § 275 HGB – grundsätzlich für Kapitalgesellschaften und gleich- 3 gestellte Personengesellschaften. Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 und 2 HGB) oder Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB), die von den für sie jeweils bestehenden Erleichterungen (§ 276 oder § 275 Abs. 5 HGB) Gebrauch machen, weisen zwar Umsatzerlöse bzw. Bestandsveränderungen nicht in eigenen Posten aus. § 277 Abs. 2 und 3 HGB sind gleichwohl auch von Ihnen zu beachten, weil die unter Berücksichtigung dieser Normen ermittelten Beträge unter anderen Posten mit auszuweisen sind. Zudem bestehen rechtsformabhängig Informationsrechte der Gesellschafter (§ 131 Abs. 1 AktG, § 51a Abs. 1 GmbHG) über die sich ohne Inanspruchnahme der Erleichterungen ergebenden Beträge.1

IV. Rechtsentwicklung § 277 HGB ist im Zuge der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in Kraft getreten und diente der Umsetzung 4 der Art. 23 Nr. 7 Buchst. b, 28, 29, 35 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. cc und 39 Abs. 1 Buchst. c Satz 2.2 Maßgeblich sind heute die – weit weniger detaillierten – Vorgaben in Art. 2 Nr. 5 und Art. 13 (iVm. Anhang V oder VI) EU-BilRL. Die Norm ist durch das BilMoG umfangreich geändert worden,3 ihre heutige Fassung erhielt sie durch das BilRuG, das ua. die EU-rechtlich vorgegebene neue Definition der Umsatzerlöse umsetzte.4

B. Umsatzerlöse (Abs. 1) I. Allgemeines Die Umsatzerlöse sind sowohl für das Gesamtkosten- als auch für das Umsatzkostenverfahren Aus- 5 gangspunkt der GuV-Gliederung und von zentraler Bedeutung für die Analyse der Ertragslage. Als Kriterium für die Einschätzung der Größe eines Unternehmens und zur Berechnung einer Reihe gebräuchlicher Erfolgskennzahlen ist ihre Kenntnis unentbehrlich.5 Zudem kommt der Höhe der Umsatzerlöse erhebliche rechtliche Bedeutung zu, ua. ist sie eines der Kriterien für die Größenklassifizierung der §§ 267, 267a HGB. Dieser Bedeutung entsprechend enthält Abs. 1 – anders als für die meisten anderen in der GuV verwendeten Begriffe – eine eigene Inhaltsbestimmung. Umsatzerlöse sind sämtliche Erlöse aus dem Verkauf, der Vermietung, der Verpachtung und der Er- 6 bringung von Dienstleistungen. Seit der Gesetzesänderung durch das BilRuG ist die Qualifikation als 1 Unzutreffend allerdings Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 46, mit der weitergehenden Auffassung, solche Ansprüche würden sich als „grundlegende Informationsrechte“ auch bei der KG auf der Grundlage der §§ 118, 166 HGB ergeben. 2 Siehe detaillierter Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 27 HGB7 Rz. 2. 3 Zu den einschlägigen Erwägungen des Gesetzgebers s. BT-Drucks. 16/10067 (RegBegr.), 69 und BT-Drucks. 16/ 12407 (Rechtsausschuss), 87. 4 Zu den einschlägigen Erwägungen des Gesetzgebers s. BT-Drucks. 18/4050 (RegBegr.), 63 f. und BT-Drucks. 18/ 5256 (Ausschuss für Recht und VerbrSchutz), 82. 5 Ähnlich Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 45.

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§ 277 Rz. 7 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung Umsatzerlöse unabhängig von Außergewöhnlichkeit, Aperiodizität oder Zugehörigkeit zum Kerngeschäft der Kapitalgesellschaft; der Umsatzbegriff ist damit der umfassenden Umsatzdefinition des UStG angenähert.1 Die frühere Bezugnahme auf Umsätze, die die eigentliche Betriebsleistung des Unternehmens betreffen, ist damit im Gesetzeswortlaut vollständig aufgegeben. Bis zu einem gewissen Grad kann – in allerdings zweifelhaftem Umfang – versucht werden, für eine Abgrenzung von den sonstigen betrieblichen Erträgen die Begriffe des „Produkts“ und der „Dienstleistung“ auszulegen.2

II. Erlöse aus Verkauf, Vermietung, Dienstleistung (Abs. 1 Halbs. 1) 7

Ausgangspunkt der Umsatzerlöse sind nach dem Gesetzestext die Erlöse aus dem Verkauf (zu ergänzen: von Erzeugnissen und/oder Handelswaren, Magazin- und Schrottverkäufe3), aus der Vermietung oder Verpachtung von Produkten (zu ergänzen: Patent- und Lizenzeinnahmen) sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen.4 Das BilRUG hat „Waren und Erzeugnisse“ durch „Produkte“ ersetzt und den Bezug zum für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit typischen Leistungsangebot gestrichen.5 Der Begriff des Produkts umfasst die selbst erstellten Erzeugnisse und Handelswaren. Für eine Einschränkung des Produktbegriffs auf solche Vermögensgegenstände, die regelmäßig im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens veräußert werden,6 bietet das Gesetz keinerlei Anhaltspunkte. Nicht überzeugend ist der Versuch, dies daraus abzuleiten, dass die Gesetzesbegründung „Produkte“ mit den früheren „Waren und Erzeugnissen“ gleichsetzen will,7 für die der Bezug auf das „normale Absatzprogramm“ unstreitig war. Solche Überlegungen der Gesetzesbegründung können weder den Gesetzeswortlaut noch die europarechtlich vorgegebene Entscheidung des Gesetzgebers, nicht mehr zwischen „ordentlichen“ und „außerordentlichen“ Umsätzen zu unterscheiden, überspielen.8 Jedenfalls für die Erbringung von Dienstleistungen wird dies auch von der Gegenauffassung anerkannt.9 Seit der Änderung der Umsatzdefinition gehören auch entsprechende Einnahmen aus Nebenbetrieben zu den Umsatzerlösen. Diese Erlöse sind zur Ermittlung der Höhe der Umsatzerlöse zu kürzen um Erlösschmälerungen (s. Rz. 11 ff.) und direkt mit dem Umsatz verbundene Steuern (s. Rz. 12 ff.).

8

Auszuweisen sind nur Außenumsätze, so dass Lieferungen und Leistungen gegenüber rechtlich unselbstständigen Betriebsstätten und Betriebsabteilungen des Unternehmens (Innenumsätze) nicht ansatzfähig sind.10 Kein Innenumsatz, sondern Außenumsatz liegt allerdings bei Lieferungen oder Leistungen gegenüber rechtlich selbstständigen, verbundenen Unternehmen vor. Nicht zu den Umsatzerlösen gehören auch Kostenerstattungen und Subventionen oder Einnahmen aus Schadensersatzleistungen, sie sind unter den sonstigen betrieblichen Erträgen auszuweisen.11 Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist die Frage, ob dem Ertrag ein Leistungsaustausch zugrunde liegt.12 Zweifelhaft kann im Einzelfall die Abgrenzung von Fremdleistungen und als durchlaufende Posten anzusehendem Auslagenersatz sein; während weiterberechnete Fremdleistungen Teil der Umsatzerlöse sind, sind durchlaufende Posten weder als Aufwand noch als Ertrag in der GuV auszuweisen.13

9

Umsatzerlöse liegen grundsätzlich in Höhe des Betrags vor, den die Gesellschaft vom Kunden fordern kann; grundsätzlich ist dies die Rechnungssumme (einschließlich in Rechnung gestellter Nebenleistungen wie Verpackung und Versand).14 Rechnungsbeträge in fremder Währung sind nach dem amtlichen Kurs in Euro umzurechnen (insoweit nur klarstellend § 1 Abs. 2 Satz 4 PublG). Im Fall des Tauschs oder soweit der Kunde an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber durch Sachleistungen bezahlen kann, ist der Wert der als Gegenleistung zu erwartenden Sache maßgeblich, der sich aber oft nur schätzen lassen wird. Bei dieser Schätzung ist – soweit keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung vorliegen – davon auszugehen, dass die von den Parteien des Vertrags gebildete Äquivalenzvorstellung auch den Wert der hingegebenen Sachwerte bestimmt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 48. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 48; s. auch RegBegr. BilRUG, BT-Drucks. 18/5256, 84. Hierzu Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 51. Ausführlicher ADS6, § 277 HGB Rz. 7 ff. WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 767. So IDW HFA, IDW Life 2015, 670. RegBegr. BilRUG, BT-Drucks. 18/5256, 84. AA Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 49; IDW HFA, IDW Life 2015, 670. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 52. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 5. ADS6, § 277 HGB Rz. 20 ff. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 52. ADS6, § 277 HGB Rz. 17. ADS6, § 277 HGB Rz. 29; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 770.

806

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B. Umsatzerlöse (Abs. 1)

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Rz. 15 § 277

III. Abzug von Erlösschmälerungen und Steuern (Abs. 1 Halbs. 2) Die so ermittelten Erlöse sind aufgrund der gesetzlichen Definition der Umsatzerlöse zu kürzen um Erlösschmälerungen und die Umsatzsteuer sowie sonstige direkt mit dem Umsatz verbundene Steuern.

10

Die vom Gesetz adressierten Erlösschmälerungen sind in erster Linie Preisnachlässe wie Skonti und alle 11 Arten von Rabatten, unabhängig von deren Bezeichnung. Auch bei der Gewährung von Naturalrabatten durch Lieferung von Freimengen oder „Warengeschenken“ liegt ein abzuziehender Preisnachlass vor.1 Erlösschmälerungen sind darüber hinaus Gutschriften und andere Formen der Rückgewährung von Entgelten. Abzusetzen sind nicht erst tatsächlich gewährte Preisnachlässe und Gutschriften, sondern auch bereits Zuführungen zu entsprechenden Rückstellungen (zB für Treuerabatte oder Boni, deren Höhe erst nach Ende des Geschäftsjahres festgestellt werden kann).2 Keine Erlösschmälerung, sondern sonstiger betrieblicher Aufwand liegt vor, wenn es zu Gewährleis- 12 tungsfällen kommt3 oder die Forderung gegen den Kunden zum Streit führt und aufgrund gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs ermäßigt wird.4 Gleiches gilt bei Abschreibbungen auf mangels Bonität des Kunden nicht durchsetzbare Forderungen.5 Ebenso stellen auch Vertragsstrafen, die die Kapitalgesellschaft zu bezahlen hat, oder Gewährleistungsaufwand keine Erlösschmälerung, sondern sonstigen betrieblichen Aufwand dar.6 Keine Erlösminderung ist es auch, wenn der „Rabatt“ sich auf eine gesonderte Leistung bezieht.7 Werden Forderungen aus Lieferungen oder Leistungen langfristig gestundet, ohne dass hierfür vom 13 Kunden angemessene Zinsen zu zahlen sind, sind diese abzuzinsen. Der Abzinsungsbetrag ist in diesen Fällen ebenfalls von den Erlösen abzusetzen, Umsatzerlöse liegen nur in Höhe des abgezinsten Gegenwartswerts vor. In Höhe der Differenz entstehen über die Laufzeit der Forderung Zinserträge, die als solche auszuweisen sind.8 Abzuziehen sind die auf die Nettoerlöse nach dem UStG in Rechnung gestellte Steuer sowie vergleichbare ausländische Umsatzsteuern; die Umsatzerlöse sind danach umsatzsteuerlich eine Nettogröße.9 Nach verbreiteter Auffassung ist es allerdings zulässig, innerhalb des Postens Umsatzerlöse eine Untergliederung vorzunehmen, in einer Vorspalte die Bruttoerlöse auszuweisen und den Umsatzsteuerabzug unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer offen abzuziehen.10

14

Abzuziehen sind darüber hinaus seit der Gesetzesänderung durch das BilRUG sonstige direkt mit dem 15 Umsatz verbundene Steuern. Hierher zu rechnen sind insbes. Verbrauchsteuern und Monopolabgaben wie zB Mineralölsteuer, Biersteuer, Sektsteuer, oder Tabaksteuer. Maßgeblich für den direkten Umsatzzusammenhang der Steuer ist, dass der Zeitpunkt der Steuerentstehung mit dem Zeitpunkt der handelsrechtlichen Umsatzrealisation zusammenfällt.11 Die zum älteren Recht geführte Diskussion, ob § 1 Abs. 2 Satz 3 PublG, der stets einen Abzug von Verbrauchsteuern oder Monopolabgaben vorsah, klarstellend oder konstitutiv ist,12 hat sich damit erledigt. Das Gesetz sieht zwar eine Kürzung der Erlöse um diese Steuern vor, verdeutlicht aber andererseits deren unmittelbaren Zusammenhang mit dem Umsatz. Diese Steuern sind daher als sonstiger betrieblicher Aufwand und nicht etwa als sonstige Steuern in der GuV auszuweisen.

1 Grundsätzlich ebenso ADS6, § 277 HGB Rz. 30 mit unverständlicher Einschränkung, weil „insoweit kein Bruttoerlös anfalle“; darauf kommt es natürlich nicht an, weil der Erlös ohne Abzug der Sachzuwendung schlicht zu hoch ausgewiesen wird. 2 ADS6, § 277 HGB Rz. 33; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 773; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 62 f. mit zutreffendem Hinweis (Rz. 63 aE), dass etwaige Auflösung der zu Lasten der Umsatzerlöse gebildeten Rückstellung ebenfalls zugunsten der Umsatzerlöse vorzunehmen ist. 3 Hierzu Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 63. 4 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 65 aE. 5 ADS6, § 277 HGB Rz. 31. 6 ADS6, § 277 HGB Rz. 36; aA betr. Gewährleistungsaufwand Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 9. 7 S. BFH v. 11.5.2006 – V R 33/03, BStBl. II 2006, 699 zu verbilligtem Parken. 8 ADS6, § 277 HGB Rz. 35; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 9; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 65. 9 ADS6, § 277 HGB Rz. 37. 10 ADS6, § 277 HGB Rz. 37; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 770; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 66. 11 WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 771; Richter, DB 2015, 385 (386); Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 67. 12 ADS6, § 277 HGB Rz. 38.

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§ 277 Rz. 16 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung

C. Bestandsveränderungen (Abs. 2) 16

§ 277 Abs. 2 HGB bezieht sich auf § 275 Abs. 2 Nr. 2 HGB und enthält zwei Konkretisierungen zum Ausweis der Bestandsveränderungen. Da das Umsatzkostenverfahren keinen solchen Posten enthält, sind diese Regelungen nur für das Gesamtkostenverfahren relevant. Bei Dienstleistungsunternehmen und Baubetrieben werden hier noch nicht abgerechnete Leistungen („angearbeitete Aufträge“) ausgewiesen, was idR die Anpassung der Postenbezeichnung an den tatsächlichen Inhalt sinnvoll macht.1

17

§ 277 Abs. 2 Halbs. 1 ordnet an, dass sowohl Mengenänderungen als auch Wertänderungen als Bestandsveränderungen zu erfassen sind. Das wäre ohne die Norm nicht ohne Weiteres klar, da es nach Begriff und Funktion des Postens auch denkbar wäre, nur Mengenveränderungen hier und Wertveränderungen als sonstige Erträge bzw. Aufwendungen zu erfassen.2 Als Wertveränderungen kommen insbes. nachträgliche Veränderungen der Herstellungs-/Anschaffungskosten und erforderliche Abschreibungen in Betracht.3

18

Von dem Grundsatz, dass Wertveränderungen im Posten der Bestandsveränderungen zu erfassen sind, enthält § 277 Abs. 2 Halbs. 2 eine Ausnahme, weil er die Abschreibungen, die die „in der Kapitalgesellschaft sonst üblichen Abschreibungen“ (hierzu § 275 HGB Rz. 82) überschreiten, aus den wertmäßigen Veränderungen der Bestände ausklammert. Diese „unüblichen“ Abschreibungen sind im Posten § 275 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b HGB auszuweisen. Die in der GuV auszuweisende Bestandsveränderung ist daher um den Betrag dieser Abschreibungen höher als die tatsächliche, bilanzierte wertmäßige Bestandsveränderung; in Extremfällen kann dies dazu führen, dass sich in der GuV eine Bestandserhöhung ergibt, während die Bilanz eine Bestandsverminderung zeigt.4 Eine Erläuterung im Anhang, die dem Jahresabschlussadressaten die gesetzliche Regelung in Erinnerung ruft, kann sinnvoll sein.5

D. Außerplanmäßige Abschreibungen, Verlustübernahme und Gewinnabführung (Abs. 3) I. Außerplanmäßige Abschreibungen (Abs. 3 Satz 1) 19

Außerplanmäßige Abschreibungen nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB auf den niedrigeren am Abschlussstichtag beizulegenden Wert sind bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens zwingend vorzunehmen, wenn es sich um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung handelt. Nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB kann eine solche außerplanmäßige Abschreibung bei Finanzanlagen bei jeder Wertminderung zum Abschlussstichtag vorgenommen werden, auch wenn diese voraussichtlich nicht von Dauer sein wird. Die Höhe solcher Abschreibungen ist „jeweils“ gesondert auszuweisen, dh. eine Zusammenfassung zu einem Betrag kommt nicht in Betracht.

20

Das Gesetz räumt ausdrücklich ein Wahlrecht ein, die gesonderte Angabe in der GuV oder im Anhang zu machen. Wird der gesonderte Ausweis in der GuV gewählt, so kommt ein Sonderausweis unter einem entsprechenden eigenen Posten oder eine Untergliederung im jeweiligen Aufwandsposten in Betracht.6 Da diese Aufteilung dann aber bei einer Reihe in Betracht kommender Aufwandsposten erforderlich ist, ist die Angabe im Anhang einfacher und übersichtlicher.7

21

An die Stelle der Beteiligungserträge (§ 275 Abs. 2 Nr. 9 bzw. Abs. 3 Nr. 8 HGB) treten im Vertragskonzern Erträge aus Gewinnabführungen, darüber hinaus können sich Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahmen ergeben. § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB adressiert solche Erträge und Aufwendungen für die Fälle der Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG), des Gewinnabführungsvertrags (§ 291 Abs. 1 AktG) und des Teilgewinnabführungsvertrags (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Zu den Teilgewinnabführungsverträgen zählen regelmäßig auch stille Beteiligungen.8 Die genannten aktienrechtlichen Normen sind auf GmbH entsprechend anwendbar, für den gesonderten Ausweis kommt es auf die Rechtsform der beteiligten Unternehmen nicht an.9 Verlustübernahmen gem. § 302 AktG (ggf. analog) kommen darüber hinaus

II. Verlustübernahme und Gewinnabführung (Abs. 3 Satz 2)

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zutreffend Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 79. Insofern ist Abs. 2 nicht klarstellend – so aber ADS6, § 277 HGB Rz. 42 –, sondern durchaus konstitutiv. Siehe auch Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 77. ADS6, § 277 HGB Rz. 43. ADS6, § 277 HGB Rz. 47 erwägen auch alternativ eine klarstellende Anpassung der Postenbezeichnung. Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 277 HGB Rz. 3. ADS6, § 277 HGB Rz. 49; ähnlich Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 13. WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 749; Koch in Hüffer/Koch, AktG12, § 292 Rz. 12 ff. ADS6, § 277 HGB Rz. 53; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 15.

808

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E. Erträge aus Abzinsung, Währungsumrechnung (Abs. 5)

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Rz. 26 § 277

auch bei anderen Unternehmensverträgen, namentlich im Fall des Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs. 1 AktG) oder in Fällen des Betriebspacht oder -überlassungsvertrags (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG) in Betracht. Darüber hinaus erfasst die Norm neben den gesetzlichen Verlustübernahmeverpflichtungen auch entsprechende vertragliche Verpflichtungen, die dem Ziel dienen, Verluste zu übernehmen.1 Einen gesonderten Ausweis von Erträgen und Aufwendungen aus Gewinnabführungen und Verlustübernahmen sehen die europäischen Richtlinien nicht vor. Durch § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB sollte aus der Sicht des deutschen Gesetzgebers „der bisherige Rechtszustand“ (§ 157 AktG 1965 aF) beibehalten wurden.2 Dies war nach Art. 4 Abs. 1 4. EG-BilRL zulässig; auch unter dem Regime der EU-BilRL wird man davon ausgehen müssen, dass diese die Abweichung ermöglicht.

22

Der vorgeschriebene gesonderte Ausweis der betroffenen Erträge und Aufwendungen kann in eigenen 23 Posten oder durch Untergliederung derjenigen Posten, unter denen die Aufwendungen und Erträge ohne die Bestimmung des § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB auszuweisen wären, erfolgen.3 Da die Erträge und Aufwendungen „jeweils“ gesondert auszuweisen sind, kommt eine Verrechnung von Aufwendungen und Erträgen nicht in Betracht.4 Allerdings sind die Erträge einerseits, die Aufwendungen andererseits aus mehreren Verträgen der gleichen Art zusammenzufassen. Die Erträge sind gem. § 158 Abs. 2 AktG, der bei der GmbH entsprechend anzuwenden ist, zu kürzen 24 bzw. die Aufwendungen sind zu erhöhen um Ausgleichzahlungen für außenstehende Gesellschafter; diese sind also mit dem abgeführten Gewinn zu verrechnen und der übersteigende Betrag als Aufwand aus Verlustübernahme auszuweisen.5 Solche Ausgleichszahlungen können gem. § 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AktG als Ausgleichszahlung oder gem. § 304 Abs. 1 Satz 2 AktG als Garantiedividende geschuldet sein. Die Zahlung kann direkt von der Muttergesellschaft oder zur Weiterleitung an die außenstehenden Aktionäre von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft geleistet werden. Verwaltungskostenumlagen sind kein abzuführender Gewinn, sondern Aufwand und Ertrag im Zusammenhang mit einem Leistungsaustausch.6 Kann der Ertrag zweifelsfrei beziffert werden, so ist der Ertrag bei Bestehen eines Gewinnabführungsver- 25 trags und gleichem Jahresabschlussstichtag auch dann zu vereinnahmen, wenn der zum gleichen Stichtag endende Jahresabschluss der Tochtergesellschaft noch nicht festgestellt ist; für die Annahme eines bloßen Wahlrechts gibt es unter dieser Voraussetzung keine Veranlassung.7 Für Verluste, die absehbar übernommen werden müssen, kann es aufgrund des Imparitätsprinzips auch dann erforderlich sein, Rückstellungen zu bilden, wenn das Geschäftsjahr der Obergesellschaft vor dem der Tochtergesellschaft endet; der Aufwand für die Bildung einer solchen Rückstellung ist als Aufwand aus Verlustübernahme auszuweisen.8

E. Erträge aus Abzinsung, Währungsumrechnung (Abs. 5) I. Erträge aus Abzinsung (Abs. 5 Satz 1) § 277 Abs. 5 Satz 1 HGB in der Neufassung durch das BilMoG klärt die Frage, wo Erträge und Aufwen- 26 dungen aus der Abzinsung von langfristigen, unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Forderungen bzw Verbindlichkeiten auszuweisen sind. Sie sind gesondert unter den im Gesetz genannten Posten als Zinsertrag bzw. Zinsaufwand auszuweisen. Die Norm korrespondiert der durch § 253 Abs. 2 HGb ebenfalls mit dem BilMoG eingeführten Abzinsungspflicht für Rückstellungen und auf Rentenverpflichtungen beruhende Verbindlichkeiten. Hier auszuweisen sind aber auch Erträge und Aufwendungen aus der Abzinsung anderer Verbindlichkeiten.9

1 ADS6, § 277 HGB Rz. 62; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 16. 2 RegBegr. BiRiLiG, BT-Drucks. 10/317, 85 (zu § 253 HGB-E). 3 Dezidiert für Einordnung als eigenständige Gliederungsposten Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 277 HGB Rz. 7; dort Rz. 19 auch zur Einordnung des gesonderten Postens in das Gliederungsschema innerhalb des Finanzergebnisses. 4 ADS6, § 277 HGB Rz. 66; WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 750; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 277 HGB Rz. 14. 5 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 19; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 277 HGB Rz. 13. 6 ADS6, § 277 HGB Rz. 70. 7 Wohl wie hier Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 277 HGB Rz. 17; für Wahlrecht aber ADS6, § 277 HGB Rz. 71. 8 Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 277 HGB Rz. 18; aA ADS6, § 277 HGB Rz. 72. 9 Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 31.

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§ 277 Rz. 27 | Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung

II. Währungsumrechnung (Abs. 5 Satz 2) 27

Aufwendungen und Erträge aus Währungsumrechnungen können erhebliche Bedeutung haben und sind erfahrungsgemäß in Ausmaß und Vorzeichen von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr stark schwankend. § 277 Abs. 5 Satz 2 HGB sieht vor, dass diese einerseits unter den sonstigen betrieblichen Erträgen bzw. sonstigen betrieblichen Aufwendungen, andererseits unter diesen Posten gesondert auszuweisen, also in einem Davon-Vermerk oder einem Unterposten betragsmäßig anzugeben sind. Auch Ergebnisauswirkungen von Währungsderivaten sind Aufwand oder Ertrag aus Währungsumrechnung, auch wenn die Wechselkursänderung hier „nur die Bemessungsgrundlage“ darstellt;1 entscheidend ist, dass es sich ebenfalls um einen durch Wechselkursänderungen bestimmten Erfolg oder Misserfolg handelt.

28

Der die Währungsumrechnung normierende § 256a HGB betrifft (nur) die Umrechnung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten zum Abschlussstichtag. § 277 Abs. 5 Satz 2 HGB nimmt auf diese Vorschrift jedoch nicht ausdrücklich Bezug. Es wäre mit dem Zweck der durch § 277Abs. 5 Satz 2 HGB eröffneten Möglichkeit der Erfolgsspaltung daher nicht zu vereinbaren, unterjährig bereits realisierte Währungsgewinne und -verluste hier auszuklammern; sie sind ebenfalls zusammen mit den Effekten der Währungsumrechnung zum Stichtag auszuweisen.2

F. Sanktionen 29

Verstöße gegen § 277 HGB sind aufgrund dessen Ergänzungscharakter zu § 275 HGB immer Verstöße gegen die Vorschriften über die Gliederung der GuV, so dass sich die dort (§ 275 HGB Rz. 107 ff.) erläuterten Rechtsfolgen ergeben können.

§ 278 (weggefallen)

Vierter Titel (weggefallen) §§ 279–283 (weggefallen)

Fünfter Titel Anhang § 284 Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (1) 1In den Anhang sind diejenigen Angaben aufzunehmen, die zu den einzelnen Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung vorgeschrieben sind; sie sind in der Reihenfolge der einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung darzustellen. 2Im Anhang sind auch die Angaben zu machen, die in Ausübung eines Wahlrechts nicht in die Bilanz oder in die Gewinnund Verlustrechnung aufgenommen wurden. (2) Im Anhang müssen 1 AA Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 173. 2 Ebenso WP Handbuch 2017, Kap. F Rz. 808; Schmidt/Peun in Beck BilKomm.10, § 275 HGB Rz. 173; aA Wobbe, in Haufe BilKomm.7, § 277 HGB Rz. 45; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 277 HGB Rz. 32.

810

| Schüppen/Peters

Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung

| § 284

1. die auf die Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden angegeben werden; 2. Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden angegeben und begründet werden; deren Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist gesondert darzustellen; 3. bei Anwendung einer Bewertungsmethode nach § 240 Abs. 4, § 256 Satz 1 die Unterschiedsbeträge pauschal für die jeweilige Gruppe ausgewiesen werden, wenn die Bewertung im Vergleich zu einer Bewertung auf der Grundlage des letzten vor dem Abschlussstichtag bekannten Börsenkurses oder Marktpreises einen erheblichen Unterschied aufweist; 4. Angaben über die Einbeziehung von Zinsen für Fremdkapital in die Herstellungskosten gemacht werden. (3) 1Im Anhang ist die Entwicklung der einzelnen Posten des Anlagevermögens in einer gesonderten Aufgliederung darzustellen. 2Dabei sind, ausgehend von den gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten, die Zugänge, Abgänge, Umbuchungen und Zuschreibungen des Geschäftsjahrs sowie die Abschreibungen gesondert aufzuführen. 3Zu den Abschreibungen sind gesondert folgende Angaben zu machen: 1. die Abschreibungen in ihrer gesamten Höhe zu Beginn und Ende des Geschäftsjahrs, 2. die im Laufe des Geschäftsjahrs vorgenommenen Abschreibungen und 3. Änderungen in den Abschreibungen in ihrer gesamten Höhe im Zusammenhang mit Zu- und Abgängen sowie Umbuchungen im Laufe des Geschäftsjahrs. 4Sind in die Herstellungskosten Zinsen für Fremdkapital einbezogen worden, ist für jeden Posten des Anlagevermögens anzugeben, welcher Betrag an Zinsen im Geschäftsjahr aktiviert worden ist. A. I. II. III. IV. B. I. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. 4. IV. C. I. 1. 2. 3.

II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabepflichten gem. Abs. 1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtangaben (Abs. 1 Satz 1) Pflichtangaben nach dem HGB (außer §§ 284 Abs. 2, 285 und § 286 Abs. 3 Satz 4 HGB) . . Pflichtangaben nach dem EGHGB . . . . . . . . Pflichtangaben nach dem AktG . . . . . . . . . . Wahlpflichtangaben (Abs. 1 Satz 2) Wahlpflichtangaben nach dem HGB . . . . . . Wahlpflichtangaben nach dem EGHGB . . . . Wahlpflichtangaben nach dem AktG . . . . . . Wahlpflichtangaben nach dem GmbHG . . . Freiwillige Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabepflichten gem. Abs. 2 Angabe der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (Abs. 2 Nr. 1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabe der Bilanzierungsmethoden . . . . . . Angabe der Bewertungsmethoden a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertungsmethoden für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens . . . . . c) Bewertungsmethoden für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens . . . . . d) Angaben zu aktiven Rechnungsabgrenzungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bewertungsmethoden für Passivposten . . Angabe und Begründung der Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (Abs. 2 Nr. 2)

__ __ _ __ _ __ __ _ __ _ _ _ __ 1 5

18 21 27 30 31 32 33 34 35 36 37

39 40

1. 2. 3. 4. III. IV. D. I. II. III. 1.

2.

46 52 55 56 57

IV. E.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen von Bilanzierungsmethoden . Abweichungen von Bewertungsmethoden . . Darstellung des Einflusses auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweis von Unterschiedsbeträgen (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben über die Einbeziehung von Zinsen für Fremdkapital (Abs. 2 Nr. 4) . . . . . . . . . . Entwicklung des Anlagevermögens (Abs. 3) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederung (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . Bestandteile der horizontalen Gliederung (Abs. 3 Satz 2 und 3) Anschaffungs- und Herstellungskosten, Zugänge, Abgänge, Umbuchungen und Zuschreibungen des Geschäftsjahrs (Abs. 3 Satz 2) a) Gesamte (historische) Anschaffungs- und Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zugänge des Geschäftsjahrs . . . . . . . . . . c) Abgänge des Geschäftsjahrs . . . . . . . . . . d) Umbuchungen des Geschäftsjahrs . . . . . e) Zuschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . Abschreibungen (Abs. 3 Satz 3) a) Gesamte Abschreibungen (Abs. 3 Satz 3 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Abs. 3 Satz 3 Nr. 2) . . . . . . . . . . . c) Änderungen der gesamten Abschreibungen (Abs. 3 Satz 3 Nr. 3) aa) Änderungen durch Zugänge . . . . . . bb) Änderungen durch Abgänge . . . . . . cc) Änderungen durch Umbuchungen . . Angaben zu Fremdkapitalzinsen (Abs. 3 Satz 4) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Peters

|

__ _ _ _ _ __ 61 65 67 69 72 76 78 81

__ __ _ _ _ __ __ _ 88 89 91 93 94 96 97

98 99 100 101 102

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§ 284 Rz. 1 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung Literatur: Hoffmann, Anmerkungen über den Grundsatz der Wesentlichkeit im Anhang, BB 1986, 1050; Selchert, Die Aufgliederung der Umsatzerlöse gemäß § 285 Nr. 4 HGB, BB 1986, 560; Gschrei, Die Berichterstattung über den Anteilsbesitz im Jahresabschluss, BB 1990, 1587; Wehrheim, Angaben zum Anteilsbesitz im Einzel- bzw. Konzernanhang, BB 1995, 454; Löw/Roggenbuck, Neue Publizitätsanforderungen zu Anteilsbesitzverhältnissen für den Jahresabschluss 1999, DB 1999, 2481; Frye, Neue Pflichtangaben in Anhang und Lagebericht einer HGB-Bilanz, BC 2005, 10; Leuering/Simon, Offene Fragen zur Offenlegung der Vorstandsvergütung, NZG 2005, 945; Bauer/Arnold, Vorstandsverträge im Kreuzfeuer der Kritik, DB 2006, 260; Kirsch, Neue Anhangangabepflichten zum Jahresabschluss nach dem BilMoG-RegE, StuB 2008, 878; Kuthe/Geiser, Die neue Corporate Governance Erklärung – Neuerung des BilMoG in § 289a HGB-RE, NZG 2008, 172; Niehus, Berichterstattung über Geschäfte mit nahestehenden natürlichen Personen nach dem BilMoG und dem deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2008, 2493; Falkenhausen, v./Kocher, Die Begründungspflicht für Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex nach dem BilMoG, ZIP 2009, 1149; Hoffmann, Der Anhang vor und nach dem BilMoG, BRZ 2009, 259; Niehus, Nahestehende Personen nach dem BilMoG, Anhangsangaben mit brisanten steuerlichen Auswirkungen, DStR 2009, 2280; Petersen/ Zwirner/Busch, Berichterstattungspflichten im Zusammenhang mit natürlichen Personen: nahestehende Personen und Abhängigkeitsbericht, BB 2009, 1854; Wiechers, Auswirkungen des BilMoG auf den Anhang, BBK 2009, 1220; Withus, Die Entsprechenserklärung zum DCGK: Geänderte Anforderungen durch das BilMoG, Der Aufsichtsrat 2009, 142; Wulf, Angaben zu Geschäften mit nahestehenden Personen nach § 285 Nr. 21 HGB, Stbg. 2009, 497; Zwirner, Herausforderungen und Risiken der neuen Anhangberichterstattung nach BilMoG, BB 2009, Satz 2302; Zwirner/ Roth, Handlungsbedarf für die Anhang-Berichterstattung bereits in 2009, BRZ 2009, 457; Philipps/Schöneberg, Außerbilanzielle Geschäfte im Jahresabschluss – Erweiterte Anhangangaben durch das BilMoG, BBK 2010, 267; Wollmert/Oser/Graupe, Anhangangaben zu den Abschlussprüferhonoraren und zu marktunüblichen Geschäften nach BilMoG, StuB 2010, 123; Kling, Anhangangaben zur Honorierung des Abschlussprüfers nach dem BilMoG, WPg. 2011, 209; Mayer-Uellner, Zur Zulässigkeit finanzieller Leistungen Dritter an die Mitglieder des Vorstands, AG 2011, 193; Oser/Orth/Wirtz, Neue Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – Anmerkungen zum Referentenentwurf, DB 2014, 1877; Fink/Theile, Anhang und Lagebericht nach dem RegE zum Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, DB 2015, 753; Kirsch, Erweiterte Anhangangaben durch den BilRUG-RegE – Aufstellung von (zusätzlichen) Spiegeln und Entwicklungsrechnungen, BBK 2015, 321; Lüdenbach/ Freiberg, BilRUG-RefE: Nur „punktuelle Änderungen“?, BB 2015, 2219; Oser/Orth/Wirtz, Neue Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – Anmerkungen zum RegE vom 7.1. 2015, DB 2015, 197; Rimmelspacher/Meyer, Änderungen im (Konzern)Anhang durch das BilRUG, DB 2015, Beil 5, 23; Rimmelspacher/Reitmeier, Anwendungsfragen zum (Konzern-)Anhang nach BilRUG, WPg. 2015, 1003; Theile, Der Jahres- und Konzernabschluss der GmbH und GmbH & Co. nach dem Regierungsentwurf eines Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG), GmbHR 2015, 281; Zwirner/Boecker, Reformierung des HGB durch das BilRUG: Neue Angabepflichten im Anhang zum Einzelabschluss, BC 2015, 29.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB trifft Kapitalgesellschaften die Verpflichtung, ihren Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern. Die §§ 284–288 HGB geben dabei vor, welche Angaben im Anhang enthalten sein müssen. Daneben finden sich allerdings sowohl im HGB als auch in weiteren Spezialgesetzen verschiedene weitere Vorschriften, nach denen ergänzende Pflichtangaben im Anhang vorzunehmen sind. Auch die Generalklausel des § 264 Abs. 2 HGB kann es notwendig machen, im Rahmen des Anhangs über weitere Sachverhalte zu berichten.

2

§ 284 Abs. 1 HGB ist dem fünften Titel („Anhang“) des ersten Unterabschnitts („Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft und Lagebericht“) vorangestellt. Er sieht vor, dass – in der Reihenfolge der einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung – in den Anhang diejenigen Angaben aufzunehmen sind, die (i) zu den einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung vorgeschrieben oder die (ii) im Anhang zu machen sind, weil sie in Ausübung eines Wahlrechts nicht in die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen wurden. Die Vorschrift gibt damit – gewissermaßen vor der Klammer – den Mindestinhalt des Anhangs vor.1

3

§ 284 Abs. 1 HGB trifft im Kern die Regelung, dass in den Anhang die Angaben aufzunehmen sind, die gesetzlich vorgeschrieben sind oder aufgrund der Ausübung eines Ausweiswahlrechts im Anhang zu erbringen sind. Dies ist eigentlich selbstverständlich und zur Herbeiführung dieser Rechtsfolge hätte es bei genauer Betrachtung einer eigenständigen gesetzlichen Regelung nicht bedurft. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, § 284 Abs. 1 HGB erweiternd in der Weise auszulegen, dass neben dem durch den Gesetz vorgeschriebenen Mindestinhalt in den Anhang auch keine Angaben aufgenommen werden sollen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.2 Freiwillige zusätzliche Angaben sind damit nur dann 1 So auch Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 1. 2 So auch Altenburger in Kölner Komm. RLR, § 284 HGB Rz. 7 ff.

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Rz. 10 § 284

zulässig, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen den freiwilligen Angaben und dem Jahresabschluss besteht oder diese der Verdeutlichung gesetzlich vorgegebener Angabepflichten dienen (vgl. hierzu auch unter Rz. 37 f.). § 284 Abs. 2 HGB enthält spezielle Angabepflichten, mit denen der Zweck verfolgt wird, die Bilanz und 4 die Gewinn- und Verlustrechnung näher zu erläutern. Hierdurch soll – ebenso wie durch die Pflichtangaben des § 285 HGB – der Informationswert des Jahresabschlusses erhöht und dem Adressaten des Jahresabschlusses ein tieferer Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft ermöglicht werden.

II. Bedeutung und Zweck Gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB bildet der Anhang einen integralen Bestandteil des Jahresabschlusses. Im 5 Rahmen des Jahresabschlusses erfüllt der Anhang im Wesentlichen die Funktion, dazu beizutragen, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt (sogenannte Informationsfunktion des Anhangs).1 Um diese Zielsetzung zu erfüllen, enthält der Anhang eine Vielzahl von Einzelinformationen zur Bilanz sowie zur Gewinn- und Verlustrechnung und zu den angewandten Bewertungs- und Abschreibungsmethoden. Der Anhang dient der Interpretation von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Er erfüllt daher 6 zwangsläufig auch eine Erklärungsfunktion. Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung lassen keinen Raum für verbale Erläuterungen, die dazu dienen, den Aussagegehalt der Zahlen zutreffend zu erfassen. Solche Erläuterungen sind vielmehr Gegenstand des Anhangs, in dem die Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung interpretiert, Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie Aufgliederungen und Zusammenstellungen gemacht und verschiedene weitere, das Verständnis fördernde Angaben erbracht werden.2 Dem Anhang kommt zudem auch eine Entlastungsfunktion zu: Das Gesetz gibt an verschiedenen Stellen 7 die Möglichkeit, Angaben, die ansonsten in der Bilanz oder in der Gewinn- und Verlustrechnung zu machen wären, in den Anhang zu verlagern (zB Ausweiswahlrechte gem. § 265 Abs. 3 Satz 1 HGB oder 277 Abs. 3 Satz 1 HGB). Durch die Ausübung von Ausweiswahlrechten kann die Aussagekraft des Jahresabschlusses durch Konzentration der wesentlichen Angaben in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung verbessert werden.3 Gem. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB sind in den Anhang zusätzliche Angaben aufzunehmen, wenn der Jahres- 8 abschluss ohne solche Angaben ein den tatsächlichen Verhältnissen der Kapitalgesellschaft entsprechendes Bild nicht vermittelt. Insofern kommt dem Anhang auch eine Korrekturfunktion zu.4 Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein nach dem Gesetz aufgestellter Jahresabschluss im Regelfall dem Einblicksgebot entspricht, ist der Anwendungsbereich des § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB allerdings auf seltene Ausnahmefälle beschränkt (vgl. hierzu auch § 264 HGB Rz. 57 ff.). Die Korrekturfunktion des Anhangs dürfte daher nur relativ selten zum Tragen kommen. Eine allgemeine Korrekturfunktion in dem Sinne, dass unzutreffende Angaben in der Gewinn- und Verlustrechnung durch zusätzliche Angaben im Anhang richtig gestellt können, erfüllt der Anhang nicht.5 Für die Berichterstattung im Anhang gelten die gleichen Berichtsgrundsätze wie für die übrigen Teile 9 des Jahresabschlusses. Der Anhang muss daher so aufgestellt werden, dass dieser unter Beachtung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung und unter Einhaltung der allgemeinen Grundsätze einer gewissenhaften und ordnungsgemäßen Rechenschaftslegung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- Finanz- und Ertragslage vermittelt.6 Konkret bedeutet dies, dass der Anhang wahr, klar, und übersichtlich sein muss. Zugleich muss er auch so vollständig sein, dass er in der Lage ist, das geforderte den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bild zu vermitteln. Von besonderer Bedeutung ist zudem, dass der Anhang verständlich ist. Er sollte daher so ausgestaltet 10 werden, dass er durchschnittlich Vorgebildeten das Rechenwerk und insbes. die angewandten BewertungsADS6, § 264 HGB Rz. 10; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 10. Ähnlich Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 11; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 8. ADS6, § 284 HGB Rz. 13; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 11. Ebenso Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 11; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 10 und ADS6, § 284 HGB Rz. 15 bezeichnen diese Funktion als „Ergänzungsfunktion“. 5 ADS6, § 284 HGB Rz. 15; Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 11. 6 ADS6, § 284 HGB Rz. 16; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 10; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 13. 1 2 3 4

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§ 284 Rz. 11 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung und Ausweismethoden verständlich machen kann.1 Bei einer Bezugnahme auf Paragraphen ist darauf zu achten, dass die entsprechenden Erläuterungen aus sich heraus ohne Heranziehung der entsprechenden Vorschrift verständlich sind.2 11

Eine Grenze für die erforderlichen Anhangangaben wird durch den Grundsatz der Wesentlichkeit gezogen. Der Anhang darf also nicht so aufgestellt werden, dass eine Vielzahl unwichtiger Informationen den Blick auf die wesentlichen Informationen verstellt.3 Welche Informationen wesentlich sind, obliegt dabei einer Beurteilung im Einzelfall.4

12

Bei der Aufstellung des Anhangs sind zudem auch die Bewertungsgrundsätze des § 252 HGB zu befolgen (zB das Vorsichtsprinzip oder Grundsatz der Bilanzkontinuität).5

13

Ebenso wie für Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung gilt auch für den Anhang der Grundsatz der formellen Stetigkeit.6 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 265 Abs. 1 HGB, der – anders als die meisten anderen Absätze des § 265 HGB – nicht ausdrücklich nur auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung Bezug nimmt, sondern lediglich davon spricht, dass „insbesondere“ bei der Gliederung von aufeinanderfolgenden Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen auf Darstellungsstetigkeit zu achten ist.7

14

Das Gesetz enthält keine Vorgaben zu Form oder Gliederung des Anhangs. Damit klar ersichtlich ist, welche Informationen durch den Abschlussprüfer geprüft wurden, ist es allerdings unerlässlich, den Anhang als solchen zu überschreiben und damit jedenfalls eine klare Trennung vom Lagebericht sowie einer etwaigen freiwilligen zusätzlichen Berichterstattung vorzunehmen.8

15

Sofern neben dem Jahres- auch ein Konzernabschluss aufgestellt wird, besteht gem. § 298 Abs. 3 HGB die Möglichkeit, den Anhang des Einzelabschlusses mit dem Konzernanhang zusammenzufassen. In diesem Fall ist allerdings kenntlich zu machen, welche Angaben sich auf den Konzern und welche Angaben sich nur auf das Mutterunternehmen beziehen (§ 298 Abs. 2 Satz 3 HGB).

16

Um den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit zu wahren, ist es erforderlich, die in den Anhang aufzunehmenden Angaben nach sachlichen Gesichtspunkten zu strukturieren und zu gliedern.9 Dabei ist es nicht notwendig, die in den §§ 284, 285 HGB gewählte gesetzliche Reihenfolge der Angabepflichten einzuhalten. Es empfiehlt sich vielmehr, die geforderten Einzelangaben in einen sachlichen Zusammenhang mit anderen Erläuterungen zu den Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung zu bringen. In der Literatur werden zahlreiche Vorschläge dazu gemacht, wie eine sinnvolle Gliederung der Bilanz aussehen könnte. Sehr häufig wird dabei folgende Grobgliederung für den Anhang empfohlen:10

17

– Allgemeine Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (einschließlich der Grundlagen der Währungsumrechnung), – Erläuterung der Bilanz, – Erläuterung der Gewinn- und Verlustrechnung, – Sonstige Angaben, – Organmitglieder.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 18

Die Vorschriften über den Anhang – und damit auch § 284 HGB – gelten für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB. Für kleine (§ 267 Abs. 1 HGB) und mittelgroße (§ 267 Abs. 2 HGB) Kapitalgesellschaften besteht die Möglichkeit, bei der Aufstellung und Offenlegung des Anhangs verschiedene Befreiungen und Erleichterungen in Anspruch zu nehmen. KleinstkapitalgesellschafClaussen in Kölner Komm. AktG3, §§ 284–288 HGB Rz. 18. WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 667; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 10. ADS6, § 268 HGB Rz. 23; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 13. Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 15. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 15; Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 17. Ebenso Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 28; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 21. Altenburger in Kölner Komm. RLR, § 284 HGB Rz. 21; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 28; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 21; aA WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 677; Schülen, WPg. 1987, 223 (224). 8 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 20. 9 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 20. 10 Vgl. etwa Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 20; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 674; Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 24; ähnlich auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 31, der lediglich die Angaben zu Organmitgliedern nicht explizit als separaten Gliederungspunkt angibt. 1 2 3 4 5 6 7

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Rz. 24 § 284

ten dürfen auf die Aufstellung eines Anhangs verzichten, sofern die in § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB genannten Angaben unter der Bilanz gemacht werden. Da Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen gem. § 340a Abs. 1 HGB bzw. § 341a Abs. 1 HGB stets verpflichtet sind, einen Anhang nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen, müssen auch diese grundsätzlich die Angabepflichten des § 284 HGB beachten, ohne dass für diese die Erleichterungen und Befreiungen des § 288 HGB eingriffen. Gem. § 340a Abs. 2 HGB sind Kreditinstitute allerdings von der Angabepflicht gem. § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB befreit.

19

Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind, unterfallen nur dann dem Anwendungsbereich des § 284 HGB, wenn diese gem. § 5 Abs. 2 PublG verpflichtet sind, einen Anhang aufstellen.

20

IV. Rechtsentwicklung § 284 HGB ist inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit dem Erläuterungsbericht gem. § 160 Abs. 2 AktG 1965. Allerdings ist der Anhang – anders als der Erläuterungsbericht nach früherem Recht – Bestandteil des Jahresabschlusses. Zudem geht der Umfang des Anhangs deutlich über den früheren Erläuterungsbericht hinaus.

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Durch das BiRiLiG1 1985 wurde der Anhang als fester Bestandteil des Jahresabschlusses etabliert und zu diesem Zweck auch die § 284 HGB neu in das Gesetz eingefügt. Die Vorschrift setzt viele der umfangreichen in Art. 43 der 4. Richtlinie vom 25. Juli 19782 enthaltenen europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht um.

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Im Zuge des BilMoG3 hat § 284 HGB unmittelbar keine Änderungen erfahren. Allerdings haben die im 23 Zuge des BilMoG vorgenommenen Änderungen anderer Vorschriften (zB die Änderung von § 246 Abs. 3 HGB sowie die Neuschaffung des § 256a HGB) einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Angabepflichten des § 284 Abs. 2 HGB.4 Am 26.6.2013 hat das EU-Parlament die Richtlinie 2013/34/EU5 (EU-Bilanzrichtlinie) verabschiedet und 24 damit den Rechtsrahmen für die Rechnungslegung einer vollständigen Überarbeitung zugeführt. Die EUBilanzrichtlinie ersetzt die bisherige 4. und 7. EG-Richtlinie und enthält damit erstmals umfassend die zuvor getrennt geregelten Vorgaben für Jahresabschlüsse und konsolidierte Abschlüsse haftungsbeschränkter Gesellschaften. Im Hinblick auf die Anhangangaben verfolgt die EU-Bilanzrichtlinie das Ziel, kleine Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften von Rechnungslegungspflichten zu entlasten.6 Vor diesem Hintergrund schreibt die EU-Bilanzrichtlinie in Art. 16 Abs. 3 für kleine Unternehmen den sogenannten Grundsatz der Maximalharmonisierung hinsichtlich der im Anhang des Jahresabschlusses zur Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu machenden Angaben fest. Nach diesem Grundsatz soll die Anzahl der Anhangangaben für kleine Unternehmen begrenzt werden, indem die EU-Mitgliedstaaten von diesen keine Angaben verlangen dürfen, die über die Angaben, die nach Art. 16 der EU-Bilanzrichtlinie gefordert oder gestattet sind, hinausgehen. Darüber hinaus sollen durch die EU-Bilanzrichtlinie auch die im Anhang zum Jahresabschluss enthaltenen Angaben harmonisiert werden, um auf diese Weise eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Anhang und Konzernanhang sowie zwischen Anhängen unterschiedlicher Rechtsformen zu erreichen.7 Vor diesem Hintergrund sind nach den Vorgaben der EU-Bilanzrichtlinie verschiedene Angaben, die bisher wahlweise im Anhang oder in der Bilanz bzw. der Gewinn- und Verlustrechnung gemacht werden konnten, nunmehr ausschließlich im Anhang zu erbringen. Zudem wurden die bestehenden Angabepflichten im An1 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355; zu den Neuerungen durch das BiRiLiG Großfeld, NJW 1986, 955. 2 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrags über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. 3 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 4 So auch Altenburger in Kölner Komm. RLR, § 284 HGB Rz. 1 und Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 8. 5 Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182 v. 29.6.2013. 6 Erwägungsgrund 10 der EU-Bilanzrichtlinie, vgl. ABl. EU 2013 Nr. L 182, 20. 7 Erwägungsgrund 10 der EU-Bilanzrichtlinie, vgl. ABl. EU 2013 Nr. L 182, 20; vgl. hierzu auch Kolb/Roß, WPg. 2014, 1089.

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§ 284 Rz. 25 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung hang durch die EU-Bilanzrichtlinie aber auch verschiedentlich intensiviert und es wurden einige neue Angabepflichten für große und mittelgroße Kapitalgesellschaften geschaffen, so dass der Anhang durch die EU-Bilanzrichtlinie insgesamt eine Aufwertung erfahren hat. 25

Die Vorgaben der EU-Bilanzrichtlinie wurden in Deutschland durch das am 22.7.2015 verkündete BilRUG in deutsches Recht transformiert. In Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben enthält das BilRUG eine größere Anzahl von Gesetzesänderungen, die den Anhang des Jahresabschlusses betreffen. Ein Großteil dieser Neuerungen besteht in einer Ergänzung des bisher bestehenden Katalogs von Angabepflichten um eine nicht unerhebliche Anzahl neuer Angabepflichten. Darüber hinaus wurden vor dem Hintergrund des durch die EU-Bilanzrichtlinie vorgegebenen Grundsatzes der Maximalharmonisierung zusätzliche Befreiungsmöglichkeiten von Angabepflichten für kleine Kapitalgesellschaften vorgesehen.

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§ 284 HGB wurde durch das BilRUG an drei Stellen geändert: Die weitreichendste Änderung stellt dabei die durch Einführung des neuen § 284 Abs. 3 HGB erfolgende Verschiebung des Anlagenspiegels in den Anhang und die verpflichtende Einführung eines Abschreibungsspiegels dar. Diese Änderung dient der Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der EU-Bilanzrichtlinie.1 Zudem wurde in Umsetzung von Art. 15 der EU-Bilanzrichtlinie in § 284 Abs. 1 HGB klargestellt, dass die Darstellung der zu den einzelnen Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung vorgeschriebenen Angaben im Anhang in der Reihenfolge der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen hat.2 Auch wurde die spezielle Vorgabe zur Angabe der Grundlagen der Fremdwährungsumrechnung gem. § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF aufgehoben, da dies der Systematik der EU-Bilanzrichtlinie entspricht, die mit Art. 16 Abs. 1 Buchst. a nur noch eine allgemeine Vorgabe zur Angabe der angewandten Bewertungsmethoden enthält.3

B. Angabepflichten gem. Abs. 1 I. Überblick 27

Gem. § 284 Abs. 1 HGB hat der Anhang diejenigen Angaben zu enthalten, (i) die zu den einzelnen Posten der Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung vorgeschrieben sind, und (ii) diejenigen Angaben, die in Ausübung eines Wahlrechts nicht in die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen wurden. Bei beiden Gruppen der genannten Anhangangaben handelt es sich um Pflichtangaben. Pflichtangaben im engeren Sinne sind dabei allerdings nur die Pflichtangaben der ersten Gruppe. Da die Pflichtangaben der letztgenannten Gruppe allerdings davon abhängig sind, dass das gesetzlich eingeräumte Wahlrecht zugunsten einer Offenlegung im Anhang gemacht wurde, werden diese gemeinhin als Wahlpflichtangaben bezeichnet.

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§ 284 Abs. 1 HGB wurde durch das BilRUG um den Halbsatz erweitert, dass die Darstellung der Angaben im Anhang in der Reihenfolge der einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen hat. Angaben, die nicht auf einen Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung Bezug nehmen, sollten dabei nach den postenspezifischen Angaben erfolgen. Da diese Darstellungsform schon vor Inkrafttreten des BilRUG üblich war, sind mit dieser gesetzgeberischen Klarstellung in der Praxis keine Änderungen verbunden.4

29

Im Folgenden sind die nach dem HGB, AktG, HGB sowie EGHGB vorgeschriebenen Pflichtangaben aufgelistet. Von einer Auflistung der Anhangangaben gem. §§ 284 Abs. 2, 285 und § 286 Abs. 3 Satz 4 HGB wird dabei jedoch abgesehen, da diese in den nachfolgenden Vorschriften im Einzelnen kommentiert sind.

II. Pflichtangaben (Abs. 1 Satz 1) 1. Pflichtangaben nach dem HGB (außer §§ 284 Abs. 2, 285 und § 286 Abs. 3 Satz 4 HGB) 30

– Zusätzliche Angaben zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 2 Satz 2 HGB); – Bei OHG/KG iSd. § 264a HGB: Betrag der im Handelsregister gem. § 172 Abs. 1 HGB eingetragenen Haftungseinlagen von Kommanditisten, soweit sie nicht geleistet sind (§ 264c Abs. 2 Satz 9 HGB);

1 2 3 4

Vgl. hierzu Begr. RegE BilRUG, BTDrucks. 18/4050, 64. Vgl. hierzu Begr. RegE BilRUG, BTDrucks. 18/4050, 64. Vgl. hierzu Begr. RegE BilRUG, BTDrucks. 18/4050, 64. Schmidt/Prinz in BilRUG in der Praxis, § 284 HGB Rz. 131; Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H. Rz. 7.

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B. Angabepflichten gem. Abs. 1

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Rz. 31 § 284

– Angabe und Begründung von Abweichungen in der Form der Darstellung und Gliederung in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung im Vergleich zum Vorjahr (§ 265 Abs. 1 Satz 2: HGB); – Angabe und Erläuterung von nicht vergleichbaren oder angepassten Vorjahresbeträgen in der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 265 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGB); – Angabe und Begründung der ergänzend vorgeschriebenen Gliederungen im Fall mehrere Geschäftszweige (§ 265 Abs. 4 Satz 2 HGB); – Gesonderter Ausweis der Einzelposten, falls zum Zweck der Darstellungsklarheit in Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung Posten zusammengefasst ausgewiesen werden (§ 265 Abs. 7 Nr. 2 HGB); – Erläuterung größerer Beträge an Vermögensgegenständen, die erst nach dem Abschlussstichtag rechtlich entstehen (§ 268 Abs. 4 Satz 2 HGB); – Erläuterung größerer Beträge an Verbindlichkeiten, die erst nach dem Abschlussstichtag rechtlich entstehen (§ 268 Abs. 5 Satz 3 HGB); – Für die in § 251 HGB bezeichneten Haftungsverhältnisse: Angaben zu nicht auf der Passivseite auszuweisenden Verbindlichkeiten oder Haftungsverhältnissen (§ 268 Abs. 7 Nr. 1 HGB); – Für die in § 251 HGB bezeichneten Haftungsverhältnisse: Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten (§ 268 Abs. 7 Nr. 2 HGB); – Für die in § 251 HGB bezeichneten Haftungsverhältnisse: Angabe der Verpflichtungen betreffend die Altersversorgung und Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen (§ 268 Abs. 7 Nr. 3 HGB); – Angabe von Name und Sitz des den befreienden Konzernabschluss/Konzernlagebericht aufstellenden Mutterunternehmens, Hinweis auf die Anwendung der Befreiungsregelung sowie Erläuterungen zu vom deutschen Recht abweichenden Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden (§ 291 Abs. 2 Nr. 4 HGB); – Angabe von Name und Sitz des den befreienden Konzernabschluss/Konzernlagebericht aufstellenden Mutterunternehmens, Hinweis auf die Anwendung der Befreiungsregelung sowie Erläuterungen zu vom deutschen Recht abweichenden Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden. Zusätzlich Angabe dazu, nach welchen der in § 292 Abs. 1 Nr. 1 HGB genannten Vorgaben sowie ggf. nach dem Recht welches Staats der befreiende Konzernabschluss und der befreiende Konzernlagebericht aufgestellt worden sind (§ 292 Abs. 2 HGB); – Angaben über die Gründe für das Unterlassen der Einrichtung eines Prüfungsausschusses bei Gesellschaften, die ausschließlich durch Vermögensgegenstände besicherte Wertpapiere ausgeben (§ 324 Abs. 1 Nr. 1 HGB). 2. Pflichtangaben nach dem EGHGB – Angabe der nicht ausgewiesenen Rückstellungen für Pensionen, Anwartschaften auf Pensionen und 31 ähnliche Verpflichtungen iSv. Art. 28 Abs. 1 EGHGB (Art. 28 Abs. 2 EGHGB); – Bei OHG/KG iSd. § 264a HGB: Angabe der nicht ausgewiesenen Rückstellungen für Pensionen, Anwartschaften auf Pensionen und ähnliche Verpflichtungen iSv. Art. 28 Abs. 1 EGHGB (Art. 48 Abs. 6 EGHGB); – Angabe des Überdeckungsbetrags bei Anwendung des Beibehaltungswahlrechts für Pensionsrückstellungen iSv. Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB (Art. 67 Abs. 1 Satz 4 EGHGB); – Angaben nicht ausgewiesener Rückstellungen für laufende Pensionen, Anwartschaften auf Pensionen und ähnliche Verpflichtungen iSv. Art. 67 Abs. 1 EGHGB (Art. 67 Abs. 2 EGHGB); – Beibehaltung der nach steuerrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Abschreibungen (Art. 67 Abs. 4 EGHGB iVm. § 281 Abs. 2 Satz 1 HGB aF); – Beeinflussung des Jahresergebnisses durch steuerrechtliche Bewertungsmaßnahmen (Art. 67 Abs. 4 EGHGB iVm. § 285 Satz 1 Nr. 5 HGB aF); – Hinweis auf die unterlassene Anpassung der Vorjahreszahlen bei erstmaliger Anwendung des BilMoG (Art. 67 Abs. 8 EGHGB); – Angabe zu der fehlenden Vergleichbarkeit der Umsatzerlöse bei erstmaliger Anwendung des BilRUG sowie nachrichtliche Darstellung des Betrags der Umsatzerlöse des Vorjahres nach neuer Rechtslage (Art. 75 Abs. 2 Satz 3 EGHGB).

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§ 284 Rz. 32 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung 3. Pflichtangaben nach dem AktG 32

– Angaben über den Bestand und den Zugang an Vorratsaktien sowie deren Verwertung (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 AktG); – Angaben zum Bestand, der Anzahl, dem Anteil am Grundkapital sowie dem Erwerb und der Veräußerung eigener Aktien (§ 160 Abs. 1 Nr. 2 AktG); – Angabe des genehmigten Kapitals (§ 160 Abs. 1 Nr. 4 AktG); – Angabe der Zahl der Bezugsrechte für Arbeitnehmer oder Geschäftsführungsmitglieder (§ 160 Abs. 1 Nr. 5 AktG); – Angaben zu Unternehmen, mit denen wechselseitige Beteiligungen bestehen (§ 160 Abs. 1 Nr. 7 AktG); – Angaben zu dem Bestehen von mitteilungspflichtigen Beteiligungen iSv. § 20 Abs. 1 oder 4 AktG sowie § 21 Abs. 1 oder 1a WpHG und die Angabe des Inhalts der veröffentlichten Mitteilungen (§ 160 Abs. 1 Nr. 8 AktG); – Angaben zur Verwendung gewonnener Beträge aus einer vereinfachten Kapitalherabsetzung oder der Auflösung von Gewinnrücklagen (§ 240 Satz 3 AktG); – Angaben zu abweichend bilanzierten Werten gegenüber der im Rahmen einer Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung festgestellten Postenwerte (§ 261 Abs. 1 Satz 3 AktG).

III. Wahlpflichtangaben (Abs. 1 Satz 2) 1. Wahlpflichtangaben nach dem HGB 33

– Bei OHG/KG iSd. § 264a HGB: Ausweis der Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern (§ 264c Abs. 1 HGB); – Angabe der Mitzugehörigkeit von Vermögensgegenständen oder Schulden zu einem anderen Bilanzposten (§ 265 Abs. 3 HGB); – Gesonderte Angabe des Gewinn- oder Verlustvortrags im Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“, wenn die Bilanz unter der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt wird (§ 268 Abs. 1 Satz 2 HGB); – Angabe des Unterschiedsbetrags gem. § 250 Abs. 3 HGB im Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite (aktiviertes Disagio, § 268 Abs. 6 HGB); – Angabe der außerplanmäßigen Abschreibungen im Anlagevermögen gem. § 253 Abs. 3 Satz 5 und 6 (§ 277 Abs. 3 HGB); – Angabe bestimmter Bilanzposten bei Inanspruchnahme größenabhängiger Erleichterungen hinsichtlich der Offenlegung der Bilanz mittelgroßer Kapitalgesellschaften (§ 327 Nr. 1 Satz 2 HGB); – Bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten Angabe des als aktiver oder passiver Rechnungsabgrenzungsposten bilanzierten Unterschiedsbetrags zwischen Nenn- und Auszahlungsbetrag oder Anschaffungskosten eines Hypothekendarlehens und anderer Forderungen, soweit der Unterschiedsbetrag Zinscharakter hat (§ 340e Abs. 2 HGB); – Bei Versicherungsunternehmen Angabe des als aktiver oder passiver RAP bilanzierten Unterschiedsbetrags zwischen Nennwert und Anschaffungskosten von Namensschuldverschreibungen (§ 341c Abs. 2 HGB). 2. Wahlpflichtangaben nach dem EGHGB

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– Angabe der Vorschriften, nach denen Sonderposten mit Rücklageanteil gem. § 273 Satz 2 Halbs. 2 HGB aF gebildet wurden, und Angabe der Erträge aus der Auflösung gem. § 281 Abs. 2 Satz 2 HGB aF (Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB); – Angabe der Vorschriften über die Beibehaltung von Wertberichtigungen iSv. § 254 HGB aF iVm. § 279 Abs. 2 HGB aF, die gem. § 281 Abs. 1 Satz 1 aF in den Sonderposten mit Rücklageanteil eingestellt sind (Art. 67 Abs. 4 Satz 1 EGHGB). 3. Wahlpflichtangaben nach dem AktG

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– Angabe des Betrags der in die anderen Gewinnrücklagen eingestellten Eigenkapitalanteile von Wertaufholungen und von bei steuerlicher Gewinnermittlung gebildeten Passivposten (§ 58 Abs. 2a Satz 2 AktG); 818

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C. Angabepflichten gem. Abs. 2

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Rz. 39 § 284

– Veränderungen der unter dem Posten Kapitalrücklagen ausgewiesenen Beträge während des Geschäftsjahres (§ 152 Abs. 2 AktG); – Veränderungen der unter den einzelnen Posten der Gewinnrücklagen ausgewiesenen Beträge während des Geschäftsjahres (§ 152 Abs. 3 AktG); – Angaben zu der Ergänzung der Gewinn- und Verlustrechnung bezüglich der Entwicklung vom Jahresüberschuss/-fehlbetrag zum Bilanzgewinn/-verlust (§ 158 Abs. 1 Satz 2 AktG); – Angaben zu der Zahl der Aktien jeder Gattung, wobei bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag und zu Stückaktien der rechnerische Wert jeder Aktie anzugeben ist (§ 160 Abs. 1 Nr. 3 AktG). 4. Wahlpflichtangaben nach dem GmbHG – Angabe des Betrags der in die anderen Gewinnrücklagen eingestellten Eigenkapitalanteile von Wert- 36 aufholungen und von bei steuerlicher Gewinnermittlung gebildeten Passivposten (§ 29 Abs. 4 Satz 2 GmbHG); – Angabe der Beträge von Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern (§ 42 Abs. 3 GmbHG).

IV. Freiwillige Angaben Neben den vorstehend aufgeführten Pflichtangaben und Wahlpflichtangaben ist es auch möglich, freiwil- 37 lige Angaben in den Anhang aufzunehmen. Allerdings müssen diese wesentlich sowie darauf gerichtet sein, den Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu verbessern.1 Es ist daher zu fordern, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen den freiwilligen Angaben und dem Jahresabschluss besteht.2 Dies schließt aus, in den Anhang allgemeine Informationen (zB Tabellen, Grafiken oder Glossare) ohne unmittelbaren Bezug zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aufzunehmen und auf diese Weise den Adressaten des Jahresabschlusses von den wesentlichen Pflicht- sowie Wahlpflichtangaben abzulenken.3 Solche Informationen können vielmehr in den Geschäftsbericht aufgenommen werden.4 Sofern freiwillige Angaben in den Anhang aufgenommen werden, unterliegen diese in gleicher Weise wie die übrigen Angaben des Anhangs ebenfalls der Offenlegungs- und bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften der Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer.5 Anwendungsfälle freiwilliger Angaben sind insbes. zusätzliche Erläuterungen zu Bilanz- und Gewinn- und Verlustposten, Angaben zur Mitarbeiterstruktur, die Aufnahme eines Finanzplans, Angaben über Wiederbeschaffungswerte sowie Angaben über stille Reserven.6

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C. Angabepflichten gem. Abs. 2 I. Angabe der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (Abs. 2 Nr. 1) 1. Allgemeines Gem. § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB müssen im Anhang die auf die Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden angegeben werden. Das Gesetz lässt dabei allerdings offen, wie diese Anhangangaben ausgestaltet sein sollen. Da die Angaben jedoch den Zweck verfolgen, dem Adressaten des Jahresabschlusses die wesentlichen Informationen zu liefern, die zu der sachgerechten Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft notwendig sind, dürfen sich die Angaben jedenfalls nicht in einer bloßen Wiedergabe des Wortlauts der gesetzlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften erschöpfen.7 Es ist vielmehr darzustellen, in welcher Weise Wahl1 Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 42. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 92; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 42; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 25. 3 Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 42. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 94; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 42; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 26. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 90; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 43. Hiervon abweichend wird teilweise angenommen, dass kleine und mittelgroße Gesellschaften den Anhang ohne die freiwilligen Angaben offenlegen können, vgl. WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 683. 6 Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 284 Rz. 5. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 100; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 40.

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§ 284 Rz. 40 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung rechte ausgeübt und Ermessensspielräume ausgefüllt wurden.1 Die Angabepflicht gilt für sämtliche Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer Größe. 2. Angabe der Bilanzierungsmethoden 40

Der Begriff der Bilanzierungsmethode ist gesetzlich nicht definiert. Aus der Gesetzessystematik, die zwischen Ansatz- und Bewertungsvorschriften unterscheidet, lässt sich jedoch folgern, dass die Bilanzierungsmethoden diejenigen Entscheidungen umfassen, die den Ansatz in der Bilanz- und in der Gewinn- und Verlustrechnung betreffen.2 Die Bilanzierungsmethode betrifft daher die Frage, ob ein Vermögensgegenstand oder Schuldposten überhaupt bilanzierungsfähig ist, ob er bilanziert werden muss oder ob er wegen eines eingeräumten Wahlrechts bilanziert werden darf (Grund der Bilanzierung). Zudem ist zu prüfen, wie der Gegenstand zu beschreiben und abzugrenzen ist (Umfang der Bilanzierung), und es ist zu ermitteln, wann der Gegenstand im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften bzw. GoB zu bilanzieren ist (Zeitpunkt der Bilanzierung).3 Im Lichte des Sinns und Zwecks der Vorschrift sind Angaben zu Bilanzierungsmethoden nicht erforderlich, wenn eindeutige gesetzliche Vorgaben dazu bestehen, dass ein Vermögensgegenstand zu bilanzieren ist und wie er darzustellen ist.4 Es sind daher nur solche Bilanzierungsmethoden anzugeben, für die Alternativen bestehen oder die nur in Sonderfällen zur Anwendung kommen und vor diesem Hintergrund erläuterungsbedürftig erscheinen.5

41

Angabepflichten zu Bilanzierungsmethoden, die den Grund der Bilanzierung betreffen, ergeben sich insbes. aus Ansatzwahlrechten, die im HGB in folgenden Fällen vorgesehen sind: – Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB); – Einbeziehung eines Disagios in einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, sofern das Disagio nicht gem. § 268 Abs. 6 auf der Aktivseite gesondert ausgewiesen wird (§ 250 Abs. 3 Satz 1 HGB); – Überhang aktiver latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB); – Unterlassene Bildung von Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen für Altzusagen sowie für mittelbare Verpflichtungen aus einer Pensionszusage und ähnliche Verpflichtungen (Art. 28 Abs. 1, Art. 48 Abs. 6 EGHGB).

42

Darüber hinaus räumen auch die Übergangsvorschriften zum BilMoG gem. Art. 67 EGHGB verschiedene Wahlrechte für einen Bilanzansatz nach Maßgabe der Vorschriften alter Fassung ein: – Beibehaltung der Rückstellungen für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung gem. § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB aF sowie der Aufwandsrückstellungen gem. § 249 Abs. 2 HGB aF (Art. 67 Abs. 3 EGHGB); – Beibehaltung der Sonderposten mit Rücklageanteil nach §§ 247 Abs. 3, 273 HGB aF (Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB); – Fortführung der aktiven Rechnungsabgrenzungsposten gem. § 250 Abs. 1 Satz 2 HGB aF (Art. 67 Abs. 3 Satz 1 EGHGB); – Fortführung einer Bilanzierungshilfe für Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs gem. § 269 HGB aF (Art. 67 Abs. 5 EGHGB).

43

Zu der Angabe der Bilanzierungsmethoden zählt auch die Information darüber, wie die Bilanz aufgestellt ist. Insofern ist zu berichten, ob diese vor oder nach vollständiger oder teilweiser Verwendung des Jahresergebnisses gem. § 268 Abs. 1 HGB aufgestellt wurde.6

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Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es zur Erfüllung der Angabepflicht aus, wenn die angewandte Bilanzierungsmethode angegeben wird. Eine Begründung, warum diese gewählt wurde, ist nicht erforderlich. Sofern die Ausübung eines Bilanzierungswahlrechts nur unwesentliche Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zur Folge hat, braucht hierüber nicht berichtet zu werden.7

Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 100. ADS6, § 284 Rz. 55; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 30. ADS6, § 284 HGB Rz. 55; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 42. ADS6, § 284 HGB Rz. 56; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 43. WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 699. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 107; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 700; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 45. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 108; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 702; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 63.

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C. Angabepflichten gem. Abs. 2

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Rz. 49 § 284

Die Festlegung des Zeitpunkts der Bilanzierung kann ebenfalls eine Bilanzierungsmethode darstellen, die 45 gem. § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB angabepflichtig ist.1 Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn im Rahmen der GoB insoweit Wahlmöglichkeiten bestehen. Ist dies der Fall, sind die Grundsätze anzugeben, nach denen die Voraussetzungen für die Bilanzierung als erfüllt angesehen werden. 3. Angabe der Bewertungsmethoden a) Allgemeines Neben den Bilanzierungsmethoden sind auch die angewandten Bewertungsmethoden anzugeben. Hierun- 46 ter sind bestimmte, in ihrem Ablauf definierte Verfahren der Wertfindung zu verstehen, durch die ein Wert nachvollziehbar aus den die Bewertung bestimmenden Faktoren abgeleitet wird.2 Der Begriff der Bewertungsmethode umfasst dabei auch die Abschreibungsmethoden.3 Die angewandten Bewertungsmethoden sind in jedem Jahresabschluss anzugeben.4 Sie sind für alle we- 47 sentlichen Bilanzposten zu machen, um dem Adressaten des Jahresabschlusses auf diese Weise ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann es zweckmäßig sein, Angaben, die mehrere Posten betreffen, in einem besonderen allgemeinen Abschnitt voranzustellen.5 Angaben zu den Bewertungsmethoden sind insbes. dann erforderlich, wenn das Gesetz ausdrücklich Bewertungswahlrechte vorsieht. In diesen Fällen ist anzugeben, welche Bewertungsmethode gewählt wurde.6 Eine Begründung der getroffenen Wahl ist nicht erforderlich.7

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Nach dem Gesetz bestehen die folgenden Bewertungswahlrechte: 49 – Ansatz eines Festwerts bei Sachanlagen und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (§ 240 Abs. 3 Satz 1 HGB iVm. § 256 Satz 2 HGB); – Gruppenbewertung mit dem gewogenen Durchschnittswert für Vorratsvermögen sowie für andere gleichartige oder gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden (§ 240 Abs. 4 HGB iVm. § 256 Satz 2 HGB); – Abzinsungssatz bei Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen sowie für Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist (§ 253 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGB); – Außerplanmäßige Abschreibungen auf Finanzanlagen bei nur vorübergehender Wertminderung (§ 253 Abs. 3 Satz 6 HGB); – Bemessung der Herstellungskosten und Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen in die Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 HGB); – Bemessung der Herstellungskosten bei selbstgeschaffenen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens (§ 255 Abs. 2a iVm. Abs. 2 Satz 3 HGB); – Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden (§ 255 Abs. 4 Satz 2 HGB); – Anwendung bestimmter Verbrauchsfolgeverfahren im Vorratsvermögen (§ 256 Satz 1 HGB); – Wertbeibehaltung im Anlagevermögen (Art. 24 Abs. 1 EGHGB); – Wertbeibehaltung im Anlagevermögen (Art. 48 Abs. 2 EGHGB); – Ansammlung und Wertbeibehaltung der Pensionsrückstellungen (Art. 67 Abs. 1 Satz 1 EGHGB, Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB); – Beibehaltung der steuerrechtlichen Abschreibungen (§§ 254 Satz 1, 279 Abs. 2 HGB aF, Art. 67 Abs. 4 EGHGB);

1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 109; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 64 (jeweils mit Beispielen zu den bestehenden Wahlmöglichkeiten nach der GoB). 2 WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 695. 3 ADS6, § 284 HGB Rz. 61; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 704. 4 ADS6, § 284 HGB Rz. 62. 5 ADS6, § 284 HGB Rz. 54; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 703; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 38. 6 ADS6, § 284 HGB Rz. 61. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 115. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 48; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 38.

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§ 284 Rz. 50 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung – Beibehaltung der niedrigeren Wertansätze von Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens aufgrund von Abschreibungen nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB aF wegen zukünftiger Wertschwankungen (Art. 67 Abs. 4 Satz 1 EGHGB); – Im Fall einer Verschmelzung nach § 2 UmwG Buchwertverknüpfung gem. § 24 UmwG beim übernehmenden Rechtsträger. 50

Sofern der Jahresabschluss Posten enthält, denen Beträge zugrunde liegen, die auf fremde Währung lauten oder ursprünglich auf fremde Währung lauteten, so sind auch die Grundlagen für die Umrechnung in Euro anzugeben. Zwar ist die spezielle Vorgabe zur Angabe der Grundlagen der Fremdwährungsumrechnung in § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB aF im Zuge des BilRUG weggefallen. Hiermit ist jedoch keine Änderung der materiellen Rechtslage verbunden.1 Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit zur Angabe der Grundlagen der Fremdwährungsumrechnung bereits aus der allgemeinen Verpflichtung zur Angabe der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden.2

51

Die Pflicht zur Währungsumrechnung in Euro ergibt sich aus § 244 HGB, der die ausdrückliche Anordnung trifft, dass der Jahresabschluss in Euro aufzustellen ist. § 256a HGB, der durch das BilMoG neu geschaffen wurde, trifft eine materielle Regelung, wie auf fremde Währungen lautende Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten umzurechnen sind. Aus diesem Grund sind nach der Einführung des § 256a HGB detaillierte Angaben zur Währungsumrechnung im Anhang zumeist nicht erforderlich. Die Angaben können sich vielmehr auf Abweichungen von der Norm und auf ausgeübte Wahlrechte bei der Zugangsbewertung (Stichtagskurs, Mittelkurs, Durchschnittskurs, Sicherungskurs) beschränken.3 b) Bewertungsmethoden für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

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Zugänge von Dritten, die im Geschäftsjahr erworben wurden, sind mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Da die Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 HGB gesetzlich definiert sind, sind Erläuterungen zu der Ermittlung der Anschaffungskosten idR entbehrlich. Lediglich in Sonderfällen, wie zB bei Tausch oder tauschähnlichen Vorgängen sowie Sacheinlagen sind Angaben erforderlich.4 Über die Ermittlung der Anschaffungskosten bei Zuschüssen und Subventionen ist dann zu berichten, wenn diese wesentlich sind.5 Gleiches gilt auch, wenn gem. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB Anschaffungspreisminderungen von den Anschaffungskosten abgesetzt werden. In diesem Fall sind Erläuterungen zu der Methode der Zuordnung der Anschaffungspreisminderungennotwendig, wenn diese wesentlich sind.6

53

Bei planmäßigen Abschreibungen sind die zugrunde gelegte Abschreibungsmethode sowie die Nutzungsdauer anzugeben. Zur Angabe der Nutzungsdauer kann ein Verweis auf die von der Finanzverwaltung veröffentlichten AfA-Tabellen erfolgen.7 Bei außerplanmäßigen Abschreibungen ist im Anhang darzulegen, für welche Vermögensgegenstände bzw. Gruppen von Gegenständen diese vorgenommen worden sind und ob es sich um außerplanmäßige Abschreibungen wegen einer nur vorübergehenden oder einer voraussichtlich dauernden Wertminderung handelt. Zudem ist anzugeben, nach welchen Verfahren die Werte errechnet sind.8

54

Bei der Angabe der Herstellungskosten ist stets anzugeben, ob und ggf. in welchem Umfang von den Bewertungswahlrechten des § 255 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 2a HGB Gebrauch gemacht wurde. Im Einzelfall können weitergehende Angaben, etwa zu Errechnung der Einzelkosten und zu deren Bestandteilen erforderlich sein.9 Bei der Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen in die Herstellungskosten besteht eine gesonderte Angabepflicht gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB (vgl. hierzu ausführlich Rz. 74 f.). c) Bewertungsmethoden für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens

55

Bei den Vorräten ist es zur Erfüllung der Angabepflicht des § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB erforderlich, für alle wesentlichen Gruppen von Vorräten die angewandten Bewertungsmethoden anzugeben. Roh-, Hilfs und Betriebsstoffe sowie Waren sind mit Anschaffungskosten anzusetzen. Die Methode zur Ermittlung dieser 1 Begr. RegE BilRUG (BTDrucks. 18/4050), 64. 2 Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H. Rz. 8; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, § 284 HGB Rz. 132. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 118. 4 ADS6, § 284 HGB Rz. 65. 5 ADS6, § 284 HGB Rz. 65. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 125. 7 ADS6, § 284 HGB Rz. 70. 8 ADS6, § 284 HGB Rz. 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 129. 9 ADS6, § 284 HGB Rz. 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 51.

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C. Angabepflichten gem. Abs. 2

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Rz. 62 § 284

Anschaffungskosten ist näher zu erläutern. Dabei ist insbes. auf die Inanspruchnahme von Bewertungsvereinfachungsverfahren (zB Lifo-Methode, Festwert oder Gruppenbewertungsverfahren) hinzuweisen.1 Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens, die zu Herstellungskosten bewertet werden, sind Inhalt und Umfang der aktivierten Herstellungskosten anzugeben. Zudem sind Angaben zu der Ausübung der Bewertungswahlrechte zu machen.2 d) Angaben zu aktiven Rechnungsabgrenzungsposten Bei aktiven Rechnungsabgrenzungsposten besteht nach zutreffender Ansicht keine Angabepflicht zu den 56 angewandten Bewertungsmethoden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich nicht um einen Vermögensgegenstand handelt, welcher der Bewertung zugänglich ist. Sofern der Rechnungsabgrenzungsposten ein Disagio enthält, sind allerdings Angaben zu dessen Ermittlung und Tilgung erforderlich.3 e) Bewertungsmethoden für Passivposten Auf der Passivseite sind insbes. Angaben zu den Rückstellungen denkbar. Eine Berichterstattung über das 57 Eigenkapital sowie die passiven Rechnungsabgrenzungsposten ist entbehrlich, da diese Rechengrößen einer Bewertung nicht zugänglich sind.4 Auch Verbindlichkeiten sind regelmäßig nicht erläuterungsbedürftig, da insoweit keine Bewertungswahlrechte bestehen.5 Etwas anderes gilt nur bei Rentenverpflichtungen, da die angewandte Methode der Barwertermittlung und der angewandte Zinssatz nur im Fall weiterer Erläuterungen erkennbar werden.6 Bei Pensionsrückstellungen und Rückstellungen für ähnliche Verpflichtungen sind die der Bewertung zu- 58 grunde gelegten Methoden näher zu erläutern. Welche Angaben dabei im Einzelnen erforderlich sind, ergibt sich aus § 285 Nr. 24 HGB (vgl. hierzu auch § 285 HGB Rz. 236 ff.). Daneben ist auch anzugeben, ob und in welcher Weise von dem Wahlrecht gem. Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB Gebrauch gemacht wurde.7 Sofern Fehlbeträge für Altzusagen (Art. 28 Abs. 2 EGHGB) oder aufgrund der geänderten Bewertung von 59 Pensionsrückstellungen (Art. 67 Abs. 2 EGHGB) bestehen, sollten neben der bereits nach dem Gesetzeswortlaut geforderten Angabe des jeweiligen Betrags auch die für Pensionsrückstellungen gesetzlich vorgeschriebenen weiteren Angaben gemacht werden.8 Bei Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist die Angabe erforderlich, ob eine Ermittlung auf Vollkosten- oder Teilkostenbasis erfolgt. Im letzteren Fall ist die Angabe der einbezogenen Kostenarten erforderlich.9

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II. Angabe und Begründung der Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (Abs. 2 Nr. 2) 1. Allgemeines § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB ergänzt die Angabepflicht gem. § 284 Abs. 1 HGB, indem er vorschreibt, dass Ab- 61 weichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben und zu begründen sind. Zugleich ist der Einfluss dieser Abweichungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darzustellen. Mit dieser Angabepflicht wird der Zweck verfolgt, die Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses sowohl mit dem Regelfall als auch mit Blick auf den Jahresabschluss des Vorjahres herzustellen.10 Die Vorschrift gilt für sämtliche Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer Größe. Gem. § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB sind Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden bei allen Posten in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung angabepflichtig. Eine gewisse Grenze wird in1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 136; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 40. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 137; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 40. Ebenso ADS6, § 284 HGB Rz. 85; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 145. ADS6, § 284 HGB Rz. 86; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 150; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 60. Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 85. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 62. Vgl. hierzu im Einzelnen: Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 151; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 79. Vgl. hierzu mit weiteren Erläuterungen: Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 152; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 80. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 158; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 61. ADS6, § 284 HGB Rz. 103; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 172.

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§ 284 Rz. 63 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung soweit allerdings durch den Grundsatz der Wesentlichkeit gezogen, nach dem über Abweichungen, die im bilanzrechtlichen Sinne unwesentlich sind, nicht berichtet zu werden braucht.1 63

Der sachliche Anwendungsbereich des § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB ist nach zutreffender Ansicht nicht nur für Abweichungen von bisher angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, sondern auch für Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall eröffnet.2 Allerdings unterfallen Änderungen, die auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften beruhen, nicht dem Anwendungsbereich.3

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Gem. § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB angabe- und berichtspflichtige Abweichungen ergeben sich in der Praxis regelmäßig aus Änderungen bei der Inanspruchnahme von Wahlrechten oder einer geänderten Auslegung von Einschätzungsspielräumen. Auf welchen Gründen die Abweichungen im Einzelnen beruhen, ist für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Angabe- und Berichterstattungspflicht ohne Belang.4 Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ist jedoch über die Gründe für die Änderung ebenfalls zu berichten, wobei verbale Ausführungen, welche insbes. auch die Zulässigkeit der Abweichung erkennbar machen, ausreichend sind.5 Etwas anderes gilt nur dann, wenn es erforderlich ist, durch die zahlenmäßige Bezifferung der Abweichung ein besseres Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln.6 Sofern berichtspflichtige Abweichungen nicht vorliegen, ist die Abgabe einer Fehlanzeige entbehrlich.7 2. Abweichungen von Bilanzierungsmethoden

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Eine angabe- und begründungspflichtige Abweichung von Bilanzierungsmethoden liegt vor, wenn entweder Ansatzwahlrechte gegenüber dem Vorjahr unterschiedlich ausgeübt oder die Zeitpunkte für die Aktivierung von Vermögensgegenständen oder die Passivierung von Schulden geändert werden.8 Seit der Grundsatz der Stetigkeit durch das BilMoG in § 246 Abs. 3 Satz 1 HGB auch auf die Ansatzwahlrechte erstreckt wurde, sind Abweichungen vom Gebot der Ansatzstetigkeit allerdings nur noch in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, ist eine besonders detaillierte Begründung erforderlich, die insbes. erkennen lässt, warum und bei welchen Posten der Grundsatz der Ansatzstetigkeit durchbrochen wurde.9

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Eine Berichtspflicht gem. § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB besteht zudem auch dann, wenn wesentlich vom Grundsatz der Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 HGB) abgewichen wurde. Dies ist zB dann der Fall, wenn davon abgesehen wurde, eine Rückstellung für Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern, für Umweltlasten oder für Patentverletzungen zu bilden, obwohl die Voraussetzungen dafür vorliegen.10 Für die unterlassene Passivierung von Pensionsverpflichtungen gilt die gesonderte Angabepflicht gem. Art. 28 Abs. 2, Art. 48 Abs. 6 EGHGB. 3. Abweichungen von Bewertungsmethoden

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Eine berichts- und begründungspflichtige Abweichung von Bewertungsmethoden liegt vor, wenn von den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen des § 252 Abs. 1 HGB abgewichen wird, was gem. § 252 Abs. 2 HGB in begründeten Ausnahmefällen erlaubt ist. Diese begründeten Ausnahmenfälle sind dann im Anhang zu anzugeben und zu begründen. Eine Berichtspflicht besteht dabei sowohl bei einer Abweichung von den gesetzlich geregelten allgemeinen Bewertungsgrundsätzen als auch dann, wenn Bewertungswahlrechte anders als im Vorjahr ausgeübt werden und daher eine Methodenänderung vorliegt.11

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Zu den häufig vorkommenden angabe- und berichtspflichtigen Abweichungen von Bewertungsmethoden zählen insbes.: – Abweichungen vom Grundsatz der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB);

1 ADS6, § 284 HGB Rz. 104; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 49. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 175, 177; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 87; aA Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 50. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 72, Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 50; aA Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 179. 4 Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 97. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 178. 6 Vgl. IDW RS HFA 38 Tz. 25. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 86. 8 Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 73. 9 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 176; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 101. 10 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 181. 11 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 185; Poll, in BeckOK HGB12, § 284 Rz. 23.

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C. Angabepflichten gem. Abs. 2

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Rz. 73 § 284

– Abweichungen vom Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), zB durch Bewertungsvereinfachungen nach Maßgabe des Verbrauchsfolgeverfahrens oder Pauschalwertberichtigungen nach den GoB; – Abweichungen vom Gebot der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) durch die Inanspruchnahme von Bewertungswahlrechten (zB Aufgabe der Festbewertung oder Wechsel von der Durchschnittsbewertung zur Verbrauchsfolgebewertung) oder Änderungen in den Bewertungsmethodenwahlrechten (zB Wechsel bei Abschreibungsmethoden, Änderungen hinsichtlich der in die Herstellungskosten einzubeziehenden Kosten, Übergang von dem Verfahren der Einzelbewertung zu einem Pauschalbewertungsverfahren, Änderung der Nutzungsdauern). 4. Darstellung des Einflusses auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Neben der Angabe und Begründung der Abweichung fordert das Gesetz in § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB auch 69 die gesonderte Darstellung ihres Einflusses auf die Vermögens-, Finanz und Ertragslage. Hierdurch sollen die Auswirkungen der Änderungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage transparent gemacht und auf diese Weise die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse ermöglicht werden.1 Ein Einfluss auf die Vermögenslage liegt dann vor, wenn aufgrund einer Abweichung von der Bilanzie- 70 rungs- oder Bewertungsmethode Vermögensgegenstände oder Schulden höher oder niedriger ausgewiesen werden (zB durch Legung oder Auflösung stiller Reserven).2 Von einem Einfluss auf die Finanzlage ist dann auszugehen, wenn die Abweichung Auswirkungen auf finanzwirksame Vorgänge hat, zB durch Auswirkungen auf die Steuerbelastung oder Dividendenzahlungen.3 Ein Einfluss auf die Ertragslage dürfte bei Abweichungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden regelmäßig vorhanden sein, da sich Entscheidungen über die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten und die Wahl von Bewertungsmethoden regelmäßig in einem veränderten Periodenergebnis niederschlagen. Aufgrund der gesetzlichen Vorgabe, den Einfluss der Abweichungen auf die Vermögens-, Finanz- und Er- 71 tragslage gesondert darzustellen, ist es nicht möglich, die Auswirkungen sämtlicher Abweichungen in einem Saldo zusammenzufassen. Es erscheint vielmehr sachgerecht, für jede einzelne Bilanzierungs- und Bewertungsmethode gesondert darzustellen, welcher Unterschiedsbetrag hierdurch verursacht wurde.4 Rein verbale Ausführungen sind dabei nicht ausreichend.5

III. Ausweis von Unterschiedsbeträgen (Abs. 2 Nr. 3) Gem. § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB müssen bei Anwendung einer Bewertungsmethode nach § 240 Abs. 4 HGB 72 (Gruppenbewertung mit gewogenem Durchschnittswert), § 256 Satz 1 HGB (Fifo, Lifo) die Unterschiedsbeträge pauschal für die jeweilige Gruppe ausgewiesen werden, wenn die Bewertung im Vergleich zu einer Bewertung auf der Grundlage des letzten vor dem Abschlussstichtag bekannten Börsenkurses oder Marktpreises einen erheblichen Unterschiedsbetrag ausweist. Mit dieser Angabepflicht wird der Zweck verfolgt, die Aussagekraft des Jahresabschlusses durch die Aufdeckung von Bewertungsreserven, die durch die Anwendung der Bewertungsvereinfachungsverfahren im Vergleich zur Tagespreisbewertung entstehen, zu verbessern.6 Durch diese Angabepflicht wird allerdings der Vereinfachungseffekt, der sich durch die Anwendung der Gruppenbewertung oder eines Bewertungsvereinfachungsverfahrens ergibt, teilweise wieder zunichte gemacht, da für die Gruppen von Vermögensgegenstanden, für die sich Börsen- oder Marktpreise ermitteln lassen, Doppelrechnungen erforderlich werden. Die Vorschrift gilt nur für große und mittelgroße Kapitalgesellschaften; kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) und Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit. Die Angabepflicht des § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB setzt zunächst voraus, dass ein Börsen- oder Marktpreis 73 existiert. Maßgeblich für die Angabepflicht ist dabei der letzte vor bzw. am Abschlussstichtag bekannte Börsenkurs oder Marktpreis. Preisbewegungen nach dem Abschlussstichtag sind unerheblich. Lassen sich weder ein Börsen- noch ein Marktpreis ermitteln, entfällt die Angabepflicht. Zufallskurse sind nicht anzusetzen.7 Die Angabepflicht des § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB kommt regelmäßig nur dann zum Tragen, wenn ADS6, § 284 HGB Rz. 142; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 57. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 83; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 108. ADS6, § 284 HGB Rz. 145; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 730. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 195; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 109. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 1956; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 57. ADS6, § 284 HGB Rz. 150; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 201; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 60. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 205; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 94.

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§ 284 Rz. 74 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung der ermittelte Börsen- oder Marktpreis über dem Buchwert liegt. Ergibt sich ein niedriger Wert, ist auf diesen abzuschreiben.1 74

Die Angabe ist ferner nur zu machen, wenn die Bewertung nach dem angewandten Vereinfachungsverfahren im Vergleich zur Bewertung nach Börsen- oder Marktpreisen einen erheblichen Unterschied aufweist. Unklar ist dabei allerdings, wann der Gesetzgeber einen solchen erheblichen Unterschied für gegeben erachtet. Da das Adjektiv „erheblich“ im Gesetzeswortlaut – anders als an vielen anderen Stellen im Gesetz – allerdings nicht auf den Jahresabschluss, sondern unmittelbar auf den „Unterschied“ Bezug nimmt, spricht eine grammatikalische Auslegung dafür, dass es auf die Größe des Unterschiedsbetrags im Vergleich zum Wert der zugrunde liegenden Gruppe ankommt.2 Beträgt dieser Unterschied 10 % oder mehr des Werts der jeweiligen Gruppe, kann er als erheblich angesehen werden.3

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Zur Erfüllung der Angabepflicht sind die pauschalen Unterschiedsbeträge für die jeweilige Gruppe anzugeben. Dies setzt voraus, dass eine Unterscheidung zwischen den Vermögensgegenständen, für die von einer Gruppenbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB Gebrauch gemacht wurde, und den Vermögensgegenständen, bei denen Bewertungsvereinfachungen nach § 256 Satz 1 HGB in Anspruch genommen wurden, erfolgt.4 Für jede der gebildeten Gruppen ist der Unterschiedsbetrag pauschal in einem Betrag zu nennen.5

IV. Angaben über die Einbeziehung von Zinsen für Fremdkapital (Abs. 2 Nr. 4) 76

Gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 sind im Anhang Angaben zu der Einbeziehung von Zinsen für Fremdkapital in die Herstellungskosten zu machen. Die Angabepflicht gilt für sämtliche Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer Größe.

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Hintergrund dieser Angabeverpflichtung ist § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB, der vorsieht, dass Fremdkapitalzinsen ausnahmsweise in die Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands einbezogen werden können, wenn das zugrunde liegende Fremdkapital zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet wird und soweit die Zinsen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Wird von diesem Bewertungswahlrecht Gebrauch gemacht, müssen die erfolgte Aktivierung im Anhang angegeben und die betroffenen Posten benannt werden. Eine betragsmäßige Bezifferung der aktivierten Zinsen ist dabei allerdings nicht erforderlich. Verbale Ausführungen dazu, ob die Fremdkapitalzinsen vollständig oder teilweise aktiviert wurden, sind zur Erfüllung der Angabepflicht ausreichend.6 Bei wesentlichen Beträgen erscheint eine Betragsangabe aber wünschenswert, um auf diese Weise die Auswirkungen auf die die Ertragslage zu verdeutlichen.7 Werden die Fremdkapitalzinsen nur bei einem Teil der Vermögensgegenstände oder zu einem geringeren Umfang als möglich aktiviert, sollte auf diesen Umstand hingewiesen werden, da sich hieraus Rückschlüsse auf die angewandte Bewertungsmethode ziehen lassen.8

D. Entwicklung des Anlagevermögens (Abs. 3) I. Allgemeines 78

Durch das BilRUG wurde der zuvor in § 268 Abs. 2 HGB aF geregelte sogenannte „Anlagenspiegel“ (auch „Anlagengitter“) in den Anhang verschoben und das bislang bestehende Ausweiswahlrecht aufgehoben. Damit ist der Anlagenspiegel nunmehr zwingend in den Anhang aufzunehmen und die Angaben können nicht mehr alternativ in der Bilanz gemacht werden. Änderungen zu der in der Praxis bisher üblichen Darstellung des Anlagespiegels ergeben sich hierdurch nicht. Allerdings sind in Erweiterung des früher geltenden Gesetzeswortlauts nunmehr gem. § 284 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1–3 HGB gesonderte Angaben zu den Abschreibungen und gem. § 284 Abs. 3 Satz 4 HGB Angaben zu im Geschäftsjahr aktivierten Fremdkapitalzinsen erforderlich.

1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 94; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 61. 2 Altenburger in Kölner Komm. RLR, § 284 HGB Rz. 39; im Ergebnis ebenso: Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 62; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 683; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 114. 3 Altenburger in Kölner Komm. RLR, § 284 Rz. 39; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 284 HGB Rz. 62; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 114. 4 ADS6, § 284 HGB Rz. 152; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 93. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 204; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 93. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 210; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 749. 7 Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 120; für eine Betragsangabe in außergewöhnlichen Fällen auch WPHandbuch 2012 Bd. I, F Rz. 749 sowie Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 96. 8 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 96; Kessler in MünchKomm. BilR, § 284 HGB Rz. 118.

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D. Entwicklung des Anlagevermögens (Abs. 3)

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Rz. 83 § 284

Mit dem Anlagenspiegel wird der Zweck verfolgt, einen besseren Einblick in das insgesamt im Anlagever- 79 mögen gebundene Kapital, die Altersstruktur der Anlagen und die Entwicklung im abgelaufenen Geschäftsjahr zu ermöglichen.1 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) und Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Verpflichtung zur Erstellung eines Anlagespiegels befreit. Für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen treten gem. § 340a Abs. 2 Satz 2 HGB bzw. § 341a Abs. 2 Satz 2 HGB an die Stelle des Abs. 3 die Sondervorschriften der §§ 340a, 341a HGB. Das Anlagengitter gem. § 284 Abs. 3 HGB gebietet die direkte Bruttomethode. Hierbei enthält der Anlagenspiegel in der ersten Spalte die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Beginn des Geschäftsjahres, dh. die Bruttowerte, aller gesondert auszuweisenden Vermögensgegenstände. Die hierauf entfallenden Abschreibungen mindern die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten direkt aktivisch. Auf diese Weise wird zu den Buchwerten zum Ende des Geschäftsjahres übergeleitet.2

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II. Gliederung (Abs. 3 Satz 1) Der Anlagenspiegel ist horizontal und vertikal zu gliedern. Die vertikale Gliederung ergibt sich aus dem gesetzlichen Gliederungsschema des § 266 Abs. 2 HGB, Pos. A. Sofern in der Bilanz des Unternehmens erweiterte Untergliederungen vorgenommen wurden, müssen diese auch im Rahmen des Anlagenspiegels abgebildet werden.3

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Horizontal ist der Anlagespiegel nach den Vorgaben des § 284 Abs. 3 HGB zu gliedern. Ausgehend von § 284 Abs. 3 Satz 1 HGB sind in der horizontalen Gliederung die folgenden Spalten zu zeigen: – die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten zu Beginn des Geschäftsjahrs (Spalte 1); – die Zugänge des Geschäftsjahrs (Spalte 2); – die Abgänge des Geschäftsjahrs (Spalte 3); – die Umbuchungen des Geschäftsjahrs (Spalte 4); – die Anschaffungs- und Herstellungskosten am Ende des Geschäftsjahrs (Spalte 5).

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Nach der vor Inkrafttreten des BilRUG geltenden Rechtslage mussten im Rahmen des Anlagenspiegels zu- 83 dem nur die „Abschreibungen in ihrer gesamten Höhe“ gesondert angegeben werden. Durch das BilRUG wurden die Angabepflichten zu den Abschreibungen ausgeweitet. So sind gem. § 284 Abs. 3 Satz 3 HGB im Rahmen eines sog. Abschreibungsspiegels Angaben zu der (i) gesamten Höhe der Abschreibungen (= gesamte kumulierte Abschreibungen) zu Beginn und Ende des Geschäftsjahrs, (ii) zu den im Laufe des Geschäftsjahrs vorgenommenen Abschreibungen sowie (iii) zu den Änderungen in den Abschreibungen in ihrer gesamten Höhe im Zusammenhang mit Zu- und Abgängen sowie Umbuchungen im Laufe des Geschäftsjahrs zu machen. Die Formulierung des Gesetzestexts lässt dabei offen, ob die Änderungen in den kumulierten Abschreibungen in einer einheitlichen Position oder – wie bei den Angabepflichten bzgl. der Bruttobeträge – untergliedert in drei separate Posten für Zugänge, Abgänge und Umbuchungen erfolgen soll. Auch wenn nach dem Gesetzestext beides vertretbar erscheint, ist der Informationsgehalt der letzteren Variante deutlich größer, weshalb diese vorzugswürdig erscheint.4 Nach dem Gesetzeswortlaut ist es zudem nicht zwingend, die von § 284 Abs. 3 Satz 3 HGB geforderten Angaben als integralen Bestandteil in den Anlagenspiegel aufzunehmen. Da die Angaben lediglich „gesondert“ zu machen sind, besteht die Möglichkeit, die Angaben verbal als Erläuterung zum Anlagenspiegel, als „davon-Vermerk“ zu den jeweiligen Posten des Anlagenspiegels oder diese an anderer Stelle separat im Anhang darzustellen. Da dies jedoch die Übersichtlichkeit und Klarheit der betreffenden Anhangangaben deutlich erhöhen dürfte, bietet es sich an, die Angaben zu den Abschreibungen mit in den Anlagenspiegel aufzunehmen.5 Unter Berücksichtigung der bereits nach § 284 Abs. 3 Satz 2 HGB zwingend in den Anlagenspiegel aufzunehmenden Angaben zu den gesamten Abschreibungen und zu den Zuschreibungen des Geschäftsjahrs, die aufgrund ihres Einflusses auf die Abschreibungen zweckmäßigerweise in den Abschreibungsspiegel integriert werden sollten, wären in diesem Fall folgende weitere horizontale Spalten in den Anlagenspiegel aufzunehmen: 1 ADS6, § 268 HGB Rz. 12; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 268 HGB Rz. 12. 2 Zu der direkten Bruttomethode (auch im Vergleich mit anderen Methoden): Harrmann, DB 1984, 1416; Küting/ Hager/Zündorf, BB 1985, 1948. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 9. 4 So auch Müller, BC 2016, 103; im Ergebnis ebenso: Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 223. 5 Ebenso: Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 223; Theile, Bilanzrichtlinie Umsetzungsgesetz, § 284 HGB Rz. 10; Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H. Rz. 12.

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§ 284 Rz. 84 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung 84

– – – – – – –

die gesamten Abschreibungen zu Beginn des Geschäftsjahrs (Spalte 6); die Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Spalte 7); die Zuschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Spalte 8); die Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Zugänge (Spalte 9); die Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Abgänge (Spalte 10); die Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Umbuchungen (Spalte 11); die gesamten Abschreibungen am Ende des Geschäftsjahrs (Spalte 12).

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Es ist zudem sinnvoll und in der Praxis üblich,1 noch die folgenden ergänzenden Spalten in den Anlagenspiegel aufzunehmen: – Buchwerte zum Abschlussstichtag (Spalte 13); – Buchwerte zum Abschlussstichtag des Vorjahres (Spalte 14).

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Zwar ist mit der durch das BilRUG erfolgten Verlagerung des Anlagenspiegels in den Anhang die zuvor aufgrund der Eigenschaft als Bilanzvermerk gem. § 265 Abs. 2 Satz 1 HGB bestehende gesetzliche Verpflichtung, die Vorjahresbuchwerte aufzunehmen, entfallen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und mit Blick auf die bisherige Darstellungspraxis sollten die Vorjahresbuchwerte dessen ungeachtet jedoch dennoch weiterhin angegeben werden.2

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Nach Vorstehendem ergibt sich somit eine 14-Spalten-Darstellung3 des Anlagenspiegels, die allerdings nicht zwingend ist. Da das Gesetz keine zwingenden Vorgaben zur Ausgestaltung des Anlagenspiegels macht, kann die Ausgestaltung frei gewählt werden, sofern der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gewahrt bleibt und alle gesetzlichen Pflichtangaben in der gewählten Darstellung enthalten sind. So ist es insbes. zulässig, Spalten zusammenzufassen oder von dem Ausweis leerer Spalten abzusehen.4 Auch ist die Reihenfolge der Spalten nicht gesetzlich festgelegt.5

III. Bestandteile der horizontalen Gliederung (Abs. 3 Satz 2 und 3) 1. Anschaffungs- und Herstellungskosten, Zugänge, Abgänge, Umbuchungen und Zuschreibungen des Geschäftsjahrs (Abs. 3 Satz 2) a) Gesamte (historische) Anschaffungs- und Herstellungskosten 88

Die erste Spalte enthält die gesamten historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, die für die Vermögensgegenstände, die zum Beginn des Geschäftsjahres zum Anlagevermögen zählten, aufgewendet wurden. Hierdurch wird die Gesamtheit der Investitionen aufgezeigt, die in der Vergangenheit im Anlagevermögen getätigt wurden, sofern die betreffenden Vermögensgegenstände nicht aus dem Anlagevermögen abgegangen sind. Sofern erstmals ein Anlagenspiegel erstellt wird, dürfen gem. Art. 24 Abs. 3 EGHGB die Buchwerte aus dem Jahresabschluss des vorhergehenden Geschäftsjahrs als ursprüngliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten übernommen und fortgeführt werden, wenn sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht ohne unverhältnismäßige Kosten oder Verzögerungen feststellen lassen.6 Praktische Bedeutung erlangt dies insbes. bei Rechtsformwechseln, Umstrukturierungen oder Umgründungen.7 b) Zugänge des Geschäftsjahrs

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Als Zugänge sind die im Geschäftsjahr erfolgten mengenmäßigen Ausweitungen des Anlagevermögens auszuweisen. Die Ausweitungen sind dabei in voller Höhe, dh. ohne Kürzung der auf das Geschäftsjahr zeitanteilig entfallenden Abschreibungen, auszuweisen.8 Der Zugangszeitpunkt richtet sich danach, wann die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Vermögensgegenstand erlangt wurde. Der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs im rechtlichen Sinne oder der Zeitpunkt des Rechnungseingangs sind in1 Vgl. hierzu WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 124. 2 So auch Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, § 284 HGB Rz. 135. 3 Ebenfalls für eine 14-spaltige Darstellung: Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 224; Theile, Bilanzrichtlinie Umsetzungsgesetz, § 284 HGB Rz. 10. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 10; Kessler in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 19. 5 Kessler in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 19. 6 Kessler in MünchKomm. BilR, § 268 HGB Rz. 22; Böcking/Gros/Wallek in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 268 Rz. 17. 7 Böcking/Gros/Wallek in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB3, § 268 Rz. 17. 8 ADS6, § 268 HGB Rz. 50; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 126.

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D. Entwicklung des Anlagevermögens (Abs. 3)

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Rz. 95 § 284

soweit unerheblich.1 Zugänge, die zu Anschaffungs- und Herstellungskosten aktiviert wurden, erhöhen im nächsten Geschäftsjahr die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, sofern sie nicht im Jahr des Zugangs wieder ausgeschieden sind. Nachträgliche Änderungen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind im Jahr ihrer Entstehung als Zugänge auszuweisen. Dies gilt sowohl dann, wenn es sich um rein wertmäßige nachträgliche Erhöhungen (zB ein nachträglicher Kaufpreisanstieg oder nachträglich entstandene Kaufpreisnebenforderungen) handelt, als auch, wenn nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Form mengenmäßiger Veränderungen von bereits im Anlagenspiegel enthaltenen Vermögensgegenständen vorliegen.2

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c) Abgänge des Geschäftsjahrs Abgänge sind mengenmäßige Verringerungen des Anlagevermögens, sei es durch Veräußerung, Unter- 91 gang oder durch sonstigen Verlust der Auswertungsmöglichkeit. Eine wertmäßige Verminderung begründet keinen Abgang, sondern ist als Abschreibung auszuweisen.3Analog zu dem Zeitpunkt des Zugangs ist ein Abgang in zeitlicher Hinsicht dann gegeben, wenn ein Vermögensgegenstand nicht mehr der Verfügungsgewalt der Kapitalgesellschaft unterliegt.4 Nachträgliche Minderungen der Anschaffungs- und Herstellungskosten, wie zB Rabatte, Skonti oder nachträgliche Preisnachlässe, sind im Jahr ihrer Entstehung als Abgänge auszuweisen.5 Sie stellen somit eine Ausnahme von dem Erfordernis der mengenmäßigen Verringerung des Anlagevermögens dar.

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d) Umbuchungen des Geschäftsjahrs Bei Umbuchungen handelt es sich um Ausweisänderungen, die auf Umgliederungen im Anlagevermögen 93 beruhen. Sie zeigen weder Mengen- noch Wertveränderungen an und stellen daher lediglich formale Ausweisänderungen dar.6 Einen häufigen Anwendungsfall stellt die nach Fertigstellung von im Bau befindlichen Gebäuden oder Maschinen erfolgende Umgliederung von dem Posten „Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau“ auf den entsprechenden Posten des Sachanlagevermögens dar.7 Aufgrund des Bruttoprinzips hat die Höhe der Umbuchung jeweils in Höhe der ungekürzten Anschaffungs- und Herstellungskosten zu erfolgen.8 e) Zuschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Abs. 3 Satz 2) Unter Zuschreibungen versteht man alle werterhöhenden Änderungen im Anlagevermögen. Diese sind 94 regelmäßig auf zu hohe Abschreibungen in den Vorjahren zurückzuführen, die ihrerseits häufig auf dem Wertaufholungsgebot oder auf der Berichtigung früherer Bilanzierungsfehler beruhen. Unter den Zuschreibungen sind somit Reaktivierungen auszuweisen, bei denen eine vormals vorgenommene Abschreibung korrigiert wird. Nachaktivierungen zeichnen sind demgegenüber dadurch aus, dass der nachzuaktivierende Vermögensgegenstand bislang noch nicht im Anlagevermögen enthalten war. Nachaktivierungen stellen daher Zugänge und keine Zuschreibungen dar.9 Anders als bei Abschreibungen müssen im Anlagespiegel nicht die gesamten, sondern nur die Zuschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs angegeben werden. Sofern im Anlagenspiegel gezeigte Zuschreibungen Vermögensgegenstände betreffen, die im Geschäftsjahr abgegangen sind, sind die Zuschreibungen nicht nur in der Spalte Zuschreibungen des Geschäftsjahrs, sondern auch in der Spalte Änderungen der gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten durch Abgänge (Spalte 10) zu berücksichtigen.10 Dies hat den Hintergrund, dass sich beim Abgang von Vermögensgegenständen die Buchwerte um den Saldo aus den gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten und den gesamten Abschreibungen vermindern. Ließe man die Zuschreibungen in der Spalte 10 unberücksichtigt, so hätte dies zur Folge, dass sich die Buchwerte nicht mehr rechnerisch ableiten ließen.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

ADS6, § 268 HGB Rz. 50; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 15. ADS6, § 268 HGB Rz. 53 f. ADS6, § 268 HGB Rz. 56; Kessler in MünchKomm BilR, § 268 HGB Rz. 29. ADS6, § 268 HGB Rz. 56; Kessler in MünchKomm BilR, § 268 HGB Rz. 30. Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 31; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 268 HGB Rz. 15. ADS6, § 268 HGB Rz. 59; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 268 HGB Rz. 17. Kessler in MünchKomm BilR, § 268 HGB Rz. 23. ADS6, § 268 HGB Rz. 59; Kessler in MünchKomm BilR, § 268 HGB Rz. 33. Kessler in MünchKomm BilR, § 268 HGB Rz. 35. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 232. Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 232.

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§ 284 Rz. 96 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung 2. Abschreibungen (Abs. 3 Satz 3) a) Gesamte Abschreibungen (Abs. 3 Satz 3 Nr. 1) 96

Unter den gesamten Abschreibungen zu Beginn des Geschäftsjahrs sind alle wertmäßigen Verminderungen des Anlagevermögens anzugeben, die auf die am Abschlussstichtag zum Anlagevermögen zählenden Vermögensgegenstände entfallen.1 Auszuweisen sind daher sämtliche seit der Aktivierung der Vermögensgegenstände aufgelaufenen Abschreibungen für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Dabei sind sowohl die planmäßigen als auch die außerplanmäßigen Abschreibungen anzugeben.2 Die gesamten Abschreibungen sind auch auf voll abgeschriebene Vermögensgegenstände bis zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Anlagenspiegel fortzuführen. Erst mit dem Abgang eines Vermögensgegenstands können auch die bis zum Abgangszeitpunkt auf diesen Vermögensgegenstand aufgelaufenen Abschreibungen aus den gesamten Abschreibungen ausgeschieden werden.3 b) Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Abs. 3 Satz 3 Nr. 2)

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Neben den gesamten Abschreibungen des Geschäftsjahrs sind auch die Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs in einer gesonderten Spalte anzugeben. Nach der zutreffenden hM muss die Summe der in dieser Spalte anzugebenden Abschreibungen mit den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Abschreibungen identisch sein, und zwar unabhängig davon, ob die entsprechenden Vermögensgegenstände zum Bilanzstichtag noch im Anlagevermögen enthalten oder bereits ausgeschieden sind.4 Sofern die Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren erstellt wird, ist der Betrag der Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs regelmäßig deckungsgleich mit den Beträgen, die gem. § 275 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 12 HGB auszuweisen sind. c) Änderungen der gesamten Abschreibungen (Abs. 3 Satz 3 Nr. 3) aa) Änderungen durch Zugänge

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Die Spalte Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Zugänge wurde durch das BilRUG in das Gesetz aufgenommen. In der Praxis dürften sich allerdings eher selten Fälle ergeben, die einen Ausweis unter dieser Spalte erforderlich machen. Der Anlagenspiegel (einschließlich des Abschreibungsspiegels) soll den Anlagenbestand zu Beginn des Geschäftsjahrs auf den an Bestand am Ende des Geschäftsjahres überleiten. Aufwandswirksam vorgenommene Abschreibungen auf Zugänge sind im Jahr des Zugangs allerdings schon in den Abschreibungen des laufenden Geschäftsjahrs (Spalte 7) enthalten. Aus diesem Grund hätte ihre Aufnahme in die Spalte Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Zugänge Doppelangaben zur Folge, die einer Überleitung auf den Anlagenbestand am Ende des Geschäftsjahrs im Weg stünden. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, die Angabepflicht nur auf solche Fälle zu erstrecken, bei denen vor dem Zugangszeitpunkt vorgenommene Abschreibungen im Zusammenhang mit Zugängen in den Abschreibungsspiegel aufzunehmen sind (zB bei Umwandlungsfällen wie etwa im Fall der Abbildung einer Verschmelzung unter Buchwertfortführung beim übernehmenden Rechtsträger).5 bb) Änderungen durch Abgänge

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In der Spalte Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Abgänge sind die bis zum Abgangszeitpunkt bestehenden Abschreibungen, die in Vorjahren und im Geschäftsjahr vorgenommen wurden, anzugeben. Diese Angabepflicht ermöglicht es dem Leser des Anhangs, Rückschlüsse auf die Investitionspolitik der Kapitalgesellschaft zu ziehen: Sind die gesamten Abschreibungen durch Abgänge nahezu deckungsgleich mit den Abgängen zu Anschaffungs- und Herstellungskosten, lässt sich hieraus auf eine lange Haltedauer der Vermögensgegenstände schließen.6

Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 21. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 21. ADS6, § 268 HGB Rz. 64; Kessler in MünchKomm BilR, § 284 HGB Rz. 38. ADS6, § 268 HGB Rz. 68; Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 230; WP-Handbuch 2012 Bd. I, F Rz. 134; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 22; a.A.: Küting/Haeger/Zündorf, BB 1985, 1948, 1952, die die Abschreibungen des Geschäftsjahrs stichtagsbezogen ermitteln wollen. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 238; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003, 1004; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, § 284 HGB Rz. 134; wohl auch Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H. Rz. 15. 6 Müller, BC 2016, 103. 1 2 3 4

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E. Sanktionen

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Rz. 105 § 284

cc) Änderungen durch Umbuchungen Unter der Spalte Änderungen der gesamten Abschreibungen durch Umbuchungen sind die kumulierten 100 Abschreibungen von solchen Vermögensgegenständen anzugeben, die im Geschäftsjahr innerhalb des Anlagevermögens umgegliedert wurden. Im Fall von Umbuchungen innerhalb des Anlagevermögens sind nämlich nicht nur die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern auch die bis zum Zeitpunkt der Umgliederung aufgelaufenen Abschreibungen mit umzugliedern (zB bei Umgliederungen von im Bau befindlichen Anlagen in den betreffenden Posten des Anlagevermögens).1

IV. Angaben zu Fremdkapitalzinsen (Abs. 3 Satz 4) Nach dem durch das BilRUG neu geschaffenen § 284 Abs. 3 Satz 4 HGB muss künftig – wenn Fremdkapi- 101 talzinsen gem. § 255 Abs. 3 HGB in die Herstellungskosten einbezogen werden – für jeden Posten des Anlagevermögens angegeben werden, welcher Betrag an Zinsen im Geschäftsjahr aktiviert wurde. Aus der gesetzlichen Formulierung „im Geschäftsjahr“ lässt sich ablesen, dass die im Geschäftsjahr erstmals aktivierten Zinsen und nicht die kumulierten bereits in Vorjahren aktivierten Zinsen anzugeben sind.2 Da die im Geschäftsjahr aktivierten Zinsen betragsmäßig schon in den Zugängen enthalten sind, bietet es sich an, die Angabe zu den Fremdkapitalzinsen im Wege eines „Davon-Vermerks“ in den Anlagenspiegel zu integrieren.3 Mangels konkreter Vorgaben im Gesetzeswortlaut ist dies jedoch nicht zwingend. Es ist vielmehr auch möglich, die geforderten Angaben zu den Fremdkapitalzinsen an anderer Stelle gesondert in den Anhang aufzunehmen.4

E. Sanktionen Sofern Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft 102 zwingende Vorschriften über Angabepflichten im Anhang verletzen und hierdurch die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden, stellt dies gemäß § 331 Nr. 1 HGB einen Straftatbestand dar. Dieser kann nach dem Gesetz mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d HGB enthält zudem eine ordnungsrechtliche Sanktion. Demnach handeln 103 Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats dann ordnungswidrig, wenn sie bei der Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses der Vorschrift des § 284 HGB oder § 285 HGB über die in der Bilanz zu machenden Angaben zuwiderhandeln. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € geahndet werden (§ 334 Abs. 3 HGB). Kommen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft der gem. § 325 HGB 104 bestehenden Verpflichtung zur Offenlegung des Anhangs nicht nach, ist gem. § 335 HGB vom Bundesamt für Justiz wegen des pflichtwidrigen Unterlassens der rechzeitigen Offenlegung ein Ordnungsgeldverfahren durchzuführen. Das Fehlen eines Anhangs oder dessen wesentliche Unvollständigkeit können aktienrechtlich außerdem 105 die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich ziehen. Dies ergibt sich für die AG aus § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG, da das Fehlen oder die wesentliche Unvollständigkeit des Anhangs eine inhaltliche Gesetzesverletzung iSd. § 256 Abs. 1 Nr. 1 HGB darstellt.5 Für die GmbH gilt dies in entsprechender Anwendung.6 Als weitere aktienrechtliche Sanktion kann ein fehlender oder lückenhafter Anhang Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar machen (§§ 243, 257 AktG). Dies setzt voraus, dass für den betreffenden Beschluss der vollständige Jahresabschluss als Entscheidungsgrundlage benötigt wird.7 Darüber hinaus führen fehlende Anhangangaben in der Hauptversammlung zu einem Auskunftsrecht der Aktionäre gem. § 131 AktG.8 Demnach muss der Vorstand den Aktionären in der Hauptversammlung Aus-

1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 237. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 238; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003, 1004. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 238; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003, 1004; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, § 284 HGB Rz. 135. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 284 HGB Rz. 238; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003, 1004; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, § 284 HGB Rz. 135; Theile, Bilanzrichtlinie Umsetzungsgesetz, Teil B Rz. 13. 5 ADS6, § 256 AktG Rz. 13; Koch in MünchKomm. AktG4, § 256 Rz. 14. 6 Koch in MünchKomm. AktG4, § 256 Rz. 14; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 284 Rz. 98; Vetter in Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 256 AktG Rz. 4. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 268 Rz. 98. 8 Kubis in MünchKomm. AktG3, § 131 Rz. 191.

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§ 284 Rz. 106 | Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung kunft zu den fehlenden Angaben erteilen, sofern kein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 131 Abs. 3 AktG eingreift. 106

Sofern der Abschlussprüfer bei Durchführung der Prüfung Verstöße gegen die für die Aufstellung des Anhangs geltenden Vorschriften feststellt, kann dies in Abhängigkeit von der Schwere des Verstoßes zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks führen (§ 322 Abs. 4 HGB).

§ 285 Sonstige Pflichtangaben Ferner sind im Anhang anzugeben: 1. zu den in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten a) der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren, b) der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten, die durch Pfandrechte oder ähnliche Rechte gesichert sind, unter Angabe von Art und Form der Sicherheiten; 2. die Aufgliederung der in Nr. 1 verlangten Angaben für jeden Posten der Verbindlichkeiten nach dem vorgeschriebenen Gliederungsschema; 3. Art und Zweck sowie Risiken, Vorteile und finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften, soweit die Risiken und Vorteile wesentlich sind und die Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens erforderlich ist; 3a. der Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz enthalten sind und die nicht nach § 268 Abs. 7 oder Nr. 3 anzugeben sind, sofern diese Angabe für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung ist; davon sind Verpflichtungen betreffend die Altersversorgung und Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen jeweils gesondert anzugeben; 4. die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geografisch bestimmten Märkten, soweit sich unter Berücksichtigung der Organisation des Verkaufs, der Vermietung oder Verpachtung von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft die Tätigkeitsbereiche und geografisch bestimmten Märkte untereinander erheblich unterscheiden; 5. (weggefallen) 6. (weggefallen) 7. die durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahrs beschäftigten Arbeitnehmer getrennt nach Gruppen; 8. bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (§ 275 Abs. 3) a) der Materialaufwand des Geschäftsjahrs, gegliedert nach § 275 Abs. 2 Nr. 5, b) der Personalaufwand des Geschäftsjahrs, gegliedert nach § 275 Abs. 2 Nr. 6; 9. für die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung jeweils für jede Personengruppe a) die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Bezugsrechte und sonstige aktienbasierte Vergütungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art). 2In die Gesamtbezüge sind auch Bezüge einzurechnen, die nicht ausgezahlt, sondern in Ansprüche anderer Art umgewandelt oder zur Erhöhung anderer Ansprüche verwendet werden. 3Außer den Bezügen für das Geschäftsjahr sind die weiteren Bezüge anzugeben, die im Geschäftsjahr gewährt, bisher aber in keinem Jahresabschluss angegeben worden sind. 4Bezugsrechte oder sonstige aktienbasierte Vergütungen sind mit ihrer Anzahl und dem beizulegenden Zeitwert zum Zeitpunkt ihrer Gewährung anzugeben; spätere Wertveränderungen, die auf einer Änderung der Ausübungsbedingungen beruhen, sind zu berücksichtigen. 5Bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft sind zusätzlich unter Namensnennung die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, gesondert anzugeben. 6Dies gilt auch für:

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Sonstige Pflichtangaben

| § 285

aa) Leistungen, die dem Vorstandsmitglied für den Fall einer vorzeitigen Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind; bb) Leistungen, die dem Vorstandsmitglied für den Fall der regulären Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind, mit ihrem Barwert, sowie den von der Gesellschaft während des Geschäftsjahres hierfür aufgewandten oder zurückgestellten Betrag, cc) während des Geschäftsjahres vereinbarte Änderungen dieser Zusagen; dd) Leistungen, die einem früheren Vorstandsmitglied, das seine Tätigkeit im Laufe des Geschäftsjahres beendet hat, in diesem Zusammenhang zugesagt und im Laufe des Geschäftsjahres gewährt worden sind. 7Leistungen, die dem einzelnen Vorstandsmitglied von einem Dritten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied zugesagt oder im Geschäftsjahr gewährt worden sind, sind ebenfalls anzugeben. 8Enthält der Jahresabschluss weitergehende Angaben zu bestimmten Bezügen, sind auch diese zusätzlich einzeln anzugeben; b) die Gesamtbezüge (Abfindungen, Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art) der früheren Mitglieder der bezeichneten Organe und ihrer Hinterbliebenen. Buchstabe a Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Ferner ist der Betrag der für diese Personengruppe gebildeten Rückstellungen für laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen und der Betrag der für diese Verpflichtungen nicht gebildeten Rückstellungen anzugeben; c) die gewährten Vorschüsse und Kredite unter Angabe der Zinssätze, der wesentlichen Bedingungen und der ggf. im Geschäftsjahr zurückgezahlten oder erlassenen Beträge sowie die zugunsten dieser Personen eingegangenen Haftungsverhältnisse; 10. alle Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichtsrats, auch wenn sie im Geschäftsjahr oder später ausgeschieden sind, mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, einschließlich des ausgeübten Berufs und bei börsennotierten Gesellschaften auch der Mitgliedschaft in Aufsichtsräten und anderen Kontrollgremien im Sinne des § 125 Abs. 1 S. 5 des Aktiengesetzes. Der Vorsitzende eines Aufsichtsrats, seine Stellvertreter und ein etwaiger Vorsitzender des Geschäftsführungsorgans sind als solche zu bezeichnen; 11. Name und Sitz anderer Unternehmen, die Höhe des Anteils am Kapital, das Eigenkapital und das Ergebnis des letzten Geschäftsjahrs dieser Unternehmen, für das ein Jahresabschluss vorliegt, soweit es sich um Beteiligungen im Sinne des § 271 Abs. 1 handelt oder ein solcher Anteil von einer Person für Rechnung der Kapitalgesellschaft gehalten wird; 11a. Name, Sitz und Rechtsform der Unternehmen, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter die Kapitalgesellschaft ist; 11b. von börsennotierten Kapitalgesellschaften sind alle Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften anzugeben, die 5 Prozent der Stimmrechte überschreiten; 12. Rückstellungen, die in der Bilanz unter dem Posten „sonstige Rückstellungen“ nicht gesondert ausgewiesen werden, sind zu erläutern, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang haben; 13. jeweils eine Erläuterung des Zeitraums, über den ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben wird; 14. Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den größten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der von diesem Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist; 14a. Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den kleinsten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der von diesem Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist; 15. soweit es sich um den Anhang des Jahresabschlusses einer Personenhandelsgesellschaft im Sinne des § 264a Abs. 1 handelt, Name und Sitz der Gesellschaften, die persönlich haftende Gesellschafter sind, sowie deren gezeichnetes Kapital; 15a. das Bestehen von Genussscheinen, Genussrechten, Wandelschuldverschreibungen, Optionsscheinen, Optionen, Besserungsscheinen oder vergleichbaren Wertpapieren oder Rechten, unter Angabe der Anzahl und Rechte, die sie verbriefen;

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§ 285 | Sonstige Pflichtangaben 16. dass die nach § 161 des Aktiengesetzes vorgeschriebene Erklärung abgegeben und wo sie öffentlich zugänglich gemacht worden ist; 17. das von dem Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr berechnete Gesamthonorar, aufgeschlüsselt in das Honorar für a) die Abschlussprüfungsleistungen, b) andere Bestätigungsleistungen, c) Steuerberatungsleistungen, d) sonstige Leistungen, soweit die Angaben nicht in einem das Unternehmen einbeziehenden Konzernabschluss enthalten sind; 18. für zu den Finanzanlagen (§ 266 Abs. 2 A. III.) gehörende Finanzinstrumente, die über ihrem beizulegenden Zeitwert ausgewiesen werden, da eine außerplanmäßige Abschreibung nach § 253 Abs. 3 Satz 6 unterblieben ist, a) der Buchwert und der beizulegende Zeitwert der einzelnen Vermögensgegenstände oder angemessener Gruppierungen sowie b) die Gründe für das Unterlassen einer Abschreibung einschließlich der Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer ist; 19. für jede Kategorie nicht zum beizulegenden Zeitwert bilanzierter derivativer Finanzinstrumente a) deren Art und Umfang, b) deren beizulegender Zeitwert, soweit er sich nach § 255 Abs. 4 verlässlich ermitteln lässt, unter Angabe der angewandten Bewertungsmethode, c) deren Buchwert und der Bilanzposten, in welchem der Buchwert, soweit vorhanden, erfasst ist, sowie d) die Gründe dafür, warum der beizulegende Zeitwert nicht bestimmt werden kann; 20. für mit dem beizulegenden Zeitwert bewertete Finanzinstrumente a) die grundlegenden Annahmen, die der Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zugrunde gelegt wurden, sowie b) Umfang und Art jeder Kategorie derivativer Finanzinstrumente einschließlich der wesentlichen Bedingungen, welche die Höhe, den Zeitpunkt und die Sicherheit künftiger Zahlungsströme beeinflussen können; 21. zumindest die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte, soweit sie wesentlich sind, mit nahe stehenden Unternehmen und Personen, einschließlich Angaben zur Art der Beziehung, zum Wert der Geschäfte sowie weiterer Angaben, die für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind; ausgenommen sind Geschäfte mit und zwischen mitteloder unmittelbar in 100-prozentigem Anteilsbesitz stehenden in einen Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen; Angaben über Geschäfte können nach Geschäftsarten zusammengefasst werden, sofern die getrennte Angabe für die Beurteilung der Auswirkungen auf die Finanzlage nicht notwendig ist; 22. im Fall der Aktivierung nach § 248 Abs. 2 der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahres sowie der davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallende Betrag; 23. bei Anwendung des § 254, a) mit welchem Betrag jeweils Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte und mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zur Absicherung welcher Risiken in welche Arten von Bewertungseinheiten einbezogen sind sowie die Höhe der mit Bewertungseinheiten abgesicherten Risiken, b) für die jeweils abgesicherten Risiken, warum, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum sich die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme künftig voraussichtlich ausgleichen einschließlich der Methode der Ermittlung, c) eine Erläuterung der mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen, die in Bewertungseinheiten einbezogen wurden, soweit die Angaben nicht im Lagebericht gemacht werden; 834

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Sonstige Pflichtangaben

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24. zu den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen das angewandte versicherungsmathematische Berechnungsverfahren sowie die grundlegenden Annahmen der Berechnung, wie Zinssatz, erwartete Lohn- und Gehaltssteigerungen und zugrunde gelegte Sterbetafeln; 25. im Fall der Verrechnung von Vermögensgegenständen und Schulden nach § 246 Abs. 2 S. 2 die Anschaffungskosten und der beizulegenden Zeitwert der verrechneten Vermögensgegenstände, der Erfüllungsbetrag der verrechneten Schulden sowie die verrechneten Aufwendungen und Erträge; Nr. 20 Buchstabe a ist entsprechend anzuwenden; 26. zu Anteilen an Sondervermögen im Sinn des § 1 Abs. 10 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder Anlageaktien an Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital im Sinn der §§ 108 bis 123 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder vergleichbaren EU-Investmentvermögen oder vergleichbaren ausländischen Investmentvermögen von mehr als dem zehnten Teil, aufgegliedert nach Anlagezielen, deren Wert im Sinn der §§ 168, 278 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder des § 36 des Investmentgesetzes in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung oder vergleichbarer ausländischer Vorschriften über die Ermittlung des Marktwertes, die Differenz zum Buchwert und die für das Geschäftsjahr erfolgte Ausschüttung sowie Beschränkungen in der Möglichkeit der täglichen Rückgabe; darüber hinaus die Gründe dafür, dass eine Abschreibung gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 unterblieben ist, einschließlich der Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer ist; Nr. 18 ist insoweit nicht anzuwenden; 27. für nach § 268 Abs. 7 im Anhang ausgewiesene Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse, die Gründe der Einschätzung des Risikos der Inanspruchnahme; 28. der Gesamtbetrag der Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8, aufgegliedert in Beträge aus der Aktivierung latenter Steuern und aus der Aktivierung von Vermögensgegenständen zum beizulegenden Zeitwert; 29. auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist; 30. wenn latente Steuerschulden in der Bilanz angesetzt werden, die latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden; 31. jeweils der Betrag und die Art der einzelnen Erträge und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung, soweit die Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung sind; 32. eine Erläuterung der einzelnen Erträge und Aufwendungen hinsichtlich ihres Betrags und ihrer Art, die einem anderen Geschäftsjahr zuzurechnen sind, soweit die Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung sind; 33. Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahrs eingetreten und weder in der Gewinn- und Verlustrechnung noch in der Bilanz berücksichtigt sind, unter Angabe ihrer Art und ihrer finanziellen Auswirkungen; 34. der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses oder der Beschluss über seine Verwendung. A. I. II. III. IV. B. I.

II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angabepflichten des § 285 HGB Angabe des Gesamtbetrags der in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren sowie der gesicherten Verbindlichkeiten (Nr. 1) . . Aufgliederung des Gesamtbetrags der Verbindlichkeiten (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art und Zweck sowie Risiken, Vorteile und finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften (Nr. 3)

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1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht in der Bilanz enthaltene Geschäfte . . . 3. Wesentlichkeit der Risiken und Vorteile und Erforderlichkeit zur Beurteilung der Finanzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt der Angabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . IV. Angabe des Gesamtbetrags der sonstigen finanziellen Verpflichtungen (Nr. 3a) . . . . . . V. Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geografisch bestimmten Märkten (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . VI. Ausmaß der Beeinflussung des Jahresergebnisses und erheblicher künftiger Belastungen durch Anwendung steuerrechtlicher Vergünstigungsvorschriften (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . .

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§ 285 | Sonstige Pflichtangaben VII. Angabe des Umfangs der Belastung des Ergebnisses aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und des außergewöhnlichen Ergebnisses durch Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (Nr. 6) . . VIII. Durchschnittliche Arbeitnehmerzahl (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Angaben bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (Nr. 8) . . . . . . . . . . X. Angabe der Bezüge und anderer Leistungen an Organmitglieder (Nr. 9) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art und Umfang der Angabepflicht . . . 3. Erfasste Personengruppen . . . . . . . . . 4. Angabe der Gesamtbezüge der aktiven Organmitglieder (Nr. 9 Buchst. a) . . . . 5. Bezüge an und Pensionsverpflichtungen gegenüber früheren Organmitgliedern (Nr. 9 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorschüsse und Kredite an sowie Haftungsverhältnisse zugunsten von Organmitgliedern (Nr. 9 Buchst. c) . . . . . . . XI. Angabe aller Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichtsrats (Nr. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Angaben zum Anteilsbesitz (Nr. 11) . . XIII. Zusatzangaben für persönlich haftende Kapitalgesellschaften (Nr. 11a) . . . . . . XIV. Zusatzangaben für börsennotierte Kapitalgesellschaften (Nr. 11b) . . . . . . . . . XV. Erläuterung der nicht gesondert ausgewiesenen Rückstellungen (Nr. 12) . . XVI. Abschreibungsdauer eines Geschäftsoder Firmenwerts (Nr. 13) . . . . . . . . . XVII. Angaben zu Mutterunternehmen für den größten Kreis von Unternehmen (Nr. 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Angaben zu Mutterunternehmen für den kleinsten Kreis von Unternehmen (Nr. 14a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX. Angaben zu Komplementärgesellschaften (Nr. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX. Angaben zum Bestehen von Genussscheinen, Genussrechten, Wandelschuldverschreibungen und vergleichbaren Wertpapieren oder Rechten (Nr. 15a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI. Abgabe der Erklärung nach § 161 AktG (Nr. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII. Gesamthonorar des Abschlussprüfers (Nr. 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII. Angaben zu nicht zum niedrigeren Zeitwert bewerteten Finanzinstrumenten (Nr. 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV. Angaben zu nicht zum Zeitwert bilanzierten derivativen Finanzinstrumenten (Nr. 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV. Angaben für zum Zeitwert bewertete Finanzinstrumente (Nr. 20) . . . . . . . . . . Literatur: s. § 284 HGB

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_ _ _ __ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ 55 56 60

63 68 71 74

100 106 114 120 126 129 135 140 146 151 154

_ _ _ _ _ _

158 162 166 176 183 194

XXVI. Angaben über nicht marktübliche Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen (Nr. 21) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommene Geschäfte . . . . . 3. Nahe stehende Unternehmen und Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art und Umfang der Angabepflicht . . . 5. Befreiung von der Angabepflicht (Teils. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung nach Geschäftsarten (Teils. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII. Angaben zu Forschungs- und Entwicklungskosten (Nr. 22) . . . . . . . . . . . . . XXVIII. Angaben zu den Bewertungseinheiten (Nr. 23) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angaben zum Grundgeschäft (Nr. 23 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Effektivität der Sicherungsbeziehung (Nr. 23 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erläuterung der mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen (Nr. 23 Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Form der Angaben . . . . . . . . . . . . . . 6. Befreiung von der Angabepflicht durch Lagebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX. Angaben zu den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (Nr. 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXX. Angaben zu vorgenommenen Saldierungen bei bestimmten Altersversorgungsverpflichtungen (Nr. 25) . . . . . . . . . . . XXXI. Angaben zu Anteilen oder Anlageaktien an Investmentvermögen (Nr. 26) . . . . XXXII. Angaben zu den Gründen der Einschätzung des Risikos der Inanspruchnahme bei im Anhang ausgewiesenen Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnissen (Nr. 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII. Angaben zu ausschüttungsgesperrten Beträgen (Nr. 28) . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIV. Angaben zur Entstehung und Bewertung latenter Steuern (Nr. 29) . . . . . . . . . . XXXV. Angaben zu latenten Steuerschulden (Nr. 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI. Angaben zu Erträgen und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder Bedeutung (Nr. 31) . . . . . . XXXVII. Angaben zu Erträgen und Aufwendungen, die einem anderen Geschäftsjahr zuzurechnen sind (Nr. 32) . . . . . . . . . XXXVIII. Angaben zu wesentlichen Ereignissen nach dem Bilanzstichtag (Nr. 33) . . . . XXXIX. Angaben zum Ergebnisverwendungsvorschlag (Nr. 34) . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ __ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _

200 202 206 208 214 215 216

221 222 227 230 232 233 235 240 246

_ _ _ _ _ _ _ __

255 259 264 271 275 280 283 286 293

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 7 § 285

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 285 HGB stellt einen Katalog von Angaben auf, die über die in § 284 HGB vorgesehenen Angaben zur 1 Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung hinaus zusätzlich im Anhang zum Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft enthalten sein müssen und die keinen unmittelbaren Bezug zu einzelnen Abschlusspositionen aufweisen. Dies wird im Einleitungssatz des § 285 HGB deutlich („Ferner sind im Anhang anzugeben: […]“). Die Vorschrift erfüllt damit eine ergänzende Informationsfunktion für den Bilanzleser und enthält eine Mischung diverser Einzeltatbestände, ohne dabei einen „inneren roten Faden“ aufzuweisen. Zur Erfüllung der Angabeverpflichtungen des § 285 HGB sind reine Zahlenangaben regelmäßig nicht aus- 2 reichend. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle sind vielmehr darüber hinausgehende erläuternde Angaben erforderlich. Sämtliche der in § 285 HGB aufgeführten Angaben müssen jedes Jahr im Rahmen des Jahresabschlusses erneut gemacht werden. Ein Verweis auf die im Rahmen des Jahresabschlusses für das Vorjahr getätigten Angaben ist nicht ausreichend.1 Bei den Angabepflichten des § 285 HGB handelt es sich um Pflichtangaben, die von der bilanzierenden Kapitalgesellschaft grundsätzlich zu machen sind. Sofern jedoch bestimmte, eine Angabepflicht iSd. § 285 HGB auslösende Umstände bei der Gesellschaft nicht vorhanden sind, kann eine Angabe im Anhang unterbleiben, ohne dass die Nichtangabe grundsätzlich negativ vermerkt werden müsste.

II. Bedeutung und Zweck Die meisten der in § 285 HGB enthaltenen Angabepflichten lassen sich nicht in thematische Unterkatego- 3 rien einordnen. Vielmehr handelt es sich um jeweils separat zu betrachtende Offenlegungsverpflichtungen, die keinen inhaltlichen Bezug zueinander aufweisen. Ihre Gemeinsamkeit besteht jedoch darin, dass mit sämtlichen dieser Angabeverpflichtungen der Zweck verfolgt wird, den Informationswert des Jahresabschlusses zu erhöhen und dem Adressaten des Jahresabschlusses in Ergänzung zur Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung einen tieferen Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu ermöglichen.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB sind grundsätzlich alle Kapitalgesellschaften verpflichtet, einen Anhang aufzustellen. Insofern werden vom Anwendungsbereich der Vorschrift sämtliche Kapitalgesellschaften sowie Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB erfasst. § 288 HGB sieht jedoch größenabhängige Befreiungen für kleine (§ 267 Abs. 1 HGB) und mittelgroße (§ 267 Abs. 2 HGB) Kapitalgesellschaften vor. Diese Erleichterungen finden gem. § 264a Abs. 1 iVm § 288 HGB auf Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB entsprechende Anwendung.

4

Da Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen gem. § 340a Abs. 1 HGB bzw. § 341 a Abs. 1 HGB 5 stets verpflichtet sind, einen Anhang nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen, müssen auch diese im Anhang die Angabepflichten des § 285 HGB beachten, ohne dass für diese jedoch die Erleichterungen und Befreiungen des § 288 HGB eingriffen. Gem. § 340a Abs. 2 HGB sind Kreditinstitute allerdings von den Angabepflichten gem. § 285 Nr. 8 und 12 HGB befreit. Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind, unterfallen nur dann dem Anwendungsbereich des § 285 HGB, wenn diese gem. § 5 Abs. 2 PublG verpflichtet sind, einen Anhang aufstellen.

6

Erleichterungen von der Berichterstattungspflicht des § 285 HGB bestehen unter den in § 286 Abs. 2–4 HGB näher bestimmten Voraussetzungen einzig für die Aufgliederung der Umsatzerlöse (Nr. 4), für die Angaben über den Anteilsbesitz (Nr. 11 und 11a) und für die Angaben über die Organbezüge (Nr. 9). Allerdings darf in diesen Fällen freiwillig berichtet werden. Darüber hinaus muss eine Angabe unter Anwendung der Schutzklausel des § 286 HGB zwingend dann unterbleiben, wenn es das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Bundesländer erfordert.

7

1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 1.

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§ 285 Rz. 8 | Sonstige Pflichtangaben

IV. Rechtsentwicklung 8

Der Katalog der Pflichtangaben im Anhang gem. § 285 HGB wurde gleichzeitig mit der Etablierung des Anhangs als fester Bestandteil des Jahresabschlusses durch das BiRiLiG1 1985 in das Gesetz eingefügt. Mit dem BiRiLiG wurden zugleich viele der umfangreichen, in Art. 43 der 4. Richtlinie vom 25.7.19782 enthaltenen europarechtlichen Vorgaben umgesetzt.

9

Erste Änderungen erfuhren die Angabepflichten des § 285 HGB durch das KonTraG3 aus dem Jahre 1998, in dessen Rahmen die Angabepflichten der Nr. 9, 10 und 11 modifiziert wurden. In der Folge wurde der Katalog dann im Jahr 2000 durch das KapCoRiLiG4 um die Angabepflichten bezüglich der Stellung als unbeschränkt haftender Gesellschafter (Nr. 11a) sowie bezüglich der Komplementärgesellschaft (Nr. 15) erweitert. Im Zuge des BilRefG5 aus dem Jahre 2004 wurde erstmals die (inzwischen geänderte) Angabepflicht bezüglich des Honorars für den Abschlussprüfer (Nr. 17) geschaffen.

10

Durch das VorstOG6 aus dem Jahre 2005 wurden im Wege einer Erweiterung von § 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–9 HGB besondere individualisierte Angabepflichten für Vorstandsmitglieder von börsennotierten AG eingeführt, nach denen neben der schon bestehenden Verpflichtung zur Offenlegung der Gesamtbezüge zusätzlich unter Namensnennung die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, gesondert angegeben werden müssen.

11

Durch das BilMoG7 aus dem Jahr 2009 wurden die Angabepflichten des § 285 HGB erheblich ausgeweitet.8 Hintergrund der Erweiterungen und Ergänzungen der bestehenden Angabepflichten war zum einen die Umsetzung von EU-Richtlinien9 sowie eine Anpassung an geänderte handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften; zum anderen sollten die neuen Angaben auch allgemein das Informationsniveau des handelsrechtlichen Jahresabschlusses anheben.10 Im Einzelnen wurde durch das BilMoG der bislang bestehende Katalog der Angabepflichten durch die Einführung der Nr. 3a sowie Nr. 20–29 erweitert. Hinzu kamen Veränderungen durch diverse Modifikationen bereits zuvor bestehender Angabepflichten.

12

Durch das am 1.9.2009 in Kraft getretene ARUG11 wurden einige kleinere redaktionelle Änderungen in § 285 Nr. 10 HGB sowie § 285 Nr. 23 Buchst. a HGB vorgenommen. Weitere Änderungen erfuhr die Vorschrift durch das am 21.7.2009 in Kraft getretene VorstAG,12 in dessen Rahmen die in § 285 Nr. 9 HGB enthaltene Angabepflicht über die individualisierte Offenlegung der Vorstandsbezüge nunmehr um einen neuen Satz 6 erweitert wurde.

13

Eine Vielzahl von Ergänzungen und Konkretisierungen hat § 285 HGB zuletzt durch das BilRUG erfahren, durch das die Vorgaben der im Jahr 2013 in Kraft getretenen EU-Bilanzrichtlinie13 in deutsches Recht transformiert wurden (vgl. zu der EU-Bilanzrichtlinie und deren Auswirkungen auf den Anhang § 284 HGB Rz. 24 ff.). Dabei machte der durch die EU-Bilanzrichtlinie teilweise neu gestaltete Katalog von Anhangangaben zahlreiche Änderungen der in § 285 HGB enthaltenen Auflistung von Pflichtangaben erforderlich. Insbes. wurden durch das BilRUG die bisherigen Nr. 1–29 der Vorschrift um fünf zusätzliche sowie um die bislang noch nicht vorhandenen Nr. 11b, 14a sowie 15a ergänzt.14 Darüber hinaus wurden weitere Klarstellungen, Änderungen und Ergänzungen im Wortlaut der Norm vorgenommen. Wesentliche Änderungen des § 285 HGB durch das BilRUG sind insbes. die neue Angabepflicht zu latenten Steuern (§ 285 Nr. 30 HGB), durch die Art. 17 Buchst. f der EU-Bilanzrichtlinie in deutsches Recht überführt 1 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355; zu den Neuerungen durch das BiRiLiG Großfeld, NJW 1986, 955. 2 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. 3 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. 4 Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154. 5 Bilanzrechtsreformgesetz – (BilRefG) v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 166; vgl. dazu: Frye, BC 2005, 10; Selchert, BB 1985, 1889. 6 Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VostOG) v. 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 7 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 8 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/12407, 14 ff.; Zwirner, BB 2009, 2302; Zwirner/Roth, BRZ 2009, 457; Petersen/Zwirner/Künkele, DB Beil. 6 zu Heft 37, 3 (22). 9 Vgl. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 39 ff. 10 Vgl. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 34. 11 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 30.7.2009, BGBl. I 2009, 2479. 12 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509. 13 Richtlinie 2013/34/EU v. 29.6.2013, ABl.EU 2013 Nr. L. 14 Vgl. zu den Änderungen im Einzelnen Zwirner/Boecker, BC 2015, 29, 31 ff.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 17 § 285

wurde, die neue Angabepflicht zu periodenfremden Aufwendungen und Erträgen (§ 285 Nr. 32 HGB) sowie die in Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. o der EU-Bilanzrichtlinie geschaffene neue Pflicht, den Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses oder den Beschluss über seine Verwendung im Anhang offenzulegen (§ 285 Nr. 34 HGB). Zudem wurde der früher im Lagebericht enthaltene Nachtragsbericht in Umsetzung der Vorgaben von Art. 17 Abs. 1 Buchst. q der EU-Bilanzrichtlinie in den Anhang verschoben (§ 285 Nr. 33 HGB) und die Angabepflicht für periodenfremde Aufwendungen und Erträge gem. § 277 Abs. 4 HGB aF von der Gewinn- und Verlustrechnung in den Anhang überführt (§ 285 Nr. 32 HGB).1

B. Angabepflichten des § 285 HGB I. Angabe des Gesamtbetrags der in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren sowie der gesicherten Verbindlichkeiten (Nr. 1) Gem. § 285 Nr. 1 HGB ist die Kapitalgesellschaft verpflichtet, zu den in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten im Anhang den Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren aufweisen (Nr. 1 Buchst. a), sowie unter Nennung von Art und Form der Sicherheiten den Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten, die durch Pfandrechte oder ähnliche Rechte gesichert sind (Nr. 1 Buchst. b), anzugeben. Zweck dieser Anhangangabe ist, einen verbesserten Einblick in die finanzielle Situation des Unternehmens zu gewähren. Diese Angaben sind für alle Kapitalgesellschaften obligatorisch. Befreiungen für kleine oder mittelgroße Kapitalgesellschaften sieht das Gesetz nicht vor. Der in § 285 Nr. 1 HGB gewählte Begriff der Verbindlichkeiten bezieht sich auf sämtliche der in § 266 Abs. 3 C 1.–8. HGB im Rahmen der Gliederung der Bilanz genannten Einzelposten.2 Im Rahmen der Bilanz nicht aufgeführte Schulden, wie zB Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sowie Rechnungsabgrenzungsposten, unterfallen nicht der Angabepflicht.3 Sofern von dem Gliederungswahlrecht des § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB Gebrauch gemacht wird und erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen von den Vorräten offen abgesetzt werden, bleibt dieser Posten dennoch von der Angabepflicht des § 285 Nr. 1 HGB erfasst, da die Angabepflicht ansonsten von der Ausübung des Wahlrechts abhinge.4 Die Verbindlichkeiten müssen noch eine Restlaufzeit von über fünf Jahren aufweisen. Restlaufzeit ist dabei die Zeit zwischen dem jeweiligen Bilanzstichtag und dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Verbindlichkeit,5 wobei für die Berechnung die §§ 187 ff. BGB heranzuziehen sind. Die vertraglich vereinbarte Gesamtlaufzeit6 und die subjektive Zahlungsbereitschaft7 sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Sofern bestimmte Teilbeträge einer Gesamtverbindlichkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre fällig werden, unterfallen diese aufgrund ihrer rechtlichen Selbstständigkeit nicht der Angabepflicht.8 Existiert hinsichtlich einer bestimmten Verbindlichkeit kein gesetzlich oder vertraglich vereinbarter Fälligkeitstermin, muss die Restlaufzeit geschätzt werden. Um dem allgemeinen Bewertungsgrundsatz der Vorsicht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) zu genügen, sollte bei Zweifeln hinsichtlich des Fälligkeitszeitpunkts eher ein früherer Zeitpunkt angenommen werden.9 Prolongationsvereinbarungen zugunsten des Schuldners sind bei der Bestimmung der Restlaufzeit zu berücksichtigen, sofern der Vorstand bzw. die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft begründeterweise die Absicht hat, von diesen Gebrauch zu machen.10 Sofern der Gläubiger berechtigt ist, die Verbindlichkeit einseitig zu kündigen, ist – ebenfalls aus Gründen der Vorsicht – bei der Berechnung der Restlaufzeit der nächstmögliche Rückzahlungstermin zugrunde zu legen, da die Finanzlage der Gesellschaft ansonsten möglicherweise zu günstig dargestellt würde.11 Steht demgegenüber der schuldenden Kapitalgesellschaft ein einseitiges Kündigungsrecht zu, so ist dieses nur zu beachten, sofern der Vorstand bzw. die Geschäftsführung eine vorzeitige Rückzahlung ernsthaft in Erwägung zieht.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. hierzu Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 65 ff. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 12. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 12; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 12. So auch ADS6, § 285 HGB Rz. 9; aA Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 12; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 12. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 13; Poll, in BeckOK HGB15, § 285 Rz. 3. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 13. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 15; Poll, in BeckOK HGB15, § 285 Rz. 4. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 14. ADS6, § 285 HGB Rz. 11; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 6; Poll in BeckOK HGB15, § 285 Rz. 4. ADS6, § 285 HGB Rz. 11. Vgl. Küting, DB 1985, 1095. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 6.

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§ 285 Rz. 18 | Sonstige Pflichtangaben 18

Die Angabepflicht des § 285 Nr. 1 Buchst. b HGB wird ausgelöst, sofern Verbindlichkeiten durch Pfandrechte oder ähnliche Rechte gesichert sind. Mit Pfandrechten sind in diesem Zusammenhang keineswegs nur Grundpfandrechte in Form von Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden gemeint. Vielmehr ist der Begriff des Pfandrechts umfassend zu verstehen, so dass auch Pfandrechte an beweglichen Sachen und Rechten gem. §§ 1204 ff. BGB erfasst sind.1 Den Pfandrechten ähnlich – und somit ähnliche Rechte iSd. Nr. 1 Buchst. b – sind andere dingliche Sicherungsrechte; insbes. die in der Praxis häufigen besitzlosen Pfandrechte, wie zB Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen und (verlängerte) Eigentumsvorbehalte.2 Auch der Nießbrauch an Grundstücken stellt ein weiteres dem Pfandrecht ähnliches Sicherungsrecht iSd. Nr. 1 Buchst. b dar.3

19

Der Gesetzeswortlaut sieht im Hinblick auf den Umfang der Angabepflicht keine Einschränkungen vor. Berücksichtigt man jedoch, dass die Angabepflicht vorrangig den Zweck verfolgt, dem Adressaten des Jahresabschlusses einen Überblick über die Sicherheiten zu gewähren, die nicht verkehrsüblich sind, erscheint die nach dem Wortlaut bestehende umfassende Angabepflicht nicht zwingend erforderlich.4 Die Vorschrift sollte daher in der Weise teleologisch reduziert werden, dass branchenübliche und für die Lage der Kapitalgesellschaft nicht bedeutsame Sicherheiten nicht der Angabeverpflichtung unterfallen. Für diese dürfte es – auch mit Blick auf das ansonsten kritische Verhältnis zwischen Aufwand und Informationsgewinn – ausreichen, wenn im Rahmen des Anhangs in allgemeiner Form darauf hingewiesen wird, dass die üblichen Eigentumsvorbehalte aus Warenlieferungen bestehen oder bestehen können.5

20

Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gleichfalls nicht erforderlich ist es, kraft Gesetzes entstehende Pfandrechte (zB Vermieterpfandrecht, Werkunternehmerpfandrecht) der Angabepflicht zu unterwerfen, da mit diesen weder im Rechtsverkehr gerechnet werden muss noch diese idR von erheblicher Bedeutung für die Finanzlage der Kapitalgesellschaft sind.6 Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Bestellung des Pfandrechts aufgrund einer gesetzlichen Pflicht erfolgt, da in diesem Fall ein Rechtsgeschäft Rechtsgrund für die Bestellung der Sicherheit ist.7

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Der Wortlaut der Nr. 1 Buchst. b setzt weiterhin voraus, dass Art und Form der durch die Gesellschaft gewährten Sicherheit angegeben werden. Als Art der Sicherheit ist hierbei die Gattung des gewährten Rechts anzugeben. Die nähere Bezeichnung der Form erfordert Angaben bzgl. der Art und Weise der Verbriefung des Sicherungsrechts.8

II. Aufgliederung des Gesamtbetrags der Verbindlichkeiten (Nr. 2) 22

§ 285 Nr. 2 HGB verlangt die Aufgliederung der in Nr. 1 geforderten Angaben für jeden Posten der Verbindlichkeiten nach dem vorgeschriebenen Gliederungsschema des § 266 Abs. 3 C HGB. § 285 Nr. 2 HGB ist daher Ergänzungsregelung zu § 285 Nr. 1 HGB. Uneingeschränkt ist § 285 Nr. 2 HGB nur auf große Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 3 HGB anzuwenden. Mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 AktG) müssen die Aufgliederung bei der Erstellung ihres Jahresabschlusses zwar grundsätzlich vornehmen, jedoch haben sie gem. § 327 Nr. 2 HGB die Möglichkeit, einen Anhang ohne die fraglichen Angaben beim BAnz. einzureichen. Für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Satz 1 HGB) verbleibt es bei der Verpflichtung zur Angabe eines Gesamtbetrags gem. Nr. 1, da eine Aufgliederung gem. § 288 Abs. 1 HGB unterbleiben kann.

23

Die in Nr. 2 vorgesehene Aufgliederung der Verbindlichkeiten ist im Zusammenhang mit § 268 Abs. 5 Satz 1 HGB zu sehen. Dieser sieht vor, dass bei jedem gesondert ausgewiesenen Verbindlichkeitsposten in der Bilanz der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr und der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr zu vermerken ist. Aus dem Zusammenspiel mit dieser Vorschrift ergibt sich somit eine Aufteilung der Verbindlichkeiten in solche mit (i) Restlaufzeiten bis zu einem Jahr, (ii) mehr als einem Jahr, (iii) zwischen einem und fünf Jahren sowie (iv) mehr als fünf Jahren. Um eine möglichst übersichtliche Darstellung dieser Angaben zu erreichen, ADS6, § 285 HGB 13; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 21. ADS6, § 285 HGB Rz. 16; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 22. ADS6, § 285 HGB Rz. 16; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 18. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 24; aA ADS6, § 285 HGB Rz. 17. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 24; s. auch ADS6, § 285 HGB Rz. 17 f., die eine generelle Einschränkung der Angabepflicht zwar ablehnen, einen allgemeinen Hinweis auf das Bestehen von branchenüblichen Eigentumsvorbehalten aber dennoch ausreichen lassen wollen. 6 ADS6, § 285 HGB Rz. 17; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 23. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 23. 8 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 9; Poll in BeckOK HGB15, § 285 Rz. 9. 1 2 3 4 5

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 27 § 285

sollten diese zusammengefasst im Rahmen eines Verbindlichkeitenspiegels dargestellt werden.1 Im Rahmen dieses Verbindlichkeitenspiegels können sowohl eine Aufgliederung der Verbindlichkeiten nach den oben genannten Zeitabschnitten (§§ 285 Nr. 1 Buchst. a, 268 Abs. 5 Satz 1 HGB) als auch Angaben zu deren Sicherung (§ 285 Nr. 1 Buchst. b HGB) vorgenommen werden.2 Zwar sieht § 268 Abs. 5 Satz 1 HGB grundsätzlich vor, dass die Angabe der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr und der Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr in der Bilanz bei jedem einzelnen Posten und nicht im Anhang zu vermerken ist. Jedoch dient eine zusammenfassende Darstellung der Verbindlichkeiten im Anhang idR der Klarheit der Darstellung, so dass eine einheitliche und zusammenfassende Ausweisung im Rahmen des Verbindlichkeitenspiegels im Anhang möglich ist.3

III. Art und Zweck sowie Risiken, Vorteile und finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften (Nr. 3) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht Gem. § 285 Nr. 3 HGB sind Unternehmen dazu verpflichtet, Art und Zweck sowie Risiken, Vorteile und 24 finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften im Anhang anzugeben, soweit die Risiken und Vorteile wesentlich sind und die Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens erforderlich ist. Die Angabepflicht zu den außerbilanziellen Geschäften wurde durch das BilMoG in das Gesetz eingefügt und durch das BilRUG in der Weise erweitert, dass nicht mehr nur Art und Zweck sowie Risiken und Vorteile, sondern zusätzlich auch die finanziellen Auswirkungen dieser Geschäfte anzugeben sind. Die Angabepflicht soll dem Jahresabschlussadressaten, der ohne diese Angabepflicht aufgrund bestimmter bilanzoptischer Gestaltungen (zB Forderungsverbriefungen, Leasingfinanzierungen, Sale-and-buy-back-Geschäfte) keinen Aufschluss über ggf. gewaltige finanzielle Abflüsse der Gesellschaft erhält, dabei helfen, die finanzielle Situation des Unternehmens besser einschätzen zu können, und dient insoweit einer Verbesserung der Transparenz von außerbilanziellen Geschäften. Soweit der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist, sind die Angaben nach § 285 Nr. 3 25 HGB von allen großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 2 und 3 HGB zu machen. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) und Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB vollständig von der Angabepflicht befreit. 2. Nicht in der Bilanz enthaltene Geschäfte Zu den nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften zählen Transaktionen, die von vornherein dauerhaft keinen Eingang in die Handelsbilanz finden oder einen dauerhaften Abgang von (bereits bilanzierten) Vermögensgegenständen oder Schulden aus der Handelsbilanz nach sich ziehen.4

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Der Begriff des Geschäfts ist in diesem Zusammenhang keineswegs auf rechtsgeschäftliche Vereinbarun- 27 gen beschränkt, sondern vielmehr in einem weiten funktionalen Zusammenhang zu verstehen.5 Um die Auslegung des Begriffs des Geschäfts iSd. § 285 Nr. 3 HGB zu erleichtern, können die zu § 312 AktG gefundenen Grundsätze herangezogen werden.6 Demnach können sowohl Rechtsgeschäfte als auch Maßnahmen Geschäfte iSd. § 285 Nr. 3 HGB darstellen. In der Praxis dürfte es sich dabei meistens um rechtsgeschäftliche Gestaltungen handeln, bei denen Vermögensgegenstände veräußert und zu einem späteren Zeitpunkt zurückerworben werden; somit um die sog. Sale-and-buy-back-Geschäfte, wie zB das Factoring und ABS-Transaktionen, Pensionsgeschäfte, Konsignationslagervereinbarungen, Verträge mit unbedingter Zahlungsverpflichtung, Forderungsverbriefungen über gesonderte Gesellschaften oder nicht rechtsfähige Einrichtungen, die Verpfändung von Aktiva, Operating-Leasing-Verträge, verdeckte Leasinggeschäfte oder die Auslagerung von Tätigkeiten.7 Sofern es bei diesen Rechtsgeschäften dazu kommt, dass das wirt1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 26; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 38; Morck in Koller/ Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 285 Rz. 3. 2 Zu der Gliederung des Verbindlichkeitenspiegels vgl. ADS6, § 285 HGB Rz. 27. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 39; Poll, in BeckOK HGB15, § 285 Rz. 10. 4 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69. Dieses Verständnis des außerbilanziellen Geschäfts ergibt sich nach der amtlichen Begründung aus einer teleologischen Auslegung des Art. 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a der Bilanzrichtlinie. 5 Begr. RegE BilMoG, (BT-Drucks. 16/10067), 69; IDW RS HFA 32 Ziff. 4; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O, Rz. 14. 6 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O, Rz. 14. 7 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69; IDW RS HFA 32 Ziff. 8; Scherrer, Rechnungslegung nach dem neuen HGB, 372.

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§ 285 Rz. 28 | Sonstige Pflichtangaben schaftliche Eigentum auf den Erwerber übergeht und gleichzeitig das rechtliche Eigentum beim Veräußerer verbleibt, führt dies je nach den Umständen des Einzelfalls dazu, dass eine bilanzielle Ausbuchung des Gegenstands sowie eine Gewinnrealisierung nicht in Betracht kommen und somit ein Fall des § 285 Nr. 3 HGB gegeben ist.1 Insofern ist ein nicht in der Bilanz enthaltenes Geschäft iSd. § 285 Nr. 3 HGB insbes. dadurch gekennzeichnet, dass die wesentlichen Merkmale des wirtschaftlichen Eigentums nicht dem Bilanzierenden, sondern einem fremden Dritten zuzurechnen sind.2 28

Ausweislich der Begründung des RegE zum BilMoG können auch schwebende Rechtsgeschäfte zu den angabepflichtigen außerbilanziellen Rechtsgeschäften gehören. Andererseits verweist die Gesetzesbegründung jedoch auch ausdrücklich darauf, dass keineswegs sämtliche am Abschlussstichtag kurzfristig in der Schwebe befindlichen Lieferungen und Leistungen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs unter die Angabepflicht fallen sollen.3 Daraus ergibt sich, dass der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass Geschäfte, die im Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs vorgenommen werden, von der Angabepflicht ausgenommen sind. 3. Wesentlichkeit der Risiken und Vorteile und Erforderlichkeit zur Beurteilung der Finanzlage

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Um eine Angabepflicht nach Nr. 3 auszulösen, müssen (i) die aus den außerbilanziellen Geschäften entstehenden Risiken und Vorteile wesentlich sein und (ii) die Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens erforderlich sein. Ob die Risiken und Vorteile wesentlich sind, ist dabei regelmäßig in Relation zu den bei der Gesellschaft bestehenden Verhältnissen zu bestimmen.4 Als Bezugsgrundlage dient dabei jeweils der Gesamtbetrag des Bilanzpostens, in dem der Vermögensgegenstand, der die Grundlage für das außerbilanzielle Geschäft bildet, nicht erscheint.5

30

Die für die Angabepflicht zudem geforderte Erforderlichkeit der Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage ist dann gegeben, wenn die finanziellen Auswirkungen des außerbilanziellen Geschäfts erwarten lassen, dass sich die Liquiditätslage der Gesellschaft künftig wesentlich verschlechtert oder verbessert oder die Gesellschaft dadurch künftig besser oder schlechter in der Lage ist, ihre bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen.6 Eine Berichtspflicht besteht dabei auch, wenn ein einzelnes Geschäft für die Beurteilung der Finanzlage zwar nicht erforderlich ist, sich aber bei einer in diesem Zusammenhang notwendigerweise anzustellenden Gesamtbetrachtung die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit ergibt.7 4. Inhalt der Angabepflicht

31

Sofern sich anhand der Einzelanalyse ergeben hat, dass ein bestimmtes nicht in der Bilanz enthaltenes Geschäft aufgrund seiner Bedeutung für die Finanzlage angabepflichtig ist, sind Art und Zweck, Risiken und Vorteile und finanzielle Auswirkungen des Geschäfts anzugeben.

32

Die Angabe der Art eines Geschäfts meint dessen Zuordnung zu bestimmten klassifizierten Vertragstypen, die zB anhand der Art des Vertragsgegenstands erfolgen kann und eine Zusammenfassung gleichartiger Geschäfte in einer Gruppe ermöglicht.8 Insofern wäre beispielsweise eine Unterscheidung zwischen Forderungsverbriefungen, Immobilienleasinggeschäften und Pensionsgeschäften möglich.9 Denkbar ist es jedoch auch, eine Unterscheidung nach der Art der mit den Geschäften verbundenen Risiken oder Vorteile vorzunehmen.10

33

Mit dem Zweck ist die Motivation, die dem Abschluss des nicht in der Bilanz erscheinenden Geschäfts zugrunde liegt, darzustellen.11 Als Motivation für die nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäfte kommen wirtschaftliche, rechtliche, steuerliche oder bilanzpolitische Gründe in Betracht.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

IDW RS HFA 13 Ziff. 6. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O, Rz. 27. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 73. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 73. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69; IDW RS HFA 32, Ziff. 9.; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 74. IDW RS HFA 32, Ziff. 12; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 74. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), S. 69; IDW RS HFA 32 Ziff. 15; Wenk/Jagosch, DStR 2009, 2330 (2333). Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 31. IDW RS HFA 32 Ziff. 16. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 38 § 285

Neben Art und Zweck der außerbilanziellen Geschäfte sind nach § 285 Nr. 3 HGB auch deren Risiken, 34 Vorteile und finanzielle Auswirkungen anzugeben. Ein angabepflichtiges Risiko ist dann gegeben, wenn sich ein Geschäft auf die Liquidität bzw. auf die Fähigkeit eines Unternehmens, in einem absehbaren Zeitraum die vorhandenen Verpflichtungen erfüllen zu können, negativ auswirkt oder auswirken kann. Im Gegensatz dazu ist ein Vorteil dann gegeben, wenn sich ein außerbilanzielles Geschäft auf die Liquidität eines Unternehmens bzw. auf dessen Fähigkeit, in einem absehbaren Zeitraum den vorhandenen Verpflichtungen nachzukommen, positiv auswirkt oder auswirken kann.1 Der Begriff der finanziellen Auswirkungen wurde durch das BilRUG neu eingeführt. Hierdurch wird klargestellt, dass quantitative Angaben zu den Auswirkungen der Risiken und Vorteile auf die Liquiditätslage zu erbringen sind.2 Um die finanziellen Auswirkungen anzugeben, müssen daher im Fall einer Sale-and-lease-back-Transaktion etwa die Zuflüsse von Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten aus dem Verkauf des Anlagegenstands im Geschäftsjahr sowie die künftigen Mittelabflüsse aus den Leasingraten quantifiziert werden.3

IV. Angabe des Gesamtbetrags der sonstigen finanziellen Verpflichtungen (Nr. 3a) Gem. § 285 Nr. 3a HGB ist der Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz enthalten und nicht nach § 268 Abs. 7 HGB oder Nr. 3 berichtspflichtig sind, anzugeben, sofern diese für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung sind. Die Angabepflicht dient dem Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses ein möglichst umfassendes Bild der finanziellen Lage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln, indem Auskunft über die für die Beurteilung der Finanzlage erheblichen Beträge, die nicht bereits an anderer Stelle im Rahmen des Jahresabschlusses offengelegt wurden, erteilt wird.4

35

Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst sowohl mittelgroße (§ 267 Abs. 2 HGB) und große Kapi- 36 talgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) als auch kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) und Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB). Die Befreiung von der Angabepflicht für kleine Gesellschaften ist durch das BilRUG weggefallen. Zudem sind seit Inkrafttreten des BilRUG auch mittelgroße Gesellschaften nicht mehr von der Angabepflicht zu Risiken und Vorteilen gem. § 285 Nr. 3 HGB befreit. Sonstige finanzielle Verpflichtungen iSd. § 285 Nr. 3a HGB sind Zahlungsverpflichtungen, denen sich die 37 Kapitalgesellschaft aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann und die nicht an anderer Stelle im Jahresabschluss enthalten sind.5 Der Entstehungsgrund der finanziellen Verpflichtung ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insofern ist es unerheblich, ob die sonstigen finanziellen Verpflichtungen iSd. § 285 Nr. 3a HGB ihren Rechtsgrund in einem Vertrag, einem gesetzlichen Schuldverhältnis, einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis, einem gesellschaftsrechtlichen- oder einem sonstigen faktischen Verhältnis haben.6 Häufige Anwendungsfälle der Angabeverpflichtung nach § 285 Nr. 3a HGB stellen Zahlungsverpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen wie zB Miet- und Leasingverhältnisse (insbes. auch Sale-and-lease-back-Verträge)7, Verpflichtungen aus begonnenen Investitionsvorhaben,8 Verpflichtungen aus Verlustübernahmen,9 Verpflichtungen aus zukünftigen Großreparaturen10 und Verpflichtungen aus Vertragsstrafen11 dar. Um dem Grundsatz der Klarheit der Anhangangaben zu genügen und irreführende Doppelnennungen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber im Wortlaut des § 285 Nr. 3a HGB ausdrücklich klargestellt, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nur dann eröffnet ist, wenn die betreffenden sonstigen finanziellen Verbindlichkeiten nicht bereits in der Bilanz als Verbindlichkeiten oder Rückstellungen ihren Niederschlag gefunden haben und auch nicht nach § 268 Abs. 7 HGB oder § 285 Nr. 3 HGB angabepflichtig sind. Insofern handelt es sich bei der Angabepflicht insgesamt um einen Auffangtatbestand, der gegenüber den gerade genannten Angabepflichten subsidiär ist.12 Bei den Änderungen der Subsidiaritätsklausel durch das 1 IDW RS HFA 32 Ziff. 17. 2 Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 19; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 63. 3 Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 19; IDW RS HFA 32 Ziff. 19. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 51; Selchert, DB 1987, 545. 5 Vgl. hierzu Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 53; Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 285 Rz. 5. 6 Selchert, DB 1987, 545 (546). 7 ADS6, § 285 HGB Rz. 43 ff. 8 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69. 9 ADS6, § 285 HGB Rz. 48; Selchert, DB 1987, 545 (546). 10 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 69; Selchert, DB 1987, 545 (546). 11 ADS6, § 285 HGB Rz. 65. 12 ADS6, § 285 HGB Rz. 36.

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§ 285 Rz. 39 | Sonstige Pflichtangaben BilRUG (Verweis auf § 268 Abs. 7 HGB statt auf § 251 HGB) handelt es sich um Folgeänderungen zu den Anpassungen des § 268 Abs. 7 HGB (zu diesen Anpassungen vgl. § 268 HGB Rz. 10 und 70 ff.). 39

Von der Angabepflicht werden nur solche Verpflichtungen erfasst, deren Angabe für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Belastungen entweder eine erhebliche Höhe aufweisen oder diese aufgrund des Zeitpunkts bzw. Zeitraums ihres Eintritts ungewöhnlich sind.1 Die Aussagekraft einer solchen Angabe soll nicht dadurch verfälscht werden, dass Leistungsverpflichtungen der Kapitalgesellschaft, die sich aus deren kontinuierlichem Geschäftsbetrieb ergeben, berücksichtigt werden müssen. Insofern unterfallen kurzfristige finanzielle Verpflichtungen, wie zB die laufenden Verpflichtungen zur Zahlung von Lohn, Gehalt, Miete oder Pacht sowie Zahlungen, denen als Rechtsgrund der laufende Bezug von Energie oder Material zugrunde liegt, idR nicht der Angabepflicht.2 Etwas anderes gilt jedoch, wenn diese Verpflichtungen außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs liegen und infolge ihrer Höhe für die Finanzlage von Bedeutung sind. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist in diesem Zusammenhang stets der Bilanzstichtag. Die Angabe der Fälligkeit der Verpflichtungen wird vom Gesetz zwar nicht gefordert, sie erhöht jedoch die Aussagekraft und erscheint daher wünschenswert.

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Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist es ausreichend, wenn ein zahlenmäßiger Gesamtbetrag angegeben wird. Allerdings dürfte eine Aufgliederung des Gesamtbetrags nach sachlichen Gesichtspunkten in vielen Fällen notwendig sein, um dem Adressaten des Jahresabschlusses ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln.3

41

Bei der Berechnung der Höhe des Gesamtbetrags sind die maßgeblichen Verpflichtungen jeweils in voller Höhe anzusetzen. Eine Saldierung der bestehenden Verpflichtungen mit gegenüberstehenden Ansprüchen (zB bei schwebenden Geschäften) ist nicht zulässig.4

42

Die Bewertung der finanziellen Verpflichtungen richtet sich nach den Regeln über die Bewertung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB.5 Eine Abzinsung der Verpflichtung ist nicht zulässig.6

43

Sonstige finanzielle Verpflichtungen betreffend die Altersversorgung und Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen sind gem. § 285 Nr. 3a Halbs. 2 HGB gesondert anzugeben. Bei der gesonderten Darstellung der Verpflichtungen, die die Altersvorsorge betreffen, handelt es sich um eine weitere Folgeänderung des im Zuge des BilRUG neu gefassten § 268 Abs. 7 HGB. Werden Altersversorgungsverpflichtungen weder passiviert noch unter den Haftungsverhältnissen angegeben und führen diese dennoch zukünftig mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Abfluss an finanziellen Mitteln, sind sie separat unter den sonstigen finanziellen Verpflichtungen anzugeben.7 Sofern finanzielle Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen bestehen, sind diese ebenfalls gesondert anzugeben, wobei die Angabe sowohl im Wege eines „Davon-Betrags“ als auch in Form einer selbstständigen Betragsangabe erfolgen kann.8

V. Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geografisch bestimmten Märkten (Nr. 4) 44

Gem. § 285 Nr. 4 HGB besteht die Verpflichtung, im Rahmen des Anhangs eine Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geografisch bestimmten Märkten vorzunehmen, soweit sich die Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft sowie die geografisch bestimmten Märkte untereinander jeweils erheblich unterscheiden.

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Zweck dieser Angabeverpflichtung ist es, dem Adressaten des Jahresabschlusses eine Vorstellung von den Aktivitäten der Kapitalgesellschaft zu geben und gleichzeitig die Analyse der Ertragslage der Gesellschaft zu erleichtern, weil durch die Aufgliederung die Absatzsituation und damit das mit sinkendem Umsatz verbundene ergebnismäßige Risiko besser eingeschätzt werden kann.9 1 ADS6, § 285 HGB Rz. 73; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 100. 2 ADS6, § 285 HGB Rz. 73; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 100. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 103; vgl. auch Selchert, DB 1987, 545 (548), der sich dafür ausspricht, dass im Einzelfall eine Aufgliederung nach der Fristigkeit der einzelnen Verpflichtungen erfolgen müsse. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 104; Selchert, DB 1987, 545 (548). 5 ADS6, § 285 HGB Rz. 78; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 105. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 105. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 105. 8 ADS6, § 285 HGB Rz. 72; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 115. 9 ADS6, § 285 HGB Rz. 84; Selchert, BB 1986, 560 (561).

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 52 § 285

Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf große Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 3 HGB be- 46 schränkt. Kleine (§ 267 Abs. 1 HGB) und mittelgroße (§ 267 Abs. 2 HGB) Kapitalgesellschaften sind gem. § 288 HGB von der Angabeverpflichtung befreit. Für große Kapitalgesellschaften besteht gem. § 286 Abs. 2 HGB dann die Möglichkeit, von der Angabeverpflichtung abzusehen, wenn die Aufgliederung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Kapitalgesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Die Anwendung dieser Ausnahmeregelung ist im Anhang anzugeben (vgl. hierzu § 286 HGB Rz. 16 ff.). Bezüglich der Art der Aufgliederung verlangt § 285 Nr. 4 HGB eine Segmentierung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen und geografisch bestimmten Märkten. Weitergehende Konkretisierungen, wie diese Aufgliederung genau aussehen soll, enthält der Gesetzeswortlaut nicht, so dass die Kapitalgesellschaft diesbezüglich einen Spielraum besitzt.1 So ist zB auch eine grafische Darstellung der geforderten Angaben zulässig.2

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Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft meint in diesem Zusammenhang die Unterscheidung nach Produktoder Leistungsarten, unterschiedlichen Produktionsprozessen, Wirtschaftszweigen, unternehmensinternen Organisationseinheiten, Unternehmensbereichen oder Sparten.3 Auch eine Unterscheidung nach nicht geographisch bestimmten Märkten, wie zB nach Abnehmergruppen, fällt darunter.4 Grundsätzlich ist die Kapitalgesellschaft in der Wahl des Unterscheidungskriteriums frei. Da der Gesetzeswortlaut jedoch ausdrücklich auf die Verkaufsorganisation und die Vermietung und Verpachtung von Produkten Bezug nimmt, liegt es nahe, die Aufgliederung absatzmarkt- oder produktorientiert vorzunehmen.5

48

Die Aufgliederung nach geografisch bestimmten Märkten verlangt eine Segmentierung nach Länder- 49 gruppen, Wirtschaftsgebieten oder Empfängermärkten. Auch die Segmentierung nach geographisch bestimmten Märkten kommt nur in Betracht, wenn sich die Märkte untereinander erheblich unterscheiden. In diesem Sinne stellt die Bundesrepublik Deutschland regelmäßig einen einheitlichen geographischen Markt dar, der eine weitere regionale Untergliederung nicht zulässt.6 Eine Segmentierung, die einzig zwischen im In- oder Ausland erzielten Umsatzerlösen unterscheidet, ist zur Erfüllung der Angabepflicht regelmäßig nicht ausreichend.7 Es sollte darüber hinaus eine Untergliederung nach den verschiedenen Absatzregionen erfolgen.8 Die Pflicht zur Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen besteht nur dann, wenn sich die 50 Tätigkeitsbereiche oder geographischen Märkte untereinander erheblich unterscheiden. Ein derartiger zu einer Aufgliederungspflicht führender erheblicher Unterschied ist dann gegeben, wenn ein Unterscheidungskriterium eine sachlich begründete Unterteilung der Umsatzerlöse in größere Teilbeträge zulässt. Insofern ist die Abgrenzung anhand einer Kombination von quantitativen und qualitativen Kriterien vorzunehmen.9 Entsprechend der im Gesetzeswortlaut enthaltenen Bezugnahme müssen im Rahmen der Aufgliederung nach Tätigkeitsbereichen sowie geographisch bestimmten Märkten die Organisation des Verkaufs sowie – seit der Änderung des Gesetzeswortlauts durch das BilRUG – auch die Vermietung und Verpachtung und die Erbringung von Dienstleistungen berücksichtigt werden.

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Die genaue Art und Weise der Aufgliederung der Umsatzerlöse ist vom Gesetz nicht vorgeschrieben. Eine 52 Angabe kann sowohl durch eine Angabe absoluter Zahlen als auch durch Prozentangaben erfolgen.10 Auf- und Abrundungen auf TEUR oder Mio. Euro sind möglich.11

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11

Selchert, BB 1986, 560 (563). Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 92. Ähnlich ADS6, § 285 HGB Rz. 98; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 175; Selchert, BB 1986, 560 (563). Selchert, BB 1986, 560 (563). ADS6, § 285 HGB Rz. 89; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 176. ADS6, § 285 HGB Rz. 92. Ähnlich Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 181, der eine solche Aufgliederung nur dann für ausreichend erachtet, wenn der Auslandsumsatz nur einen geringen Anteil ausmacht. ADS6, § 285 HGB Rz. 92; aA Bernards, DStR 1995, 1363 (1365) und Selchert, BB 1986, 560 (564), die davon ausgehen, dass eine Aufteilung der Umsatzerlöse in Inland und Ausland grds. ausreichend ist und nur, sofern der Export von Bedeutung ist, noch eine weitergehende Unterteilung zwischen dem Export in EU-Länder und andere Länder erfolgen sollte. So auch: Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 177. ADS6, § 285 HGB Rz. 95; Selchert, BB 1986, 560 (563). Selchert, BB 1986, 560 (563).

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§ 285 Rz. 53 | Sonstige Pflichtangaben 53

Die Aufgliederung der Umsatzerlöse muss zwingend unter Beachtung des Grundsatzes der Stetigkeit erfolgen. Sofern die Kapitalgesellschaft also eine zweckmäßige Aufgliederung der Umsatzerlöse vorgenommen hat, muss diese in den Jahresabschlüssen der Folgejahre beibehalten werden.1

VI. Ausmaß der Beeinflussung des Jahresergebnisses und erheblicher künftiger Belastungen durch Anwendung steuerrechtlicher Vergünstigungsvorschriften (Nr. 5) 54

Im Zuge des BilMoG mit Wirkung für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2008 beginnen, aufgehoben.

VII. Angabe des Umfangs der Belastung des Ergebnisses aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und des außergewöhnlichen Ergebnisses durch Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (Nr. 6) 55

Im Zuge des BilRUG mit Wirkung für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen, aufgehoben.

VIII. Durchschnittliche Arbeitnehmerzahl (Nr. 7) 56

Nach § 285 Nr. 7 HGB ist die durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres beschäftigten Arbeitnehmer getrennt nach Gruppen anzugeben. Diese Angabe verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses einen Einblick in die bestehende Personalstruktur des Unternehmens zu gewähren und dadurch das notwendige Hintergrundwissen zu liefern, um die in der Gewinn- und Verlustrechnung enthaltenen Angaben über Personalaufwendungen richtig deuten zu können.2 Die Angaben nach § 285 Nr. 7 HGB sind von großen (§ 267 Abs. 3 HGB) mittelgroßen (§ 267 Abs. 2 HGB) und kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) gleichermaßen zu machen. Die Befreiung von der Angabepflicht gem. § 285 Nr. 7 HGB für kleine Kapitalgesellschaften ist durch das BilRUG weggefallen. Allerdings besteht für kleine Kapitalgesellschaften insoweit die Erleichterung, dass die Trennung nach Gruppen unterbleiben kann (§ 288 Abs. 1 Nr. 2 HGB).

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Die Arbeitnehmerzahl ist im Rechnungslegungsrecht nicht nur bei der Anhangangabe des § 285 Nr. 7 HGB, sondern auch bei der Größenklassenzuordnung in §§ 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB von Bedeutung. Für die Größenklassenzuordnung enthält § 267 Abs. 5 HGB eine Regelung, wie bei der Berechnung der für die Zuordnung zu den unterschiedlichen Größenklassen maßgeblichen Arbeitnehmerzahl vorzugehen ist und welche Arbeitnehmer in die Berechnung einzubeziehen sind. Diese Vorschrift kann zur Ermittlung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl im Rahmen des § 285 Nr. 7 HGB entsprechend angewendet werden, da der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, insoweit eine selbstständige Ermittlungsmethode zu schaffen.3

58

Nach der Berechnungsmethode des § 267 Abs. 5 HGB ist bei der Berechnung der durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl iSd. § 285 Nr. 7 HGB der vierte Teil der Summen aus den Arbeitnehmerzahlen jeweils am 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember als maßgebliche Zahl zugrunde zu legen. Sofern die Kapitalgesellschaft ein stark schwankendes Saisongeschäft betreibt, besteht das Problem, dass diese Berechnungsmethode möglicherweise nicht geeignet ist, ein zutreffendes Bild von dem Personalbestand der Gesellschaft zu vermitteln. In diesem Fall sollte die Zahl der durchschnittlichen Arbeitnehmer nach der in § 1 Abs. 2 Satz 5 PublG genannten Methode, dh. als zwölfter Teil der Summe aus den Zahlen der am Ende eines jeden Monats des Geschäftsjahrs beschäftigten Arbeitnehmer, ermittelt werden.4

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Nach dem klaren Wortlaut des § 285 Nr. 7 HGB ist die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer zudem getrennt nach Gruppen darzustellen. Zwar macht der Wortlaut der Vorschrift diesbezüglich keine näheren Angaben, jedoch sollte die Gruppenunterteilung so gewählt werden, dass der Adressat des Jahresabschlusses Rückschlüsse auf die Personalpolitik und die Zusammensetzung der Personalaufwendungen ziehen kann. Empfehlenswert erscheint eine Unterteilung zwischen den wichtigsten arbeitsrechtlichen Gruppierungen, folglich wenigstens zwischen Arbeitern, Angestellten und leitenden Angestellten.5 Im Hinblick auf die einmal gewählte Untergliederung hat die Kapitalgesellschaft bei nachfolgenden Jahres1 ADS6, § 285 HGB Rz. 85; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 172; Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 285 HGB Rz. 43. 2 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 120. 3 Vgl. BT-Drucks. 10/4268, 110; ADS6, § 285 HGB Rz. 144; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 200. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 200. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 205.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 64 § 285

abschlüssen jeweils das Gebot der Stetigkeit zu bewahren, so dass eine einmal gewählte Untergliederung auch in zukünftigen Jahresabschlüssen grundsätzlich beibehalten werden muss.1

IX. Angaben bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (Nr. 8) Gem. § 285 Nr. 8 HGB sind bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens nach § 275 Abs. 3 HGB der Ma- 60 terialaufwand des Geschäftsjahres, gegliedert nach § 275 Abs. 2 Nr. 5 HGB, sowie der Personalaufwand des Geschäftsjahrs, gegliedert nach § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB, anzugeben. Die Verpflichtung zur Vornahme dieser Angaben im Rahmen des Anhangs geht darauf zurück, dass aus der Gewinn- und Verlustrechnung der Material- und Personalaufwand nicht hervorgeht, sofern die Kapitalgesellschaft diese in Ausübung des ihr gem. § 275 Abs. 1 Satz 1 HGB eingeräumten Wahlrechts nach dem Umsatzkostenverfahren aufstellt. Um dabei eventuell auftretende Informationsdefizite auszugleichen, schreibt § 285 Nr. 7 HGB die Offenlegung dieser Angaben im Rahmen des Anhangs vor. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, die An- 61 gaben gem. § 285 Nr. 8 HGB zu machen. Mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB) unterliegen zwar grundsätzlich der vollständigen Angabeverpflichtung bezüglich Material- und Personalaufwand, jedoch ist es ihnen gem. § 327 Nr. 2 HGB gestattet, den Anhang ohne die Angabe des Materialaufwands beim Betreiber des BAnz. einzureichen. Die Offenlegung des Materialaufwands ist daher nur für große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) zwingend. Der Material- und Personalaufwand ist im Anhang entsprechend der Gliederung der Gewinn- und Ver- 62 lustrechnung des § 275 Abs. 2 Nr. 5 und 6 HGB zu zeigen.2 Insofern sind der Material- und Personalaufwand nach den gleichen Regeln wie bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens zu ermitteln. Bei der Angabe des Materialaufwands sind daher – wie in § 275 Abs. 2 Nr. 5 HGB vorgesehen – Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie bezogene Waren und Aufwendungen für bezogene Leistungen getrennt auszuweisen. Die Angabe des Personalaufwands setzt gem. § 275 Nr. 6 HGB die getrennte Angabe der Beträge für Löhne und Gehälter sowie der Beträge für soziale Abgaben und Aufwendungen für die Altersversorgung und Unterstützung (nebst Davon-Vermerk für die Altersversorgung) voraus.3 Erforderlich ist in diesem Zusammenhang stets die Angabe eines genauen Betrags. Von der Angabeverpflichtung sind nur die Aufwendungen des betreffenden Geschäftsjahres umfasst, so dass die Angabe von Vorjahreszahlen nicht zwingend, iS einer fairen Berichterstattung jedoch wünschenswert ist.4

X. Angabe der Bezüge und anderer Leistungen an Organmitglieder (Nr. 9) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht Gem. § 285 Nr. 9 HGB sind die Gesamtbezüge, die den Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans, eines 63 Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung seitens der berichtenden Kapitalgesellschaft in dem vergangenen Geschäftsjahr gewährt wurden, im Rahmen des Anhangs anzugeben. Von der Angabepflicht werden Abfindungen von früheren Organmitgliedern und ihren Hinterbliebenen, der Betrag der gebildeten und nicht gebildeten Pensionsrückstellungen, die gewährten Vorschüsse sowie Kredite und Haftungsverhältnisse erfasst. Durch das VorstOG5 aus dem Jahre 2005 wurden zudem im Wege einer Erweiterung von § 285 Nr. 9 64 Buchst. a Sätze 5–9 HGB besondere individualisierte Angabepflichten für Vorstandsmitglieder von börsennotierten Aktiengesellschaften eingeführt, nach denen zusätzlich unter Namensnennung die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, gesondert angegeben werden müssen. Diese Angabepflichten wurden durch das VorstAG6 aus dem Jahre 2009 klargestellt und erweitert. Seither werden insbes. detaillierte Angaben zu Leistungen für den Fall einer vorzeitigen wie einer regulären Beendigung der Vorstandstätigkeit verlangt.

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 205; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 132. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 285 HGB Rz. 57. Hüttemann/Meyer in Großkomm.5, § 285 HGB Rz. 57. ADS6, § 285 HGB Rz. 156. Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VostOG) v. 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 6 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509. 1 2 3 4 5

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§ 285 Rz. 65 | Sonstige Pflichtangaben 65

Zweck dieser Angabepflicht ist es, die finanziellen Verflechtungen zwischen den Organmitgliedern und der berichtenden Kapitalgesellschaft transparent zu machen.1 Eine weiter reichende Bedeutung haben die Angaben zudem auch dadurch gewonnen, dass der Hauptversammlung börsennotierter Aktiengesellschaften durch den durch das VorstAG eingeführten § 120 Abs. 4 AktG das Recht eingeräumt wird, über das System der Vorstandsvergütung zu beschließen.2 Sofern ein solcher Beschluss gefasst wird, stellen die Angaben nach § 285 Nr. 9 HGB – neben den im Lagebericht enthaltenen Angaben gem. § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB – eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Beschlussfassung dar.

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§ 285 Nr. 9 HGB, bei der es sich um die dem Wortlaut nach umfangreichste Angabeverpflichtung im Rahmen des § 285 HGB handelt, unterteilt sich in drei unterschiedliche Abschnitte: Nach Nr. 9 Buchst. a sind die Gesamtbezüge amtierender Organmitgliedern anzugeben. Gem. Nr. 9 Buchst. b sind demgegenüber die Gesamtbezüge ehemaliger Organmitglieder sowie der Betrag der für diese Personengruppe gebildeten und nicht gebildeten Pensionsrückstellungen offenzulegen. Nr. 9 Buchst. c verpflichtet die berichtende Kapitalgesellschaft dazu, Zuschüsse und Kredite, die diese den Organmitgliedern gewährt hat, sowie Haftungsverhältnisse, die zugunsten von Organmitgliedern eingegangen wurden, im Rahmen des Anhangs mitzuteilen.

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Kleine Kapitalgesellschaften sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht des § 285 Nr. 9 Buchst. a (Angabe der Bezüge der aktiven Organmitglieder) und Buchst. b (Angabe von Bezügen an und Pensionsverpflichtungen gegenüber früheren Organmitgliedern) HGB befreit. Allerdings müssen auch kleine Kapitalgesellschaften die Angaben zu den gewährten Vorschüssen nach § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB in den Anhang aufnehmen. Sofern die Voraussetzungen des § 286 Abs. 4 HGB vorliegen, sind mittelgroße und große Kapitalgesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, von den Angaben nach § 285 Nr. 9 Buchst. a und b HGB befreit (vgl. hierzu § 286 HGB Rz. 32 ff.). Darüber hinaus darf die für börsennotierte Aktiengesellschaften vorgeschriebene individualisierte Offenlegung der Vorstandsbezüge (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8 HGB) gem. § 286 Abs. 5 HGB dann unterbleiben, wenn die Hauptversammlung dies mit qualifizierter Mehrheit beschlossen hat (vgl. hierzu § 286 HGB Rz. 36 ff.). 2. Art und Umfang der Angabepflicht

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Die Angaben gem. § 285 Nr. 9 HGB sind für jeden in der Vorschrift genannten Personenkreis gesondert im Wege der Angabe eines Gesamtbetrags zu machen. Eine weitergehende Untergliederung ist für Gesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, nicht erforderlich und in der Praxis nicht üblich.3 Anzugeben sind in Zahlen ausgedrückte Beträge.4

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Bezugszeitraum für die Angaben über die Bezüge der Organmitglieder ist die Zeitdauer der Zugehörigkeit der Mitglieder zu den jeweiligen Gremien während des Geschäftsjahres, auf das sich die Angabepflicht bezieht. Die Mitgliedschaft reicht vom Zeitpunkt der Bestellung des Mitglieds bis zu seiner Abberufung bzw. seinem Rücktritt. Wechselt ein Organmitglied in ein anderes Organ, ist zwischen den Bezügen aus der aktiven Tätigkeit jeweils für die beiden Organe (§ 285 Nr. 9 Buchst. a HGB) und ggf. den Bezügen, die dem Mitglied aufgrund seiner ehemaligen Zugehörigkeit zu einem Organ gewährt werden (§ 285 Nr. 9 Buchst. b HGB), zu unterscheiden.5

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Die Angaben nach § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 5–8 HGB dürfen gem. § 289 Abs. 2 Nr. 4 HGB zusammen mit den Angaben über die Grundzüge des Vergütungssystems des Unternehmens statt im Anhang auch im Lagebericht gemacht werden. Empfehlenswert und in der Praxis üblich ist es, diese Angaben sowie die Angaben zur Vergütung nach dem DCGK in einem Vergütungsbericht innerhalb des Lageberichts zusammenzufassen.6 3. Erfasste Personengruppen

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Die nach § 285 Nr. 9 HGB geforderten Angaben sind nach dem Wortlaut der Vorschrift für Mitglieder eines Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung zu machen. Die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der berichtenden Kapitalgesellschaft sind gesetzlich definiert. Zu ihnen zählen insbes. der Vorstand der AG (§§ 76 ff. AktG) und der Genossenschaft (§ 24 GenG), der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA (§§ 282 und 283 AktG), der Geschäftsführer ei1 2 3 4 5 6

So auch Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 140. Vgl. hierzu Thüsing, AG 2009, 517 (524); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 (10); Jahn, GWR 2009, 135. ADS6, § 285 HGB Rz. 160; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 142. ADS6, § 285 HGB Rz. 161; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 142. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 168. Vgl. DRS 17.2, DCGK Ziff. 4.2.5.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 75 § 285

ner GmbH (§ 35 GmbHG) sowie auch das Geschäftsführungsorgan der Komplementär-Kapitalgesellschaft einer Personenhandelsgesellschaft gem. § 264a HGB. Stellvertretende Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer unterfallen ebenfalls der Angabepflicht, da für diese die gleichen Rechte und Pflichten wie für die ordentlichen Mitglieder der Geschäftsleitung gelten.1 Mitglieder einer sog. erweiterten Geschäftsleitung, wie zB Bereichsvorstände, zählen nur dann zu den Mitgliedern der Geschäftsleitung, wenn sie zugleich auch Mitglieder des Vorstands sind, da für die Zuordnung allein die gesellschaftsrechtliche Organstellung maßgeblich ist.2 Bei einer Societas Europaea (SE), die dualistisch ausgestaltet ist, ist das Leitungsorgan für die Geschäftsführung zuständig (vgl. Art. 39 SE-VO). Im Fall einer monistisch ausgestalteten SE obliegt die Geschäftsleitung dem Verwaltungsrat (vgl. Art. 43 SE-VO), der zusätzlich geschäftsführende Direktoren bestellt (§ 40 SEAG). Insofern beziehen sich die Angaben nach § 285 Nr. 9 HGB – abhängig von der konkreten Ausgestaltung der SE – auf diese Organe. Die für die Angabepflicht des § 285 Nr. 9 HGB maßgeblichen Mitglieder des Aufsichtsrats ergeben sich 72 für die AG aus den gesetzlichen Definitionen in den §§ 95 ff. AktG. Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats werden gem. § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG erst dann Mitglieder des Aufsichtsrats iSd. § 285 Nr. 9 HGB, wenn das Mitglied, für das sie bestellt wurden, weggefallen ist.3 Die Angabe der Gesamtbezüge der Aufsichtsratsmitglieder setzt bei einer GmbH voraus, dass diese überhaupt über einen Aufsichtsrat verfügt. Der Begriff des Beirats ist im HGB nicht näher erläutert. Die ihm angehörenden Personen werden 73 durch Satzung, Statut, Gesellschaftsvertrag oder durch einen sonstigen Beschluss der Kapitalgesellschaft bestimmt. Aus diesem Grund ist der Begriff des Beirats im Zusammenhang mit dem vom Gesetz ebenfalls verwendeten Begriff der ähnlichen Einrichtung zu lesen. Mitglieder ähnlicher Einrichtungen sind Angehörige von Gremien mit Verwaltungsfunktion, wie zB Leitungs-, Beratungs- und Kontrollorgane, die institutionell auf Bestimmungen in Satzungen oder Gesellschaftsverträgen beruhen und die in ihrer Ausgestaltung einem Aufsichtsrat ähneln.4 Durch die Nennung von Beiräten und ähnlichen Einrichtungen soll sichergestellt werden, dass die Verwaltungsgremien der Kapitalgesellschaft möglichst weitgehend erfasst werden und eine Umgehung der Angabepflicht vermieden wird.5 Nicht jeder Beirat oder jedes von der berichtenden Kapitalgesellschaft eingerichtete Gremium unterfällt jedoch der Angabepflicht nach § 285 Nr. 9 HGB. Entscheidend ist vielmehr, dass die ähnliche Einrichtung eine organähnliche Funktion aufweist.6 Sofern das betreffende Gremium über Kompetenzen von einigem Gewicht verfügt, indem es beispielsweise für die Bestellung der Geschäftsleitung zuständig ist oder über wesentliche Geschäftsvorfälle entscheiden kann, ist im Regelfall davon auszugehen, dass es sich um eine ähnliche Einrichtung iSd. § 285 Nr. 9 HGB handelt. Auf die konkrete Bezeichnung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.7 4. Angabe der Gesamtbezüge der aktiven Organmitglieder (Nr. 9 Buchst. a) Gem. § 285 Nr. 9 Buchst. a HGB sind die von der Kapitalgesellschaft an die Mitglieder des Geschäftsfüh- 74 rungsorgans oder einer ähnlichen Einrichtung für ihre Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge anzugeben. Gesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, können sich diesbezüglich darauf beschränken, für jedes Organ einen Gesamtbetrag, in den die im Gesetz näher definierten Teile der Gesamtvergütung eingerechnet werden, anzugeben (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 1–4 HGB). Für börsennotierte Gesellschaften besteht darüber hinaus jedoch auch die Verpflichtung, die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien individualisiert offenzulegen (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8). Von dem Begriff der Gesamtbezüge sind grundsätzlich alle Bezüge erfasst, die von der berichtenden Kapi- 75 talgesellschaft als Gegenleistung für die Tätigkeit ihrer Organmitglieder gezahlt werden.8 Der Begriff der Gesamtbezüge ist in diesem Zusammenhang sehr weit zu verstehen. Die genaue Art der gewährten Bezüge ist für das Entstehen der Angabeverpflichtung nicht von Bedeutung. Darüber hinaus sind ausweislich der Klarstellung in § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 2 HGB auch solche Bezüge einzurechnen, die nicht ausgezahlt, sondern in Ansprüche anderer Art umgewandelt oder zur Erhöhung anderer Ansprüche verwandt werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Tantiemeansprüche von Verwaltungsmitgliedern, die kurz 1 2 3 4 5 6 7 8

ADS6, § 285 HGB Rz. 162; Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 89. Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 89. Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 89. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 236. So auch ADS6, § 285 HGB Rz. 164. Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 89; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 237. Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 89. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 246.

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§ 285 Rz. 76 | Sonstige Pflichtangaben vor dem Eintritt in den Ruhestand stehen, in Pensionsansprüche umgewandelt werden.1 Nach der im Gesetz enthaltenen Klammerdefinition unterfallen dem Begriff der Gesamtbezüge insbes. Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Bezugsrechte und sonstige aktienbasierte Vergütungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte sowie Provisionen und Nebenleistungen jeder Art. 76

Gehälter sind feste laufende Vergütungen sowie die damit verbundenen festen jährlichen Einmalzahlungen (zB Urlaubs-, Weihnachtsgeld).2 Von dem Begriff der Gewinnbeteiligungen wird jede Art der Erfolgsvergütung erfasst, durch die das betreffende Organmitglied an dem wirtschaftlichen Erfolg des betreffenden Unternehmens beteiligt wird.3 Eine Ermessenstantieme stellt ebenfalls eine Gewinnbeteiligung iSd. Gesetzes dar.4 Gewinnbeteiligungen sind jeweils für das Geschäftsjahr in die Gesamtvergütung einzurechnen, in dem sie rechtlich entstanden sind.5

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Der Begriff des Bezugsrechts meint das Recht, die Lieferung von Aktien verlangen zu können. Im Rahmen von Aktienbezugsplänen meint der Begriff der Bezugsrechte die den Organmitgliedern gewährten Optionen, Anteile an Kapitalgesellschaften zu erwerben (stock options), um sie auf diese Weise langfristig am Unternehmenswert zu beteiligen. Neben stock options umfasst der Begriff der Bezugsrechte auch Aktienbezugsrechtspläne auf der Grundlage einer Wandelanleihe, bei der mit den Teilschuldverschreibungen entsprechende Wandlungsrechte zugunsten der Organmitglieder verbunden sind. Die Bezugsrechte sind immer dann mit ihrem beizulegenden Zeitwert in die Gesamtbezüge einzubeziehen, wenn es sich um eine Vergütung für erbrachte Dienste handelt. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der diesbezügliche Aufwand tatsächlich im Jahresabschluss gebucht wird oder nicht. Insofern scheidet eine Verteilung über den Ausübungszeitraum aus.6 Für den Fall, dass nach dem Gewährungszeitpunkt die Ausübungsbedingungen geändert werden, bestimmt § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 4 HGB, dass die daraus resultierenden Wertveränderungen im Jahr der Änderung zu berücksichtigen und somit in die Gesamtbezüge einzubeziehen sind.

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Durch den Begriff der sonstigen aktienbasierten Vergütung sollen Barabgeltungen der erzielten Aktienkurssteigerungen, virtuelle Aktienoptionen, stock appreciation rights, phantom stocks uÄ erfasst werden.7 Zweck dieser durch das TransPuG8 eingeführten Angabeverpflichtung ist es, eine erhöhte Transparenz der Anreizstruktur in den Leitungsgremien zu erhalten. Entsprechend der Regelung für die Gewährung von Bezugsrechten sind auch bei sonstigen aktienbasierten Vergütungen gem. § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 4 HGB Wertveränderungen in Folge von Änderungen der Ausübungsbedingungen in die Bezüge einzubeziehen.

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Von dem Begriff der Aufwandsentschädigungen werden als fester Betrag gewährte Leistungen, die ohne Abrechnung zur Entschädigung für besondere Aufwendungen gewährt werden, erfasst. Hierzu zählen auch gegen Organmitglieder verhängte Straf-, Buß- und Zwangsgelder, sofern die Kapitalgesellschaft diese begleicht.9 Nicht angabepflichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch der Ersatz von Auslagen durch die Kapitalgesellschaft (zB Reisekosten, dienstliche Benutzung des Kfz. oder andere Ausgaben im Interesse der Kapitalgesellschaft), soweit diese die einkommensteuerlichen Freigrenzen nicht übersteigen.10

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Versicherungsentgelte, deren Zahlung die Kapitalgesellschaft übernimmt und aus denen das Organmitglied einen Anspruch erwirbt, sind ebenfalls anzugeben. Hierzu gehören Zuschüsse der Kapitalgesellschaft zu Beiträgen des Organmitglieds für eine Lebensversicherung, für die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder für eine öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder Vermögenseinrichtung. Auch Prämien für Haftpflichtversicherungen, die für die berufliche Tätigkeit von Organmitgliedern abgeschlossen werden, fallen hierunter.11 Dies gilt nur dann nicht, wenn die Prämienzahlung, wie bei der Zahlung der Beiträge für eine D&O-Versicherung, überwiegend eigenbetrieblichen Interessen der Gesellschaft dient.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

ADS6, § 285 HGB Rz. 181. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 160. Vgl. auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 94. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. TransPuG v. 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253; ADS6, § 285 HGB Rz. 179. Siehe BFH v. 22.7.2008 – VI R 47/06, BStBl. II 2009, 151; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Kort, DStR 2006, 799, 802.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 88 § 285

Provisionen, die für die Vermittlung von Geschäften durch das Organmitglied seitens der Kapitalgesell- 81 schaft gezahlt werden, unterfallen dann den angabepflichtigen Gesamtbezügen, wenn die Vermittlungsleistung zu dem Pflichtenkreis des Organmitglieds zählt.1 Von dem Begriff der Nebenleistungen jeder Art werden Sondervergütungen jeder Art erfasst, die dem 82 Organmitglied als Natural- oder Sachbezüge zur Verfügung gestellt werden. Hierunter fallen zB die Zurverfügungstellung von Wohnraum, Kfz., Energie und Personal genauso wie die Gewährung anderer geldwerter Vorteile. Dazu zählen beispielsweise die Gewährung von Bezugs-, Options- oder Vorkaufsrechten sowie der Kauf von Vermögensgegenständen der Kapitalgesellschaft unter Verkehrswert.2 Die im Gesetz angegebenen Bestandteile der angabepflichtigen Gesamtbezüge sind nicht abschließend. Ne- 83 ben den im Gesetz aufgeführten Vergütungsbestandteilen sind zB auch Erfindervergütungen und Organmitgliedern gewährte Zinsvergünstigungen angabepflichtig.3 Um zu vermeiden, dass die Angabepflicht nach § 285 Nr. 9 HGB durch vertragliche Gestaltungen umgan- 84 gen wird, müssen auch mittelbare Bezüge, die dem betreffenden Organmitglied von mit der berichtenden Kapitalgesellschaft verbundenen Unternehmen bezahlt werden, angegeben werden. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob ein Anstellungsvertrag mit dem verbundenen Unternehmen oder mit der berichtenden Kapitalgesellschaft selbst besteht. Entscheidend ist vielmehr einzig, dass die Bezüge für eine Tätigkeit als Organmitglied bei der berichtenden Kapitalgesellschaft gezahlt werden.4 Wie § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 3 HGB ausdrücklich klarstellt, sind nicht nur die Bezüge des Geschäftsjah- 85 res, sondern auch die Bezüge anzugeben, die im Geschäftsjahr gewährt, aber bislang in keinem Jahresabschluss angegeben wurden (zB Nachvergütungen für im vergangenen Geschäftsjahr erbrachte Tätigkeiten). Für börsennotierte Aktiengesellschaften bestimmt § 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8 HGB, dass im An- 86 hang die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds individualisiert – aufgeteilt nach Fixum, erfolgsbezogenen Komponenten und Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung – offenzulegen sind. Die individualisierte Offenlegung der Vorstandsbezüge dient dem Zweck, die potentiellen und tatsächlichen Aktionäre zu informieren und diesen so die Beurteilung zu ermöglichen, ob die dem Vorstand gezahlten Bezüge angemessen sind.5 Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf sämtliche börsennotierten Aktiengesellschaften iSd. § 3 Abs. 2 AktG. Sie gilt auch für Gesellschaften, die freiwillig einen IFRS-Einzelabschluss gem. § 325 Abs. 2a HGB offenlegen. Die individualisierte Offenlegung kann gem. § 286 Abs. 5 HGB nur dann unterbleiben, wenn die Hauptversammlung dies mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des Grundkapitals beschlossen hat (sog. Opt-out-Beschluss; vgl. hierzu § 286 HGB Rz. 36 ff.). Gem. § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 5 HGB sind die Bezüge der Vorstandsmitglieder einer börsennotierten AG 87 individualisiert offenzulegen. Der Begriff der Bezüge knüpft dabei an den in § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 HGB verwendeten Begriff der Gesamtbezüge an, so dass sämtliche der dort in der Klammerdefinition genannten Komponenten erfasst sind. Die individualisierte Offenlegung erstreckt sich zudem auch auf die in den Sätzen 2–4 genannten Bestandteile der Gesamtvergütung. Nach § 285 Nr. 9 Buchst. Satz 6 HGB sind zudem auch folgende dem Vorstandsmitglied einer börsen- 88 notierten AG zugesagte Leistungen angabepflichtig: – Leistungen, die dem Vorstandsmitglied für den Fall einer vorzeitigen Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. aa HGB); – Leistungen, die dem Vorstandsmitglied für den Fall der regulären Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind, mit ihrem Barwert, sowie der von der Gesellschaft während des Geschäftsjahrs hierfür aufgewandte oder zurückgestellte Betrag (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. bb HGB); – während des Geschäftsjahrs vereinbarte Änderungen dieser Zusagen (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. cc HGB); – Leistungen, die einem früheren Vorstandsmitglied, das seine Tätigkeit im Laufe des Geschäftsjahrs beendet hat, in diesem Zusammenhang zugesagt und im Laufe des Geschäftsjahrs gewährt worden sind (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. dd HGB). Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 164; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253. Ebenso Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 253; ADS6, § 285 HGB Rz. 177. ADS6, § 285 HGB Rz. 172; aA, eine Angabepflicht für mittelbare Bezüge ablehnend, Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 168; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 172. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 260; Scheffler, AG 2005, 301, 302. 1 2 3 4

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§ 285 Rz. 89 | Sonstige Pflichtangaben 89

Von dem Fall der vorzeitigen Beendigung der Organstellung iSd. § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. aa HGB werden die vorzeitige Amtsniederlegung oder Dienstunfähigkeit des Vorstandsmitglieds, der Widerruf der Organstellung durch die Gesellschaft gem. § 84 Abs. 3 AktG sowie die Beendigung infolge eines Kontrollwechsels nach einem Übernahmeangebot erfasst.1 Auch der Verlust der Stellung als Vorstandsmitglied infolge umwandlungsrechtlicher Maßnahmen (zB Formwechsel, Verschmelzung) stellt eine vorzeitige Beendigung der Organstellung dar.2

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Mit der in § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. bb HGB angesprochenen regulären Beendigung der Vorstandstätigkeit ist der Fall gemeint, dass die Vorstandstätigkeit, wie bei der ursprünglichen Bestellung vorgesehen, ordnungsgemäß endet. Leistungen, die dem Vorstandsmitglied für diesen Fall zugesagt wurden, stellen insbes. Ruhegehalts- und Hinterbliebenenbezüge, Zusagen zu Abfindungen für die fehlende Wiederbestellung, aber auch sonstige Leistungen wie Weiterbenutzung des Büros, Dienstwagen etc. dar. Dabei muss nicht ausschließlich der wesentliche Inhalt der Zusagen wiedergegeben, sondern vielmehr der Barwert der Zusage sowie der während des Geschäftsjahrs dafür aufgewandte oder zurückgestellte Betrag angegeben werden. Die Zusammenfassung der Angabe des aufgewendeten oder zurückgestellten Betrags zu einem Gesamtbetrag ist zulässig.3 Während des Geschäftsjahrs vereinbarte Änderungen der durch § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. aa, bb HGB erfassten Zusagen unterliegen nach § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. cc HGB ebenfalls der Angabepflicht. Von dem Begriff der Änderungen der Zusagen sind sowohl Erhöhungen als auch Kürzungen und Herabsetzungen der Bezüge der Vorstandsmitglieder iSd. § 87 AktG erfasst.4

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Nach § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 Doppelbuchst. dd HGB sind zudem individualisierte Angaben über Leistungen zu machen, die einem während des Geschäftsjahrs ausgeschiedenen Vorstandsmitglied in diesem Zusammenhang zugesagt und gewährt worden sind. Die Angabepflicht erfasst alle einvernehmlichen Leistungen zwischen dem Vorstandsmitglied und der Kapitalgesellschaft, die als Ergebnis der Aufhebungsverhandlungen zwischen dem Organmitglied und der Kapitalgesellschaft erbracht wurden (zB Vereinbarungen über die Fortzahlung der Vergütung einschließlich Nebenleistungen, Abfindungen).5

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In die Angaben über die individualisierten Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds sind gem. § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 7 HGB auch die Leistungen einzubeziehen, die dem Vorstandsmitglied von einem Dritten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied zugesagt oder im Geschäftsjahr gewährt worden sind. Aus der Existenz dieser Angabeverpflichtung lässt sich die Grundaussage entnehmen, dass der Gesetzgeber es in aller Regel für zulässig erachtet, wenn Vorstände für die ihnen obliegende Tätigkeit Leistungen von Dritten beziehen. Dritter kann grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person außer der berichtenden börsennotierten Aktiengesellschaft sein;6 beispielsweise fallen auch Anreizzahlungen, die ein Dritter dem Vorstand verspricht, wie zB laufende oder einmalige Geldzahlungen eines Finanzinvestors an den Vorstandsvorsitzenden der Zielgesellschaft, hierunter.7 Da im Rahmen eines Konzernabschlusses lediglich Angaben zu den Bezügen der unmittelbaren Organmitglieder des Mutterunternehmens erforderlich sind (vgl. § 314 Nr. 6 HGB) und von einer Muttergesellschaft an Organmitglieder ihrer Tochtergesellschaft gezahlte Bezüge ansonsten nicht transparent würden, stellen auch Zahlungen der Konzernmutter an Vorstandsmitglieder von Tochtergesellschaften grundsätzlich Drittleistungen iSd. § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 7 HGB dar.

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Eine Leistung eines Dritten liegt grundsätzlich bei jeder Form der Vorteilsgewährung an das betreffende Vorstandsmitglied vor. Entscheidend ist jedoch, dass das Vorstandsmitglied die Drittleistung im Hinblick auf seine Vorstandstätigkeit erhält; dies ist bei einer sachlichen Nähe zu der Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Fall.8

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Um den Anwendungsbereich des § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 7 HGB nicht ausufern zu lassen, muss dieser mit Blick auf den die gesetzgeberische Intention, durch diese Norm potentielle Interessenkonflikte sichtbar zu machen,9 dergestalt reduziert werden, dass einzig Drittleistungen, die geeignet sind, einen Interessenkonflikt zu begründen, offengelegt werden müssen.10 Bei Drittvergütungen, die an die positive Entwick1 Begr. VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, 7; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 275; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 (11). 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 185. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 278. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 279. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 281. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 190; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 170. 7 Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (947). 8 Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (947). 9 Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, 7. 10 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 191; Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (947).

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 101 § 285

lung des Aktienkurses der Aktiengesellschaft anknüpfen, ist regelmäßig kein Interessenkonflikt gegeben, da eine Orientierung des Vorstandsmitglieds an Fremdinteressen in diesen Fällen idR ausgeschlossen werden kann.1 Insofern sind Aktienoptionen oder entsprechende virtuelle Instrumente (stock appreciation rights, phantom stocks), die der Vorstand von einem Dritten erhält, im Rahmen des Anhangs nicht angabepflichtig. Sofern der Jahresabschluss der berichtenden Kapitalgesellschaft weitergehende Angaben zu bestimmten 95 Bezügen enthält, sind auch diese gem. § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 8 HGB zusätzlich einzeln anzugeben. Diese Angabepflicht besitzt insbes. Bedeutung für die Angabe der Bezugsrechte und aktienbasierten Vergütungen nach § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 4 HGB, bei denen die Anzahl und der beizulegende Zeitwert der Bezugsrechte und aktienbasierten Vergütungen individualisiert für jedes Vorstandsmitglied anzugeben ist. Darüber hinaus wird durch diese Regelung sichergestellt, dass im Fall einer freiwilligen Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a HGB die geforderten Angaben zur Vergütung der Mitarbeiter in Schlüsselpositionen gem. IFRS 24.16 sowie die geforderten umfangreichen Angabepflichten zu Aktienoptionsplänen gem. IFRS 2.44 ff. für jedes Vorstandsmitglied individualisiert zu erbringen sind.2 Inhaltlich setzt die individualisierte Angabeverpflichtung voraus, dass unter Namensnennung die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, angegeben werden.

96

Zu den erfolgsunabhängigen Komponenten gehören Gehälter, feste laufende Vergütungen, feste jähr- 97 liche Einmalzahlungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Jubiläumszuwendungen oder Versorgungszusagen.3 Auch Nebenleistungen, die unabhängig vom Erfolg gezahlt werden, wie zB Sachbezüge, Versorgungszusagen oder Abfindungszahlungen, die einen direkten Zusammenhang mit der Vergütung aufweisen, fallen hierunter. Erfolgsbezogene Komponenten sind variable Vergütungsbestandteile, die an den geschäftlichen Erfolg 98 der berichtenden Aktiengesellschaft anknüpfen und regelmäßig, meist jährlich, wiederkehren. Darunter fallen Gewinnbeteiligungen, Gewinn- oder dividendenabhängige Tantiemen, Provisionen aus Geschäftsvermittlungen, Prämien oder Erfindervergütungen.4 Gängige Vergütungsformen sind auch Formeln wie „EBITDA“ oder sog. Zieltantiemen, die davon abhängig sind, inwiefern bestimmte Zielgrößen erreicht wurden.5 Die vereinbarten Zielgrößen können neben „harten“ Faktoren, deren Erreichung exakt messbar ist, auch „weiche“ Faktoren umfassen, deren Erreichung nicht in jedem Fall konkret messbar ist (zB Kundenzufriedenheit). Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung sind solche Vergütungsbestandteile, die im Ergebnis ei- 99 nen langfristigen Verhaltensanreiz liefern sollen. Dazu zählen im Wesentlichen Bezugsrechte auf Aktien iSv. § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG, Aktienoptionen, sonstige aktienbasierte Vergütungen und vergleichbare Gestaltungen. Zu beachten ist allerdings, dass eine langfristige Anreizwirkung nur dann erreicht wird, wenn der Erhalt bzw. die Höhe des Vergütungsbestandteils von einem entsprechenden Engagement des Vorstandsmitglieds abhängig ist. Ist die betreffende Vergütungskomponente auch ohne einen entsprechenden Einsatz des Vorstandsmitglieds zu erreichen, geht von dieser kein langfristiger Verhaltensanreiz aus. 5. Bezüge an und Pensionsverpflichtungen gegenüber früheren Organmitgliedern (Nr. 9 Buchst. b) Gem. § 285 Nr. 9 Buchst. b HGB sind im Rahmen des Anhangs zudem alle Gesamtbezüge früherer Mit- 100 glieder der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung sowie von deren Hinterbliebenen anzugeben. Der Angabepflicht unterfallen die Bezüge früherer Organmitglieder und von deren Hinterbliebenen. 101 Frühere Organmitglieder sind nicht nur Ruheständler, sondern auch Organmitglieder, die gegen Abfindung oder gegen Wahrung ihrer Pensionsansprüche aus dem jeweiligen Organ ausgeschieden sind.6 Mit Abfindungen sind sämtliche Zahlungen gemeint, die zur Abgeltung bestehender Ansprüche aus Anlass des Ausscheidens geleistet werden. Sofern beim Ausscheiden als Organmitglied noch für eine gewisse 1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 285; Bauer/Arnold, DB 2006, 260 (263); Mayer-Ullner, AG 2011, 193 (196). 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 292. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 182; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 296. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 297; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 182. 5 Spindler, DStR 2004, 36 (43). 6 Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 117.

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§ 285 Rz. 102 | Sonstige Pflichtangaben Zeit ein Anspruch auf die Fortzahlung von Bezügen vorliegt, handelt es sich ebenfalls um eine Abfindung, die im Jahr der Passivierung anzugeben ist.1 102

Die Begriffe Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge umfassen die laufenden Leistungen an das frühere Organmitglied oder seine Hinterbliebenen. Ob es sich um Geld- oder Sachleistungen handelt, ist für das Entstehen der Angabepflicht in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.2 Auch freiwillig gewährte Bezüge dieser Art unterfallen der Angabepflicht.3

103

Der Begriff der Leistungen verwandter Art ist im Gesetz nicht näher definiert. Hierunter fallen Leistungen, die den vorstehend genannten Begriffen wirtschaftlich nahe stehen, wie zB Ausbildungsbeihilfen für Kinder früherer Vorstandsmitglieder.4

104

Darüber hinaus sind Rückstellungen für laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen, die für frühere Mitglieder dieser Personengruppen bestehen, sowie der Betrag der für diese Verpflichtungen nicht gebildeten Rückstellungen – unabhängig von einem etwaigen Bilanzausweis – anzugeben. Entsprechend den Vorgaben des Art. 43 Abs. 1 Nr. 12 der 4. Richtlinie sind auch hier die Beträge für Vorstands-, Aufsichtsrats- und Beiratsmitglieder oder eine vergleichbare Gruppe getrennt aufzuführen.5

105

Aus der Verweisung in § 285 Nr. 9 Buchst. b Satz 2 HGB auf § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 2 HGB ergibt sich, dass Bezüge, die nicht ausgezahlt, sondern in Ansprüche anderer Art umgewandelt oder zur Erhöhung anderer Ansprüche verwendet werden, ebenfalls der Angabepflicht unterliegen. Dem gleichfalls erfolgenden Verweis auf § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 3 HGB lässt sich zudem entnehmen, dass Bezüge, die im laufenden Geschäftsjahr gewährt wurden, aber bisher noch nicht offengelegt worden sind, anzugeben sind. 6. Vorschüsse und Kredite an sowie Haftungsverhältnisse zugunsten von Organmitgliedern (Nr. 9 Buchst. c)

106

Gem. § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB ist die berichtende Kapitalgesellschaft dazu verpflichtet, im Rahmen des Anhangs die den Mitgliedern eines Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung gewährten Kredite und Vorschüsse anzugeben. In diesem Zusammenhang sind auch die Zinssätze, die wesentlichen Bedingungen und die im Geschäftsjahr ggf. zurückgezahlten oder erlassenen Beträge sowie die zugunsten des genannten Personenkreises eingegangenen Haftungsverhältnisse offenzulegen. Zweck dieser Angabepflicht ist es, die finanziellen Verflechtungen zwischen der Gesellschaft und ihren Organen bzw. den genannten Gremien aufzuzeigen.6

107

Vorschüsse sind Vorauszahlungen der Gesellschaft, die vor deren Entstehung bzw. Fälligkeit auf Ansprüche der Organmitglieder geleistet werden.7 Denkbar sind etwa Gehalts- oder Tantiemevorschüsse, die dem Organmitglied seitens der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden.

108

Der Begriff der Kredite umfasst jede Zurverfügungstellung von Geldmitteln auf Zeit.8 Insofern ist jede Art von Darlehensgewährung, Kontokorrent-, Waren- und Abzahlungskrediten grundsätzlich von der Angabepflicht umfasst. Maßgebend für die Angabe ist, ob der Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Kreditvergabe dem genannten Personenkreis angehört. Kredite an ehemalige Vorstandsmitglieder brauchen nicht angegeben zu werden.

109

Die Angabepflicht des § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB erstreckt sich auch auf die Zinssätze, die zwischen der berichtenden Kapitalgesellschaft und dem betreffenden Organmitglied für die gewährten Kredite und/ oder Vorschüsse vereinbart wurden. Da die Kredite und Vorschüsse für jede Personengruppe in einem Gesamtbetrag angegeben werden können, reichen pauschale Angaben, die die Bandbreite der vereinbarten Zinssätze erkennen lassen.9

110

Angabepflichtig sind zudem die wesentlichen Bedingungen der Kreditvergabe an die Organmitglieder. Hierunter sind die vereinbarten Tilgungsmodalitäten, Sicherheiten oder andere ungewöhnliche Bedingungen, wie zB langfristige Zinslosigkeit eines gewährten Darlehens, zu verstehen. In diesem Zusammenhang

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 313; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 202. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 203. ADS6, § 285 HGB Rz. 189; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 203. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 204. ADS6, § 285 HGB Rz. 193; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 208. ADS6, § 285 HGB Rz. 196. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 335; ADS6, § 285 HGB Rz. 199. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 336. ADS6, § 285 HGB Rz. 201; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 338.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 117 § 285

ist es nicht ausreichend, wenn pauschal darauf verwiesen wird, dass die vereinbarten Konditionen „marktüblich“ seien, da sich daraus nicht ersehen lässt, auf welchen Zeitpunkt sich die Marktüblichkeit bezieht.1 Beträge, die im Laufe des Geschäftsjahrs auf gewährte Kredite zurückgezahlt wurden, unterfallen ebenfalls der Angabepflicht. Auch Rückzahlungen auf Kredite, die kurzfristig im Laufe des Geschäftsjahres gewährt wurden, sind zu erfassen.2

111

Der Angabepflicht nach § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB unterliegen zudem auch die zugunsten des erfassten 112 Personenkreises eingegangenen Haftungsverhältnisse. Dem Begriff der Haftungsverhältnisse unterfallen zB Bürgschaften oder ähnliche Sicherheiten, die seitens der berichtenden Kapitalgesellschaft zugunsten eines Organmitglieds gestellt wurden. Durch das BilRUG wurde die Angabepflicht des § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB zudem dergestalt erweitert, 113 dass neben den im Geschäftsjahr auf Vorschüsse und Kredite zurückgezahlten Beträgen auch die im Geschäftsjahr erlassenen Beträge anzugeben sind. Diese Änderung ist lediglich klarstellender Natur, da die Angabe der erlassenen Beträge bereits zuvor regelmäßig unter die geforderten Angaben zu den wesentlichen Bedingungen subsumiert wurde.3

XI. Angabe aller Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichtsrats (Nr. 10) Gem. § 285 Nr. 10 HGB ist im Anhang jedes Mitglied des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichts- 114 rats mit seinem Familiennamen, mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen und seinem ausgeübten Beruf anzugeben. Kleine Kapitalgesellschaften sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht des § 285 Nr. 10 HGB befreit. Von der Pflicht zur Berichterstattung werden sämtliche Personen erfasst, die während des betreffenden 115 Geschäftsjahres bis zum Tag der Bilanzaufstellung Mitglieder der in § 285 Nr. 10 HGB genannten Organe waren.4 Anzugeben sind grundsätzlich immer alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, auch wenn sie im abgelaufenen Geschäftsjahr oder später ausgeschieden sind.5 Sofern deren Berufung noch vor der Aufstellung des Jahresabschlusses erfolgte, sollten über den Gesetzeswortlaut der Berichtspflicht hinaus auch Organmitglieder, deren Mitgliedschaft in den jeweiligen Gremien erst im neuen Geschäftsjahr beginnt, angegeben werden. Dabei empfiehlt es sich, in diesem Fall Beginn und Ende der Organmitgliedschaft anzugeben.6 Zwar ist die neue Geschäftsführung für den Jahresabschluss des vergangenen Geschäftsjahrs nicht verantwortlich; allerdings sind Organmitglieder, die mit der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im neuen Geschäftsjahr befasst sind, so stark mit der Rechenschaftslegung verbunden, dass sie in den angabepflichtigen Organkreis einzubeziehen sind. Scheidet hingegen ein Organmitglied erst nach der Aufstellung des Jahresabschlusses aus, ist dieser Umstand nicht mehr von der Berichtspflicht umfasst.7 Für den Fall des Ausscheidens eines Aufsichtsratsmitglieds bestellte Ersatzmitglieder iSd. § 101 Abs. 3 AktG sind erst dann aufzunehmen, wenn sie tatsächlich in die Position des ausgeschiedenen Organmitglieds eingetreten sind.8 Sofern bei der berichtenden Kapitalgesellschaft kein Aufsichtsrat gebildet wurde, entfällt die betreffende 116 Angabe. Bei einem fakultativen Aufsichtsrat, einem Beirat oder einer ähnlichen Einrichtung müssen die Angaben nur dann gemacht werden, wenn das betreffende Gremium eine organähnliche Funktion aufweist und über Kompetenzen von einigem Gewicht verfügt (vgl. hierzu bereits oben Rz. 73).9 Nach dem Gesetzeswortlaut müssen der Familienname und mindestens ein ausgeschriebener Vorname sowie der Beruf angegeben werden. Unter dem Beruf ist in diesem Zusammenhang die tatsächlich ausgeübte hauptberufliche Tätigkeit des Organmitglieds zu verstehen. Auf den ursprünglich erlernten Beruf kommt es nicht an.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 339. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 340; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 222. Begr. RegE BilRUG, BT-Drucks. 18/450, 65. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 220; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 202. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 352; Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB8, § 285 Rz. 13; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 227. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 294. ADS6, § 285 HGB Rz. 208; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 229. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 230. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 230.

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§ 285 Rz. 118 | Sonstige Pflichtangaben 118

Darüber hinaus sind im Rahmen der Angabe nach § 285 Nr. 10 HGB der Vorsitzende des Vorstands und Aufsichtsrats, beim Aufsichtsratsvorsitzenden auch dessen Stellvertreter ausdrücklich als solche aufzuführen. Auch wenn der Gesetzeswortlaut dies nicht zwingend vorsieht, wird üblicherweise auch ein etwaiger stellvertretender Vorstandsvorsitzender – ebenso wie ein Geschäftsführungssprecher – als solcher bezeichnet.1 Akademische Titel, die Rückschlüsse auf die Ausbildung des Organmitglieds zulassen, sind anzugeben.

119

Bei börsennotierten Gesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) ist zudem auch die Mitgliedschaft in Aufsichtsräten und anderen Kontrollgremien iSd. § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG anzugeben. Hierdurch sollen potentielle Interessenkonflikte offengelegt werden, damit die Hauptversammlung im Rahmen der von ihr zu treffenden Entlastungsentscheidung darüber befinden kann, ob sie diese für nachteilig erachtet.2 Zu den vergleichbaren Gremien iSd. § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG zählen Kontrollgremien in- und ausländischer Wirtschaftsunternehmen, die mit dem gesetzlichen Aufsichtsrat vergleichbar sind. Beispiele sind Verwaltungsräte öffentlich-rechtlicher Unternehmen, Beiräte oder Boards.

XII. Angaben zum Anteilsbesitz (Nr. 11) 120

Gem. § 285 Nr. 11 HGB muss die bilanzierende Kapitalgesellschaft im Rahmen des Anhangs besondere Angaben über ihren Anteilsbesitz machen, wenn sie Beteiligungen iSd. § 271 Abs. 1 HGB hält. Die Angabepflicht verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses einen Einblick in die Kapitalverflechtungen der Gesellschaft sowie die damit zusammenhängenden wichtigsten Daten, die ansonsten nicht zugänglich wären, zu ermöglichen und so die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu erleichtern.3

121

Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, die Angaben gem. § 285 Nr. 11 HGB zu machen. Darüber hinaus regelt die in § 286 Abs. 3 Satz 1 HGB enthaltene Befreiung, dass die Angabe dann unterbleiben kann, wenn sie entweder für die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von untergeordneter Bedeutung ist oder wenn sie nach vernünftiger kaufmännischer Überlegung dem berichtenden oder dem Beteiligungsunternehmen einen erheblichen Nachteil zufügen kann.

122

Seit der Neufassung des § 285 Nr. 11 HGB durch das BilRUG sind solche Unternehmen angabepflichtig, bei denen es sich um Beteiligungsunternehmen iSd. § 271 Abs. 1 HGB handelt. Die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung vorgesehene Anknüpfung an das Bestehen einer Kapitalbeteiligung von mindestens 20 % wurde damit aufgehoben. Dies hat zur Folge, dass entsprechend der Legaldefinition des § 271 Abs. 1 HGB nunmehr sämtliche Beteiligungen anzugeben sind, die der Herstellung einer dauernden Verbindung dienen. Zugleich enthält § 271 Abs. 1 HGB die widerlegbare Vermutung, dass eine Beteiligung vorliegt, wenn der Kapitalanteil an dem betreffenden Unternehmen die Schwelle von 20 % überschreitet (vgl. zum Beteiligungsbegriff des § 271 Abs. 1 HGB auch § 271 HGB Rz. 10 ff.).

123

Die Angabepflicht bezieht sich unabhängig von der Rechtsform auf Anteile an Unternehmen aller Art. Insofern unterfallen auch Anteile an Unternehmen ausländischen Rechts, Nicht-Kapitalgesellschaften sowie Kommandit- und Genossenschaftseinlagen der Angabepflicht.4 Die Mitgliedschaft eines Komplementärs ohne Einlageverpflichtung ist nicht angabepflichtig. Gleiches gilt für die typisch stille Beteiligung an anderen Unternehmen, da hier keine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft vorliegt und auch keine mit einer Beteiligung am Grundkapital typischerweise verbundenen Gesellschaftsrechte existieren.5

124

Auch wenn dies nicht ausdrücklich aus dem Gesetz hervorgeht, sind für die Ermittlung des angabepflichtigen Anteilsbesitzes nach § 285 Nr. 11 HGB die Anteilsverhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich.6

125

Anzugeben sind neben dem Namen und Sitz die Höhe des Anteils am Kapital, das Eigenkapital sowie das Jahresergebnis des Unternehmens, an dem die berichtende Kapitalgesellschaft iSd. § 271 Abs. 1 HGB beteiligt ist. Die Angaben zu Namen und Sitz des betreffenden Unternehmens können dem Handelsregister entnommen werden. Die genaue Höhe des Anteilsbesitzes ist in Prozent anzugeben, wobei – um die Angabe der Qualität des Anteilsbesitzes nicht zu verfälschen – Rundungen regelmäßig unterbleiben müssen.7 Für die Angabe des Eigenkapitals ist der in § 266 Abs. 3 A HGB iVm. § 272 HGB angeführte Bilanz1 2 3 4 5 6 7

ADS6, § 285 HGB Rz. 209; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 31. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 232. ADS6, § 285 HGB Rz. 213; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 235. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 241; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 366. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 242; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 366. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 252. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 257.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 132 § 285

posten maßgeblich. Eine Aufgliederung des Betrags ist nicht erforderlich.1 Dem Erfordernis der Angabe des Ergebnisses des Geschäftsjahres wird genügt, wenn der in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag angegeben wird.2 Da sich das Jahresergebnis bei Vorliegen eines Ergebnisabführungsvertrags regelmäßig auf Null beläuft, entfällt in diesem Fall die Angabeverpflichtung. Um jedoch zu verhindern, dass bei dem Adressaten des Jahresabschlusses dadurch ein falsches Bild über die Ertragslage des betreffenden Unternehmens entsteht, sollte im Wege eines Vermerks auf das Bestehen dieses Vertrags hingewiesen werden.3 Sofern es sich bei dem der Berichtspflicht unterfallenden Geschäftsjahr um ein Rumpfgeschäftsjahr handelt, ist – ohne Hochrechnung auf zwölf Monate – das Ergebnis des Rumpfgeschäftsjahres anzugeben.4

XIII. Zusatzangaben für persönlich haftende Kapitalgesellschaften (Nr. 11a) Nach § 285 Nr. 11a HGB ist die berichtende Kapitalgesellschaft verpflichtet, Name, Sitz und Rechtsform 126 der Unternehmen anzugeben, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter sie ist. Die Angabe verfolgt den Zweck, dem Bilanzleser Einblick in Beteiligungen der Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin zu geben und somit gesondert auf das erhöhte Risiko bei persönlicher Haftung hinzuweisen.5 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, die Angaben gem. § 285 Nr. 11a HGB zu machen. Die Angabepflicht greift immer dann ein, wenn die berichtende Kapitalgesellschaft für Verbindlichkeiten einer anderen Gesellschaft unbeschränkt haftet. Sie umfasst die Angabe von Name, Sitz und Rechtsform der Gesellschaft, für die die berichtende Kapitalgesellschaft unbeschränkt haftet. Maßgeblich für das Entstehen der Angabeverpflichtung ist, dass die persönliche Haftung am Bilanzstichtag besteht.6

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Für die Darstellung bietet es sich an, die Angaben nach § 285 Nr. 11a HGB mit den Angaben nach § 285 128 Nr. 11 HGB zusammenzufassen. Sofern ein Unternehmen bereits der Angabepflicht des § 285 Nr. 11 HGB unterfällt, könnten die Angaben etwa um den Vermerk ergänzt werden, dass für dieses Unternehmen unbeschränkt gehaftet wird. Dies würde dazu führen, dass lediglich Komplementärbeteiligungen, bei denen es sich nicht um Beteiligungen iSd. § 271 Abs. 1 HGB handelt, separat ausgewiesen werden müssten.7

XIV. Zusatzangaben für börsennotierte Kapitalgesellschaften (Nr. 11b) Börsennotierte Kapitalgesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) müssen gem. § 285 Nr. 11b HGB zusätzlich alle Be- 129 teiligungen an großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) angeben, die 5 % der Stimmrechte überschreiten. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, die An- 130 gaben gem. § 285 Nr. 11b HGB zu machen. Darüber hinaus regelt die in § 286 Abs. 3 Satz 1 HGB enthaltene Befreiung, dass die Angabe dann unterbleiben kann, wenn sie entweder für die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von untergeordneter Bedeutung ist oder wenn sie nach vernünftiger kaufmännischer Überlegung dem berichtenden oder dem Beteiligungsunternehmen einen erheblichen Nachteil zufügen kann. Wie sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt, kommt es für diese Angabeverpflichtung – wie 131 auch regelmäßig bei den für börsennotierte Kapitalgesellschaften geltenden Bestimmungen des WpHG – auf die Stimmrechte der berichtenden Kapitalgesellschaft und nicht auf die von ihr gehaltenen Kapitalanteile an. Bei der Berechnung der Stimmzahlen ist § 16 Abs. 3 AktG entsprechend anzuwenden.8 Der Besitz von stimmrechtslosen Vorzugsaktien führt nicht zu einer Angabepflicht.9 Die Angabepflicht ist auf Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften beschränkt. Ob die große Kapitalgesellschaft, zu der die Beteiligung angegeben werden muss, selbst börsennotiert ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. 1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 260. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 405; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 261. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 406; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 238; Wehrheim, BB 1995, 454 (455); ADS6, § 285 HGB Rz. 236. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 263. 5 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 272. 6 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 273; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 410. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 273. 8 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 422; Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 154. 9 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 422.

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§ 285 Rz. 133 | Sonstige Pflichtangaben 133

Anzugeben sind der im Handelsregister eingetragene Name und Sitz der großen Kapitalgesellschaft. Die genaue Höhe der von der berichtenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Anteile muss nicht angegeben werden. Maßgeblich ist allein, dass diese 5 % der Stimmrechte überschreitet.1

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Hinsichtlich der Darstellung der Offenlegung der Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften besteht einerseits die Möglichkeit, die betreffenden Beteiligungen in einem zusätzlichen Abschnitt der Aufstellung des Anteilsbesitzes darzustellen.2 Andererseits könnten die zusätzlichen Angaben über den Anteilsbesitz auch in den bestehenden Abschnitt der Aufstellung der des Anteilsbesitzes integriert werden.3 Welche der beiden Darstellungsmöglichkeiten passend ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die insbes. mit Blick darauf entschieden werden sollte, wie umfangreich der von der berichtenden Kapitalgesellschaft gehaltene Anteilsbesitz von über 5 % der Stimmrechte an großen Kapitalgesellschaften ist.

XV. Erläuterung der nicht gesondert ausgewiesenen Rückstellungen (Nr. 12) 135

Gem. § 285 Nr. 12 HGB sind Rückstellungen, die in der Bilanz unter dem Posten „sonstige Rückstellungen“ nicht gesondert ausgewiesen werden, im Anhang zu erläutern, sofern diese einen nicht unerheblichen Umfang aufweisen. Die Angabe verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses einen Einblick in die Risikostruktur des Unternehmens zu gewähren, die insbes. durch eine Aufschlüsselung der von der berichtenden Kapitalgesellschaft übernommenen Verbindlichkeiten erkennbar wird.4

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Uneingeschränkt werden von der Angabepflicht nur große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) erfasst. Für mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB) besteht gem. § 327 Nr. 2 HGB die Erleichterung, dass diese den Anhang ohne die Angaben nach § 285 Nr. 12 HGB beim Betreiber des BAnz. einreichen dürfen. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit.

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Der Begriff der sonstigen Rückstellungen erfasst die Rückstellungen, die in der Bilanz zusammengefasst und daher nicht gesondert ausgewiesen werden (§ 266 Abs. 3 B 3 HGB). Pensions- oder Steuerrückstellungen oder andere freiwillig gesondert ausgewiesene Rückstellungen werden von der Angabepflicht nicht erfasst. Rückstellungen werden immer dann nicht gesondert ausgewiesen, wenn die bilanzierende Kapitalgesellschaft nicht von dem in § 265 Abs. 5 HGB enthaltenen Wahlrecht, das eine weitere Untergliederung des Postens „Sonstige Rückstellungen“ ermöglicht, Gebrauch macht. Übt die berichtende Kapitalgesellschaft ihr Wahlrecht zugunsten einer weiteren Untergliederung aus, entfällt die Verpflichtung zu einer Aufschlüsselung der sonstigen Rückstellungen gem. § 285 Nr. 12 HGB.

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Legt man den Wortlaut von § 285 Nr. 12 HGB zugrunde, reichen verbale Erläuterungen aus, um die Angabepflicht zu erfüllen. Betragsmäßige Angaben werden von § 285 Nr. 12 HGB ausdrücklich nicht gefordert.5 Es ist allerdings zu beachten, dass die Aufschlüsselung der sonstigen Rückstellungen im Anhang einen Ausgleich dafür schaffen soll, dass dem Adressaten des Jahresabschlusses die „Aufgliederung“ des Postens der sonstigen Rückstellungen bei Nichtausübung des Wahlrechts aus § 265 Abs. 5 HGB ohne diese Anhangangabe nicht erkennbar ist. Eine Aufgliederung iSd. § 265 Abs. 5 HGB setzt jedoch die quantitative Segmentierung einer zusammengefassten Jahresabschlussgröße in ihre einzelnen Komponenten voraus. Soll diese betragsmäßige Segmentierung durch eine Alternativinformation im Anhang ersetzt werden, bedeutet dies jedoch zwangsläufig, dass auch deren Informationsqualität gleich sein muss. Das bedeutet einerseits, dass im Anhang keine über die Aufgliederung im Rahmen der Bilanz hinausgehenden Erläuterungen gemacht werden müssen, und andererseits, dass pauschale Aussagen über den Umfang der unter den „sonstigen Rückstellungen“ enthaltenen Rückstellungen nicht ausreichend sind.

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Die sonstigen Rückstellungen müssen nach dem Gesetzeswortlaut dann erläutert werden, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang haben. Die Frage, inwiefern ein nicht unerheblicher Umfang vorliegt, ist relativ zu beantworten.6 Maßgebliches Vergleichskriterium für die in diesem Zusammenhang anzustellende Beurteilung ist der Gesamtbetrag der sonstigen Rückstellungen.7 1 2 3 4 5 6 7

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 424. Löw/Roggenbuck, DB 1999, 2481 (2483). Löw/Roggenbuck, DB 1999, 2481, (2483). Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 278. AA Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 166. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 431. Ähnlich Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 431, der als Vergleichskriterium für die Beurteilung der Erheblichkeit den Gesamtbetrag der sonstigen Rückstellungen sowie ggf. die Belastung des Jahresergebnisses durch die Rückstellungsbildung heranziehen will; aA ADS6, § 285 HGB Rz. 241, die zur Beurteilung der Frage der Erheblichkeit auf das Gesamtbild der Bilanz abstellen.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 145 § 285

XVI. Abschreibungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts (Nr. 13) Nach der durch das BilRUG neu gefassten Vorschrift des § 285 Nr. 13 HGB ist der Zeitraum, über den ein 140 entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben wird, im Anhang gesondert zu erläutern. Die Vorschrift ist von sämtlichen Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer Größe sowie von dem PublG unterliegenden Körperschaften (§ 5 Abs. 2 Satz 2 PublG) zu erfüllen. Ausnahmen oder Erleichterungen von der Angabepflicht bestehen nicht. Bis zum Inkrafttreten des BilRUG war in § 285 Nr. 13 HGB aF eine Erläuterungspflicht der Gründe für die 141 Nutzungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts von mehr als fünf Jahren vorgesehen. Nach der Neufassung des Gesetzes besteht diese Erläuterungspflicht nunmehr unabhängig von der zugrunde gelegten Nutzungsdauer. Damit wurde der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift durch das BilRUG in der Weise ausgeweitet, dass nunmehr auch in Fällen einer Nutzungsdauer von weniger als oder genau fünf Jahren Erläuterungen zu dem gewählten Abschreibungszeitraum erforderlich sind. Der Umfang der Angabepflicht hat sich durch die Neufassung allerdings nicht geändert: Auch zukünftig ist weiterhin erforderlich, im Rahmen des Anhangs darzulegen, welche Beweggründe für die Festlegung der gewählten Nutzungsdauer maßgeblich waren.1 Bei der Angabe der Gründe für die gewählte Nutzungsdauer ist darauf zu achten, dass diese für den Adres- 142 saten des Jahresabschlusses nachvollziehbar sind und sich nicht in bloßen Floskeln ohne wirklichen Aussagegehalt erschöpfen.2 Nicht ausreichend ist es, wenn zur Begründung der handelsrechtlichen Nutzungsdauer im Rahmen des § 285 Nr. 13 HGB auf die in § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG normierte steuerrechtliche Nutzungsdauer von 15 Jahren verwiesen wird.3 Insofern scheidet zwar eine einheitliche Abschreibung in der Handels- und Steuerbilanz nicht generell aus; sofern aber handelsrechtlich über einen Zeitraum von 15 Jahren abgeschrieben werden soll, muss dies im Anhang ausführlich und nachvollziehbar begründet werden.4 Um zu gewährleisten, dass der Adressat des Jahresabschlusses die zugrunde gelegte Nutzungsdauer tatsächlich nachvollziehen kann, sollten im Zusammenhang mit der Anhangangabe nach § 285 Nr. 13 HGB auch die wesentlichen wertbestimmenden Faktoren, auf denen die Höhe der geschätzten Nutzungsdauer basiert, erläutert werden.5 Als Anhaltspunkte für die Schätzung der Nutzungsdauer des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts 143 kommen nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG die folgenden Faktoren in Betracht: Art und voraussichtliche Bestandsdauer des erworbenen Unternehmens, die Stabilität und Bestandsdauer der Branche des erworbenen Unternehmens, der Lebenszyklus der Produkte des erworbenen Unternehmens, die Auswirkungen der Veränderungen der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf das erworbene Unternehmen. Ferner kommen der Umfang der Erhaltungsaufwendungen, die erforderlich sind, um den erwarteten ökonomischen Nutzen des erworbenen Unternehmens zu realisieren, in Betracht; ebenso die Laufzeit wichtiger Absatz- oder Beschaffungsverträge des erworbenen Unternehmens, die voraussichtliche Tätigkeit von wichtigen Mitarbeitern oder Mitarbeitergruppen für das erworbene Unternehmen, das erwartete Verhalten potentieller Wettbewerber des erworbenen Unternehmens sowie die voraussichtliche Dauer der Beherrschung des erworbenen Unternehmens.6 Sofern mangels verlässlicher Schätzbarkeit der individuellen voraussichtlichen Nutzungsdauer die plan- 144 mäßige Abschreibung gem. § 253 Abs. 3 Satz 4 iVm. Satz 3 HGB über einen Zeitraum von zehn Jahren vorgenommen wird, ist es zur Erfüllung der Angabepflicht nicht ausreichend, wenn im Rahmen des Anhangs lediglich pauschal auf die Inanspruchnahme der Typisierungsregelung verwiesen wird. Vielmehr sollten in diesem Fall die Gründe, warum eine verlässliche Schätzung nicht vorgenommen werden kann, näher erläutert werden.7 Sofern sich der nach § 266 Abs. 2 A I 3 HGB auszuweisende Firmenwert aus mehreren Erwerbsvorgängen zusammensetzt, ist idR dennoch eine getrennte Berichterstattung erforderlich.8

1 2 3 4 5 6 7

Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 35. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 63. Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 70; Kirsch, StuB 2008, 878. Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 70; so auch: Engel-Ciric, BRZ 2009, 445 (448). Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 63. Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16710067), 48. So auch Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 37; Schmidt/Prinz, BilRUG in der Praxis, § 285 HGB Rz. 146. 8 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 443; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 60.

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§ 285 Rz. 146 | Sonstige Pflichtangaben

XVII. Angaben zu Mutterunternehmen für den größten Kreis von Unternehmen (Nr. 14) 146

Gem. § 285 Nr. 14 HGB sind bei konzernangehörigen Kapitalgesellschaften Name und Sitz des Mutterunternehmens, das den Konzernabschluss für den größten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der Konzernabschluss erhältlich ist, anzugeben. Zweck der Angabepflicht nach § 285 Nr. 14 HGB ist es, dem Adressaten des Jahresabschlusses die bei der berichtenden Kapitalgesellschaft bestehenden Konzernverflechtungen offenzulegen und gleichzeitig den Zugang zu den entsprechenden Konzernabschlüssen zu erleichtern.

147

Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, die Angaben gem. § 285 Nr. 14 HGB zu machen. Zudem können Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind, gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 PublG von den Angaben nach § 285 Nr. 14 HGB absehen.

148

Von der Angabepflicht des § 285 Nr. 14 HGB werden nur Mutterunternehmen iSd. § 290 Abs. 1 und 2 HGB erfasst. Die geforderten Angaben betreffen in Verbindung mit der durch das BilRUG separierten Vorschrift des § 285 Nr. 14a HGB sowohl das zumeist an der Konzernspitze befindliche Mutterunternehmen, das den Konzernabschluss für den größten Kreis von Konzernunternehmen aufstellt (§ 285 Nr. 14 HGB), als auch das Mutterunternehmen, das den Konzernabschluss für den kleinsten Kreis von Konzernunternehmen aufstellt (§ 285 Nr. 14a HGB) und damit direkter an der berichtenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Mehr als ein Mutterunternehmen gibt es bei mehrstufigen Konzernen, bei denen das nächststehende Mutterunternehmen einen (Teil-)Konzernabschluss aufstellt. Wenn die Voraussetzungen für die Aufstellung eines Konzernabschlusses für den kleinsten Kreis von Unternehmen nicht erfüllt sind und auch freiwillig kein Konzernabschluss aufgestellt wird, ist nur das oberste Mutterunternehmen gem. § 285 Nr. 14 HGB zu nennen. Lediglich bei der Aufstellung von Teilkonzernabschlüssen sind Angaben zu beiden Mutterunternehmen erforderlich. Wenn größtes und kleinstes Mutterunternehmen deckungsgleich sind, weil an der berichtenden Gesellschaft unmittelbar nur ein Unternehmen beteiligt ist, das keinem weiteren Konzern angehört, beschränkt sich die Angabepflicht auf die Nennung eines Mutterunternehmens.1

149

Weitere Grundvoraussetzung der Angabepflicht nach § 285 Nr. 14 HGB ist, dass das Mutterunternehmen einen Konzernabschluss aufstellt. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob das Mutterunternehmen gesetzlich zu der Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist oder ob dessen Aufstellung auf freiwilliger Basis erfolgt.2

150

Die Angabepflicht erstreckt sich auf die Angabe von Name und Sitz des Mutterunternehmens, die dem Handelsregister entnommen werden können. Darüber hinaus ist der Ort zu nennen, wo im Fall der Offenlegung der Konzernabschluss erhältlich ist. Damit ist die Angabe des Registers oder der Behörde gemeint, bei der der Konzernabschluss eingesehen werden kann. Bei Mutterunternehmen mit Sitz im Inland entspricht dies regelmäßig dem BAnz., so dass zur Erfüllung der Angabepflicht die Nr., unter der die Offenlegung im BAnz. erfolgt ist, anzugeben ist.3 Die Angabe entfällt, wenn das Mutterunternehmen bei einer freiwilligen Aufstellung nicht zur Offenlegung des Konzernabschlusses verpflichtet ist.4

XVIII. Angaben zu Mutterunternehmen für den kleinsten Kreis von Unternehmen (Nr. 14a) 151

Durch das BilRUG wurde die Angabepflicht zu den Mutterunternehmen für den kleinsten Konzernkreis separiert und eine korrespondierende Angabe zu § 285 Nr. 14 HGB für das Mutterunternehmen normiert, das den Konzernabschluss für den kleinsten Kreis von Unternehmen aufstellt.

152

Die Angaben nach § 285 Nr. 14a HGB sind bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich von allen Kapitalgesellschaften zu machen. Allerdings sind kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) gem. § 288 Abs. 1 Nr. 3 HGB von der Angabe des Orts der Veröffentlichung befreit. Zudem können Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind, gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 PublG von den Angaben nach § 285 Nr. 14 HGB absehen.

153

Die Angabepflichten gem. § 285 Nr. 14a HGB sind mit denen gem. § 285 Nr. 14 HGB deckungsgleich; s. deshalb Rz. 146 ff.

1 2 3 4

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 460. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 458. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 295. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 295.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 160 § 285

XIX. Angaben zu Komplementärgesellschaften (Nr. 15) Gem. § 285 Nr. 15 HGB müssen Personengesellschaften iSd. § 264a HGB im Rahmen des Anhangs Namen 154 und Sitz sowie das gezeichnete Kapital ihrer persönlich haftenden Gesellschafter angeben. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses einen Einblick in die Beteiligungsverhältnisse bei den sog. „Kapitalgesellschaften und Co.“ (KapCoGes.) iSd. § 264a HGB zu gewähren und diesen über die maximal zur Verfügung stehende Haftsumme bei KapCoGes. aufzuklären.1 Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Personengesellschaften 155 iSd. § 264a HGB. Kleine Personengesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabepflicht allerdings gem. § 288 Abs. 1 HGB befreit. Weitere Befreiungen bestehen nicht. Die Ausnahmeregelung des § 286 Abs. 3 Satz 1 HGB greift trotz des inhaltlichen Zusammenhangs mit den Angaben zum Anteilsbesitz gem. § 285 Nr. 11 sowie Nr. 11a HGB nicht ein, und zwar auch nicht entsprechend.2 Angabepflichtig gem. § 285 Nr. 15 HGB sind Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB. Dabei 156 handelt es sich um offene Handelsgesellschaften (oHG) und Kommanditgesellschaften (KG), bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder wiederum eine OHG, KG oder eine andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftenden Gesellschafterin ist oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. Neben dem Namen und dem Sitz des persönlich haftenden Gesellschafters, die dem Handelsregister zu 157 entnehmen sind, muss gem. § 285 Nr. 15 HGB insbes. auch dessen gezeichnetes Kapital angegeben werden. Für den Fall, dass der persönlich haftende Gesellschafter selbst eine Personengesellschaft iSd. § 264a HGB ist, sind gem. § 264c Abs. 2 Satz 2 HGB die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter unter Berücksichtigung von § 264c Abs. 2 Sätzen 3, 5 und 6 HGB jeweils gesondert als gezeichnetes Kapital auszuweisen.3 Sofern die Personengesellschaft iSd. § 264a HGB Anteile ihrer eigenen Komplementär-Gesellschaft hält, führt dies – falls die Anteile mindestens den fünften Teil des Stammkapitals betragen – dazu, dass gem. § 285 Nr. 11 HGB zusätzlich das Ergebnis des letzten Geschäftsjahres, für das ein Jahresabschluss vorliegt, anzugeben ist. In diesem Fall erscheint es aus Gründen der Übersichtlichkeit wünschenswert, die Angaben nach § 285 Nr. 11 und 15 HGB zusammenzufassen.4

XX. Angaben zum Bestehen von Genussscheinen, Genussrechten, Wandelschuldverschreibungen und vergleichbaren Wertpapieren oder Rechten (Nr. 15a) Gem. dem durch das BilRUG neu eingefügten § 285 Nr. 15a HGB ist im Anhang über das Bestehen von 158 Genussscheinen, Genussrechten, Wandelschuldverschreibungen sowie verschiedenen vergleichbaren Wertpapieren unter Angabe der Anzahl und der Rechte, die sie verbriefen, zu berichten. Eine ähnliche Angabepflicht war bereits bislang im § 160 AktG aF enthalten. Da jedoch nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch andere Kapitalgesellschaften die in der Vorschrift genannten Rechte einräumen können, wurde diese Vorschrift in das HGB verlagert, so dass die Angaben zukünftig von sämtlichen großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften zu erbringen sind. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit. Gem. § 285 Nr. 15a HGB ist im Anhang über Genussscheine, Genussrechte, Wandelschuldverschreibun- 159 gen, Optionsscheine, Optionen, Rechte aus Besserungsscheinen oder vergleichbare Wertpapiere oder Rechte Auskunft zu geben, die durch die berichtende Kapitalgesellschaft gewährt oder ausgegeben werden. Genussrechte sind nicht Mitglieds-, sondern Gläubigerrechte, die aber entsprechend ihrer inhaltlichen 160 Ausgestaltung auch Rechte eines Gesellschafters sein können (zB Teilhabe am Bilanzgewinn oder Liquidationserlös).5 Wandelschuldverschreibungen sind gem. § 221 Abs. 1 AktG Schuldverschreibungen, die mit einem Umtauschrecht in Aktien (dann Wandelschuldverschreibung oder -anleihe) oder einem Bezugsrecht auf Aktien (dann Optionsschuldverschreibung oder -anleihe) verbunden sind. Besserungsscheine sind Rechte, die den Gläubigern unter einer näher bestimmten Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft eine vermögenswerte Leistung, insbes. die Zahlung eines Geldbetrags, gewähren.6 Zu den

1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 297. 2 Ebenso Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 474; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 299; Theile, BB 2000, 555 (560); aA Farr, GmbHR 2000, 547. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 298. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 473; Theile, BB 2000, 555 (560). 5 Waclawik in Hölters, AktG2,§ 160 Rz. 36. 6 Waclawik in Hölters, AktG2, § 160 Rz. 37.

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§ 285 Rz. 161 | Sonstige Pflichtangaben Besserungsscheinen gehören keine bloßen Stundungsvereinbarungen.1 Vergleichbare Wertpapiere oder Rechte sind Gewinnschuldverschreibungen mit oder ohne Umtausch- oder Bezugsrecht sowie bedingt rückzahlbare Zuwendungen der öffentlichen Hand, sofern sie aus künftigen Gewinnen des Unternehmens zurückzuzahlen sind.2 161

Angabepflichtig sind die Art und Anzahl der jeweiligen am Abschlussstichtag bestehenden Rechte. Die Angabe der Art der jeweiligen Rechte erfordert auch Erläuterungen über den Inhalt des jeweiligen Rechts. Der Detailierungsgrad der Angaben muss so gewählt werden, dass die Art und der Umfang der Verpflichtungen aus den Rechten für den Abschlussleser ersichtlich werden.3

XXI. Abgabe der Erklärung nach § 161 AktG (Nr. 16) 162

Gem. § 285 Nr. 16 HGB müssen Gesellschaften, die nach § 161 AktG zur Abgabe einer Erklärung zum Corporate Governance Kodex verpflichtet sind, im Rahmen des Anhangs angeben, dass diese sog. „Entsprechenserklärung“ abgegeben wurde, und gleichzeitig erläutern, wo diese zugänglich gemacht wurde. Zweck dieser Angabeverpflichtung ist es, den Adressaten des Jahresabschlusses darüber zu informieren, dass die von § 161 AktG geforderte Erklärung abgegeben wurde, und gleichzeitig darauf hinzuweisen, wo diese eingesehen werden kann. Die Angaben nach § 285 Nr. 16 HGB sind bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich von allen Kapitalgesellschaften zu machen. Größenabhängige Befreiungen bestehen nicht.

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Anknüpfungspunkt für die Anhangangabe ist die Erklärung zum Corporate Governance Kodex gem. § 161 AktG. Durch die Abgabe dieser jährlichen Erklärung legen Vorstand und Aufsichtsrat offen, ob und welchen der vom Bundesjustizministerium im amtlichen Teil des BAnz. bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird und welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Sofern sich der DCGK ändert, ergibt sich dennoch keine Pflicht, vor Ablauf des 12-Monatszeitraums eine neue Entsprechenserklärung abzugeben. Bezugspunkt für die Entsprechenserklärung ist nämlich immer nur der im BAnz. bekannt gemachte Kodex in der Fassung, die er zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung aufwies.4 Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass – da die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG eine „Dauererklärung“5 ist – in dem Fall, dass sich im Laufe des Zwölf-Monatszeitraums, für den die Entsprechenserklärung abgegeben wurde, in der Entsprechenserklärung nicht enthaltene neue Abweichungen von den Empfehlungen des DCGK ergeben, die Entsprechenserklärung umgehend anzupassen ist.6 Geschieht dies nicht und entspricht die Erklärung daher in einem wesentlichen Punkt nicht der tatsächlichen Praxis, liegt darin ein Gesetzesverstoß.7

164

Zur Abgabe der Erklärung zum Corporate Governance Kodex sind seit der Änderung des § 161 AktG durch das BilMoG neben börsennotierten Aktiengesellschaften auch solche Gesellschaften verpflichtet, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben oder deren ausgegebene eigene Aktien mit Wissen der Gesellschaft über ein multilaterales Handelssystem iSd. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden. Davon sind beispielsweise Unternehmen betroffen, deren Aktien lediglich im Freiverkehr gehandelt werden, die aber Schuldverschreibungen zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen haben.8

165

Die Angabepflicht nach § 285 Nr. 16 HGB umfasst die Erklärung, dass die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben wurde, sowie eine Angabe darüber, wo sie öffentlich zugänglich gemacht wurde. Eine Veröffentlichung der Entsprechenserklärung selbst ist im Rahmen des Anhangs nicht erforderlich. Allerdings ist diese Teil der durch das BilMoG neu eingeführten Erklärung zur Unternehmensführung gem. § 289a HGB, die in den Lagebericht aufgenommen oder auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden kann.9 Da § 161 Abs. 2 AktG vorschreibt, dass die Erklärung dauerhaft auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden muss, ist im Rahmen des § 285 Nr. 16 HGB die genaue Bezeichnung der betreffenden Internetseite anzugeben.10 Nach dem klaren Wortlaut des § 161 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Waclawik in Hölters, AktG2, § 160 Rz. 37; Poll, in BeckOK HGB15, § 285 Rz. 53. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 486. So Euler/Sabel in Spindler/Stilz, AktG3, § 160 Rz. 27 zu der früheren Vorschrift im AktG. Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 190. BGH v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460 (463). BGH v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460 (465); vgl. zum Ganzen auch Mutter, ZGR 2009, 788 (794). BGH v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460 (465); vgl. zum Ganzen auch Mutter, ZGR 2009, 788 (794). Vgl. hierzu Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172. Vgl. hierzu Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172; Kirsch, StuB 2008, 878 (882). Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O, Rz. 68.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 171 § 285

Abs. 2 AktG bezieht sich die Veröffentlichungspflicht auf die Internetseite der Gesellschaft. Eine Veröffentlichung im BAnz. oder eine Veröffentlichung als Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung im Rahmen des Lageberichts genügt nicht.1

XXII. Gesamthonorar des Abschlussprüfers (Nr. 17) Gem. § 285 Nr. 17 HGB ist die berichtende Kapitalgesellschaft dazu verpflichtet, das von dem Abschluss- 166 prüfer für das Geschäftsjahr berechnete, nach Vergütungsbestandteilen aufgeschlüsselte Gesamthonorar anzugeben. Die Angabepflicht verfolgt den Zweck, den Adressaten des Jahresabschlusses über die Abschlussprüfervergütung zu informieren und durch die damit erreichte Transparenz die Besorgnis der Befangenheit des Abschlussprüfers zu vermeiden.2 Der Angabepflicht unterfallen grundsätzlich sämtliche Kapitalgesellschaften. Lediglich kleine Kapitalge- 167 sellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit. Für mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB) besteht gem. § 288 Abs. 2 Satz 2 HGB dergestalt eine Erleichterung von der Angabepflicht, dass diese die Angaben nach § 285 Nr. 17 HGB nicht zwingend machen müssen. Sofern sie jedoch von dieser Erleichterungsmöglichkeit Gebrauch machen, müssen sie der Wirtschaftsprüferkammer die Angaben auf deren schriftliche Anforderung hin übermitteln (vgl. hierzu § 288 HGB Rz. 13). Der Angabepflicht des § 285 Nr. 17 HGB unterfällt das Gesamthonorar des Abschlussprüfers. Abschluss- 168 prüfer iSd. § 285 Nr. 17 HGB sind Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, die bestellte Abschlussprüfer iSd. § 318 HGB sind. Angabepflichtig ist das Gesamthonorar, das aus der Sicht der angabepflichtigen Kapitalgesellschaft auf für 169 im Geschäftsjahr erbrachte Leistungen entfällt. Der Begriff Gesamthonorar umfasst dabei die Gesamtvergütung des Abschlussprüfers für seine Tätigkeiten, dh. seine im Geschäftsjahr erbrachten Leistungen einschließlich des berechneten Auslagenersatzes (Tage- und Übernachtungsgelder, Fahrt- und Nebenkosten, Berichts- und Schreibkosten etc.). Von der Angabepflicht ausgenommen ist jedoch die als Vorsteuer abzugsfähige Umsatzsteuer.3 Die Angabepflicht besteht unabhängig davon, ob das Honorar bereits in Rechnung gestellt wurde, die Zahlung bereits erfolgt oder noch offen ist oder zu welchem Zeitpunkt die Honorarvereinbarung mit dem Abschlussprüfer getroffen wurde.4 Sollte zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses, wie es für die Leistungen des Abschlussprüfers typisch ist, noch keine Schlussrechnung des Abschlussprüfers vorliegen, ist auf die Rückstellung, die hierfür im Jahresabschluss gebildet wurde, abzustellen.5 Stellt sich der Rückstellungsbetrag im Nachhinein als zu hoch oder zu niedrig bemessen heraus, so sind die Abweichungen bei der Erfüllung der Angabepflicht im Folgejahr zu berücksichtigen.6 Gem. § 285 Nr. 17 HGB ist die betragsmäßige Angabe des Gesamthonorars nach den Beträgen für Ab- 170 schlussprüfungsleistungen, andere Bestätigungsleistungen, Steuerberatungsleistungen sowie sonstige Leistungen zu untergliedern. Durch diese Untergliederung soll dem Adressaten des Jahresabschlusses ein differenziertes Bild des Gesamthonorars geboten werden. Unter den Begriff der Abschlussprüfungsleistungen fallen Beträge, die im Laufe des Geschäftsjahrs für gesetzliche Prüfungsleistungen im Zusammenhang mit den pflichtgemäß zu erstellenden Abschlüssen einschließlich der Bestätigungsvermerke angefallen sind.7 Honorare für freiwillig durchgeführte Abschlussprüfungen und prüferische Durchsichten unterfallen nicht den Abschlussprüfungsleistungen. Sie sind vielmehr den anderen Bestätigungsleistungen zuzurechnen.8 Zu den anderen Bestätigungsleistungen zählen im Wesentlichen die als Aufwand im betreffenden Geschäftsjahr gebuchten prüfungsnahen Leistungen, die nicht mit dem geprüften Abschluss und der Rechnungslegung iSd. §§ 316 ff. HGB zusammenhängen, dh. berufstypische Prüfungsleistungen außerhalb der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung.9 Hierunter sind beispielsweise Gründungs-, Verschmelzungs- und 1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 490. 2 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 307; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 500. 3 Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 70; IDW RS HFA 36 Rz. 10; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 504; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 76. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 310. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 506; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 76. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 507 ; IDW RS HFA 36, Rz. 9; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 77. 7 Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks.: 16/10067), 70. 8 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 313. 9 Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks.: 16/10067), 71.

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§ 285 Rz. 172 | Sonstige Pflichtangaben Spaltungsprüfungen sowie Web Trust-Prüfungen oder die Prüfungen von Zwischenberichten (vgl. etwa § 37w Abs. 5 WpHG) zu verstehen.1 Dem Begriff der Steuerberatungsleistungen unterfallen Honorare an den Abschlussprüfer für Beratung und Vertretung des Unternehmens in steuerlichen Angelegenheiten nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften (§ 2 Abs. 2 WPO). Hierunter fallen Beträge für die laufende Beratung bzgl. der Erstellung von Steuererklärungen sowie für die Prüfung von Steuerbescheiden.2 172

Der Begriff der sonstigen Leistungen stellt einen Auffangtatbestand dar. Zu ihm gehören alle von den vorherigen Kategorien nicht erfassten, weiteren zulässigen Leistungen des Abschlussprüfers (zB prüfungsnahe Beratung oder sonstige in zulässiger Weise erbrachte Bewertungsleistungen).3

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Die berichtende Kapitalgesellschaft ist dann von der Angabepflicht befreit, wenn die Angaben bereits in einem die berichtende Kapitalgesellschaft einbeziehenden Konzernabschluss enthalten sind (Konzernklausel). In diesem Fall hat im Konzernabschluss zumindest eine zusammenfassende Angabe aller im Konzern angefallenen Honorare zu erfolgen, aufgeschlüsselt in Honorar für die Abschlussprüfungsleistungen, andere Bestätigungsleistungen, Steuerberatungsleistungen und sonstige Leistungen.4 Entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut („soweit“) ist davon auszugehen, dass die Befreiung nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Honorare des Tochterunternehmens vollständig im Konzernanhang angegeben werden.5 Auch Konzernabschlüsse deutscher Mutterunternehmen, die nach IFRS aufgestellt werden (§ 315e HGB), sowie Konzernabschlüsse ausländischer Muttergesellschaften, die nach lokalem Recht aufgestellt werden (zB nach US-GAAP), können zu einer Befreiung von der Angabepflicht des § 285 Nr. 17 HGB unter Berufung auf die Konzernklausel führen.6

174

In dem Fall, dass Jahresabschlüsse von in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen nicht vom Konzernabschlussprüfer, sondern von anderen Abschlussprüfern geprüft werden, unterfallen die Honorare für diese Abschlussprüfungsleistungen nicht der Angabepflicht des § 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB, da nach dieser Regelung nur das Honorar des Konzernabschlussprüfers angabepflichtig ist (vgl. hierzu § 314 HGB Rz. 47 ff.). Um in diesem Fall dennoch auf der Ebene des einbezogenen Tochterunternehmens von der Befreiung nach § 285 Nr. 17 HGB Gebrauch machen zu können, sind die Honorare für den Abschlussprüfer des einbezogenen Unternehmens neben dem angabepflichtigen Gesamthonorar des Konzernabschlussprüfers gesondert anzugeben.7 Werden mehrere Tochterunternehmen nicht von dem Konzernabschlussprüfer geprüft, ist es jedoch nicht ausreichend, wenn die Leistungen der anderen Abschlussprüfer zusammengefasst angegeben werden. Vielmehr ist es im Hinblick auf die der Angabepflicht des § 285 Nr. 17 HGB zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention, die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu stärken und die Besorgnis der Befangenheit zu vermeiden, erforderlich, die geforderten Angaben für jeden Abschlussprüfer einzeln vorzunehmen.8

175

Auch wenn das Gesetz nicht ausdrücklich vorsieht, dass im Fall der Inanspruchnahme der Befreiung ein Hinweis in den Anhang aufzunehmen ist, sollte aus Gründen der Klarheit dennoch hierauf gesondert hingewiesen werden.9

XXIII. Angaben zu nicht zum niedrigeren Zeitwert bewerteten Finanzinstrumenten (Nr. 18) 176

Gem. § 285 Nr. 18 HGB sind für unter den Finanzanlagen iSd. § 266 Abs. 2 A. III HGB ausgewiesene Finanzinstrumente, die in Ausübung des Wahlrechts nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB in Anbetracht nur vorübergehender Wertminderung nicht auf den niedrigeren beizulegenden Wert am Abschlussstichtag außer1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 517. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 518. 3 Begr. RegE zum BilMoG, (BT-Drucks.: 16/10067), 71.; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 81. 4 Vgl. Begr. RegE zum BilMoG (BT Drucks. 16/10067), 71. 5 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 317; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 83. 6 Wollmert/Oser/Graupe, StuB 2010, 123 (124). 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 520 ; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 85. 8 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 318; aA Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 85, die eine zusammengefasste Angabe in diesem Fall für ausreichend erachten. 9 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 86; IDW RS HFA 36 Rz. 16; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 305.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 182 § 285

planmäßig abgeschrieben wurden, verschiedene Angaben (Buchwert, beizulegender Zeitwert, Gründe für das Unterlassen der außerplanmäßigen Abschreibung) im Rahmen des Anhangs offenzulegen. Die Angabepflicht des § 285 Nr. 18 HGB verfolgt den Zweck, die Informationsfunktion des Anhangs im 177 Hinblick auf die Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses auf internationalem Niveau zu stärken.1 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, die Angaben gem. § 285 Nr. 18 HGB zu machen. § 285 Nr. 18 HGB fordert bestimmte Pflichtangaben für Finanzinstrumente, die als Finanzanlagen aus- 178 gewiesen werden. Der vom Gesetz in diesem Zusammenhang verwandte Begriff des Finanzinstruments ist weder im HGB noch in der EU-Bilanzrichtlinie definiert. Einen Anhaltspunkt bieten § 1 Abs. 11 KWG, § 2 Abs. 2b WpHG sowie IAS 32.11, die zwar gleichfalls keine Definition enthalten, jedoch eine Reihe von Finanzinstrumenten aufzählen, als deren Oberbegriff der Begriff der Finanzinstrumente zu verstehen ist. Nach IDW RH HFA 1.005 umfasst dieser Begriff Vermögensgegenstände und Schulden, die auf der Basis von Verträgen zu Geldzahlungen oder zum Zu- bzw. Abgang von anderen Finanzinstrumenten führen. Hierunter fallen Finanzanlagen (§ 266 Abs. 2 A. III. HGB), Forderungen (§ 266 Abs. 2 B. II. Nr. 1–3 HGB) und Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 C Nr. 1–2, Nr. 4–8 HGB) sowie Instrumente iSd. § 1 Abs. 11 KWG und § 2 Abs. 2b WpHG. Zu den Instrumenten iS des § 1 Abs. 11 KWG und § 2 Abs. 2b WpHG zählen alle Arten von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten, Devisen, Rechnungseinheiten und Derivaten. Die Angabepflicht gem. § 285 Nr. 18 HGB entsteht nur dann, wenn die berichtende Kapitalgesellschaft die 179 zu den Finanzanlagen gehörenden Finanzinstrumente zu einem höheren als ihrem zum Bilanzstichtag beizulegenden Zeitwert ausweist. Dies ist nur dann möglich, wenn die berichtende Kapitalgesellschaft von dem Wahlrecht gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB ganz oder teilweise Gebrauch gemacht und die Finanzinstrumente nicht auf den niedrigeren ihnen beizulegenden Zeitwert außerplanmäßig abgeschrieben hat, da der niedrigere beizulegende Zeitwert als nicht dauerhaft eingeschätzt wird (vgl. hierzu § 253 HGB Rz. 146 f.). In diesem Fall ist die berichtende Kapitalgesellschaft verpflichtet, im Rahmen des Anhangs (a) den Buchwert und den beizulegenden Zeitwert der einzelnen Vermögensgegenstände sowie (b) die Gründe für das Unterlassen der Abschreibung einschließlich der auf eine nur vorübergehende Wertminderung hindeutenden Anhaltspunkte anzugeben. Durch die Angabe des Buchwerts und des beizulegenden Zeitwerts soll die bestehende stille Last bei der berichtenden Kapitalgesellschaft aufgezeigt werden.2 Der beizulegende Zeitwert ist gem. § 255 Abs. 4 Satz 1 und 2 HGB zu ermitteln.

180

Bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts ist grundsätzlich eine Einzelbewertung vorzunehmen. Aus 181 Vereinfachungsgründen ist es jedoch möglich, die Angabe von Buchwert und Zeitwert nicht für die einzelnen Vermögensgegenstände der Finanzanlagen zu machen, sondern angemessene Gruppierungen vorzunehmen.3 Die Bildung der Gruppen sollte in diesem Zusammenhang davon abhängig gemacht werden, dass jeweils vergleichbare Gründe für das Unterlassen der außerplanmäßigen Abschreibung vorliegen.4 In die so gebildeten Gruppierungen der Finanzanlagen sind nur solche Vermögensgegenstände einzubeziehen, bei denen der Buchwert den beizulegenden Zeitwert überschreitet. Eine Verrechnung stiller Reserven mit stillen Lasten ist unzulässig (Saldierungsverbot).5 Sofern die berichtende Kapitalgesellschaft wahlweise auf eine Abschreibung verzichtet hat, sind zudem 182 auch die Gründe, die zu dem Unterlassen der außerplanmäßigen Abschreibung geführt haben, anzugeben. Die Angabe der Gründe darf sich in diesem Zusammenhang nicht darauf beschränken, auf den in § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB genannten Grund, dass die Wertminderung nicht als dauerhaft angesehen wird, zu verweisen. Vielmehr muss dem Adressaten des Jahresabschlusses Aufschluss über die Anhaltspunkte, die zu dieser Einschätzung geführt haben, gegeben werden. In diesem Zusammenhang sind verbale Angaben erforderlich, welche die Gründe für die getroffene Einschätzung erkennen lassen. Ein Beispiel für Anhaltspunkte, aufgrund derer die Kapitalgesellschaft zu der Einschätzung einer nur vorläufigen Wertminderung gelangen könnte, stellt etwa der Wertverlust aufgrund von Anlaufverlusten dar, die bei einer neu gegründeten Tochtergesellschaft entstehen, wenn gleichzeitig Planungsrechnungen vorliegen, die künftige Gewinne erwarten lassen.6 Sollte die Kapitalgesellschaft zum Zweck der Erfüllung der Angabeverpflichtung

1 2 3 4 5 6

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 530; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 319. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 315. IDW RH HFA 1.005 Rz. 25; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 540. IDW RH HFA 1.005 Rz. 25; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 540. IDW RH HFA 1.005 Rz. 26; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 540. Frye, BC 2005, 10 (12).

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§ 285 Rz. 183 | Sonstige Pflichtangaben Gruppierungen bilden, darf die Angabe der Gründe und Anhaltspunkte in entsprechender Weise zusammengefasst werden.1

XXIV. Angaben zu nicht zum Zeitwert bilanzierten derivativen Finanzinstrumenten (Nr. 19) 183

Nach § 285 Nr. 19 HGB müssen bestimmte gesonderte Angaben für derivative Finanzinstrumente gemacht werden. Zweck der Angabeverpflichtung ist es, die Transparenz zu erhöhen und die Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses auf internationalem Niveau zu stärken.2 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabeflicht gem. § 285 Nr. 19 HGB nach § 288 Abs. 1 HGB befreit.

184

Gem. § 285 Nr. 19 HGB sind für jede Kategorie von nicht zum beizulegenden Zeitwert bilanzierten derivativen Finanzinstrumenten Art und Umfang, Zeitwert, Buchwert sowie die Gründe, warum der beizulegende Zeitwert nicht bestimmt werden kann, anzugeben. Der Begriff der derivativen Finanzinstrumente wurde bei Einfügung der Angabepflicht in das HGB vom Gesetzgeber bewusst nicht definiert, da dieser Begriff in der Praxis im Hinblick auf die zahlreichen Innovationen auf diesem Gebiet permanent dem Wandel unterworfen ist und die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs daher in diesem Fall für zweckmäßig erachtet wurde.3 Zum Zweck der Annäherung an diesen unbestimmten Rechtsbegriff können allerdings die einschlägigen Definitionen im KWG, WpHG sowie in den IAS/IFRS herangezogen werden.4 Demnach unterfallen dem Begriff der derivativen Finanzinstrumente als Fest- oder Optionsgeschäfte ausgestaltete Termingeschäfte, deren Wert von einer Basisvariablen (bspw. Marktpreis, Zinssatz, Devisenkurs oder Aktienindex) abhängt, wobei die aus diesen Instrumenten resultierenden Verpflichtungen durch Geldzahlung oder den Zu- bzw. Abgang von anderen Finanzinstrumenten zu erfüllen sind.5

185

Warentermingeschäfte sind dann als Derivate zu klassifizieren, wenn sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber zur Abgeltung in bar oder durch ein anderes Finanzinstrument berechtigt sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Warentermingeschäfte abgeschlossen wurden, um einen physischen Bedarf (Erwerb, Veräußerung oder eigenen Gebrauch) des Unternehmens abzudecken.6 Allerdings muss die Zweckwidmung dauerhaft sowohl bei Vertragsschluss als auch zum Bilanzierungszeitpunkt bestehen. Zudem muss der Vertrag mit der Lieferung der Ware als erfüllt gelten.7

186

Die berichtende Kapitalgesellschaft ist zu den Angaben nach § 285 Nr. 19 HGB nur dann verpflichtet, wenn derivative Finanzinstrumente nicht zum beizulegenden Zeitwert bilanziert wurden.

187

Der Ausweis der Angaben muss gem. § 285 Nr. 19 HGB nicht für jedes derivative Finanzinstrument einzeln vorgenommen werden, sondern es ist eine Zusammenfassung nach Kategorien vorzunehmen. Für die Vornahme der Einteilung in die verschiedenen Kategorien sind die den derivativen Finanzinstrumenten zugrunde liegenden Risiken maßgeblich. In Anlehnung an § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG sind die derivativen Finanzinstrumente zumindest in die Kategorien zinsbezogene Geschäfte, währungsbezogene Geschäfte, aktien-/indexbezogene Geschäfte und sonstige Geschäfte zu untergliedern.8

188

Gem. § 285 Nr. 19 HGB müssen für nicht zum beizulegenden Zeitwert bilanzierte derivative Finanzinstrumente (a) deren Art und Umfang, (b) deren beizulegender Zeitwert, (c) deren Buchwert und (d) ggf. die Gründe dafür, warum der beizulegende Zeitwert nicht bestimmt werden kann, angegeben werden.

189

Zu den Arten derivativer Finanzinstrumente zählen Optionen, Futures, Swaps und Forwards und deren Variationen (zB Swaptions).9 Die Angabe des Umfangs von derivativen Finanzinstrumenten setzt die Nennung des Nominalwerts des derivativen Finanzinstruments voraus.10 Je nach Art der Finanzinstru-

1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 545. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 551; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 329. 3 Vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum BilReG (BT-Drucks. 15/4054), 37 sowie Böcking/Torabian, BB 2008, 265. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 330; Böcking/Torabian, BB 2008, 265. 5 IDW RH HFA 1.005 Rz. 5; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 330; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 99. 6 so auch Lühn, BBK 2009, 993 (995). 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 331; Lühn, BBK 2009, 993 (995); IDW RH HFA 1.005 Rz. 6. 8 IDW RH HFA 1.005 Rz. 12; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 104; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 333; Lühn, BBK 2009, 993 (995). 9 IDW RH HFA 1.005 Rz. 14; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 335. 10 IDW RH HFA 1.005 Rz. 15; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 565; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 335.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 195 § 285

mente können zudem weitere Angaben, zB die Angabe der getauschten Zinssätze bei einem Zinsswap, sachgerecht sein.1 Der beizulegende Zeitwert entspricht gem. § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB grundsätzlich dem Marktpreis. Dies 190 setzt allerdings voraus, dass ein entsprechender Marktpreis sich, wie zB bei börsengehandelten Optionen oder Terminkontrakten, überhaupt verlässlich ermitteln lässt.2 Ist ein aktiver Markt nicht vorhanden, ist bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts gem. § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB, der sich insoweit an internationalen Standards (zB IAS 39) orientiert, auf allgemein anerkannte Bewertungsmethoden, wie zB das Black-Scholes-Optionspreismodell oder das Binominalmodell, zurückzugreifen.3 Gem. § 285 Nr. 19 Buchst. b Halbs. 2 HGB ist zudem im Rahmen des Anhangs anzugeben, welche Bewertungsmethode bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts zugrunde gelegt wurde. Ist etwa der beizulegende Zeitwert anhand eines bestehenden Marktpreises ermittelt worden, ist ein Hinweis hierauf ausreichend.4 Sofern jedoch bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts auf anerkannte Bewertungsmethoden abgestellt wurde, sind Angaben erforderlich, die erkennen lassen, welches Bewertungsmodell bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts angewandt wurde, da die Wahl des Bewertungsmodells unter Umständen erhebliche Auswirkungen auf die Höhe des mit seiner Hilfe ermittelten beizulegenden Zeitwerts haben kann.5

191

Gem. § 285 Nr. 19 Buchst. c HGB sind zudem der Buchwert, mit dem das derivative Finanzinstrument 192 zum Bilanzstichtag bilanziert ist – unabhängig davon, ob dieser aktivisch oder passivisch ist –, und der Bilanzposten, in dem der Buchwert erfasst ist, anzugeben. Dadurch soll dem Adressaten des Jahresabschlusses ein vollständiges Bild über die Vertragssituation im Zusammenhang mit derivativen Finanzinstrumenten vermittelt werden.6 Derivative Finanzinstrumente sind nach dem HGB idR schwebende Geschäfte, die nicht bilanziert werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn beim Käufer Anschaffungskosten angefallen sind oder Verluste aus der Abwicklung drohen.7 Der Buchwert der derivativen Finanzinstrumente ist von der berichtenden Kapitalgesellschaft in monetärer Form anzugeben. Gem. § 285 Nr. 19 Buchst. c HGB ist zudem auch der Bilanzposten, in dem der Buchwert ggf. erfasst ist, zu nennen. Sofern sich der beizulegende Zeitwert nicht verlässlich ermitteln lässt, muss dieser gem. § 285 Nr. 19 Buchst. b HGB auch nicht zwingend angegeben werden. In diesem Fall sind gem. § 285 Nr. 19 Buchst. d HGB die Gründe für die Nichtermittlung des beizulegenden Zeitwerts anzugeben.

193

XXV. Angaben für zum Zeitwert bewertete Finanzinstrumente (Nr. 20) Gem. § 285 Nr. 20 HGB sind im Anhang für alle mit dem beizulegenden Zeitwert bewerteten Finanz- 194 instrumente verschiedene Angaben im Zusammenhang mit der Zeitwertermittlung zu erbringen. Die Angabepflicht verfolgt den Zweck, die Informationsfunktion des Jahresabschlusses – insbes. mit Blick auf seine internationale Vergleichbarkeit – zu stärken.8 Durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz9 wurde die Norm zuletzt in der Weise geändert, dass die Angaben nicht mehr nur auf von Kreditinstituten im Handelsbestand gehaltene Finanzinstrumente beschränkt sind, sondern sich in richtlinienkonformer Weise auf sämtliche zum beizulegenden Zeitwert bewerteten Finanzinstrumente erstrecken.10 Gem. § 285 Nr. 20 Buchst. a HGB müssen im Rahmen des Anhangs für zum Zeitwert bewertete Finanz- 195 instrumente zunächst die grundlegenden Annahmen, die der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts nach § 255 Abs. 4 HGB zugrunde liegen, dargestellt werden. Im Gegensatz zu der Angabepflicht nach § 285 Nr. 19 HGB erstreckt sich die Offenlegungsverpflichtung in diesem Zusammenhang nicht nur auf derivative Finanzinstrumente, sondern auf alle Finanzinstrumente, deren beizulegender Zeitwert nicht unmittelbar auf einen Marktpreis iSd. § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB zurückgeht und der daher gem. § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden ermittelt wird.11 Sofern der beizule1 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 106. 2 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 107; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 571. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 572; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 336. 4 Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 218; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 575. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 575. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 580. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 580. 8 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 590. 9 BGBl. I 2017, 802. 10 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (BT-Drucks. 18/9982, 42). 11 Begr. ReGE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 71; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 344.

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§ 285 Rz. 196 | Sonstige Pflichtangaben gende Zeitwert der Finanzinstrumente auf einem Marktpreis beruht, sind keine Angaben erforderlich. Es empfiehlt sich, in diesem Fall zur Verdeutlichung darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem angegebenen Wert um einen Marktpreis handelt.1 196

Wurde der Zeitwert unter Zuhilfenahme anerkannter Bewertungsmethoden ermittelt, sind neben den angewandten Bewertungsmethoden die zentralen Annahmen, dh. die wesentlichen objektiv nachvollziehbaren Parameter, anzugeben, die im Rahmen der Anwendung der Bewertungsmethode Berücksichtigung gefunden haben.2 Beispiele für derartige Angaben sind die Angabe von Zinssätzen, Preisen des Basiswerts sowie Restlaufzeiten gleichartiger bzw. vergleichbarer Finanzinstrumente.3 Die bloße Angabe der Herkunft des beizulegenden Zeitwerts ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend.

197

Gem. § 285 Nr. 20 Buchst. b HGB sind zudem Art und Umfang jeder Kategorie derivativer Finanzinstrumente einschließlich der wesentlichen Bedingungen, welche die Höhe, den Zeitpunkt und die Sicherheit zukünftiger Zahlungsströme beeinflussen können, anzugeben. Die für die Erfüllung dieser Angabepflicht vorzunehmende Kategorisierung entspricht derjenigen in § 285 Nr. 19 HGB (vgl. Rz. 187). Sie hat sich an den dem jeweiligen derivativen Finanzinstrument zugrunde liegenden Basiswerten bzw. dem abgesicherten Risiko zu orientieren.4 Demnach könnte beispielsweise eine Kategorisierung nach zinsbezogenen, währungsbezogenen oder aktienbezogenen derivativen Finanzinstrumenten erfolgen.5

198

Die vom Gesetz geforderten Angaben zu Art und Umfang der derivativen Finanzinstrumente entsprechen denjenigen in § 285 Nr. 19 HGB (vgl. Rz. 189).6

199

Darüber hinaus sind für jede Kategorie derivativer Finanzinstrumente außerdem die wesentlichen Bedingungen anzugeben, die die Höhe, den Zeitpunkt und die Sicherheit künftiger Zahlungsströme beeinflussen können. Dies erfordert eine Angabe darüber, welchen Risiken die jeweilige Kategorie derivativer Finanzinstrumente ausgesetzt ist.7 Welche Angaben diesbezüglich im Einzelfall erforderlich sind, ist abhängig von den in der jeweiligen Kategorie enthaltenen derivativen Finanzinstrumenten, den diesen zugrunde liegenden Basiswerten bzw. den abgesicherten Risiken sowie den im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen.8

XXVI. Angaben über nicht marktübliche Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen (Nr. 21) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht 200

Entsprechend der Angabepflicht des § 285 Nr. 21 HGB sind im Anhang Angaben zu den wesentlichen nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäften des Unternehmens mit nahe stehenden Unternehmen und Personen zu machen. Ausweislich der Gesetzesbegründung orientiert sich diese Angabeverpflichtung an den Vorgaben von IAS 24 (Related Party Disclosures), die daher im Rahmen der neuen Vorschrift als Interpretationsgrundlage heranzuziehen sind.9 Die neue Anhangangabe des § 285 Nr. 21 HGB bezweckt eine Annäherung der handelsrechtlichen Berichtspflichten an die internationale Rechnungslegung.10 Darüber hinaus soll die neue Bestimmung dazu dienen, die Beziehungen zu nahe stehenden Unternehmen und Personen transparenter zu machen, und auf diese Weise den Informationsgehalt des handelsrechtlichen Jahresabschlusses erhöhen.11

201

Uneingeschränkt werden vom Anwendungsbereich der Vorschrift lediglich große Kapitalgesellschaften erfasst. Mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB) dürfen die Angabe auf diejenigen Geschäfte reduzieren, die direkt oder indirekt mit einem Gesellschafter, Unternehmen, an denen die Gesellschaft selbst eine Beteiligung hält, oder Mitgliedern des Geschäftsführungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans abgeschlossen wurden. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Berichterstattungspflicht gem. § 288 Abs. 1 HGB vollständig befreit. 1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 344; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 118. 2 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 71. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 593. 4 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 71. 5 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 71. 6 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 71. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 598; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 346. 8 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 121. 9 Niehus, DStR 2008, 2280 (2285); Petersen/Zwirner/Busch, BB 2009, 1854 (1855). 10 Begr. RegE BilMog (BT-Drucks. 16/10067), 72. 11 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 600; Niehus, DStR 2008, 2280.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 205 § 285

2. Nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommene Geschäfte Anzugeben sind solche Geschäfte der Kapitalgesellschaft, die nicht zu marktüblichen Bedingungen zu- 202 stande gekommen sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum BilMoG ist der in § 285 Nr. 21 HGB verwendete Begriff des Geschäfts in einem weiten, funktionalen Sinn zu verstehen.1 Er umfasst demnach nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Maßnahmen, die eine unentgeltliche oder eine entgeltliche Übertragung oder Nutzung von Vermögensgegenständen oder Schulden zum Gegenstand haben.2 In diesem Zusammenhang kann auf die für § 312 AktG (Abhängigkeitsbericht) entwickelte Begriffsauslegung zurückgegriffen werden. Beispiele für Maßnahmen sind Produktionsverlagerungen, Produktionsänderungen, Investitionen, Stilllegungen von Betriebsteilen, Abstimmungen im Ein- oder Verkauf, die zB auf Weisung einer übergeordneten Konzerngesellschaft vorgenommen werden. Im Gegensatz zu der in § 312 Abs. 1 Satz 2 AktG für den Abhängigkeitsbericht getroffenen Regelung un- 203 terfallen allerdings unterlassene Rechtsgeschäfte und unterlassene Maßnahmen nicht der Angabepflicht des § 285 Nr. 21 HGB.3 Vielmehr kommt es für die Beurteilung der Berichtspflicht regelmäßig auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts an.4 Dies kann insbes. dann Bedeutung erlangen, wenn Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft in zwei unterschiedliche Geschäftsjahre fallen. Rahmenverträge, die bereits die Bedingungen für die späteren Verpflichtungsgeschäfte enthalten, unterfallen der Angabepflicht. Diese Angabe ändert jedoch nichts an der Verpflichtung, ggf. auch über die einzelnen auf dem Rahmenvertrag beruhenden Rechtsgeschäfte zu berichten.5 Angabepflichtig sind zumindest die zu marktunüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte. 204 Die Frage, inwiefern ein von der Kapitalgesellschaft vorgenommenes Geschäft nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen ist, ist ausweislich der Gesetzesbegründung anhand eines Drittvergleichs zu beantworten.6 Demzufolge sind marktunübliche Bedingungen dann anzunehmen, wenn die dem Geschäft zugrunde liegenden Konditionen von der Kapitalgesellschaft mit einem unabhängigen Dritten (at arm’s length) nicht hätten erreicht werden können.7 Anhaltspunkte für das Vorliegen eines marktunüblichen Geschäfts können auch steuerrechtliche Beurteilungskriterien zur verdeckten Gewinnausschüttung liefern.8 Beispiele für marktunübliche Bedingungen sind etwa nicht marktgerechte Preise, nicht marktkonforme Zinsvereinbarungen oder fehlende oder unzureichende Sicherheiten.9 Bei der Beurteilung der Frage, inwiefern marktunübliche Bedingungen gegeben sind, ist auf die Sicht der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft abzustellen; auf die Sicht der nahe stehenden Person oder des nahe stehenden Unternehmens kommt es nicht an.10 Eine Begrenzung erhält die Angabepflicht des § 285 Nr. 21 HGB jedoch dadurch, dass Angaben über die 205 nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte nur dann zu machen sind, wenn diese wesentlich sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist das Kriterium der Wesentlichkeit dann zu bejahen, wenn die Geschäfte für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens erforderlich sind.11 Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht anhand starrer Grenzen bestimmen.12 Eine zusammenfassende Betrachtung, die berücksichtigt, dass mehrere einzelne unwesentliche Geschäfte in ihrer Gesamtheit jedoch wesentlich erscheinen, ist nach dem Gesetzeswortlaut von der Kapitalgesellschaft nicht zwingend anzustellen; sie erscheint jedoch wünschenswert.13

1 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72. 2 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72; Scherrer, Rechnungslegung nach neuem HGB, 383. 3 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72; IDW RS HFA 33 Rz. 6; Hauptmann/Sailer/Benz, DK 2010, 112 (114); aA Niehus, DStR 2008, 2280 (2282) mit Blick auf den Zweck der Angabeverpflichtung, eine Verfälschung der Finanzlage der Kapitalgesellschaft zu verhindern. 4 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung nach BilMoG, Anhang O Rz. 139. 5 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung nach BilMoG, Anhang O Rz. 141. 6 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 229. 8 IDW RS HFA 33 Rz. 15. 9 Vgl. auch die Beispiele bei Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 374. 10 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 375. 11 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72. 12 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 147; aA Niehus, DStR 2009, 2330 (2336), der immer dann von Wesentlichkeit ausgeht, wenn ein Posten oder eine Transaktion unter 10 % der Bezugsgröße liegt (10 %-Regel). 13 Ähnlich Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 148.

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§ 285 Rz. 206 | Sonstige Pflichtangaben 3. Nahe stehende Unternehmen und Personen 206

Der vom Gesetz verwendete Begriff der nahe stehenden Unternehmen und Personen ist auslegungsbedürftig und erschließt sich nicht ohne Weiteres. In der Gesetzesbegründung zum BilMoG wird zu einer näheren Konkretisierung des Begriffs der nahe stehenden Unternehmen und Personen ausdrücklich auf den jeweils gültigen internationalen Rechnungslegungsstandard der IFRS als Auslegungsgrundlage für nationale Anforderungen verwiesen.1 Insofern kann zur Auslegung des Begriffs der nahe stehenden Personen und Unternehmen – jedenfalls bis sich eine eigene Begriffsauslegung nach nationalem Recht entwickelt hat – auf die Definition in IAS 24.9 zurückgegriffen werden.2

207

Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung zu § 285 Nr. 21 HGB geben Aufschluss darüber, welcher Zeitpunkt bei der Beantwortung der Frage, inwiefern ein Unternehmen oder eine Person der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft nahe steht, zugrunde gelegt werden muss. Stellt man darauf ab, dass die aus der Nähebeziehung resultierenden marktunüblichen Bedingungen in aller Regel zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts vereinbart werden, liegt es nahe, die Angabepflicht davon abhängig zu machen, ob zu diesem Zeitpunkt eine Nähebeziehung bestand. Es ist somit nicht erforderlich, dass die Nähebeziehung über den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts hinaus auch noch am Abschlussstichtag bestand.3 Sofern der Abschluss des Verfügungsgeschäfts in ein neues Geschäftsjahr fällt, ist eine Wiederholung der Angaben für das Geschäftsjahr des Verfügungsgeschäfts nicht erforderlich.4 4. Art und Umfang der Angabepflicht

208

Sofern die Kapitalgesellschaft mit nahe stehenden Unternehmen oder Personen wesentliche Geschäfte zu marktunüblichen Bedingungen abgeschlossen hat, muss sie im Anhang über die nahe stehenden Unternehmen und Personen, die Art ihrer Beziehung zu der berichtenden Kapitalgesellschaft sowie über Art und Wertumfang des Geschäfts berichten. Weitere Angaben können dann erforderlich sein, wenn diese für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind. Hinsichtlich der genauen Form der Angaben nach § 285 Nr. 21 HGB enthält die Vorschrift keine näheren Angaben. Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, empfiehlt es sich jedoch, die Angaben in Tabellenform darzustellen und für die Art der Beziehung, den Wert der Geschäfte sowie die weiteren für die Beurteilung der Finanzlage notwendigen Angaben jeweils eine eigene Spalte vorzusehen.5

209

Die Angabe der Art der Beziehung der nahe stehenden Unternehmen zu der berichtenden Kapitalgesellschaft verlangt eine Kategorisierung in geeignete Gruppen, aus der sich das Verhältnis zwischen dem nahe stehenden Unternehmen oder der nahe stehenden Person und der berichtenden Kapitalgesellschaft ablesen lässt. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang eine Kategorisierung nach Mutterunternehmen, Tochterunternehmen, Gemeinschaftsunternehmen, assoziierten Unternehmen, Personen in Schlüsselpositionen oder nahen Familienangehörigen genannt.6

210

Aus der in § 285 Nr. 21 Teils. 3 HGB enthaltenen Möglichkeit, bei der Angabe eine Zusammenfassung nach Geschäftsarten vorzunehmen, ergibt sich, dass die berichtende Kapitalgesellschaft zur Erfüllung der Angabepflichten auch eine Aufteilung nach der Art der Geschäfte vornehmen muss.7 Dies setzt eine Zuordnung des angabepflichtigen Geschäfts zu den gängigen Vertragstypen (zB Kauf, Verkauf, Erbringung von Dienstleistungen, Bezug von Dienstleistungen) voraus.8

211

Um der Angabepflicht hinsichtlich des Wertes des Geschäfts nachzukommen, muss die berichtende Kapitalgesellschaft das vereinbarte Gesamtentgelt für das Geschäft bzw. bei Finanzgeschäften den Nominalwert der vereinbarten Leistung angeben.9 Prozentangaben (bspw. die Angabe des prozentualen Anteils vom

1 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 605; Kessler in MünchKomm. BilR, § 285 HGB Rz. 231. 3 Ebenso Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 136; IDW RS HFA 33 Rz. 14; aA Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 612, der darauf abstellen will, ob die Nähebeziehung zu irgendeinem Zeitpunkt während des maßgeblichen Geschäftsjahrs bestand. 4 IDW RS HFA 33 Rz. 16. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 602; IDW RS HFA 33 Rz. 14, 20. 6 Ähnlich auch: IDW RS HFA 33 Rz. 18; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 150. 7 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 149. 8 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 640; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 376. 9 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 379; IDW RS HFA 33 Rz. 20.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 216 § 285

Umsatz) reichen nicht aus, um die Angabepflicht zu erfüllen. Vielmehr ist die Angabe absoluter Beträge erforderlich.1 Sofern dies zur Beurteilung der Finanzlage erforderlich ist, muss die berichtende Kapitalgesellschaft zudem 212 gem. § 285 Nr. 21 Teils. 1 HGB weitere Angaben zu den markunüblichen Geschäften in den Anhang aufnehmen. Ob dies der Fall ist und welche Angaben hierfür konkret erforderlich sind, ist von dem jeweiligen Einzelfall abhängig. Bei der Beurteilung spielen insbes. die Bedeutung des Geschäfts für die Kapitalgesellschaft, seine Marktunüblichkeit sowie der Grad seiner Ungewöhnlichkeit eine Rolle. Beispiele für derartige zusätzliche Angaben sind etwa Laufzeiten oder Optionsvereinbarungen, sofern diese nicht in gleicher Weise mit fremden Dritten vereinbart würden.2 § 285 Nr. 21 HGB zwingt die Kapitalgesellschaft dazu, „zumindest“ die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte offenzulegen. Aufgrund dessen hat die Kapitalgesellschaft das Wahlrecht, die Berichterstattungspflicht freiwillig auf alle Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen – und somit auch auf die marktüblichen Transaktionen – auszuweiten.3 Macht sie von diesem Wahlrecht Gebrauch, ist es aber nicht erforderlich, eine Untergliederung zwischen zu marktüblichen und zu marktunüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäften vorzunehmen.4 Diese vollständige Auflistung der Angaben zu Geschäften mit nahe stehenden Unternehmen oder Personen kann sich im Einzelfall anbieten, um die vorhandene steuerliche Brisanz der Anhangangabe durch eine „Verwässerung“ im Wege der Angabe sämtlicher Geschäfte mit nahe stehenden Personen und Unternehmen abzumildern.5

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5. Befreiung von der Angabepflicht (Teils. 2) Von der Berichtspflicht sind gem. § 285 Nr. 21 Teils. 2 HGB ausdrücklich solche Geschäfte ausgenommen, 214 die zwischen mittel- oder unmittelbar in hundertprozentigem Anteilsbesitz des Mutterunternehmens stehenden und in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen (dh. Tochter-, Enkelgesellschaften) eingegangen werden. Durch diese Ausnahme sollen hoch integrierte Konzerne mit umfangreichen Leistungsverpflichtungen entlastet werden.6 Um zu vermeiden, dass die Angabepflicht dadurch umgangen wird, dass angabepflichtige Geschäfte auf nach § 296 HGB nicht konsolidierungspflichtige, aber in hundertprozentigem Anteilsbesitz stehende Unternehmen verlagert werden, ist die Ausnahme ausdrücklich auf Geschäfte beschränkt, die mit Unternehmen abgeschlossen werden, die in einen Konzernabschluss einbezogen sind.7 6. Zusammenfassung nach Geschäftsarten (Teils. 3) Die Angaben zu den nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäften können im 215 Anhang nach Geschäftsarten zusammengefasst werden, sofern die getrennte Angabe für die Beurteilung der Auswirkungen auf die Finanzlage nicht notwendig ist, vgl. § 285 Nr. 21 Teils. 3 HGB. Dies gilt jedoch nur, falls eine solche Bündelung von Informationen nicht zu einer Einschränkung der Beurteilung der Finanzlage eines Unternehmens führt.8

XXVII. Angaben zu Forschungs- und Entwicklungskosten (Nr. 22) Gem. § 285 Nr. 22 HGB ist im Fall der Inanspruchnahme des Aktivierungswahlrechts des § 248 Abs. 2 216 Satz 1 HGB im Anhang der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahrs sowie der davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallende Betrag anzugeben. Die Angabepflicht wurde vom Gesetzgeber als Konsequenz des durch das BilMoG gem. § 248 Abs. 2 HGB eingeführten Wahlrechts, selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens als Aktivposten zu bilanzieren, eingeführt. Macht die bilanzierende Ka1 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 151; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 375. 2 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 155. 3 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 71; Hauptmann/Sailor/Benz, DK 2010, 112 (113). 4 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 156. 5 So auch Wiechers, BBK 2009, 1220 (1224); Zwirner, BB 2009, 2302 (2304). 6 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72. 7 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 72; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 380; Gelhausen/Fey/ Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 157. 8 Scherrer, Rechnungslegung nach BilMoG, 383; Waschbusch, in Petersen/Zwirner, BilMoG, Teil III Erläuterungen, § 285.

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§ 285 Rz. 217 | Sonstige Pflichtangaben pitalgesellschaft von diesem Wahlrecht durch entsprechende Aktivierung Gebrauch, soll dem ausgewiesenen Gesamtbetrag durch die Angaben des § 285 Nr. 21 HGB im Anhang eine größere Aussagekraft für die Beurteilung durch den Adressaten des Jahresabschlusses verliehen werden.1 Gleichzeitig wird dem Adressaten ein besserer Einblick in die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die einerseits als laufender Aufwand erfasst und andererseits aktiviert worden sind, vermittelt.2 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabepflicht gem. § 288 Abs. 1 HGB befreit. 217

Der sachliche Anwendungsbereich des § 285 Nr. 22 HGB ist nur im Fall der „Aktivierung“ eröffnet. Dies bedeutet, dass die Angabeverpflichtung nur dann entsteht, wenn die Kapitalgesellschaft im Rahmen der Bilanz als Anlagevermögen selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte ausweist, da im laufenden Geschäftsjahr oder in vorangegangenen Geschäftsjahren von dem Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB Gebrauch gemacht worden ist und die fortgeführten Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2a HGB einen Restbuchwert größer als Null aufweisen.

218

Anzugeben ist der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahres. In Anlehnung an die in § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB enthaltene Definition von Herstellungskosten lassen sich Forschungs- und Entwicklungskosten als Kosten definieren, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für Forschung und Entwicklung entstehen.3

219

Vertriebskosten sind in den Gesamtbetrag nicht einzubeziehen, da diese gem. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB nicht zu den Forschungs- und Entwicklungskosten gehören. Für den Fall, dass bestimmte Kosten sich nicht zweifelsfrei dem Bereich des Vertriebs oder der Entwicklung zuordnen lassen, sind diese Kosten im Rahmen der Angabe des Gesamtbetrags nicht zu berücksichtigen.4

220

Neben dem Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahres ist nach dem Wortlaut des § 285 Nr. 22 HGB der davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallende Betrag anzugeben. Aus dem reinen Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht erkennen, ob in den Betrag auch Ausgaben fallen, die wegen der Nichtausübung des Aktivierungswahlrechts des § 248 Abs. 2 HGB oder wegen des Vorliegens eines Aktivierungsverbots des § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht aktiviert wurden. Wenn dies auch dazu führt, dass der ausgewiesene Betrag mit dem Zugangsbetrag im Anlagenspiegel gem. § 268 Abs. 2 Satz 2 HGB übereinstimmt, ist es aufgrund des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts durchaus möglich, lediglich die im Geschäftsjahr nach § 248 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 255 Abs. 2a Satz 2 HGB aktivierten Entwicklungskosten anzugeben.5

XXVIII. Angaben zu den Bewertungseinheiten (Nr. 23) 1. Regelungsgegenstand und Zweck der Angabepflicht 221

Sofern die Kapitalgesellschaft gem. § 254 HGB Bewertungseinheiten bildet, ist sie gem. § 285 Nr. 23 HGB verpflichtet, im Anhang umfangreiche Angaben zu den gebildeten Bewertungseinheiten zu machen. Die Verpflichtung zur Offenlegung bestimmter Angaben zu den gebildeten Bewertungseinheiten steht im Zusammenhang mit § 254 HGB, der vorsieht, dass Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen mit Finanzinstrumenten als Bewertungseinheit zusammengefasst werden dürfen, um gegenläufige Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken auszugleichen. Die Angabepflicht verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses die bilanziellen Folgen der Abkehr vom Grundsatz der Einzelbewertung offenzulegen, indem sie eine hinreichende Transparenz über die Art der gesicherten Grundgeschäfte und der Sicherungsinstrumente, die Art der Risiken und das Ausmaß der Effektivität ermöglicht.6 Sie ist größen- und branchenunabhängig auf sämtliche Kapitalgesellschaften anwendbar, sofern diese Bewertungseinheiten gem. § 254 HGB gebildet haben und die betreffenden Angaben nicht im Lagebericht enthalten sind (§ 289 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a HGB).

1 2 3 4 5 6

Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 73. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 73; Zwirner, BB 2009, 2302 (2304). So auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 686. Gelhausen/Fey/Kämpfer Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 167. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 168. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 170; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 395.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 225 § 285

2. Angaben zum Grundgeschäft (Nr. 23 Buchst. a) Gem. § 285 Nr. 23 Buchst. a HGB ist bei der Bildung von Bewertungseinheiten im Rahmen des Anhangs 222 jeweils für Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte und für mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen anzugeben, mit welchem Betrag diese zur Absicherung welcher Risiken in welche Arten von Bewertungseinheiten einbezogen worden sind. Wenn auch der Wortlaut des § 285 Nr. 23 Buchst. a HGB dies nicht mit letzter Sicherheit erkennen lässt, sind diese Angaben nur für die Grundgeschäfte einer Sicherungsbeziehung und nicht für die Sicherungsinstrumente erforderlich, da eine Information für Grundgeschäfte und Sicherungsgeschäfte zu irreführenden Doppelangaben führen würde.1 Bezüglich der Angabe der Art der Bewertungseinheit ist nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG zwi- 223 schen micro-hedging, portfolio-hedging und macro-hedging zu unterscheiden.2 Da die Abgrenzung zwischen den einzelnen Arten der Bewertungseinheiten jedoch nicht immer eindeutig möglich ist, empfiehlt es sich, in Zweifelsfällen die Angabe der Art der Bewertungseinheit um verbale Erläuterungen zu ergänzen.3 Darüber hinaus ist anzugeben, zur Absicherung welcher Risiken jeweils Vermögensgegenstände, Schul- 224 den, schwebende Geschäfte und mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen in Bewertungseinheiten einbezogen sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum BilMoG kann es sich hierbei insbes. um Preisänderungsrisiken aufgrund von Marktpreisschwankungen, Zinsrisiken aufgrund von Marktzinsschwankungen, Währungsrisiken aufgrund von Fremdwährungsschwankungen, Ausfallrisiken aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten des Vertragspartners oder Liquiditätsrisiken aufgrund der fehlenden Fähigkeit zur Begleichung von Verpflichtungen handeln.4 In diesem Zusammenhang sollte auch angegeben werden, ob es sich dabei um ein Wertänderungsrisiko (Fair Value-Risiko) oder um ein Zahlungsstromrisiko (Cash Flow-Risiko) handelt.5 Darüber hinaus muss für jede Risikoart die Art der in die Bewertungseinheit einbezogenen bilanzierten 225 Vermögensgegenstände, der Schulden und nicht bilanzierten schwebenden Geschäfte sowie der mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen aufgezeigt werden. Zudem ist der Betrag für jedes einbezogene Grundgeschäft anzugeben. Hierbei darf der Betrag der gesicherten Grundgeschäfte nicht insgesamt angegeben werden, sondern es ist zwingend nach den in § 254 Satz 1 HGB genannten vier Arten von Grundgeschäften zu unterscheiden (Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte und mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen). Hiervon abweichende Aufgliederungen, zB nach der Art der gebildeten Bewertungseinheit, oder eine Aufgliederung pro gebildeter Bewertungseinheit sind nicht zulässig, sofern nicht gleichzeitig – wie vom Gesetz gefordert – nach den Arten von Grundgeschäften differenziert wird.6 Dem Gesetz lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, was der angabepflichtige Betrag eines Grundgeschäfts ist. Es erscheint sachgerecht, im Fall eines Vermögensgegenstands oder einer Schuld den Buchwert am Abschlussstichtag anzugeben.7 Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall nicht der Buchwert, sondern der (höhere) beizulegende Zeitwert abgesichert wird.8 Bei schwebenden Geschäften oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen sollte der vertraglich vereinbarte bzw. hochwahrscheinlich erwartete betragsmäßige Umfang des Geschäfts, soweit er in die Bewertungseinheit einbezogen ist, dargelegt werden. Bei schwebenden oder hochwahrscheinlich erwarteten Geschäften, die in Fremdwährung zu erfüllen sind, ist die Angabe eines Eurobetrags erforderlich. Hierbei sollte angegeben werden, mit welchem Kurs die Umrechnung vorgenommen wurde.9 1 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 173 f.; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 398. 2 Zu dieser Unterscheidung vgl. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 58; Zwirner/Froschhammer, BC 2010, 153. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 400; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 181. 4 Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 73; Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/12407), 88. 5 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 402; aA Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 179, die diese Angabe nur dann empfehlen, wenn beide Risikoarten möglich sind. 6 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 403; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 177. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 707; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 403; Gelhausen/Fey/ Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 175. 8 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 403; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 175. 9 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 175.

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§ 285 Rz. 226 | Sonstige Pflichtangaben 226

Darüber hinaus ist gem. § 285 Nr. 23 Buchst. a HGB die Höhe der mit den Bewertungseinheiten abgesicherten Risiken angabepflichtig. Diese ergibt sich aus der unterlassenen Abwertung der Vermögensgegenstände sowie aus der unterlassenen Höherbewertung der Schulden bzw. der unterlassenen Bildung einer Drohverlustrückstellung. Bei schwebenden Geschäften ergibt sie sich ebenfalls aus der unterlassenen Bildung einer Drohverlustrückstellung. Bei mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen kommt es auf das geplante errechnete Verlustrisiko aus den erwarteten nachteiligen Wert- oder Zahlungsstromänderungen des zukünftigen Grundgeschäfts an. Nach der Begründung des Rechtsausschusses zum BilMoG setzt die Angabe der Höhe der abgesicherten Risiken die Angabe des Gesamtvolumens der Risiken voraus, die am Bilanzstichtag mittels der Bildung von Bewertungseinheiten abgesichert werden.1 Der Umfang des abgesicherten Risikos ist in diesem Zusammenhang jedoch für jede Risikoart gesondert darzulegen.2 3. Effektivität der Sicherungsbeziehung (Nr. 23 Buchst. b)

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Darüber hinaus muss gem. § 285 Nr. 23 Buchst. b HGB im Rahmen des Anhangs zu der Effektivität der jeweiligen Bewertungseinheit Stellung genommen werden. Dabei muss für die jeweils abgesicherten Risiken zunächst erläutert werden, aus welchen Gründen sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsströme am Abschlussstichtag ausgeglichen haben und künftig voraussichtlich ausgleichen werden. In diesem Zusammenhang ist eine Begründung dafür notwendig, warum davon ausgegangen wird, dass Grund- und Sicherungsgeschäft dem gleichen Risiko ausgesetzt sind. Insbes. für den Bereich des sog. macro-hedging ist es erforderlich, ausführlich auf die Verknüpfungen mit dem Risikomanagement einzugehen und zu erläutern, wie Risiken verifiziert und gemessen werden und aus welchen Gründen davon auszugehen ist, dass die abgesicherten Risiken nicht eintreten.3 Darüber hinaus muss für die jeweils abgesicherten Risiken aufgezeigt werden, in welchem Umfang sich die gegenläufigen Wert- und Zahlungsstromänderungen am Abschlussstichtag ausgeglichen haben und künftig voraussichtlich ausgleichen werden. Demnach ist eine Angabe darüber zu machen, ob bei einem Grundgeschäft sämtliche Risiken abgedeckt sind oder ob ggf. ein ungesicherter Teil des Grundgeschäfts verbleibt.4

228

Zudem ist eine Angabe darüber erforderlich, für welchen Zeitraum sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen künftig voraussichtlich ausgleichen werden. Es ist daher die Zeitspanne, binnen derer mit einem Ende der Bewertungseinheit gerechnet wird, anzuführen.5

229

Schließlich sind für die jeweils abgesicherten Risiken die Methoden zu nennen, mit Hilfe derer ermittelt wird, warum und in welchem Umfang sich die gegenläufigen Wert- oder Zahlungsströme am Abschlussstichtag ausgleichen und künftig voraussichtlich ausgleichen werden. Weder § 254 HGB selbst noch die Gesetzesbegründung geben Methoden vor, mit Hilfe derer die Effektivität von Sicherungsbeziehungen gemessen werden soll. Insofern bleibt es der berichtenden Kapitalgesellschaft vorbehalten, eine Entscheidung über die anzuwendende Methode zu treffen. In vielen Fällen besteht keine Notwendigkeit, allein für Zwecke der Anhangangabe die Effektivität mittels quantitativer Methoden festzustellen. Für micro-hedges können beispielsweise qualitative Methoden, wie die Critical Terms Match-Methode, in deren Rahmen alle bewertungsrelevanten Parameter von Grundgeschäft und Sicherungsgeschäft miteinander verglichen werden, ausreichend sein.6 Wird die Effektivitätsmessung anhand der Critical Terms Match-Methode durchgeführt, erscheint die Angabe dieser Bezeichnung ausreichend. Sofern qualitative Methoden zur Ermittlung der Effektivität angewandt werden, sind weitere Erläuterungen vorzunehmen, die die tragenden Annahmen bei Anwendung dieser Methoden erkennen lassen.7 4. Erläuterung der mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen (Nr. 23 Buchst. c)

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Gem. § 285 Nr. 23 Buchst. c HGB sind die mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen, die in die Bewertungseinheiten einbezogen wurden, näher zu erläutern. Das Gesetz enthält keine genaueren Angaben darüber, welche Erläuterungen hinsichtlich dieser sog. antizipativen Bewertungseinheiten im Einzelnen geschuldet werden. Nach der Begründung des Rechtsausschusses zum BilMoG ist in diesem Zusam1 Begr. Beschlussempf. u. Ber. des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/12407), 115. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 709; aA Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 182. 3 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 73; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 406. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 712. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 713. 6 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 188. 7 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 192.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 235 § 285

menhang für Dritte nachvollziehbar mit plausiblen Argumenten zu erläutern, warum am Abschlussstichtag von einer hohen Wahrscheinlichkeit des Abschlusses der Transaktionen auszugehen ist.1 Werden derivative Finanzinstrumente, deren beizulegender Zeitwert unter den Anschaffungskosten liegt, als Sicherungsinstrumente in eine antizipative Bewertungseinheit einbezogen, ist dieser Umstand gesondert anzugeben und zu erläutern, weshalb aus der in diesem Zusammenhang mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktion ein kompensierender Ertrag zu erwarten ist.2 Neben den Erläuterungen dazu, warum mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit gerechnet wird, sind 231 im Anhang gem. § 285 Nr. 23 Buchst. c HGB weitere Ausführungen zu der Art der einbezogenen Transaktion erforderlich. In diesem Zusammenhang sollten bspw. Angaben zu dem künftigen variablen Zins, zu künftigen Währungsschwankungen, zu Devisenoptionen und zu künftigen Warenkäufen und -verkäufen gemacht werden.3 Die Angaben nach § 285 Nr. 23 Buchst. c HGB müssen nicht zwingend für jede antizipative Bewertungseinheit separat erfolgen. Sofern es sich um gleichartige erwartete Transaktionen handelt, können die Erläuterungen auch zusammengefasst werden.4 5. Form der Angaben Die Angaben gem. § 285 Nr. 23 HGB sollen sich nach der Gesetzesbegründung an einer Stichtagsbetrach- 232 tung orientieren. Dies führt dazu, dass nur über am Abschlussstichtag bestehende Bewertungseinheiten zu berichten ist. Die Darstellung der Angaben nach § 285 Nr. 23 HGB sollte – wie in IFRS-Abschlüssen üblich – im Rahmen eines „hedge-Spiegels“ erfolgen, der die zentralen betragsmäßigen Anhangangaben, differenziert nach Art der gesicherten Risiken und Art der Bewertungseinheiten, sowie das Gesamtvolumen enthält.5 Die darüber hinaus geforderten Angaben können in verbaler Form erbracht werden. 6. Befreiung von der Angabepflicht durch Lagebericht Gem. § 289 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a HGB ist im Lagebericht unter anderem auf die Risikomanagementziele 233 und -methoden der Gesellschaft einschließlich ihrer Methoden zur Absicherung aller wichtigen Arten von Transaktionen einzugehen, die im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfasst werden, jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft. In diesem Zusammenhang sind sowohl die bei Abschluss von Sicherungsgeschäften verwendete Systematik, deren Art und Kategorie sowie alle wichtigen geplanten Transaktionen offenzulegen. Insofern ist mit Doppelangaben zwischen den Angaben im Anhang und denen im Lagebericht zu rechnen, die nach der Gesetzesbegründung zum BilMoG indessen in Kauf zu nehmen sind.6 Um jedoch eine Zusammenfassung der Informationen zu ermöglichen, sieht § 285 Nr. 23 aE HGB vor, dass eine befreiende Berichterstattung im Rahmen des Lageberichts erfolgen kann, sofern sämtliche Angabepflichten des § 285 Nr. 23 HGB in die Berichterstattung einbezogen werden. Durch diese Öffnungsklausel wird es großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften ermöglicht, auf die Angaben gem. § 285 Nr. 23 HGB zu verzichten, da diese bereits im Lagebericht auf Risikomanagementziele und -methoden für Finanzinstrumente eingehen müssen.

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XXIX. Angaben zu den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (Nr. 24) Gem. § 285 Nr. 24 HGB sind zu den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen das an- 235 gewandte versicherungsmathematische Berechnungsverfahren und die grundlegenden Annahmen der Berechnung, wie Zinssatz, erwartete Lohn- und Gehaltssteigerungen und zugrunde gelegte Sterbetafeln, anzugeben. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die Jahresabschlüsse mit Blick auf die Bewertung der Rückstelllungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen zu vereinheitlichen und hierdurch eine bessere Vergleichbarkeit zu erreichen.7 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabepflicht gem. § 288 Abs. 1 HGB befreit.

1 2 3 4 5 6 7

Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/12407), 88. Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/12407), 88. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 409. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 196. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 171. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 73. Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 73, dort – wohl versehentlich – unter Bezugnahme auf § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 417.

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§ 285 Rz. 236 | Sonstige Pflichtangaben 236

Gem. § 285 Nr. 24 HGB ist zunächst das zu den Rückstellungen für Pensionen und ähnlichen Verpflichtungen angewandte versicherungsmathematische Berechnungsverfahren aufzuzeigen. Dieses wird im Rahmen der Bilanzierung von Pensionsrückstellungen dazu benötigt, um den Erfüllungsbetrag für Pensionsverpflichtungen zu ermitteln, der gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB für den Ansatz der Pensionsrückstellungen erforderlich ist. Das Gesetz enthält in § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB jedoch keine nähere Angabe darüber, welche versicherungsmathematische Methode bei der Bewertung der Pensionsverpflichtung anzuwenden ist. In Betracht kommen in diesem Zusammenhang das Anwartschaftsdeckungsverfahren (Teilwertmethode) oder das Anwartschaftsbarwertverfahren (Project Unit Credit Method), zwischen denen ein Wahlrecht besteht.

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Darüber hinaus müssen auch die grundlegenden Annahmen der Berechnung transparent gemacht werden. Die Angabe der grundlegenden Annahmen der Berechnung erfordert, dass die der Bewertung zugrunde gelegten Pensionierungswahrscheinlichkeiten und biometrischen Rechnungsgrundlagen sowie weitere finanzielle Variablen (zB künftige Gehaltssteigerungen und Rententrends), die in die Bewertung eingeflossen sind, offengelegt werden.

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Zudem sind Angaben zum Zinssatz erforderlich. Für die Abzinsung der Pensionsrückstellungen besteht gem. § 253 Abs. 2 HGB ein Wahlrecht. Infolgedessen können Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre abgezinst werden (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB). Abweichend hiervon ist es jedoch auch möglich, Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen pauschal mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz abzuzinsen (§ 253 Abs. 2 Satz 2 HGB). Entscheidet sich die berichtende Kapitalgesellschaft dafür, jede Pensionsrückstellung gem. § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB unter Verwendung der individuellen Restlaufzeit der jeweiligen Verpflichtung abzuzinsen, finden mehrere unterschiedliche Zinssätze Anwendung. In diesem Fall ist es ausreichend, wenn die Bandbreite der verwandten Zinssätze im Rahmen des Anhangs angegeben wird.1 Werden die Pensionsrückstellungen gem. § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB unter Verwendung des pauschalen durchschnittlichen Marktzinssatzes bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ermittelt, ist die konkrete Höhe des zugrunde gelegten Zinssatzes anzugeben.2

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Gem. § 285 Nr. 24 HGB sind zudem erwartete Lohn- und Gehaltssteigerungen anzugeben, die bei der Ermittlung der Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen unterstellt wurden. Darüber hinaus sind die bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen zugrunde gelegten Sterbetafeln zu benennen. In diesem Zusammenhang ist es ausreichend, wenn der in der Praxis gebräuchliche Name der betreffenden Sterbetafel, zB die Richttafeln 2005 von Klaus Heubeck, genannt werden.3

XXX. Angaben zu vorgenommenen Saldierungen bei bestimmten Altersversorgungsverpflichtungen (Nr. 25) 240

Gem. § 285 Nr. 25 HGB ist die berichtende Kapitalgesellschaft verpflichtet, im Fall der Verrechnung von Vermögensgegenständen und Schulden nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB bestimmte Angaben zu machen. Diese Angabeverpflichtung verfolgt den Zweck, diejenigen Angaben, die aufgrund der Verrechnung nicht mehr aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ersichtlich werden, im Anhang transparent zu machen.4 Zudem wird es dem Adressaten des Jahresabschlusses durch diese Anhangangabe ermöglicht, die im Pensionsvermögen aufgedeckten stillen Reserven zu erkennen.5 Die Angabepflicht ist von sämtlichen Kapitalgesellschaften zu beachten. Erleichterungen oder Befreiungen bestehen insoweit nicht.

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Die Angabepflicht des § 285 Nr. 24 HGB ist im Zusammenhang mit der im Rahmen des BilMoG neu geschaffenen Vorschrift des § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zu betrachten. Nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB sind – als Ausnahme von dem grundsätzlichen Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB – Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, mit diesen Schulden zu verrechnen. Werden zum Abschlussstichtag entsprechende Verrechnungen in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung vorgenommen, besteht die Verpflichtung zur Offenlegung 1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 425; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 211. 2 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 425. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 748 ; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 214. 4 Begr. RegE BilMoG (16/10067), 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 429. 5 Zwirner, BB 2009, 2304 (2305).

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 248 § 285

bestimmter Angaben im Rahmen des Anhangs zum Jahresabschluss gem. § 285 Nr. 25 HGB. Für das Entstehen dieser Angabeverpflichtung ist es dabei unerheblich, ob die Zulässigkeit der Verrechnung sicher ist oder nicht.1 Nach § 285 Nr. 25 Halbs. 1 HGB sind zunächst die Anschaffungskosten der nach § 246 Abs. 2 Satz 2 242 Halbs. 1 HGB verrechneten Vermögensgegenstände anzuführen. Gem. § 253 Abs. 1 Satz 4 iVm. § 255 Abs. 4 HGB sind Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Erfüllung von Altersversorgungsverpflichtungen dienen, mit dem beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Da eine parallele Bewertung des Deckungsvermögens zu fortgeführten Anschaffungskosten nicht vorgeschrieben ist, kommt eine Berücksichtigung hypothetisch vorzunehmender planmäßiger Abschreibungen auch für die Angabe der Anschaffungskosten im Anhang nicht in Betracht. Aus diesem Grund ist der Gesamtbetrag der historischen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) darzulegen.2 Darüber hinaus ist gem. § 285 Nr. 25 Halbs. 1 HGB der beizulegende Zeitwert der nach § 246 Abs. 2 243 Satz 2 Halbs. 1 HGB verrechneten Vermögensgegenstände anzugeben. Dadurch soll dem Abschlussadressaten verdeutlicht werden, welche Aktiv- und Passivposten im Einzelnen miteinander verrechnet wurden.3 Ist der beizulegende Zeitwert in Anwendung des § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden ermittelt worden, müssen entsprechend dem in der Angabepflicht enthaltenen Verweis auf § 285 Nr. 20 Buchst. a HGB die grundlegenden Annahmen angegeben werden, die den angewandten Bewertungsmethoden zugrunde gelegt wurden. § 285 Nr. 25 Halbs. 2 HGB verpflichtet die berichtende Kapitalgesellschaft zudem dazu, den Erfüllungs- 244 betrag der verrechneten Schulden anzugeben. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift dies nicht eindeutig erkennen lässt, kommt es in diesem Zusammenhang auf den abgezinsten Erfüllungsbetrag an.4 Da nach § 246 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB auch die den verrechneten Vermögensgegenständen zugehöri- 245 gen Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs in der Gewinn- und Verlustrechnung anzugeben sind, müssen die im Berichtsjahr verrechneten Aufwendungen und Erträge ebenfalls offengelegt werden (§ 285 Nr. 25 Halbs. 2 HGB). Es erscheint in diesem Zusammenhang sachgerecht, die Angaben entsprechend der Gliederung des § 275 HGB für jeden Posten gesondert vorzunehmen.5

XXXI. Angaben zu Anteilen oder Anlageaktien an Investmentvermögen (Nr. 26) Gem. § 285 Nr. 26 HGB sind Kapitalgesellschaften, die Anteile an Sondervermögen iSd. § 1 Abs. 10 KAGB 246 oder Anlageaktien an Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital oder vergleichbaren ausländischen Investmentvermögen von mehr als 10 % halten, verpflichtet, im Anhang bestimmte Angaben zu machen. Zweck der Angabeverpflichtung ist es, den Adressaten des Jahresabschlusses über Fondsanteile der berichtenden Kapitalgesellschaft zu informieren und dadurch die Informationen für die Abschlussadressaten zu verbessern.6 Die gem. § 285 Nr. 26 HGB zu erbringenden Angaben basieren auf den Vorgaben des KAGB, durch welches das Investmentgesetz im Zuge des AIFM-Umsetzungsgesetzes abgelöst wurde. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabepflicht gem. § 288 Abs. 1 HGB befreit. Im Vergleich zu § 285 Nr. 18 HGB, der ebenfalls die Offenlegung bestimmter Informationen zu Finanzanlagen im Rahmen des Anhangs verlangt, ist § 285 Nr. 26 HGB die speziellere Vorschrift. Soweit der Anwendungsbereich des § 285 Nr. 26 HGB eröffnet ist, findet § 285 Nr. 18 HGB daher keine Anwendung.7

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Die Angabepflicht gem. § 285 Nr. 26 HGB entsteht nur, soweit ein Unternehmen (i) Anteile an inländi- 248 schem Sondervermögen iSd. § 1 Abs. 10 KAGB, (ii) Anlageaktien an inländischem Investmentaktiengesellschaften iSd. §§ 108–123 KAGB oder (iii) Anteile an vergleichbaren EU-Investmentvermögen iSd. § 1 Abs. 8 KAGB oder Anteile an vergleichbaren ausländischen Investmentvermögen besitzt und der Anteilsbzw. Anlageaktienbesitz jeweils 10 % der in Umlauf befindlichen Anteile bzw. Anlageaktien übersteigt. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 752. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 221. Begr. RegE BilMoG (BT. Drucks. 16/10067), 73. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 433; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 224. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 755; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 226. 6 Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 760. 7 Begr. ReGE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 437. 1 2 3 4

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§ 285 Rz. 249 | Sonstige Pflichtangaben 249

Anteile an Sondervermögen iSd. § 10 Abs. 10 KAGB sind inländische offene Investmentvermögen in Vertragsform, die von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft für Rechnung der Anleger verwaltet werden.1 Zu den Anlageaktien an inländischem Investmentvermögen iSd. §§ 108–123 KAGB zählen ausschließlich Anlageaktien an inländischen Investmenaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital.2 Die Angabepflicht von ausländischen Investmentanteilen setzt voraus, dass diese mit den inländischen Investmentvermögen, die der Angabepflicht unterliegen, „vergleichbar“ sind. Zur Beurteilung der Frage der Vergleichbarkeit kann auf die in § 196 Abs. 1 KAGB genannten Kriterien abgestellt werden.3

250

Hat die berichtende Kapitalgesellschaft die von ihr gehaltenen angabepflichtigen Anteile und Anlageaktien identifiziert, ist sie zunächst verpflichtet, die von ihr gehaltenen Anteile oder Anlageaktien an inländischen Investmentvermögen, die den Schwellenwert von 10 % übersteigen, nach Anlagezielen zu untergliedern. In diesem Zusammenhang kommt etwa eine Unterteilung in Aktienfonds, Rentenfonds, Immobilienfonds, Mischfonds, Hedgefonds und sonstige Spezial-Sondervermögen in Betracht. Durch diese Aufgliederung soll dem Adressaten des Jahresabschlusses eine überschlägige Einschätzung des Anlagerisikos ermöglicht werden.4

251

Darüber hinaus ist der Wert der von der berichtenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Anteile bzw. Anlageaktien anzugeben. Der Wert der gehaltenen Anteile bzw. Anlageaktien ist auf Basis der Summe der Verkehrswerte der zum Investmentvermögen gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich der aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten zu ermitteln.5 Zur Bestimmung des Verkehrswerts des Vermögensgegenstands ist das jeweilige gesetzliche oder marktübliche Verfahren zugrunde zu legen (§ 168 Abs. 1 Satz 3 KAGB). Im Fall ausländischer Investmentanteile kann auch der nach ausländischen Vorschriften ermittelte Marktwert angegeben werden, soweit dieser dem Wert nach § 168 Abs. 1 Satz 3 KAGB bzw. § 36 InvG aF entspricht.6 Sehen die Vertragsbedingungen der Investmentvermögen im Einklang mit ausländischem Investmentrecht eine andere Bewertung als die Marktbewertung nach § 168 Abs. 1 Satz 3 KAGB bzw. § 36 InvG aF vor, ist der Marktwert für die Ermittlung der stillen Reserven entsprechend dem deutschen Investmentrecht zu ermitteln.7 Darüber hinaus muss auch die Differenz zwischen dem Buchwert und dem ermittelten Wert angegeben werden, um auf diese Weise die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven und stillen Lasten im Rahmen des Anhangs transparent zu machen.8

252

Gem. § 285 Nr. 26 HGB sind zudem die für das Geschäftsjahr erfolgten Ausschüttungen darzulegen. Damit sind die Ausschüttungen gemeint, die im Laufe des Geschäftsjahrs vereinnahmt wurden.9 Insofern kommt es maßgeblich darauf an, dass der Gesellschaft die Ausschüttungen im Laufe des Geschäftsjahrs zugeflossen sind, wie dies zB bei Zwischenausschüttungen der Fall ist.10 Eine erst nach dem Abschlussstichtag fließende Ausschüttung kann nicht berücksichtigt werden, und zwar konsequenterweise auch dann nicht, wenn sie wirtschaftlich dem Berichtsjahr zuzuordnen wäre.

253

Darüber hinaus sind Beschränkungen in der üblicherweise bestehenden Möglichkeit der täglichen Rückgabe der Anteile oder Anlageaktien zu erläutern. Diese Angabepflicht besteht grds. unabhängig davon, ob die Beschränkungen auf wirtschaftliche oder rechtliche Gründe zurückzuführen sind. Sie verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses Hinweise auf ungewöhnliche Verhältnisse wie Investitionen in illiquide strukturierte Anlagevehikel, Hedgefonds mit langen Kündigungsfristen, Infrastrukturprojekte, unverbriefte Darlehensforderungen oder Private Equity Engagements zu geben.11

254

Gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB besteht bei Finanzanlagen die Möglichkeit, auch bei voraussichtlich nicht dauerhafter Wertminderung außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen. Sofern die berichtende Kapitalgesellschaft von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, indem sie Abschreibungen auf Anteile oder Anlageaktien an Investmentvermögen oder an vergleichbaren ausländischen Investmentanteilen nicht vornimmt, ist sie gem. § 285 Nr. 26 HGB dazu verpflichtet, diese Vorgehensweise im Rahmen des Anhangs zu begründen. Diese Pflicht, die Nichtvornahme der Abschreibungen zu begründen, ist darauf zurückzuführen, dass der berichtenden Kapitalgesellschaft aufgrund der Regelung des § 253 Abs. 3 Satz 6 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 765. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 766. Vgl. hierzu im Einzelnen Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 766. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 776. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 777. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 444. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 444. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 780. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 259 § 285

HGB nur dann ein Bilanzierungsfehler unterlaufen kann, wenn sie fälschlicherweise von einer temporären Wertminderung ausgeht und daher eine Abschreibung, die eigentlich gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB geboten wäre, unterlässt.

XXXII. Angaben zu den Gründen der Einschätzung des Risikos der Inanspruchnahme bei im Anhang ausgewiesenen Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnissen (Nr. 27) Gem. § 285 Nr. 27 HGB haben alle Unternehmen im Anhang ihre Erwägungen darzustellen, die der Einschätzung des Risikos aus den im Anhang auszuweisenden Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnissen zugrunde liegen. Anzugeben sind somit – unter Würdigung der bekannten Risiken der Inanspruchnahme – die Gründe, aus denen Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse als solche im Anhang und nicht in der Bilanz selbst auf der Passivseite ausgewiesen werden. Dadurch soll die Transparenz des Jahresabschlusses erhöht werden.1 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabepflicht gem. § 288 Abs. 1 HGB befreit.

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Die Angabepflicht des § 285 Nr. 27 HGB ist in unmittelbarem Zusammenhang mit § 268 Abs. 7 HGB zu lesen, nach dem im Anhang Angaben zu Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnissen, die nicht auf der Passivseite auszuweisen sind, zu machen sind. Zu den Haftungsverhältnissen zählen gem. § 251 HGB Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln, Verbindlichkeiten aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften, Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverträgen sowie Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten.

256

Die Ausweispflicht im Anhang sowie die Berichtspflicht gem. § 285 Nr. 27 HGB für Verbindlichkeiten 257 und Haftungsverhältnisse greifen nur dann, wenn unter Beachtung des Vorsichtsprinzips und des Vollständigkeitsgebots ein Ausweis auf der Passivseite nicht erforderlich ist. Falls eine Passivierung unterbleibt, liegt dem die Einschätzung der berichtenden Kapitalgesellschaft zugrunde, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, aus dem betreffenden Haftungsverhältnis in Anspruch genommen zu werden. Voraussetzung für die Angabe von Haftungsverhältnissen ist demnach einerseits das Bestehen einer auf vertraglicher Grundlage beruhenden, rechtlich möglichen Inanspruchnahme des Unternehmens, mit deren Eintritt am Abschlussstichtag andererseits aber nicht konkret zu rechnen ist.2 Um dem Adressaten des Jahresabschlusses transparent zu machen, aufgrund welcher Erwägungen die bilanzierende Kapitalgesellschaft zu dieser Einschätzung gelangt ist, ist im Rahmen der gesetzlichen Erläuterungsverpflichtung des § 285 Nr. 27 HGB darzulegen, welche Gründe zu der getroffenen Risikoeinschätzung geführt haben. Hierfür sind die Verhältnisse am Abschlussstichtag maßgeblich.3 Eine Quantifizierung der Eintrittswahrscheinlichkeit ist vom Gesetz nicht gefordert.4 Allerdings kann es in einzelnen Fällen durchaus sinnvoll sein, den Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit – sofern dieser sich gut abschätzen lässt – zu bezeichnen.5 Die vom Gesetz geforderte Angabe der Gründe für die Einschätzung des Risikos setzt voraus, dass eine 258 Auseinandersetzung mit den bekannten Risiken erfolgt. Es reicht nicht aus, sich pauschal darauf zu berufen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die berichtende Kapitalgesellschaft aus dem Haftungsverhältnis in Anspruch genommen werden kann.6 Vielmehr müssen die von der berichtenden Kapitalgesellschaft in diesem Zusammenhang gesehenen Risiken konkret benannt und bewertet werden. Bei der Risikobewertung dürfte in diesem Zusammenhang oftmals die Bonität desjenigen, für dessen Verbindlichkeit die berichtende Kapitalgesellschaft im Wege des Haftungsverhältnisses einstehen muss, eine Rolle spielen.7

XXXIII. Angaben zu ausschüttungsgesperrten Beträgen (Nr. 28) § 285 Nr. 28 HGB erfordert im Anhang die Angabe des Gesamtbetrags der Beträge iSd. § 268 Abs. 8 HGB, 259 aufgegliedert in Beträge aus der Aktivierung selbst geschaffener Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, Beträge aus der Aktivierung latenter Steuern und Beträge aus der Aktivierung von Vermögensgegenständen zum beizulegenden Zeitwert. Die Angabepflicht verfolgt den Zweck, den Abschlussadressa1 Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 74; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 449. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 791; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 241. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 791. 4 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 243. 5 Ähnlich Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 791. 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 791; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 243. 7 Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 243.

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§ 285 Rz. 260 | Sonstige Pflichtangaben ten darüber zu informieren, in welchem Umfang die Bilanz Beträge enthält, die nicht ausgeschüttet werden dürfen, soweit nicht in zumindest derselben Höhe jederzeit auflösbare Gewinnrücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags im Unternehmen vorhanden sind. Indem sie es dem Adressaten des Jahresabschlusses damit erleichtert, nachzuvollziehen, ob die Ausschüttungssperre beachtet worden ist, dient sie dem Schutz der Gläubiger der Kapitalgesellschaft.1 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Angabepflicht gem. § 288 Abs. 1 HGB befreit. 260

Die Angabepflicht des § 285 Nr. 28 HGB ist im Zusammenhang mit der Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB zu betrachten. Diese besagt, dass, wenn selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und aktive latente Steuern als Bilanzposten aktiviert sowie Vermögensgegenstände iSd. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zum beizulegenden Zeitwert angesetzt werden, Gewinne nicht ausgeschüttet werden dürfen, soweit die jederzeit auflösbaren Gewinnrücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags betragsmäßig kleiner sind als die Beträge aus der Aktivierung und aus dem Ansatz zum Zeitwert abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern. Die Ausschüttungssperre verfolgt den Zweck, den mit der Aktivierung der in § 268 Abs. 8 HGB genannten Vermögensgegenstände einhergehenden Unsicherheiten Rechnung zu tragen.2 Daher ist zu prüfen, ob aufgrund bestehender oder sich in späteren Geschäftsjahren ausgleichender Differenzen zwischen den handelsrechtlichen und den steuerlichen Wertansätzen latente Steuerverpflichtungen bestehen.

261

Gem. § 285 Nr. 28 HGB ist im Rahmen des Anhangs zunächst der Gesamtbetrag der Beträge iSd. § 268 Abs. 8 HGB anzugeben. Sind keine ausschüttungsgesperrten Beträge vorhanden, ist eine Fehlanzeige nicht erforderlich.3 Der im Rahmen des § 285 Nr. 28 HGB angabepflichtige Gesamtbetrag ergibt sich aus einer Addition der Beträge für die in § 268 Abs. 8 HGB genannten Vermögensgegenstände bzw. Sonderposten. Um die Ausschüttungssperre nicht zu überdehnen, sieht das Gesetz in § 268 Abs. 8 HGB vor, dass die Beträge iSd. § 268 Abs. 8 HGB jeweils um die auf sie bezogenen passiven latenten Steuern zu kürzen sind.4 Insofern fließen in die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags durchzuführende Addition nur die in der Bilanz ausgewiesenen Beträge nach Abzug der hierfür gebildeten latenten Steuern ein.

262

Neben der Verpflichtung zur Angabe des Gesamtbetrags der ausschüttungsgesperrten Beträge ist es zur Erfüllung der Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 28 HGB erforderlich, diesen Gesamtbetrag in Beträge aus der Aktivierung selbst geschaffener Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, Beträge aus der Aktivierung latenter Steuern und aus der Aktivierung von Vermögensgegenständen zum beizulegenden Zeitwert aufzugliedern. Anzugeben sind somit zunächst die in der Bilanz ausgewiesenen Beträge aller selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die um die aus der Ansatzdifferenz auf jeden einzelnen Vermögensgegenstand entfallenden passiven latenten Steuern zu kürzen sind. Sofern von dem Aktivierungswahlrecht in § 274 Abs. 1 HGB Gebrauch gemacht wird, sind im Rahmen des § 285 Nr. 28 HGB zudem die aus der Aktivierung latenter Steuern nach § 274 HGB Abs. 1 Satz 2 HGB resultierenden Beträge gesondert anzugeben. Im Zusammenhang mit der Aktivierung latenter Steuern unterliegt nur der Betrag der Ausschüttungssperre, um den die aktiven latenten Steuern die passiven latenten Steuern übersteigen (Aktivüberhang). Dem Gliederungspunkt der Beträge aus der Bewertung von Vermögensgegenständen iSd. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB unterfallen die Beträge, die sich aus der Bewertung von nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zu verrechnenden Vemögensgegenständen zum beizulegenden Zeitwert unter Abzug ihrer ursprünglichen Anschaffungskosten ergeben. Die Beträge aus der Zeitwertbewertung sind um die passiven latenten Steuern zu kürzen, die aus der jeweiligen Ansatzdifferenz zum Abschlussstichtag für jeden einzelnen Vermögensgegenstand nach dem Grundsatz der Einzelbewertung resultieren.

263

Nach dem Wortlaut des § 285 Nr. 28 HGB ist es zur Erfüllung der Angabeverpflichtung ausreichend, wenn der Gesamtbetrag der Beträge iSd. § 268 Abs. 8 HGB unter Aufgliederung in die vom Gesetz genannten Teilbeträge angegeben wird. Da allerdings die frei verfügbaren Rücklagen, die einen Abzugsposten bei der Berechnung des ausschüttungsgesperrten Betrags darstellen, aus der Gliederung des Eigenkapitals gem. § 272 HGB nicht hervorgehen und der Adressat des Jahresabschlusses daher allein anhand der Anhangangabe nicht nachvollziehen kann, ob die Ausschüttungssperre beachtet wurde, empfiehlt es sich, im Rahmen der Anhangangabe auch Erläuterungen zu den frei verfügbaren Eigenkapitalbestandteilen zu machen.5 1 2 3 4 5

Begr. RegE zum BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 75; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 800. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 64. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 802. Begr. RegE BilMoG (BT-Drucks. 16/10067), 64. Gelhausen/Althoff, WPg. 2009, 584 (591); zustimmend Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 806; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 463; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 255.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 267 § 285

XXXIV. Angaben zur Entstehung und Bewertung latenter Steuern (Nr. 29) Gem. § 285 Nr. 29 HGB ist im Anhang anzugeben, auf welchen Differenzen und/oder steuerlichen Ver- 264 lustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist. Die Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 29 HGB verfolgt den Zweck, dem Adressaten des Jahresabschlusses einen unverzerrten Einblick in den Umfang der vorhandenen latenten Steuern zu gewähren, der durch die in § 274 Abs. 1 HGB gegebene Möglichkeit der Saldierung und/oder Aktivierung latenter Steuern bilanziell verwehrt bleiben kann.1 Kleine (§ 267 Abs. 1 HGB) und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 bzw. § 288 Abs. 2 Satz 2 HGB von der Angabepflicht befreit. Die Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 29 HGB muss im Zusammenhang mit den Regelungen zu latenten Steuern in § 274 HGB betrachtet werden. Gem. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB ist für eine sich insgesamt ergebende Steuerbelastung aus Differenzen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten einerseits und ihren steuerlichen Wertansätzen andererseits eine passive latente Steuer zu bilden. Sofern sich dadurch, dass nach Verrechnung mit passiven Latenzpositionen ein Überhang der aktiven Steuerlatenz besteht, insgesamt eine Steuerentlastung ergibt, hat die Kapitalgesellschaft gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB ein Wahlrecht, ob sie aktive latente Steuern in der Bilanz ansetzen möchte oder nicht. Gem. § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB hat die berichtende Kapitalgesellschaft in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, die latenten Steuern statt einer Verrechnung aktiver und passiver latenter Steuern mit saldiertem Überhangausweis unverrechnet mittels einer Bruttodarstellung anzusetzen. Um diese Gesamtdifferenzbetrachtung, von der § 274 Abs. 1 HGB bei der Ermittlung der latenten Steuern 265 ausgeht, näher zu erläutern, fordert das Gesetz im Rahmen des § 285 Nr. 29 HGB nähere Angaben darüber, auf welchen Differenzen zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Wertansätzen die latenten Steuern beruhen. Da permanente Differenzen, die im Fall steuerfreier Erträge und nicht abziehbarer Betriebsausgaben gegeben sind, nach der in § 274 HGB enthaltenen Konzeption nicht zu latenten Steuern führen, greift die Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 29 HGB grundsätzlich nur bei zeitlichen sowie quasipermanenten Differenzen ein. Bei quasi-permanenten Differenzen handelt es sich um Unterschiedsbeträge, die zwar zeitlich begrenzt sind, deren Umkehrung jedoch unternehmerischer Disposition unterliegt und die sich ggf. erst bei Liquidation umkehren (zB steuerfreie Gewinne oder nicht abziehbare Betriebsausgaben).2 Die Angabeverpflichtung nach § 285 Nr. 29 HGB besteht unabhängig davon, ob in der Bilanz latente Steu- 266 ern (aktive oder passive) ausgewiesen werden oder nicht und ob von dem Saldierungswahlrecht nach § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB Gebrauch gemacht wurde oder nicht.3 Gerade in den Fällen, in denen die berichtende Kapitalgesellschaft aufgrund der von ihr durchzuführenden Gesamtdifferenzbetrachtung von einem Ausweis latenter Steuern absieht, ist es für den Adressaten des Jahresabschlusses von Interesse, aufgrund welcher Differenzen oder welcher steuerlichen Verlustvorträge per Saldo von einem Ausweis abgesehen wird.4 Die vom Gesetz geforderte Angabe der Differenzen, auf denen die latenten Steuern beruhen, setzt voraus, 267 dass die berichtende Kapitalgesellschaft im Rahmen des Anhangs die Vermögensgegenstände, Rechnungsabgrenzungsposten oder Schuldposten, die zu latenten Steuern führen, aufführt. Wenn der Gesetzeswortlaut dies auch nicht ausdrücklich klarstellt, erscheint es in diesem Zusammenhang sachgerecht, gleiche Vermögensgegenstände und Schulden unter Berücksichtigung der Bilanzposten nach § 266 Abs. 2 und 3 HGB zusammenzufassen.5 Darüber hinaus ist auch die Art der Differenzen näher zu bezeichnen. Der Wortlaut der Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 29 HGB lässt weitestgehend offen, welcher Umfang und Detaillierungsgrad zur Erfüllung der Angabeverpflichtung erforderlich und ausreichend ist. Er lässt jedoch erkennen, dass im Rahmen des Anhangs keine quantitativen Angaben zur Höhe der Differenzen oder zu dem Zeitraum, innerhalb dessen die Differenzen abgebaut werden, gemacht werden müssen, da dies ansonsten durch nähere Bezeichnung zum Ausdruck gebracht worden wäre. Es reicht vielmehr aus, wenn qualitative Angaben zu den Differenzen gemacht werden.6 Insofern sind zumindest Angaben zu sämtlichen passiven sowie den in den Saldierungsbereich einbezogenen aktiven Latenzen zu machen. Über den Saldierungsbereich hinausgehende Latenzen, die zu aktiven latenten Steuern führen würden, aber in Aus1 2 3 4 5 6

Küting/Seel in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue Bilanzrecht2, 520. Vgl. Wendholt/Wesemann, DB 2009, Beil. 5, 64 (66). Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 831. IDW RS HFA 27 Rz. 36; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 262. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 833. So auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 833.

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§ 285 Rz. 268 | Sonstige Pflichtangaben übung des Wahlrechts des § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht aktiviert werden, müssen nicht erläutert werden.1 268

Sofern bei der Berechnung der latenten Steuern seitens der berichtenden Kapitalgesellschaft gem. § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB steuerliche Verlustvorträge (insbes. § 10d EStG) berücksichtigt wurden, ist gem. § 285 Nr. 29 HGB im Rahmen des Anhangs zudem näher zu spezifizieren, in welchem Umfang diese in die Berechnung der latenten Steuern mit einbezogen wurden. Auch in diesem Zusammenhang ist es aber nicht erforderlich, wertmäßige quantitative Angaben zu dem Umfang der berücksichtigten steuerlichen Verlustvorträge zu machen.2 Allerdings sind Angaben notwendig, aus denen die Prämissen, unter denen die Verlustvorträge bei der Berechnung der latenten Steuern einbezogen wurden, hervorgehen. Dies setzt insbes. voraus, dass die berichtende Kapitalgesellschaft Angaben dazu macht, warum von einer Verlustverrechnung innerhalb der nächsten fünf Jahre ausgegangen wird.3 Darüber hinaus sollte in diesem Zusammenhang offengelegt werden, wie hoch der verrechnungsfähige Anteil am gesamten bestehenden Verlustvortrag ist.4

269

§ 285 Nr. 29 HGB verlangt zudem Angaben darüber, mit welchen Steuersätzen die Bewertung der Differenzen und steuerlichen Verlustvorträge erfolgt ist. § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB sieht in diesem Zusammenhang vor, dass die Beträge der sich ergebenden Steuerbe- und -entlastung mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen zu bewerten und nicht abzuzinsen sind. In Anwendung dieser gesetzgeberischen Regel ist es erforderlich, in einem ersten Schritt zunächst Zeitpunkt und Höhe des Differenzabbaus zu bestimmen, um sodann in einem zweiten Schritt den entsprechenden unternehmensindividuellen Steuersatz darauf anzuwenden.

270

Der Wortlaut der Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 29 HGB setzt nicht zwingend voraus, dass in diesem Zusammenhang eine Überleitungsrechnung erstellt wird, im Rahmen derer der ausgewiesene Steueraufwand/-ertrag auf den erwarteten Steueraufwand/-ertrag übergeleitetet wird. Allerdings könnte eine derartige Überleitungsrechnung – wie auch der Gesetzgeber im Rahmen der Begründung zum Regierungsentwurf festhält – dazu beitragen, dass dem Adressaten des Jahresabschlusses die im Rahmen der Bilanz ausgewiesenen latenten Steuern besser verständlich werden.5

XXXV. Angaben zu latenten Steuerschulden (Nr. 30) 271

In Ergänzung zu der Angabepflicht gem. § 285 Nr. 29 HGB wurde durch das BilRUG mit dem neuen § 285 Nr. 30 HGB die Verpflichtung eingeführt, für den Fall, dass latente Steuerschulden in der Bilanz angesetzt werden, die latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden anzugeben. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit. Dies gilt auch dann, wenn sie die Befreiung vom Ansatz latenter Steuern (§ 274a Nr. 5 HGB) nicht in Anspruch nehmen und freiwillig latente Steuerschulden bilden.6

272

Für das Entstehen der Angabepflicht gem. § 285 Nr. 30 HGB kommt es nur darauf an, ob passive latente Steuern angesetzt werden. Sofern ausschließlich abzugsfähige temporäre Differenzen – und damit ausschließlich aktive latente Steuern – bestehen, besteht die Angabepflicht nicht.7 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 285 Nr. 30 HGB, der von „Steuerschulden“ spricht.

273

Übt die berichtende Kapitalgesellschaft das Saldierungswahlrecht aktiver und passiver latenter Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 3 HGB) aus, ist im Fall eines Passivüberhangs latenter Steuern eine latente Steuerschuld anzusetzen. Dies hat zur Folge, dass auch gem. § 285 Nr. 30 HGB zu berichten ist.8 Eine Berichtspflicht gem. § 285 Nr. 30 HGB besteht aber auch dann, wenn sich nach der Saldierung ein Aktivüberhang ergibt und daher keine latenten Steuerschulden offen ausgewiesen werden.9 Auch wenn sich nach der Saldierung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

IDW RS HFA 27 Rz. 36; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 262. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 834. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 834. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 834; Wendholt/Wesemann, DB Beilage 5/2009, 64 (68). So auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 836; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 474: Kirsch, DStZ 2009, 510 (515). Ein Beispiel für eine derartige Überleitungsrechnung findet sich in Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach BilMoG, Anhang O Rz. 261. Vgl. Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 66 f. Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005). Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005). Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005); Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 54; aA Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 846, der im Fall eines Aktivüberhangs mangels eines „Ansatzes“ passiver latenter Steuern die Angabepflicht nicht für einschlägig erachtet.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 277 § 285

ein Aktivüberhang ergibt, wurden vor der Saldierung zunächst latente Steuerschulden angesetzt. Hielte man die Angaben gem. § 285 Nr. 30 HGB im Fall eines Aktivüberhangs nach Saldierung für entbehrlich, wäre das Entstehen der Angabepflicht – sachlich ungerechtfertigt – davon abhängig, ob das Ausweiswahlrecht des § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB ausgeübt wird.1 Es erscheint daher zweckmäßig, das Entstehen der Angabeverpflichtung gem. § 285 Nr. 30 HGB davon abhängig zu machen, dass es – ungeachtet der Ausübung des Saldierungswahlrechts – passive latente Steuern gibt, die vor einer etwaigen Verrechnung angesetzt wurden.2 Zur Erfüllung der Angabepflicht des § 285 Nr. 30 HGB sind ausweislich der Gesetzesbegründung – anders 274 als bei § 285 Nr. 29 HGB (vgl. hierzu oben Rz. 267) – quantitative Angaben zu den latenten Steuerschulden erforderlich.3 Um diese Vorgabe zu erfüllen, sollten der Anfangs- und Endbestand der beiden unsaldierten Beträge der aktiven und passiven latenten Steuern sowie die Veränderung dieser Beträge während des Geschäftsjahrs angegeben werden.4 Eine Beschränkung auf den passiven Saldo liefe sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider.5 Ebenso wenig ist es mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar, die Angaben auf die Fälle zu beschränken, in denen von dem Saldierungswahlrecht Gebrauch gemacht wurde.6

XXXVI. Angaben zu Erträgen und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder Bedeutung (Nr. 31) Durch das BilRUG wurde in § 285 Nr. 31 HGB die Verpflichtung aufgenommen, jeweils den Betrag und 275 die Art der einzelnen Erträge und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung anzugeben, soweit die Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Hintergrund der neu geschaffenen Angabeverpflichtung ist die Streichung der außerordentlichen Erträge und der außerordentlichen Aufwendungen gem. § 277 Abs. 4 HGB aF. Die Einführung der neuen Anhangangabe führt damit zu einer Verschiebung der Informationen zu außergewöhnlichen Sachverhalten von der Gewinn- und Verlustrechnung in den Anhang. Zudem wurde die Angabeverpflichtung durch die neue Anknüpfung an „außergewöhnliche“ Erträge aber auch materiell geändert. Die Angabepflicht ist von sämtlichen Kapitalgesellschaften zu beachten. Erleichterungen oder Befreiungen bestehen insoweit nicht. Aus der gesetzgeberischen Formulierung, die auf die Angabe „einzelner“ Erträge und Aufwendungen ab- 276 stellt, ergibt sich, dass die Angabeverpflichtung auf einzelne Sachverhalte oder Geschäftsvorfälle und nicht auf Posten der Gewinn- und Verlustrechnung Bezug nimmt.7 Die Posten der Gewinn- und Verlustrechnung, in denen sich die nach § 285 Nr. 31 HGB angabepflichtigen Geschäftsvorfälle befinden, müssen daher auch nicht angegeben werden, wenngleich eine solche Angabe für den Adressaten des Jahresabschlusses zur genaueren Abschätzung eines nachhaltigen Ergebnisses durchaus nützlich sein dürfte.8 Das Entstehen der Angabeverpflichtung ist davon abhängig, dass es sich um Erträge und Aufwendungen 277 von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung handelt. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die außergewöhnliche Größenordnung im Hinblick auf die das Unternehmen ansonsten prägende Größenordnung zu bestimmen.9 Ob ein Geschäftsvorfall außerordentlicher Größenordnung vorliegt ist quantitativ zu bestimmen, wobei es auf „quantitative Ausreißer“10 ankommt, die in sämtlichen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung gesucht werden können. Beispiele für Erträge oder Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung könnten etwa außergewöhnlich hohe Veränderungen der Umsatzerlöse aufgrund eines neuen oder eines entfallenden Liefervertrags oder außergewöhnlich hohe Beteiligungserträge oder Ergebnisse aus Gewinnabführungsverträgen sein.11 Durch die Anlegung 1 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005); Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 54. 2 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005). 3 Vgl. Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 66. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 850; Fink/Theile, DB 2015, 753 (758). 5 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005). 6 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1005); Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 850; Theile, Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), § 285 HGB Rz. 28. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 865: Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 59; Theile, Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), § 285 HGB Rz. 36. 8 Theile, Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), § 285 HGB Rz. 36; Lüdenbach/Freiberg, BB 2014, 2222. 9 Vgl. Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67. 10 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 873. 11 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1007).

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§ 285 Rz. 278 | Sonstige Pflichtangaben eines rein quantitativen Maßstabs zur Bestimmung der außerordentlichen Größenordnung kann sich nunmehr auch eine Pflicht zur Angabe von Erträgen und Aufwendungen ergeben, die zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehören und die daher nach § 277 Abs. 4 HGB aF nicht angabepflichtig waren.1 278

Die Bestimmung, ob ein Geschäftsvorfall von außergewöhnlicher Bedeutung vorliegt, hat – wie auch bei § 277 Abs. 4 HGB aF – in Abgrenzung zu der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zu erfolgen.2 Geschäftsvorfalle von außergewöhnlicher Bedeutung sind demnach alle Geschäftsvorfälle, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit stattfinden.3 Zum Zweck der Bestimmung, ob es sich um ein außergewöhnliches Geschäft handelt kann dabei – wie auch bisher bei § 277 Abs. 4 Satz 1 HGB – weiterhin darauf abgestellt werden, dass es sich um Geschäfte handelt, die aus dem üblichen Ablauf des Geschäftsjahres herausfallen, ihrer Art nach ungewöhnlich, im Vorkommen selten sind, und deren Betrag einige materielle Bedeutung zukommt.4 Geschäftsvorfälle von außergewöhnlicher Bedeutung können damit sowohl quantitative als auch qualitative Ausreißer sein.5 Ob ein Geschäftsvorfall von außergewöhnlicher Bedeutung vorliegt, ist letztlich immer eine Frage des konkreten Einzelfalls.6

279

Die Angabepflicht gem. § 285 Nr. 31 HGB ist weiter davon abhängig, dass die Erträge und Aufwendungen nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Beträge für den Abschlussadressaten mit Blick auf die Gesamtaussage des Abschlusses Entscheidungsrelevanz besitzen.7 Dies ist – unter Berücksichtigung geeigneter Bezugsgrößen wie Umsatz, Bilanzsumme oder Cashflow – anhand der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des gesamten Unternehmens bzw. der gesamten Gewinn- und Verlustrechnung zu beurteilen.8

XXXVII. Angaben zu Erträgen und Aufwendungen, die einem anderen Geschäftsjahr zuzurechnen sind (Nr. 32) 280

Nach der durch das BilRUG neu eingeführten Angabeverpflichtung des § 285 Nr. 32 HGB sind Erträge und Aufwendungen, die einem anderen Geschäftsjahr zuzuordnen sind (sog. periodenfremde Erträge und Aufwendungen), hinsichtlich ihres Betrags und ihrer Art im Anhang zu erläutern, soweit die Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Diese Vorschrift wurde im Zuge des BilRUG inhaltsgleich aus § 277 Abs. 4 Satz 3 HGB aF übernommen. Die Angabepflicht verfolgt den Zweck, ein zutreffendes Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln und die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse im Zeitverlauf zu gewährleisten.9 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB) sind gem. § 288 Abs. 2 HGB von der Angabepflicht befreit.

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Periodenfremde Erträge und Aufwendungen haben ihre Ursache häufig in Fehlentscheidungen, die in vergangenen Perioden gefällt wurden.10 Periodenfremde Beträge sind regelmäßig unter dem Ertrags- oder Aufwandsposten auszuweisen, dem sie auch zuzuordnen wären, wenn sie ihre Ursache in der laufenden Periode hätten.11 Insofern können periodenfremde Erträge und Aufwendungen den Adressaten des Jahresabschlusses zu fehlerhaften Schlussfolgerungen über die Ertragslage des Unternehmens verleiten.12 Vor diesem Hintergrund sieht § 285 Nr. 32 HGB vor, dass in den Anhang eine Erläuterung, dh. eine Erklärung, Kommentierung und Verdeutlichung,13 der einzelnen periodenfremden Erträge und Aufwendungen hinsichtlich ihres Betrags und ihrer Art aufgenommen werden muss. Zur Erfüllung der Angabepflicht ist eine Erläuterung der Einzelbeträge der periodenfremden Erträge und Aufwendungen nicht erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, wenn periodenfremde Erträge und Aufwendungen gleicher Art unter Angabe des jeweiligen Gesamtbetrags erläutert werden.14 1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 875; Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 63. 2 Vgl. Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 880; Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 62. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 875. 4 ADS6, § 277 HGB Rz. 79. 5 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 884. 6 Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 277 Rz. 39; Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 881. 7 Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 62. 8 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 903. 9 Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67. 10 Kessler/Freisleben in MünchKomm. BilR, § 277 HGB Rz. 104. 11 Kessler/Freisleben in MünchKomm. BilR, § 277 HGB Rz. 104. 12 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 917. 13 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 917. 14 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 917.

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B. Angabepflichten des § 285 HGB

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Rz. 285 § 285

Eine Pflicht zur Erläuterung periodenfremder Aufwendungen und Erträge besteht nur dann, wenn diese 282 nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Ob dies der Fall ist, ist auf gleiche Weise wie bei dem wortgleichen Kriterium in § 285 Nr. 31 HGB zu bestimmen, so dass die Beurteilung anhand der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des gesamten Unternehmens bzw. der gesamten Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen hat (vgl. hierzu auch Rz. 279). Angesichts des Wegfalls des gesonderten Ausweises von außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung durch das BilRUG besteht nach dessen Inkrafttreten insbes. auch kein Grund mehr, bei dem Begriff der untergeordneten Bedeutung bei periodenfremden Erträgen und Aufwendungen einen strengeren Maßstab anzulegen als bei außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen.1

XXXVIII. Angaben zu wesentlichen Ereignissen nach dem Bilanzstichtag (Nr. 33) Gem. § 285 Nr. 33 HGB sind seit dem BilRUG im Anhang Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach 283 dem Schluss des Geschäftsjahrs eingetreten sind und weder in der Gewinn- und Verlustrechnung noch in der Bilanz berücksichtigt wurden, unter Angabe ihrer Art und finanziellen Auswirkungen anzugeben. Hierdurch wurde der Standort des sogenannten Nachtragsberichts2 vom Lagebericht (§ 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB aF) in den Anhang verlegt. Mit der Angabepflicht zu wesentlichen Ereignissen nach dem Bilanzstichtag wird der Zweck verfolgt, über Vorgänge im neuen Geschäftsjahr, deren Kenntnis für die Beurteilung des Jahresabschlusses und der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft von Bedeutung sind, zu unterrichten.3 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit. Vorgänge von besonderer Bedeutung sind bedeutsame Entwicklungen und Tendenzen im neuen Ge- 284 schäftsjahr. Dies sind insbes. solche, die von der im Jahresabschluss vorgezeichneten Linie abweichen.4 Durch den im Zuge des BilRUG in den Gesetzeswortlaut aufgenommenen Hinweis, dass die berichtspflichtigen Vorgänge weder in der Gewinn- und Verlustrechnung noch in der Bilanz berücksichtigt sein dürfen, wird in § 285 Nr. 33 HGB nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass sich die Angabepflicht ausschließlich auf wertbegründende Sachverhalte, dh. Sachverhalte, die sich erst nach dem Abschlussstichtag ereignet haben und deren Einbezug in den Jahresabschluss daher unzulässig ist, erstreckt.5 Wertaufhellende Sachverhalte, die auf die Lage und Entwicklung des Unternehmens zum Abschlussstichtag zurückwirken und die daher bei der Aufstellung des Abschlusses zu berücksichtigen sind, unterliegen nicht der Berichtspflicht des § 285 Nr. 33 HGB. In inhaltlicher Erweiterung des früher im Lagebericht verorteten Nachtragsberichts, der nur ein „Ein- 285 gehen“ auf die betreffenden Vorgänge forderte, sieht § 285 Nr. 33 HGB nunmehr zudem ausdrücklich vor, dass über Art und finanzielle Auswirkungen der angabepflichtigen wertbegründenden Sachverhalte zu berichten ist. Dies setzt nach der Gesetzesbegründung eine „Erläuterung“ der betreffenden Sachverhalte voraus.6 Um diese neue gesetzliche Anforderung zu erfüllen, sind – wie auch schon bisher nach DRS 20.114 gefordert – nähere Ausführungen zu den Auswirkungen der angabepflichtigen Sachverhalte auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens erforderlich.7 Nicht sachgerecht erscheint es, die Verpflichtung zur Angabe der finanziellen Auswirkungen in der Weise einschränkend zu interpretieren, dass einzig die Auswirkungen auf die Finanzlage des Unternehmens darzustellen sind.8 Das Erfordernis, die finanziellen Auswirkungen der berichtspflichtigen Sachverhalte anzugeben, setzt allerdings nicht voraus, dass quantitative Angaben zu den Auswirkungen der angabepflichtigen Sachverhalte auf die Liquidität der berichtenden Kapitalgesellschaft gemacht werden. Ausreichend sind vielmehr rein verbale Erläuterungen, die allerdings so detailliert sein sollten, dass die Auswirkungen der berichtspflichtigen Sachverhalte auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ausreichend erkennbar werden.9 1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 927. Vgl. zu der vor dem BilRUG überwiegend angenommenen unterschiedliche Interpretation Reiner/Haußer in MünchKomm. HGB3, § 277 Rz. 46. 2 Kritisch zu dieser Formulierung ADS6, § 285 HGB Rz. 36. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 932. 4 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 935. 5 Vgl. hierzu auch Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67. 6 Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67. 7 Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 941; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1008). 8 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1008); Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 71. 9 Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1008); Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 71; im Ergebnis auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 943, der allerdings eine Erweiterung der verbalen Erläuterungen um quantitative Angaben für zweckmäßig erachtet.

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§ 285 Rz. 286 | Sonstige Pflichtangaben

XXXIX. Angaben zum Ergebnisverwendungsvorschlag (Nr. 34) 286

Nach der durch das BilRUG neu eingeführten Vorschrift des § 285 Nr. 34 HGB ist im Anhang der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses oder der Beschluss über seine Verwendung offenzulegen. Mit der Regelung wird der Zweck verfolgt, dem Adressaten des Jahresabschlusses Informationen über die künftige Ergebnisverwendung zugänglich zu machen.1 Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind gem. § 288 Abs. 1 HGB von der Angabepflicht befreit.

287

Nach der bis Inkrafttreten des BilRUG geltenden Rechtslage mussten der Ergebnisverwendungsvorschlag und der entsprechende Beschluss unabhängig vom Jahresabschluss als separate Unterlagen im BAnz. offengelegt werden (vgl. § 325 Abs. 1 Satz 3 HGB aF). Durch die neue Angabepflicht des § 285 Nr. 34 HGB wird der Ergebnisverwendungsvorschlag oder -beschluss nunmehr zum Bestandteil des Jahresabschlusses. Gleichzeitig wurde durch das BilRUG § 325 HGB in der Weise geändert, dass künftig der Beschluss über die Ergebnisverwendung nur noch dann offenzulegen ist, wenn er nicht im Abschluss enthalten ist (§ 325 Abs. 1b Satz 2 HGB). In der Praxis dürfte der Beschluss über die Ergebnisverwendung zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses regelmäßig allerdings noch nicht vorliegen. Die Angabe im Anhang dürfte sich in der Praxis daher regelmäßig auf die Wiedergabe des Ergebnisverwendungsvorschlags beschränken, so dass der spätere Beschluss über die Ergebnisverwendung auch künftig unverzüglich nach seinem Vorliegen gesondert im BAnz. offenzulegen sein wird.2 Liegt der Beschluss über die Ergebnisverwendung zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses ausnahmsweise bereits vor, ist es ausreichend, wenn lediglich der Beschluss im Anhang offengelegt wird.3

288

Ausweislich der Gesetzesbegründung ist zur Erfüllung der Angabepflicht des § 285 Nr. 34 HGB darzustellen, wie das gesamte Ergebnis verwendet werden soll.4 Hierzu ist im Fall eines positiven Ergebnisses darzustellen, wieviel bzw. welcher Teil davon ausgeschüttet, in die Rücklagen eingestellt oder auf neue Rechnung vorgetragen werden soll.5 Dabei ist es nach der Gesetzesbegründung ausreichend, wenn im Fall einer Gewinnausschüttung angegeben wird, welcher Teil ausgeschüttet wird. Weitergehende Angaben, zB zu den Empfängern der Ausschüttung, sind aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig und auch nicht erforderlich.6 Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass eine wortlautgetreue Wiedergabe des Gewinnverwendungsvorschlags nicht notwendig ist. Es reicht vielmehr aus, wenn im Rahmen des Anhangs eine inhaltsgleiche Wiedergabe erfolgt.7

289

Der Anwendungsbereich der Offenlegungsverpflichtung gem. § 285 Nr. 34 HGB ist von vornherein allerdings nur dann eröffnet, wenn nach dem Gesetz zwingend ein Ergebnisverwendungsvorschlag oder -beschluss gemacht werden muss. Besteht eine solche gesetzliche Verpflichtung nicht, entfällt insoweit die Offenlegungsverpflichtung und es ist insbes. auch nicht erforderlich, eine Negativanzeige in den Anhang aufzunehmen.8 Angaben gem. § 285 Nr. 34 HGB sind zudem bereits per definitionem dann entbehrlich, wenn das maßgebliche Ergebnis im Geschäftsjahr negativ ist, weil in diesem Fall gerade kein Ergebnis vorhanden ist, über dessen Verwendung beschlossen werden könnte.

290

Personenhandelsgesellschaften, die der gesetzlichen Gewinnverteilung folgen und die daher nach dem Gesetz weder einen Ergebnisverwendungsvorschlag unterbreiten noch einen Ergebnisverwendungsbeschluss fassen müssen, unterliegen damit nicht der Offenlegungspflicht gem. § 285 Nr. 34 HGB.9 Bei der AG muss der Vorstand den Aktionären gem. § 170 Abs. 2 AktG einen Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns unterbreiten, der damit der Offenlegungsverpflichtung unterfällt. Gleiches gilt für den Beschluss über die Gewinnverwendung, der gem. § 174 AktG von der Hauptversammlung der AG zu fassen ist. Dem GmbHG ist ein Vorschlag der Geschäftsleitung zur Ergebnisverwendung fremd. Vielmehr entscheiden die Gesellschafter autonom über die Gewinnverteilung (§ 42a Abs. 2 GmbHG). Vor diesem Hintergrund ist bei einer GmbH grundsätzlich nur der Ergebnisverwendungsbeschluss gem. § 42a Abs. 2 GmbHG und kein Ergebnisverwendungsvorschlag offenzulegen. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um eine GmbH mit einem Aufsichtsrat handelt. Sowohl bei Bestehen eines fakultativen als auch bei Bestehen eines obligatorischen Aufsichtsrats besteht eine gesetzliche Verweisung von § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 170 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1009). Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 963; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1009). Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67. Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1010). Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 67 f. Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1009). Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 81. Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 971; Völkner/Weiser in Russ/Janssen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, Abschn. H Rz. 78.

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Unterlassen von Angaben

| § 286

Abs. 2 AktG, der die gesetzliche Verpflichtung zur Unterbreitung eines Vorschlags zur Verwendung des Bilanzgewinns normiert. Angesichts dieser gesetzlichen Verpflichtung ist der entsprechende Vorschlag sodann auch gem. § 285 Nr. 34 HGB offenzulegen. Dies gilt nur dann nicht, wenn – wie bei einem fakultativen Aufsichtsrat möglich – der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt und darin geregelt wird, dass kein Gewinnverwendungsvorschlag unterbreitet werden muss. In diesem Fall entfällt auch die Offenlegungspflicht.1 Nach der vor Inkrafttreten des BilRUG geltenden Rechtslage mussten Gesellschaften mit beschränkter 291 Haftung gem. § 325 Abs. 1 Satz 4 HGB aF dann keine Angaben über die Ergebnisverwendung machen, wenn sich anhand dieser Angaben die Gewinnanteile von natürlichen Personen feststellen lassen, die Gesellschafter sind. Hierdurch sollte der Persönlichkeitsschutz von GmbH-Gesellschaftern gesichert werden. Obwohl dieses Wahlrecht im Zuge der durch das BilRUG erfolgten Verlagerung der Offenlegungsverpflichtung in den Anhang gestrichen wurde, lässt sich hieraus nicht die gesetzgeberische Intention entnehmen, dass die Angaben nunmehr in jedem Fall verpflichtend sein sollen. Vielmehr stellt die Gesetzesbegründung ausdrücklich klar, dass – wie nach bisherigem Recht – auch künftig die Bezüge einzelner natürlicher Personen aus ihrer Gesellschafterstellung nicht offengelegt werden müssen.2 Demnach kann eine Berichterstattung gem. § 285 Nr. 34 HGB trotz der Streichung der Ausnahmevorschrift des § 325 Abs. 1 Satz 4 HGB aF auch zukünftig dann unterbleiben, wenn sich aus der Berichterstattung über die Ergebnisverwendung die Gewinnanteile natürlicher Personen ableiten lassen. Durch das BilRUG wurde § 325 Abs. 1 Satz 3 HGB aF, nach dem der Vorschlag und der Beschluss über 292 die Ergebnisverwendung nur dann offengelegt werden mussten, wenn sich die Informationen aus dem eingereichten Jahresabschluss nicht ergeben, ersatzlos gestrichen. In Anwendung dieser Vorschrift war es etwa nicht erforderlich, den Beschluss über eine Vorabausschüttung einer GmbH offenzulegen, wenn die betreffende Vorabausschüttung aufgrund der Aufstellung des Jahresabschlusses unter teilweiser Gewinnverwendung aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ersichtlich ist. Angesichts des unveränderten Zwecks der Vorschrift, den Adressaten des Jahresabschluss über die künftige – nicht bereits aus dem Abschluss ersichtliche – Verwendung des Ergebnisses zu informieren, erscheint es jedoch trotz dieser Streichung sachgerecht, im Fall einer Vorabausschüttung lediglich den Vorschlag über die Verwendung des von der Vorabausschüttung unberührten übrigen Ergebnisses offenzulegen.3

C. Sanktionen Zu den Sanktionen bei Verletzung der Angabepflichten des § 285 HGB vgl. § 284 HGB Rz. 100 ff.

293

§ 286 Unterlassen von Angaben (1) Die Berichterstattung hat insoweit zu unterbleiben, als es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. (2) Die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach § 285 Nr. 4 kann unterbleiben, soweit die Aufgliederung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Kapitalgesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen; die Anwendung der Ausnahmeregelung ist im Anhang anzugeben. (3) 1Die Angaben nach § 285 Nr. 11 und 11b können unterbleiben, soweit sie 1. für die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft nach § 264 Abs. 2 von untergeordneter Bedeutung sind oder, 2. nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Kapitalgesellschaft oder dem anderen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen. 2Die Angabe des Eigenkapitals und des Jahresergebnisses kann unterbleiben, wenn das Unternehmen, über das zu berichten ist, seinen Jahresabschluss nicht offenzulegen hat und die berichtende Kapitalgesellschaft keinen beherrschenden Einfluss auf das betreffende Unternehmen ausüben kann. 3Satz 1 Nr. 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Kapitalgesellschaft oder eines ihrer Tochterunternehmen (§ 290 Abs. 1 und 2) am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d ist. 4Im Übrigen ist die Anwendung der Ausnahmeregelung nach Satz 1 Nr. 2 im Anhang anzugeben. 1 So auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 972. 2 So auch Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1009); aA Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 972. 3 So auch Grottel in Beck BilKomm.10, § 285 HGB Rz. 977; Rimmelspacher/Reitmeier, WPg. 2015, 1003 (1010).

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§ 286 Rz. 1 | Unterlassen von Angaben (4) Bei Gesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, können die in § 285 Nr. 9 Buchstabe a und b verlangten Angaben über die Gesamtbezüge der dort bezeichneten Personen unterbleiben, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines Mitglieds dieser Organe feststellen lassen. (5) 1Die in § 285 Nr. 9 Buchstabe a Satz 5 bis 8 verlangten Angaben unterbleiben, wenn die Hauptversammlung dies beschlossen hat. 2Ein Beschluss, der höchstens für fünf Jahre gefasst werden kann, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. 3§ 136 Abs. 1 des Aktiengesetzes gilt für einen Aktionär, dessen Bezüge als Vorstandsmitglied von der Beschlussfassung betroffen sind, entsprechend.

_ _ _

A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . 1 B. Schutzklausel zum Unterlassen von Angaben aus Gründen des Allgemeinwohls (Abs. 1) . 10 C. Befreiung von der der Aufgliederung der Umsatzerlöse (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 16

_ _ _

D. Befreiung von den Angaben zu Beteiligungsgesellschaften (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 21 E. Befreiung von den Angaben nach § 285 Nr. 9 Buchst. a und b HGB (Abs. 4) . . . . . . 31 F. Befreiung von den Angaben des § 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8 HGB (Abs. 5) . . . . . . . 35

Literatur: Selchert, Die Aufgliederung der Umsatzerlöse gemäß § 285 Nr. 4 HGB, BB 1986, 560; Feige/Ruffert, Zur Bedeutung der Ausnahmeregelung des § 286 Abs. 4 HGB – Möglichkeiten und Grenzen für eine Beschränkung von der Angabepflicht zu den Gesamtbezügen von Organmitgliedern nach § 285 Nr. 9 a und b HGB, DB 1995, 637; Klatte, Möglichkeiten des Verzichts auf Angabe von Organbezügen und Ergebnisverwendung, BB 1995, 35; Kempter, Zum Recht des Vorstands, keine Angaben über die Gesamtbezüge von Organen der Gesellschaft zu machen, BB 1996, 419; Zimmermann, Zur Anwendung der Schutzklausel im Rahmen der Segmentberichterstattung im Einzelund Konzernabschluss, DStR 1998, 1974; Löw/Roggenbuck, Neue Publizitätsanforderungen zum Anteilsbesitz für den Jahresabschluss 1999, DB 1999, 2481; Fleischer, Das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz, DB 2005, 1611; Leuering/Simon, Offene Fragen zur Offenlegung der Vorstandsvergütung, NZG 2005, 945; Spindler, Das Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen – VorstOG, NZG 2005, 689; Thüsing, Das Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen, ZIP 2005, 1389; van Kann, Das neue Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen, DStR 2005, 1496; Hohenstatt/Wagner, Zur Transparenz der Vorstandsvergütung – 10 Fragen aus der Unternehmenspraxis, ZIP 2008, 945; Wollmert/Oser/Graupe, Anhangangaben zu den Abschlussprüferhonoraren und zu marktunüblichen Geschäften nach BilMoG, StuB 2010, 123; Kling, Anhangangaben zur Honorierung des Abschlussprüfers nach dem BilMoG, WPg 2011, 2019; Zülch/Hoffmann Zur Angabe der Vorstandsbezüge des Alleinvorstands einer börsennotierten AG, StuB 2013, 134; Fink/Theile, Anhang und Lagebericht nach dem RegE zum Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, DB 2015, 753.

A. Grundaussagen der Vorschrift 1

§ 286 HGB hat bestimmte Ausnahmen von der grundsätzlich sehr umfangreichen Berichterstattungspflicht im Anhang zum Gegenstand. Mit ihm wird der Zweck verfolgt, der berichtenden Kapitalgesellschaft eine Möglichkeit an die Hand zu geben, auf bestimmte Offenlegungen verzichten zu können, sofern diese in Abwägung mit ihrem Zweck unverhältnismäßig erscheinen.

2

Bei der Anwendung der Vorschrift muss zwischen der Schutzklausel des Abs. 1 und den Befreiungen nach Abs. 2–4 unterschieden werden. Die Schutzklausel des § 286 Abs. 1 HGB begründet eine zwingende Verpflichtung, die betreffenden Angaben im Rahmen des Anhangs nicht offenzulegen. Bei den Befreiungen nach § 286 Abs. 2–4 HGB handelt es sich demgegenüber um Wahlrechte und die Befreiung nach Abs. 5 erfordert einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss.

3

Dem Anwendungsbereich der Vorschrift unterfallen grundsätzlich alle Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB. Auch Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind (§ 5 Abs. 2 Satz 2 PublG) sowie Kreditinstitute (§§ 340, 340a HGB), Versicherungsunternehmen (§§ 341, 341 a HGB) und Genossenschaften (§ 336 HGB) werden erfasst. Auf freiwillig aufgestellte Anhänge ist die Vorschrift ebenfalls anwendbar.1

4

§ 286 HGB wurde im Rahmen des BiRiLiG2 in das HGB eingefügt und hat danach verschiedentlich Änderungen erfahren. Obwohl im Rahmen dieses Gesetzes im Wesentlichen die europarechtlichen Vorgaben der 4., 7. und 8. EG-Richtlinie in deutsches Recht transformiert wurden, beruht die Einführung der Schutzklausel des Abs. 1 allerdings auf einer autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers.3 1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 1. 2 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 3 Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 9.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 9 § 286

Mit der in Abs. 2 vorgesehenen Befreiung hat der deutsche Gesetzgeber von dem den Mitgliedstaaten 5 durch Art. 45 Abs. 2 iVm. Abs. 1b der Vierten Richtlinie eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht, unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der Aufgliederung der Umsatzerlöse zu ermöglichen. Allerdings enthält Art. 45 Abs. 2 iVm. Abs. 1b der Vierten Richtlinie zusätzlich die Regelung, dass die Inanspruchnahme der Befreiung im Anhang zu erwähnen ist. Diese europarechtliche Vorgabe hat der deutsche Gesetzgeber nicht umgesetzt1. Mit § 286 Abs. 3 HGB, nach dem die Angaben zum Anteilsbesitz nach § 285 Nr. 11 und 11a HGB unter- 6 bleiben können, wurden die Vorgaben von Art. 43 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2, 3 sowie Art. 45 Abs. 1b der Vierten Richtlinie in deutsches Recht überführt. Die Möglichkeit, die Angaben nach § 285 Nr. 11a HGB nicht offenzulegen, wurde allerdings nicht bereits durch das BiRiLiG, sondern erst durch das KapCoRiLiG2 aus dem Jahre 2000 in deutsches Recht übernommen. Die in Abs. 3 Satz 3 enthaltene Ausnahme vom Anwendungsbereich für kapitalmarktorientierte Unternehmen fand erstmals im Rahmen des TransPuG3 Eingang in das Gesetz. Im Rahmen des BilMoG4 wurde der Wortlaut dieser Ausnahme in Anpassung an die neue Legaldefinition des Begriffs „kapitalmarktorientiert“ in § 264d HGB geändert. Die Befreiungsmöglichkeit des Abs. 4 wurde im Zuge des Gesetzes zur Änderung des DMBilG5 aus dem 7 Jahre 1994 erstmals in den Wortlaut des § 286 HGB aufgenommen. Hintergrund dieser Neueinfügung war die Ausübung eines Wahlrechts aus der Mittelstandsrichtlinie6, in deren Rahmen der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet hat, für kleine und mittelständische Unternehmen von bestimmten Offenlegungsverpflichtungen abzusehen7. Gleichzeitig mit der Einführung der Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsvergütungen von börsennotierten Aktiengesellschaften durch das VorstOG8 aus dem Jahre 2005 hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 286 Abs. 5 HGB der Hauptversammlung die Möglichkeit eingeräumt, mit Dreiviertelmehrheit zu entscheiden, für längstens fünf Jahre auf die individualisierten Angaben zu den Vorstandsbezügen zu verzichten.

8

Zuletzt hat § 286 HGB durch das BilRUG, durch das die Vorgaben der EU-Bilanzrichtlinie9 in deutsches 9 Recht umgesetzt wurden, kleinere Änderungen erfahren (vgl. zu der EU-Bilanzrichtlinie und deren Auswirkungen auf den Anhang § 284 Rz. 24). So wurde zum einen in § 286 Abs. 2 HGB die zuvor bestehende Möglichkeit aufgehoben, von der Aufgliederung der Umsatzerlöse abzusehen, sofern einem Unternehmen, von dem die Kapitalgesellschaft mindestens den fünften Teil der Anteile besitzt, ein Nachteil droht. Hierdurch wurde die Vorschrift an die Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 Satz 1 der EU-Bilanzrichtlinie angepasst. Zugleich wurde entsprechend Art. 18 Abs. 2 Satz 3 der EU-Bilanzrichtlinie festgelegt, dass über die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 286 Abs. 2 HGB berichtet werden muss. Zum anderen wurde auch § 286 Abs. 3 HGB durch das BilRUG an zwei Stellen geändert: In Anpassung an die Aufteilung von § 285 Nr. 11 HGB in zwei Nummern (Nr. 11 und 11b) wurde zunächst in § 286 Abs. 3 HGB ein Verweis auf § 285 Nr. 11b HGB ergänzt. In Umsetzung der in Art. 17 Abs. 1 Buchst. k enthaltenen Vorgabe wurde dabei allerdings bewusst davon abgesehen, auch einen Verweis auf den neuen § 285 Nr. 11a HGB aufzunehmen, da die EU-Bilanzrichtlinie mit Blick auf die Angabe zu Name, Sitz und Rechtsform der Unternehmen, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter die berichtspflichtige Kapitalgesellschaft ist, keine generelle Ausnahmemöglichkeit enthält.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

Bernards, DStR 1995, 1363 (1366). Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz, v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154. Transparenz- und Publizitätsgesetz v. 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen v. 25.7.1994, BGBl. I 1994, 1682. Richtlinie 90/604/EWG des Europäischen Rates v. 8.11.1990 (ABl. EG 1990 Nr. L 317, 57) zur Änderung der 4. EGRichtlinie und der 7. EG-Richtlinie hinsichtlich der Ausnahme für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in ECU (Mittelstandsrichtlinie). Vgl. dazu insbes. Pfitzer/Wirth, DB 1994, 1937; Streim/Klaus, BB 1994, 1109. Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorStOG) v. 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182. Vgl. hierzu Begr. RegE BilRUG (BT-Drucks. 18/4050), 68.

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§ 286 Rz. 10 | Unterlassen von Angaben

B. Schutzklausel zum Unterlassen von Angaben aus Gründen des Allgemeinwohls (Abs. 1) 10

§ 286 Abs. 1 HGB normiert eine allgemeine Schutzklausel, die im Interesse des Gemeinwohls die Verpflichtung enthält, bestimmte Angaben zu unterlassen, wenn es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Vorschrift soll dazu dienen, den Konflikt zwischen einer getreuen Rechnungslegung und dem Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Angaben aufzulösen.1

11

Gesetzessystematisch bezieht sich die aus der Schutzklausel resultierende Ausnahme von der Veröffentlichungspflicht ausschließlich auf Angaben, die im Anhang zum Jahresabschluss zu machen sind. Dabei ist jedoch gleichgültig, ob es sich um Angabepflichten handelt, die sich aus den der Schutzklausel unmittelbar vorangestellten §§ 284 und 285 HGB ergeben, oder ob es sich um Angabepflichten handelt, die an anderer Stelle im Rahmen des HGB niedergelegt sind.2 Keine Anwendung findet die Schutzklausel demgegenüber auf Angaben, bezüglich derer der Vorstand der Gesellschaft wählen kann, ob er diese wahlweise statt in der Bilanz bzw. statt in der Gewinn- und Verlustrechnung im Rahmen des Anhangs machen möchte.3 Dies hätte nämlich zur Folge, dass die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der Schutzklausel davon abhinge, ob von dem Wahrecht zur Veröffentlichung bestimmter Angaben im Rahmen des Anhangs Gebrauch gemacht wird oder nicht.4

12

Die Schutzklausel ist als Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Publizitätspflicht nicht analogiefähig und daher eng auszulegen.5 Sie findet nur dann Anwendung, wenn hoheitliche Interessen von Bund oder Ländern berührt sind; die Beeinträchtigung rein wirtschaftlicher Interessen reicht nicht aus.6

13

Die Schutzklausel ist jedoch aufgrund einer Beeinträchtigung hoheitlicher Belange dann anzuwenden, wenn zB öffentliche Aufträge – insbes. solche der Bundeswehr oder Polizei – angabepflichtig werden könnten oder von der Kapitalgesellschaft Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem Bund und den Ländern zu befolgen sind, um den strafrechtlichen Schutz von Staatsgeheimnissen gem. §§ 93 ff. StGB im Rechnungslegungsrecht zu verankern.7 Dies gilt unabhängig von behördlichen oder gerichtlichen Stellungnahmen.8 Darüber hinaus sind Belange des Bundes oder der Länder iSd. § 286 Abs. 1 HGB idR auch dann berührt, wenn das Unternehmen im Interesse des Staates einer Verschwiegenheitsverpflichtung zum Schutz hoheitlicher Interessen unterliegt.9

14

Sofern eine Beeinträchtigung hoheitlicher Belange im oben genannten Sinne vorliegt, löst § 286 Abs. 1 HGB aufgrund seines Gebotscharakters eine zwingende Verpflichtung aus, von einer Berichterstattung abzusehen.10 Eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der eine Abwägung zwischen dem Publizitätsinteresse und den beeinträchtigten Belangen der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Länder zu treffen wäre, findet im Rahmen des § 286 Abs. 1 HGB nicht statt. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Umstand, dass dem Vorstand bei der Frage, ob und in welchem Umfang einer Veröffentlichung die Beeinträchtigung öffentlicher Belange entgegensteht, ein Beurteilungsspielraum zusteht, in dessen Rahmen dieser nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden muss, inwiefern durch eine bestimmte Veröffentlichung überhaupt hoheitliche Belange von Bund oder Ländern berührt würden.11 Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich jedoch nur auf die Frage des „ob“ der Beeinträchtigung hoheitlicher Belange. Stellt sich bei Anwendung pflichtgemäßen Ermessens heraus, dass von einer Beeinträchtigung hoheitlicher Belange von Bund oder Ländern auszugehen ist, ist der Vorstand zu einer Anwendung des § 286 Abs. 1 HGB gezwungen.

1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 14. 2 Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 1. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 16; aA ADS6, § 286 HGB Rz. 6; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 1. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 16. 5 ADS6, § 286 HGB Rz. 8; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 3. 6 So ebenfalls ausdrücklich ADS6, § 286 Rz. 16. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 19; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 12; Poll in BeckOK HGB15, § 286 Rz. 4. 8 Semler, ZGR Sonderheft 2/1980, 181. 9 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 20; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 2. 10 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 17. 11 ADS6, § 286 HGB Rz. 10; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 18.

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D. Befreiung von den Angaben zu Beteiligungsgesellschaften (Abs. 3)

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Rz. 23 § 286

Kommt die Schutzklausel zum Unterlassen von Angaben zur Anwendung, ist darüber im Anhang nicht zu berichten und der Vorstand einer AG darf über die betreffenden Angaben auch nicht auf Nachfrage eines Aktionärs im Rahmen der Hauptversammlung berichten.

15

C. Befreiung von der der Aufgliederung der Umsatzerlöse (Abs. 2) § 286 Abs. 2 HGB enthält die Möglichkeit, die Aufgliederung der Umsatzerlöse im Anhang der Gesellschaft nach § 285 Nr. 4 HGB unter bestimmten Voraussetzungen zu unterlassen. Zweck der Befreiungsmöglichkeit des § 286 Abs. 2 HGB ist es, der Kapitalgesellschaft einen Weg zu eröffnen, Betriebsgeheimnisse zu schützen und zu vermeiden, dass durch die Offenlegung bestimmter Informationen gegenüber der Konkurrenz Nachteile erlitten werden.1 Die Vorschrift besitzt nur für große Kapitalgesellschaften Bedeutung, da kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften von den Angaben nach § 285 Nr. 4 HGB gem. § 288 HGB ohnehin befreit sind.

16

Für die Inanspruchnahme der Befreiungsmöglichkeit ist erforderlich, dass die Aufgliederung geeignet ist, 17 einen erheblichen Nachteil für die Kapitalgesellschaft herbeizuführen. Aus der Bezugnahme auf die Geeignetheit ergibt sich, dass es ausreicht, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass ein erheblicher Nachteil die Folge einer Aufgliederung sein könnte.2 Die ernsthafte Gefahr eines erheblichen Nachteils kann etwa dann angenommen werden, wenn die Konkurrenz aus der Umsatzaufgliederung zB Informationen über die Geschäftspolitik der Gesellschaft gewinnen und diese zum Nachteil der Gesellschaft nutzen könnte. Allerdings ist im Rahmen des § 286 Abs. 2 HGB als weiteres begrenzendes Merkmal eine Erheblichkeitsschwelle vorgesehen, so dass weiterhin erforderlich ist, dass die Geschäftsleitung im Rahmen einer von ihr zu treffenden Abwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei der Gesellschaft durch eine Aufgliederung entstehenden Nachteile die durch eine mangelnde Aufgliederung für den Informationsinteressenten bestehenden Nachteile überwiegen.3 Nach zutreffender Ansicht ist der hierbei anzulegende Maßstab umso strenger, je günstiger die Unterlassung der Aufgliederung im konkreten Fall für die Gesellschaft ist.4

18

Sofern sich in diesem Rahmen ergibt, dass nur die Aufgliederung nach einem der beiden in § 285 Nr. 4 19 HGB genannten Merkmale mit einem Nachteil verbunden ist, darf zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch nur die Aufgliederung nach diesem Merkmal (also entweder nach Tätigkeitsbereichen oder geographischen Märkten) unterbleiben.5 Die Anwendung der Ausnahmeregelung ist gem. § 286 Abs. 2 Halbs. 2 HGB im Anhang anzugeben.

20

D. Befreiung von den Angaben zu Beteiligungsgesellschaften (Abs. 3) Gemäß § 285 Nr. 11 HGB ist die Kapitalgesellschaft verpflichtet, verschiedene Angaben zu Unternehmen, 21 an denen sie gemäß § 271 Abs. 1 HGB beteiligt ist oder an denen ein solcher Anteil von einer Person für Rechnung der Kapitalgesellschaft gehalten wird, im Rahmen des Anhangs anzugeben. Kapitalgesellschaften, die börsennotiert sind, müssen nach § 285 Nr. 11b HGB zudem zusätzlich alle Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften angeben, die 5 Prozent der Stimmrechte überschreiten. Unter den Voraussetzungen des § 286 Abs. 3 HGB kann die Gesellschaft von diesen Angabeverpflichtungen vollständig (S. 1) oder teilweise (S. 2) absehen. Gem. § 286 Abs. 3 Satz 1 HGB kann die Gesellschaft von den Angaben zu Beteiligungsgesellschaften 22 nach § 285 Nr. 11 und 11b HGB absehen, sofern die Angaben von untergeordneter Bedeutung sind oder die Angaben nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Kapitalgesellschaft oder dem anderen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Als Ausnahmevorschrift muss die Befreiung nach § 286 Abs. 3 HGB restriktiv gehandhabt werden.6 Eine untergeordnete Bedeutung für die Vermögens- Finanz und Ertragslage der bilanzierenden Kapitalgesellschaft ist dann gegeben, wenn die Beteiligungsgesellschaft in den wesentlichen Kriterien, wie Umsatz, Mitarbeiterzahl, Eigenkapital, Bilanzsumme und Ergebnis, aus der Sicht der bilanzierenden Kapitalgesellschaft unbedeutend ist. Maßgeblich ist, dass die überwiegende Zahl dieser wesentlichen Kriterien 1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 26. 2 ADS6, § 286 HGB Rz. 25; Rz. 5; weniger streng Selchert, BB 1986, 560 (564), der die grundsätzliche Möglichkeit einer Nachteilszufügung ausreichen lassen will. 3 Selchert, BB 1986, 560 (564); vgl. zu der Notwendigkeit einer derartigen Abwägung auch Hoffmann, BB 1986, 1050 (1053). 4 Selchert, BB 1986, 560 (564). 5 ADS6, § 286 HGB Rz. 22; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 Rz. 22. 6 ADS6, § 286 HGB Rz. 42; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 40.

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§ 286 Rz. 24 | Unterlassen von Angaben von untergeordneter Bedeutung ist.1 Eine feste prozentuale Grenze, ab deren Überschreiten von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen ist, lässt sich dabei nicht festlegen. Maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse.2 24

Sofern die Ausnahmeregelung gem. § 286 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB angewendet wird, ist auf die Inanspruchnahme dieser Befreiung im Anhang nicht gesondert hinzuweisen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 286 Abs. 3 Satz 4 HGB, der nur auf die Ausnahmeregelung gem. Satz 1 Nr. 2 verweist.3

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Gem. § 286 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB können die Angaben nach § 285 Nr. 11 und 11b HGB zudem unterbleiben, soweit die Angaben geeignet sind, der Kapitalgesellschaft oder einem anderen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Gem. § 286 Abs. 3 S. 3 HGB greift diese Befreiung jedoch nicht ein, wenn das bilanzierende Unternehmen oder eines ihrer Tochterunternehmen am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d HGB ist.

26

Der Begriff des erheblichen Nachteils entspricht demjenigen in § 286 Abs. 2 HGB (vgl. hierzu Rz. 17 f.). Er erfasst somit alle nachteiligen Folgen materieller und immaterieller Art, die aus der Angabe resultieren können und bzgl. deren Eintritt eine ernsthafte Gefahr besteht, zB also eine geschäftliche Schädigung durch Aufdeckung des Beteiligungsverhältnisses oder auch eine Beeinträchtigung der Marktstellung.

27

Die Inanspruchnahme der Befreiungsregelung nach § 286 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB ist gem. § 286 Abs. 3 Satz 4 HGB im Rahmen des Anhangs offenzulegen. Eine Begründung für die Inanspruchnahme muss nicht gegeben werden.4

28

§ 286 Abs. 3 Satz 2 HGB sieht vor, dass die Angabe des Eigenkapitals und des Jahresergebnisses unterbleiben kann, wenn das Unternehmen, über das zu berichten ist, nicht offenlegungspflichtig ist und die Kapitalgesellschaft auf das betreffende Unternehmen keinen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Zweck der Vorschrift ist es, die berichtende Kapitalgesellschaft nicht zu Angaben zu zwingen, zu denen die Beteiligungsgesellschaft selbst nicht verpflichtet ist.

29

Zur Offenlegung des Jahresabschlusses verpflichtet – und damit vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen – sind Kapitalgesellschaften sowie Unternehmen, die nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind. Kleine Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 1 HGB müssen zwar ebenfalls keinen vollständigen Jahresabschluss, sondern gem. § 326 HGB nur die Bilanz sowie den Anhang zum Jahresabschluss offenlegen. Sie unterfallen dessen ungeachtet jedoch gleichwohl nicht dem Anwendungsbereich der Befreiung, da der Begriff des Jahresabschlusses in Anlehnung an Art. 17 Abs. 1 Buchst. g der EU-Bilanzrichtline5 richtlinienkonform auf „Bilanz“ reduziert werden muss.6 Dem Anwendungsbereich der Befreiung unterfallen somit im Wesentlichen Personenhandelsgesellschaften, da diese nicht zur Offenlegung verpflichtet sind.

30

Sofern die berichtende Kapitalgesellschaft von der Befreiung des § 286 Abs. 3 Satz 2 HGB Gebrauch macht, berührt dies nicht die Verpflichtung, Name, Sitz und Beteiligungshöhe der Beteiligungsgesellschaft anzugeben. Die Anwendung der Befreiungsmöglichkeit muss nicht offengelegt werden.7

31

Gem. § 286 Abs. 4 HGB können die in § 285 Nr. 9 Buchst. a und b HGB von mittelgroßen (§ 267 Abs. 2 HGB) und großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 AktG) geforderten Angaben über die Gesamtbezüge der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung unterbleiben, wenn sich anhand dieser Angaben die Bezüge eines Mitglieds dieser Organe feststellen lassen. Aufgrund der wortlautimmanenten Beschränkung der Befreiung auf die anzugebenden Gesamtbezüge umfasst die Befreiung nicht die nach § 285 Nr. 9 Buchst. b HGB ebenfalls offenzulegenden Rückstellungen für laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen sowie den Betrag der für diese

E. Befreiung von den Angaben nach § 285 Nr. 9 Buchst. a und b HGB (Abs. 4)

1 Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 33. 2 ADS6, § 286 HGB Rz. 33; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 35; Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 46. 3 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 48. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 51; ADS6, § 286 HGB Rz. 45. 5 Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182. 6 So auch Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 56; im Ergebnis ebenso ADS6, § 286 HGB Rz. 48. 7 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 60.

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F. Befreiung von den Angaben des § 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8 HGB (Abs. 5)

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Rz. 36 § 286

Verpflichtungen gebildeten Rückstellungen.1 Auch die Angaben nach § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB können nicht unter Berufung auf die Befreiung unterbleiben.2 Vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen sind börsennotierte Aktiengesellschaften, für die die Sonderregelung des § 286 Abs. 5 HGB eingreift. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die persönlichen Daten von Organmitgliedern zu schützen.3 Insofern 32 kann die Befreiung bei teleologischer Betrachtung nur dann eingreifen, wenn dem Adressaten des Jahresabschlusses der Name des betreffenden Organmitglieds bekannt ist.4 Die Inanspruchnahme der Befreiung ist zudem nur dann möglich, wenn sich anhand der offenzulegenden Angaben die Bezüge des namentlich bekannten Organmitglieds feststellen lassen. Sofern das Organ, auf das sich die Angabepflichten beziehen, nur aus einem Mitglied besteht, wie etwa im Fall eines Alleinvorstands einer Aktiengesellschaft (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG) oder des Alleingeschäftsführers einer GmbH (vgl. § 6 Abs. 1 GmbHG), lassen sich die Bezüge des einzelnen Organmitglieds aus der Angabe der Gesamtbezüge unmittelbar ableiten, so dass die Angaben über die Gesamtbezüge nach Nr. 9 Buchst. a entfallen können. Die Befreiung kann allerdings auch auf Organe mit mehreren Mitgliedern Anwendung finden. Feststellbarkeit der Bezüge ist nämlich auch dann gegeben, wenn die Größenordnung der Bezüge hinreichend sicher geschätzt oder im Wege der Durchschnittsbildung ermittelt werden kann.5 Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die ungefähre Größenordnung der Bezüge anhand einer bloßen Vermutungsregel ohne tatsächlichen Anhaltspunkt – zB der allgemeinen Mutmaßung, die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden seien regelmäßig doppelt so hoch wie die des einfachen Vorstandsmitglieds – geschätzt werden kann. Sofern die Schätzung jedoch durch bestimmte tatsächliche Umstände, die sich nicht zwingend aus dem Jahresabschluss selbst ergeben müssen, ermöglicht wird, ist der sachliche Anwendungsbereich der Befreiung eröffnet. Ob die Voraussetzungen der Befreiung des § 286 Abs. 4 HGB vorliegen, muss grundsätzlich für jedes Organ getrennt untersucht werden. Sofern die Voraussetzungen nur für ein Organ der Gesellschaft vorliegen, sind die Gesamtbezüge des anderen Organs gleichwohl offenzulegen.6

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Die Inanspruchnahme der Befreiung hat keine Auswirkung auf das Auskunftsrecht des einzelnen Aktio- 34 närs in der Hauptversammlung. Der Vorstand bleibt vielmehr trotzdem verpflichtet, Auskunft über die ihm gewährten Gesamtbezüge zu erteilen, da den Aktionären nur so eine sachgemäße Entscheidung über die Entlastung des Vorstands ermöglicht wird.7

F. Befreiung von den Angaben des § 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8 HGB (Abs. 5) Seit dem VorstOG aus dem Jahr 2005 sind börsennotierte Aktiengesellschaften dazu verpflichtet, iS einer 35 transparenten Rechnungslegung die Vergütung für jedes Vorstandsmitglied differenziert nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie nach Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung offenzulegen (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–8 HGB). Die Befreiung des § 286 Abs. 5 HGB normiert die Möglichkeit, diese individualisierte Offenlegung der Vorstandsbezüge durch einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung zu vermeiden (sog. Opt-Out-Beschluss). Die Fassung eines solchen Befreiungsbeschlusses hat jedoch keine Auswirkung auf die Verpflichtung zur Offenlegung der Gesamtbezüge. Beabsichtigt die Aktiengesellschaft, einen Befreiungsbeschluss nach § 286 Abs. 5 HGB zu fassen, muss die- 36 ser mit der Tagesordnung bekannt gemacht werden. Zudem ist eine satzungsändernde Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich. In analoger Anwendung des § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG ist die Bezugsgröße das bei der konkreten Beschlussfassung mit „ja“ oder mit „nein“ stimmende Kapital, wobei Stimmenthaltungen nicht mitzählen.8 Aus der nach § 286 Abs. 5 Satz 3 HGB vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des § 136 Abs. 1 AktG folgt, dass ein Vorstandsmitglied, das zugleich Aktionär der Gesellschaft ist, an der Beschlussfassung nicht teilnehmen Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 65. Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 286 Rz. 65. Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 42; Feige/Ruffert, DB 1995, 637 (639). Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 42. Vgl. BMJ v. 6.3.1995 – III A3-3507/1-13 (D)-1 II-32-2014/94, DB 1995, 639; Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 44; OLG Düss. v. 26.6.1997 – 19 W 2/97 AktGE, DB 1997, 1609, die auf eine annähernd verlässliche Schätzung abstellen; Feige/Ruffert, DB 1995, 637 f.; Kempter, BB 1996, 419; aA wohl LG Köln v. 18.12.1996 – 91 O 147/96, DB 1997, 320 (321); ADS6, § 286 HGB Rz. 54 (noch vor der Veröffentlichung des Schreibens des BMJ); Klatte, BB 1995, 35 (36 f.); Pfitzer/Wirth, DB 1994, 1937 (1938 f.). 6 Grottel in Beck BilKomm.10, § 286 HGB Rz. 46. 7 OLG Düss. v. 26.6.1997 – 19 W 2/97 AktE, DB 1997, 1609; LG Köln v. 18.12.1996 – 91 O 147/96, AG 1997, 188; Kempter, BB 1996, 419 (420). 8 Koch in Hüffer, AktG12, § 179 Rz. 14.

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§ 286 Rz. 37 | Unterlassen von Angaben darf, sofern es um die Offenlegung der ihm gewährten Bezüge geht.1 Auch wenn der Wortlaut von § 286 Abs. 5 Satz 3 HGB die entsprechende Geltung des § 136 AktG ausdrücklich an die Aktionärseigenschaft koppelt, unterfällt aber richtigerweise auch ein Mitglied des Vorstands, das nicht selbst Aktionär ist, jedoch als Bevollmächtigter die Stimmrechte für einen anderen ausübt, dem Stimmverbot. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass eine wortlautgetreue Anwendung des § 286 Abs. 5 Satz 3 HGB zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen würde, dass ein Vorstandsmitglied, das gleichzeitig Stimmrechte für sich und einen anderen ausübt, an der Stimmrechtsausübung in Bezug auf sämtliche Stimmen gem. § 136 AktG gehindert wäre, wohingegen ein ausschließlich für einen anderen Stimmrechte ausübendes Vorstandsmitglied nicht selbst „Aktionär“ wäre und insofern nicht § 136 AktG unterfiele. Hinzu kommt, dass auch der Schutzzweck des § 136 AktG, Interessenkollisionen möglichst umfassend zu verhindern, gegen die wortlautgetreue Anwendung spricht. Insofern ist davon auszugehen, dass es sich bei dem in § 286 Abs. 5 Satz 3 HGB enthaltenen Verweis auf die Aktionärseigenschaft um ein gesetzgeberisches Versehen handelt.2 37

Der einer Befreiung nach § 286 Abs. 5 HGB zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss darf für höchstens fünf Jahre gefasst werden. Die Wirkung des entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses erstreckt sich stets nur auf die Zukunft, sodass dieser spätestens bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses, für den er erstmals gelten soll, gefasst werden muss.3 Der Opt-Out-Beschluss kann auch wiederholt werden, wobei eine solche Wiederholung vor oder nach Ablauf der Frist möglich ist.4

38

Das Gesetz macht keine näheren Angaben über den notwendigen Beschlussinhalt. Der Beschluss sollte jedoch den Zeitraum angeben, für den die Befreiung von der individualisierten Offenlegung gelten soll. Lässt sich der Geltungszeitraum dem Beschluss nicht entnehmen, gilt die Befreiung für den Maximalzeitraum von fünf Jahren.5 Allerdings kann der Beschluss wegen der fehlenden Angabe des Geltungszeitraums von Aktionären gem. § 243 Abs. 1 AktG einen Monat lang angefochten werden.6

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Sofern eine Offenlegung der individualisierten Vorstandsbezüge aufgrund von § 286 Abs. 5 HGB unterbleibt, ist die Hauptversammlung auch nicht verpflichtet, die individualisierten Gesamtbezüge auf Nachfrage des Aktionärs im Rahmen der Hauptversammlung offenzulegen.7 Das Auskunftsrecht des einzelnen Aktionärs gem. § 131 Abs. 1 AktG soll diesen in die Lage versetzen, eine sachgemäße Entscheidung über die einzelnen Punkte der Tagesordnung fassen zu können. Hierzu ist es jedoch nicht erforderlich, dass dem Aktionär bekannt ist, wie sich die im Rahmen des Jahresabschlusses ausgewiesenen Gesamtbezüge auf die einzelnen Organmitglieder verteilen.

§ 287 (weggefallen)

§ 288 Größenabhängige Erleichterungen (1) Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen nicht 1. die Angaben nach § 264 c Abs. 2 Satz 9, § 265 Abs. 4 Satz 2, § 284 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3,, § 285 Nr. 2, 3, 4, 8, 9 Buchstabe a und b, Nr. 10 bis 12, 14, 15, 15a, 17 bis 19, 21, 22, 24, 26 bis 20, 32 bis 34 zu machen; 2. eine Trennung nach Gruppen bei der Angabe nach § 285 Nr. 7 vorzunehmen; 1 Vgl. Begr. RegE zum VorStOG (BT-Drucks. 15/5577), 8; van Kann, DStR 2005, 1496 (1499); Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 (953). 2 Im Ergebnis ebenso Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 (953); aA Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (950), die eine wortlautgetreue Anwendung befürworten. 3 Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 (953); Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (949). 4 Vgl. Begr. RegE zum VorStOG (BT-Drucks. 15/5577), 8; Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 (953); Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (949); Spindler, NZG 2005, 689 (691). 5 AA Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 (953), die von einer Geltung nur für ein Geschäftsjahr ausgehen. 6 Ebenso Leuering/Simon, NZG 2005, 945 (949). 7 Ebenso Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 (953) sowie die ganz hM vor Inkrafttreten des VorStOG: OLG Düss. v. 5.11.1987 – 19 W 6/87, ZIP 1987, 1555 (1557 f.); LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89, WM 1990, 978 (982); OLG Frankfurt v. 30.1.2006 – 20 W 52/05, ZIP 2006, 614; aA Wandt, DStR 2006, 1460.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 5 § 288

3. bei der Angabe nach § 285 Nr. 14a den Ort anzugeben, wo der vom Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist. (2) 1Mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2) brauchen die Angabe nach § 285 Nr. 4, 29 und 32 nicht zu machen. 2Wenn sie die Angaben nach § 285 Nr. 17 nicht machen, sind sie verpflichtet, diese der Wirtschaftsprüferkammer auf deren schriftliche Anforderung zu übermitteln. 3Sie brauchen die Angaben nach § 285 Nr. 21 nur zu machen, sofern die Geschäfte direkt oder indirekt mit einem Gesellschafter, Unternehmen, an denen die Gesellschaft selbst eine Beteiligung hält, oder Mitgliedern des Geschäftsführungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans abgeschlossen wurden. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . B. Befreiungen und Erleichterungen für die kleine Kapitalgesellschaft (Abs. 1) I. Befreiungen (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . II. Erleichterungen (Abs. 1 Nr. 2 und 3) . . . . . .

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C. Befreiungen und Erleichterungen für die mittelgroße Kapitalgesellschaft (Abs. 2) I. Befreiungen (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . II. Erleichterungen (Abs. 2 Sätze 2 und 3) . . . . .

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Literatur: Weirich/Zimmermann, Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses kleiner Aktiengesellschaften, AG 1986, 265; Farr, Der Anhang im Jahresabschluss der kleinen GmbH – Checkliste unter Berücksichtigung der neuen größenabhängigen Erleichterungen des HGB, GmbHR 1995, 31; Farr, Checkliste für den Anhang im Jahresabschluss der kleinen AG unter Berücksichtigung der neuen größenabhängigen Erleichterungen des HGB, AG 1995, 76; Farr, Der Jahresabschluss der kleinen GmbH, Darstellung der größenabhängigen Erleichterungen für die Aufstellung, Prüfung, Feststellung und Offenlegung sowie deren Grenzen, GmbHR 1996, 92, 185, 755; Farr, Der Jahresabschluss der mittelgroßen und der kleinen AG. Die größenabhängigen Erleichterungen für die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung sowie deren Grenzen, AG 1996, 145; Zimmer/Eckhold, Das Kapitalgesellschaften- & Co.-RichtlinieGesetz, NJW 2000, 1361; Farr, Checkliste zur Erstellung des Anhangs der mittelgroßen GmbH – Teil I: Allgemeine Angaben zum Jahresabschluss/Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, BC 2007, 329; Farr, Checkliste zur Erstellung des Anhangs der mittelgroßen GmbH – Teil II: Erläuterungen zur Bilanz, BC 2008, 34; Farr, Checkliste zur Erstellung des Anhangs der mittelgroßen GmbH – Teil III: Erläuterungen zur GuV und sonstige Angaben, BRZ 2009, 104; Pöller, Checkliste zum Übergang der HGB-Rechnungslegung im Jahresabschluss auf das BilMoG –Teil 2: Anhang, BRZ 2009, 295; Philipps, Der Anhang nach BilMoG – Inhalt und Gestaltung im Jahresabschluss der kleinen GmbH, BBK 2010, 910.

A. Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand des § 288 HGB ist die Normierung von bestimmten Ausnahmen von den in den 1 §§ 284–287 HGB vorgesehenen Angabeverpflichtungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften. § 288 HGB verfolgt den Zweck, den Anhang inhaltlich zu begrenzen und unverhältnismäßigen Aufwand für die Erstellung des Anhangs bei kleineren Gesellschaften zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund führt die Vorschrift – unterteilt nach Größenklassen – auf, welche Angaben zwingend im Anhang enthalten sein müssen und auf welche verzichtet werden kann.1

2

Der Geltungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf alle kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften 3 sowie Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB. Bei der Anwendung der Ausnahmen besteht ein Wahlrecht, von dem die Kapitalgesellschaft nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch machen kann.2 Die Erleichterungen und Befreiungen müssen nicht einheitlich, sondern können für jede aufgeführte Norm gesondert in Anspruch genommen werden.3 Allerdings muss die Inanspruchnahme unter Beachtung des Grundsatzes der Stetigkeit erfolgen.4 Bei der Inanspruchnahme der Befreiungen des § 288 HGB durch eine Aktiengesellschaft ist zu beachten, 4 dass gem. § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG jeder Aktionär auf der Hauptversammlung die Vorlage des Anhangs in dem für große Kapitalgesellschaften vorgeschriebenen Umfang verlangen kann. Bei der GmbH ergibt sich der gleiche Auskunftsanspruch aus § 51a Abs. 1 GmbHG.5 Der Anwendungsbereich des § 288 HGB erstreckt sich gem. § 336 Abs. 2 HGB auch auf eingetragene Genossenschaften. Da § 288 HGB im PublG als nicht anwendbar aufgeführt ist, haben Unternehmen, die 1 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 285 Rz. 4. 2 Poelzig in MünchKomm HGB3, § 288 Rz. 5; ADS6, § 288 Rz. 4; Grottel in Beck Bilkomm.10, § 288 Rz. 1; Farr, GmbHR 1996, 92, 96. 3 Grottel in Beck Bilkomm.10, § 288 Rz. 1; Poelzig in MünchKomm HGB3, § 288 Rz. 5. 4 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 288 Rz. 6; Farr, GmbHR 1996, 92 (96). 5 Poelzig in MünchKomm. HGB3, § 288 Rz. 6; Grottel in Beck Bilkomm.10, § 288 Rz. 1; Farr, GmbHR 1996, 92 (96).

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§ 288 Rz. 6 | Größenabhängige Erleichterungen nach dem PublG rechnungslegungspflichtig sind, den Jahresabschluss stets nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen aufzustellen. 6

§ 288 HGB wurde durch das BiRilLiG1 aus Jahr 1985 in das HGB aufgenommen und durch das DMBilG2 aus dem Jahr 1994 erstmals modifiziert. Durch das BilReG3 wurde die Vorschrift dann redaktionell überarbeitet und an die gleichzeitig eingeführten, erweiterten Angabepflichten im Anhang angepasst.

7

Im Zuge der durch das BilMoG eingeführten zusätzlichen Angabepflichten des § 285 HGB wurde auch § 288 HGB um bestimmte weitere Befreiungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB erweitert.

8

§ 288 HGB wurde zuletzt im Zuge des BilRUG, durch das die Vorgaben der 2013 in Kraft getretenen EUBilanzrichtlinie4 in deutsches Recht umgesetzt wurden (vgl. zu der EU-Bilanzrichtlinie und deren Auswirkungen auf den Anhang § 284 Rz. 11 ff.), komplett neu gefasst. Hintergrund dieser Neufassung war dabei insbes. der in Art. 16 Abs. 3 der EU-Bilanzrichtlinie normierte Grundsatz der Maximalharmonisierung, nach dem es den Mitgliedstaaten untersagt ist, von kleinen Unternehmen Angaben zu verlangen, die über die Angaben hinausgehen, die nach Art. 16 der EU-Bilanzrichtlinie gefordert oder gestattet sind. Die Umsetzung dieses Grundsatzes der Maximalharmonisierung führte dazu, dass durch das BilRUG zahlreiche zusätzliche Befreiungen für kleine Kapitalgesellschaften in das Gesetz aufgenommen wurden. Im Einzelnen betrifft dies die für kleine Kapitalgesellschaften nunmehr gem. § 288 Abs. 1 HGB gegebenen Möglichkeiten, von den Angaben nach § 264c Abs. 2 Satz 9.HGB, § 265 Abs. 4 Satz 2 HGB, § 284 Abs. 3 HGB, § 285 Nr. 8 Buchst. b HGB, § 285 Nr. 11 und 11a HGB, § 285 Nr. 14 HGB, § 285 Nr. 15a HGB, § 285 Nr. 18 HGB, § 285 Nr. 10, 15, 24 und 26–28 HGB, § 285 Nr. 32–34 HGB abzusehen.5 Neben dieser Vielzahl von zusätzlichen Befreiungen für kleine Kapitalgesellschaften machte die Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie durch das BilRUG allerdings auch einige wenige zusätzliche Pflichtangaben für kleine Kapitalgesellschaften erforderlich. Hierzu zählen insbes. die Angabe zum Gesamtbetrag sonstiger finanzieller Verpflichtungen in § 285 Nr. 3a HGB sowie die Angabe der durchschnittlichen Zahl der Beschäftigten in § 285 Nr. 7 HGB, für die in Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 Buchst. d der EU-Bilanzrichtlinie keine Befreiungsmöglichkeit mehr besteht.6 Für mittelgroße Kapitalgesellschaften ergibt sich aufgrund der Neufassung des § 288 Abs. 2 HGB durch das BilRUG eine leichte Ausdehnung der Angabepflichten. So wurde in Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der EU-Bilanzrichtlinie die zuvor bestehende Erleichterung, bei der Angabe nach § 285 Nr. 3 HGB die Risiken und Vorteile nicht darzustellen, gestrichen.7

B. Befreiungen und Erleichterungen für die kleine Kapitalgesellschaft (Abs. 1) I. Befreiungen (Abs. 1 Nr. 1) 9

Kleine Kapitalgesellschaften sind bei der Aufstellung des Anhangs zum Jahresabschluss gem. § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB von folgenden Pflichtangaben befreit:8 § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB: Angabe des Betrags der im Handelsregister gem. § 172 Abs. 1 HGB geleisteten Einlagen; § 265 Abs. 4 Satz 2 HGB: Angabe der Ergänzungen für andere Geschäftszweige; § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB: Angabe der pauschal für die jeweilige Gruppe ausgewiesenen Unterschiedsbeträge bei Anwendung einer Bewertungsmethode nach § 240 Abs. 4, § 256 Satz 1 HGB, wenn die Bewertung im Vergleich zu einer Bewertung auf der Grundlage des letzten vor dem Abschlussstichtag bekannten Börsenkurses oder Marktpreises einen erheblichen Unterschied aufweist; § 284 Abs. 3 HGB: Darstellung der Entwicklung der einzelnen Posten des Anlagevermögens (Anlagenspiegel); 1 2 3 4

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Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985 (BGBl. I 1985, 2355). D-Markbilanzgesetz (DMBilG) v. 31.8.1990 (BGBl. II 1990, 885 [1169 ff., 1245]). Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) v. 4.12.2004 (BGBl. I 2004, 3166). Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182. Vgl. hierzu Begr. RegE (BT-Drucks. 18/4050), 69. Vgl. hierzu Begr. RegE (BT-Drucks. 18/4050), 68 f. Vgl. hierzu Begr. RegE (BT-Drucks. 18/4050), 69. Vgl. zu den größenabhängigen Befreiungen bei der kleinen GmbH Farr, GmbHR 1995, 31; Farr, GmbHR 1996, 92, 185, 755; für die AG: Farr, AG 1995, 76; Farr, AG 1996, 145; Weirich/Zimmermann, AG 1986, 265.

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B. Befreiungen und Erleichterungen für die kleine Kapitalgesellschaft (Abs. 1)

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Rz. 9 § 288

§ 285 Nr. 2 HGB: Aufgliederung des Gesamtbetrags der in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren sowie der gesicherten Verbindlichkeiten nach dem vorgeschriebenen Gliederungsschema; § 285 Nr. 3 HGB: Angabe von Art und Zweck sowie Risiken und Vorteilen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften; § 285 Nr. 4 HGB: Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie geographisch bestimmten Märkten; § 285 Nr. 8 HGB: Angabe des Materialaufwands (gegliedert nach § 275 Abs. 2 Nr. 5 HGB) und des Personalaufwands (§ 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB) bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens; § 285 Nr. 9 Buchst. a HGB: Angabe der im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge für die Organmitglieder; § 285 Nr. 9 Buchst. b HGB: Gesamtbezüge der ehemaligen Organmitglieder einschließlich der für diese Personengruppe gebildeten und nicht gebildeten Pensionsrückstellungen; § 285 Nr. 10 HGB: Angabe aller Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichtsrats; § 285 Nr. 11 HGB: Angaben zu Beteiligungen; § 285 Nr. 11a HGB: Angaben der Komplementärgesellschaft zu Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB; § 285 Nr. 11b HGB: Angaben zum Beteiligungsbesitz börsennotierter Kapitalgesellschaften, sofern mehr als 5 % der Stimmrechte gehalten werden; § 285 Nr. 12 HGB: Erläuterungen zu Rückstellungen, die in der Bilanz nicht gesondert ausgewiesen werden und einen nicht unerheblichen Umfang haben; § 285 Nr. 14 HGB: Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den größten Kreis von Unternehmen aufstellt; § 285 Nr. 15 HGB: Name und Sitz der Gesellschaften, die persönlich haftende Gesellschafter sind (bei Personengesellschaften); § 285 Nr. 15a HGB: Bestehen von Genussscheinen, Genussrechten, Wandelschuldverschreibungen, Optionsscheinen, Optionen, Besserungsscheinen oder vergleichbaren Wertpapieren oder Rechten; § 285 Nr. 17 HGB: Angabe des aufgeschlüsselten Gesamthonorars des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr; § 285 Nr. 18 HGB: Angaben zu Finanzinstrumenten in den Finanzanlagen, die über dem beizumessenden Zeitwert ausgewiesen werden; § 285 Nr. 19 HGB: Angaben zu nicht zum beizulegenden Zeitwert bilanzierten derivativen Finanzinstrumenten; § 285 Nr. 21 HGB: Angaben zu nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen; § 285 Nr. 22 HGB: Angabe des Gesamtbetrags der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahrs nebst dem Betrag, der davon auf die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände entfällt; § 285 Nr. 24 HGB: Angaben zu den Pensionsrückstellungen und ähnlichen Verpflichtungen; § 285 Nr. 26 HGB: Angaben zu Anteilen an Sondervermögen oder Anlageaktien an Investmentaktiengesellschaften; § 285 Nr. 27 HGB: Angabe der Gründe der Einschätzung des Risikos zu im Anhang ausgewiesenen Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnissen; § 285 Nr. 28 HGB: Angabe des Gesamtbetrags der Beträge iSd. § 268 Abs. 8 HGB; § 285 Nr. 29 HGB: Angaben zu den Ursachen latenter Steuern; § 285 Nr. 30 HGB: Angaben der latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und der im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden; § 285 Nr. 32 HGB: Erläuterung der einzelnen Erträge und Aufwendungen hinsichtlich ihres Betrags und ihrer Art, die einem anderen Geschäftsjahr zurechnen sind; § 285 Nr. 33 HGB: Nach dem Bilanzstichtag eingetretene Vorgänge von besonderer Bedeutung; § 285 Nr. 34 HGB: Angabe des Vorschlags für die Verwendung des Ergebnisses oder der Beschluss über seine Verwendung.

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§ 288 Rz. 10 | Größenabhängige Erleichterungen

II. Erleichterungen (Abs. 1 Nr. 2 und 3) 10

Für kleine Kapitalgesellschaften bestehen bei der Aufstellung des Anhangs zum Jahresabschluss gem. § 288 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB die folgenden Erleichterungen: § 285 Nr. 7 HGB: Keine Trennung der Gruppen bei der Angabe der durchschnittlichen Zahl der während des Geschäftsjahrs beschäftigten Arbeitnehmer; § 285 Nr. 14a HGB: Keine Angabe des Orts, wo der Konzernabschluss des Mutterunternehmens des kleinsten Konsolidierungskreises, in dessen Konzernabschluss die berichtende Kapitalgesellschaft einbezogen ist, erhältlich ist.

C. Befreiungen und Erleichterungen für die mittelgroße Kapitalgesellschaft (Abs. 2) I. Befreiungen (Abs. 2 Satz 1) 11

Mittelgroße Kapitalgesellschaften sind nach § 288 Abs. 2 Satz 1 HGB von folgenden Angaben befreit: § 285 Nr. 4 HGB: Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geographisch bestimmten Märkten; § 285 Nr. 29 HGB: Angaben zu den Ursachen latenter Steuern; § 285 Nr. 32 HGB: Erläuterung der einzelnen Erträge und Aufwendungen hinsichtlich ihres Betrags und ihrer Art, die einem anderen Geschäftsjahr zurechnen sind.

II. Erleichterungen (Abs. 2 Sätze 2 und 3) 12

Neben den oben genannten Befreiungen bestehen für mittelgroße Kapitalgesellschaften gem. § 288 Abs. 2 Sätze 2 3 HGB verschiedene Erleichterungen, die dazu führen, dass bestimmte Angaben im Anhang nicht vollumfänglich enthalten sein müssen.1 Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Angaben:

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§ 285 Nr. 17 HGB: Mittelgroße Kapitalgesellschaften können im Rahmen des Anhangs darauf verzichten, die gem. § 285 Nr. 17 HGB geforderten Angaben über das Gesamthonorar des Abschlussprüfers offenzulegen. Allerdings bleiben sie dennoch verpflichtet, der Wirtschaftsprüferkammer auf deren schriftliche Anforderung die Angaben nach § 285 Nr. 17 HGB zu übermitteln. Sofern die Angaben nach § 285 Nr. 17 HGB eines in einen Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmens im Konzernanhang enthalten sind, kann das Tochterunternehmen sich im Fall einer Anforderung der betreffenden Angaben durch die Wirtschaftsprüferkammer auf die Befreiung nach § 285 Nr. 17 Halbs. 2 HGB berufen, da ansonsten ein mittelgroßes Tochterunternehmen im Vergleich zu einem großen Tochterunternehmen schlechter gestellt wäre.2

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§ 285 Nr. 21 HGB: Gem. § 285 Nr. 21 HGB besteht grundsätzlich die Verpflichtung, unter bestimmten Voraussetzungen Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen anzugeben. Diese Angaben brauchen gem. § 288 Abs. 2 HGB allerdings nur insoweit gemacht zu werden, als es sich um Geschäfte handelt, die direkt oder indirekt mit einem Gesellschafter, Unternehmen, an denen die Gesellschaft selbst eine Beteiligung hält, oder Mitgliedern des Geschäftsführungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans abgeschlossen wurden.

Sechster Titel Lagebericht § 289 Inhalt des Lageberichts (1) 1Im Lagebericht sind der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. 2Er hat eine ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit entsprechende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft zu enthalten. 3In die Analyse sind die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten finanziellen Leis1 Vgl. zu den Befreiungen und Erleichterungen für die mittelgroße GmbH Farr, BC 2007, 329; Farr, BC 2008, 34; Farr, BRZ 2009, 104; für die mittelgroße AG Farr, AG 1996, 145. 2 Grottel in Beck Bilkomm.10, § 288 HGB Rz. 23.

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| Peters/Mock

Inhalt des Lageberichts

| § 289

tungsindikatoren einzubeziehen und unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern. 4Ferner ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben. 5Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264 Abs. 2 Satz 3 haben zu versichern, dass nach bestem Wissen im Lagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, und dass die wesentlichen Chancen und Risiken im Sinne des Satzes 4 beschrieben sind. (2) 1Im Lagebericht ist auch einzugehen auf: 1. a) die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft einschließlich ihrer Methoden zur Absicherung aller wichtigen Arten von Transaktionen, die im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfasst werden, sowie b) die Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken sowie die Risiken aus Zahlungsstromschwankungen, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist, jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft und sofern dies für die Beurteilung der Lage oder der voraussichtlichen Entwicklung von Belang ist; 2. den Bereich Forschung und Entwicklung sowie 3. bestehende Zweigniederlassungen der Gesellschaft. 2Sind im Anhang Angaben nach § 160 Absatz 1 Nummer 2 des Aktiengesetzes zu machen, ist im Lagebericht darauf zu verweisen. (3) Bei einer großen Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 3) gilt Absatz 1 Satz 3 entsprechend für nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind. (4) Kapitalgesellschaften im Sinn des § 264d haben im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu beschreiben. A. I. II. III. IV. V. 1. 2. VI. B. I. 1. 2. 3. II. III. IV. V. VI. VII. C. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . Anwendungsbereich Allgemeine Lageberichterstattung (Abs. 1–3) Lageberichterstattung hinsichtlich des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlegender Inhalt des Lageberichts (Abs. 1) Allgemeine Darstellung (Abs. 1 Satz 1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsverlauf der Kapitalgesellschaft . . . Lage der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . Bedeutsame finanzielle Indikatoren (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzeid (Abs. 1 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . Einschränkungen des Berichtsinhalts aufgrund besonderer Interessen . . . . . . . . . Freiwillige Zusatzinformationen . . . . . . . . . Weitergehender Inhalt des Lageberichts (Abs. 2) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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14 15

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II. Risikoberichterstattung im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Risikomanagement und -ziele zur Absicherung von Transaktionen im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) . . . . . . . . . . 3. Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken und Risiken aus Zahlungsstromschwankungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) III. Forschung und Entwicklung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zweigniederlassungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) . V. Angaben im Anhang bei Aktiengesellschaften (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Angabe nichtfinanzieller Leistungsindikatoren (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . .

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38 41 42 46 48 49

E. Beschreibung des internen (rechnungslegungsbezogenen) Kontroll- und des Risikomanagementsystems (Abs. 4) I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Berichterstattung 1. Internes rechnungslegungsbezogenes Kontrollsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internes rechnungslegungsbezogenes Risikomanagementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art und Weise der Berichterstattung . . . . . .

53 56 57 58 61

F. Weitere Inhalte des Lageberichts . . . . . . . G. Auf- und Feststellung des Lageberichts . . .

63 65

H. Prüfung und Publizität des Lageberichts .

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§ 289 Rz. 1 | Inhalt des Lageberichts I. Rechtsfolgen eines fehlenden oder fehlerhaften Lageberichts I. Allgemeine Lageberichterstattung (Abs. 1–3) 1. Bilanzrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht . . . . . . 3. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bilanzeid (Abs. 1 Satz 5) 1. Bilanzrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht . . . . 3. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . III. Lageberichterstattung hinsichtlich des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems (Abs. 4) 1. Bilanzrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . 2. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht . . . . 3. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . .

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78 80 81

Literatur: Kuhn, Die Berichterstattung über Forschung und Entwicklung im Lagebericht, DStR 1993, 491; Fey, Die Angabe bestehender Zweigniederlassungen im Lagebericht nach § 289 Abs. 2 Nr. 4 HGB, DB 1994, 485; Ballwieser, Die Lageberichte der DAX-Gesellschaften im Lichte der Grundsätze ordnungsgemäßer Lageberichterstattung, FS Baetge, 1997, 153; Küting/Hütten, Die Lageberichterstattung über Risiken der künftigen Entwicklung – Annäherung an die geplante Änderung der §§ 289, 315 HGB durch das KonTraG, AG 1997, 250; Kleindiek, Geschäftsleitertätigkeit und Geschäftsleitungskontrolle: Treuhändische Vermögensverwaltung und Rechnungslegung, ZGR 1998, 466; Stobbe, Der Lagebericht bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften – insbesondere seine Unterzeichnung, DB 1998, 1677; Lange, Grundsätzliche und unbegrenzte Pflicht zur Berichterstattung im Lagebericht?, BB 1999, 2447; C. Lange/Daldrup, Grundsätze ordnungsmäßiger Umweltschutz-Publizität – Vertrauenswürdige Berichterstattung über die ökologische Lage in Umwelterklärungen und Umweltberichten, WPg. 2002, 657; Kajüter, Berichterstattung über Chancen und Risiken im Lagebericht, BB 2004, 427; Heuser/Theile, Auswirkungen des Bilanzrechtsreformgesetzes auf den Jahresabschluss und Lagebericht der GmbH, GmbHR 2005, 201; Kaiser, Auswirkungen des Bilanzrechtsreformgesetzes auf die zukunftsorientierte Lageberichterstattung, WPg. 2005, 405; Kaiser, Erweiterung der zukunftsorientierten Lageberichterstattung: Folgen des Bilanzrechtsreformgesetzes für Unternehmen, DB 2005, 345; Kaiser, Auswirkungen des Bilanzrechtsreformgesetzes auf die zukunftsorientierte Lageberichterstattung, WPg. 2005, 405; Wolf, Neuerungen im (Konzern-)Lagebericht durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) und ihre praktische Umsetzung, DStR 2005, 438; Fleischer, Der deutsche „Bilanzeid“ nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB, ZIP 2007, 97; Altenhain, Der strafbare falsche Bilanzeid, WM 2008, 1141; Palmes, Der Lagebericht – Grundfragen und Haftung, 2008; Barenhoff, Die Lageberichterstattung der DAX-Konzerne unter dem Einfluss des Bilanzrechtsreformgesetzes, 2009; Kort, Risikomanagement nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, ZGR 2010, 440; Fink/Theile, Anhang und Lagebericht nach dem RegE zum Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, DB 2015, 753; Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 2016. Standards Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) – DRS 5 Risikoberichterstattung (außer Kraft gesetzt) – DRS 15 Lageberichterstattung (außer Kraft gesetzt) – DRS 20 Konzernlagebericht Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) – Aufstellung des Lageberichts (IDW RS HFA 1) (aufgehoben) – Lageberichterstattung nach § 289 Abs. 1 und 3 HGB bzw. § 315 Abs. 1 HGB in der Fassung des Bilanzrechtsreformgesetzes (IDW RH HFA 1.007) (aufgehoben) – Berichterstattung nach § 289 Abs. 4 HGB bzw. § 315 Abs. 4 HGB i.d.F. des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes (IDW RH HFA 1.008) (aufgehoben) – Die Beurteilung des Risikomanagements von Kreditinstituten im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 525) – Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (IDW PS 340) – Prüfung des Lageberichts im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW EPS 350) – Audit of the Management Report (IDW AuS 350)

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 289 HGB wird die nach § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB bestehende Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung eines Lageberichts konkretisiert, indem dessen Inhalt geregelt wird.

II. Bedeutung und Zweck 2

Die Berichterstattung durch den Lagebericht komplettiert den Jahresabschluss, zu dem dieser nicht zu zählen ist (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Diese – auch als Zwei-Säulen-Modell bezeichnete1 – 1 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 11.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 5 § 289

Trennung hat ihren Ursprung vor allem in der Art und Weise der Informationen, die durch den Jahresabschluss einerseits und den Lagebericht andererseits vermittelt werden. Denn im Gegensatz zum Jahresabschluss zielt der Lagebericht nicht auf einen ziffermäßig ausgedrückten Ausweis der Vermögens-, Finanzund Ertragslage, sondern auf eine wörtliche Beschreibung verschiedenster Umstände, die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage auswirken und die einer konkreten Bezifferung nicht zugänglich sind (sogenannte Ergänzungs- oder Erläuterungsfunktion1). Diese Informationen dienen den gleichen Adressaten wie der Jahresabschluss selbst, so dass neben den Anteilseignern auch Vertragspartner und Gläubiger aus dem Lagebericht die für ihre Entscheidungen relevanten Informationen entnehmen können sollen.2 Die mit dem Lagebericht verfolgte Rechenschaft ist sowohl retro- als auch prospektiv (Prognosefunktion3). Denn zum einen sollen die Entwicklung im abgelaufenen Geschäftsjahr erörtert und zum anderen auch mögliche zukünftige Ereignisse dargestellt werden. Dies zeigt sich vor allem an Abs. 1, wonach sowohl auf den Geschäftsverlauf (Rz. 18 ff.) als auch auf die Lage der Kapitalgesellschaft (Rz. 21) und die voraussichtlichen Entwicklungen (Abs. 1 Satz 4 – Rz. 24 ff.) einzugehen ist.

3

Die Regelung des § 289 HGB zum Inhalt des Lageberichts hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten 4 (Rz. 5 f.) einen enormen Bedeutungswandel erlebt. Zwar besteht die vom Gesetzgeber des Aktiengesetzes 1965 beabsichtigte Aufgabe der nicht auf ein reines Zahlenwerk beschränkten Berichterstattung (Rz. 34 ff.) auch noch heute in Abs. 2 fort. Allerdings verfolgt § 289 HGB inzwischen auch das Konzept der Standardisierung der Informationsvermittlung, um eine höhere Vergleichbarkeit der Lageberichte der berichtspflichtigen Unternehmen zu gewährleisten. Während die Lageberichterstattung in ihrer Anfangszeit (Rz. 5) lediglich durch eine Generalklausel geregelt war, zeichnet sich § 289 HGB inzwischen durch eine umfassende Regelungsdichte aus, die den Inhalt des Lageberichts weitgehend vorgibt. Insofern soll der Adressat des Lageberichts nicht mehr allgemein, sondern spezifisch über das Unternehmen unterrichtet werden. Dieser Paradigmenwechsel wirkt sich vor allem auf die Aufnahme freiwilliger Zusatzinformationen aus (Rz. 32).

III. Rechtsentwicklung Die Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung eines Lageberichts wurde erstmals durch das Aktien- 5 gesetz 19654 in § 160 Abs. 1 Satz 1 AktG aF geregelt, wonach im Geschäftsbericht auch die Lage der Gesellschaft darzustellen war. Erst durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)5 hat der Lagebericht seine Eigenständigkeit in § 289 HGB erlangt, der ursprünglich einen verhältnismäßig überschaubaren und allgemeinen Regelungsinhalt hatte. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde der Regelungsinhalt des § 289 HGB immer stärker ausgebaut und vor allem um gesellschaftsrechtliche Pflichtangaben erweitert (Rz. 53 ff.). Zentrale Meilensteine in der Fortentwicklung des § 289 HGB waren dabei das Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse v. 22.7.19936, das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)7, das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG)8, das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (ÜbUG)9, das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)10, das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)11 und das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG)12. 1 Mit dieser Terminologie ADS6, § 289 HGB Rz. 17 f.; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 5; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 4 ff.; abweichend aber Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 12; ausführlich Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 33 f. 2 Ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 13; vgl. auch speziell zum Gläubigerschutz Palmes, Der Lagebericht, 186 ff. 3 Kaiser, WPg. 2005, 405 (409 f.); Kleindiek, ZGR 1998, 466 (473 ff.); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 5; Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 36; Stobbe, BB 1988, 303 ff. 4 Aktiengesetz v. 6.9.1965, BGBl. I 1965, 1089. 5 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 6 BGBl. I 1993, 1282. 7 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 8 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen v. 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 9 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote v. 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426. 10 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 11 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 12 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509.

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§ 289 Rz. 6 | Inhalt des Lageberichts 6

Durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)1 wurde eine umfangreiche Anpassung an die (Neue) Bilanzrichtlinie (Rz. 7 f.) vorgenommen. Dabei wurde neben der Neufassung der Überschrift in Inhalt des Lageberichts (Rz. 16 ff.) und der Umformulierung des Eingangssatzes von Abs. 2 Satz 1 (Rz. 16) auch der sogenannte Nachtragsbericht des bisherigen Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 („nach Schluss des Geschäftsjahres eingetretene Vorgänge von besonderer Bedeutung“) aufgehoben, da die (Neue) Bilanzrichtlinie diese nicht mehr für den Lagebericht, sondern nur noch für den Anhang (Art. 17 Abs. 1 Buchst. q) vorschreibt. Zur Vermeidung von Doppelungen hat der deutsche Gesetzgeber allein die Berichtspflicht im Anhang (§ 285 Nr. 33 HGB – § 285 HGB Rz. 283 ff.) vorgesehen.2 Im Rahmen des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes3 kam es zu einer Auslagerung des Abs. 4 aF in den § 289a HGB, wodurch der in § 289 HGB geregelte Inhalt des Lageberichts wieder ein Stück weit auf den originären Reglungszweck zurückgeführt wurde. Die Norm ist seitdem unverändert.

IV. Europarechtlicher Hintergrund Durch Abs. 1 (Rz. 16 ff.) und durch Abs. 2 (Rz. 34 ff.) wird Art. 19 (Neue) Bilanzrichtlinie4 umgesetzt, wonach der Lagebericht den Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens so darstellen soll, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht und die wesentlichen Risiken und Ungewissheiten beschrieben werden. Die nach Abs. 3 bestehende Pflicht zur Darstellung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren sowie von Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange (Rz. 49) hat ihren Ursprung ebenfalls in Art. 19 (Neue) Bilanzrichtlinie5, wonach nichtfinanzielle Leistungsindikatoren allerdings nur dann in den Lagebericht aufgenommen werden müssen, wenn dies angebracht ist. Eine spezifische Definition für diesen Begriff enthält die Richtlinie aber nicht. 8 Schließlich geht die Pflicht zur Beschreibung des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems nach Abs. 4 (Rz. 53 ff.) auf Art. 19 Abs. 2 Buchst. e (i), 20 Abs. 1 Buchst. c (Neue) Bilanzrichtlinie zurück. 7

V. Anwendungsbereich 1. Allgemeine Lageberichterstattung (Abs. 1–3) 9

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11 12

Ein eigenständiger Anwendungsbereich wird durch § 289 HGB für die allgemeine Lageberichterstattung nicht definiert, da dieser nur den Inhalt des Lageberichts regelt. Die Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung eines Lageberichts ergibt sich aus § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB, so dass der Anwendungsbereich von § 289 HGB mit dem von § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB übereinstimmt und alle Kapitalgesellschaften – mit Ausnahme der kleinen Kapitalgesellschaften (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 HGB – § 264 HGB Rz. 18 f.) – und die kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (§ 264a HGB) erfasst, soweit Letztere nicht nach § 264b HGB befreit sind. Darüber hinaus unterliegen die dem PublG unterfallenden Unternehmen der Pflicht zur Lageberichterstattung (§§ 1 Abs. 1, 3, 5 PublG), soweit sie nicht in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft oder des Einzelkaufmanns geführt werden (§ 5 Abs. 2 PublG). Schließlich müssen auch die Genossenschaft (§ 336 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 336 HGB Rz. 8 ff.), die Europäische Genossenschaft (§ 32 Abs. 1 SCEAG, § 336 Abs. 1 HGB), die Kreditinstitute (§ 340a Abs. 1 HGB), die Finanzdienstleistungsinstitute (§§ 340 Abs. 4, 340a Abs. 1 HGB) und die Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 HGB) aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung (teilweise) einen Lagebericht erstellen. Für Tochtergesellschaften gilt die Pflicht zur Lageberichterstattung uneingeschränkt, soweit nicht von der Befreiung nach §§ 264 Abs. 3, 264a HGB (§ 264 HGB Rz. 80 ff.) Gebrauch gemacht wurde. Hat die Gesellschaft einen IFRS-Einzelabschluss erstellt und diesen (befreiend) offengelegt, muss in dem – dann trotzdem zu erstellenden und zu veröffentlichenden – Lagebericht auch auf diesen Abschluss in 1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 2 Begr. RegE BilRuG, BR-Drucks. 23/15, 84. 3 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 4 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 253 ff. 5 Siehe Fn. 17.

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B. Grundlegender Inhalt (Abs. 1)

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Rz. 17 § 289

dem erforderlichen Umfang Bezug genommen werden (§ 325 Abs. 2a Satz 4 HGB – § 325 HGB Rz. 106 ff.). Besteht für ein Unternehmen keine Pflicht zur Lageberichterstattung und wird dennoch ein Lagebericht 13 veröffentlicht, sind die Vorgaben von § 289 HGB nur zu beachten, soweit ein dahingehend uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt werden soll.1 Zu freiwilligen Zusatzangaben bei zur Lageberichterstattung verpflichteten Unternehmen s. Rz. 32 f. 2. Lageberichterstattung hinsichtlich des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems (Abs. 4) Die Berichtspflicht nach Abs. 4 gilt hingegen für alle kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften und 14 kapitalmarktorientierten (kapitalistischen) Personengesellschaften, da § 264d HGB nur auf die Kapitalmarktorientierung von Wertpapieren allgemein abstellt und damit über den Anwendungsbereich von § 3 Abs. 2 AktG hinausgeht. Darüber hinaus werden auch kapitalmarktorientierte Unternehmen iSv. § 5 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a PublG erfasst.

VI. Übergangsrecht Obwohl § 289 HGB in den vergangenen beiden Jahrzehnten wiederholt reformiert und erweitert wurde, 15 stellt sich die Frage nach der intertemporalen Geltung lediglich im Hinblick auf die jüngsten Reformen durch das BilRUG und das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, da die vorangegangenen Reformen (Rz. 5 f.) nur Jahresabschlüsse betrafen, die inzwischen bereits auf- und festgestellt wurden. Für die durch das BilRUG (Rz. 6) vorgenommenen Änderungen von § 289 HGB enthält Art. 76 EGHGB eine Übergangsregelung, wonach § 289 HGB in seiner jetzigen Form nur auf Jahresabschlüsse für die nach dem 31.12.2015 beginnenden Geschäftsjahre angewendet werden muss. Für die durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vorgenommenen Änderungen enthält Art. 80 EGHGB eine Übergangsregelung, wonach § 289 HGB erstmals auf Lageberichte für das nach dem 31.12.beginnende Geschäftsjahr anzuwenden ist.

B. Grundlegender Inhalt des Lageberichts (Abs. 1) I. Allgemeine Darstellung (Abs. 1 Satz 1) 1. Überblick Für den Lagebericht lassen sich zunächst allgemeine Berichtsgrundsätze entwickeln, die sich weniger aus 16 konkreten normativen Anhaltspunkten, sondern vielmehr aus allgemeinen systematischen Erwägungen ableiten lassen.2 So muss die Darstellung im Lagebericht vollständig, wahr und klar sein.3 Der Grundsatz der Vollständigkeit wird allerdings durch die Wesentlichkeit begrenzt, so dass nur diejenigen Informationen in den Lagebericht aufgenommen werden müssen, die für die Adressaten auch relevant sind.4 Weiterhin unterliegt auch die Berichterstattung im Lagebericht der Stetigkeit (§ 265 Abs. 1 HGB – § 265 HGB Rz. 6 ff.).5 Der Lagebericht muss zudem ausdrücklich als solcher bezeichnet und in deutscher Sprache unter Ver- 17 wendung des Euro als allgemeine Währungsangabe erstellt werden.6 Einer gesonderten Unterzeichnung bedarf der Lagebericht aufgrund der fehlenden Geltung von § 245 HGB nicht, was vor dem Hintergrund der bestehenden Pflicht zur Abgabe eines Bilanzeids im Lagebericht (Abs. 1 Satz 5 – Rz. 27 ff.) auch nicht erforderlich ist.7 Zur Auf- und Feststellung des Lageberichts s. Rz. 63 f. Für die Prüfung und Publizität s. 1 BGH v. 26.11.2007 – II ZR 227/06, NZG 2008, 309 (309 f.) = AG 2008, 83 (für die kleine AG); ADS6, § 289 HGB Rz. 6; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 13; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 20; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 12; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1. 2 Zu den Grundsätzen der Berichterstattung im Lagebericht vgl. etwa Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 20 ff.; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 22 ff. 3 ADS6, § 289 HGB Rz. 39; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 21; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1. 4 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 23. 5 ADS6, § 289 HGB Rz. 32; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 29. 6 Vgl. nur Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 28. 7 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 26; Pöschke, in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 4; ähnlich auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 4; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 28; die alle zu einer Unterzeichnung aus Beweisgründen raten. AA und von einer Unterzeichnungspflicht (§ 245 HGB analog) ausgehend Strieder, DB 1998, 1677 (1679); wohl auch Winkeljohann/Schellhorn in BeckBilKomm.10, § 264 HGB Rz. 16.

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§ 289 Rz. 18 | Inhalt des Lageberichts Rz. 65 ff. Der Lagebericht muss nach Abs. 1 Satz 1 zunächst auf den Geschäftsverlauf (Rz. 18 ff.) und die Lage der Kapitalgesellschaft (Rz. 21) eingehen. 2. Geschäftsverlauf der Kapitalgesellschaft 18

Der Geschäftsverlauf der Kapitalgesellschaft meint zunächst deren Geschäftstätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahr, ohne sich auf die Wiedergabe des reinen Geschäftsergebnisses zu beschränken. Vielmehr muss die Geschäftsentwicklung im gesamten abgelaufenen Geschäftsjahr erläutert werden, so dass es sich – im Gegensatz zur Berichterstattung über die Lage der Kapitalgesellschaft (Rz. 21) – um eine periodenorientierte Berichterstattung handelt.1 Der Adressat soll durch die Berichterstattung beurteilen können, wie sich die Geschäfte im Berichtszeitraum entwickelt haben und welche Ereignisse dafür ursächlich waren.

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Der genaue Inhalt der Beschreibung des Geschäftsverlaufs der Kapitalgesellschaft wird durch § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht vorgegeben. Dieser richtet sich nach Struktur und Geschäftsgebiet des berichtenden Unternehmens. Maßstab ist letztlich nur, dass die Darstellung des Geschäftsverlaufs der Kapitalgesellschaft den Adressaten ein klares Bild von der Vermögens-, der Finanz- und der Ertragslage des berichtenden Unternehmens vermittelt.2 Aufgrund dieser nicht völlig eindeutigen Vorgaben kommt den gesetzlichen Vertretern ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, welche Inhalte in die Berichterstattung aufzunehmen sind.3 IdR ist aber auf folgende Gesichtspunkte einzugehen:4 – Berichterstattung über die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einschließlich der gesamtwirtschaftlichen und der branchenspezifischen Situation; – Berichterstattung über die Materialwirtschaft; – Berichterstattung über die Produktion (Programme, Umfang etc.); – Berichterstattung über die Absatzentwicklung (Auftragseingänge, Umsatzentwicklung, Marktanteile); – Berichterstattung über das Ergebnis (Erlöse, Kosten); – Berichterstattung über das Finanzwesen (Eigen- und Fremdfinanzierung, Kapitalbedarf, Kapitalerhöhungen); – Berichterstattung über wesentliche Investitionen; – Berichterstattung über Tochtergesellschaften und Beteiligungen; – Berichterstattung über das Personal- und Sozialwesen (Mitarbeiterzahlen etc.); – Berichterstattung zu Fragen des Umweltschutzes (Recycling, Reinigungsanlagen, Filter); – Berichterstattung über weitere besondere Ereignisse (Unfälle, Streiks etc.).

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Bei der Beschreibung des Geschäftsverlaufs der Kapitalgesellschaft ergeben sich idR Überschneidungen mit der Beschreibung des Geschäftsmodells der Kapitalgesellschaft in der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289c Abs. 1 HGB (§ 289c HGB Rz. 7 f.). Trotz dieser Überschneidungen kann auf eine Beschreibung im (allgemeinen Teil) des Lageberichts nicht verzichtet oder auf die nichtfinanzielle Erklärung verwiesen werden. Vielmehr muss sowohl den Anforderungen von § 289 Abs. 1 HGB als auch denen von § 289c Abs. 1 HGB (§ 289c HGB Rz. 7 f.) umfänglich und getrennt voneinander entsprochen werden, da nur dann den unterschiedlichen Adressaten Rechnung getragen wird. Eine wörtliche Übereinstimmung beider Beschreibungen ist aber unschädlich. 3. Lage der Kapitalgesellschaft

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Zudem muss die Lage der Kapitalgesellschaft zum Bilanzstichtag dargestellt werden, so dass es sich – im Gegensatz zur Berichterstattung über den Geschäftsverlauf der Kapitalgesellschaft (Rz. 18 ff.) – um eine stichtagsbezogene Einzelbetrachtung handelt. Der Adressat soll durch die Berichterstattung über die Lage die Möglichkeit haben, die wirtschaftliche Gesamtsituation des Unternehmens einschätzen zu können. Da auch in diesem Zusammenhang lediglich der Maßstab gilt, dass durch die Berichterstattung über die Lage der Gesellschaft den Adressaten ein klares Bild von der Vermögens-, der Finanz- und der Ertragslage des berichtenden Unternehmens vermittelt werden soll, besteht auch bei diesem Teil der Berichterstattung ein erheblicher Beurteilungsspielraum für die gesetzlichen Vertreter bei der Auswahl der kon1 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 57; Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 116 f. 2 Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 117. 3 Lange in MünchKomm. HGB3. § 289 Rz. 60. 4 Mit dieser Aufzählung etwa Ballwieser in FS Baetge, 153 (160 f.); Lange in MünchKomm. HGB3. § 289 Rz. 58; Stobbe, BB 1988, 303 (307 f.).

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B. Grundlegender Inhalt (Abs. 1)

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Rz. 25 § 289

kreten Berichtsinhalte. Zu den Berichtsinhalten zählen typischerweise auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, bei denen auch auf strukturelle Veränderungen der Gesellschaft und/oder des Gesellschafterbestands einzugehen ist.1 Ebenso ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzugehen und darüber zu berichten, wie sich die Branche des berichtenden Unternehmens im Vergleich zur Gesamtwirtschaft entwickelt hat.2

II. Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft (Abs. 1 Satz 2) Die Angaben zum Geschäftsverlauf (Rz. 18 ff.) und zur Lage der Gesellschaft (Rz. 21) sind nach § 289 22 Abs. 1 Satz 2 HGB im Lagebericht zu analysieren. Somit können sich die gesetzlichen Vertreter gerade nicht auf eine bloße Berichterstattung über bestimmte Verläufe und Ereignisse zurückziehen, sondern müssen diese selbst bewerten und beurteilen. Einen konkreten Maßstab für diese Analyse wird durch Abs. 1 Satz 2 nicht vorgegeben. Da Abs. 1 Satz 2 aber eine ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit entsprechende Analyse fordert, sind in diesem Zusammenhang erhöhte Anforderungen zu stellen. Daher muss insbes. auf jedes im Vergleich zu den Vorjahren abweichendes Ereignis eingegangen und dies in den Kontext der bisherigen Entwicklungen gestellt werden. Da Abs. 1 Satz 4 (Rz. 24 ff.) eine zukunftsbezogene Berichterstattung vorschreibt, beschränkt sich die Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft auf vergangene Entwicklungen. In der Analyse muss nach Abs. 1 Satz 3 zudem auf die bedeutsamen finanziellen Indikatoren eingegangen werden (Rz. 23).

III. Bedeutsame finanzielle Indikatoren (Abs. 1 Satz 3) In der Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft nach § 289 Abs. 1 Satz 2 HGB (Rz. 22) 23 ist vor allem auf die bedeutsamen finanziellen Indikatoren einzugehen (Abs. 1 Satz 3). Damit soll eine hinreichende Fokussierung und erhöhte Zielgenauigkeit in der Analyse nach Abs. 1 Satz 2 erreicht werden. Zu den bedeutsamen finanziellen Indikatoren zählen die Angaben, die sich direkt wertmäßig auf die Rechnungslegung auswirken, so dass dazu vor allem die Ergebnisentwicklung und die Ergebniskomponenten, die Liquidität und die Kapitalausstattung zählen.3

IV. Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung (Abs. 1 Satz 4) Zudem muss nach § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen 24 Chancen und Risiken beurteilt und erläutert werden. Insofern muss eine Geschäftsentwicklungs- und Lageanalyse vorgenommen werden, die sich an internationalen Standards zu orientieren hat. Dabei müssen die zugrunde liegenden Prämissen transparent gemacht und ausführlich dargestellt werden,4 da der Lagebericht nur dann seinen Zweck (Rz. 2 ff.) erfüllen kann. Zentrale Bedeutung im Rahmen von § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB haben die bestandsgefährdenden Risiken. 25 Aber auch andere Risiken mit einem erheblichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage sind im Lagebericht darzustellen. Die Herkunft dieser Risiken ist dabei grundsätzlich unbeachtlich, so dass auch externe Faktoren etwa aus den Bereichen Politik, Recht und Gesellschaft einbezogen werden müssen.5 Die Berichtspflicht erstreckt sich nicht nur auf vorhersehbare, sondern auch auf weiter entfernte Risiken, soweit deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht rein theoretisch ist.6 Dabei ist ein Zeitraum von zwei Jahren maßgeblich.7 Für die Erläuterung gilt ein Saldierungsverbot, so dass auf bestehende Risiken auch dann einzugehen ist, wenn diesen erhöhte Chancen gegenüberstehen.8 Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn Risiken durch entsprechende Kompensationsgeschäfte abgesichert sind,9 da die Adressaten auch in 1 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 61; Stobbe, BB 1988, 303 (308); ähnlich Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 51 (Angabe laufender Gerichtsverfahren). 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 49; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 62. 3 Begr. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419, 30; ebenso Heuser/Theile, GmbHR 2005, 201 (206); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 74; Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 118. 4 Begr. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419, 30. 5 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 81; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1. 6 Küting/Hütten, AG 1997, 250 (252); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1. 7 Kajüter, BB 2004, 427 (429); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1; Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 121; strenger Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 90 (zwölf Monate). 8 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 66; Wolf, DStR 2005, 438 (441). 9 AA Kajüter, BB 2004, 427 (429); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 82; wohl auch Kaiser, DB 2005, 345 (350 f.); Wolf, DStR 2005, 438 (441).

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§ 289 Rz. 26 | Inhalt des Lageberichts diesem Fall ein Interesse an den Risiken haben, zumal nicht immer garantiert ist, dass entsprechende Kompensationsgeschäfte tatsächlich erfolgreich sein werden. 26

Diese Berichtspflicht entfällt auch dann nicht, wenn große Unsicherheiten hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Lage (zB. Finanzkrise) bestehen und eine Prognose nur sehr eingeschränkt vorgenommen werden kann.1 Der Grundsatz ultra posse nemo obligatur bzw. § 275 Abs. 1 BGB finden somit keine Anwendung, da § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB stets von einer Möglichkeit der Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung ausgeht.

V. Bilanzeid (Abs. 1 Satz 5) 27

Nach § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB erstreckt sich der nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB (§ 264 HGB Rz. 62 ff.) abzugebende Bilanzeid auch auf den Lagebericht. Der Anwendungsbereich von § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB stimmt mit dem von § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB überein, so dass nur die gesetzlichen Vertreter eines Inlandsemittenten iSd. § 2 Abs. 7 WpHG, der keine Kapitalgesellschaft iSd. § 327a HGB ist, einen Bilanzeid abgeben müssen (§ 264 HGB Rz. 64 f.). Mit der Abgabe des sogenannten Bilanzeids sollen die verantwortlichen Vertreter der Gesellschaft dazu angehalten werden, die Berichterstattung tatsächlich zutreffend vorzunehmen (Appell- und Warnfunktion).2 Der Bilanzeid ist ein eigenständiges Informationsinstrument und stellt daher keinen Teil des Lageberichts dar.3 Somit unterliegt dieser auch nicht der Abschlussprüfung.4 Auch wenn der Bilanzeid ebenso für den Jahresabschluss abgegeben werden muss (§ 264 Abs. 2 Satz 3 HGB – § 264 HGB Rz. 62 ff.), bedeutet dies nicht, dass dieser und derjenige für den Lagebericht gemeinsam abgegeben werden müssen. Die Abgabe als einheitliche Erklärung ist aber zulässig.5

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Der Bilanzeid ist von sämtlichen Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft einzeln abzugeben. Dies gilt auch dann, wenn besondere Zuständigkeitsbereiche existieren.6 Die Abgabe des Bilanzeids erfordert eine Unterzeichnung der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs, da dieser sonst schon nicht abgegeben werden kann.7 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der fehlenden Pflicht zur Unterzeichnung des Lageberichts, da der Bilanzeid schon kein Bestandteil von diesem ist (Rz. 27). Die Mitglieder des Aufsichtsrats müssen keine entsprechende Erklärung abgeben, und zwar auch dann nicht, wenn diese nach § 112 AktG zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind.

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Inhaltlich müssen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft versichern, dass nach bestem Wissen im Lagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, und dass die wesentlichen Chancen und Risiken (§ 289 Abs. 1 Satz 4 HGB) beschrieben sind. Auch wenn die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft den Bilanzeid nur nach bestem Wissen abgeben, muss dieser inhaltlich wahr sein.8 Einschränkungen ergeben sich dahingehend nur bei den Sanktionen, die nur bei vorsätzlichem und nicht schon bei fahrlässigem Verhalten verhängt werden können.9 Zu den einzelnen Sanktionen s. Rz. 75 ff.

VI. Einschränkungen des Berichtsinhalts aufgrund besonderer Interessen 30

Der Inhalt des Lageberichts wird zudem durch die Schutzklausel des § 286 HGB (analog) eingeschränkt.10 Allerdings kommt insofern nur § 286 Abs. 1 HGB (§ 286 HGB Rz. 10 ff.) zur Anwendung, da § 286 Abs. 2 und 3 HGB schon der Sache nach nicht auf die Lageberichterstattung übertragen werden können.11 Dieser 1 OLG Frankfurt/Main v. 24.11.2009 – WpÜG 11, 12/09, NZG 2010, 63 (64 f.); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 77; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1. 2 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, 54 f.; Fleischer, ZIP 2007, 97 (104 f.). 3 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 68; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 91. 4 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 91. 5 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 70; Hahn, IRZ 2007, 375 (377). 6 Altenhain, WM 2008, 1141 (1146); Fleischer, ZIP 2007, 97 (100); Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 75; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 91. 7 AA Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 69. 8 Fleischer, ZIP 2007, 97 (100 f.); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 92. 9 Beschlussempfehlung und Bericht des FinAussch., BT-Drucks. 16/3644, 58; Fleischer, ZIP 2007, 97 (101); Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 82; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 92; weitergehend aber Altenhain, WM 2008, 1141 (1145), der auch fahrlässiges Verhalten mit einbeziehen will. 10 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 35 f.; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 53; Merkt in Baumbach/ Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1; aA ADS6, § 289 HGB Rz. 54. 11 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 54; Lange, BB 1999, 2447 (2451); unklar Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 36.

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C. Weitergehender Inhalt (Abs. 2)

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Rz. 36 § 289

analogen Anwendung von § 286 HGB stehen auch keine europarechtlichen Bedenken entgegen.1 Zwar sieht die (neue) Bilanzrichtlinie keine entsprechende Schutzklausel für die Lageberichterstattung vor. Allerdings wäre eine uneingeschränkte und lückenlose Berichterstattung bei Vorliegen entgegenstehender Interessen des berichtspflichtigen Unternehmens unverhältnismäßig, so dass sich auch im Rahmen der (neuen) Bilanzrichtlinie ein entsprechender Spielraum für eine einschränkende Auslegung ergibt. Zudem kann der Inhalt des Lageberichts auch nach § 131 Abs. 3 AktG eingeschränkt werden, da es mit 31 dem mit § 131 Abs. 3 AktG verfolgten Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft nicht vereinbar wäre, wenn die in § 131 Abs. 3 AktG genannten Aspekte im Lagebericht dargestellt werden müssten.2 Die analoge Anwendung von § 131 Abs. 3 AktG erstreckt sich nicht nur auf die AG, sondern auf alle lageberichtspflichtigen Unternehmen. Im Ergebnis dürften sich dabei aber keine Unterschiede zur Anwendung von § 286 Abs. 1 HGB (Rz. 10 ff.) ergeben.

VII. Freiwillige Zusatzinformationen Die in § 289 Abs. 1 HGB enthaltene Definition des Inhalts des Lageberichts ist nicht abschließend, so dass 32 die für den Lagebericht vorgesehenen Inhalte einer darüber hinausgehenden, freiwilligen Berichterstattung nicht im Weg stehen.3 Dies gilt etwa für eine Kapitalflussrechnung, die Segmentberichterstattung oder Sonderbilanzen. Diese zusätzlichen Informationen dürfen allerdings den zwingenden Inhalt des Lageberichts nach Abs. 1 nicht relativieren. Darüber hinaus müssen freiwillige Zusatzangaben von der eigentlichen Lageberichterstattung getrennt werden.4 Denn durch die inzwischen detailliert vorgegebenen Inhalte für den Lagebericht wird auch mit diesem eine Standardisierung der Informationsvermittlung (Rz. 4) verfolgt, die durch weitere Zusatzangaben relativiert werden würde. Für die getrennte Darstellung hat sich in der Praxis der Begriff des Geschäftsberichts herausgebildet, in dem typischerweise periodisch veröffentlichte Berichte aufgenommen werden, die sich auf Inhalte jenseits der Lageberichterstattung beziehen.5

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C. Weitergehender Inhalt des Lageberichts (Abs. 2) I. Bedeutung Durch § 289 Abs. 2 HGB werden weitere Berichtsgegenstände in den Lagebericht eingeordnet, mit denen die Angaben nach Abs. 1 weiter konkretisiert werden. Die Aufnahme dieser Berichtsgegenstände in den Lagebericht ist verpflichtend, was durch die Änderung des Eingangssatzes von Abs. 2 durch das BilRUG (Rz. 6) auch eindeutig zum Ausdruck kommt. Allerdings besteht diese Pflicht nur, wenn auch tatsächlich die entsprechenden Umstände vorliegen.6

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Die Berichterstattung nach Abs. 2 muss zusammen mit den Angaben nach Abs. 1 (Rz. 16 ff.) erfolgen (integrierte Darstellung).7

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II. Risikoberichterstattung im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) 1. Grundlagen Aufgrund des besonderen Risikos von bestimmten Finanzinstrumenten sieht § 289 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 36 HGB eine besondere Berichtspflicht vor, die sich in die Darstellung des Risikomanagements und der -ziele zur Absicherung von Transaktionen im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Rz. 38 ff.) 1 AA Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 53. 2 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1; aA ADS6, § 289 HGB Rz. 54 (generell gegen eine Schutzklausel zugunsten von Gesellschaftsinteressen); Küting/Hütten, AG 1997, 250 (255); offen lassend Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 53. 3 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 13; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1. 4 Ebenso Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 21. 5 Barenhoff, Die Lageberichterstattung der DAX-Konzerne unter dem Einfluss des Bilanzrechtsreformgesetzes, 68 ff.; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 21. 6 Begr. RegE BilRUG, BR-Drucks. 23/15, 84; ADS6, § 289 HGB Rz. 96; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 1, der von einer Regelpflicht spricht. Abweichend Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 97, der eine grundsätzliche Berichtspflicht annimmt. 7 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 74.

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§ 289 Rz. 37 | Inhalt des Lageberichts und der Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken und Risiken aus Zahlungsstromschwankungen (Rz. 41) unterteilt. 37

Die Berichtspflicht bezieht sich nur auf Finanzinstrumente. Da die Regelung des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ihren Ursprung im europäischen Bilanzrecht hat, muss für den Begriff der Finanzinstrumente im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auf das europäische Kapitalmarktrecht zurückgegriffen werden, das diesen in Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFiD II1 definiert.2 Daher sind unter den Begriff der Finanzinstrumente alle in Anhang I Abschn. C der MiFiD II genannten Instrumente zu verstehen. Darüber hinaus besteht die Berichtspflicht aber nur, wenn dies für die Beurteilung der Lage oder der voraussichtlichen Entwicklung von Belang ist. Dies tritt nur auf diejenigen Finanzinstrumente zu, die von der Gesellschaft überhaupt genutzt werden und die in dem relevanten Prognosezeitraum für diese relevant werden können.3 2. Risikomanagement und -ziele zur Absicherung von Transaktionen im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a)

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Hinsichtlich der Risikomanagementziele muss zunächst dargestellt werden, in welchem Umfang die Unternehmensleitung zur Eingehung von Risiken bei Sicherungsgeschäften bereit ist. Erst in einem zweiten Schritt muss dann im Rahmen der Risikomanagementmethoden darüber berichtet werden, welche Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele ergriffen wurden. Dabei ist vor allem darauf einzugehen, wie eine Risikokonzentration verhindert und eine Risikominimierung erreicht werden soll.

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Dabei handelt es sich nicht um eine allgemeine Berichtspflicht hinsichtlich des Risikomanagements, sondern lediglich um eine Spezialregelung für Sicherungsgeschäfte in Bezug auf Finanzinstrumente. Somit sind vor allem Hedge-Geschäfte erfasst.4 Zur Berichterstattung über das Kontroll- und das Risikomanagementsystem Rz. 53 ff.

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Die Berichterstattung kann verbal erfolgen, da § 289 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB insofern keine konkreten Vorgaben macht.5 Der notwendige Umfang der Berichterstattung richtet sich nach dem Risiko des Finanzinstruments für die Gesellschaft. 3. Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken und Risiken aus Zahlungsstromschwankungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b)

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Zudem muss nach § 289 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b auf die Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken und Risiken aus Zahlungsstromschwankungen eingegangen werden, die sich aus den Finanzinstrumenten (Rz. 37) ergeben können. Sofern die Risiken durch Sicherungsgeschäfte vollständig neutralisiert wurden, besteht keine Berichtspflicht.6 Im Rahmen der Preisänderungsrisiken ist vor allem auf Wechselkursschwankungen sowie mögliche Zins- oder Marktpreisschwankungen einzugehen.7 Das Ausfallrisiko bezieht sich auf die Gefahren, die sich aus einer fehlenden Leistungserbringung durch die Vertragspartner ergeben können.8 Bei Liquiditätsrisiken handelt es sich um Risiken, die sich daraus ergeben können, dass die Gesellschaft selbst oder die Vertragspartner ihren Zahlungsverpflichtungen (vorübergehend) nicht nachkommen können.9 Mit Zahlungsstromschwankungen sind schließlich die Gefahren gemeint, die sich aus der Variierung von Marktpreisen ergeben können.10

III. Forschung und Entwicklung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) 42

Die Berichterstattung über Forschung und Entwicklung dient der Aufdeckung des zukünftigen Potentials des Unternehmens gegenüber den Adressaten des Jahresabschlusses. Beide Begriffe werden in § 255 Abs. 2a Satz 2 HGB (§ 255 HGB Rz. 90 ff.) bzw. § 255 Abs. 2a Satz 3 HGB (§ 255 HGB Rz. 90 ff.) definiert. 1 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU 2014 Nr. L 173, 349. 2 AA Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 82; unklar Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 106. 3 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 83. 4 Begr. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419, 31; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 2. 5 Ähnlich Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 81. 6 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 87; WP-Handb.15, I F Rz. 1130. 7 Grottel in BeckBilKomm.10, § 315 HGB Rz. 180; Heuser/Theile GmbHR 2005, 201 (206); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 88; WP-Handb.15, I F Rz. 1130. 8 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 88. 9 Heuser/Theile GmbHR 2005, 201 (206); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 88. 10 Grottel in BeckBilKomm.10, § 315 HGB Rz. 183; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 88; WPHandb.15, I F Rz. 1130.

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C. Weitergehender Inhalt (Abs. 2)

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Rz. 47 § 289

Für die Berichtspflicht macht es keinen Unterschied, ob die Forschung und Entwicklung durch das Unternehmen selbst oder durch einen Dritten durchgeführt wird. Umgekehrt wird die Auftragsforschung für Dritte aber nicht erfasst, da das Entwicklungspotential bei diesen Forschungsaufträgen für Dritte gering ist und das Unternehmen typischerweise eine monetäre Gegenleistung erhält, die keiner besonderen Darstellung im Lagebericht bedarf.1

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Die Berichtspflicht besteht zudem nur bei den Unternehmen, die auch tatsächlich Forschung und Ent- 44 wicklung betreiben, da nur bei diesen das für die Berichtspflicht maßgebliche Entwicklungspotential besteht. Allerdings müssen Unternehmen von forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen bei einer fehlenden Aktivität im Bereich Forschung und Entwicklung Angaben dazu machen, warum darauf verzichtet wird oder die entsprechenden Tätigkeiten eingestellt wurden.2 Neben einer konkreten Beschreibung der Tätigkeiten im Bereich Forschung und Entwicklung muss – 45 trotz der bereits bestehenden Angabe im Anhang (§ 285 Nr. 22 HGB – § 285 HGB Rz. 216 ff.) – der Umfang der Gesamtaufwendungen angegeben werden, die nach eigenen Investitionen und Zuschüssen Dritter aufgeschlüsselt werden müssen. Zudem müssen die Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und deren Personalbestand dargestellt werden.3 Diese Angaben müssen sich grundsätzlich immer auf das dem Jahresabschluss zugrunde liegende Geschäftsjahr beziehen. Hinsichtlich des bestehenden Potentials und der zu erwartenden Entwicklungen ist hingegen eine Prognose für die nahe Zukunft vorzunehmen. Soweit bereits konkrete Ergebnisse und Zwischenschritte wie etwa Patentanmeldungen erreicht wurden, ist über diese zu berichten. Die Berichtspflicht findet ihre Beschränkungen allerdings in dem Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens, so dass keine Details zu nennen sind, soweit damit unmittelbare Nachteile für das Unternehmen verbunden sind.4

IV. Zweigniederlassungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) Einzugehen ist zudem auf die bestehenden Zweigniederlassungen der Gesellschaft, um damit den geogra- 46 phischen Umfang der wirtschaftlichen Aktivität der Gesellschaft abschätzen zu können. Anzugeben sind neben den inländischen auch die ausländischen5 Zweigniederlassungen, und zwar unabhängig davon, ob sich diese im europäischen Binnenmarkt befinden oder nicht. Da die Berichtspflicht nach § 289 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HGB auf Art. 19 Abs. 2 Buchst. d (neue) Bilanzrichtlinie zurückgeht, muss ein europarechtliches Verständnis des Begriffs der Zweigniederlassung zugrunde gelegt werden.6 Daher ist insofern ein auf gewisse Dauer angelegter und sowohl in sachlicher als auch in personeller Hinsicht entsprechend ausgestatteter Geschäftsbetrieb erforderlich, dessen Geschäftsleitung befugt ist, im Namen der Gesellschaft Rechtsgeschäfte vorzunehmen.7 Erforderlich ist daher auch, dass die Zweigniederlassung nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, da dann idR die Pflicht zur Erstellung einer Konzernbilanz besteht (§ 290 Abs. 1 HGB). Auf sonstige Geschäftsstellen muss im Lagebericht nicht eingegangen werden, was eine freiwillige Berichterstattung aber nicht ausschließt. Sofern eine solche erfolgt, müssen die sonstigen Geschäftsstellen hinreichend von etwaigen Zweigniederlassungen abgegrenzt werden.8 Die Zweigniederlassungen müssen einzeln mit Angaben ihres Sitzes genannt werden. Darüber hinaus be- 47 darf es der Angabe aller wesentlichen Informationen über die Zweigniederlassungen, so dass insbes. der Umsatz, die Investitionen und die Mitarbeiterzahl anzugeben ist, da sich der Adressat des Jahresabschlusses nur dann ein hinreichendes Bild von der wirtschaftlichen Aktivität der Gesellschaft machen kann. Bei einer größeren Anzahl von Zweigniederlassungen kann aber auch eine zusammenfassende Berichterstattung erfolgen.9

1 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 91; Kuhn, DStR 1993, 491 (492); Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 125 f. 2 Ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 91; Kuhn, DStR 1993, 491 (492); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 111. 3 Grottel in BeckBilKomm.10, § 315 HGB Rz. 189; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 92. 4 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 93; im Ergebnis auch Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 109. 5 Für eine Erfassung ausländischer Zweigniederlassungen Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 2; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 116. 6 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 117; aA Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 95. 7 EuGH v. 22.11.1978 – C-33/78 (Somafer SA), EuGHE 1978, 2183 Tz. 12; dazu insgesamt Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 5 Rz. 56; im Ergebnis auch Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 95. 8 Fey, DB 1994, 485 (487); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 95. 9 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 95; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 118; aA Hahnefeld, DStR 1993, 1596.

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§ 289 Rz. 48 | Inhalt des Lageberichts

V. Angaben im Anhang bei Aktiengesellschaften (Abs. 2 Satz 2) 48

Nach § 289 Abs. 2 Satz 2 HGB muss bei Aktiengesellschaften im Lagebericht auf den Anhang hinsichtlich der dort nach § 160 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu machenden Angaben zu den eigenen Aktien verwiesen werden. Damit will der deutsche Gesetzgeber den Anforderungen von Art. 19 Abs. 2 Buchst. c (neue) Bilanzrichtlinie nachkommen, der eine solche Berichtspflicht für den Lagebericht vorsieht. Ob mit dem in Abs. 2 Satz 2 vorgesehenen Verweis diesen Anforderungen genügt wird, muss allerdings bezweifelt werden. Zudem hat sich der deutsche Gesetzgeber durch den Verweis in Abs. 2 Satz 2 der nach Art. 19 Abs. 3 (neue) Bilanzrichtlinie bestehenden Möglichkeit der fehlenden Erstreckung der Berichtspflicht für kleine Kapitalgesellschaften beraubt, da diese die Angaben zu den eigenen Aktien nach deutschem Recht nun stets im Anhang machen müssen.1

D. Angabe nichtfinanzieller Leistungsindikatoren (Abs. 3) 49

Durch § 289 Abs. 3 HGB wird die nach Abs. 1 Satz 3 bestehende Berichtspflicht für finanzielle Leistungsindikatoren bei großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB – § 267 HGB Rz. 10 ff.) auf nichtfinanzielle Leistungsindikatoren ausgeweitet, soweit diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind. Damit soll vor allem den sozialen und ökologischen Belangen im Rahmen der Lageberichterstattung größere Bedeutung eingeräumt werden.2 Damit ist Abs. 3 ein Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichterstattung, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist (Rz. 6).

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Der Begriff der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren wird durch § 289 Abs. 3 HGB nicht genauer definiert. Es findet sich vielmehr nur ein Verweis auf Informationen über Umweltbelange und Arbeitnehmerbelange, der aber nicht abschließend ist.3 Bei Umweltbelangen sind Angaben zu allgemeinen Umweltschutzstrategien und -programmen, der Einhaltung von Umweltschutzregelungen sowie über den Verbrauch von Energie, Material und Wasser und über Emissionen und Abfall zu machen.4 Diese Angaben sollen die zuständigen Behörden und die Allgemeinheit in die Lage versetzen, die Einhaltung der jeweiligen Umweltvorschriften nachvollziehen zu können.5 Bei den Arbeitnehmerbelangen müssen Angaben zur Arbeitnehmerschaft gemacht werden. Dazu gehören neben Angaben zum Altersaufbau, zur Betriebszugehörigkeit, zur Fluktuation und zum Personalaufwand auch solche zum Krankenstand.6 Darüber hinaus ist auch auf betriebliche Sozialleistungen, Arbeitnehmerbeteiligungs-Programme, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen und etwaige Mitbestimmungsvereinbarungen einzugehen.7 Auch der Anteil von Leiharbeitern im Verhältnis zur übrigen Belegschaft ist darzustellen.

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Der Umfang der Berichtspflicht richtet sich nach dem Einfluss der jeweiligen Umstände auf den Geschäftsverlauf oder die Lage der Gesellschaft. Daher sind insgesamt eher unbedeutende Faktoren zu vernachlässigen, ohne dass Abs. 3 allerdings klare Kriterien vorgibt, wann dies der Fall ist. Insgesamt wird man sich an branchenspezifischen Besonderheiten und Berichtspraktiken zu orientieren haben, so dass die Angaben nach Abs. 3 immer schon dann zu machen sind, wenn dies in der jeweiligen Branche typischerweise der Fall ist.

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Durch die nach §§ 289b ff. HGB bestehende Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung bzw. eines nichtfinanziellen Berichts ergeben sich für große Kapitalgesellschaften nicht unerhebliche Dopplungen bei der Berichterstattung. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Berichtspflichten getrennt voneinander zu erfüllen sind, so dass es tatsächlich zu Dopplungen bei der Berichterstattung kommen kann. Insofern ist auch unzulässig, jeweils auf den anderen Bericht zu verweisen, da dies die Kenntnisnahme der jeweiligen Berichtsinhalte für die Adressaten erschwert.

1 Ebenso Fink/Theile, DB 2015, 753 (760); Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 111. 2 Begr. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419, 30; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 105. 3 Begr. RegE BilReG, BT-Drucks. 15/3419, 31; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 104; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 127. 4 Zu den Einzelheiten vgl. die Empfehlung der Kommission vom 30.5.2001 zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und Lagebericht von Unternehmen: Ausweis, Bewertung und Offenlegung, ABl. EG 2001 Nr. L 156, 33 ff. Vgl. auch Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 129; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 3. 5 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 106; Lange/Daldrup, WPg. 2002, 657 (658). 6 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 128. 7 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 107; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 128.

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E. Kontroll- und Risikomanagementsystem (Abs. 4)

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Rz. 58 § 289

E. Beschreibung des internen (rechnungslegungsbezogenen) Kontroll- und des Risikomanagementsystems (Abs. 4) I. Grundlagen Nach § 289 Abs. 4 HGB müssen kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften iSv. § 264d HGB (§ 264d 53 HGB Rz. 6 ff.) die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess beschreiben. Damit stellt Abs. 4 ein wichtiges Element der Corporate Governance dar, das der Stärkung des Vertrauens des Kapitalmarkts in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung dient.1 Durch Abs. 4 wird keine Pflicht zur Einrichtung eines solchen Systems geschaffen, noch werden inhalt- 54 liche Vorgaben für dessen Ausgestaltung gemacht.2 Diese Pflicht ergibt sich aber allgemein aus § 91 Abs. 2 AktG und aus Ziff. 4.1.4 DCGK, ohne dass diese beiden Regelungen bzw. Empfehlungen aber speziell auf die Rechnungslegung bezogen sind. Gegenstand der Berichtspflicht ist zum einen das interne rechnungslegungsbezogene Kontrollsystem (Rz. 56) und zum anderen das rechnungslegungsbezogene Risikomanagementsystem (Rz. 57). Besteht zum Abschlussstichtag tatsächlich weder ein internes rechnungslegungsbezogenes Kontrollsystem noch ein rechnungslegungsbezogenes Risikomanagementsystem, muss dies angegeben werden,3 ohne dass die Gründe dafür genannt werden müssen.4

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II. Inhalt der Berichterstattung 1. Internes rechnungslegungsbezogenes Kontrollsystem Die Beschreibung muss zunächst das interne rechnungslegungsbezogenes Kontrollsystem umfassen, zu dem die Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen zur Sicherung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Rechnungslegung, zur Sicherung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung sowie zur Sicherung der Einhaltung der maßgeblichen rechtlichen Vorschriften gehören.5 Auch das interne Revisionssystem ist erfasst, soweit es sich auf die Rechnungslegung bezieht.6

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2. Internes rechnungslegungsbezogenes Risikomanagementsystem Weiterhin muss das interne rechnungslegungsbezogene Risikomanagementsystem beschrieben werden. 57 Dieser Aspekt ist vor allem bei der Vornahme von Risikoabsicherungen relevant, wenn diese direkte handelsbilanzielle Auswirkungen haben.7 In diesem Fall ist anzugeben, wie die einzelnen Bewertungseinheiten überwacht und gesteuert werden.

III. Art und Weise der Berichterstattung Die Darstellung des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rech- 58 nungslegungsprozess muss den Adressaten des Lageberichts in die Lage versetzen, die Effektivität dieses Systems einschätzen zu können.8 Eine solche Einschätzung muss durch den Bericht allerdings nicht vorgenommen werden, da § 289 Abs. 4 HGB lediglich zur Darstellung des Systems verpflichtet.9 Zudem sind nur die wesentlichen Merkmale zu beschreiben, so dass es gerade keiner allumfassenden Berichterstattung 1 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 76. 2 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 76; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 171; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 139; Kort, ZGR 2010, 440 (453); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 5; Wohlmannstetter, ZGR 2010, 472 (476). 3 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 76; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 171; Kort, ZGR 2010, 440 (453); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 5; Withus, KoR 2009, 440 (441). 4 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 172. 5 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 77; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 143; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 161. 6 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 77; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 179. 7 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 77; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 180; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 144; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 162. 8 Ähnlich RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 76, wonach sich die Adressaten ein Bild von den wesentlichen Merkmalen machen sollen. 9 RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 76; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 5.

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§ 289 Rz. 59 | Inhalt des Lageberichts in diesem Zusammenhang bedarf. Maßstab ist dabei, ob die getroffenen Maßnahmen und Verfahrensabläufe für die vorhandenen relevanten rechnungslegungsbezogenen Systeme charakteristisch sind.1 59

Der Berichtspflicht ist in jedem Geschäftsjahr erneut nachzukommen, so dass bei der Berichterstattung nicht auf Lageberichte aus vergangenen Jahren verwiesen werden kann.2

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Die Berichtspflicht nach § 289 Abs. 4 HGB überschneidet sich mit dem Risikobericht nach Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b (Rz. 38 ff.). Zur Vermeidung von Doppelangaben können die Angaben nach Abs. 4 auch vollständig in den Risikobericht nach Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a aufgenommen werden.3

F. Weitere Inhalte des Lageberichts 61

Die in § 289 HGB enthaltenen Vorgaben für den Inhalt des Lageberichts sind nicht abschließend, da eine Reihe weiterer Vorschriften zwingende Inhalte für diesen vorsehen. Bei diesen weiteren Inhalten des Lageberichts handelt es sich um – übernahmerechtliche Angaben bei kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 289a HGB), – die nichtfinanzielle Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB sofern nicht ein gesonderter nichtfinanzieller Bericht erstellt und veröffentlicht wird (§ 289b Abs. 3 HGB), – die Erklärung zur Unternehmensführung, die von börsen- bzw. kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften abzugeben ist (§ 289f HGB) und – den Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit (§§ 21, 22 Abs. 4 EntgTranspG).

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Die entsprechenden Vorschriften zur Erweiterung des Inhalts des Lageberichts sind unterschiedlich ausgestaltet und lassen nicht immer klar erkennen, ob es sich um eine bloße Erweiterung des Inhalts des Lageberichts oder aber um ein eigenständiges Informationsinstrument handelt soll. Für die übernahmerechtlichen Angaben nach § 289a HGB, die nichtfinanzielle Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB und die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB muss von einer vollumfassenden Integration dieser Berichtsinhalte in den Lagebericht ausgegangen werden, da der Wortlaut der jeweiligen Normen dies klar zum Ausdruck bringt.4 Etwas anderes muss aber für den nach §§ 21, 22 Abs. 4 EntgTranspG zu erstellenden Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit gelten, da dieser dem Lagebericht nur als Anlage beizufügen ist (§ 22 Abs. 4 EntgTranspG). Da damit eine klare strukturelle Abgrenzung vorgenommen wird und § 22 Abs. 4 EntgTranspG auch nur die Herstellung einer allgemeinen Öffentlichkeit bezweckt,5 kommen die übrigen Vorschriften für den Lagebericht nicht zur Anwendung.6 Zur Abschlussprüfung s. Rz. 65 ff.

G. Auf- und Feststellung des Lageberichts 63

Der Lagebericht ist von den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft einmal jährlich aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Die Fristen für die Erstellung sind die gleichen wie beim Jahresabschluss,7 so dass der Lagebericht innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des zugehörigen Geschäftsjahrs zu erstellen ist (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB – § 264 HGB Rz. 15 ff.).

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Nach der Prüfung (Rz. 65 ff.) ist er den Gesellschaftern zugänglich zu machen (§ 42a Abs. 1 GmbHG, s. § 42a GmbHG Rz. 5 ff., § 175 Abs. 2 AktG, s. § 175 AktG Rz. 15 ff.) und ggf. gesondert zu erläutern (§ 176 Abs. 1 Satz 1 AktG – § 176 AktG Rz. 7 ff.). Einer gesonderten Feststellung bedarf der Lagebericht nicht.

H. Prüfung und Publizität des Lageberichts 65

Der Lagebericht muss bei Bestehen eines Aufsichts- bzw. Beirats nach § 171 AktG geprüft werden (§ 171 AktG Rz. 7 ff.). Zudem unterliegt der Lagebericht der Abschlussprüfung (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 316 HGB Rz. 24 ff.), wobei bei dieser besondere Maßstäbe für die Prüfung (§ 317 Abs. 2 HGB – § 317 HGB Rz. 74 ff.) und die Erteilung des Bestätigungsvermerks nach § 322 Abs. 6 HGB (§ 322 HGB Rz. 60 ff.) gelten. In diesem Zusammenhang ist vor allem der IDW PS 350 (Prüfung des Lageberichts)8 zu beachten. 1 2 3 4 5 6 7 8

Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 185; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 146. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 171. RegE Begr. BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 77; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 195. § 289a Abs. 1 HGB („…im Lagebericht außerdem anzugeben…“), § 289b Abs. 1 Satz 1 HGB („… ihren Lagebericht … zu erweitern“) und § 289f Abs. 1 Satz 1 Satz 1 HGB („… in ihren Lagebericht aufzunehmen“). Begr. RegE EntgTranspG, BT-Drucks. 18/11133, 74. So ausdrücklich Begr. RegE EntgTranspG, BT-Drucks. 18/11133, 74. Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 46. WPg. 2016, 538.

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I. Rechtsfolgen eines fehlenden oder fehlerhaften Lageberichts

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Rz. 74 § 289

Der nach §§ 21, 22 Abs. 4 EntgTranspG zu erstellende Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit 66 unterliegt nicht der Abschlussprüfung, da es sich bei diesem nur um eine Anlage zum Lagerbericht (§ 22 Abs. 4 EntgTranspG) handelt. Schließlich unterliegt der Lagebericht der allgemeinen Rechnungslegungspublizität (§ 325 Abs. 1 Satz 1 67 Nr. 1 HGB – § 325 HGB Rz. 16 ff.). Diese erstreckt sich auch auf den nach §§ 21, 22 Abs. 4 EntgTranspG zu erstellenden Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit.

I. Rechtsfolgen eines fehlenden oder fehlerhaften Lageberichts I. Allgemeine Lageberichterstattung (Abs. 1–3) 1. Bilanzrechtliche Folgen Ein fehlender oder fehlerhafter Lagebericht kann keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahres- 68 abschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da der Lagebericht nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Das Fehlen oder die Fehlerhaftigkeit des Lageberichts kann im Rahmen des Enforcement-Verfahrens fest- 69 gestellt werden, da der Lagebericht als Prüfungsgegenstand des Enforcement-Verfahrens (§ 342b Abs. 2 HGB – § 342b HGB Rz. 16 ff., § 37n Nr. 1 WpHG) dann nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht.1 Haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft keinen Lagebericht aufgestellt und veröffentlicht, kön- 70 nen sie dazu nach § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB durch die Festsetzung von Zwangsgeld durch das Bundesamt für Justiz angehalten werden. Das Verfahren kann auch gegen die Gesellschaft selbst betrieben werden (§ 335 Abs. 1 Satz 2 HGB – § 335 HGB Rz. 20 ff.). 2. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht Die Aufstellung und Veröffentlichung eines fehlerhaften Lageberichts kann eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) begründen, wenn dadurch die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden. Zudem kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden.

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3. Zivilrechtliche Folgen Ansprüche der Kapitalgesellschaft gegen die Verwaltungsmitglieder im Rahmen einer (Innen-)Haftung 72 (§§ 93 Abs. 2, 116 AktG) sind bei einem fehlenden oder fehlerhaften Lagebericht möglich,2 scheitern aber oft an dem Vorliegen eines kausalen Schadens. Denn ein solcher Schaden müsste konkret auf die fehlende oder fehlerhafte Lageberichterstattung zurückzuführen sein, was meist nur bei gegen die Gesellschaft festgesetzten Zwangsgeldern (Rz. 70) der Fall ist. Aus den gleichen Gründen dürften Ansprüche der Gesellschafter und von Anlegern scheitern, zumal für 73 diese ohnehin nur § 826 BGB als Haftungsgrundlage in Betracht kommt, soweit dessen spezifische Voraussetzungen im Rahmen der Kapitalmarktinformationshaftung überhaupt vorliegen.3 Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 289 HGB scheidet hingegen aus, da es an der Schutzgesetzeigenschaft fehlt.4 Ebenso scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB aus, da in der fehlenden oder fehlerhaften Lageberichterstattung schon kein qualifizierter Eingriff in die Mitgliedschaft gesehen werden kann. Schließlich kann die fehlende Aufstellung eines Lageberichts – bei der nicht zur Lageberichterstattung verpflichteten kleinen AG (Rz. 9) – die Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse und des Gewinnverwendungsbeschlusses begründen, wenn die Vorlage eines solchen in der Einladung zur Hauptversammlung angekündigt wurde.5 Dies gilt auch für die Entlastungsbeschlüsse bei anderen Unternehmen.6 1 Ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 158; ausführlich dazu Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 215 ff. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 156; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 167; ausführlich dazu Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 242 ff. 3 Dazu etwa Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 252. 4 AA Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 156; Palmes, Der Lagebericht, 256 ff., 353 f.; wohl auch Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 255. 5 BGH v. 26.11.2007 – II ZR 227/06, NZG 2008, 309; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 159. 6 Dazu ausführlich Sauter, Anhang und Lagebericht im Spannungsfeld zwischen Unternehmens- und Lagebericht, 233.

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§ 289 Rz. 75 | Inhalt des Lageberichts

II. Bilanzeid (Abs. 1 Satz 5) 1. Bilanzrechtliche Folgen 75

Die fehlende oder fehlerhafte Abgabe eines Bilanzeids kann keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da dieser nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Zudem unterliegt der Bilanzeid auch nicht der Abschlussprüfung, so dass der Abschlussprüfer die Erteilung des Bestätigungsvermerks aus diesem Grund nicht verweigern kann. Ebenso wenig kann der Bilanzeid im Rahmen des Enforcement-Verfahrens überprüft werden, da dieser kein Prüfungsgegenstand ist (§ 342b Abs. 1 HGB, § 37n Nr. 1 WpHG).1 2. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht

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Bei einer fehlenden oder fehlerhaften Abgabe eines Bilanzeids kommt eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 3a HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 116 ff.) in Betracht. Der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) kann hingegen nicht verwirklicht werden, da der Bilanzeid nicht Bestandteil des Lageberichts ist (Rz. 50 f.). 3. Zivilrechtliche Folgen

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Die Abgabe des Bilanzeids begründet zunächst keine garantieähnliche Einstandspflicht.2 Auch ein Schutzgesetzcharakter nach § 823 Abs. 2 BGB und eine entsprechende Haftung ist abzulehnen, da durch den Bilanzeid lediglich die Richtigkeit der gesamten Rechnungslegung und nicht spezifischer Aspekte erklärt wird.3 Eine Haftung lässt sich letztlich nur über § 826 BGB begründen, wofür aber die erhöhten Vorsatzanforderungen erfüllt sein müssen.

III. Lageberichterstattung hinsichtlich des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems (Abs. 4) 1. Bilanzrechtliche Folgen 78

Die fehlende oder fehlerhafte Lageberichterstattung hinsichtlich des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems nach § 289 Abs. 4 HGB kann keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da der Lagebericht nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.).

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Fehlen im Lagebericht die Angaben nach § 289 Abs. 4 HGB oder sind diese fehlerhaft, kann der Abschlussprüfer die Erteilung des Bestätigungsvermerks verweigern, da dieser nach § 317 Abs. 2 HGB (§ 317 HGB Rz. 74 ff.) von ihm zu prüfen ist. Die Angaben nach Abs. 4 können zudem im Enforcement-Verfahren überprüft werden, da der Lagebericht als Prüfungsgegenstand des Enforcement-Verfahrens (§ 342b Abs. 2 HGB – § 342b HGB Rz. 16 ff., § 37n Nr. 1 WpHG) dann nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht. 2. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht

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Die fehlende oder fehlerhafte Lageberichterstattung hinsichtlich des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems nach § 289 Abs. 4 HGB kann eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) begründen, wenn dadurch die Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden. Zudem kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden. 3. Zivilrechtliche Folgen

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Für die zivilrechtlichen Folgen gelten die Ausführungen in Rz. 77 entsprechend.

1 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 91; Mock in Kölner Komm. WpHG2, § 37v Rz. 113, 124. 2 Fleischer, ZIP 2007, 97 (103). 3 Im Ergebnis auch Fleischer, ZIP 2007, 97 (103).

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Ergänzende Vorgaben für bestimmte AG und KGaA

| § 289a

§ 289a Ergänzende Vorgaben für bestimmte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1) 1Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, die einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Absatz 7 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes durch von ihnen ausgegebene stimmberechtigte Aktien in Anspruch nehmen, haben im Lagebericht außerdem anzugeben: 1. die Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals unter gesondertem Ausweis der mit jeder Gattung verbundenen Rechte und Pflichten und des Anteils am Gesellschaftskapital; 2. Beschränkungen, die Stimmrechte oder die Übertragung von Aktien betreffen, auch wenn sie sich aus Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern ergeben können, soweit sie dem Vorstand der Gesellschaft bekannt sind; 3. direkte oder indirekte Beteiligungen am Kapital, die 10 Prozent der Stimmrechte überschreiten; 4. die Inhaber von Aktien mit Sonderrechten, die Kontrollbefugnisse verleihen, und eine Beschreibung dieser Sonderrechte; 5. die Art der Stimmrechtskontrolle, wenn Arbeitnehmer am Kapital beteiligt sind und ihre Kontrollrechte nicht unmittelbar ausüben; 6. die gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen der Satzung über die Ernennung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands und über die Änderung der Satzung; 7. die Befugnisse des Vorstands insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit, Aktien auszugeben oder zurückzukaufen; 8. wesentliche Vereinbarungen der Gesellschaft, die unter der Bedingung eines Kontrollwechsels infolge eines Übernahmeangebots stehen, und die hieraus folgenden Wirkungen; 9. Entschädigungsvereinbarungen der Gesellschaft, die für den Fall eines Übernahmeangebots mit den Mitgliedern des Vorstands oder mit Arbeitnehmern getroffen sind. 2Die Angaben nach Satz 1 Nummer 1, 3 und 9 können unterbleiben, soweit sie im Anhang zu machen sind. 3Sind Angaben nach Satz 1 im Anhang zu machen, ist im Lagebericht darauf zu verweisen. 4Die Angaben nach Satz 1 Nummer 8 können unterbleiben, soweit sie geeignet sind, der Gesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen; die Angabepflicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften bleibt unberührt. (2) 1Eine börsennotierte Aktiengesellschaft hat im Lagebericht auch auf die Grundzüge des Vergütungssystems der Gesellschaft für die in § 285 Nummer 9 genannten Gesamtbezüge einzugehen. 2Werden dabei auch Angaben entsprechend § 285 Nummer 9 Buchstabe a Satz 5 bis 8 gemacht, können diese im Anhang unterbleiben. A. I. II. III. IV. V. B. I. 1. 2. 3.

4. 5.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Übernahmerechtliche Sonderangaben (Abs. 1) Einzelne Vorgaben von Sonderinhalten (Abs. 1 Satz 1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkungen des Stimmrechts oder der Übertragung von Aktien (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkungen des Stimmrechts . . . . . . c) Beschränkungen der Übertragung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direkte und indirekte Kapitalbeteiligungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderrechte (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) . . . . . . . .

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_ _ __ _ __ 10 13 16 17 21 24 28

6. Stimmrechtskontrolle von Arbeitnehmern (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ersetzung und Ernennung von Vorstandsmitgliedern (Abs. 1 Satz 1 Nr. 6) . . . . . . . . . 8. Befugnisse des Vorstands (Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) 9. Vereinbarungen für den Fall eines Kontrollwechsels aufgrund eines Kontrollwechsels (Abs. 1 Satz 1 Nr. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Entschädigungsvereinbarungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Alternative Angabe im Anhang (Abs. 1 Satz 2) III. Verweis auf die Anhangangaben im Lagebericht (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verzicht auf die Berichterstattung nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 bei drohenden erheblichen Nachteilen (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . C. Sonderangaben zum Vergütungssystem (Abs. 2) I. Beschreibung der Grundzüge des Vergütungssystems (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . II. Alternativer Ausweis im Anhang (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 289a Rz. 1 | Ergänzende Vorgaben für bestimmte AG und KGaA D. Prüfung der Sonderangaben . . . . . . . . . . . E. Rechtsfolge von Verstößen I. Bilanzrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht . . . . . . III. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Schrifttum zu den übernahmerechtlichen Sonderangaben: Sailer, Offenlegung von „Change of ControlKlauseln“ im Jahresabschluss, AG 2006, 913; Seibt/Heiser, Analyse des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Regierungsentwurf), AG 2006, 301; Baetge/Brüggemann/Haenelt, Erweiterte Offenlegungspflichten in der handelsrechtlichen Lageberichterstattung – Übernahmerechtliche Angaben und Erläuterungen nach § 315 Abs. 4 HGB und E-DRS 23, BB 2007, 1887; Rabenhorst, Zusätzliche Angabepflichten im Lagebericht durch das ÜbernahmerichtlinieUmsetzungsgesetz, WPg. 2008, 139. Schrifttum zu den Sonderangaben zum Vergütungssystem: Baums, Zur Offenlegung von Vorstandsvergütungen, ZHR 169 (2005), 299; Leuering/Simon, Offene Fragen zur Offenlegung der Vorstandsvergütung, NZG 2005, 945; Thüsing, Das Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen, ZIP 2005, 1389.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 289a HGB werden kapital- bzw. börsennotierte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien verpflichtet, zusätzliche Angaben zu ihrer Beteiligungs- und Organisationsstruktur im Lagebericht zu machen. Der genaue Inhalt dieser zusätzlichen Veröffentlichungspflicht wird in Abs. 1 regelt. Darüber hinaus sind diese Gesellschaften nach Abs. 2 verpflichtet, die Grundzüge des Vergütungssystems der Gesellschaft zu beschreiben.

II. Bedeutung und Zweck 2

Die Angaben nach § 289a Abs. 1 HGB haben einen kapitalmarktrechtlichen Regelungshintergrund und dienen der Herstellung einer übernahmerechtlichen Publizität, da jeder Investor aufgrund der Angaben hinreichend einschätzen kann, mit welchem Aufwand und welchen Hindernissen eine Übernahme der Gesellschaft verbunden ist. Somit handelt es sich bei Abs. 1 um ein zentrales aktien- und kapitalmarktrechtliches Publikationsinstrument der internen und externen Corporate Governance.1

3

Die in § 289a Abs. 2 HGB statuierte Pflicht zur Beschreibung der Grundzüge des Vergütungssystems dient der Verhinderung einer ausufernden Vorstandsvergütung. Mit der Offenlegung des Vergütungssystems soll ein indirekter (öffentlicher) Druck auf den Aufsichtsrat ausgeübt werden, von der Festsetzung einer zu hohen Vorstandsvergütung abzusehen, da diese von den Aktionären und der Öffentlichkeit nicht akzeptiert werden würde.2 Der Erfolg dieses Regelungskonzepts muss allerdings angezweifelt werden, was letztlich auch durch die nach der Schaffung des Abs. 2 bzw. der Vorgängerregelung in § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB stetig vorgenommene Verschärfung der Anforderungen an die Vorstandsvergütung belegt wird.

III. Rechtsentwicklung 4

Die Regelung des § 289a Abs. 1 HGB wurde ursprünglich als § 289 Abs. 4 HGB aF durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (ÜbUG)3 geschaffen. Im Rahmen des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (TUG)4 und des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG)5 kam es zu zahlreichen kleineren Änderungen, ohne dass an der Gesamtstruktur der Regelung etwas verändert wurde. Im Rahmen des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes6 kam es zu einer Auslagerung des § 289 Abs. 4 HGB in § 289a Abs. 1 HGB und zu kleineren redaktionellen Anpassungen. 1 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 12; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 121; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 12, 109; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 134. 2 Begr. RegE VorstOG, BT-Drucks. 15/5577, 5. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote v. 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 5 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 6 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 9 § 289a

Die Pflicht zur Beschreibung der Grundzüge des Vergütungssystems wurde ursprünglich als § 289 Abs. 2 5 Nr. 5 HGB durch das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG)1 geschaffen und durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG),2 das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG)3 sowie durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)4 redaktionell geändert. Durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz5 wurde die Regelung in den heutigen § 289a HGB überführt.

IV. Europarechtlicher Hintergrund Die übernahmerechtlichen Angaben nach § 289a Abs. 1 HGB (Rz. 10 ff.) basieren auf Art. 10 Übernah- 6 merichtlinie,6 wonach zahlreiche übernahmerelevante Informationen über börsennotierte Gesellschaften offengelegt werden müssen. Die Umsetzung dieser Vorgaben im Rahmen von § 289a HGB stellt für den Lagebericht einen gewissen Fremdkörper dar, da diese Informationen letztlich keinen tatsächlichen handelsbilanzrechtlichen Bezug haben. Dieser Aspekt ist insbes. für die Auslegung von § 289a HGB von Bedeutung, da sich diese ua. an diesem übernahmerechtlichen Regelungshintergrund orientieren muss. Die Angaben zu den Grundzügen des Vergütungssystems (Rz. 48 ff.) nach § 289a Abs. 2 HGB haben 7 hingegen (bisher) keinen europarechtlichen Hintergrund und gehen allein auf eine Initiative des deutschen Gesetzgebers zurück. Aufgrund der geplanten Änderungen für die Aktionärsrechterichtlinie dürfte es zu einer Aufhebung von Abs. 2 kommen, da danach der Vergütungsbericht auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden und dort für einen Zeitraum von zehn Jahren abrufbar sein muss,7 so dass für die Erweiterung des Lageberichts nach Abs. 2 kein Bedarf mehr besteht.

V. Anwendungsbereich § 289a Abs. 1 HGB findet nur auf Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien Anwen- 8 dung, die einen organisierten Markt iSv. § 2 Abs. 7 WpÜG in Anspruch nehmen und auf diesem stimmberechtigte Aktien emittiert haben. Dazu zählt auch die Europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland (Art. 61 SE-VO).8 Daher erfasst § 289a HGB insbes. keine Aktiengesellschaften, die ausschließlich Fremdkapitalinstrumente oder stimmrechtslose Vorzugsaktien – unabhängig von einem möglichen Aufleben des Stimmrechts9 – emittiert haben.10 Darüber hinaus werden keine anderen Rechtsformen erfasst. Da § 289a Abs. 1 HGB auf § 2 Abs. 7 WpÜG Bezug nimmt, werden alle inländische und ausländischen Notierungen an organisierten Märkten in Mitgliedstaaten bzw. Vertragsstaaten der EU bzw. des EWR erfasst, so dass Auslandsnotierungen in Drittstaaten keine Pflicht zur Aufnahme der Sonderangaben in den Lagebericht auslösen.11 Die für Abs. 1 erforderliche Notierung muss schließlich am Abschlussstichtag vorliegen.12 Die besondere Berichtspflicht nach § 289a Abs. 2 HGB gilt hingegen nur für die börsennotierte Aktien- 9 gesellschaft, da Abs. 2 ausdrücklich nur diese nennt. Andere Rechtsformen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Abs. 2. Das Vorliegen einer Börsennotierung richtet sich nach § 3 Abs. 2 AktG. 1 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) v. 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 2 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 3 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 5 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 6 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EG 2004 Nr. L 142, 12 ff. 7 So Art. 9b Abs. 5 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments v. 14.3.2017 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung (COM(2014)0213 – C7-0147/2014 – 2014/0121 (COD)), P8_TA-PROV(2017)0067. 8 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 111. 9 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 135; Rabenhorst, WPg. 2008, 139 (140). 10 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 111; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 135; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289 Rz. 4. 11 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 111; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 135. 12 Ebenso Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 136; vgl. auch IDW RH HFA 1.008 Rz. 3.

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§ 289a Rz. 10 | Ergänzende Vorgaben für bestimmte AG und KGaA

B. Übernahmerechtliche Sonderangaben (Abs. 1) I. Einzelne Vorgaben von Sonderinhalten (Abs. 1 Satz 1) 1. Überblick 10

Durch § 289a Abs. 1 Satz 1 HGB wird eine Vielzahl von Sonderinhalten für bestimmte börsennotierte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Rz. 8 f.) angeordnet, deren Informationswert eher im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht – insbes. im Übernahmerecht – als im Handelsbilanzrecht relevant ist (Rz. 2 f.). Maßgeblich ist, ob die für diese Angabepflichten relevanten Verhältnisse zum Bilanzstichtag vorliegen, wobei die Erkenntnisse und Ereignisse bis zum Abschlusserstellungszeitpunkt bereits berücksichtigt werden müssen.1 Keine Bedeutung hat dabei, ob ein Übernahmeangebot bereits abgegeben wurde oder ein solches demnächst abgegeben wird,2 da die Sonderangaben nach Abs. 1 lediglich zu machen sind, damit Investoren abschätzen können, ob und unter welche Voraussetzungen eine Übernahme der Gesellschaft möglich ist (Rz. 2 f.).

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Die entsprechenden Angaben aus dem Vorjahreszeitraum sind nicht anzugeben. Soweit die für die Angaben nach Abs. 1 Satz 1 relevanten Verhältnisse bei der Gesellschaft nicht vorliegen, muss darauf nicht eingegangen oder dies gesondert – etwa in Form von Fehlanzeigen – festgestellt werden.3

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Schließlich werden die besonderen Angaben nach § 289a Abs. 1 Satz 1 HGB durch § 176 Abs. 1 Satz 1 AktG flankiert, wonach der Vorstand der Hauptversammlung einen erläuternden Bericht zu den Angaben nach Abs. 1 vorzulegen hat (§ 176 AktG Rz. 6 ff.). 2. Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)

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Zunächst muss im Lagebericht die Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals der Gesellschaft erläutert werden. Maßgeblich ist das in der Bilanz angegebene gezeichnete Kapital (§§ 266 Abs. 3 A I, 272 Abs. 1 Satz 1 HGB).4 Daher sind etwaige Absetzungen wegen ausstehender Einlagen (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB – § 272 HGB Rz. 66 ff.) oder wegen eigener Aktien (§ 16 Abs. 2 Satz 2 AktG) unbeachtlich.5

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Neben dem gezeichneten Kapital muss auch dessen Zusammensetzung angegeben werden, ohne dass § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB dafür konkrete Vorgaben macht. Vor dem kapitalmarkt- bzw. übernahmerechtlichen Hintergrund der Regelung (Rz. 2 f.) ist aber zu fordern, dass die Anzahl der ausgegebenen Aktien und deren Nennbetrag bzw. bei Stückaktien des auf diese entfallenden Grundkapitals anzugeben ist,6 woraus sich bereits ergibt, ob es sich um Nennbetrags- oder Stückaktien handelt. Darüber hinaus muss angegeben werden, ob es sich um Inhaber- oder Namensaktien handelt und ob bei Letzteren eine Vinkulierung besteht.7 Keine Angaben müssen zu den einzelnen sich aus den Aktien ergebenden Rechten gemacht werden, sofern nicht von dem gesetzlichen Regelfall abgewichen wird. Die Angaben zur Zusammensetzung des Kapitals sind für alle Aktien vorzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese börsennotiert sind oder nicht, da nur eine vollständige Angabe aller Aktien der übernahmerechtlichen Zielsetzung von § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (Rz. 13 ff.) entspricht.8 Allerdings muss hinreichend deutlich gemacht werden, welche Aktien börsennotiert sind.9 Keine Bedeutung hat schließlich, ob die Aktien Stimmrechte gewähren oder nicht, da Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 eindeutig auf die Zusammensetzung des gezeichneten Kapitals und nicht auf die Stimmmacht abstellt.10 Soweit Wandelschuldverschreibungen und Optionsrechte bestehen, sind die sich bei deren Ausübung ergebenden Veränderungen der Kapitalzusammensetzung anzugeben.11 1 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 122; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 110; Rabenhorst, WPg. 2008, 139 (140). 2 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 134. 3 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 122. 4 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 24; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 125; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 137. 5 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 125. 6 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 126; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 114; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315). 7 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 126. 8 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 24; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 126. 9 WP-Handb. I15, F Rz. 1151; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 126; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 114; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 138. 10 Ebenso Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 24. 11 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 114; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315).

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B. Übernahmerechtliche Sonderangaben (Abs. 1)

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Rz. 21 § 289a

Weiterhin müssen die ggf. bestehenden Gattungen der Aktien (§ 11 AktG) angegeben werden. Dabei ist 15 neben den Gattungen selbst die Anzahl der jeweils auf diese entfallenden Aktien und deren Anteil am Grundkapital anzugeben,1 soweit diese Angaben nicht schon im Anhang enthalten sind (Rz. 45). Zum alternativen Ausweis der Angaben nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB im Anhang s. Rz. 13 ff. 3. Beschränkungen des Stimmrechts oder der Übertragung von Aktien (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) a) Grundlagen Nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB müssen Beschränkungen des Stimmrechts (Rz. 17 ff.) oder der Über- 16 tragung von Aktien (Rz. 21 ff.) im Lagebericht angegeben werden. Hintergrund dieser Angabepflicht ist die Herstellung einer Transparenz der tatsächlichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft, die für die Schaffung eines Übernahmemarkts notwendig ist. Dabei ist es unbeachtlich, ob diese Beschränkungen auf gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Regelungen zurückzuführen sind.2 b) Beschränkungen des Stimmrechts Anzugeben sind zunächst Beschränkungen des Stimmrechts, und zwar unabhängig davon, woraus sich diese ergeben oder auf welche Weise das Stimmrecht beschränkt wird. Daher werden sowohl zeitliche3 als auch quantitative Beschränkungen erfasst.4

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Gesetzliche Beschränkungen des Stimmrechts ergeben sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 139 Abs. 1 18 AktG (stimmrechtslose Vorzugsaktien), § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG und § 21 Abs. 1 AktG (Verletzung von Mitteilungspflichten), § 71b AktG (eigene Aktien), § 134 Abs. 2 Satz 1, 4 und 5 AktG (nicht voll eingezahlte Aktien), § 136 Abs. 1 AktG (Stimmverbot), § 328 AktG (wechselseitig beteiligte Unternehmen) und aus § 28 Satz 1 WpHG. Darüber hinaus sind satzungsmäßige Beschränkungen grundsätzlich denkbar, die allerdings nicht bei 19 börsennotierten Aktiengesellschaften vorgenommen werden können (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG). Eine Stimmrechtsbeschränkung kann unabhängig davon aber für den Fall der unvollständigen Leistung der Einlage in der Satzung vorgesehen werden (§ 134 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG). Schließlich werden ausweislich des Wortlauts von § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB auch Vereinbarungen 20 zwischen Aktionären erfasst, so dass auch Stimmbindungs-,5 Stimmrechtsverzichts-, Interesswahrungs-, Entherrschungs-, Konsortial- und Poolverträge im Lagebericht anzugeben sind.6 Dies gilt allerdings nur für Vereinbarungen zwischen Aktionären, so dass entsprechende, vor dem Hintergrund von § 136 Abs. 2 AktG wirksame Vereinbarungen von Aktionären mit Nicht-Aktionären auch nicht angabepflichtig sind.7 Voraussetzung für das Bestehen der Angabepflicht ist zudem, dass diese Vereinbarungen dem Vorstand auch positiv bekannt sind, was idR eine mündliche oder schriftliche Mitteilung voraussetzt.8 Den Vorstand trifft in diesem Zusammenhang keine Aufklärungspflicht, so dass er entsprechenden Verdachtsmomenten auch nicht nachgehen muss.9 Ebenso wenig besteht für die Aktionäre eine Verpflichtung, derartige Vereinbarungen gegenüber dem Vorstand offenzulegen.10 c) Beschränkungen der Übertragung von Aktien Ferner sind Beschränkungen bei der Übertragung von Aktien anzugeben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich diese Beschränkungen nicht schon aus den gesetzlichen Regelungen ergeben. Daher muss auf die Gesetzeslage nicht hingewiesen werden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 127; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 137. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 129. Ebenso Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 24; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 129. Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 24 f. Diese ausdrücklich erwähnend Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 130; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 118; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 139. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 131. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 131. Ausdrücklich Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 131; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 139; aA tendenziell Baetge/Brüggemenn/Haenelt, BB 2007, 1887 (1890) mit der Forderung der Einführung einer Pflicht zur Abgabe einer Negativerklärung. So ausdrücklich Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 131; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 118; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 139; eine solche Pflicht aber fordernd Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315 Fn. 116).

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§ 289a Rz. 22 | Ergänzende Vorgaben für bestimmte AG und KGaA 22

Erfasst sind alle satzungsmäßigen Beschränkungen. Dies gilt vor allem für eine in der Satzung der AG vorgesehene Vinkulierung (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AktG).

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Darüber hinaus fallen ausweislich des Wortlauts von § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB auch Vereinbarungen zwischen den Aktionären unter die Angabepflicht. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um tatsächlich rechtlich verbindliche Vereinbarungen handelt. Darüber hinaus müssen diese eine Verfügung der Aktien an eine andere Person verbieten. Dies ist schon bei der Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf die Übertragung der Aktien der Fall,1 auch wenn dieser schuldrechtliche Anspruch eine Veräußerung an einen Dritten nicht verhindert und dann lediglich sekundärrechtliche Ansprüche begründen kann. Darüber hinaus werden durch Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Lock-up-Vereinbarungen,2 Vorkaufsrechte3 und aufschiebend bedingte Übertragungen4 erfasst. Ebenso wie bei den Beschränkungen der Stimmrechte besteht die Angabepflicht nur dann, wenn dem Vorstand diese Vereinbarungen bekannt sind (dazu ausführlich Rz. 20).

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Weiterhin sind nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB direkte und indirekte Kapitalbeteiligungen anzugeben, wenn diese Beteiligungen mehr als 10 % der Stimmrechte vermitteln. Der Vorstand hat von diesen Beteiligungen aufgrund der Mitteilungspflicht nach §§ 21, 27a WpHG idR Kenntnis. Wurde die Mitteilungspflicht verletzt, muss der Vorstand diese Beteiligungen im Lagebericht nur dann angeben, wenn er von diesen positive Kenntnis hat. Eine dahingehende Nachforschungspflicht besteht nicht.5

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Durch Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 werden nur Beteiligungen erfasst, die ein Stimmrecht vermitteln. Daher sind an dieser Stelle keine Angaben zu stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder Fremdkapitalinstrumenten zu machen.6 Darüber hinaus muss die 10 %-Schwelle überschritten werden, bei deren Berechnung eigene Aktien berücksichtigt werden müssen.7 Zudem sind wechselseitige Beteiligungen (§ 328 AktG) einzubeziehen.8 Maßgeblich dafür sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Abschlusserstellung und nicht zum Bilanzstichtag,9 was sich aus dem Umstand ergibt, dass es sich bei den Angaben nach § 289a Abs. 1 HGB primär um kapitalmarkt- bzw. übernahmerechtliche Angaben handelt.

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Bei indirekten Beteiligungen handelt es sich um Beteiligungen kraft Zurechnung nach den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbeständen der §§ 22 f. WpHG, § 30 WpÜG.10 Eine Zurechnung nach § 16 AktG erfolgt aufgrund der kapitalmarktrechtlichen Spezialregelungen hingegen nicht.11

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Die Beteiligungen sind einzeln auszuweisen. Dabei muss neben dem Namen bzw. der Firma und der Anschrift bzw. dem Sitz des Aktieninhabers auch der Umstand angegeben werden, dass eine mehr als 10 % der Stimmrechte vermittelnde Beteiligung besteht.12 Handelt es sich sowohl um eine direkte als auch um eine indirekte Beteiligung, sind beide anzugeben,13 wenn jede der beiden Beteiligungen die 10 %-Schwelle überschreitet. Zum alternativen Ausweis der Angaben nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB im Anhang s. Rz. 45.

4. Direkte und indirekte Kapitalbeteiligungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3)

5. Sonderrechte (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) 28

Auch die Inhaber von Sonderrechten sind anzugeben, die darüber hinaus auch inhaltlich zu beschreiben sind. Der Begriff der Sonderrechte ist in diesem Zusammenhang nicht unproblematisch, da diese nicht allgemein definiert sind. Vor dem übernahmerechtlichen Hintergrund von § 289a Abs. 1 HGB (Rz. 10 ff.) ist 1 Wohl auch Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315); WP-Handb. I15, F Rz. 1152 (faktische Vereinbarungen); aA Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 133. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 118; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315); aA Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 133. 3 Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315); aA Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 133. 4 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 118; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (315); aA Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 133. 5 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 134; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 120. 6 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 134. 7 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 137. 8 So ausdrücklich Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 135; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 141. 9 Im Ergebnis auch Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 138; WP-Handb. I15, F Rz. 1155. 10 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 137; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 141. 11 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 137; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 120; aA Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 141 aE. 12 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 138; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 121; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 141. 13 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 137.

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B. Übernahmerechtliche Sonderangaben (Abs. 1)

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Rz. 33 § 289a

dieser Begriff aber dahingehend auszulegen, dass alle Rechte anzugeben sind, die nicht für alle Aktionäre bzw. alle Aktionäre einer Gattung bestehen und Kontrollbefugnisse verleihen. Dazu zählen insbes. Entsendungsrechte (§ 101 Abs. 2 AktG).1 Nicht anzugeben sind in diesem Zusammenhang vertragskonzernrechtliche Kontrollbefugnisse, da diese ihren Ursprung nicht in der Mitgliedschaft, sondern in dem Unternehmensvertrag haben. Soweit solche Sonderrechte bestehen, sind diese zu beschreiben und deren Inhaber mit Namen bzw. der Firma und der Anschrift bzw. dem Sitz anzugeben. Entscheidender Zeitpunkt ist in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt der Abschlusserstellung.2

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6. Stimmrechtskontrolle von Arbeitnehmern (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) Zudem müssen im Lagebericht Stimmrechtskontrollen angegeben werden, wenn Arbeitnehmer am Kapital 30 beteiligt sind und ihre Kontrollrechte nicht unmittelbar ausüben. Da das Stimmrecht im deutschen Aktienrecht nicht – auch nicht im Zusammenhang mit der Beteiligung von Arbeitnehmern – von der Aktie getrennt werden kann (§ 8 Abs. 5 AktG),3 hat diese Angabepflicht für deutsche Aktiengesellschaften keine praktisch Bedeutung.4 Die einzig theoretisch denkbaren Konstellationen sind, dass Arbeitnehmer Aktien gemeinsam halten und deren Rechte von einem gemeinsamen Vertreter ausüben lassen oder wenn die Aktien von einem Mitarbeiteraktionärsverein ausgeübt werden.5 Sofern von diesen Konstellationen Gebrauch gemacht wurde, sind entsprechende Angaben in den Lagebericht aufzunehmen. Da § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HGB entgegen etwa Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht unter dem Vorbehalt steht, dass der Vorstand Kenntnis von diesen Vereinbarungen hat, gilt die Angabepflicht unabhängig davon. Daher besteht für den Vorstand die Pflicht, das Bestehen derartiger Vereinbarungen zu ermitteln.6 7. Ersetzung und Ernennung von Vorstandsmitgliedern (Abs. 1 Satz 1 Nr. 6) Nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HGB sind weiterhin Angaben zu den gesetzlichen Vorschriften und den Satzungsbestimmungen über die Ernennung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands und über die Änderung der Satzung in den Lagebericht aufzunehmen. Auch in diesem Zusammenhang sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Abschlusserstellung relevant.7

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Anzugeben sind hinsichtlich der Ernennung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands insofern die 32 §§ 84 f. AktG und ggf. die §§ 31 Abs. 2–5, 33 Abs. 1 MitbestG sowie etwaige in der Satzung vorgesehene größere Mehrheiten. Da § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HGB ausdrücklich nur auf die gesetzlichen Bestimmungen und die Satzung verweist, bedarf es keiner Angabe der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats. Ebenso wenig müssen andere Aspekte der Vorstandstätigkeit wie etwa die Vergütung oder die Ressortaufteilung angegeben werden.8 Allerdings sind diese Angaben teilweise im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a Abs. 2 Nr. 3 HGB zu machen (Rz. 24 ff.). Bei der Angabe der gesetzlichen Vorschriften reicht der Verweis auf die jeweiligen Bestimmungen, ohne dass diese im Wortlaut wiedergegeben werden müssen.9 Darüber hinaus müssen im Lagebericht die gesetzlichen Vorschriften und die Satzungsbestimmungen 33 über die Änderung der Satzung angegeben werden. Insofern muss auf die §§ 119 Abs. 1 Nr. 5, 133, 179 Abs. 1 und 2 AktG und auf ggf. in der Satzung vorgesehene höherer Mehrheitsanforderungen oder Zustimmungserfordernisse einzelner Aktionäre oder von Inhabern bestimmter Aktien oder Gattungen von Aktien verwiesen werden. Die relevanten Satzungsbestimmungen müssen ebenfalls nicht im Wortlaut wiedergegeben, aber umfassend inhaltlich beschrieben werden, da diese über das Handelsregister nicht frei abrufbar sind, so dass der bloße Verweis auf diese nicht ausreicht.10 Dies gilt auch dann, wenn die Satzung der Gesellschaft im Internet frei verfügbar ist. 1 So ausdrücklich Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 139; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 123. 2 Ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 139. 3 Dazu ausführlich Mock in Großkomm. AktG5, § 8 Rz. 185 ff. 4 Ebenfalls keinen tatsächlichen Anwendungsbereich ausmachend Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 124; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 142. 5 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 140; Rabenhorst, WPg. 2008, 139 (143). 6 AA Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 140. 7 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 143. 8 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 141. 9 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 143; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 125; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 144. 10 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 143.

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§ 289a Rz. 34 | Ergänzende Vorgaben für bestimmte AG und KGaA 8. Befugnisse des Vorstands (Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) 34

Bei den nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HGB anzugebenen Befugnissen des Vorstands ist keine Beschreibung der allgemeinen Befugnisse vorzunehmen. Vielmehr muss Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 vor dem übernahmerechtlichen Regelungshintergrund dahingehend einschränkend ausgelegt werden, dass nicht die allgemeinen gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse (§§ 77 f., 82 AktG), sondern lediglich die Befugnisse anzugeben sind, mit denen auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft Einfluss genommen werden kann.1 Relevant sind dabei allerdings in richtlinienkonformer Auslegung von § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HGB vor dem Hintergrund von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e, 10 Buchst. i Übernahmerichtlinie nur stimmrechtsrelevante Maßnahmen, so dass insbes. die Befugnis zur Ausgabe oder zum Rückkauf von Vorzugsaktien nicht anzugeben ist.2 Anzugeben sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Abschlusserstellung.3 Diese müssen umfassend beschrieben, aber nicht wörtlich wiedergegeben werden.

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Anzugeben ist zunächst die auch in § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HGB erwähnte Befugnis zur Ausgabe von Aktien. Hierzu zählt vor allem das genehmigte Kapital (§§ 202 ff. AktG) und die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen (§ 221 Abs. 2 AktG). Ebenso sind (einfache) Kapitalerhöhungen (§ 182 AktG) zu erwähnen, wenn diese bereits beschlossen, aber noch nicht durchgeführt wurden.4 Auch ein ggf. bestehendes bedingtes Kapital (§ 192 AktG) sowie mögliche Ansprüche aus Wandelschuldverschreibungen sind anzugeben.5

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Weiterhin ist die ggf. bestehende Befugnis des Vorstands zum Rückkauf von Aktien anzugeben. Insofern muss im Lagebericht beschrieben werden, ob und in welchem Umfang von den Möglichkeiten des § 71 AktG Gebrauch gemacht wurde. Vor dem übernahmerechtlichen Hintergrund von § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HGB ist zudem anzugeben, ob diese Maßnahmen auch im Rahmen von Verteidigungsmaßnahmen bei Übernahmen genutzt werden können (§ 33 Abs. 2 WpÜG).6 9. Vereinbarungen für den Fall eines Kontrollwechsels aufgrund eines Kontrollwechsels (Abs. 1 Satz 1 Nr. 8)

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Anzugeben sind zudem Vereinbarungen, die unter der Bedingung eines Kontrollwechsels infolge eines Übernahmeangebots stehen (Change-of-control-Klauseln). Ein Kontrollwechsel ist dabei bei Übernahmeangeboten (§ 29 WpÜG) und auch bei Pflichtangeboten (§ 35 WpÜG) anzunehmen. Zwar wird in § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 HGB nur das Übernahmeangebot erwähnt. Allerdings muss Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 dahingehend richtlinienkonform ausgelegt werden, dass auch Pflichtangebote erfasst werden.7 Zudem erstreckt sich die Angabepflicht nicht nur den Fall des Kontrollwechsels, sondern auch auf die erstmalige Erlangung der Kontrolle.8 Die Angabepflicht besteht auch für den Fall, dass die Change-of-control-Klausel das Übernahmeangebot nicht ausdrücklich nennt.9

38

Keine Bedeutung hat, mit wem oder in welchem Zusammenhang eine Change-of-control-Klausel vereinbart wurde, so dass alle dahingehenden Vereinbarungen der Gesellschaft mit Verwaltungsmitgliedern, Arbeitnehmern, Aktionären, Kreditgebern, Lieferanten und Kunden erfasst werden.10 Allerdings muss die Change-of-control-Klausel eine gewisse Erheblichkeit haben, die immer schon dann anzunehmen ist, wenn diese derartige Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage hat, dass ein potentieller Bieter von einer Übernahme Abstand nehmen würde.11 Dies ist im Zweifel bei einer Change-of-controlKlausel immer der Fall, da diese ansonsten schon nicht geschlossen werden würde. Dies gilt auch beim Be-

1 Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 144; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 126. 2 Ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 144; WP-Handb. I15, F Rz. 1159. 3 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 149. 4 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 145; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 127; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 145; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (316). 5 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 145. 6 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 148; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 127; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 146. 7 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 151; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 129; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 147; Sailer, AG 2006, 913 (917). 8 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 151; Sailer, AG 2006, 913 (917). 9 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 151; Rabenhorst, WPg. 2008, 139 (143). 10 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 151; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 130; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 148. 11 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 153.

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B. Übernahmerechtliche Sonderangaben (Abs. 1)

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Rz. 45 § 289a

stehen mehrerer Change-of-control-Klauseln, soweit diese in ihrer Gesamtheit übernahmerechtlich relevant sind.1 Im Rahmen der Angabe muss der wesentliche Inhalt der Change-of-control-Klausel dargestellt werden, 39 ohne dass es einer wörtlichen Wiedergabe bedarf.2 Insbes. muss nicht der Name des Vertragspartners der Change-of-control-Klausel genannt werden.3 Neben der Zusammenfassung müssen auch die künftigen Auswirkungen, Folgen und Konsequenzen der Change-of-control-Klausel erläutert werden. Dabei sind auch quantitative Angaben zu machen, soweit sich diese mit einem vertretbaren Aufwand ermitteln lassen.4 Schließlich lässt die Angabepflicht nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 HGB andere Angabepflichten unberührt. Diese ergeben sich vor allem aus Abs. 2 Nr. 5 (Rz. 30) und aus Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 (Rz. 41 ff.) und aus § 285 Nr. 9 Buchst. a Sätze 5–6 (§ 285 Rz. 74 ff.). Zum Verzicht auf die Berichterstattung bei drohenden erheblichen Nachteilen nach Abs. 1 Satz 4 s. Rz. 28 f.

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10. Entschädigungsvereinbarungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 9) Zudem müssen nach § 289 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 HGB Entschädigungsvereinbarungen der Gesellschaft mit 41 den Mitgliedern des Vorstands oder mit Arbeitnehmern für den Fall eines Übernahmeangebots angegeben werden. Der Begriff des Übernahmeangebots ist – ebenso wie bei Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 (Rz. 37 ff.) – in richtlinienkonformer Auslegung weit zu verstehen, so dass sowohl Übernahmeangebote iSv. § 29 Abs. 1 WpÜG als auch Pflichtangebote iSv. § 35 WpÜG erfasst werden. Zudem müssen auch solche Entschädigungsvereinbarungen angegeben werden, die einen anderen als den nach § 29 Abs. 2 WpÜG bestehenden Schwellenwert für den Erwerb von Aktien der Gesellschaft voraussetzen.5 Eine Entschädigungsvereinbarung iSv. § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 HGB liegt dann vor, wenn einem Mit- 42 glied des Vorstands oder einem Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil für den Fall eines Übernahmeangebots gewährt wird, und zwar unabhängig davon, ob damit die Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses verbunden ist.6 Ausgenommen sind aufgrund der ausdrücklichen fehlenden Nennung entsprechende Vereinbarungen mit Aufsichtsratsmitgliedern. Die Entschädigungsvereinbarung muss bereits in dem Zeitpunkt ihres Abschlusses offengelegt werden, 43 und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich eine Übernahme bevorsteht oder nicht.7 Inhaltlich muss die Entschädigungsvereinbarung zusammenfassend erläutert werden, ohne dass es einer wörtlichen Wiedergabe bedarf.8 Anzugeben sind aber die Namen der jeweiligen begünstigten Personen sowie die Höhe der Entschädigung oder der Berechnungsmethode.9 Schließlich kann die Hauptversammlung nach § 286 Abs. 5 Satz 1 HGB (§ 286 HGB Rz. 35 ff.) von der Angabepflicht befreien. Zwar ist dies in § 286 Abs. 5 Satz 1 HGB nur für die Angaben im Anhang vorgesehen.10 Allerdings muss dies auch für die Angaben nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 HGB gelten, da diese auch alternativ im Anhang gemacht werden können (Rz. 45).

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II. Alternative Angabe im Anhang (Abs. 1 Satz 2) Zur Vermeidung von Doppelangaben gestattet § 289a Abs. 1 Satz 2 HGB, dass die Angaben nach Abs. 1 45 Satz 1 Nr. 1 (Rz. 13 ff.), nach Abs. 1 Satz Nr. 3 (Rz. 24 ff.) und nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 (Rz. 41 ff.) auch allein im Anhang gemacht werden können. Erforderlich ist insofern aber, dass die jeweiligen Angaben vollständig im Anhang enthalten sind, da es sich bei Abs. 1 Satz 2 um einen Befreiungstatbestand von bestimmten Angaben nach Abs. 1 handelt.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 154; Sailer, AG 2006, 913 (915); Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (316). Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25; Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 154. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 154; Sailer, AG 2006, 913 (918). Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 155; Rabenhorst, WPg. 2008, 143. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 160; Rabenhorst, WPg. 2008, 139 (144); Sailer, AG 2006, 913 (917). Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 162; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 151; aA Rabenhorst, WPg. 2008, 139 (144), der dies nicht für die Fälle der Beendigung annimmt. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 165. Begr. RegE ÜbUG, BT-Drucks. 16/1003, 25. Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 165; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (316); aA Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 152. Ebenso Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 165; aA Sailer, AG 2006, 913 (922); WP-Handb. I15, F Rz. 1167.

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§ 289a Rz. 46 | Ergänzende Vorgaben für bestimmte AG und KGaA

III. Verweis auf die Anhangangaben im Lagebericht (Abs. 1 Satz 3) 46

Durch § 289a Abs. 1 Satz 3 HGB wird angeordnet, dass bei Bestehen einer entsprechenden Berichtspflicht für den Anhang im Lagebericht auf diese Angaben zu verweisen ist. Damit komplettiert Abs. 1 Satz 3 die in Abs. 1 Satz 2 angeordnete alternative Veröffentlichung der entsprechenden Angaben im Anhang (Rz. 45), indem angeordnet wird, dass die bloße Aufnahme der entsprechenden Angaben in den Anhang nicht ausreicht, sondern dass es zusätzlich eines Verweises auf die Anhangangaben im Lagebericht bedarf. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Angaben nach § 289a Abs. 1 Satz 1 HGB im Anhang zu machen sind, so dass nur die Veröffentlichungspflichten nach §§ 152 Abs. 1 Satz 2, 160 Abs. 1 Nr. 3 AktG (für § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB), nach § 160 Abs. 1 Nr. 8 AktG (für § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB) und nach § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 6 HGB (§ 285 HGB Rz. 63 ff. – für § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 HGB) besteht.

IV. Verzicht auf die Berichterstattung nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 bei drohenden erheblichen Nachteilen (Abs. 1 Satz 4) 47

Die Angabepflicht nach § 289a Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 HGB entfällt bei drohenden erheblichen Nachteilen, wenn die Angaben geeignet sind, der Gesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Dabei ist neben einer Erheblichkeit auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Nachteilszufügung zu fordern, die im Übrigen auch nur der Gesellschaft selbst und nicht dem Vertragspartner drohen darf, da sie nur dann aus der Perspektive des Kapitalmarkts relevant ist.1 Soweit die Gesellschaft von der Ausnahme Gebrauch macht, muss dies abstrakt im Lagebericht angegeben werden.2 Besteht eine Berichtspflicht nach anderen Vorschriften, findet die Schutzklausel des § 289a Abs. 1 Satz 4 HGB keine Anwendung (Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2).

C. Sonderangaben zum Vergütungssystem (Abs. 2) I. Beschreibung der Grundzüge des Vergütungssystems (Abs. 2 Satz 1) 48

Nach § 289a Abs. 2 HGB ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften (Rz. 9) im Lagebericht auch auf die Grundzüge des Vergütungssystems einzugehen. Die Berichtspflicht erstreckt sich aber nur auf die Gesamtbezüge, die nach § 285 Nr. 9 HGB (§ 285 HGB Rz. 63 ff.) anzugeben sind. Somit erfasst die Berichtspflicht die Vergütung des Vorstands, des Aufsichts- oder Beirats inklusive der ehemaligen Mitglieder dieser Organe oder deren Hinterbliebenen. Die Berichtspflicht hinsichtlich des Vergütungssystems für den Aufsichtsrat besteht unabhängig von der Festsetzung in der Satzung oder durch die Hauptversammlung.

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Die Darstellung muss sich auf die Rahmendaten der Organvergütung erstrecken, ohne dass auf die individuellen Vergütungen einzugehen ist.3 Einer Aufschlüsselung innerhalb eines Gremiums bedarf es nur dann, wenn die Vergütung innerhalb eines Gremiums unterschiedlich ausfällt. Darzustellen sind daher die allgemeine Vergütungspolitik, die Höhe der Vergütung, die Art der Leistungen und die Modalitäten der Vergütung.4 Zudem müssen ggf. bestehende unterschiedliche Vergütungskomponenten erläutert werden. Soweit Dritte Leistungen gegenüber Organmitgliedern erbringen, ist auch auf diesen Umstand einzugehen. Schließlich muss auch über Regelungen zu Versorgungs-, Vorruhestands- und Ruhegehaltsleistungen berichtet werden.5

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Die Berichtspflicht nach § 289a Abs. 2 HGB besteht unabhängig von etwaigen (schutzwürdigen) Belangen der Gesellschaft, da Abs. 2 insofern keine Ausnahme zulässt. Dies gilt auch dann, wenn das Vergütungssystem mit unternehmensinternen Zielen verknüpft ist.6 Der Umstand, dass über diese Ziele im Übrigen nicht zu berichten ist, ist unbeachtlich.

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Bei einer Berichterstattung im Anhang (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 5–8 HGB) können diese Angaben nach Abs. 2 Satz 2 im Lagebericht unterbleiben, sofern sie mit den Anhangangaben dort zusammengefasst werden und die Hauptversammlung die individuelle Offenlegung nicht ausgeschlossen hat (§ 286 Abs. 5 HGB – § 286 HGB Rz. 35 ff.). Eine Aufnahme der Angaben nach § 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 1–4 HGB

II. Alternativer Ausweis im Anhang (Abs. 2 Satz 2)

1 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 157; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 131; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 149. 2 Grottel in BeckBilKomm.10, § 289 HGB Rz. 157; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 132. 3 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 100. 4 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 124. 5 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 101; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 124. 6 Ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 99; aA Begr. RegE VorstO, BT-Drucks. 15/5577, 8.

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E. Rechtsfolge von Verstößen

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Rz. 58 § 289a

(§ 285 HGB Rz. 63 ff.) im Lagebericht ist hingegen nicht gestattet. Ebenso wenig darf der nach Abs. 2 Satz 2 zu erstellende Vergütungsbericht in den Anhang aufgenommen werden.1

D. Prüfung der Sonderangaben Die Sonderangaben des Lageberichts unterliegen dessen allgemeiner Rechnungslegungspublizität (§ 325 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB – § 325 HGB Rz. 16 ff.). Zudem muss der Vorstand der Hauptversammlung einen erläuternden Bericht zu den Angaben nach § 289a Abs. 1 HGB zugänglich machen (§ 176 Abs. 1 Satz 1 AktG – § 176 AktG Rz. 6 ff.).

E. Rechtsfolge von Verstößen I. Bilanzrechtliche Folgen Die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Sonderangaben kann keine Nichtigkeit oder Anfechtbar- 53 keit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da diese als Teil des Lageberichts nicht Bestandteil des Jahresabschlusses sind (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Die Sonderangaben des Lageberichts nach § 289a HGB müssen nach § 171 AktG durch den Aufsichtsrat 54 geprüft werden (§ 171 AktG Rz. 7 ff.). Zudem unterliegen die Sonderangaben der Abschlussprüfung (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 316 HGB Rz. 24 ff.), wobei bei diesen besondere Maßstäbe für die Prüfung (§ 317 Abs. 2 HGB – § 317 HGB Rz. 74 ff.) und die Erteilung des Bestätigungsvermerks nach § 322 Abs. 6 HGB (§ 322 HGB Rz. 60 ff.) gelten. Im Rahmen des Enforcement-Verfahrens unterliegen die Sonderangaben nach § 289a Abs. 1 und Abs. 2 55 HGB einer uneingeschränkten Kontrolle, da der Lagebericht Prüfungsgegenstand im Enforcement-Verfahren ist (§ 342b Abs. 2 Satz 1 HGB – § 342b HGB Rz. 18 ff.). Dabei kann die Prüfstelle und die BaFin alle Angaben uneingeschränkt überprüfen, da der Prüfungsmaßstab der Abschlussprüfung entsprechend gilt (§ 342b HGB Rz. 26 ff.). Für das Vorliegen eines Fehlers iSv. § 342b Abs. 2 HGB (§ 342b HGB Rz. 16 ff.) ist es allerdings erforderlich, dass nicht nur ein Verstoß gegen § 289a HGB vorliegt, sondern dass dieser aus Sicht des Kapitalmarkts wesentlich ist.2 Insbes. vor dem übernahmerechtlichen Hintergrund von Abs. 1 (Rz. 10 ff.) kann dies bei diesem nur dann angenommen werden, wenn das Fehlen oder die Fehlerhaftigkeit der entsprechenden Informationen für einen Investor in einer Übernahmesituation typischerweise relevant ist.

II. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht Bei einer Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Sonderangaben kommt eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) in Betracht, da dieser auf den Lagebericht und damit auch auf die Sonderangaben nach § 289a HGB direkt Bezug nimmt. Zudem kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden.

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III. Zivilrechtliche Folgen Durch eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Sonderangaben erfüllen die gesetzlichen Vertreter ei- 57 ner Kapitalgesellschaft nicht ihre Pflicht aus § 264 Abs. 1 HGB zur Aufstellung eines Lageberichts. Darüber hinaus verletzten die Aufsichtsratsmitglieder in diesem Fall ihre Prüfungspflicht aus § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG (§ 171 AktG Rz. 7 ff.). Ansprüche der Kapitalgesellschaft gegen die Verwaltungsmitglieder im Rahmen einer (Innen-)Haftung (§§ 93 Abs. 2, 116 AktG) sind dabei grundsätzlich denkbar, scheitern idR aber an dem Vorliegen eines kausalen Schadens. Insofern ist es schwer vorstellbar, dass der Gesellschaft wegen der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Sonderangaben ein konkreter Schaden entsteht. Ansprüche der Gesellschafter und von Anlegern sind insbes. vor dem übernahmerechtlichen Hintergrund von § 289a Abs. 1 HGB (Rz. 10 ff.) hingegen eher denkbar. Als Anspruchsgrundlage kommt insofern aber nur § 826 BGB in Betracht, soweit dessen spezifischen Voraussetzungen im Rahmen der Kapitalmarktinformationshaftung vorliegen. Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB kommt ebenfalls in Betracht, da jedenfalls die Sonderangaben nach § 289a Abs. 1 HGB einem übernahmespezifischen Schutz der Anleger dienen (Rz. 2 f.), so dass der erforderliche Individualschutz gegeben ist.3 Für die Angaben nach § 289a 1 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289 HGB Rz. 103; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289 Rz. 125. 2 Vgl. dazu ausführlich Hennrichs, DStR 2009, 1446 (1449 f.); Mock in Kölner Komm. WpHG2, § 37q Rz. 18 ff. 3 AA Sailer, AG 2006, 913 (926) mit Verweis auf die Infomatec-Rspr.

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§ 289b | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen Abs. 2 HGB fehlt es hingegen an der Schutzgesetzeigenschaft. Eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB scheidet hingegen insgesamt aus, da in fehlenden oder fehlerhaften Sonderangaben schon kein qualifizierter Eingriff in die Mitgliedschaft gesehen werden kann. Schließlich scheidet auch eine Haftung aus §§ 37b f. WpHG aus.

§ 289b Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen (1) 1Eine Kapitalgesellschaft hat ihren Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern, wenn sie die folgenden Merkmale erfüllt: 1. die Kapitalgesellschaft erfüllt die Voraussetzungen des § 267 Absatz 3 Satz 1, 2. die Kapitalgesellschaft ist kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d und 3. die Kapitalgesellschaft hat im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. 2§ 267 Absatz 4 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. 3Wenn die nichtfinanzielle Erklärung einen besonderen Abschnitt des Lageberichts bildet, darf die Kapitalgesellschaft auf die an anderer Stelle im Lagebericht enthaltenen nichtfinanziellen Angaben verweisen. (2) 1Eine Kapitalgesellschaft im Sinne des Absatzes 1 ist unbeschadet anderer Befreiungsvorschriften von der Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung befreit, wenn 1. die Kapitalgesellschaft in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens einbezogen ist und 2. der Konzernlagebericht nach Nummer 1 nach Maßgabe des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU aufgestellt wird und eine nichtfinanzielle Konzernerklärung enthält. 2Satz 1 gilt entsprechend, wenn das Mutterunternehmen im Sinne von Satz 1 einen gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht nach § 315b Absatz 3 oder nach Maßgabe des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU erstellt und öffentlich zugänglich macht. 3Ist eine Kapitalgesellschaft nach Satz 1 oder 2 von der Pflicht zur Erstellung einer nichtfinanziellen Erklärung befreit, hat sie dies in ihrem Lagebericht mit einer Erläuterung anzugeben, welches Mutterunternehmen den Konzernlagebericht oder den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht öffentlich zugänglich macht und wo der Bericht in deutscher oder englischer Sprache offengelegt oder veröffentlicht ist. (3) 1Eine Kapitalgesellschaft im Sinne des Absatzes 1 ist auch dann von der Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung befreit, wenn die Kapitalgesellschaft für dasselbe Geschäftsjahr einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht außerhalb des Lageberichts erstellt und folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der gesonderte nichtfinanzielle Bericht erfüllt zumindest die inhaltlichen Vorgaben nach § 289c und 2. die Kapitalgesellschaft macht den gesonderten nichtfinanziellen Bericht öffentlich zugänglich durch a) Offenlegung zusammen mit dem Lagebericht nach § 325 oder b) Veröffentlichung auf der Internetseite der Kapitalgesellschaft spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag und mindestens für zehn Jahre, sofern der Lagebericht auf diese Veröffentlichung unter Angabe der Internetseite Bezug nimmt. 2Absatz 1 Satz 3 und die §§ 289d und 289e sind auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht entsprechend anzuwenden. (4)* Ist die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht inhaltlich überprüft worden, ist auch die Beurteilung des Prüfungsergebnisses in gleicher Weise wie die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht öffentlich zugänglich zu machen. * Abs. 4 ist erst auf Jahres- und Konzernabschlüsse, Lage- und Konzernlageberichte für das nach dem 31.12.2018 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 81 EGHGB).

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Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen A. I. II. 1.

2. III. 1. 2. IV. V. VI. VII. B. C. I. 1. 2. 3. 4. 5. II. III. IV. V. D. I. II. 1.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck Zielsetzung der CSR-Berichterstattung . . . . . a) CSR-Berichterstattung als Vervollständigung der Berichterstattung über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage . . . . . . b) CSR-Berichterstattung als Informationsbasis für die Eingehung von Vertragsund Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . c) CSR-Berichterstattung zur allgemeinen Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . Normzweck von § 289b HGB . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung Internationale Entwicklungen . . . . . . . . . . . Entwicklung im deutschen Handelsbilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlrecht für die Art und Weise der CSR-Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung (Abs. 1) Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 1) Beschränkung auf Kapitalgesellschaften . . . . Berichtspflicht für große Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) . . . . Berichtspflicht für Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfordernis des kumulativen Vorliegens der Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Größenklassen (Abs. 1 Satz 2) Gestaltung der nichtfinanziellen Erklärung als (besonderer) Abschnitt des Lageberichts (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprache der nichtfinanziellen Erklärung . . . . Freiwillige Berichterstattung . . . . . . . . . . . . Befreiung von der Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung bei einer Einbeziehung in den Konzernlagebericht (Abs. 2) Hintergrund der Befreiungsmöglichkeit . . . . Befreiungstatbestände Befreiung bei Einbeziehung in einen wesensgleichen Konzernlagebericht (Abs. 2 Satz 1) a) Einbeziehung der Kapitalgesellschaft in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) b) Einklang des Konzernlageberichts mit der Bilanzrichtlinie (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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| § 289b

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2. Abgabe eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts durch das Mutterunternehmen (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Befreiungsvorschriften . . . . . . . . . . 4. Keine Befreiung für die Muttergesellschaft selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erläuterungspflicht bei einer Befreiung und Angabe des Fundorts der nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . E. Befreiung von der Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung bei Erstellung eines nichtfinanziellen Berichts (Abs. 3) I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entsprechung der inhaltlichen Vorgaben von § 289c HGB (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) . . . . . III. Veröffentlichung des nichtfinanziellen Berichts (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) 1. Veröffentlichungsoptionen . . . . . . . . . . . . . 2. Offenlegung nach § 325 HGB (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veröffentlichung auf der Internetseite (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) . . . . . . . . . . . IV. Entsprechende Anwendung von Abs. 1 Satz 3 und §§ 289d f. HGB (Abs. 3 Satz 2) . . F. Veröffentlichung des Prüfungsergebnisses (Abs. 4) I. Fehlende Prüfungspflicht für die nichtfinanzielle Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vornahme einer inhaltlichen Prüfung . . . . . III. Erstellung eines Prüfungsurteils . . . . . . . . . IV. Veröffentlichung des Prüfungsurteils . . . . . . G. Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung und des nichtfinanziellen Berichts . . . . . . . H. Auswirkungen der CSR-Berichterstattung auf die Organisationsverfassung der Kapitalgesellschaften I. Keine gesellschaftsinterne Selbstbindung durch die CSR-Berichterstattung . . . . . . . . . II. Kein Erfordernis der Änderung des Unternehmensgegenstands für die CSR-Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anpassung der Vorstandsvergütung . . . . . . I. Durchsetzung der Berichtspflicht . . . . . . . I. Öffentlich-rechtliche Durchsetzung . . . . . . . II. Privatrechtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . J. Rechtsfolgen einer fehlenden oder fehlerhaften nichtfinanziellen Erklärung I. Bilanzrechtliche Folgen 1. (Keine) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . II. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht . . . . . . III. Zivilrechtliche Folgen 1. Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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46 48 49 50

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61 63 65 67 70

_ __ __ _ 75 76 77 78 79 81

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§ 289b Rz. 1 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen Literatur: Allgemein zur CSR-Berichterstattung: du Plessis, Disclosure of non-financial information: a powerful corporate governance tool, 34 Comparative and Securities Law Journal 69; Baetge/Hippel, Berichterstattung über Nachhaltigkeitsindikatoren („Sustainable Development-Key Performance Indicators“ [„SD-KPIs“]) in Geschäftsberichten unter besonderer Berücksichtigung von Best Practices, FS Gauweiler, 2009, 545; Hüttemann, Bilanz- und steuerrechtliche Aspekte der sozialen Verantwortung von Unternehmen, AG 2009, 774; Schrader, Nachhaltigkeit von Unternehmen – Verrechtlichung von Corporate Social Responsibility, ZUR 2013, 451; Zülch/Salewski, Corporate Social Responsibility und die Qualität der Finanzberichterstattung – ein Widerspruch?, DB 2014, 493; Gutsche/Gratwohl/Fauser, Bewertungsrelevanz von Corporate Social Responsibility (CSR-)Informationen – Eine empirische Analyse, IRZ 2015, 455; Roth-Mingram, Corporate Social Responsibility (CSR) durch eine Ausweitung der nichtfinanziellen Informationen von Unternehmen, NZG 2015, 1341; Villiers/Mähönen, Accounting, auditing, and reporting: supporting or obstructing the sustainable companies, objective, in: Sjafjel/Richardson, Company Law and Sustainability – Legal Barriers and Opportunities, 2015, 175. Zur CSR-Richtlinie: Hommelhoff, Nichtfinanzielle Unternehmensziele im Unionsrecht – zwanzig Bemerkungen zum Kommissionsvorschlag für die Novellierung der 4. und 7. Bilanzrichtlinie vom April 2013, FS Hoyningen-Huene, 2014, 137; Spießhofer, Die neue europäische Richtlinie über Offenlegung nichtfinanzieller Informationen – Paradigmenwechsel oder Papiertiger?, NZG 2014, 1281; Szabó/Sørensen, New EU-Directive on the Disclosure of Non-Financial Information (CSR), 12 ECFR 307 (2015); Voland, Erweiterung der Berichtspflichten für Unternehmen nach der neuen CSR-Richtlinie, DB 2014, 2815; Eufinger, Die neue CSR-Richtlinie – Erhöhung der Unternehmenstransparenz in Sozial- und Umweltbelangen, EuZW 2015, 424; Hommelhoff, Nichtfinanzielle Ziele in Unternehmen von öffentlichem Interesse – Die Revolution über Bilanzrecht, FS Kübler, 2015, 291; Müller/Stawinoga/Velte, Mögliche Einbettung der neuen nichtfinanziellen Erklärung in die handelsrechtlichen Unternehmenspublizität und –prüfung – Erkenntnisse aus den Stellungnahmen zum Konzeptpapier des BMJV zur nationalen Umsetzung der CSR-Richtlinie, DB 2015, 2217; Hermeling/Meeh-Bunse/Schomaker, CSR-Richtlinie: Inhalt und potentielle Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen, DStR 2016, 2769. Zum CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz: Kajüter, Die nichtfinanzielle Erklärung nach dem Regierungsentwurf zum CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, IRZ 2016, 507; Kumm/Woodtli, Nachhaltigkeitsberichterstattung: Die Umsetzung der Ergänzungen der Bilanzrichtlinie um die Pflicht zu nichtfinanziellen Angaben im RefE eines CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes, DK 2016, 218; Lanfermann, Referentenentwurf des CSR-Richtlinie- Umsetzungsgesetzes sieht Prüfungspflicht für den Aufsichtsrat vor, BB 2016, 1131; Meeh-Bunse/Hermeling/Schomaker, CSR-Richtlinie: Inhalt und potentielle Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen – Berichterstattung von Unternehmen über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, DStR 2016, 2769; Nietsch, Nachhaltigkeitsberichterstattung im Unternehmensbereich ante portas – der Regierungsentwurf des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes, NZG 2016, 1330; Nietsch/Munerotto, Der Referentenentwurf zur Umsetzung der CSR-Richtlinie, CB 2016, 177; Seibt, CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Bericherstattung über nichtfinanzielle Aspekte der Geschäftstätigkeit, DB 2016, 2707; Stawinoga/Velte, Der Referentenentwurf für ein CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Eine erste Bestandsaufnahme unter besonderer Berücksichtigung der empirischen Relevanz des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), DB 2016, 841; Velte/Stawinoga, Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten – Mögliche Implikationen für die handelsrechtliche Umsetzung der „EU-CSR-Richtlinie“ bei der nicht finanziellen Erklärung vor dem Hintergrund internationaler Forschungsergebnisse, DK 2016, 13; Mock, Berichterstattung über Corporate Social Responsibility nach dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, ZIP 2017, 1195.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 289b HGB wird der Anwendungsbereich für die CSR-Berichterstattung festgelegt. So werden nach Abs. 1 allgemeine Kriterien für diesen aufgestellt (Rz. 26 ff.) und durch Abs. 2 bestimmte Kapitalgesellschaften wieder ausgenommen (Rz. 40 ff.). Alternativ zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung gestattet Abs. 3 die Veröffentlichung eines nichtfinanziellen Berichts (Rz. 53 ff.). Durch Abs. 4 wird schließlich eine Veröffentlichungspflicht hinsichtlich des Prüfungsurteils den Fall angeordnet, dass die nichtfinanzielle Erklärung oder nichtfinanzielle Bericht einer Prüfung unterzogen wurde (Rz. 61 ff.).

II. Bedeutung und Zweck 1. Zielsetzung der CSR-Berichterstattung 2

Die CSR-Berichterstattung verfolgt drei Ziele.1 So soll die übrige bilanzielle Berichterstattung vervollständigt (Rz. 3 f.), eine Informationsbasis für die Eingehung von Vertrags- und Rechtsbeziehungen für Dritte geschaffen (Rz. 5 ff.) und eine nachhaltige Unternehmenspolitik gefördert werden (Rz. 8 f.). 1 Dazu Mock, ZIP 2017, 1195 (1195 f.).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 9 § 289b

a) CSR-Berichterstattung als Vervollständigung der Berichterstattung über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Die nichtfinanzielle Erklärung reiht sich zunächst in die allgemeine Berichterstattung des Unternehmens 3 ein und vervollständigt diese. Die in einer nichtfinanziellen Erklärung aufzunehmenden Angaben haben zwar meist keinen unmittelbaren, aber einen durchaus nicht zu unterschätzenden mittelbaren Einfluss auf die Ertragskraft eines Unternehmens. Dies zeigt sich etwa an den Folgen, die einem Unternehmen heute bei einer Veröffentlichung der Missachtung der in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekte drohen, da diese Folgen oftmals etwa zu massiven Umsatzeinbußen führen können. Umgekehrt kann die Verfolgung nichtfinanzieller Unternehmensziele mit einem enormen Reputationsgewinn einhergehen, der sich ebenfalls auf die Ertragskraft des Unternehmens auswirken kann.1 Diese Funktion kann auch durch die bisherigen Rechnungslegungsinstrumente nicht wahrgenommen 4 werden. Dies gilt insbes. für die Rückstellungen (§ 249 HGB), da die CSR-relevanten Berichtsinhalte meist (noch) nicht die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen erfüllen. Auch die (bisherige) Lageberichterstattung eignet sich nur bedingt. Denn auch wenn diese bereits die Aufnahme von CSR-relevanten Aspekten gestattete,2 fehlte es bisher an einer Vergleichbarkeit mit anderen Kapitalgesellschaften. Zudem führte die fehlende Verbindlichkeit der CSR-Berichterstattung zu einem „Rosinenpicken“ der freiwillig berichtenden Unternehmen, da diese meist nur auf die Aspekte eingingen, die zu einer Steigerung der Reputation führten. b) CSR-Berichterstattung als Informationsbasis für die Eingehung von Vertrags- und Rechtsbeziehungen Daneben tritt aber auch das Interesse von Personen, die in einer Vertrags- und Rechtsbeziehung mit der Kapitalgesellschaft stehen. Dies gilt zunächst für die Anteilseigner, die oftmals ein großes Interesse an Informationen über die Verfolgung nichtfinanzieller Unternehmensziele3 haben, womit die CSR-Berichterstattung die Brücke zu den Socially Responsible Investments schlägt.

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Aber auch für die Gläubiger und Vertragspartner ist die Unterrichtung über nichtfinanzielle Unterneh- 6 mensziele von großer Bedeutung, da durch die Verfolgung der nichtfinanziellen Unternehmensziele letztlich die Erfüllung der Verbindlichkeiten und vertraglichen Verpflichtungen beeinflusst und ggf. gefährdet wird.4 Hinzu kommt insbes. bei (potentiellen) Vertragspartnern das Interesse, über die Verfolgung nichtfinanzieller Unternehmensziele unterrichtet zu werden, um die eigene Vertragsbeziehung mit dieser Kapitalgesellschaft möglicherweise zu überdenken. Dies wird im Rahmen der CSR-Berichterstattung vor allem im Rahmen der sogenannten Lieferkette deutlich (§ 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB – § 289c HGB Rz. 60 ff.), bei der die Ausrichtung der Vertragspartner auf nichtfinanzielle Unternehmensziele die eigene CSR-Berichterstattung massiv beeinflusst. Zudem ist die CSR-Berichterstattung für (potentielle) Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften von Interesse,5 da sich die Berichterstattung auch auf Arbeitnehmerbelange erstreckt (§ 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB – § 289c HGB Rz. 29 ff.).

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c) CSR-Berichterstattung zur allgemeinen Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik Schließlich soll mit der Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung eine nachhaltige Unterneh- 8 menspolitik gefördert werden, indem die betroffenen Kapitalgesellschaften Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit darüber ablegen müssen, ob und inwiefern sie eine nachhaltige Unternehmenspolitik verfolgen.6 Auch wenn es den Kapitalgesellschaften im Anwendungsbereich der §§ 289b ff. HGB dabei freisteht, Nachhaltigkeitszielen in keiner Weise Beachtung zu schenken, wird durch die Veröffentlichung auf diese ein entsprechender öffentlicher Druck ausgeübt, dem sich in der heutigen Zeit dauerhaft kein Unternehmen entziehen kann.7 Diese weitergehende Aufgabe der CSR-Berichterstattung führt auch zu einer Verschiebung bei den Adressaten. Während die Rechnungslegung sich hauptsächlich an die Gesellschafter, Gläubiger und Vertrags1 2 3 4 5 6

Eufinger, EuZW 2015, 424 (425); Mock, ZIP 2017, 1195 (1196). Dazu etwa Hüttemann, AG 2009, 774 (776); vgl. auch § 289 HGB Rz. 49 ff. Dies betonend Hommelhoff in FS Hoyningen-Huene, 137 (142 f.). Hommelhoff in FS Hoyningen-Huene, 137 (142); Mock, ZIP 2017, 1195 (1196). Dazu Hommelhoff in FS Hoyningen-Huene, 137 (142). Hommelhoff in FS Hoyningen-Huene, 137 (142); Hommelhoff in FS Kübler, 291 (293); Mock, ZIP 2017, 1195 (1196); Seibt, DB 2016, 2707 (2708). 7 Zu diesem Konzept Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (219 f.).

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§ 289b Rz. 10 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen partner des Bilanzierenden (Rz. 5 ff.) richtet, adressiert die CSR-Berichterstattung auch die allgemeine Öffentlichkeit bzw. die Personen mit einem berechtigten Interesse.1 2. Normzweck von § 289b HGB 10

Durch § 289b HGB wird der Anwendungsbereich für die Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung umrissen und auf bestimmte Unternehmen beschränkt. Damit nimmt § 289b HGB eine zentrale Weichenstellung für die CSR-Berichterstattung vor, die vor allem im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht unumstritten war (Rz. 13).

III. Rechtsentwicklung 1. Internationale Entwicklungen 11

Die CSR-Berichterstattung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Sondergebiet der Nachhaltigkeitsdebatte entwickelt. Maßgeblicher Impuls waren – neben verschiedenen nationalen Regelungen2 – vor allem die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte v. 16.6.2011,3 wonach die Staaten als Bestandteil ihrer Schutzpflichten Unternehmen zu einer Darstellung und Veröffentlichung über die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Tätigkeit verpflichten sollten.4 Dieser Initiative schloss sich die europäische Kommission an und entwickelte eine CSR-Strategie, die bereits im Oktober 2011 veröffentlicht wurde.5 Im Rahmen dieser Strategie kam es 2014 zur Verabschiedung der CSR-Richtlinie6 als zentraler europäischer Regelung für die CSR-Berichterstattung (Rz. 17). 2. Entwicklung im deutschen Handelsbilanzrecht

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Die CSR-Berichterstattung hat ihren Anfang im deutschen Handelsbilanzrecht mit der Umsetzung der Bilanzrechtsmodernisierungsrichtlinie von 2003 durch das Bilanzrechtsreformgesetz von 20047 genommen, durch das der heutige § 289 Abs. 3 HGB (§ 289 HGB Rz. 49 ff.) eingeführt wurde. Auch die Einführung der sogenannten Frauenquote von 20158 und die damit verbundene Berichterstattung im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB – § 289f HGB Rz. 47 ff.) adressierte bereits Nachhaltigkeitsaspekte. Darüber hinaus wurde durch das Transparenzrichtlinie-ÄnderungsrichtlinieGesetz von 20159 die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung eines (Konzern)Zahlungsberichts für Unternehmen eingeführt, die in der mineralgewinnenden Industrie tätig sind oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben (§§ 341q ff. HGB, § 37x WpHG). Zu einer umfassenden CSR-Berichterstattung kam es aber erst im Rahmen des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (Rz. 13).

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§ 289b HGB selbst geht auf das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz10 zurück und wurde durch dieses neu geschaffen. Vor der Veröffentlichung des Referentenentwurfs hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ein Konzeptpapier vorgelegt, das teilweise deutlich über den Richtlinienumset-

1 Mit dieser Formulierung Erwägungsgrund Nr. 10 CSR-Richtlinie. 2 So etwas im Vereinigten Königreich Sec. 54 (transparency in supply chains) Modern Slavery Act 2015 mit der Verpflichtung zur jährlichen Veröffentlichung eines Slavery and Human Trafficking Statement über Maßnahmen zur Verhinderung von Sklaverei und Menschenhandel im eigenen Unternehmen und den Zulieferern (supply chain). Vgl. dazu etwa im Überblick Seibt, DB 2016, 2707. 3 United Nations, UN Guiding Principles on Business and Human Rights, UN doc A/HRC/17/31. 4 Nr. 3 UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte v. 16.6.2011 lautet: „Zur Wahrnehmung ihrer Schutzpflicht sollten Staaten: (…) (d) Wirtschaftsunternehmen dazu anhalten und es ihnen gegebenenfalls zur Auflage machen, zu kommunizieren, wie sie ihren menschenrechtlichen Auswirkungen begegnen.“ 5 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine neue EU-Strategie (2011–2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), KOM(2011) 681 endg. 6 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 7 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 8 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24.4.2015, BGBl. I 2015, 642. 9 Gesetz zur Änderung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie v. 20.11.2015, BGBl. I 2015, 2029. 10 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 16 § 289b

zungsauftrag hinausging.1 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde zunächst diskutiert, ob das Rechnungslegungsrecht überhaupt der richtige Regelungsort für die CSR-Berichterstattung und diese nicht besser im Gesellschaftsrecht zu verankern sei.2 Die Verankerung der CSR-Berichterstattung im Handelsbilanzrecht trägt allerdings ihrem europarechtlichen Regelungsstandort in der (neuen) Bilanzrichtlinie Rechnung und macht zudem deutlich, dass es sich lediglich um eine Berichtspflicht ohne korrespondierende Handlungspflichten für die Geschäftsleiter der betroffenen Kapitalgesellschaften handelt (Rz. 75). Zudem wurde intensiv über die Frage diskutiert, ob der durch § 289b HGB angeordnete Anwendungsbereich nicht zu eng sei und einer erheblichen Ausweitung etwa durch Streichung des Erfordernisses der Kapitalmarktorientierung (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 – Rz. 31 f.) oder Herabsetzung der Arbeitnehmerzahl in Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (Rz. 33) bedürfe.3 Diese Bedenken konnten sich allerdings nicht durchsetzen, da auf diese Weise insbes. klein- und mittelständische Unternehmen in die CSR-Berichtserstattung einbezogen worden wären, was aufgrund der damit verbundenen Kosten nicht vertretbar gewesen wäre.4 Zudem ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass auch Art. 19a Abs. 1 CSR-Richtlinie (Rz. 17) keinen weitergehenden Anwendungsbereich vorsieht und auch große nicht kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften nach § 289 Abs. 3 HGB (§ 289 Abs. 3 HGB Rz. 49 ff.) verpflichtet sind, in ihrem Lagebericht auf nichtfinanzielle Leistungsindikatoren einzugehen, so dass für diese jedenfalls eine abgeschwächte Form der CSR-Berichterstattung gilt. Zudem wurde im Gesetzgebungsverfahren über die Frage der Prüfung und insbes. der Prüfungspflicht für den Aufsichtsrat diskutiert5 (dazu ausführlich § 171 AktG Rz. 56). Von der Einführung einer inhaltlichen Pflichtprüfung durch den Abschluss- oder einen anderen geeigneten Prüfer wurde aber abgesehen, da damit weitere nicht unerhebliche Kosten verbunden gewesen wären. Zudem soll zunächst abgewartet werden, ob die Praxis der CSR-Berichterstattung tatsächliche eine Pflichtprüfung erforderlich macht.

IV. Europarechtlicher Hintergrund Die Auseinandersetzung mit der CSR-Berichterstattung reicht beim europäischen Gesetzgeber bereits bis 14 ins Jahr 1998 zurück, als die auf Initiative des Europäischen Rats eingesetzte Hochrangige Sachverständigengruppe für die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen industrieller Wandlungsprozesse die Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern aufforderte, freiwillig einen Bericht „Strategie für den industriellen Wandel“ zu veröffentlichen. Aufgrund der zunehmenden Initiativen zur CSR-Berichterstattung veröffentlichte die Europäische Kommission 2001 ein Grünbuch zu den Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen und setzte sich dabei mit auch der Frage der Berichterstattung auseinander.6 Allerdings wurde seinerzeit noch eine freiwillige Berichterstattung präferiert.7 Eine normative Verankerung hat die CSR-Berichterstattung im europäische Handelsbilanzrecht erstmals 15 im Rahmen der sogenannten Bilanzrechtmodernisierungsrichtlinie von 20038 erfahren, indem die Berichterstattung im Lagebericht um sogenannte nichtfinanzielle Leistungsindikatoren erweitert wurde (Art. 46 Abs. 1 Buchst. b), zu denen beispielhaft Umwelt- und Arbeitnehmerbelange gehörten. An diesem Konzept wurde auch bei der Schaffung der (neuen) Bilanzrichtlinie festgehalten, deren Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 3 einen entsprechenden Ausweis im Lagebericht verlangt. Darüber hinaus wurde durch die Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie9 in Art. 6 Transparenzricht- 16 linie eine Pflicht zur länderspezifischen Berichterstattung über Zahlungen an staatliche Stellen für be1 BMJV, Konzeptpapier zur Umsetzung der CSR-Richtlinie – Reform des Lageberichts, abrufbar unter www.hbfm.link/538; dazu etwa Müller/Stawinoga/Velte, DB 2015, 2217 ff. 2 So vor allem Hommelhoff in FS Hoyningen-Huene, 137 (144); dies ablehnend Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (219); Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1342). 3 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3. 4 So auch schon Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 44. 5 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3 f. 6 Europäische Kommission, Grünbuch – Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, KOM(2001) 366 endg., Rz. 66 ff. 7 Vgl. insgesamt zum Entwicklungsprozess Szabó/Sørensen, 12 ECFR 307, 311 ff. (2015). 8 Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/ 660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. EG 2003 Nr. 178, 16 ff. 9 Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/ 109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie

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§ 289b Rz. 17 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen stimmte Unternehmen des Rohstoffsektors eingeführt, womit auch Nachhaltigkeitsaspekte adressiert wurden.1 17

Im Rahmen der CSR-Richtlinie2 wurde eine (zusätzliche) Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung bzw. eines nichtfinanziellen Berichts und somit eine umfassende CSR-Berichterstattung eingeführt.3 Die §§ 289b–289e HGB dienen der Umsetzung dieser Vorgaben.

V. Anwendungsbereich 18

Grundsätzlich geht § 289b HGB von einer Anwendbarkeit auf Kapitalgesellschaften (Rz. 26 ff.) aus. Allerdings wird der konkrete Anwendungsbereich durch Abs. 1 detailliert geregelt (Rz. 26 ff.) und durch Abs. 2 (Rz. 40 ff.) wieder eingeschränkt. Der konkrete Anwendungsbereich für die CSR-Berichterstattung ist dabei weniger darauf ausgerichtet, ob Unternehmen im Hinblick auf die berichtspflichtigen Inhalte typischerweise Verstöße begehen oder in Branchen tätig sind, bei denen Nachhaltigkeit eine besonders große Rolle spielt. Vielmehr folgen die §§ 289b ff. HGB als Umsetzungsvorschriften der CSR-Richtlinie dem Anwendungsbereich der (neuen) Bilanzrichtlinie, da sich der europäische Gesetzgeber für eine bilanzrechtliche Verankerung der CSR-Berichtspflicht entschieden hat. Damit sind eine Reihe von Unternehmen nicht der CSR-Berichtspflicht unterworfen, die gerade in CSR-sensiblen Branchen tätig sind. Zu Überlegungen zur Erweiterung des Anwendungsbereichs s. Rz. 13.

VI. Verhältnis zu anderen Vorschriften 19

Auch wenn die §§ 289b ff. HGB die CSR-Berichterstattung umfassend regeln, ist unklar, wie sich diese zu anderen Berichtsvorschriften verhalten, die ebenfalls Nachhaltigkeitsaspekte adressieren. Dies gilt vor allem für die Lageberichterstattung nach § 289 Abs. 1 HGB (Beschreibung des Geschäftsmodells – § 289 HGB Rz. 16 ff.) und § 289 Abs. 3 HGB (Beschreibung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren – § 289 HGB Rz. 49 ff.), die Zahlungsberichte nach den §§ 341q ff. HGB, § 37x WpHG und die Berichterstattung über das Diversitätskonzept nach § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB (§ 289f HGB Rz. 47 ff.). Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Berichtspflichten getrennt voneinander zu erfüllen sind. Insofern ist auch unzulässig, jeweils auf den anderen Bericht zu verweisen, da dies die Kenntnisnahme der jeweiligen Berichtsinhalte für die Adressaten erschwert. Eine Ausnahme besteht nur soweit nichtfinanzielle Angaben an anderer Stelle im Lagebericht enthalten sind, da nach § 289b Abs. 1 Satz 3 HGB dann auf diese verwiesen werden darf (Rz. 36 f.).

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Wenig geklärt ist zudem das Verhältnis der §§ 289b ff. HGB zu Ziff. 4.1.1 Deutscher Corporate Governance Kodex, wonach der Vorstand das Unternehmen ua. mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung leitet.4 Dabei ist aber schon fraglich, ob der Begriff der Nachhaltigkeit in Ziff. 4.1.1 Deutscher Corporate Governance Kodex überhaupt die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) adressiert und nicht vielmehr nur der Entschärfung des Zeitpräferenzkonflikts dient (zur Parallelproblematik bei der Vorstandsvergütung s. Rz. 77). Soweit man Ersteres annimmt, dürfte eine einschränkende CSR-Berichterstattung auch zu einer Einschränkung der Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex führen. Ist die Entsprechenserklärung dennoch ohne Einschränkung im Hinblick auf Ziff. 4.1.1 Deutscher Corporate Governance Kodex trotz negativer CSR-Berichterstattung abgegeben worden, ist dann von deren Fehlerhaftigkeit auszugehen.

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Unklar ist schließlich das Verhältnis der CSR-Berichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex, der von dem von der Bundesregierung eingesetzten Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) veröffentlicht wurde.5 Da die Befolgung dieses Kodex oder eine Erklärung dazu rein freiwilliger Natur ist, besteht keine unmittelbare Beziehung zur CSR-Berichterstattung. Allerdings darf durch Erklärungen zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex die CSR-Berichterstattung nicht relativiert werden. So-

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2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/ 109/EG, ABl. EU 2013 Nr. L 294, 13 ff. Zu den Zielen vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (2013/50/EU). Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/ 34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. Zur Richtlinie vgl. etwa Spießhofer, NZG 2014, 1281 (1282 ff.); Szabó/Sørensen, 12 ECFR 307 ff. (2015); Voland, DB 2014, 2815 ff. Dazu etwa von Werder in Kremer/Bachmann/Lutter/von Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 805 f. Abrufbar unter http://www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/eigene-projekte/deutscher-nachhaltigkeitskodex; vgl. dazu Hecker/Peters, NZG 2012, 55 ff.

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B. Wahlrecht für die Art und Weise der CSR-Berichterstattung

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Rz. 25 § 289b

weit dies geschieht, liegt eine fehlerhafter CSR-Berichterstattung vor; s. Rz. 83 ff. zu den Folgen einer fehlerhafter CSR-Berichterstattung.

VII. Übergangsrecht § 289b Abs. 1–3 HGB sind erstmals auf Lageberichte für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäfts- 22 jahr anzuwenden (Art. 80 EGHGB). Abs. 4 ist hingegen erst auf Lageberichte für das nach dem 31.12.2018 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 81 EGHGB). Zu den Gründen für das spätere Inkrafttreten von Abs. 4 s. Rz. 61 ff.

B. Wahlrecht für die Art und Weise der CSR-Berichterstattung Die nach den §§ 289b ff. HGB vorzunehmende CSR-Berichterstattung kann als Erweiterung des Lagebe- 23 richts oder als eigenständiger nichtfinanzieller Bericht erfolgen. Zwischen diesen beiden1 Arten räumt § 289b HGB ein Wahlrecht ein. Dieses ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus der Systematik von § 289b HGB, indem in Abs. 1 die Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung angeordnet wird (Rz. 26 ff.), von der nach Abs. 3 allerdings Kapitalgesellschaften befreit sind, die einen nichtfinanziellen Bericht veröffentlichen (Rz. 53 ff.). Zu beachten ist aber, dass damit die Erweiterung des Lageberichts um die nichtfinanzielle Erklärung die Regel und der nichtfinanzielle Bericht die Ausnahme ist, was vor allem für die Sanktionen (Rz. 83 ff.) von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.2 Soweit die nichtfinanzielle Erklärung Bestandteil des Lageberichts ist, erfolgt die Veröffentlichung zu- 24 sammen mit diesem nach § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. Hat sich die Kapitalgesellschaft hingegen für die Erstellung eines nichtfinanziellen Berichts entschieden, erfolgt dessen Veröffentlichung entweder auch über das Unternehmensregister (§ 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HGB – Rz. 57) oder aber über das Internet (§ 289 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HGB – Rz. 59). CSR-Berichterstattung

Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung

Abgabe eines nichtfinanziellen Berichts

(Rz. 26ff.)

(Rz. 53 ff.)

Veröffentlichung als Bestandteil des Lageberichts im Unternehmensregister

eigenständige Veröffentlichung im Unternehmensregister

eigenständige Veröffentlichung im Internet

(Rz. 36f.)

(Rz. 58)

(Rz. 59)

Kriterien für die Wahlrechtsausübung werden durch § 289b Abs. 3 HGB nicht vorgegeben. Daher be- 25 steht für die zuständigen Gesellschaftsorgane dahingehend ein Ermessen, das pflichtgemäß ausgeübt werden muss. Ein Aspekt, der für die Wahlrechtsausübung von Bedeutung ist, dürfte die bisher bereits vorgenommene CSR-Berichterstattung sein, da mit der Veröffentlichung des nichtfinanziellen Berichts an dem bisherigen Berichtsformat möglicherweise festgehalten werden kann.3

1 Zum fehlenden Bestehen einer dritten Option s. Rz. 53. 2 Ebenso Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (227). 3 Ebenso Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (227).

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§ 289b Rz. 26 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen

C. Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung (Abs. 1) I. Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 1) 1. Beschränkung auf Kapitalgesellschaften 26

Die Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung besteht nach § 289b Abs. 1 HGB nur für Kapitalgesellschaften. Als Kapitalgesellschaft iSv. Abs. 1 kommen nur die AG, die KGaA und die GmbH in Betracht, da der Begriff der Kapitalgesellschaft in der Überschrift zum zweiten Abschnitt des Dritten Buchs des HGB legaldefiniert wird. Erfasst sind auch Genossenschaften, da § 336 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB auf die §§ 289b ff. HGB verweist. Darüber hinaus wird auch die Europäische Aktiengesellschaft (SE) aufgrund des Verweises in Art. 61 SE-VO von § 289b Abs. 1 HGB erfasst.1 Dies gilt aufgrund von Art. 68 SCE-VO ebenso für die Europäische Genossenschaft (SCE).

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Da § 289b Abs. 1 HGB nur auf Kapitalgesellschaften Bezug nimmt, scheint die Berichtspflicht nicht für kapitalistische Personengesellschaften zu gelten, da solche in der Diktion des deutschen Gesellschafts- und Bilanzrechts keine Kapitalgesellschaften sind, sondern nur teilweise die entsprechenden Normen gelten. Eine solche Berichtspflicht ergibt sich aber aus § 264a HGB, da dieser ua. die §§ 289–289f HGB für anwendbar erklärt.2 Ausgenommen sind aber die gesetzestypischen Personengesellschaften, da diese nicht unter § 264a HGB fallen.

28

Nicht völlig eindeutig ist es, ob auch ausländische Kapitalgesellschaften von § 289b Abs. 1 HGB erfasst sind, da der Begriff der Kapitalgesellschaft durchaus der international-privatrechtlichen Substitution zugänglich ist. Gegen eine Erfassung ausländischer Kapitalgesellschaften spricht aber, dass Abs. 1 mit der Verwendung des Begriffs der Kapitalgesellschaft auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 264 ff. HGB zu verweisen scheint, die auf ausländische Kapitalgesellschaften grundsätzlich keine Anwendung finden. Damit entsteht auch keine Lücke in der CSR-Berichterstattung, da Kapitalgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten bei einer Kapitalmarktorientierung im Inland (Rz. 32) dem jeweiligen nationalen Umsetzungsrecht der CSR-Richtlinie (Rz. 17) unterliegen (§ 37v Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WpHG).3 Für Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten mit einer Kapitalmarktorientierung im Inland (Rz. 47) gelten dann die §§ 289b ff. HGB ohnehin (§ 37v Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) WpHG).

29

Für Kreditinstitute und Versicherungen ergibt sich die Pflicht zur CSR-Berichterstattung aus §§ 340a Abs. 1a, 341a Abs. 1a HGB.

30

Bei der Kapitalgesellschaft nach § 289b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB muss es sich um eine große Kapitalgesellschaft handeln. Dies ist dann der Fall, wenn sie die Voraussetzungen von § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB (§ 267 HGB Rz. 10 ff.) erfüllt. Da § 289b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB nur auf § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB (§ 267 HGB Rz. 10 ff.) und nicht auf § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB (§ 267 HGB Rz. 10 ff.) verweist, findet dessen Fiktion im Rahmen von § 289b Abs. 1 HGB keine Anwendung.4 Daher muss trotz der Voraussetzung der Kapitalmarktorientierung in § 289b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB (Rz. 31 f.) stets geprüft werden, ob die in § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB (§ 267 HGB Rz. 10 ff.) vorausgesetzten Größenmerkmale für das Vorliegen einer großen Kapitalgesellschaft auch tatsächlich gegeben sind. Zur Berechnung der Größenmerkmale verweist § 289b Abs. 1 Satz 2 HGB auf § 267 Abs. 4–5 HGB (Rz. 24 ff.).

31

Weiterhin muss die Kapitalgesellschaft kapitalmarktorientiert iSv. § 264d HGB sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie einen organisierten Markt iSv. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere iSv. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat; s. dazu ausführlich Erl. zu § 264d HGB.

32

Eine Ausnahme hinsichtlich der Kapitalmarktorientierung besteht für Kreditinstitute und Versicherungen, da diese unabhängig von dem Vorliegen einer solchen nach §§ 340a Abs. 1a, 341a Abs. 1a HGB zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung verpflichtet sind.

2. Berichtspflicht für große Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)

3. Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)

1 Darauf ausdrücklich hinweisend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 44. 2 Dies betonend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 44; vgl. dazu Mock, ZIP 2017, 1195 (1197); Seibt, DB 2016, 2707 (2710). 3 Mock, ZIP 2017, 1195 (1197). 4 Ebenso Nietsch, NZG 2016, 1330 (1331).

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C. Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung (Abs. 1)

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Rz. 38 § 289b

4. Berichtspflicht für Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) Schließlich muss die Kapitalgesellschaft im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. 33 Der Begriff der Arbeitnehmer richtet sich im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nach dem europäischen Mitarbeiterbegriff,1 da Art. 19a Abs. 1 Satz 1 CSR-Richtlinie (Rz. 17) auf diesen Bezug nimmt. 5. Erfordernis des kumulativen Vorliegens der Merkmale Die Voraussetzungen von § 289b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 HGB müssen kumulativ vorliegen. Fehlt es daher auch nur an einem der Merkmale, entfällt die Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung vollständig.

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II. Berechnung der Größenklassen (Abs. 1 Satz 2) Für die Berechnung der Größenklassen nach § 289b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (Rz. 30 ff.) verweist Abs. 1 35 Satz 2 auf die entsprechenden Regelungen in § 267 Abs. 4–5 HGB (§ 267 HGB Rz. 24 ff.), so dass es keiner autonomen Auslegung der Größenmerkmale im Rahmen von Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Rz. 30) bedarf. Zur fehlenden Anwendung von § 267 Abs. 3 HGB s. Rz. 10 ff.

III. Gestaltung der nichtfinanziellen Erklärung als (besonderer) Abschnitt des Lageberichts (Abs. 1 Satz 3) Die nichtfinanzielle Erklärung ist nach § 289b Abs. 1 HGB eindeutig ein Teil des Lageberichts, da dieser 36 um sie zu erweitern ist. Nicht hinreichend klar wird allerdings, welche Anforderungen an die Hervorhebung der nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht zu stellen sind. Nach Abs. 1 Satz 3 kann die nichtfinanzielle Erklärung ein besonderer Abschnitt des Lageberichts ein. Auch wenn man daraus in einem Umkehrschluss schließen könnte, dass auch eine vollständige Integration der nichtfinanziellen Erklärung in den Lagebericht möglich ist, muss eine solche begrenzt werden, um den Adressaten den Zugang zu dieser nicht unnötig zu erschweren.2 Daher muss die nichtfinanzielle Erklärung einen eigenständigen Gliederungspunkt im Lagebericht ausmachen und auch als solche klar und deutlich bezeichnet werden.3 Dies ergibt sich schon aus einer richtlinienkonformen Auslegung, da Art. 19a Abs. 1 CSR-Richtlinie nur eine Aufnahme der nichtfinanziellen Erklärung in den Lagebericht vorsieht. Nach § 289b Abs. 1 Satz 3 HGB darf in der nichtfinanziellen Erklärung auf die im sonstigen Lagebericht enthaltenen nichtfinanziellen Leistungsindikatoren verwiesen werden, wenn die nichtfinanzielle Erklärung einen eigenständigen Abschnitt im Lagebericht bildet. Damit soll eine mehrfache Berichterstattung im Lagebericht vermieden werden.4 Wird von dieser Verweistechnik Gebrauch gemacht, muss aber dennoch sichergestellt werden, dass den Vorgaben von §§ 289c–289e HGB auch tatsächlich entsprochen wird.5

37

IV. Sprache der nichtfinanziellen Erklärung Durch § 289b Abs. 1 HGB wird nicht vorgegeben, in welcher Sprache die nichtfinanzielle Erklärung ab- 38 zugeben ist. Allerdings sieht Abs. 2 Satz 3 (Rz. 50 ff.) vor, dass jedenfalls der Konzernlagebericht oder der gesonderte nichtfinanzielle Konzernbericht in englischer oder deutscher Sprache veröffentlicht werden können. Daraus muss im Umkehrschluss gefolgert werden, dass auch die nichtfinanzielle Erklärung der Kapitalgesellschaft in englischer oder deutscher Sprache verfasst werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass Abs. 2 Satz 3 (Rz. 50 ff.) nur die Berichterstattung durch ausländische Mutterunternehmen regelt und somit im Zweifel eher von einer englischen Sprachfassung auszugehen ist. Denn die nichtfinanzielle Erklärung hat einen deutlich größeren Adressatenkreis als der Jahresabschluss oder der Lagebericht, der von allen von den nach § 289c HGB in die Erklärung aufzunehmenden Angaben betroffen ist. Da damit nicht nur deutsche Adressaten betroffen sind, muss die Erklärung gezwungenermaßen auch in englischer Sprache erfolgen können. Zudem ist die Mehrheit der nach § 289d HGB verwendbaren Rahmenwerke (§ 289d HGB Rz. 10 ff.) nicht in einer offiziellen deutschen Übersetzung verfügbar, so dass sich aus einer Berichtspflicht in deutscher Sprache nicht unerhebliche Einschränkungen für die be1 Dazu Steinmeyer in Fraanzen/Gallner/Oetker, Komm. zum europäischen Arbeitsrecht, Art. 45 AEUV Rz. 10 ff. 2 Ähnlich Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (221). 3 Ebenso wohl Eufinger, EuZW 2015, 424 (427); Meeh-Bunse/Hermeling/Schomaker, DStR 2016, 2769 (2771); aA aber Kajüter, IRZ 2016, 507 (509), der von der Möglichkeit der Integration der nichtfinanziellen Angaben an verschiedenen Stellen innerhalb des Lageberichts ausgeht. 4 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 44. 5 Dies betonend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 44.

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§ 289b Rz. 39 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen troffenen Kapitalgesellschaften ergeben würden. Ein Erfordernis der Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung in deutscher Sprache ergibt sich auch nicht aus dem Verweis in § 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HGB auf § 325 HGB, da es sich dabei um eine Rechtsfolgenverweisung handelt (Rz. 58). Zur Sprachenproblematik bei dem Befreiungstatbestand des § 289b Abs. 2 HGB s. Rz. 40 ff.

V. Freiwillige Berichterstattung 39

Einem Unternehmen, das nicht vom Anwendungsbereich des § 289b Abs. 1 HGB erfasst ist, steht es frei, die CSR-Berichterstattung auf freiwilliger Basis vorzunehmen, da die §§ 289b ff. HGB nicht abschließender Natur sind. Soweit das Unternehmen aber seine freiwillige CSR-Berichterstattung als nichtfinanzielle Erklärung bezeichnet, muss diese den Anforderungen der §§ 289b ff. HGB entsprechen, da es sich bei dem Begriff der nichtfinanziellen Erklärung um ein gesetzlich geregeltes Informationsinstrument gegenüber der Kapitalmarktöffentlichkeit handelt. Dem Unternehmen steht es aber frei, die von den Vorgaben der §§ 289b ff. HGB abweichende CSR-Berichterstattung unter einer anderen Bezeichnung vorzunehmen.

D. Befreiung von der Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung bei einer Einbeziehung in den Konzernlagebericht (Abs. 2) I. Hintergrund der Befreiungsmöglichkeit 40

Da die nichtfinanzielle Erklärung nicht nur von eigenständigen Kapitalgesellschaften, sondern auch von Muttergesellschaften von Konzernen abgegeben werden muss (§ 315b HGB), sieht § 289b Abs. 2 HGB mehrere Befreiungstatbestände für Kapitalgesellschaften bei Konzernsachverhalten vor (Rz. 41 ff.). Diese basieren auf dem Gedanken, dass eine nichtfinanzielle Erklärung bereits von einer anderen Konzerngesellschaft abgegeben und somit dem Informationsinteresse der interessierten Kreise entsprochen wird. Damit die von einer anderen Konzerngesellschaft abgegebene nichtfinanzielle Erklärung für die Adressaten auffindbar ist, muss nach § 289b Abs. 2 Satz 3 HGB angegeben werden, welches Mutterunternehmen die nichtfinanzielle Erklärung abgibt und wo diese zu finden ist (Rz. 50 ff.).

II. Befreiungstatbestände 1. Befreiung bei Einbeziehung in einen wesensgleichen Konzernlagebericht (Abs. 2 Satz 1) a) Einbeziehung der Kapitalgesellschaft in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) 41

Für den Befreiungstatbestand ist es zunächst erforderlich, dass die Kapitalgesellschaft in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens einbezogen wurde. Dabei kommt es – entgegen der Fassung des RegE – nicht darauf an, dass dieses Mutterunternehmen seinen Sitz in einem Mitglied- bzw. Vertragsstaat der EU bzw. des EWR hat. Eine derartige Beschränkung lässt sich zum einen mit Art. 19a Abs. 3 CSR-Richtlinie nicht vereinbaren und würde zudem nichteuropäische Kapitalgesellschaften von dem Befreiungstatbestand ausschließen, obwohl bei diesen möglicherweise eine andere Konzerngesellschaft eine entsprechende nichtfinanzielle Erklärung abgibt.1

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Unklar ist bei § 289b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB, nach welchem (Konzernbilanz-)Recht sich eine Einbeziehung richtet. Während sich dies idF des RegE aufgrund der Bezugnahme auf Mutterunternehmen aus Mitglied- bzw. Vertragsstaaten der EU bzw. des EWR stets nach dem nationalen Umsetzungsrecht der (neuen) Bilanzrichtlinie richtete, bleibt diese Frage nunmehr offen. Dies gilt umso mehr, als § 289b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB für die Aufstellung des Konzernlageberichts und die Abgabe der nichtfinanziellen Konzernerklärung auf die (neue) Bilanzrichtlinie verweist. Da dies bei § 289b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB nun nicht der Fall ist, könnte man argumentieren, dass im Umkehrschluss bei Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 für die Frage der Einbeziehung auf das jeweilige nicht-europäische Konzernrecht abzustellen ist. Ein solches Auseinanderfallen des Konzernbilanzrechts hinsichtlich der Einbeziehung und der Aufstellung erscheint aber nicht vorzugswürdig und würde letztlich auch nicht den Interessen der Adressaten entsprechen. Daher muss auch für die Frage der Einbeziehung auf das europäischen Konzernbilanzrecht in Form der (neuen) Bilanzrichtlinie abgestellt werden. Daher können Kapitalgesellschaften aus nicht-europäischen Drittstaaten nur dann den Befreiungstatbestand des § 289b Abs. 2 Satz 1 HGB in Anspruch nehmen, wenn deren Ein1 Ebenso Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/11450, 49.

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D. Einbeziehung in den Konzernlagebericht (Abs. 2)

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Rz. 48 § 289b

beziehung in den Konzernlagebericht des Mutterunternehmens auch nach europäischen Konzernbilanzrecht in Form der (neuen) Bilanzrichtlinie möglich gewesen wäre. Fehlt es an dieser Voraussetzung, muss eine eigene nichtfinanzielle Erklärung abgegeben werden. b) Einklang des Konzernlageberichts mit der Bilanzrichtlinie (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) Weitere Voraussetzung für die Befreiung ist, dass einerseits der Konzernlagebericht des Mutterunterneh- 43 mens (Rz. 44) im Einklang mit der (neuen) Bilanzrichtlinie aufgestellt wird und dieser andererseits eine nichtfinanzielle Erklärung (Rz. 45) enthält. Damit soll sichergestellt werden, dass die nichtfinanzielle Erklärung abgegeben wird. Das Erfordernis, dass der Konzernlagebericht des Mutterunternehmens im Einklang mit den Vorgaben 44 der (neuen) Bilanzrichtlinie aufgestellt werden muss, erscheint äußerst fragwürdig. Denn diese Voraussetzung ist für die Sicherstellung einer den Anforderungen der CSR-Richtlinie entsprechenden CSR-Berichterstattung schon nicht notwendig, da es den Mitgliedstaaten nach deren Art. 19a Abs. 4 offensteht, die CSR-Berichterstattung im Rahmen eines gesonderten Berichts vorzusehen. Hat ein Mitgliedstaat davon Gebrauch gemacht und wird ein solcher gesonderter Bericht veröffentlicht, gibt es kein Bedürfnis, auch den Lagebericht einheitlich aufzustellen. Abgesehen davon ist die Regelung auch nicht notwendig, da aufgrund der Kapitalmarktorientierung (§ 289b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB – Rz. 31 f.) der Lagebericht nach §§ 37v Abs. 2 Nr. 2, 37y WpHG ohnehin nach dem nationalen Umsetzungsrecht der (neuen) Bilanzrichtlinie aufgestellt werden muss. Darüber hinaus muss der Konzernlagebericht der Muttergesellschaft nach § 289b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB 45 eine nichtfinanzielle Konzernerklärung enthalten. Soweit das auf das Mutterunternehmen anwendbare Recht eine gesonderte Berichterstattung in Übereinstimmung mit Art. 19a Abs. 4 CSR-Richtlinie gestattet, kommt § 289 Abs. 2 Satz 2 HGB zur Anwendung (Rz. 46 f.), so dass sich dahingehend keine Einschränkungen für die betroffenen Kapitalgesellschaften ergeben. 2. Abgabe eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts durch das Mutterunternehmen (Abs. 2 Satz 2) Nach § 289b Abs. 2 Satz 2 HGB findet Abs. 2 Satz 1 entsprechende Anwendung, wenn das Mutterunter- 46 nehmen einen gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht nach § 315b Abs. 3 HGB (§ 315b HGB Rz. 33 ff.) oder nach dem nationalen Umsetzungsrecht der (neuen) Bilanzrichtlinie erstellt und diesen öffentlich zugänglich gemacht hat. Damit wird dem Mitgliedstaatenwahlrecht in Art. 19a Abs. 4 CSR-Richtlinie entsprochen, das Deutschland auch zugunsten einer gesonderten Berichterstattungsmöglichkeit (Rz. 53) ausgeübt hat. Das Erfordernis, dass das auf das Mutterunternehmen anwendbare Recht im Einklang mit den Anforderungen der (neuen) Bilanzrichtlinie stehen muss, ist notwendig, da nach § 289b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB auch nicht-europäische Kapitalgesellschaften erfasst sein können (Rz. 30). Mit der Bezugnahme in § 289b Abs. 2 Satz 2 HGB auf § 315b Abs. 3 HGB und das nationale Umsetzungs- 47 recht der (neuen) Bilanzrichtlinie sind Kapitalgesellschaften aus nicht-europäischen Drittstaaten von dem Befreiungstatbestand des § 289b Abs. 2 Satz 2 HGB ausgeschlossen, da in deren Herkunftsstaaten eine Umsetzung der (neuen) Bilanzrichtlinie nicht erfolgt ist. Wenn die Muttergesellschaft einer solchen Kapitalgesellschaft einen (eigenständigen) nichtfinanziellen Konzernbericht und nicht nur eine nichtfinanzielle Erklärung als Teil des Konzernlageberichts abgibt, ist diese Kapitalgesellschaft daher gezwungen, eine eigene nichtfinanzielle Erklärung abzugeben, da in diesem Fall nicht nur § 289b Abs. 2 Satz 2 HGB keine Anwendung findet, sondern auch die Voraussetzungen nach Abs. 2 Satz 1 nicht gegeben sind. Damit kann für diese Kapitalgesellschaften aus nicht-europäischen Drittstaaten eine nicht unerhebliche Mehrbelastung bestehen, die nach der gesetzgeberischen Intention durch die Befreiungstatbestände nach § 289b Abs. 2 HGB gerade verhindert werden sollte. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 kann ein Befreiungstatbestand für diese Kapitalgesellschaften aber nicht angenommen werden. 3. Andere Befreiungsvorschriften Die in § 289b Abs. 2 HGB vorgesehene Befreiungsmöglichkeit ist allerdings nicht abschließend, was 48 durch die Formulierung in Abs. 2 Satz 1 („unbeschadet anderer Befreiungsvorschriften“) eindeutig zum Ausdruck kommt. Eine solche Befreiung besteht – ausweislich der Gesetzesbegründung1 – für Kapitalgesellschaften, die die Anforderungen des § 264 Abs. 3 HGB (§ 264 HGB Rz. 80 ff.) erfüllen.

1 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 45.

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§ 289b Rz. 49 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen 4. Keine Befreiung für die Muttergesellschaft selbst 49

Die Befreiungstatbestände des § 289b Abs. 2 HGB adressieren immer eine Kapitalgesellschaft, die in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einbezogen ist. Daher wird die Muttergesellschaft von den Befreiungstatbeständen des Abs. 2 nicht erfasst, wodurch diese eine nichtfinanzielle Erklärung im Lagebericht des Einzelabschlusses und eine nichtfinanzielle Erklärung im Konzernlagebericht abgeben muss. Diese Dopplung der CSR-Berichterstattung entspricht aber der auch bei der Lageberichterstattung erfolgenden doppelten Berichterstattung und ist somit nicht systemwidrig.1

III. Erläuterungspflicht bei einer Befreiung und Angabe des Fundorts der nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 2 Satz 3) 50

Soweit die Kapitalgesellschaft von den Befreiungsmöglichkeiten des § 289b Abs. 2 HGB Gebrauch macht, muss dies nach Abs. 2 Satz 3 im Lagebericht angegeben werden. Darüber hinaus muss auch angegeben werden, welches Mutterunternehmen den Konzernlagebericht oder den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht öffentlich zugänglich gemacht hat. Insofern ist es erforderlich, dass die genaue Firma, der Ort der Handelsniederlassung, das Registergericht und die Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist, angegeben wird, da nur auf diese Weise klar und eindeutig bestimmbar ist, welches Unternehmen den Konzernlagebericht oder den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht offenlegt.2

51

Zudem muss nach § 289b Abs. 2 Satz 3 HGB auch angegeben werden, wo der Bericht offengelegt oder veröffentlicht wurde. Da der Konzernlagebericht stets veröffentlicht werden muss (Art. 30 Abs. 3 [neue] Bilanzrichtlinie), muss der Verweis in § 289b Abs. 2 Satz 3 HGB auf den Bericht als ein Verweis auf den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht (Rz. 53 ff.) verstanden werden. Daher muss bei einer Aufnahme der nichtfinanziellen Konzernerklärung in den Konzernlagebericht keine gesonderte Angabe darüber gemacht werden, dass die nichtfinanzielle Konzernerklärung dort zu finden ist. Vielmehr muss der Ort der Veröffentlichung nur bei einem gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht angegeben werden. Die Einzelheiten der Ortsangabe richten sich danach, welche Art der nach § 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB zulässigen Veröffentlichung das Mutterunternehmen gewählt hat (Rz. 57 ff.).

52

Schließlich muss nach § 289b Abs. 2 Satz 3 HGB sichergestellt werden, dass der Bericht in deutscher oder englischer Sprache offengelegt wurde. Dies bedeutet, dass es bei Muttergesellschaften aus nicht englischoder deutschsprachigen Mitglieds oder Vertragsstaaten der EU bzw. des EWR schon nicht ausreicht, auf den Konzernlagebericht oder den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht zu verweisen, da dieser nicht in englischer oder deutscher Sprache erstellt sein dürfte. Daher müssen die Kapitalgesellschaften, die von den Befreiungen nach Abs. 2 Gebrauch machen wollen, eine Übersetzung des Konzernlageberichts oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts bereitstellen und angeben, wo diese zu finden ist. Erfolgt dies nicht, muss die Kapitalgesellschaft selbst eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben. In diesem Zusammenhang ist die Kapitalgesellschaft selbst dafür verantwortlich, dass bei einer Nutzung des Befreiungstatbestands des Abs. 2 eine deutsch- oder englischsprachige Übersetzung des Konzernlageberichts oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts verfügbar ist, so dass sich diese nicht darauf berufen kann, dass das Mutterunternehmen eine solche nicht zur Verfügung gestellt hat.3 Zur Sprache der nichtfinanziellen Erklärung s. ausführlich Rz. 38.

E. Befreiung von der Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung bei Erstellung eines nichtfinanziellen Berichts (Abs. 3) I. Grundsatz 53

Die Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung besteht nach § 289b Abs. 3 HGB dann nicht, wenn die Kapitalgesellschaft einen eigenständigen nichtfinanziellen Bericht erstellt. Durch diesen Befreiungstatbestand wird es der Kapitalgesellschaft ermöglicht, die nichtfinanzielle Erklärung als eigenständigen Bericht und gerade nicht als Teil des Lageberichts zu veröffentlichen. Dieser Befreiungstatbestand geht auf Art. 19a Abs. 4 CSR-Richtlinie zurück.

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Voraussetzung für die Befreiung nach § 289b Abs. 3 HGB ist, dass der nichtfinanzielle Bericht den inhaltlichen Vorgaben von § 289c HGB entspricht (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – Rz. 55 f.) und dieser öffentlich zu1 Kritisch Lanfermann, BB 2016, 1131 (1133). 2 Ähnlich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 44 f. 3 In diesem Sinne auch Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 45.

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E. Erstellung eines nichtfinanziellen Berichts (Abs. 3)

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Rz. 59 § 289b

gänglich gemacht wird (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 – Rz. 57 ff.). Darüber hinaus muss die Kapitalgesellschaft § 289b Abs. 1 Satz 3 HGB und die §§ 289d f. HGB beachten (Abs. 3 Satz 2 – Rz. 60).

II. Entsprechung der inhaltlichen Vorgaben von § 289c HGB (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) Der nichtfinanzielle Bericht muss nach § 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB zunächst den inhaltlichen Vorgaben des § 289c HGB entsprechen. Dabei handelt es sich aber nur im Mindestanforderungen, so dass der nichtfinanzielle Bericht – ebenso wie die nichtfinanzielle Erklärung (Rz. 39) – auch weitergehende Informationen enthalten kann.

55

Bei einer fehlenden Vollständigkeit des nichtfinanziellen Berichts kommt der Befreiungstatbestand nach 56 Abs. 3 nicht zur Anwendung. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Kapitalgesellschaft, da diese bei einer Erstellung und Veröffentlichung eines nichtfinanziellen Berichts idR den Lagebericht gerade nicht um eine nichtfinanzielle Erklärung erweitert hat. Damit würde die Kapitalgesellschaft letztlich ihre Berichtspflichten nach den §§ 289b ff. HGB vollständig (!) nicht erfüllt haben und könnte umfassend sanktioniert (Rz. 83 ff.) werden.1 Diese auf die Ausnahme-Regel-Strukturierung der CSR-Berichterstattung (Rz. 53) zurückzuführende Rechtsfolge erscheint aber unverhältnismäßig und muss insbes. im Rahmen des Straf- und Ordnungswidrigkeitsrechts korrigiert werden (§ 289c HGB Rz. 77 ff.).

III. Veröffentlichung des nichtfinanziellen Berichts (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) 1. Veröffentlichungsoptionen Weiterhin muss der nichtfinanzielle Bericht nach § 325 HGB offengelegt (§ 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 57 Buchst. a HGB – Rz. 58) oder aber auf einer Internetseite der Kapitalgesellschaft veröffentlicht werden (§ 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b – Rz. 59). Bei diesen beiden Veröffentlichungsarten muss der nichtfinanzielle Bericht auch als solcher bezeichnet werden, da die Adressaten diesen nur dann hinreichend als solchen identifizieren können. Daher sind die nach der bisherigen Rechtslage häufig verwendeten Bezeichnungen wie Nachhaltigkeitsbericht oder CSR-Bericht als alleinige Bezeichnung nicht mehr zulässig. Erstellt die Kapitalgesellschaft einen nichtfinanziellen Bericht und veröffentlicht diesen aber nicht oder nicht rechtzeitig, hat diese die Pflicht nach § 289b Abs. 1 HGB nicht erfüllt, so dass die allgemeinen Sanktionen (Rz. 83 ff.) eingreifen können.2 2. Offenlegung nach § 325 HGB (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Die Kapitalgesellschaft kann den nichtfinanziellen Bericht zunächst nach § 325 HGB offenlegen. Der Ver- 58 weis in § 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HGB ist als Rechtsfolgenverweis zu verstehen, so dass sich die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Offenlegung nicht aus § 325 HGB, sondern aus § 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HGB ergeben, da dadurch eine allgemeine öffentliche Verfügbarkeit geschaffen werden soll. Daher erfasst der Verweis insbes. nicht die Sprachregelung des § 325 Abs. 1 HGB (dazu ausführlich Rz. 38), sondern zielt im Wesentlichen auf § 325 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a–2, Abs. 4–6 HGB. 3. Veröffentlichung auf der Internetseite (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) Darüber hinaus kann auch nach § 289b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b alternativ eine Veröffentlichung auf der Internetseite erfolgen. Diese Veröffentlichung muss spätestens vier3 Monate nach dem Abschlussstichtag vorgenommen werden. Zudem muss sie dort für mindestens zehn Jahre verfügbar sein, womit die Rechtslage bei der Finanzberichterstattung (§ 24 WpAIV) nachempfunden werden soll.4 Voraussetzung für die Veröffentlichung im Internet ist, dass die Kapitalgesellschaft im Lagebericht darauf Bezug nimmt und dort eine Internetseite angibt. Aufgrund der heutigen Komplexität von Internetseiten muss der genaue Link angegeben werden.5

1 Ebenso Kajüter, KoR 2016, 230 (234); Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (227). 2 Darauf ausdrücklich hinweisend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. 3 Der RegE sah noch eine Frist von sechs Monaten vor, die aber auf vier Monaten verkürzt wurde, um einen Gleichlauf mit § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB zu erreichen (Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/ 11450, 50). 4 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 45. 5 Nicht eindeutig Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 45.

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§ 289b Rz. 60 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen

IV. Entsprechende Anwendung von Abs. 1 Satz 3 und §§ 289d f. HGB (Abs. 3 Satz 2) 60

Schließlich muss der nichtfinanzielle Bericht nach § 289b Abs. 3 Satz 2 HGB den Anforderungen von § 289b Abs. 1 Satz 3 HGB und §§ 289d f. HGB entsprechen. Daher darf die Kapitalgesellschaft im nichtfinanziellen Bericht auf die an anderer Stelle im Lagebericht enthaltenen nichtfinanziellen Angaben verweisen (Abs. 1 Satz 3 – Rz. 36 f.). Zudem kann die Kapitalgesellschaft für den nichtfinanziellen Bericht Rahmenwerke nutzen (§ 289d HGB – Rz. 10 ff.) und auch nachteilige Angaben weglassen (§ 289e HGB – Rz. 8 ff.).

F. Veröffentlichung des Prüfungsergebnisses (Abs. 4) I. Fehlende Prüfungspflicht für die nichtfinanzielle Erklärung 61

Die nichtfinanzielle Erklärung und der nichtfinanzielle Bericht unterliegen nur einer sehr eingeschränkten Prüfung, die im Wesentlichen durch den Aufsichtsrat wahrgenommen wird (ausführlich zur Prüfung Rz. 70 ff.). Da der Aufsichtsrat diese oftmals nur bedingt gewährleisten kann, gestattet ihm § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG, eine externe Prüfung vornehmen zu lassen. Das Ergebnis dieser Prüfung (Rz. 65 f.) muss nach § 289b Abs. 4 HGB ebenso wie die nichtfinanzielle Erklärung oder der nichtfinanzielle Bericht öffentlich zugänglich gemacht werden (Rz. 67 ff.). Diese Vorgabe ist rechtspolitisch allerdings zweifelhaft, da sie letztlich nur diejenigen Unternehmen zur Veröffentlichung zwingt, die auch eine externe Prüfung haben durchführen lassen. Damit werden diejenigen Unternehmen privilegiert, die von vornherein auf eine solche Prüfung – aus welchen Gründe auch immer – verzichten, womit eine Verschlechterung der Qualität der nichtfinanziellen Erklärung verbunden ist.

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Die Veröffentlichungspflicht des § 289b Abs. 4 HGB ist aber erst auf Jahres- und Konzernabschlüsse, Lageund Konzernlageberichte für das nach dem 31.12.2018 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 81 EGHGB). Bis dahin besteht keine Veröffentlichungspflicht. Damit soll den betroffenen Unternehmen und ihren Aufsichtsräten die Möglichkeit gegeben werden, externe Überprüfungen vornehmen zu lassen, ohne die negativen Folgen der Veröffentlichung eines negativen Prüfungsergebnisses tragen zu müssen.1 Es steht den betroffenen Kapitalgesellschaften aber frei, auch schon vor dem Inkrafttreten von Abs. 4 eine Veröffentlichung vorzunehmen.2

II. Vornahme einer inhaltlichen Prüfung 63

Zentrale Voraussetzung der Veröffentlichungspflicht des § 289b Abs. 4 HGB ist die inhaltliche Prüfung, ohne dass Abs. 4 an diese aber konkrete Anforderungen stellt. Vor dem Hintergrund der ausdrücklich geregelten Prüfungspflicht des Aufsichtsrats (§§ 170 Abs. 1 Satz 3, 171 Abs. 1 Satz 4 AktG – § 170 AktG Rz. 7 ff., § 171 AktG Rz. 56) kann diese mit der in § 289b Abs. 4 HGB erwähnten Prüfung nicht gemeint sein. Diese muss sich vielmehr auf eine Prüfung durch einen gesellschafts- und konzernfremden Dritten3 beziehen, da nur ein solcher eine tatsächlich umfassende Unabhängigkeit gewährleisten kann. Denn mit der Veröffentlichung des Prüfungsurteils wird den Adressaten eine erhöhte Glaubwürdigkeit der nichtfinanziellen Erklärung oder des nichtfinanziellen Berichts signalisiert, die durch eine entsprechende Unabhängigkeit abgesichert werden muss. Eine solche Unabhängigkeit gewährleistet auch der Abschlussprüfer, auch wenn dieser aufgrund der Abschlussprüfung der Unternehmensabschlüsse bereits mit der Kapitalgesellschaft verbunden ist.4 Keine Prüfung iSv. § 289b Abs. 4 HGB wird durch den Berater vorgenommen, der die Kapitalgesellschaft bei der Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung oder des nichtfinanziellen Berichts unterstützt hat, da es dann aufgrund der inhaltlichen Vorbefassung schon an einer Unabhängigkeit fehlt.

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Neben diesen Anforderungen an die Person des Prüfers muss die inhaltliche Prüfung aufgrund der Veröffentlichung auch selbst inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. So müssen die Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung oder im nichtfinanziellen Bericht in einem Umfang überprüft worden sein, dass eine wesentliche Fehlerhaftigkeit ausgeschlossen ist. Insofern kann auf den allgemeinen und nicht den für die CSR-Berichterstattung geltenden Prüfungsmaßstab des Abschlussprüfers nach § 317 Abs. 2 HGB (§ 317 HGB Rz. 74 ff.) verwiesen werden. 1 2 3 4

Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/11450, 50. So ausdrücklich Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/11450, 50. Insofern auf einen Externen abstellend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. Eine Prüfung durch den Abschlussprüfer ausdrücklich für zulässig erachtend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46.

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G. Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung und des nichtfinanziellen Berichts

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Rz. 73 § 289b

III. Erstellung eines Prüfungsurteils Soweit eine inhaltliche Prüfung stattgefunden hat, muss diese für die Veröffentlichung als Prüfungsurteil zusammengefasst werden. Konkrete Vorgaben für die Form oder Gestaltung dieses Prüfungsurteils werden durch § 289b Abs. 4 HGB nicht gemacht, so dass dahingehend keine Vorgaben zu beachten sind. Daher kann das Prüfungsurteil auch wie ein Bestätigungsvermerk ausgestaltet werden.

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Das Prüfungsurteil muss auch die Methoden, die verwendeten Standards und den Umfang der Prüfung erläutern,1 da sich die Adressaten nur dann ein hinreichendes Bild davon machen können, ob mit dem Prüfungsurteil tatsächlich eine erhöhte Verlässlichkeit verbunden ist.

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IV. Veröffentlichung des Prüfungsurteils Schließlich muss das Prüfungsurteil auf die gleiche Weise wie die nichtfinanzielle Erklärung oder der 67 nichtfinanzielle Bericht selbst öffentlich zugänglich gemacht werden. Daher richtet sich dessen Veröffentlichungsform danach, ob eine nichtfinanzielle Erklärung (als Teil des Lageberichts) oder ein selbständiger nichtfinanzieller Bericht veröffentlicht wurde. Die Veröffentlichung kann auch zusammen mit der nichtfinanziellen Erklärung oder dem nichtfinanziellen Bericht erfolgen, ohne dass dies aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 289b Abs. 4 HGB aber zwingend erforderlich ist.2 Die Veröffentlichungspflicht nach Abs. 4 besteht unabhängig davon, ob der Prüfer ein positives, ein nega- 68 tives oder ein eingeschränktes Prüfungsurteil abgegeben hat. Damit ist allerdings das Risiko für die Kapitalgesellschaft verbunden, dass, wenn sie sich auf eine Prüfung einlässt, diese möglicherweise negativ ausfällt und dann dieses Ergebnis veröffentlicht werden muss. Allerdings gilt es in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass der Aufsichtsrat seiner Prüfungspflicht (§ 171 Abs. 1 Satz 4 AktG – § 171 AktG Rz. 56) bei den meisten Kapitalgesellschaften aufgrund fehlender Vorbildung und/oder fehlender Ressourcen schon nicht nachkommen können wird, so dass die meisten Kapitalgesellschaften wohl schon aus diesem Grund eine Prüfung vornehmen lassen werden. Bei einer fehlenden Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des nichtfinanziellen Berichts muss dies 69 nicht gesondert bekanntgemacht oder in sonstiger Weise veröffentlicht werden. Insofern muss vor allem in der nichtfinanziellen Erklärung oder dem nichtfinanziellen Bericht selbst keine Angabe zu einer fehlenden Prüfung gemacht werden.3

G. Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung und des nichtfinanziellen Berichts Die nichtfinanzielle Erklärung und der nichtfinanzielle Bericht unterliegen nur bedingt einer Überprü- 70 fung. So hat insbes. der Abschlussprüfer nur zu prüfen, ob diese vorgelegt wurden, ohne auch deren inhaltlich Richtigkeit zu überprüfen (§ 317 Abs. 2 Satz 4 und 5 HGB – § 317 HGB Rz. 91). Im Rahmen des Enforcement-Verfahrens findet jedenfalls beim nichtfinanziellen Bericht keine Prüfung statt, da dieser nicht als Prüfungsgegenstand in § 342b HGB, § 37n WpHG genannt ist. Wurde die nichtfinanzielle Erklärung aber als Teil des Lageberichts abgegeben, kann diese überprüft werden, da der Lagebericht ausdrücklicher Prüfungsgegenstand ist (§ 342b Abs. 2 Satz 1 HGB – § 342b HGB Rz. 18 ff., § 37n Nr. 1 WpHG). Allerdings gilt dann der eingeschränkte Prüfungsmaßstab der Abschlussprüfung aus § 317 Abs. 2 Satz 4 und 5 HGB (§ 317 HGB Rz. 91) entsprechend.4

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Eine Prüfung findet schließlich durch den Aufsichtsrat statt, da sich dessen Prüfung nach § 171 Abs. 1 72 Satz 4 AktG (§ 171 AktG Rz. 56) ausdrücklich auch auf die nichtfinanzielle Erklärung und den nichtfinanziellen Bericht erstreckt. Diese Prüfungspflicht für den Aufsichtsrat ist nicht unproblematisch, da dieser nicht auf eine Prüfung durch den Abschlussprüfer zurückgreifen kann und somit seine Prüfung eigenständig durchführen muss. Allerdings gestattet § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG dem Aufsichtsrat, eine externe Prüfung vornehmen zu lassen. Zur Veröffentlichung des Prüfungsergebnisses s. Rz. 67 ff. Für Minderheitsaktionäre oder für die Hauptversammlung ist es zudem möglich, die nichtfinanzielle Er- 73 klärung oder den nichtfinanziellen Bericht im Rahmen einer aktienrechtlichen Sonderprüfung (§§ 142 ff. AktG) auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüfen zu lassen. Denn deren Erstellung und Veröffentlichung stellen konkrete Geschäftsmaßnahmen iSv. § 142 Abs. 1 AktG dar.5 Nicht in Betracht kommt hingegen 1 2 3 4 5

Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. Tendenziell anders Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. Mock, ZIP 2017, 1195 (1201); Seibt, DB 2016, 2707 (2715). Zum Erfordernis des Vorliegens konkreter Geschäftsmaßnahmen Mock in Spindler/Stilz, AktG3, § 142 Rz. 42.

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§ 289b Rz. 74 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen eine Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, da die nichtfinanzielle Erklärung und der nichtfinanzielle Bericht keine Bewertungen iSv. § 258 AktG enthalten. 74

Schließlich steht es der Kapitalgesellschaft offen, eine freiwillige Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des nichtfinanziellen Berichts vorzunehmen. Für diese Prüfung gibt es keine inhaltlichen Vorgaben, so dass diese auch nicht zwangsläufig von einem Wirtschaftsprüfer vorgenommen werden muss. Allerdings ergibt sich aus § 289b Abs. 4 HGB die Pflicht, das Prüfungsurteil im Fall einer Prüfung öffentlich zugänglich zu machen (Rz. 67 ff.).

H. Auswirkungen der CSR-Berichterstattung auf die Organisationsverfassung der Kapitalgesellschaften I. Keine gesellschaftsinterne Selbstbindung durch die CSR-Berichterstattung 75

Auch wenn die §§ 289b ff. HGB lediglich eine Berichtspflicht vorsehen, ergeben sich aus dem Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung mittelbare Auswirkungen auf die Organisationsverfassung der betroffenen Kapitalgesellschaften, die bisher noch nicht abschließend geklärt sind. Im Grundsatz wird durch die Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung keine gesellschaftsinterne Selbstbindung begründet.1 Zwar wird durch § 289b HGB die Pflicht zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung gesetzlich statuiert, allerdings kann daraus noch nicht gefolgert werden, dass die Gesellschaftsorgane sich durch die Erfüllung dieser Pflicht dem Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung unterwerfen sollen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die §§ 289b ff. HGB lediglich vorgeben, dass eine CSR-Berichterstattung vorzunehmen ist, ohne diesbezüglich konkrete Verhaltenspflichten – wie etwa der Deutsche Corporate Governance Kodex – aufzustellen.2 Zudem wurde bei der Umsetzung der CSR-Richtlinie bewusst auf eine Verankerung im Gesellschaftsrecht verzichtet und vielmehr eine bloße handelsbilanzrechtliche Lösung gewählt (Rz. 13). Daher handelt es sich lediglich um einen Comply-or-Explain-Ansatz,3 der etwa auch dem Deutschen Corporate Governance Kodex zugrunde liegt. Von dieser Problematik abzugrenzen ist die Frage nach den Folgen der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen nichtfinanziellen Erklärung (dazu ausführlich § 289c HGB Rz. 77 ff.).

II. Kein Erfordernis der Änderung des Unternehmensgegenstands für die CSR-Berichterstattung 76

Für die Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung oder eines nichtfinanziellen Berichts bedarf es auch keiner vorherigen Satzungsänderung, und zwar auch dann nicht, wenn die Kapitalgesellschaft umfänglich erklärt, den in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekten vollumfänglich Rechnung zu tragen.4 Zwar wird der Unternehmensgegenstand in diesem Zusammenhang nicht unerheblich tangiert. Allerdings kann eine unternehmerische Tätigkeit in dem Umfang, wie der Anwendungsbereich von § 289b Abs. 1 HGB (Rz. 7 f.) es fordert, in der heutigen Zeit nicht mehr ohne eine Auseinandersetzung mit den in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekten erfolgen, so dass diese von dem Unternehmensgegenstand typischerweise gedeckt sind.

III. Anpassung der Vorstandsvergütung 77

Da § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG für börsennotierte Aktiengesellschaften verlangt, dass diese ihre Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausrichten, scheint es einen Zusammenhang zwischen der CSR-Berichterstattung und den Vorgaben von § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG zu geben. Tatsächlich ist der Begriff der Nachhaltigkeit in § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG aber von dem der CSR-Berichterstattung zugrunde liegenden wesensverschieden. Denn im Rahmen von § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG dient dieser nur der Entschärfung des Zeitpräferenzkonflikts und nimmt keinen Bezug auf die in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekte.5 Dies gilt ebenso für Ziff. 4.2.3. Deutscher Corporate Governance Kodex.6 1 Mock, ZIP 2017, 1195 (1196); wohl auch Seibt, DB 2016, 2707 (2707 f.). 2 Ebenso Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (219); Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1343). 3 Eufinger, EuZW 2015, 424 (426); Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (219); ähnlich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 52 (jedenfalls im Hinblick auf § 289c Abs. 4 HGB) aA tendenziell Hommelhoff in FS Kübler, 291 (293). 4 Mock, ZIP 2017, 1195 (1196); offen lassend Nietsch, NZG 2016, 1330 (1332, 1334). 5 Fleischer in Spindler/Stilz, AktG3, § 87 Rz. 27; Kort in Großkomm. AktG5, § 87 Rz. 118; Mock, ZIP 2017, 1195 (1196); Spindler in MünchKomm. AktG4, § 87 Rz. 75; aA Röttgen/Klug, NJW 2013, 900 (902 ff.); Velte, NZG 2016, 294 ff. 6 Bachmann in Kremer/Bachmann/Lutter/Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex6, Rz. 991.

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I. Durchsetzung der Berichtspflicht

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Rz. 82 § 289b

Daher hat der Inhalt der CSR-Berichterstattung keinerlei Einfluss auf die Vergütungsfestsetzung. Es bestehen allerdings Zweifel daran, ob an dieser Einschätzung nach der Verabschiedung der Aktionärsrechterichtlinie-Änderungsrichtlinie noch festgehalten werden kann, da deren Art. 9a Abs. 61 ausdrücklich auf die soziale Verantwortung der Gesellschaft Bezug nimmt. Soweit diese Bezugnahme tatsächlich verabschiedet wird, müsste § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung entsprechend ausgelegt werden.

I. Durchsetzung der Berichtspflicht Durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz hat der Gesetzgeber keine gesonderten Durchsetzungs- 78 mechanismen für die Berichtspflicht geschaffen, so dass insofern nur die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung kommen.

I. Öffentlich-rechtliche Durchsetzung Die CSR-Berichterstattung kann zunächst durch das Bundesamt für Justiz durch die Verhängung von 79 Ordnungsgeld (§ 335 HGB) durchgesetzt werden. Für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht fehlt es hingegen an einer entsprechenden Er- 80 mächtigung. Zwar beschränkt sich die Anwendung der CSR-Berichterstattung auf börsennotierte bzw. bestimmte kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften. Allerdings sehen die §§ 289b ff. HGB keine spezifische Kompetenz für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vor. Die entsprechende Kompetenz in § 4 WpHG findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung, da sich diese nur auf die Aufsicht nach den Vorschriften des WpHG beschränkt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Eine Kompetenz besteht nur bei Inlandsemittenten, die nicht unter die §§ 289b ff. HGB fallen, da diese dann einen Jahresfinanzbericht aufstellen und veröffentlichen müssen, der nach § 37v Abs. 2 Nr. 2 WpHG auch einen Lagebericht auf Basis der (neuen) Bilanzrichtlinie enthalten muss.2

II. Privatrechtliche Durchsetzung Die CSR-Berichterstattung kann im Rahmen der Binnenorganisation der Kapitalgesellschaft nicht ge- 81 richtlich durchgesetzt werden, da es – jedenfalls im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht – an einem entsprechenden Anspruch gegen die für die CSR-Berichterstattung zuständigen Organe fehlt.3 Zu den gesellschaftsrechtlichen Folgen einer fehlerhaften CSR-Berichterstattung s. Rz. 75 ff. Noch weitgehend ungeklärt ist, ob gesellschaftsfremde Dritte mit einem Interesse an der CSR-Bericht- 82 erstattung diese durchsetzen können. Erwägungsgrund Nr. 10 CSR-Richtlinie fordert, „dass wirksame nationale Verfahren eingerichtet sind, mit denen die Erfüllung der Pflichten nach dieser Richtlinie gewährleistet wird, und dass diese Verfahren allen natürlichen und juristischen Personen offenstehen, die gemäß nationalem Recht ein berechtigtes Interesse daran haben, dass sichergestellt wird, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie eingehalten werden.“ Da dieser Erwägungsgrund diese Verfahren aber selbst unter den Vorbehalt stellt, dass das nationale Recht diesen Dritten ein berechtigtes Interesse einräumt, ergeben sich daraus keine unmittelbaren Folgen oder Ansprüche, da der Gesetzgeber im Rahmen des CSR-RichtlinieUmsetzungsgesetzes davon keinen Gebrauch gemacht hat. Daher scheidet insbes. eine Verbandsklage nach § 8 UWG aus.4 Das Gleiche gilt für Verbandsklagen nach dem §§ 1, 2 UKlaG.5

1 So jedenfalls in der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments v. 14.3.2017 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung (COM[2014]0213 – C7-0147/2014 – 2014/0121[COD]). 2 Mock, ZIP 2017, 1195 (1201). 3 Ebenso Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1344) für die Feststellungsklage (§ 256 ZPO); Mock, ZIP 2017, 1195 (1201). 4 Mock, ZIP 2017, 1195 (1201 f.); Seibt, DB 2016, 2707 (2715); im Ergebnis auch Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (232); Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1345); ausführlich dazu Köhler in Hilty/Henning-Bodewig, Corporate Social Responsibilty, 161 ff. 5 Mock, ZIP 2017, 1195 (1202); Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1345).

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§ 289b Rz. 83 | Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen

J. Rechtsfolgen einer fehlenden oder fehlerhaften nichtfinanziellen Erklärung I. Bilanzrechtliche Folgen 1. (Keine) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses 83

Die fehlende Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung oder die fehlende Abgabe eines nichtfinanziellen Berichts kann keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da die nichtfinanzielle Erklärung als Teil des Lageberichts nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.).1 Allerdings kann sich aus der fehlenden Erklärung bzw. dem Fehlen des Berichts eine Haftung der Geschäftsleiter ergeben (Rz. 89). Zu den Folgen einer inhaltlichen Fehlerhaftigkeit s. § 289c HGB Rz. 77 ff. 2. Abschlussprüfung

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Wird der Lagebericht nicht um eine nichtfinanzielle Erklärung erweitert, kann der Abschlussprüfer die Erteilung des Bestätigungsvermerks verweigern, da die Abgabe nach § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB (§ 317 HGB Rz. 91) von diesem zu prüfen ist. Wurde kein nichtfinanzieller Bericht veröffentlicht, fehlt es an den Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 289b Abs. 3 HGB, so dass dann der Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern ist, woran es dann fehlt. Dies ist dann vom Abschlussprüfer festzustellen und der Bestätigungsvermerk zu versagen. Zur (fehlenden) inhaltlichen Prüfung s. Rz. 70. 3. Enforcement-Verfahren

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Die fehlende Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung kann im Rahmen des Enforcement-Verfahrens festgestellt werden, da der Lagebericht als Prüfungsgegenstand des EnforcementVerfahrens (§ 342b Abs. 2 HGB – § 342b HGB Rz. 16 ff., § 37n Nr. 1 WpHG) dann nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht.2

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Dies gilt auch für das Fehlen eines nichtfinanziellen Berichts, da dann nicht der Befreiungstatbestand des § 289b Abs. 3 HGB (Rz. 53 ff.) eingreift, so dass dann der Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern ist, woran es dann fehlt. Zu den Folgen einer inhaltlichen Fehlerhaftigkeit s. § 289c HGB Rz. 77 ff.

II. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht 87

Bei einer fehlenden Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung oder einer fehlenden Abgabe eines nichtfinanziellen Berichts kommt eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) in Betracht, da dadurch die Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden.3 Zudem kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden. Zu den Folgen einer inhaltlichen Fehlerhaftigkeit s. § 289c HGB Rz. 77 ff.

III. Zivilrechtliche Folgen 1. Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen 88

Durch eine fehlerhafte CSR-Berichterstattung erfüllen die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft nicht ihre Pflicht aus § 264 Abs. 1 HGB zur Aufstellung eines Lageberichts. Darüber hinaus verletzten die Aufsichtsratsmitglieder in diesem Fall ihre Prüfungspflicht aus § 171 Abs. 1 Satz 4 AktG (§ 171 AktG Rz. 56). Dies wirft die Frage nach der Anfechtbarkeit der jeweiligen Entlastungsbeschlüsse auf. Überträgt man die zu § 161 AktG entwickelten Grundsätze4 auf die CSR-Berichterstattung, wäre der Entlastungsbeschluss immer dann anfechtbar, wenn die fehlerhafte CSR-Berichterstattung für einen objektiv urteilenden Aktionär für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte relevant ist. Trotz Diskussion im Schrifttum5 während der Gesetzgebungsarbeiten hat sich der Gesetzgeber in 1 2 3 4

Mock, ZIP 2017, 1195 (1202). Auch von einer Erfassung ausgehend Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (231). Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (230 f.). Grundlegend BGH v. 21.9.2009 – II ZR 174/08 (Umschreibungsstopp), BGHZ 182, 272 = NZG 2009, 1270; vgl. dazu nur Goette in MünchKomm. AktG4, § 161 Rz. 91 f.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG3, § 161 Rz. 64 jeweils mwN. 5 So etwa Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1344).

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Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung

| § 289c

diesem Zusammenhang nicht zu einer ausdrücklichen Regelung entschlossen. Allerdings führt die Begründung des Rechtsausschusses aus, dass eine solche Anfechtung jedenfalls hinsichtlich des Entlastungsbeschlusses für die Aufsichtsratsmitglieder ausgeschlossen sein soll.1 Dabei verweist die Begründung auf das Fehlen eines schwerwiegenden Verstoßes hin, der nicht vorliege. Dieser Sichtweise liegt freilich die Annahme zugrunde, dass es bei der Schwere des Verstoßes allein auf die Berichterstattung ankommt. Auch wenn dafür viel spricht, ist es nicht völlig fernliegend, in diesem Zusammenhang auf die Schwere der Beeinträchtigung der in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekte und nicht auf die dahingehende fehlerhafte Berichterstattung abzustellen, zumal Zielsetzung der CSR-Berichterstattung gerade die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik ist (Rz. 8 f.). Im Ergebnis ist daher eine Anfechtbarkeit abzulehnen.2 Zur Frage der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses s. Rz. 83. 2. Haftungsfolgen Ansprüche der Kapitalgesellschaft gegen die Verwaltungsmitglieder im Rahmen einer (Innen-)Haftung 89 (§§ 93 Abs. 2, 116 AktG) sind bei Abgabe einer fehlerhaften CSR-Berichterstattung grundsätzlich denkbar, scheitern idR aber an dem Vorliegen eines kausalen Schadens.3 Denn ein solcher Schaden müsste konkret auf der fehlerhaften CSR-Berichterstattung und nicht auf einer möglicherweise zugrunde liegenden Verletzung der in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekte basieren. Dies zeigt sich etwa bei Kündigungen oder einem Abbruch von Vertragsverhandlungen oder Umsatzeinbußen aufgrund eines öffentlichen Reputationsverlusts. Die daraus resultierenden Schadenspositionen basieren idR nicht auf einer fehlerhaften CSR-Berichterstattung, sondern meist auf dem Umstand, dass die Kapitalgesellschaft den in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekten nicht hinreichend Rechnung getragen hat. Daher verursacht die fehlerhafte CSR-Berichterstattung diese Schäden nicht, sondern verzögert nur ggf. deren Entstehung, indem die Verletzung der in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekte nicht veröffentlicht wird.4 Aus den gleichen Gründen dürften Ansprüche der Gesellschafter und von Anlegern scheitern, zumal für 90 diese ohnehin nur § 826 BGB als Haftungsgrundlage in Betracht kommt, soweit dessen spezifischen Voraussetzungen im Rahmen der Kapitalmarktinformationshaftung überhaupt vorliegen.5 Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 289b HGB bzw. den §§ 289b ff. HGB insgesamt scheidet hingegen aus, da es an der Schutzgesetzeigenschaft fehlt.6 Die CSR-Berichterstattung dient nur der Unterrichtung der Anleger und der Öffentlichkeit über nichtfinanzielle Unternehmensziele (Rz. 3 f. und Rz. 5 ff.) und hat damit nur einen mittelbaren Einfluss auf die Ertragskraft der Kapitalgesellschaft. Ebenso scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB aus, da in der fehlerhaften CSR-Berichterstattung schon kein qualifizierter Eingriff in die Mitgliedschaft gesehen werden kann.7 Schließlich scheidet auch eine Haftung aus §§ 37b f. WpHG aus. Schließlich kann eine Haftung gegenüber den von den in § 289c Abs. 2 HGB (§ 289c HGB Rz. 9 ff.) genannten Aspekten betroffenen Personen durch eine fehlerhafte CSR-Berichterstattung nicht begründet werden, da durch die §§ 289b ff. HGB nur eine Berichts- und keine Handlungspflicht begründet wird.

§ 289c Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung (1) In der nichtfinanziellen Erklärung im Sinne des § 289b ist das Geschäftsmodell der Kapitalgesellschaft kurz zu beschreiben. (2) Die nichtfinanzielle Erklärung bezieht sich darüber hinaus zumindest auf folgende Aspekte: 1. Umweltbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Luftverschmutzung, die Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien oder den Schutz der biologischen Vielfalt beziehen können, 2. Arbeitnehmerbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung ergriffen wurden, die Arbeitsbedingungen, die Um1 2 3 4 5 6

Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/11450, 52 f. Mock, ZIP 2017, 1195 (1202). Ebenso Mock, ZIP 2017, 1195 (1203); Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1344); Seibt, DB 2016, 2707 (2715). Mock, ZIP 2017, 1195 (1203). Mock, ZIP 2017, 1195 (1203); Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1345); Seibt, DB 2016, 2707 (2715). Mock, ZIP 2017, 1195 (1203); dies ebenfalls verneinend Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1345); Seibt, DB 2016, 2707 (2715). 7 Roth-Mingram, NZG 2015, 1341 (1344).

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§ 289c | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung setzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, die Achtung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, informiert und konsultiert zu werden, den sozialen Dialog, die Achtung der Rechte der Gewerkschaften, den Gesundheitsschutz oder die Sicherheit am Arbeitsplatz beziehen können, 3. Sozialbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf den Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene oder auf die zur Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung lokaler Gemeinschaften ergriffenen Maßnahmen beziehen können, 4. die Achtung der Menschenrechte, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen beziehen können, und 5. die Bekämpfung von Korruption und Bestechung, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die bestehenden Instrumente zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen können. (3) Zu den in Absatz 2 genannten Aspekten sind in der nichtfinanziellen Erklärung jeweils diejenigen Angaben zu machen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die in Absatz 2 genannten Aspekte erforderlich sind, einschließlich 1. einer Beschreibung der von der Kapitalgesellschaft verfolgten Konzepte, einschließlich der von der Kapitalgesellschaft angewandten Due-Diligence-Prozesse, 2. der Ergebnisse der Konzepte nach Nummer 1, 3. der wesentlichen Risiken, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft verknüpft sind und die sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die in Absatz 2 genannten Aspekte haben oder haben werden, sowie die Handhabung dieser Risiken durch die Kapitalgesellschaft, 4. der wesentlichen Risiken, die mit den Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, ihren Produkten und Dienstleistungen verknüpft sind und die sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die in Absatz 2 genannten Aspekte haben oder haben werden, soweit die Angaben von Bedeutung sind und die Berichterstattung über diese Risiken verhältnismäßig ist, sowie die Handhabung dieser Risiken durch die Kapitalgesellschaft, 5. der bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, die für die Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft von Bedeutung sind, 6. soweit es für das Verständnis erforderlich ist, Hinweisen auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und zusätzliche Erläuterungen dazu. (4) Wenn die Kapitalgesellschaft in Bezug auf einen oder mehrere der in Absatz 2 genannten Aspekte kein Konzept verfolgt, hat sie dies anstelle der auf den jeweiligen Aspekt bezogenen Angaben nach Absatz 3 Nummer 1 und 2 in der nichtfinanziellen Erklärung klar und begründet zu erläutern. A. I. II. III. IV. V. VI. B. C. I. II. 1. 2. 3. 4.

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Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurze Beschreibung des Geschäftsmodells (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mindestinhalt der nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 2) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . Unterscheidung nach der Art der Angaben Angaben zur Beachtung rechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben zu bestimmten Werten . . . . . . . . Angaben zu von der Kapitalgesellschaft ergriffenen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . Angaben mit Bezug auf die Erreichung eines bestimmten Ziels . . . . . . . . . . . . . . .

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9 12 13 18 20 22

III. IV. V. VI. VII.

Umweltbelange (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . Arbeitnehmerbelange (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . Sozialbelange (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . Achtung der Menschenrechte (Abs. 2 Nr. 4) . Bekämpfung der Korruption und Bestechung (Abs. 2 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Weitere Pflichtangaben (Abs. 3) I. Allgemeine Berichtsgrundsätze . . . . . . . . . II. Allgemeine Angaben zum Geschäftsverlauf, zum Geschäftsergebnis und der Lage der Kapitalgesellschaft (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) 1. Angaben zum Geschäftsverlauf . . . . . . . . . 2. Angaben zum Geschäftsergebnis . . . . . . . . 3. Angaben zur Lage der Gesellschaft . . . . . . III. Konzepte der Kapitalgesellschaft (Abs. 3 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beschreibung der Ergebnisse nach Nr. 1 (Abs. 3 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wesentliche Risiken der eigenen Geschäftstätigkeit (Abs. 3 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . .

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42 45 47 48 55 57

A. Grundaussagen der Vorschrift VI. Wesentliche Risiken der Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleistungen (sogenannte Lieferkette – Abs. 3 Nr. 4) . . . . 1. Regelungsansatz für die Berichterstattung über die Lieferkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . 3. Erlangung der Informationen durch die Kapitalgesellschaft von anderen Unternehmen . . 4. Fehlende Mitwirkung oder Falschinformationen der anderen Unternehmen gegenüber der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren (Abs. 3 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . .

_ __ _ _ _ 59 60 61 67 70

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Rz. 4 § 289c

VIII. Hinweis auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge (Abs. 3 Nr. 6) . . . . . . . . . . . E. Keine weiteren Pflichtangaben . . . . . . . . F. Erläuterung des Fehlens eines Konzepts (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verstoß gegen § 289c HGB I. Inhaltliche Fehlerhaftigkeit der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltliche Fehlerhaftigkeit des nichtfinanziellen Berichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Siehe die Nachweise bei § 289b HGB.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Durch § 289c HGB wird der Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung festgelegt. Diese muss nach Abs. 1 1 kurz das Geschäftsmodell der Kapitalgesellschaft beschreiben (Rz. 7 f.) und nach Abs. 2 auf eine Reihe von Einzelaspekten der Corporate Social Responsibility eingehen (Rz. 9 ff.). Die in Abs. 2 genannten Aspekte müssen nach Abs. 3 umfassend beschrieben und erläutert werden (Rz. 39 ff.). Soweit die Kapitalgesellschaft in Bezug auf einen der in Abs. 2 genannten Aspekte kein Konzept verfolgt, ist dies nach Abs. 4 zu erläutern (Rz. 76).

II. Bedeutung und Zweck § 289c HGB ist die eigentliche Schlüsselnorm im Rahmen der CSR-Berichterstattung, da er den konkreten 2 Inhalt festlegt, der in der nichtfinanziellen Erklärung enthalten sein muss. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, da nach § 289d HGB kein konkretes Rahmenwerk oder ein konkreter Standard für die nichtfinanzielle Erklärung verwendet werden muss (§ 289d HGB Rz. 10 ff.). Durch die inhaltlichen Vorgaben soll eine Vergleichbarkeit der nichtfinanziellen Erklärungen hergestellt werden.1 In seiner tatbestandlichen Ausgestaltung ist § 289c HGB allerdings oftmals sehr vage und wenig präzise, so dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale einer umfassenden Konkretisierung durch die Rspr. bedürfen.

III. Rechtsentwicklung § 289c HGB geht auf das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz2 zurück und wurde durch dieses neu geschaf- 3 fen. Im Gesetzgebungsverfahren wurden der zwingende Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung umfassend thematisiert und zahlreiche weitere Berichtsinhalte vorgeschlagen. So sollten etwa auch Verbraucherbelange in Abs. 2 aufgenommen werden,3 wovon im Gesetzgebungsverfahren aber aufgrund der fehlenden entsprechenden Anforderungen in der CSR-Richtlinie und der damit verbundenen Berichterstattung über Interessen der Marktgegenseite verzichtet wurde. Ebenso wenig wurde die Berichtspflicht auf Zielerreichungsprozesse zur Verbesserung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik ausgeweitet.4

IV. Europarechtlicher Hintergrund Der durch § 289c HGB geregelte Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung geht auf die CSR-Richtlinie5 zurück und dient deren Umsetzung ins nationale Recht. Konkret werden durch § 289c Abs. 1 HGB Art. 19a Abs. 1 Buchst. a CSR-RL, durch § 289c Abs. 2 HGB Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 1 CSR-RL, durch § 289c Abs. 3 HGB Art. 19a Abs. 1 Buchst. b–e CSR-RL und durch § 289c Abs. 4 HGB Art. 19a Abs. 1 Unter1 Begr RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. 2 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 3 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3. 4 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3. 5 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EG 2014 Nr. L 330, 1.

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§ 289c Rz. 5 | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung abs. 2 CSR-RL umgesetzt. Darüber hinaus übernimmt vor allem § 289c Abs. 2 HGB mehrfach Beispiele aus den Erwägungsgründen der CSR-Richtlinie.1

V. Anwendungsbereich 5

§ 289c HGB ordnet keinen eigenständigen Anwendungsbereich an, sondern verweist auf § 289b HGB (§ 289b HGB Rz. 18).

VI. Übergangsrecht 6

§ 289c HGB ist erstmals auf Lageberichte für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 80 EGHGB).

B. Kurze Beschreibung des Geschäftsmodells (Abs. 1) 7

Nach § 298c Abs. 1 HGB muss in der nichtfinanziellen Erklärung zunächst das Geschäftsmodell der Kapitalgesellschaft kurz beschrieben werden. Diese aus Art. 19a Abs. 1 Buchst. a CSR-Richtlinie stammende Vorgabe wird weder in der Richtlinie selbst noch in der Gesetzesbegründung näher definiert. Im Grundsatz wird davon auszugehen sein, dass die nach § 289c Abs. 1 HGB vorzunehmende kurze Beschreibung lediglich der Einordnung der nachfolgenden Angaben dient. Daher ist es insofern ausreichend, wenn die Kapitalgesellschaft den Unternehmensgegenstand und den Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit nennt. Weitere Angaben sind nicht erforderlich, zumal diese sich auch schon aus dem Lagebericht ergeben (§ 289 Abs. 1 HGB – § 289 HGB Rz. 16 ff.).

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Auch wenn das Geschäftsmodell bereits nach § 289 Abs. 1 HGB im Lagebericht (§ 289 HGB Rz. 16 ff.) beschrieben werden muss, darf sich die Angabe im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung nicht auf einen bloßen Verweis beschränken. Vielmehr ist sowohl im Lagebericht als auch in der nichtfinanziellen Erklärung eine Beschreibung vorzunehmen.2 Es spricht aber nichts dagegen, wenn diese identisch ist.

C. Mindestinhalt der nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 2) I. Allgemeine Grundsätze 9

Darüber hinaus muss die nichtfinanzielle Erklärung auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte eingehen. Die Aufzählung der einzelnen Aspekte ist nicht abschließend.3 Es handelt sich auch nicht um Mindestvorgaben. Vielmehr sollen die Kapitalgesellschaften durch die beispielhafte Aufzählung in § 289c Abs. 2 HGB für die Themenfelder sensibilisiert werden, die für die CSR-Berichterstattung relevant sind. Daher kann es auch grundsätzlich erforderlich sein, weitere Angaben zu machen, wenn nur dadurch eine umfassende CSR-Berichterstattung aus Sicht der Allgemeinheit möglich ist.4 Allerdings dürfte die Schwelle in diesem Zusammenhang sehr hoch anzulegen sein, zumal es den §§ 289b ff. HGB an einer klaren Definition fehlt, was eine umfassende CSR-Berichterstattung ausmacht. Auch im Schrifttum und in den existierenden Rahmenwerken und Standards (zu den einschlägigen Rahmenwerken und Standards s. § 289d HGB Rz. 10 ff.) besteht keine dahingehende eindeutige Definition. Daher muss im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass eine nichtfinanzielle Erklärung bei einer Berücksichtigung aller in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte vollständig ist. Schließlich ist es der Kapitalgesellschaft freigestellt ist, weitere Angaben zu machen.

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Zudem steht es den Kapitalgesellschaften frei, die Angaben in einer von § 289c Abs. 2 HGB abweichenden Reihenfolge zu machen.5 Darüber hinaus können Angaben bei inhaltlicher Nähe auch zusammengefasst oder auf deren Darstellung an einer anderen Stelle der nichtfinanziellen Erklärung verwiesen werden.6 Auch kann ein Verweis auf andere Stellen im Lagebericht erfolgen.7 Die nichtfinanzielle Erklärung muss 1 Diese für nicht verbindlich haltend Lanfermann, BB 2016, 1131 (1132). 2 Ebenso Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (221); tendenziell auch Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BTDrucks. 18/9982, 47, wonach das Erfordernis der Beschreibung im Lagebericht auf die nichtfinanzielle Erklärung ausgeweitet werden soll. 3 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 46. 4 So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47. 5 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47; zustimmend Nietsch, NZG 2016, 1330 (1332). 6 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47. 7 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47.

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C. Mindestinhalt der nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 2)

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Rz. 16 § 289c

aber eine klar erkennbare Struktur aufweisen und übersichtlich sein.1 Zu den Anforderungen an die Gestaltung der nichtfinanziellen Erklärung s. § 289b HGB Rz. 26 ff. Die CSR-Berichterstattung verpflichtet die Kapitalgesellschaften lediglich zur Abgabe einer nichtfinanziel- 11 len Erklärung, die auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte eingehen muss. Daher sind die Aspekte, über die die Kapitalgesellschaft berichten muss, für diese nicht verbindlich und begründen somit keinerlei Umsetzungs- oder Befolgungspflichten (dazu ausführlich § 289b HGB Rz. 75 ff.).

II. Unterscheidung nach der Art der Angaben Generell muss bei den Angaben nach § 289c Abs. 2 HGB zwischen verschiedenen Arten unterschieden 12 werden.2 Dabei lassen sich Angaben zur Beachtung rechtlicher Vorschriften (Rz. 14 ff.), Angaben zu bestimmten Werten (Rz. 19 f.), Angaben zu von der Kapitalgesellschaft ergriffenen Maßnahmen (Rz. 21 f.) und Angaben mit Bezug auf die Erreichung eines bestimmten Ziels (Rz. 23 f.) unterscheiden. Angaben nach Abs. 2

Beachtung rechtlicher Vorschriften

Angaben zu bestimmten Werten

Angaben zu von der Kapitalgesellschaft ergriffenen Maßnahmen

Angaben mit Bezug auf die Erreichung eines bestimmten Ziels

(Rz. 14ff.)

(Rz. 19 f.)

(Rz. 21 f.)

(Rz. 23f.)

1. Angaben zur Beachtung rechtlicher Vorschriften Zum einen wird in der Aufzählung von § 289c Abs. 2 Nr. 1–5 HGB teilweise auf konkrete rechtliche Regelungen verwiesen, die idR klar und eindeutig bestimmbar sind. Dabei muss die Kapitalgesellschaft kurz die jeweilige Norm nennen und erklären, ob diese Norm beachtet wurde oder nicht. Soweit die Kapitalgesellschaft erklären will, dass alle oder keine der entsprechenden Normen beachtet wurden, kann auch eine entsprechende pauschale Angabe gemacht werden.

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Dies ist etwa bei § 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB bei der Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der in- 14 ternationalen Arbeitsorganisation (Rz. 30), bei Abs. 2 Nr. 2 bei der Achtung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Information und Konsultation (Rz. 28), bei Abs. 2 Nr. 2 bei der Achtung der Rechte der Gewerkschaften (Rz. 28) und bei Abs. 2 Nr. 4 bei der Achtung der Menschenrechte (Rz. 35 f.) der Fall. In diesem Zusammenhang enthält § 289c Abs. 2 HGB keine Regelung zum internationalen Anwendungs- 15 bereich der einer Berichterstattung zugrunde liegenden Regelungen. Denn so bleibt es offen, ob für die Ermittlung des Vorliegens etwa von Umweltverstößen oder der Verletzung von Arbeitnehmerrechten stets auf deutsches, europäisches oder ein anderweitiges Recht abzustellen ist. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass bei der Verletzung von Regelungen nur diejenigen relevant sind, die an dem Ort gelten, wo die jeweilige Maßnahme durchgeführt wird. Daher kommt es nicht stets darauf an, ob die deutschen oder europäischen Regelungen eingehalten werden. Verfügt ein Staat, in dem die bilanzierende Kapitalgesellschaft aktiv ist, daher nur über sehr unzureichende Regelungen in einzelnen Bereichen, wird für die Kapitalgesellschaft keine Berichtspflicht begründet, solange die dort geltenden, wenn auch sehr lapidar ausgestalteten Regelungen eingehalten werden. Auch im Zusammenhang mit den Arbeitnehmerbelangen (Rz. 29 ff.) ist stets auf das Arbeitsrecht an dem Ort abzustellen, wo die Arbeitnehmer überwiegend tätig sind. Daher ist es in diesem Zusammenhang nur relevant, ob das lokale Arbeitsrecht beachtet wurde, da es anderenfalls zu einer mittelbaren Drittwirkung deutschen oder europäischen Arbeitsrechts kommen würde. Sofern das vor Ort geltende Recht Aspekte 1 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47. 2 Mit dieser Einteilung Mock, ZIP 2017, 1195 (1198 ff.).

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§ 289c Rz. 17 | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung

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wie die Geschlechtergleichstellung nicht adressiert, muss über diesen Aspekt im Hinblick auf den jeweiligen Staat nicht berichtet werden. Eine Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang allerdings die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen (Rz. 35 f.), da es sich dabei um international geltende Regelungen handelt, die gerade nicht mit einer bestimmten Rechtsordnung verbunden sind. Daher kann sich die Kapitalgesellschaft im Rahmen der Berichterstattung nicht darauf berufen, dass in einem Staat, in dem diese tätig ist, Menschenrechten wenig Beachtung geschenkt wird bzw. das dortige Rechts- und Justizsystem diesen nicht hinreichend Rechnung trägt. Da es mehrere Arten von Menschenrechtskonventionen gibt, ist aber zu beachten, ob in einem Staat, in dem die Kapitalgesellschaft tätig ist, ein strengerer und ausdifferenzierterer Maßstab als derjenige nach der UNO-Menschenrechtskonvention gilt, was vor allem bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Fall ist. Zu den verschiedenen Konventionen s. Rz. 34. 2. Angaben zu bestimmten Werten

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Darüber hinaus müssen auch bestimmte Werte angegebenen werden. Dabei müssen diese Werte lediglich angegeben werden, ohne dass deren Höhe zu kommentieren ist. Es müssen aber in jedem Fall detaillierte Angaben – etwa in Form von konkreten Mengenangaben des CO2-Ausstoßes oder der Konzentration von Schadstoffen im Abwasser – gemacht werden. Daher genügt es nicht, darzustellen, wie sich die Geschäftstätigkeit generell dazu verhält. Dies ist bei § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB bei den Angaben zu den Treibhausgasemissionen, zum Wasserverbrauch und zur Luftverschmutzung der Fall (Rz. 25). 3. Angaben zu von der Kapitalgesellschaft ergriffenen Maßnahmen

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Darüber hinaus muss teilweise auch deskriptiv auf bestimmte Aspekte eingegangen werden und müssen einfach die Maßnahmen dargestellt werden, die die Kapitalgesellschaft ergriffen hat. Diese Angaben erschöpfen sich in einer bloßen Darstellung und sind daher stets zu machen. Daher muss die Kapitalgesellschaft immer erklären, ob sie dahingehende Maßnahmen ergriffen hat. Dabei steht es der Kapitalgesellschaft natürlich frei zu erklären, dass dahingehend keinerlei Maßnahmen ergriffen wurden. Dies ist bei § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB bei der Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien (Rz. 25), bei Abs. 2 Nr. 2 bei der Angabe der Arbeitsbedingungen (Rz. 28) und bei Abs. 2 Nr. 3 bei dem Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene (Rz. 31) der Fall. 4. Angaben mit Bezug auf die Erreichung eines bestimmten Ziels

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Schließlich gibt es Angaben, die sich auf die Erreichung eines bestimmten Ziels beziehen, so dass es in diesem Zusammenhang nicht ausreicht, eine allgemeine Beschreibung vorzunehmen. Vielmehr muss im Rahmen dieser Beschreibung darauf eingegangen werden, ob die von der Kapitalgesellschaft ergriffenen Maßnahmen tatsächlich zu einer Erreichung des jeweiligen Ziels geführt haben. Insofern ergibt sich vor allem zu den von der Kapitalgesellschaft ergriffenen Maßnahmen eine qualitative Steigerung der Berichterstattung, da auf den tatsächlichen Zusammenhang zwischen den Maßnahmen oder der Erreichung der jeweiligen Ziele eingegangen werden muss. Auch in diesem Zusammenhang steht es der Kapitalgesellschaft frei zu erklären, dass dahingehend keine Maßnahmen ergriffen wurden. Dies ist vor allem bei § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB beim Schutz der biologischen Vielfalt (Rz. 25), bei Abs. 2 Nr. 2 bei den Maßnahmen zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung (Rz. 29), bei Abs. 2 Nr. 2 beim Gesundheitsschutz (Rz. 29), bei Abs. 2 Nr. 2 bei der Sicherheit am Arbeitsplatz (Rz. 29), bei Abs. 2 Nr. 3 bei der Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung lokaler Gemeinschaften (Rz. 32), bei Abs. 2 Nr. 4 bei Maßnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen (Rz. 35) und bei Abs. 2 Nr. 5 bei Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und Bestechung (Rz. 37) der Fall.

III. Umweltbelange (Abs. 2 Nr. 1) 24

Zunächst muss in der nichtfinanziellen Erklärung auf Umweltbelange eingegangen werden. Umweltbelange werden in Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie als Einzelheiten der aktuellen und vorhersehbaren Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf die Umwelt und, soweit angebracht, die Gesundheit und die Sicherheit sowie zu der Nutzung erneuerbarer und/oder nicht erneuerbarer Energien, zu Treibhausgasemissionen, zum Wasserverbrauch und zur Luftverschmutzung definiert. Diese Definition hat der Gesetzgeber teilweise in § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB übernommen. Soweit Abs. 2 Nr. 1 von den in Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie erwähnten Aspekten abweicht, sind diese über eine richtlinienkonforme Auslegung von Abs. 2 Nr. 1 dennoch verbindlich, zumal diese auch in der Gesetzesbegrün950

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C. Mindestinhalt der nichtfinanziellen Erklärung (Abs. 2)

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Rz. 30 § 289c

dung erwähnt werden. Abweichend von Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie erwähnt Abs. 2 Nr. 1 noch zusätzlich den Schutz der biologischen Vielfalt. Darüber hinaus nimmt die Gesetzesbegründung Bezug auf die Gesundheit, die Umweltsicherheit und die 25 Bodenbelastung, über die allerdings nur berichtet werden muss, wenn diese Bereiche für die Kapitalgesellschaft relevant sind. Weiterhin kann die Kapitalgesellschaft auch globale Umwelt- und Klimaziele berücksichtigen bzw. auf diese Bezug nehmen.1 Kein eigenständiger Berichtsinhalt ist der Tierschutz, da es sich dabei nicht um Umweltbelange, sondern um einen spezifischen Aspekt handelt, der nur nicht in freier Wildbahn lebende Tiere betrifft. Für die Art und Weise der Berichterstattung muss danach unterschieden werden, welche Art von Angabe im Rahmen von § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB zu machen ist; dazu ausführlich Rz. 39 ff.

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Die Berichterstattung über Umweltbelange im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung lässt die Verpflichtungen der Kapitalgesellschaft als informationspflichtige Stelle nach § 10 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UIG unberührt.2 Daher müssen die danach bestehenden Verpflichtungen unabhängig von der CSR-Berichterstattung erfüllt werden, was einen kaum vertretbaren und nicht nachvollziehbaren Mehraufwand verursacht, zumal die Informationen doppelt zur Verfügung gestellt werden.

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IV. Arbeitnehmerbelange (Abs. 2 Nr. 2) Nach § 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB muss weiterhin auf Arbeitnehmerbelange in der nichtfinanziellen Erklä- 28 rung eingegangen werden. Arbeitnehmerbelange werden in Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie definiert als Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Geschlechtergleichstellung (Rz. 29) zu gewährleisten. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (Rz. 30), zu den Arbeitsbedingungen erfasst. Zudem geht es um die Achtung des Rechts der Arbeitnehmer, informiert und konsultiert zu werden, und um die Achtung der Rechte der Gewerkschaften, um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz. Diese Definition hat der deutsche Gesetzgeber nur teilweise in § 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB übernommen. Die in Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie genannten und über § 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB hinausgehenden Aspekte sind aber aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs Arbeitnehmerbelange ebenfalls zu beachten. Unter Abs. 2 Nr. 2 fallen auch Angaben zur Personalplanung im Hinblick auf Fachkräfte, zu Krankheitsquoten und zu Unfall- und Fluktuationsraten.3 Schließlich muss auch über den Umfang der Leiharbeit und deren Konditionen in dem berichtspflichtigen Unternehmen eingegangen werden, da dies für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ein zentraler Aspekt ist. Für die Art und Weise der Berichterstattung muss danach unterschieden, welche Art von Angabe im Rahmen von § 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB zu machen ist (dazu ausführlich Rz. 39 ff.). Hinsichtlich der Maßnahmen zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung kann nicht lediglich auf die geltende (deutsche) Rechtslage verwiesen werden, die insbes. durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen v. 24.4.20154 geschaffen wurde. Denn diese Regelung bezieht sich nur auf Führungspositionen, während Abs. 2 Nr. 2 in diesem Zusammenhang nicht zwischen verschiedenen Arbeitnehmern, Angestellten oder Organträgern unterscheidet.

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Bei den Angaben zur Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeits- 30 organisation (ILO) muss angegeben werden, welche der zahlreichen Übereinkommen der ILO beachtet werden. Dabei kann die Kapitalgesellschaft eine Auswahl vornehmen, da § 289c Abs. 2 Nr. 2 HGB in diesem Zusammenhang nur auf die grundlegenden Übereinkommen verweist. Welche der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als grundlegend betrachtet werden müssen, ist anhand der Zahl der Mitgliedstaaten zu bestimmen, die diese ratifiziert haben, so dass andere Kriterien unbeachtlich sind. Darüber hinaus muss über die Beachtung der grundlegenden Übereinkommen nicht berichtet werden, wenn die Kapitalgesellschaft gegen diese in einem Staat verstößt, der die Übereinkommen nicht ratifiziert hat. Denn anderenfalls würde sich eine mittelbare Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Übereinkommen ergeben, die sich über die Entscheidung einzelner Staaten, diese nicht zu ratifizieren, hinwegsetzen würde. Daher muss die Kapitalgesellschaft im Ergebnis eine zweistufige Prüfung vornehmen, bei der im ersten Schritt zunächst die grundlegende Bedeutung der Übereinkommen festgestellt und im zweiten Schritt die regionale Geltung ermittelt werden muss. 1 2 3 4

Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 48. BGBl. I 2015, 642.

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§ 289c Rz. 31 | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung

V. Sozialbelange (Abs. 2 Nr. 3) 31

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Weiterhin muss nach § 289c Abs. 2 Nr. 3 HGB auf Sozialbelange eingegangen werden. Dabei wird in Abs. 2 Nr. 3 beispielhaft auf den Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene oder auf die zur Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung lokaler Gemeinschaften ergriffenen Maßnahmen abgestellt. Dies entspricht weitestgehend der Definition in Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie. Die Berichterstattung im Rahmen von Abs. 2 Nr. 3 bezieht sich vor allem auf das Engagement des Bilanzierenden auf kommunaler und regionaler Ebene, so dass über entsprechende Aktivitäten wie etwa Spenden zu berichten ist. Um eine ordnungsgemäße Berichterstattung zu gewährleisten, muss in diesem Zusammenhang allerdings eine Bagatellschwelle bei finanziellen Unterstützungen angenommen werden, die sich an der Größe der Kapitalgesellschaft ausrichten sollte. Bereits die Verknüpfung der Sozial- mit den Arbeiternehmerbelangen in Erwägungsgrund Nr. 7 CSRRichtlinie macht deutlich, dass eine klare Abgrenzung zwischen Sozial- und Arbeiternehmerbelangen kaum möglich ist. Daher muss es den Kapitalgesellschaften auch gestattet sein, auf beide Aspekte in einem Zusammenhang einzugehen. Für die Art und Weise der Berichterstattung muss danach unterschieden, welche Art von Angabe im Rahmen von Abs. 2 Nr. 3 zu machen ist; dazu ausführlich Rz. 39 ff.

VI. Achtung der Menschenrechte (Abs. 2 Nr. 4) 34

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Zudem muss in der nichtfinanziellen Erklärung auf die Achtung der Menschenrechte eingegangen werden. Dabei erwähnt § 289c Abs. 2 Nr. 4 HGB beispielhaft die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen, was der allgemeinen Definition in Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie entspricht. Dieser Aspekt der nichtfinanziellen Erklärung ist nicht unproblematisch, da sich Regelungen zu Menschenrechten typischerweise nur an Staaten und nicht an Kapitalgesellschaften richten und auch nur erstere binden. Dies ist etwa bei der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 1 EMRK),1 der Europäischen Grundrechte-Charta (Art. 51)2 und auch beim deutschen Grundgesetz für die Grundrechte3 der Fall. Da § 289c Abs. 2 Nr. 4 HGB ausdrücklich auf Menschenrechtsverletzungen eingeht, können diese Beschränkungen in diesem Zusammenhang aber keine Geltung beanspruchen. Allerdings wird man nur elementare Menschenrechtsverletzungen als Berichtsgegenstand von Abs. 2 Nr. 4 anerkennen können, da die übrigen Menschenrechte schon im Verhältnis von Kapitalgesellschaften zu Dritten nicht verletzt werden können, wie dies etwa bei der Versammlungsfreiheit (Art. 11 EMRK) oder dem Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK) oder dem Recht auf Eheschließung (Art. 12 EMRK) der Fall ist.4 Für die Art und Weise der Berichterstattung muss danach unterschieden werden, welche Art von Angabe im Rahmen von Abs. 2 Nr. 4 zu machen ist; dazu ausführlich Rz. 39 ff.

VII. Bekämpfung der Korruption und Bestechung (Abs. 2 Nr. 5) 36

37

Weiterhin muss nach § 289c Abs. 2 Nr. 5 HGB auf die Bekämpfung der Korruption und der Bestechung eingegangen werden, wobei sich die Angaben etwa auf die bestehenden Instrumente zur Bekämpfung der Korruption und Bestechung beziehen können. Da die Berichterstattung nach Abs. 2 Nr. 5 sich nur auf Angaben mit Bezug auf die Erreichung eines bestimmten Ziels beschränkt, sind die entsprechend in Rz. 39 ff. dargestellten Grundsätze bei der Art und Weise der Berichterstattung zu beachten.

D. Weitere Pflichtangaben (Abs. 3) I. Allgemeine Berichtsgrundsätze 38

Durch § 289c Abs. 3 HGB werden die nach Abs. 1 (Rz. 7 f.) erforderlichen Angaben weiter konkretisiert und eine direkte Verbindung mit der sonstigen Lageberichterstattung hergestellt. Während Abs. 2 1 Zur fehlenden Drittwirkung und Bindungswirkung für (privatrechtliche) Kapitalgesellschaften vgl. Meyer-Ladewig/ Nettesheim in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, Europäische Menschenrechtskonvention4, Art. 1 Rz. 19 f. 2 Zur fehlenden Drittwirkung und Bindungswirkung für (privatrechtliche) Kapitalgesellschaften vgl. Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union4, Art. 51 Rz. 16; Jarass, Charta der Grundrechte der EU3, Art. 51 Rz. 1. 3 Zur fehlenden Drittwirkung und Bindungswirkung für (privatrechtliche) Kapitalgesellschaften vgl. Herdegen in Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rz. 59 ff. (Stand Sept. 2016). 4 Mock, ZIP 2017, 1195 (1198).

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D. Weitere Pflichtangaben (Abs. 3)

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Rz. 46 § 289c

(Rz. 9 ff.) inhaltliche Vorgaben für die nichtfinanzielle Erklärung macht, regelt Abs. 3 vor allem die Art und Weise der Darstellung, macht dabei allerdings auch teilweise inhaltliche Vorgaben. Dabei ist zwischen den allgemeinen Angaben zum Geschäftsverlauf, zum Geschäftsergebnis und der Lage der Kapitalgesellschaft (Rz. 44 ff.) einerseits und den in den Nr. 1–6 spezifischen Angaben (Rz. 50 ff.) zu unterscheiden. In der Darstellung müssen die nach § 289c Abs. 3 HGB geforderten Angaben für jeden der nach Abs. 2 er- 39 forderlichen Einzelpunkte gemacht werden, so dass gerade keine allgemeine und zusammenfassende Darstellung möglich ist.1 Hinsichtlich der Reihenfolge der nach Abs. 3 zu machenden Angaben ergeben sich aber keine zwingenden Vorgaben, so dass auf diese – ebenso wie auch bei den nach Abs. 2 vorgegebenen Angaben – auch in einer abweichenden Reihung eingegangen werden kann.2 Die Angaben nach § 289c Abs. 3 HGB sind zudem nur zu machen, wenn diese erforderlich sind, damit ein 40 Adressat der nichtfinanziellen Erklärung ein Verständnis für deren Inhalt entwickeln kann. Insofern ist ein objektiver und durchschnittlicher Adressatenhorizont zugrunde zu legen, so dass in diesem Zusammenhang etwa nicht von Expertenwissen ausgegangen werden kann. Die Erforderlichkeit muss bei allen nach Abs. 3 darzustellenden Angaben bestehen.3 Hinsichtlich des genauen Maßstabs für die Bestimmung der Erforderlichkeit gelten die gleichen Anforderungen wie bei § 289 Abs. 3 HGB hinsichtlich des Begriffs der bedeutsamen nichtfinanziellen Leistungsindikatoren (§ 289 HGB Rz. 49 ff.), da beide Begriffe eine identische Bedeutung haben.4 Bei der nichtfinanziellen Erklärung kommt schließlich auch der Wesentlichkeits- und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Anwendung.5

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II. Allgemeine Angaben zum Geschäftsverlauf, zum Geschäftsergebnis und der Lage der Kapitalgesellschaft (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) 1. Angaben zum Geschäftsverlauf Zunächst muss die Kapitalgesellschaft auf den Geschäftsverlauf eingehen. Grundsätzliche besteht insofern 42 eine Übereinstimmung mit § 289 Abs. 3 HGB, da auch nach diesem – jedenfalls bei großen Kapitalgesellschaften – auf den Geschäftsverlauf einzugehen ist (§ 289 HGB Rz. 49 ff.). In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf einzugehen, welchen Einfluss die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte (Rz. 9 ff.) auf den Geschäftsverlauf genommen haben. Dabei ist insbes. zu beleuchten, ob die ursprüngliche Unternehmensplanung aufgrund der Aspekte in Abs. 2 im abgelaufenen Geschäftsjahr Änderungen unterzogen wurde. Darüber hinaus ist darauf einzugehen, wie sich die in Abs. 2 genannten Faktoren (Rz. 9 ff.) seit der letzten nichtfinanziellen Erklärung verändert haben und ob und wie sich diese in der absehbaren Zukunft verändern werden. Insofern muss etwa auch auf absehbare gesetzliche Verschärfungen in den relevanten Staaten eingegangen werden.

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Hinsichtlich der Berichtstiefe ist ein Umfang für die Beschreibung zu wählen, so dass die Adressaten der nichtfinanziellen Erklärung diese tatsächlich nachvollziehen können.

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2. Angaben zum Geschäftsergebnis Darüber hinaus müssen auch Angaben zum Geschäftsergebnis gemacht werden. Der Begriff des Geschäfts- 45 ergebnisses wird – in Abweichung zu den sonstigen Angaben nach § 289c Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 HGB – nicht auch in § 289 Abs. 3 HGB (§ 289 HGB Rz. 49 ff.) verwendet. Unmittelbare Auswirkungen ergeben sich aus diesem Umstand aber nicht, zumal es sich bei dem Begriff des Geschäftsergebnisses um einen allgemeinen Begriff handelt, der sich sowohl in der Bilanz als auch der Gewinn- und Verlustrechnung findet. Insofern ist dieser mit dem Begriff Jahresergebnis/Jahresfehlbetrag bzw. Bilanzgewinn/Bilanzverlust gleichzusetzen. In diesem Zusammenhang ist darauf einzugehen, wie sich die Beachtung oder fehlende Beachtung der in 46 § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte (Rz. 9 ff.) auf das Geschäftsergebnis ausgewirkt hat. Aufgrund der 1 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 48. 2 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 48. 3 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49 („Langfristig sollten Kapitalgesellschaften daher erwägen, sich für eine Berichterstattung auf der Grundlage eines oder mehrerer anerkannten Rahmenwerke zu entscheiden.“). 4 So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 48. 5 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47.

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§ 289c Rz. 47 | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung oftmals bei den Aspekten nach Abs. 2 bestehenden Unschärfe können dabei keine detaillierten Angaben oder gar konkrete Zahlen genannt werden, in welchem Umfang sich das Geschäftsergebnis verändert hat. Allerdings muss die Kapitalgesellschaft eine hinreichend konkrete Einschätzung dahingehend abgeben, ob und in welchem ungefähren Umfang die Beachtung oder die fehlende Beachtung der Angaben nach Abs. 2 einen Einfluss genommen haben. 3. Angaben zur Lage der Gesellschaft 47

Schließlich müssen auch Angaben zur Lage der Gesellschaft gemacht werden. Der Begriff der Lage der Gesellschaft entspricht demjenigen in § 289 Abs. 3 HGB (§ 289 HGB Rz. 49 ff.). Dabei ist besonders darauf einzugehen, welchen Stellenwert die einzelnen Angaben nach § 289c Abs. 2 HGB (Rz. 9 ff.) für die Kapitalgesellschaft haben bzw. ob diese im Einzelnen überhaupt und wenn ja in welchem Umfang relevant sind.

III. Konzepte der Kapitalgesellschaft (Abs. 3 Nr. 1) 48

Zunächst muss die Kapitalgesellschaft für jeden der in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte eine Beschreibung vornehmen, mit welchen Konzepten die in Abs. 2 genannten Aspekte erreicht werden sollen. Daher muss die Kapitalgesellschaft beschreiben, welche konkreten Maßnahmen sie in welchem Zeitraum dahingehend unternommen hat.1 Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Lieferkette (Rz. 60 ff.) zu, da im Rahmen der Berichterstattung nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB auch darauf eingegangen werden soll, bis zu welcher Tiefe in der Lieferkette nichtfinanzielle Themen adressiert wurden.2

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Darüber hinaus muss dargestellt werden, wie die Unternehmensführung an diese Maßnahmen gebunden ist, da nur auf diese Weise erkennbar ist, ob die in Abs. 2 genannten Aspekte tatsächlich von allen Organisationsebenen der Kapitalgesellschaft beachtet werden.3

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Zudem muss erörtert werden, welche Prozesse und Verfahren in diesem Zusammenhang eingeleitet wurden und wer an diesen beteiligt wurde.4 Denn gerade im Hinblick auf die Arbeitnehmerinteressen ist es für die Adressaten von Bedeutung, zu erkennen, wer bei der Identifizierung der relevanten Aspekte beteiligt gewesen ist und ob die Kapitalgesellschaft in diesem Zusammenhang eine möglichst umfassende und breit aufgestellte Verfahrensöffentlichkeit hergestellt hat.

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Weiterhin muss auch darauf eingegangen werden, welche Due-Diligence-Prozesse eingeleitet wurden und verwendet werden, um auch eine tatsächliche Beachtung der in Abs. 2 genannten Aspekte sicherzustellen. Auch in diesem Zusammenhang soll darüber berichtet werden, inwiefern die Due-Diligence-Prozesse in die Lieferkette (Rz. 60 ff.) hineinreichen.5 Allerdings ist dabei der Verhältnismäßigkeits- und der Wesentlichkeitsgrundsatz zu beachten, so dass eine lückenlose Berichterstattung vor allem im Hinblick auf wirtschaftlich unbedeutende Unternehmen in der Lieferkette nicht vorgenommen werden muss. Da weder das Handelsbilanzrecht noch die CSR-Richtlinie selbst eine Pflicht zur Durchführung von Due-Diligence-Prozessen im Hinblick auf nichtfinanzielle Aspekte vorsieht, kann auch berichtet werden, dass derartige Verfahren nicht existieren, was dann aber nach § 289c Abs. 4 HGB (Rz. 76) gesondert zu begründen ist. Allerdings gilt es zu beachten, dass zwischen den Due-Diligence-Prozessen nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB und der Festlegung von Risikomanagementzielen und -methoden nach § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB (§ 289 HGB Rz. 38 ff.) kaum Unterschiede ausgemacht werden können, so dass auf eine Berichterstattung verzichtet werden kann.

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Die Berichterstattung erstreckt sich nicht auf Zielerreichungsprozesse zur Verbesserung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik. Dieser Berichtsinhalt – der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert wurde6 – ist in § 289c Abs. 3 HGB nicht ausdrücklich erwähnt, so dass auch nicht von einer entsprechenden Pflicht ausgegangen werden kann.

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Ziel der Beschreibung ist es, die Adressaten der nichtfinanziellen Erklärung in die Lage zu versetzen, ein bestehendes Konzept der Kapitalgesellschaft im Hinblick auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte zu verstehen, um damit abschätzen zu können, ob den Aspekten nach Abs. 2 tatsächlich Rechnung getragen wird.7 1 2 3 4 5 6 7

Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49. So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49. Erwägungsgrund Nr. 7 CSR-Richtlinie; Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49. Siehe Nachweis in Fn. 4. Ähnlich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49.

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D. Weitere Pflichtangaben (Abs. 3)

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Rz. 59 § 289c

Besteht bei der Kapitalgesellschaft schließlich kein Konzept, muss dies nach § 289c Abs. 4 HGB (Rz. 76) gesondert erwähnt und begründet werden.

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IV. Beschreibung der Ergebnisse nach Nr. 1 (Abs. 3 Nr. 2) Weiterhin müssen in der nichtfinanziellen Erklärung die Ergebnisse der Konzepte nach § 289c Abs. 3 55 Nr. 1 HGB (Rz. 50 ff.) erläutert werden (§ 289c Abs. 3 Nr. 2 HGB). Dabei muss die Kapitalgesellschaft darauf eingehen, welchen konkreten Erfolg oder Misserfolg die angewendeten Konzepte tatsächlich gebracht haben. Eine Begründungspflicht wird in diesem Zusammenhang nicht statuiert, so dass die Kapitalgesellschaft das jeweilige Ergebnis auch unkommentiert in die nichtfinanzielle Erklärung aufnehmen kann. Allerdings dürfte insbes. bei Vorliegen eines negativen Ergebnisses ein Interesse an einer genaueren Erläuterung bestehen, was im Rahmen der Berichterstattung zulässig ist.1 Zu den Ergebnissen iSv. § 289c Abs. 3 Nr. 2 HGB zählen auch etwaige laufende (gerichtlichen) Streitigkeiten mit einem CSR-Bezug, so dass auch über diese zu berichten ist.

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V. Wesentliche Risiken der eigenen Geschäftstätigkeit (Abs. 3 Nr. 3) Weiterhin müssen nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB die wesentlichen Risiken aus der Geschäftstätigkeit der 57 Kapitalgesellschaft mit sehr wahrscheinlich schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf die in Abs. 2 genannten Aspekte (Rz. 9 ff.) beschrieben werden. Dabei muss nicht nur auf die Risiken eingegangen werden, die von der Kapitalgesellschaft bewusst eingegangen werden, sondern auch solche, die sich aus den eigenen Produkten oder Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft ergeben.2 Keine Berichtspflicht nach Abs. 3 Nr. 3 besteht für die Risiken, die sich aus der Geschäftsbeziehung zu anderen Unternehmen ergeben, da darüber gesondert nach Abs. 3 Nr. 4 (Rz. 60 ff.) zu berichten ist. Die Berichterstattung beschränkt sich auf wesentliche Risiken. Der Begriff der Wesentlichkeit soll – trotz 58 der nicht unbedingt eindeutigen Formulierung in § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB – dann erfüllt sein, wenn sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die nichtfinanziellen Aspekte nach Abs. 2 drohen oder sich diese bereits verwirklicht haben.3 Komponenten dieser Auswirkungen sind neben dem Ausmaß auch die Intensität, so dass sich diese sehr wahrscheinlich schwerwiegenden negativen Auswirkungen auch dann ergeben können, wenn nur einer dieser beiden Punkte vorliegt bzw. entsprechend überwiegt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die negativen Auswirkungen für die nichtfinanziellen Aspekte drohen müssen. Daher ist es in diesem Zusammenhang irrelevant, wie sich die entsprechenden Risiken auf die finanzielle Berichterstattung auswirken und ob etwa Umsatz- oder Gewinneinbußen zu erwarten sind. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Quantifizierung der Beeinträchtigung der nichtfinanziellen Aspekte, da auch bei diesen nicht schon jedes mögliche Risiko eine Berichtspflicht auslösen kann. Im Grundsatz wird man davon ausgehen müssen, dass nur solche Risiken für die nichtfinanziellen Aspekte von Bedeutung sind, die ein nicht vollständig unbeachtliches Medienecho auslösen. Denn nur in einem solchen Fall liegt ein Interesse der Öffentlichkeit an einer entsprechenden Berichterstattung vor.4

VI. Wesentliche Risiken der Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleistungen (sogenannte Lieferkette – Abs. 3 Nr. 4) Zudem muss nach § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB über die wesentlichen Risiken der Geschäftsbeziehungen, der 59 Produkte und Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft berichtet werden, wenn diese sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die in Abs. 2 genannten Aspekte haben. Dabei handelt es sich um die Berichterstattung über die sogenannte Lieferkette5. Die Berichtspflicht über die Lieferkette wirft eine ganze Reihe schwieriger Probleme auf, da sie sich gerade auf Informationen erstreckt, auf die die Kapitalgesellschaft nicht ohne weiteres Zugriff hat. Damit ist zum einen die Frage verbunden, auf welche Weise die Kapitalgesellschaft diese Informationen von anderen Unternehmen erlangen kann (Rz. 67 ff.). Zum anderen stellt sich die Frage, wie bei der Berichterstattung zu verfahren ist, wenn es an einer Mitwirkung der anderen Unternehmen fehlt oder diese an die berichtspflichtige Kapitalgesellschaft falsch berichten (Rz. 70 f.). 1 2 3 4 5

Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 50. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 50. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 50. In diesem Sinne wohl auch Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 50 f. Mit diesem Begriff Erwägungsgrund Nr. 8 CSR-Richtlinie; Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BTDrucks. 18/9982, 51.

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§ 289c Rz. 60 | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung 1. Regelungsansatz für die Berichterstattung über die Lieferkette 60

Die durch § 289cAbs. 3 Nr. 4 HGB vorgenommene Ausweitung der Berichterstattung auf die Lieferkette basiert letztlich auf zwei Regelungsansätzen. Zum einen würde eine fehlende Erstreckung die Berichtspflicht weitgehend entleeren, da die für die nichtfinanziellen Aspekte nach Abs. 2 relevanten Handlungen oftmals nur von Subunternehmern begangen werden.1 Da die berichtspflichtigen Kapitalgesellschaften aber auch in diesen Konstellationen die sich meist in Form von Kosteneinsparungen ergebenden Vorteile nutzen, ohne selbst die für die nichtfinanziellen Aspekte nachteiligen Handlungen vorzunehmen, bliebe die CSR-Berichterstattung in großen Teilen nur Stückwerk. Zum anderen rechtfertigt sich die Erstreckung aus der Überlegung, dass sich die berichtspflichtigen Kapitalgesellschaften ansonsten durch die einfache Einschaltung von Subunternehmern nachträglich und im Hinblick auf bestimmte Bereiche ihrer Berichtspflicht weitestgehend entziehen könnten (Bilanzpolitik). 2. Inhalt der Berichtspflicht

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Der genaue Inhalt der Berichtspflicht wird in § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB nicht umrissen. Dies gilt insbes. für die sogenannte Tiefe der Lieferkette bei der Berichterstattung. Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Beschränkung auf eine oder zwei Ebenen der Lieferkette hat sich nicht durchsetzen können, so dass keine dahingehende Begrenzung der Berichtspflicht angenommen werden kann.

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Auch wenn die Verwendung des – im Übrigen in § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB selbst nicht erwähnten – Begriffs der Lieferkette zu implizieren scheint, dass sich die Berichtspflicht nur auf die Vertragsbeziehungen des berichtspflichtigen Unternehmens zu Unternehmen erstreckt, die dieses beliefern, kann eine solche Beschränkung aus dem Wortlaut von § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB nicht abgeleitet werden. Denn § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB stellt ausdrücklich auf die wesentlichen Risiken aus den Geschäftsbeziehungen ab, so dass nicht nur die Vertragsbeziehungen von eigenen Lieferanten und Dienstleistern, sondern auch von Abnehmern des berichtspflichtigen Unternehmens (sog. umgekehrte Lieferkette) von der Berichtspflicht erfasst werden. Dieser Aspekt ist vor allem für Kreditinstitute von großer Bedeutung, da diese nach § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB darüber berichten müssen, inwiefern etwa Darlehen an Unternehmen vergeben werden, die diese zur Finanzierung von Projekten einsetzen, die negative Auswirkungen auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte haben. Das Gleiche gilt bei einer Beteiligung an der Ausgabe von Staatsanleihen für Staaten.

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Die Berichtspflicht besteht nach Abs. 3 Nr. 4 aber nur, wenn die wesentlichen Risiken sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die in Abs. 2 genannten Aspekte haben oder haben werden. Für die Beschränkung gelten die in Rz. 58 dargestellten Grundsätze entsprechend.

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Weiterhin müssen die Angaben von Bedeutung sein. Damit sollen lediglich marginale Verletzungen der nichtfinanziellen Aspekte nach Abs. 2 ausgeschlossen werden. Dabei ist vor allem zu beachten, dass im Rahmen der CSR-Berichterstattung eine Unterrichtung der Stakeholder der Kapitalgesellschaft und nicht von deren Subunternehmen und Lieferanten im Mittelpunkt steht. Daher muss insofern ein strenger Maßstab angelegt werden, so dass nur über solche Angaben zu berichten ist, die für die Berichterstattung insgesamt – und nicht bei dem Subunternehmer oder Lieferanten – bedeutsam sind.

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Weiterhin wird die Berichterstattung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Dieser Grundsatz gewinnt vor allem bei der Frage der Erlangung der Informationen durch die Kapitalgesellschaft von anderen Unternehmen (Rz. 67 ff.) und einer fehlenden Mitwirkung der anderen Unternehmen gegenüber der Kapitalgesellschaft (Rz. 70 f.) an Bedeutung, da die Kapitalgesellschaft nur einen angemessenen Aufwand betreiben muss, um die erforderlichen Informationen zu erhalten.

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Keine Bedeutung hat schließlich der Aspekt der fehlenden Einflussnahmemöglichkeit der Kapitalgesellschaft auf die Lieferanten oder Subunternehmer. Daher kann die Berichterstattung nach § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB nicht mit dem Argument eingeschränkt werden, dass die Kapitalgesellschaft versucht habe, negative Auswirkungen auf die in Abs. 2 genannten Aspekte zu verhindern, die Lieferanten oder Subunternehmer sich diesen Bemühungen aber verweigert hätten. Denn im Rahmen der Berichterstattung nach Abs. 3 Nr. 4 geht es nicht um die (eigene) Verantwortlichkeit der Kapitalgesellschaft, sondern deren Einfluss auf die in Abs. 2 genannten Aspekte. Soweit die Kapitalgesellschaft daher die Berichterstattung nach Abs. 3 Nr. 4 vermeiden will, muss sie vertraglichen Beziehungen zu Unternehmen beenden, bei denen negative Auswirkungen auf die in Abs. 2 genannten Aspekte drohen. Zum Problem der fehlenden Mitwirkung oder der Falschinformationen der anderen Unternehmen gegenüber der Kapitalgesellschaft s. Rz. 70 f. 1 In diesem Sinne wohl auch Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 51.

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D. Weitere Pflichtangaben (Abs. 3)

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Rz. 71 § 289c

3. Erlangung der Informationen durch die Kapitalgesellschaft von anderen Unternehmen Keine ausdrückliche Regelung hat die Frage in § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB erfahren, auf welche Weise die 67 Kapitalgesellschaft die für die Berichterstattung erforderlichen Informationen von anderen Unternehmen erlangen soll. Insofern wird lediglich in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass durch die Berichterstattung kein übermäßiger Verwaltungsaufwand für die kleinen und mittelständischen Unternehmen geschaffen werden soll.1 Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass niemand gegenüber der Kapitalgesellschaft verpflichtet ist, darü- 68 ber zu berichten, inwiefern die eigene Geschäftstätigkeit negative Auswirkungen auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte hat. Solche Auskunftsrechte können nur vertraglich zwischen der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft und den anderen Unternehmen begründet werden. Etwas Anderes – etwa in Form von Auskunftsansprüchen – ergibt sich auch nicht aus § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB, da damit lediglich eine Berichtspflicht begründet werden soll. Ebenso wenig kann ein entsprechender Auskunftsanspruch aus § 242 BGB von CSR-berichtspflichtigen Unternehmen gegenüber den Lieferanten angenommen werden. Bei der Begründung vertraglicher Auskunftsrechte für die berichtspflichtige Kapitalgesellschaft besteht für die übrigen Unternehmen kein Kontrahierungszwang.2 Allerdings wird sich in der Mehrzahl der Fälle ein solcher faktisch aus der meist bei der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft bestehenden Verhandlungsmacht ergeben. Die in der Gesetzesbegründung angedeutete Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die berichtspflichtigen Kapitalgesellschaften gegenüber anderen vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen3 dürfte in der Rechtspraxis wohl weitgehend ignoriert werden, zumal dieser jedenfalls die freiwillige Begründung entsprechender vertraglicher Auskunftsrechte für die berichtspflichtige Kapitalgesellschaft nicht verhindern kann. Keine Ausnahme für die Berichterstattung ergibt sich für die Unternehmen, die besonderen Verschwie- 69 genheitspflichten unterliegen.4 Denn durch die Weitergabe der relevanten Informationen an die Kapitalgesellschaft wird die Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten nicht verletzt, da insofern keine konkreten Informationen weitergegeben werden. Somit müssen vor allem auch Rechtsanwälte und Rechtsanwaltskanzleien, die für die berichtspflichtigen Kapitalgesellschaften tätig sind, gegenüber diesen Berichten, inwiefern durch ihre Geschäftstätigkeit negative Auswirkungen auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte begründet werden. Relevanz dürften in diesem Zusammenhang vor allem die Arbeitsbedingungen (Abs. 2 Nr. 2 – Rz. 29 ff.) haben. 4. Fehlende Mitwirkung oder Falschinformationen der anderen Unternehmen gegenüber der Kapitalgesellschaft Schließlich fehlt es in § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB auch an einer Regelung für den Fall, dass die Lieferanten 70 und Subunternehmer ihre Mitwirkung an der CSR-Berichterstattung verweigern oder aber der Kapitalgesellschaft falsche Informationen geben. Eine fehlende Mitwirkung der Lieferanten und Subunternehmer befreit die berichtspflichtige Kapitalgesellschaft nicht von der Berichtspflicht. Allerdings beschränkt sich diese dann auf öffentlich und ansonsten der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft bekannte Tatsachen. Darüber hinaus muss die nichtfinanzielle Erklärung dann einen entsprechenden Hinweis darauf enthalten, dass bestimmte Informationen nicht ermittelt werden konnten. Letzteres ist aber nur dann möglich, wenn tatsächliche eine Informationsgewinnung versucht wurde. Denn anderenfalls könnte die Kapitalgesellschaft durch bloße Passivität eine CSR-Berichterstattung im Hinblick auf die Lieferkette (§ 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB) umgehen, was mit dem Regelungsziel der §§ 289b ff. HGB unvereinbar ist (§ 289b HGB Rz. 2 ff.). Haben die Lieferanten oder Subunternehmer der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft falsche Informa- 71 tionen übermittelt, berührt dies deren Berichtspflicht ebenfalls nicht, so dass diese nicht erfüllt wurde. Allerdings ergeben sich dann erhebliche Einschränkungen bei den möglichen Sanktionen für die berichtspflichtige Kapitalgesellschaft, da es dann idR an einem Verschulden fehlen wird (zu den Sanktionen ausführlich Rz. 77 ff.). Eine andere Frage ist, welche Auswirkungen die fehlerhafte Berichterstattung gegenüber der berichtspflichtigen Kapitalgesellschaft auf das Vertragsverhältnis mit den Lieferanten oder Subunternehmer hat. Letzteres ist eine Frage der Vertragsauslegung bzw. des anwendbaren Vertragsrechts. Aufgrund der Bedeutung der CSR-Berichterstattung für die Kapitalgesellschaften dürfte jedenfalls bei einem Verschweigen schwerwiegender Verletzungen der in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte durch den Lieferanten oder Subunternehmer ein Kündigungsrecht für die Kapitalgesellschaft anzunehmen sein. 1 2 3 4

Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 51. Mock, ZIP 2017, 1195 (1199). So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 51. Mock, ZIP 2017, 1195 (1199).

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§ 289c Rz. 72 | Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung

VII. Bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren (Abs. 3 Nr. 5) 72

Nach § 289c Abs. 3 Nr. 5 HGB muss die Kapitalgesellschaft zudem auf die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren eingehen. Damit soll den Adressaten letztlich ermöglicht werden, die relevanten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren zu ermitteln. Da Abs. 3 Nr. 5 eine Auswahl erfordert, muss die Kapitalgesellschaft mindestens einen der in Abs. 2 genannten hervorheben, ohne zugleich auf alle dort genannten Aspekte zu verweisen.

VIII. Hinweis auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge (Abs. 3 Nr. 6) 73

Schließlich müssen nach § 289c Abs. 3 Nr. 6 HGB Hinweise auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und zusätzliche Erläuterungen in die nichtfinanzielle Erklärung aufgenommen werden. Dies kann etwa im Hinblick auf Rückstellungen oder ausgewiesene Aufwendungen geschehen, soweit diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den in Abs. 2 genannten Aspekten stehen. Darüber hinaus fallen unter § 289c Abs. 3 Nr. 6 HGB aber auch erfolgsabhängige Vergütungen, soweit diese von dem Erreichen bestimmter CSR-Inhalte abhängig sind.

E. Keine weiteren Pflichtangaben 74

Auch wenn die Aufzählung in § 289c Abs. 2 (Rz. 9 ff.) und Abs. 3 (Rz. 39 ff.) HGB nicht abschließend ist (vgl. Abs. 2 „…zumindest auf folgende Aspekte…“), besteht für die Kapitalgesellschaften keine Pflicht zu weitergehenden Angaben. Eine solche Pflicht kann insbes. nicht aus übergeordneten CSR-Berichtsgrundsätzen abgeleitet werden, da diese nach dem heutigen Erkenntnisstand schon nicht gebildet werden können.1 Zwar verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass die Kapitalgesellschaften mit der CSR-Berichterstattung dazu bewegt werden sollen, ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung zu erkennen und wahrzunehmen.2 Allerdings ist nicht erkennbar, dass sich daraus Berichtsinhalte entwickeln lassen, die in § 289c Abs. 2 HGB noch nicht genannt sind. Auch aus den zahlreichen Standards für die CSR-Berichterstattung können weitergehende Pflichtangaben nicht abgleitet werden, da die Standards nicht verbindlich sind (§ 289d Satz 1 HGB – § 289d HGB Rz. 10 ff.).

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Schließlich gilt es zu beachten, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren auch diskutiert wurde (Rz. 3), weitere Aspekte bei den Pflichtangaben aufzunehmen, was im Ergebnis aber abgelehnt wurde. Daher ergibt sich für diese Aspekte erst recht keine Angabepflicht. Dies gilt insbes. für Angaben zum Verbraucherschutz,3 zu Kundenbelangen4 und zu Zielerreichungsprozessen zur Verbesserung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik.5 Auch eine Erweiterung des Berichtsinhalts hinsichtlich der Unterstützung politischer Parteien etwa in Form von Parteispenden oder von Verbänden durch das berichtspflichtige Unternehmen ist abzulehnen, da damit kein unmittelbarer Bezug zu den in § 289c Abs. 2 HGB (Rz. 9 ff.) genannten Aspekten besteht.

F. Erläuterung des Fehlens eines Konzepts (Abs. 4) 76

Durch § 289c Abs. 4 HGB wird es der Kapitalgesellschaft freigestellt, der CSR-Berichterstattung nachzukommen, da damit – ebenso wie bei § 161 AktG – der Comply-or-Explain-Grundsatz6 verankert wird. Allerdings beschränkt sich dieser Grundsatz im Rahmen der CSR-Berichterstattung auf die Frage, ob die Kapitalgesellschaft in Bezug auf einen oder mehrere der in Abs. 2 genannten Aspekte ein Konzept verfolgt. Ist das nicht der Fall, muss die Kapitalgesellschaft in ihrer nichtfinanziellen Erklärung darauf hinweisen und dies erläutern. Fehlt es aber nur an einem Due-Diligence-Prozess, wird damit keine Erläuterungspflicht ausgelöst, da Abs. 4 nur auf das vollständige Fehlen eines Konzepts abstellt.7 Die Erläuterungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein die fehlende Entwicklung eines Konzepts nachvollziehbar ist oder nicht.8

1 AA Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (221 f.), die schon jetzt auf prinzipienorientierte Vorgaben zur Lageberichterstattung abstellen. 2 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 47. 3 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3. 4 Darauf noch Bezug nehmend aber das Konzeptpapier des BMJV zur Umsetzung der CSR-Richtlinie (abrufbar unter www.hbfm.link/538). 5 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3. 6 Darauf ausdrücklich hinweisend Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 52. 7 Ebenso Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 52. 8 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 52.

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Nutzung von Rahmenwerken

| § 289d

G. Verstoß gegen § 289c HGB I. Inhaltliche Fehlerhaftigkeit der nichtfinanziellen Erklärung Die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts der nichtfinanziellen Erklärung kann zunächst keine 77 Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da die nichtfinanzielle Erklärung als Teil des Lageberichts nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Allerdings kann sich aus der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts eine Haftung der Geschäftsleiter ergeben (s. dazu ausführlich § 289b HGB Rz. 89). Bei einer Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts der nichtfinanziellen Erklärung kommt eine 78 Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) in Betracht, da dieser auf die nichtfinanzielle Erklärung direkt Bezug nimmt. Zudem kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden. Auch wenn die Prüfstelle und die BaFin die nichtfinanzielle Erklärung im Enforcement-Verfahren prüfen 79 können (§ 289b HGB Rz. 85 f.), bleibt unklar, welchen Prüfungsmaßstab diese hinsichtlich der nichtfinanziellen Erklärung anzuwenden haben. Da der Abschlussprüfer die nichtfinanzielle Erklärung nur hinsichtlich ihrer Abgabe und nicht hinsichtlich ihres Inhalts überprüft (§ 317 Abs. 2 Satz 4 HGB – § 317 HGB Rz. 91) und der Prüfungsmaßstab des Abschlussprüfers weitestgehend auch für die Prüfstelle und die BaFin im Enforcement-Verfahren gilt (§ 342b HGB Rz. 26 ff.), muss auch für die Prüfstelle und die BaFin eine Beschränkung der Prüfung auf die tatsächliche Abgabe der nichtfinanziellen Erklärung gelten.1 Eine inhaltliche Prüfung im Enforcement-Verfahren ist damit ausgeschlossen. Dies gilt ebenso für den nichtfinanziellen Bericht, so dass sich das Problem der fehlenden Erfüllung des Befreiungstatbestands des § 289b Abs. 3 HGB (§ 289b HGB Rz. 39 ff.) insofern nicht stellen kann.2

II. Inhaltliche Fehlerhaftigkeit des nichtfinanziellen Berichts Die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts des nichtfinanziellen Berichts kann ebenfalls keine 80 Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen. Zwar fehlt es dann an den Voraussetzungen des Befreiungstatbestands von § 289b Abs. 3 HGB (§ 289b HGB Rz. 53 ff.), so dass die Kapitalgesellschaft nach § 289b Abs. 1 HGB verpflichtet wäre, den Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern (§ 289b HGB Rz. 26 ff.). Allerdings kann die Fehlerhaftigkeit des Lageberichts keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG herbeiführen, da dieser nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Zu einer möglichen Haftung der Geschäftsleiter s. § 289b HGB Rz. 89. Bei einer Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts des nichtfinanziellen Berichts kommt eine 81 Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) in Betracht, da § 331 Nr. 1 HGB ausdrücklich auf den nichtfinanziellen Bericht Bezug nimmt. Darüber hinaus kann auch der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden, der sich ebenfalls direkt auf den nichtfinanziellen Bericht bezieht. Die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts des nichtfinanziellen Berichts kann im Rahmen des 82 Enforcement-Verfahrens festgestellt werden, da in diesem Fall der Befreiungstatbestand von § 289b Abs. 3 HGB (§ 289b HGB Rz. 53 ff.) nicht erfüllt ist, so dass die Kapitalgesellschaft nach § 289b Abs. 1 HGB verpflichtet wäre, den Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern (§ 289b HGB Rz. 26 ff.). Auch wenn die Kapitalgesellschaft dann idR den Lagebericht nicht um eine nichtfinanzielle Erklärung erweitert hat, muss diese im Rahmen des Enforcement-Verfahrens nicht bekanntgeben, dass sie keine nichtfinanzielle Erklärung (als Teil des Lageberichts) abgegeben hat. Vielmehr reicht es aus, auf die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Inhalts des nichtfinanziellen Berichts hinzuweisen. Zur Erfassung des nichtfinanziellen Berichts durch das Enforcement-Verfahren s. ausführlich § 289b HGB Rz. 85 f.

§ 289d Nutzung von Rahmenwerken 1Die

Kapitalgesellschaft kann für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung nationale, europäische oder internationale Rahmenwerke nutzen. 2In der Erklärung ist anzugeben, ob die Kapitalgesellschaft für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung ein Rahmenwerk genutzt hat und, 1 Ebenso Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (231). 2 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (231).

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§ 289d Rz. 1 | Nutzung von Rahmenwerken wenn dies der Fall ist, welches Rahmenwerk genutzt wurde, sowie andernfalls, warum kein Rahmenwerk genutzt wurde. A. I. II. III. IV. V. VI.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . Anwendungsbereich . . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . .

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B. Geltung nationaler, europäischer oder internationaler Rahmenwerke für die Berichterstattung (Satz 1) . . . . . . . . . . . C. Pflicht zur Angabe des herangezogenen Rahmenwerks (Satz 2) I. Angabe der Nutzung eines Rahmenwerks II. Angabe der Gründe für die fehlende Nutzung eines Rahmenwerks . . . . . . . . . . . . D. Verstoß gegen § 289d HGB . . . . . . . . . .

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Literatur: Siehe die Nachweise bei § 289b HGB.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 289d HGB wird den Bilanzierenden die Möglichkeit eingeräumt, nationale, europäische oder internationale Rahmenwerke für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung zu verwenden. Damit ist zugleich eine fehlende Verbindlichkeit eines bestimmten Rahmenwerks oder eines Standards verbunden.

II. Bedeutung und Zweck 2

Die fehlende Festlegung auf ein nationales, europäisches oder internationales Rahmenwerk für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung hat enorme Bedeutung für die Bilanzierenden, da die Richtigkeit und Vollständigkeit der nichtfinanziellen Erklärung sich somit allein aus den Vorgaben des §§ 289b f. HGB ergeben kann. Diese fehlende Verbindlichkeit eines Rahmenwerks oder eines Standards ist sinnvoll (Rz. 3) und zudem auch verfassungsrechtlich (Rz. 4) erforderlich.

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Aus rechtspolitischer Sicht begründet sich die in § 289d HGB vorgesehene Wahlfreiheit aus dem Umstand, dass bisher eine ganze Reihe verschiedener Rahmenwerke und Standards existieren, bei denen sich bisher kein Marktführer oder anderweitig dominanter Standard herausentwickelt hat.1 Eine Festlegung auf einen dieser Standards hätte die Fortentwicklung der CSR-Berichterstattung nicht unerheblich negativ beeinträchtigt. Zudem ist nicht eindeutig, welcher der existierenden Rahmenwerke oder Standards vorzugswürdig erscheint, da diese meist von interessengeleiteten Institutionen erstellt werden, so dass es an einer umfassenden Ausgewogenheit fehlt.2 Schließlich kann noch keiner der Standards den spezifischen Anforderungen der §§ 289b ff. HGB entsprechen, da diese alle vor deren endgültigen Verabschiedung veröffentlicht wurden.

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Darüber hinaus wäre die Anordnung der Verbindlichkeit eines konkreten Rahmenwerks oder eines Standards mit verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren. Denn in einem solchen Fall würde es an einer hinreichenden Legitimation für die jeweilige Organisation zur Erstellung des Standards fehlen.3 Diese ließe sich nur durch die Schaffung eines Kontrollverfahrens erreichen, wie es etwa für die IAS/IFRS in Form des Komitologieverfahrens4 oder beim Deutschen Corporate Governance Kodex durch die Einflussnahme des Gesetzgebers auf die Besetzung der Regierungskommission und dessen Veröffentlichung (§ 161 Abs. 1 Satz 1 AktG)5 der Fall ist.6 Zudem sind einige der bestehenden Rahmenwerke und Standards bisher nur kostenpflichtig abrufbar, so dass diesen schon aus diesem Grund keine Verbindlichkeit zukommen kann.

1 Ebenso in der Einschätzung Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (224); vgl. aber auch die Untersuchung von KPMG aus dem Jahr 2013, wonach 75 % der umsatzstärksten deutschen Unternehmen auf den Leitfaden der Global Reporting Initiative zurückgegriffen haben (KPMG, Handbuch zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, 2013, 8 f. [abrufbar unter www.kpmg.de]). 2 In diesem Sinne auch Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 53. 3 Mock, ZIP 2017, 1195 (1199). 4 Dazu ausführlich Mock, Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften und internationale Rechnungslegung, 78 ff. 5 Dazu und zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen ausführlich Leyens in GroßKomm.4, § 161 HGB Rz. 54 ff. 6 Mock, ZIP 2017, 1195 (1199).

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B. Geltung nat., europ. oder int. Rahmenwerke (Satz 1)

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Rz. 11 § 289d

III. Rechtsentwicklung § 289d HGB geht auf das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz1 zurück und wurde durch dieses neu ge- 5 schaffen. Im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten wurde wiederholt gefordert, einen der zahlreichen Rahmenwerke oder Standards für verbindlich zu erklären,2 was aber aus rechtspolitischen (Rz. 3), verfassungsrechtlichen Gründen (Rz. 4) und aufgrund von Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 5 CSR-Richtlinie abgelehnt wurde.3 Allerdings wurde durch den Rechtsausschuss die Verpflichtung eingeführt, auch über die Gründe für die fehlende Nutzung von Rahmenwerken zu berichten, um sicherzustellen, dass sich die berichtspflichtigen Kapitalgesellschaften mit den verschiedenen Standards auch tatsächlich auseinandersetzen.4 Die Überzeugungskraft dieses pädagogischen Ansatzes ist aber mehr als gering.

IV. Europarechtlicher Hintergrund Die durch § 289d HGB gestattete Verwendung nationaler, europäischer oder internationaler Rahmenwerke für die Berichterstattung der nichtfinanziellen Erklärung geht auf die Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 4 CSR-Richtlinie5 zurück und dient deren Umsetzung ins nationale Recht.

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Nach Art. 2 Abs. 1 CSR-Richtlinie soll die Kommission unverbindliche Leitlinien zur Methode der Be- 7 richterstattung über nichtfinanzielle Informationen verfassen. Davon hat die Kommission bisher keinen Gebrauch gemacht, obwohl diese Leitlinien bis zum 6.12.2016 erlassen werden sollen (Art. 2 Abs. 2 CSRRichtlinie).

V. Anwendungsbereich § 289d HGB ordnet keinen eigenständigen Anwendungsbereich an, sondern verweist auf § 289b HGB 8 (§ 289b HGB Rz. 18).

VI. Übergangsrecht § 289d HGB ist erstmals auf Lageberichte für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäftsjahr an- 9 zuwenden (Art. 80 EGHGB).

B. Geltung nationaler, europäischer oder internationaler Rahmenwerke für die Berichterstattung (Satz 1) Nach § 289d Satz 1 HGB steht es dem Bilanzierenden frei, nationale, europäische oder internationale Rah- 10 menwerke für die nichtfinanzielle Erklärung zu verwenden. Allerdings geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass sich die Kapitalgesellschaften langfristig für eines oder mehrere der Rahmenwerke entscheiden.6 Auch wenn Satz 1 nur auf die nichtfinanzielle Erklärung Bezug nimmt, gilt dieser über § 289b Abs. 3 Satz 2 HGB auch für den nichtfinanziellen Bericht. Bei diesen Rahmenwerken handelt es sich – in nicht abschließender Aufzählung – um: – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Leitsätze für multinationale Unternehmen, 2011;7 – Global Reporting Initiative: G4 Sustainability Reporting Guidelines – (GRI G4), 2016;8 – Rat für nachhaltige Entwicklung: Deutscher Nachhaltigkeitskodex, 2016;9 – Umweltgutachterausschuss (UGA) beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Umweltmanagement- und -betriebsprüfungssystem EMAS,10 1 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 2 So etwa der Antrag einzelner Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 18/10030, 3. 3 Vgl. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 52. 4 Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/11450, 50. 5 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 6 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 49. 7 Abrufbar unter www.oecd.org/corporate/mne/48808708.pdf. 8 Abrufbar unter https://www.globalreporting.org/information/g4/Pages/default.aspx. 9 Abrufbar unter http://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de; dazu Stawinoga/Velte, DB 2016, 841 (842 ff.) 10 Abrufbar unter http://www.emas.de/ueber-emas/umweltmanagement.

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§ 289d Rz. 12 | Nutzung von Rahmenwerken – Vereinte Nationen: UN Global Compact – Guide to Corporate Sustainability, 2014;1 – Internationale Organisation für Normung: ISO 26000 – Guidance on social responsibility, 2010;2 – Internationale Arbeitsorganisation (ILO): Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik der Internationalen Arbeitsorganisation, 2006.3 12

Kein (europäisches) Rahmenwerk stellen die Leitlinien der Europäischen Kommission zur CSR-Berichterstattung4 dar, da es sich dabei lediglich um unverbindliche Empfehlungen handelt und die Kommission auch keine Kompetenz zur Schaffung von CSR-Berichtsstandards hat.

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Die Verwendung eines dieser oder anderer Rahmenwerke befreit den Bilanzierenden nicht davon, zu überprüfen, ob alle in § 289c HGB genannten Aspekte in die nichtfinanzielle Erklärung aufgenommen wurden.5 Somit trägt der Bilanzierende das Risiko, dass diese Rahmenwerke unvollständig sind.

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Das Wahlrecht muss aus Gründen der Klarheit und Transparenz so ausgeübt werden, dass ein Rahmenwerk oder ein Standard vollständig oder überhaupt nicht verwendet wird. Daher ist eine teilweise Verwendung von Rahmenwerken oder Standards ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen ist hingegen die Ergänzung der in dem Rahmenwerk vorgesehenen Informationen, da die in Rz. 11 genannten Rahmenwerke teilweise nicht alle nach § 289c HGB erforderlichen Angaben abdecken.

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Von der Festlegung auf ein bestimmtes Rahmenwerk muss dringend abgeraten werden. Denn zum einen ist nicht sicher, dass irgendeines der existierenden Rahmenwerke oder Standards tatsächlich den Anforderungen von § 289c HGB (§ 289 HGB Rz. 9 ff.) entspricht.6 Zum anderen muss bei einer Festlegung auf ein Rahmenwerk dieses auch angegeben werden, womit ein erhöhtes Risiko der Fehlerhaftigkeit der nichtfinanziellen Erklärung begründet wird. Denn dann kann die nichtfinanzielle Erklärung nicht nur wegen ihres konkreten Inhalts, sondern auch wegen eines Verstoßes gegen das angegebene Rahmenwerk unrichtig sein. Dies gilt umso mehr, wenn die Kapitalgesellschaft alle nach § 289c HGB erforderlichen Angaben gemacht hat, allerdings einige (zusätzliche) Angaben nach dem jeweiligen Rahmenwerk unterlassen hat. Denn auch in diesem Fall muss – bei einer Angabe des verwendeten Rahmenwerks – von einer Fehlerhaftigkeit ausgegangen werden.

C. Pflicht zur Angabe des herangezogenen Rahmenwerks (Satz 2) I. Angabe der Nutzung eines Rahmenwerks 16

In der nichtfinanziellen Erklärung ist zunächst anzugeben, ob ein Rahmenwerk für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung genutzt wurde. Dabei sind neben der genauen Bezeichnung des Rahmenwerks auch der genaue Name und die Organisation zu nennen, die dieses Rahmenwerk oder den Standard veröffentlicht hat. Zudem muss bei der Aufnahme von ergänzenden Angaben dies angegeben werden, da der Adressat der nichtfinanziellen Erklärung ansonsten über deren Inhalt irregeführt wird. Eine Begründung für die Nutzung eines bestimmten Rahmenwerks ist nicht erforderlich.

II. Angabe der Gründe für die fehlende Nutzung eines Rahmenwerks 17

Hat die Kapitalgesellschaft auf die Nutzung eines Rahmenwerks verzichtet, muss dies ebenfalls angegeben werden. Darüber hinaus ist in der nichtfinanziellen Erklärung zu erläutern, warum kein Rahmenwerk genutzt wurde. An diese Begründung sind keine übermäßigen Anforderungen zu stellen, da mit dieser Begründungspflicht nur sichergestellt werden soll, dass sich die Kapitalgesellschaft überhaupt mit verschiedenen Rahmenwerken auseinandergesetzt hat.7 Daher muss es bei einer fehlenden Nutzung eines Standards schon ausreichen, wenn die Kapitalgesellschaft darauf verweist, dass etwa kein branchenspezifischer Standard existiert. Auch dürfen Zweifel an der vollständigen inhaltlichen Vereinbarkeit der Standards mit den Vorgaben von § 289c HGB als Begründung ausreichen, da eine solche Vereinbarkeit für keinen Standard tatsächlich festgestellt wurde. 1 2 3 4

Abrufbar unter https://www.unglobalcompact.org. Abrufbar unter http://www.iso.org. Abrufbar unter www.ilo.org. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission – Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen (Methode zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen), (2017/C 215/01), ABl. EU 2017 Nr. C 215, 1. 5 So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 52. 6 Mock, ZIP 2017, 1195 (1200); ebenso kritisch Nietsch, NZG 2016, 1330 (1332). 7 Beschlussempfehlung und Bericht RechtsAussch., BT-Drucks. 18/11450, 50.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 1 § 289e

D. Verstoß gegen § 289d HGB Da § 289d Satz 1 HGB (Rz. 10 ff.) die Verwendung von Rahmenwerken nicht verbindlich vorschreibt, 18 kommt bei § 289d HGB nur ein Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe des herangezogenen Rahmenwerks in Satz 2 (Rz. 15 f.) in Betracht. Die fehlende Angabe des verwendeten Rahmenwerks oder die Verwendung eines anderen als des angegebenen Rahmenwerks kann zunächst keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da die nichtfinanzielle Erklärung als Teil des Lageberichts nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) kommt bei der fehlenden Angabe des verwendeten Rahmenwerks oder der Verwendung eines anderen als des angegebenen Rahmenwerks nicht in Betracht, da dadurch die Verhältnisse der Gesellschaft nicht unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden. Allerdings kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden.

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Die fehlende Angabe des verwendeten Rahmenwerks oder die Verwendung eines anderen als des angegebenen Rahmenwerks kann im Rahmen des Enforcement-Verfahrens festgestellt werden, da die nichtfinanzielle Erklärung dann nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Zur Erfassung des Lageberichts und der nichtfinanziellen Erklärung durch das Enforcement-Verfahren s. § 289b HGB Rz. 85 f.

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§ 289e Weglassen nachteiliger Angaben (1) Die Kapitalgesellschaft muss in die nichtfinanzielle Erklärung ausnahmsweise keine Angaben zu künftigen Entwicklungen oder Belangen, über die Verhandlungen geführt werden, aufnehmen, wenn 1. die Angaben nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft geeignet sind, der Kapitalgesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen, und 2. das Weglassen der Angaben ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft und der Auswirkungen ihrer Tätigkeit nicht verhindert. (2) Macht eine Kapitalgesellschaft von Absatz 1 Gebrauch und entfallen die Gründe für die Nichtaufnahme der Angaben nach der Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung, sind die Angaben in die darauf folgende nichtfinanzielle Erklärung aufzunehmen. A. I. II. III. IV. V. VI. B. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weglassen nachteiliger Angaben (Abs. 1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben zu künftigen Entwicklungen oder Belange, über die Verhandlungen geführt werden 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Gefahr der Zufügung eines erheblichen Nachteils (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlender Einfluss auf die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden und ausgewogenen Verständnisses des Geschäftsverlaufs (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . III. Entscheidungskompetenz für das Weglassen C. Nachholung der Angaben (Abs. 2) . . . . . . . D. Verstoß gegen § 289e HGB . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Siehe die Nachweise bei § 289b HGB.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Durch § 289e HGB wird dem Bilanzierenden die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Angaben nicht in die 1 nichtfinanzielle Erklärung aufzunehmen, wenn deren Aufnahme für ihn nachteilig wäre (Abs. 1 Nr. 1 – Rz. 12 f.) und durch das Weglassen der Informationsgehalt der nichtfinanziellen Erklärung nicht wesentlich beeinträchtigt wird (Abs. 1 Nr. 2 – Rz. 14 f.). Bei einem späteren Entfallen der Gründe für das Weglassen sind die Angaben nachzuholen (Abs. 2 – Rz. 17 ff.). Mock

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§ 289e Rz. 2 | Weglassen nachteiliger Angaben

II. Bedeutung und Zweck Die Möglichkeit des Weglassens nachteiliger Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung geht auf das auch verfassungsrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse des Bilanzierenden zurück. Denn mit der Pflicht zur Veröffentlichung nachteiliger Angaben, obwohl deren fehlende Veröffentlichung den Informationsgehalt der nichtfinanziellen Erklärung nicht wesentlich beeinträchtigen würde, ist ein unverhältnismäßiger, weil nicht erforderlicher Eingriff in die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) des Bilanzierenden verbunden. Zudem bezieht sich § 289e HGB nur auf künftige Belange und Entwicklungen, über die Verhandlungen geführt werden, so dass eine uneingeschränkte Veröffentlichung aufgrund des möglichen späteren Nichteintritts der jeweiligen Umstände nicht verhältnismäßig wäre. Derartige Beschränkungen sind bei Veröffentlichungspflichten auch nicht ungewöhnlich und finden sich etwa auch bei Anhangangaben (§ 286 Abs. 2 Hs. 1 HGB – § 286 HGB Rz. 16 ff.) oder der Sonderprüfung (§§ 145 Abs. 6 Satz 2, 259 Abs. 1 Satz 3 AktG) oder den Auskunftsrechten der Gesellschafter (§ 131 Abs. 3 AktG, § 51a Abs. 2 Satz 1 GmbHG). 3 Die in § 289e Abs. 2 HGB vorgesehene nachträgliche Aufnahme der Umstände in einer nachfolgenden nichtfinanziellen Erklärung (Rz. 17 ff.) konkretisiert die in Abs. 1 vorgesehene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Adressaten und der Kapitalgesellschaft, indem bei einem Fortfall der Gründe für ein Weglassen der Abgaben diese nachzuholen sind. Denn in einem solchen Fall kann das Geheimhaltungsinteresse der Kapitalgesellschaft das Informationsinteresse der Adressaten nicht mehr überwiegen. 2

III. Rechtsentwicklung 4

§ 289e HGB wurde durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz1 neu geschaffen. Die Norm ist seitdem unverändert.

IV. Europarechtlicher Hintergrund 5

Das durch § 289e HGB gestattete Weglassen nachteiliger Angaben im Rahmen der Abgabe der nichtfinanziellen Erklärung geht auf den weitgehend wortgleichen Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 4 CSR-Richtlinie2 zurück und dient deren Umsetzung ins nationale Recht. Allerdings sieht Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 4 CSRRichtlinie nicht zwingend das Weglassen nachteiliger Angaben vor, sondern räumt den Mitgliedstaaten insofern ein Wahlrecht ein. Dieses Wahlrecht hat der deutsche Gesetzgeber durch die Regelung in § 289e Abs. 1 HGB an den Bilanzierenden weitergegeben (Rz. 8 ff.).

V. Anwendungsbereich 6

§ 289e HGB ordnet keinen eigenständigen Anwendungsbereich an, sondern verweist auf § 289b HGB (§ 289b HGB Rz. 18).

VI. Übergangsrecht 7

§ 289e HGB ist erstmals auf Lageberichte für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 80 EGHGB).

B. Weglassen nachteiliger Angaben (Abs. 1) I. Grundsatz Für das Weglassen nachteiliger Angaben ist es erforderlich, dass es sich bei diesen um künftige Entwicklungen oder Belange handelt, über die Verhandlungen geführt werden (Rz. 10 f.), dass deren Aufnahme in die nichtfinanzielle Erklärung einen nicht unerheblichen Nachteil für den Bilanzierenden begründen würde (Rz. 12 f.) und dass die fehlende Aufnahme keinen Einfluss auf die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnisses des Geschäftsverlaufs hat (Rz. 14 f.). 9 Für den Bilanzierenden besteht insofern ein Wahlrecht, so dass dieser die entsprechenden Angaben trotz des Vorliegens der Voraussetzungen von § 289e Abs. 1 HGB in die nichtfinanzielle Erklärung aufnehmen kann.3 Für die Kompetenz zur Ausübung dieses Wahlrecht s. Rz. 16. 8

1 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 2 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/ 34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 3 So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 53.

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B. Weglassen nachteiliger Angaben (Abs. 1)

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Rz. 15 § 289e

II. Angaben zu künftigen Entwicklungen oder Belange, über die Verhandlungen geführt werden 1. Grundlagen Nach § 289e Abs. 1 HGB können lediglich Angaben weggelassen werden, die sich auf künftige Entwicklungen oder Belange beziehen, über die Verhandlungen geführt werden. Die künftigen Entwicklungen umfassen nicht bereits existierende Risiken, auch wenn sich diese möglicherweise erst in Zukunft realisiert werden.1

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Auch wenn diese Aufzählung nicht beispielhaft erfolgt, kann daraus nicht gefolgert werden, dass diese ab- 11 schließend ist. Dies ergibt sich daraus, dass ansonsten dem verfassungsrechtlichen Hintergrund (Rz. 2) nicht hinreichend Rechnung getragen werden würde. Daher können alle Arten von Angaben von § 289e Abs. 1 HGB erfasst werden, solange die Tatbestandsvoraussetzungen von Abs. 1 Nr. 1 (Rz. 12 f.) und Nr. 2 (Rz. 14 f.) erfüllt werden. 2. Gefahr der Zufügung eines erheblichen Nachteils (Abs. 1 Nr. 1) Für ein Weglassen nachteiliger Angaben ist es zudem erforderlich, dass die Angaben (Rz. 10 f.) geeignet 12 sind, der Kapitalgesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Für die Bestimmung des erheblichen Nachteils gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei § 286 Abs. 2 HGB (§ 286 HGB Rz. 16 ff.).2 Von einem erheblichen Nachteil muss jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn ein Kursbeeinflussungspotential iSv. Art. 7 Abs. 2 MarktmissbrauchsVO gegeben ist. Bei nicht in den Anwendungsbereich der MarktmissbrauchsVO fallenden kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften wird man einen erheblichen Nachteil annehmen können, wenn durch die Veröffentlichung der Angaben der Abschluss eines konkreten Geschäfts gefährdet wird oder konkrete Geschäftseinbußen drohen. Bei der Bestimmung dieses erheblichen Nachteils besteht für die Mitglieder des vertretungsberechtigten 13 Organs der Kapitalgesellschaft eine unternehmerisches Ermessen, was durch die – wohl § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB (§ 253 HGB Rz. 19 ff.) entlehnte – Formulierung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zum Ausdruck kommt. Daher unterliegt dieser Aspekt nur einer sehr eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Diese beschränkt sich darauf, festzustellen, ob die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft auf Grundlage angemessener Informationen ohne Berücksichtigung von Fremdinteressen und zum Wohl der Kapitalgesellschaft gehandelt haben. Insofern sind die für Business Judgement Rule im Rahmen von § 93 AktG; § 43 GmbHG entwickelten Grundsätze heranzuziehen.3 3. Fehlender Einfluss auf die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden und ausgewogenen Verständnisses des Geschäftsverlaufs (Abs. 1 Nr. 2) Das Weglassen nachteiliger Angaben setzt nach § 289e Abs. 1 Nr. 2 HGB weiter voraus, dass dieses Weg- 14 lassen keinen Einfluss auf die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden und ausgewogenen Verständnisses des Geschäftsverlaufs hat. Damit wird eine erhebliche Einschränkung vorgenommen. Für die Beurteilung des Erfordernisses der Veröffentlichung der entsprechenden Angaben muss darauf abgestellt werden, ob der den entsprechenden Angaben zugrunde liegende Umstand bereits eingetreten ist oder möglicherweise noch abgewendet werden kann. Nur wenn dies der Fall ist, fehlt es an einem Erfordernis der Unterrichtung der Adressaten, da eine spätere Korrektur idR unzureichend ist. Dies bedeutet zudem, dass ein bereits eingetretener Umstand stets veröffentlicht werden muss, und zwar unabhängig davon, welche Auswirkungen die Angabe dieses Umstandes für die Kapitalgesellschaft hat. Denn bei § 289e Abs. 1 Nr. 2 HGB geht es nicht um die Verhinderung der negativen Folgen der Unterrichtung der Adressaten, sondern darum, die Veröffentlichung bis zur abschließenden Klärung des jeweiligen Umstands aufzuschieben. Dabei ist ein strenger Maßstab zugrunde zu legen.4 Bei mehrstufigen Entscheidungen oder Ereignissen ist in Anlehnung an Art. 7 Abs. 3 MarktmissbrauchsVO immer schon dann von einer Veröffentlichungspflicht auszugehen, wenn der jeweilige Umstand für sich genommen bereits den Anforderungen von § 289e Abs. 1 HGB entspricht.

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Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (223) in Anlehnung an § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 53. Mock, ZIP 2017, 1195 (1200). Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 53.

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§ 289e Rz. 16 | Weglassen nachteiliger Angaben

III. Entscheidungskompetenz für das Weglassen 16

Die Kompetenz für die Entscheidung über das Weglassen nachteiliger Angaben kommt nach § 289e Abs. 1 Nr. 1 HGB den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft zu. Dabei handelt es sich trotz des Wortlauts von Abs. 1 Nr. 2 nicht um eine Spezialregelung für die nichtfinanzielle Erklärung, die den allgemeinen kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorschriften vorgeht.1 Denn Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 4 CSR-Richtlinie nimmt ausdrücklich auf die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane Bezug, die im Rahmen der ihnen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften übertragenen Zuständigkeiten handeln und gemeinsam für diese Einschätzung zuständig sind. Daher gebietet eine richtlinienkonforme Auslegung, dass in diesem Zusammenhang auf die organisationsrechtlichen Vorgaben der jeweiligen Gesellschaftsform abzustellen ist. Daher ist diese Entscheidung bei der AG grundsätzlich allein vom Vorstand zu treffen, sofern kein Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG in der Satzung aufgenommen wurde. Bei der GmbH trifft die Entscheidung allein der Geschäftsführer, der dahingehend aber von der Gesellschafterversammlung angewiesen werden kann. Bei der europäischen Aktiengesellschaft (SE) trifft die Entscheidung bei der monistischen Verfassung der Verwaltungsrat (Art. 43 SE-VO, §§ 20 ff. SEAG) und bei der dualistischen Verfassung das Leitungsorgan (Art. 39 SE-VO, §§ 15 ff. SEAG), sofern kein Zustimmungsvorbehalt (§ 19 SEAG) vorgesehen ist.

C. Nachholung der Angaben (Abs. 2) 17

Soweit die Kapitalgesellschaft bestimmte Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung weggelassen hat und die dafür notwendigen Gründe (Abs. 1 Nr. 2 – Rz. 14 f.) nachträglich wegfallen, müssen diese Angaben in die nachfolgende nichtfinanzielle Erklärung aufgenommen werden. Damit soll vor allem ein missbräuchlicher Gebrauch des Abs. 1 Nr. 2 (Rz. 14) verhindert werden.2

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Um den Anforderungen von § 289e Abs. 2 HGB zu entsprechen, müssen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft bei der Erstellung einer jeden nichtfinanziellen Erklärung überprüfen, ob eine in früheren nichtfinanziellen Erklärungen unterlassene Aufnahme von Angaben zum Bilanzstichtag noch gerechtfertigt ist. Insofern muss jede unterlassene Angabe aus der Vergangenheit überprüft werden. Eine unterjährige Korrektur ist nicht erforderlich.3

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Keine Angaben macht Abs. 2 dazu, für welchen zurückliegenden Zeitraum diese Überprüfung vorzunehmen ist. Im Grundsatz ist aber davon auszugehen, dass es dahingehend keine zeitliche Beschränkung gibt. Allerdings dürfte mit zunehmenden Zeitablauf das Weglassen gerechtfertigt sein, da dann auch das Informationsinteresse der Adressaten abnimmt und die Aufnahme nicht mehr erforderlich ist, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft und der Auswirkungen ihrer Tätigkeit zu vermitteln.

D. Verstoß gegen § 289e HGB 20

Das Weglassen von Angaben unter Verletzung der Voraussetzungen von § 289e Abs. 1 oder 2 HGB kann zunächst keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da die nichtfinanzielle Erklärung als Teil des Lageberichts nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Allerdings kann sich aus dem Weglassen der Angaben unter Verletzung der Voraussetzungen von § 289e Abs. 1 oder 2 HGB eine Haftung der Geschäftsleiter ergeben (s. dazu ausführlich § 289b HGB Rz. 89).

21

Bei einem Weglassen von Angaben unter Verletzung der Voraussetzungen von § 289e Abs. 1 oder 2 HGB kommt eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (unrichtige Darstellung – § 331 HGB Rz. 25 ff.) in Betracht, da dadurch die Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden. Zudem kann in diesem Fall der Ordnungswidigkeitstatbestand des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (§ 334 HGB Rz. 50 f.) verwirklicht werden.

22

Das Weglassen von Angaben unter Verletzung der Voraussetzungen von § 289e Abs. 1 oder 2 HGB kann im Rahmen des Enforcement-Verfahrens festgestellt werden, da die nichtfinanzielle Erklärung dann nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Zur Erfassung des Lageberichts und der nichtfinanziellen Erklärung durch das Enforcement-Verfahren s. § 289b HGB Rz. 85 f.

1 Nicht eindeutig in diesem Zusammenhang Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 53. 2 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 53. 3 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (223).

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Erklärung zur Unternehmensführung

| § 289f

§ 289f Erklärung zur Unternehmensführung (1) 1Börsennotierte Aktiengesellschaften sowie Aktiengesellschaften, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 des Wertpapierhandelsgesetzes gehandelt werden, haben eine Erklärung zur Unternehmensführung in ihren Lagebericht aufzunehmen, die dort einen gesonderten Abschnitt bildet. 2Sie kann auch auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich gemacht werden. 3In diesem Fall ist in den Lagebericht eine Bezugnahme aufzunehmen, welche die Angabe der Internetseite enthält. (2) In die Erklärung zur Unternehmensführung sind aufzunehmen 1. die Erklärung gemäß § 161 des Aktiengesetzes; 2. relevante Angaben zu Unternehmensführungspraktiken, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus angewandt werden, nebst Hinweis, wo sie öffentlich zugänglich sind; 3. eine Beschreibung der Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Zusammensetzung und Arbeitsweise von deren Ausschüssen; sind die Informationen auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich, kann darauf verwiesen werden; 4. bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Festlegungen nach § 76 Absatz 4 und § 111 Absatz 5 des Aktiengesetzes und die Angabe, ob die festgelegten Zielgrößen während des Bezugszeitraums erreicht worden sind, und wenn nicht, Angaben zu den Gründen; 5. die Angabe, ob die Gesellschaft bei der Besetzung des Aufsichtsrats mit Frauen und Männern jeweils Mindestanteile im Bezugszeitraum eingehalten hat, und wenn nicht, Angaben zu den Gründen, sofern es sich um folgende Gesellschaften handelt: a) börsennotierte Aktiengesellschaften, die auf Grund von § 96 Absatz 2 und 3 des Aktiengesetzes Mindestanteile einzuhalten haben oder b) börsennotierte Europäische Gesellschaften (SE), die auf Grund von § 17 Absatz 2 oder § 24 Absatz 3 des SE-Ausführungsgesetzes Mindestanteile einzuhalten haben; 6. bei Aktiengesellschaften im Sinne des Absatzes 1, die nach § 267 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 bis 5 große Kapitalgesellschaften sind, eine Beschreibung des Diversitätskonzepts, das im Hinblick auf die Zusammensetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats in Bezug auf Aspekte wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Berufshintergrund verfolgt wird, sowie der Ziele dieses Diversitätskonzepts, der Art und Weise seiner Umsetzung und der im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse. (3) Auf börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden. (4) 1Andere Unternehmen, deren Vertretungsorgan und Aufsichtsrat nach § 36 oder § 52 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder nach § 76 Absatz 4 des Aktiengesetzes, auch in Verbindung mit § 34 Satz 2 und § 35 Absatz 3 Satz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, oder nach § 111 Absatz 5 des Aktiengesetzes, auch in Verbindung mit § 35 Absatz 3 Satz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, verpflichtet sind, Zielgrößen für den Frauenanteil und Fristen für deren Erreichung festzulegen, haben in ihrem Lagebericht als gesonderten Abschnitt eine Erklärung zur Unternehmensführung mit den Festlegungen und Angaben nach Absatz 2 Nummer 4 aufzunehmen; Absatz 1Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 2Gesellschaften, die nicht zur Offenlegung eines Lageberichts verpflichtet sind, haben eine Erklärung mit den Festlegungen und Angaben nach Absatz 2 Nummer 4 zu erstellen und gemäß Absatz 1 Satz 2 zu veröffentlichen. 3Sie können diese Pflicht auch durch Offenlegung eines unter Berücksichtigung von Satz 1 erstellten Lageberichts erfüllen. (5) Wenn eine Gesellschaft nach Absatz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 3, kein Diversitätskonzept verfolgt, hat sie dies in der Erklärung zur Unternehmensführung zu erläutern. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . .

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V. VI. VII. B.

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung (Abs. 1) I. Kompetenz zur Abgabe . . . . . . . . . . . .

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§ 289f Rz. 1 | Erklärung zur Unternehmensführung II. Formen der Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung 1. Wahlmöglichkeit für die Abgabe der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts (Abs. 1 Satz 1) . . . . . 3. Verfügbarkeit der Erklärung zur Unternehmensführung im Internet (Abs. 1 Satz 2 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zeitpunkt der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . C. Inhalt der Erklärung zur Unternehmensführung (Abs. 2) I. Erklärung zum Corporate Governance Kodex (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . II. Angaben zu Unternehmensführungspraktiken (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . III. Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat; Zusammensetzung von Ausschüssen (Abs. 2 Nr. 3) 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angaben zum Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . 3. Angaben zum Vorstand . . . . . . . . . . . . .

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4. Angaben zu sonstigen Organen und Funktionsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verzicht auf die Angabe bei Veröffentlichung auf der Internetseite . . . . . . . . . . . IV. Erreichen der Zielgrößen für den Frauenanteil (Abs. 2 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einhaltung der Zielgrößen und Erklärung für eine fehlende Erreichung (Abs. 2 Nr. 5) VI. Angaben zum Diversitätskonzept (Abs. 2 Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Entsprechende Anwendung auf börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Andere Unternehmen (Abs. 4) . . . . . . . . F. Fehlende Verfolgung eines Diversitätskonzepts (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Rechtsfolgen von Verstößen I. Bilanzrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . II. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht . . . . .

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Literatur: Bischof/Selch, Neuerungen für den Lagebericht nach dem Regierungsentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, WPg. 2008, 1021; Kuthe/Geiser, Die neue Corporate Governance Erklärung, NZG 2008, 172; Palmes, Der Lagebericht – Grundfragen und Haftung, 2008; Böcking/Eibelshäuser, Die Erklärung zur Unternehmensführung nach BilMoG (§ 289a HGB), DK 2009, 563; v. Falkenhausen/Kocher, Die Begründungspflicht für Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex nach dem BilMoG, ZIP 2009, 1149; Melcher/Mattheus, Zur Umsetzung der HGB-Modernisierung durch das BilMoG: Neue Offenlegungspflichten zur Corporate Governance, DB 2009, Beil. 5, 77; Strieder, Erweiterung der Lageberichterstattung nach dem BilMoG, BB 2009, 1002; Tödtmann/ Schauer, Der Corporate Governance Kodex zieht scharf, ZIP 2009, 995; Vetter, Der Tiger zeigt die Zähne, NZG 2009, 561; Widmann, Das Fehlen des Finanzexperten nach dem BilMoG – Worst-Case-Szenario für den Aufsichtsrat?, BB 2009, 2602; Bachmann, Die Erklärung zur Unternehmensführung (Corporate Governance Statement), ZIP 2010, 1517; Kocher, Ungeklärte Fragen der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB, DStR 2010, 1034; v. Werder/Talaulicar/Pissarczyk, Das Kommentierungsverhalten bei Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex, AG 2010, 62; Velte, Zur Entscheidungsnützlichkeit des Corporate Governance Statements gem. § 289a HGB, KoR 2011, 121; Weber/Velte, Die Bedeutung von Corporate Governance Reports aus Investorensicht, DStR 2011, 1141; Kruchen, Erklärung zur Unternehmensführung gem. § 289a HGB und „dauerhafte“ Abrufbarkeit von Internetadressen (Pfaden), ZIP 2012, 62; Gros/Velte/Malek, Corporate Governance-Berichterstattung zur Finanzexpertise im Prüfungsausschuss, DStR 2015, 774.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Durch § 289f HGB wird für börsennotierte Aktiengesellschaften die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung begründet (Abs. 1), deren Inhalt in Abs. 2 konkretisiert wird. Durch Abs. 3 und Abs. 4 wird der Anwendungsbereich auch auf die börsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien und auf andere Unternehmen erstreckt. Schließlich ergänzt Abs. 5 die Berichtspflichten nach Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 3.

II. Bedeutung und Zweck 2

Durch die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung soll die Corporate Governance gestärkt werden, da deren Struktur und Ausgestaltung der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird.1 Somit dient § 289f HGB weniger einer handelsbilanz- als vielmehr einer gesellschaftsrechtlichen Publizität und stellt insofern einen gewissen Fremdkörper im Unternehmensabschluss dar. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der fehlenden Erfassung im Rahmen der Abschlussprüfung (Rz. 59 f.).

1 Vgl. nur Bischof/Selch, WPg. 2008, 1021 (1026); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 2.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 7 § 289f

III. Rechtsentwicklung Die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung wurde durch das Bilanzrechtsmoder- 3 nisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.20091 neu eingeführt. Durch die Einführung der sogenannten Frauenquote durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24.4.20152 wurde der Inhalt der Erklärung zur Unternehmensführung um die Angaben zu den Zielgrößen für den Frauenanteil und der ggf. fehlenden Erreichung dieser Zielgrößen erweitert. Zudem wurde der Anwendungsbereich über die börsennotierten Aktiengesellschaften hinaus auf börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien (Abs. 3 – Rz. 54) und auf andere Unternehmen (Abs. 4 – Rz. 55 f.) erweitert, um einen Gleichlauf des Anwendungsbereichs der sogenannten Frauenquote (§§ 76 Abs. 4, 96 Abs. 2 und 3, 111 Abs. 5 AktG; §§ 17 Abs. 2, 24 Abs. 3 SEAG) mit § 289f HGB zu erreichen.3 Im Rahmen des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes4 kam es zu einer Verschiebung des § 289a HGB aF 4 in den § 289f HGB und zu einer Ergänzung des Abs. 2 durch Nr. 6 und zur Schaffung des Abs. 5 (Angaben zum Diversitätskonzept – Rz. 57 f.). Die Norm ist seitdem unverändert.

IV. Europarechtlicher Hintergrund Die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung geht auf Art. 20 (neue) Bilanzricht- 5 linie5 zurück. Allerdings wurde dieser mit der Schaffung von § 289f HGB nicht vollständig umgesetzt, da ein Teil der im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung anzugebenden Informationen im Anhang oder im Lagebericht offenzulegen ist. Dies gilt etwa für die Angaben zu den Organmitgliedern, die nach § 285 Nr. 10 HGB im Anhang zu machen sind (§ 285 HGB Rz. 114 ff.) und im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f Abs. 2 Nr. 3 HGB nur komplettiert werden (Rz. 34 ff.), obwohl Art. 20 Abs. 1 Buchst. f (neue) Bilanzrichtlinie diese in der Erklärung zur Unternehmensführung verortet. Auch wenn im Ergebnis eine Pflicht zur Offenlegung aller Informationen besteht, handelt es sich um eine unzureichende Richtlinienumsetzung, da es an der Pflicht zur Abgabe einer vollständigen Erklärung zur Unternehmensführung fehlt.6 Die im Rahmen der Änderung der Aktionärsrechterichtlinie von der Kommission erwogene Erweiterung 6 der Erklärung zur Unternehmensführung um den Vergütungsbericht7 wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zugunsten einer bloßen Pflicht zur Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft aufgegeben.8

V. Anwendungsbereich Die Erklärung zur Unternehmensführung muss zunächst von allen börsennotierten Aktiengesellschaften 7 abgegeben werden. Für den Begriff der Börsennotierung ist auf § 3 Abs. 2 AktG abzustellen, so dass nur Aktiengesellschaften von § 289f Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB erfasst werden, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Da Abs. 1 Satz 1 auf die bereits erfolgte Ausgabe von Aktien abstellt, reicht es insofern nicht aus, dass für die Notierung ein Antrag gestellt wurde.9 1 2 3 4 5

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Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. BGBl. I 2015, 642. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, 133. Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/ 660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 Nr. L 182, 253 ff. Ebenso Bachmann, ZIP 2010, 1517 f.; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 9 Rz. 29. Art. 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/ 36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/ EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, (KOM[2014]) 213 endg. So Art. 9b Abs. 5 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments v. 14.3.2017 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung (KOM[2014]0213 – C7-0147/2014 – 2014/0121[COD]), P8_TA-PROV(2017)0067. Ebenso Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 4 aE.

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§ 289f Rz. 8 | Erklärung zur Unternehmensführung 8

Darüber hinaus werden nach § 289f Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB aber auch kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften erfasst, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem iSd. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Handel auf Veranlassung der Aktiengesellschaft selbst erfolgt ist, so dass die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung nicht besteht, wenn der Handel von einer Person initiiert wurde.1

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Die Angabepflicht nach § 289f Abs. 1 HGB trifft neben der Aktiengesellschaft auch die Europäische Aktiengesellschaft (SE). Diese wird zwar in Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings handelt es sich bei Abs. 1 um eine Regelung iSv. Art. 9 Buchst. c ii SE-VO, so dass § 289f Abs. 1 HGB auch auf Europäische Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland Anwendung findet.2 Für Europäische Aktiengesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten kommt Abs. 1 hingegen nicht zur Anwendung.

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Die Veröffentlichungspflicht trifft alle Aktiengesellschaften iSd. Rz. 7 ff., und zwar auch dann, wenn diese in einen Konzern integriert sind und ein Konzernabschluss erstellt wird.3 Dies ergibt sich schon daraus, dass die Erklärung zur Unternehmensführung in den zum Jahresabschluss zugehörigen Lagebericht aufzunehmen ist, der unabhängig von dem Bestehen einer möglichen Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses aufzustellen ist. Die Muttergesellschaft kann die Erklärung zur Unternehmensführung allerdings auch in den Konzernlagebericht aufnehmen.4

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Emittenten in anderen Rechtsformen sind nicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung verpflichtet, und zwar auch dann nicht, wenn diese ebenfalls andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem iSd. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden. Ausnahmen bestehen nach § 289f Abs. 3 HGB für die börsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien (Rz. 54) und nach Abs. 4 für Unternehmen, die der sogenannten Frauenquote unterfallen (Rz. 55 f.).

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Die Pflicht zur Abgabe wird nicht durch das Publizitätsgesetz begründet, da § 5 Abs. 2 PublG nur auf § 289 HGB und nicht auf § 289f HGB verweist.

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Für Kreditinstitute und Versicherungen besteht die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung, wenn diese die Voraussetzungen von § 289f Abs. 1 HGB erfüllen. Die Angaben nach Abs. 2 Nr. 6 sind aber nur dann zu erfüllen, wenn es sich bei diesen um große Kapitalgesellschaften nach § 267 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 und 5 HGB handelt (§§ 340a Abs. 1b, 341a Abs. 1b HGB).

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Schließlich steht es allen von Abs. 1 nicht erfassten Unternehmen frei, die Erklärung zur Unternehmensführung freiwillig abzugeben.5

VI. Verhältnis zu anderen Vorschriften 15

Der Regelungsbereich von § 289f HGB steht in einer teilweisen Übereinstimmung mit § 161 AktG, da die danach abzugebende Erklärung zum Corporate Governance Kodex auch Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung ist (Rz. 26 ff.). Da sowohl § 289f Abs. 1 HGB als auch § 161 AktG im aktienrechtlichen Anwendungsbereich übereinstimmen, ergeben sich dahingehend aber keine Abstimmungsprobleme.

VII. Übergangsrecht 16

Die Erklärung zur Unternehmensführung muss als Bestandteil des Lageberichts für die nach dem 31.12. 2008 beginnenden Geschäftsjahre abgegeben werden (Art. 66 Abs. 2 EGHGB). Bei den weiteren Ände1 So ausdrücklich Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. BT-Drucks. 16/10067, 77; ebenso Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 6; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 7; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 3; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a HGB Rz. 1. 2 Im Ergebnis ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 8, der allerdings auf Art. 61 SE-VO abstellt; zweifelnd Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 4 aE. 3 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 7; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a HGB Rz. 1. 4 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 7. 5 Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. BT-Drucks. 16/10067, 77 (Adressaten in Abs. 1 nur Mindest-Anwenderkreis); ebenso Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 8; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 8; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 4 aE.

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B. Pflicht zur Abgabe (Abs. 1)

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Rz. 20 § 289f

rungen von § 289f HGB muss hingegen unterschieden werden. Die Angaben nach Abs. 2 Nr. 4 (Rz. 44 f.), ggf. iVm. Abs. 3 (Rz. 54) und Abs. 4 (Rz. 55), sind bereits in den Lageberichten für die Geschäftsjahre zu beachten, deren Abschlussstichtag nach dem 30.9.2015 liegt (Art. 73 Satz 1 EGHGB). Die Angaben nach Abs. 2 Nr. 5 (Rz. 46), ggf. iVm. Abs. 3 (Rz. 54), sind erstmals in Lageberichte aufzunehmen, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 31.12.2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen (Art. 73 Satz 2 EGHGB). Die Angaben nach Abs. 2 Nr. 6 (Rz. 47 ff.) sind schließlich erstmals auf Lageberichte für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 80 EGHGB).

B. Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung (Abs. 1) I. Kompetenz zur Abgabe Die Kompetenz zur Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung ist in § 289f Abs. 1 Satz 1 HGB 17 nicht hinreichend geregelt. Da §§ 76, 78 AktG eine derartige Aufgabe grundsätzlich dem Vorstand zuweist und § 289f Abs. 1 Satz 1 HGB insofern nicht als davon abweichende Regelung verstanden werden kann, ist die Erklärung allein vom Vorstand abzugeben.1 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Abs. 2 Nr. 1 für die Erklärung zum Corporate Governance Kodex (Rz. 26), da diese Erklärung unabhängig von der Erklärung zur Unternehmensführung nach Abs. 1 Satz 1 abzugeben und lediglich in den Lagebericht aufzunehmen ist. Allerdings sieht Ziff. 3.10 Satz 1 DCGK vor, dass die Erklärung zur Unternehmensführung von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam abgegeben werden soll. Da Ziff. 3.10 Satz 1 DCGK die von §§ 76, 78 AktG bzw. § 289f Abs. 1 Satz 1 HGB getroffene Zuständigkeitsregelung nicht modifizieren kann, muss Ziff. 3.10 Satz 1 DCGK letztlich dahingehend verstanden werden, dass die Erklärung allein vom Vorstand abzugeben ist. Soweit sich die Erklärung auf Angelegenheiten in der Zuständigkeit des Aufsichtsrats bezieht, muss der Vorstand diese Informationen beim Aufsichtsrat ermitteln und dann die Erklärung entsprechend abgeben. Allerdings ist die Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung noch zusätzlich vom Aufsichtsrat zu prüfen (Rz. 59 f.).

II. Formen der Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung 1. Wahlmöglichkeit für die Abgabe der Erklärung Für die Erklärung zur Unternehmensführung gestattet § 289f Abs. 1 HGB zwei unterschiedliche Ver- 18 öffentlichungsformen. Diese kann entweder als Teil des Lageberichts (Abs. 1 Satz 1 – Rz. 21 f.) oder aber selbständig im Internet auf der Internetseite der Aktiengesellschaft (Abs. 1 Satz 2 – Rz. 23 ff.) veröffentlicht werden. Denn insofern ist Abs. 1 Satz 2 nicht als zusätzliche, sondern lediglich als alternative Veröffentlichungsmöglichkeit zu betrachten.2 2. Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts (Abs. 1 Satz 1) Soweit sich die Gesellschaft für eine Aufnahme in den Lagebericht entscheidet, muss für diese ein geson- 19 derter Abschnitt gebildet werden (Abs. 1 Satz 1 aE), da ansonsten die übrigen prüfungspflichtigen Bestandteile des Lageberichts mit der nicht prüfungspflichtigen Erklärung zur Unternehmensführung (Rz. 59 f.) vermischt werden würden und dies zu Missverständnissen beim Adressaten führen würde. Die Aufnahme in den Lagebericht kann auch nicht durch eine Integration in den nach Ziff. 3.10 Deutscher 20 Corporate Governance Kodex zu erstellenden Corporate-Governance-Bericht ersetzt werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass Ziff. 3.10 Deutscher Corporate Governance Kodex die Pflicht nach § 289f Abs. 1 HGB nicht modifizieren kann. Dies muss auch bei einer Veröffentlichung im Internet gelten, da auch in diesem Fall die Erklärung zur Unternehmensführung eindeutig auffindbar sein muss, was bei einer Integration in den Corporate-Governance-Bericht nicht gewährleistet ist.3 1 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 9; Kocher, DStR 2010, 1034; aA aber Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a Rz. 1 (gemeinsame Erklärung); Paetzmann, ZCG 2009, 64 (65); unklar Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 9, die einerseits allein auf den Vorstand, andererseits aber auch auf Ziff. 3.10 Satz 1 DCGK abstellen. 2 Dies deutlich machend Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. BT-Drucks. 16/10067, 77; („Den betroffenen Gesellschaften wird erlaubt, diese Angaben entweder im Lagebericht, dort in einem gesonderten Abschnitt, oder in einem gesonderten Bericht – der auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen ist – zu machen“); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 10; aA Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1521); widersprüchlich Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 2 einerseits und Rz. 5 andererseits; ebenfalls abweichend Kocher, DStR 2010, 1034, der allerdings in der Erklärung keinen materiellen Bestandteil des Lageberichts sieht. 3 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 12.

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§ 289f Rz. 21 | Erklärung zur Unternehmensführung 3. Verfügbarkeit der Erklärung zur Unternehmensführung im Internet (Abs. 1 Satz 2 und 3) 21

Die Erklärung zur Unternehmensführung kann nach § 289f Abs. 1 Satz 2 HGB auch im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden. Dabei handelt es sich um eine alternative1 Veröffentlichungsmöglichkeit, so dass bei einer Veröffentlichung der Erklärung zur Unternehmensführung im Internet im Lagebericht nur ein Hinweis auf die Internetseite (Abs. 1 Satz 3 – Rz. 23 ff.) vorgenommen werden muss. Da die Erklärung zum Corporate Governance Kodex ohnehin stets auf der Homepage veröffentlicht werden muss (§ 161 Abs. 2 AktG), empfiehlt sich, die Erklärung zur Unternehmensführung ebenfalls auf der Homepage zu veröffentlichen, da man dann die Erklärung zum Corporate Governance Kodex integrieren kann.2 Andere Orte für eine Veröffentlichung der Erklärung zur Unternehmensführung sind nicht vorgesehen, woraus allerdings nicht geschlossen werden kann, dass die Erklärung zur Unternehmensführung nicht auch zusätzlich an anderer Stelle veröffentlicht werden kann. Für die Erfüllung der Pflicht nach § 289f Abs. 1 HGB kommt es aber nur auf die Aufnahme in den Lagebericht oder die Veröffentlichung im Internet an.

22

Keine Regelung enthält § 289f Abs. 1 Satz 2 HGB zu der Frage, wie lange die Erklärung zur Unternehmensführung im Internet verfügbar sein muss. Da es sich um einen Ersatz für die Aufnahme der Erklärung in den Lagebericht handelt und die Pflicht nur für kapitalmarktorientierte bzw. börsennotierte Aktiengesellschaften besteht (Rz. 7 ff.), ist eine analoge Anwendung von § 24 WpAIV angezeigt, so dass die Erklärung für einen Zeitraum von zehn Jahren abrufbar sein muss.

23

Soweit die Erklärung zur Unternehmensführung auch im Internet veröffentlicht wird, muss der Lagebericht nach § 289f Abs. 1 Satz 3 HGB die Internetseite angeben, auf der die Erklärung zur Unternehmensführung abrufbar ist. Dabei reicht nicht die Angabe der Hauptdomain der Gesellschaft. Vielmehr muss die konkrete Internetseite angegeben werden. Wird die Internetseite später geändert, ergibt sich keine Pflicht zur Korrektur des Lageberichts.3 Vielmehr muss dann auf der im Lagebericht angegebenen Internetseite eine Verlinkung auf die neue Internetseite erfolgen.4

III. Zeitpunkt der Abgabe 24

Die Erklärung ist jährlich zum Bilanzstichtag abzugeben. Es besteht daher keine unterjährige Aktualisierungspflicht,5 da die Erklärung zur Unternehmensführung im Rahmen der Lageberichterstattung abgegeben wird und Letztere als Teil des Unternehmensabschlusses stets stichtagbezogen ist und keiner Aktualisierung unterliegt. Dies gilt auch dann nicht, wenn der Deutsche Corporate Governance Kodex unterjährig geändert wird (dazu ausführlich Rz. 25 ff.).

C. Inhalt der Erklärung zur Unternehmensführung (Abs. 2) I. Erklärung zum Corporate Governance Kodex (Abs. 2 Nr. 1) 25

Die Erklärung zur Unternehmensführung muss zunächst die Erklärung zum Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG enthalten. Dabei muss erklärt werden, ob und welchen Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen und aus welchen Gründen davon abgewichen wurde. Letzteres lässt sich zwar nicht unbedingt aus dem Wortlaut von § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB ableiten, ergibt sich aber aus einer richtlinienkonformen Auslegung im Hinblick auf Art. 20 Abs. 1 Buchst. b (neue) Bilanzrichtlinie.6 Aufgrund der übereinstimmenden Anwendungsbereiche von § 161 AktG und § 289f Abs. 1 HGB ist stets die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zum Corporate Governance Kodex für die von Abs. 1 erfassten Unternehmen gegeben (Rz. 7 ff.).

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Ein Unterschied zwischen § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB und § 161 AktG ergibt sich aber hinsichtlich der Verantwortlichkeit für die Abgabe. Während nach § 161 AktG Vorstand und Aufsichtsrat die Erklärung gemeinsam abgeben, trifft die Pflicht nach § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGBnur den Vorstand als gesetzlichen Vertre1 Ebenso Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 10. 2 Darauf hinweisend Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. BT-Drucks. 16/10067, 77; ebenso Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 11. 3 Dazu ausführlich Kruchen, ZIP 2012, 62 ff.; offen lassend Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 7. 4 Weniger streng Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 15 mit dem Erfordernis eines hinreichend transparenten Aufbaus der Internetseite. 5 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 16; Kocher, DStR 2010, 1034 (1035); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a Rz. 1. 6 Ebenso Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1518); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 8; von Werder/Talaulicar/Pissarczyk, AG 2010, 62 (63).

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C. Inhalt (Abs. 2)

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Rz. 32 § 289f

ter (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.). Da die Pflicht nach § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB aber zeitlich derjenigen nach § 161 AktG nachgelagert ist, ergibt sich insofern kein Konfliktpotential. Soweit die Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts abgegeben wird (Rz. 21 f.), bleibt 27 die Pflicht zur Veröffentlichung der Erklärung zum Corporate Governance Kodex auf der Internetseite der Aktiengesellschaft nach § 161 Abs. 2 AktG unberührt, so dass es zu einer Doppelveröffentlichung kommen kann. Aufgrund der geringen Kosten für die Veröffentlichung auf der Internetseite ist dies aber hinzunehmen.1 Schließlich lässt die Aufnahme der Erklärung zum Corporate Governance Kodex in die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB die Pflicht zur entsprechenden Anhangangabe (§ 285 Nr. 16 HGB – § 285 HGB Rz. 162 ff.) unberührt, die aber ohnehin nicht den Inhalt der Erklärung erfasst.2 Im Gegensatz zur Entsprechenserklärung nach § 161 AktG ist die Erklärung zum Corporate Governance 28 Kodex als Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung nicht unterjährig zu aktualisieren.3 Daher bedarf es vor allem keiner Korrektur des Lageberichts, wenn sich die Praxis der Gesellschaft hinsichtlich der Befolgung des Deutschen Corporate Governance Kodex unterjährig ändert. Dies gilt auch dann, wenn die Option der Veröffentlichung im Internet gewählt wurde.4 Zur fehlenden Aktualisierungspflicht hinsichtlich der Erklärung zur Unternehmensführung insgesamt Rz. 24.

II. Angaben zu Unternehmensführungspraktiken (Abs. 2 Nr. 2) Darüber hinaus müssen relevante Angaben zu Unternehmensführungspraktiken, die über die gesetzlichen 29 Anforderungen hinaus angewandt werden, gemacht werden. Dabei muss darauf hingewiesen werden, wo diese Angaben zu Unternehmensführungspraktiken öffentlich zugänglich sind.5 Die Angabepflicht besteht aber nur, wenn diese Unternehmensführungspraktiken Relevanz für das gesamte Unternehmen haben und somit wesentlich sind.6 Daher müssen insbes. ethische Standards und Arbeits- und Sozialstandards oder Compliance-Richtlinien angegeben werden.7 Aber auch Standards mit Bezug zur Corporate Governance werden von § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB erfasst, so dass etwa Verschärfungen bei der Besetzung von Aufsichtsräten und der Ausschüsse angegeben werden müssen.8 Auch zum Risikomanagement sind entsprechende Angaben zu machen.9 Die Angaben sind hinsichtlich der Arbeits- und Sozialstandards auch dann zu machen, wenn über diese 30 (auch) in der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289b HGB berichtet wird (§ 289c Abs. 2 Nr. 2 und 3 HGB – § 289c HGB Rz. 29 ff. und Rz. 32 ff.). Nicht anzugeben sind hingegen bloße organisatorische Regelungen und Vorschriften für interne Ver- 31 fahrensabläufe in dem Unternehmen.10 Ebenso wenig muss darüber berichtet werden, ob die jeweiligen Regelwerke angemessen oder allgemein akzeptiert sind.11 Auch eine Erläuterung der jeweiligen Praktiken ist nicht erforderlich.12 Die durch § 289f Abs. 2 Nr. 2 HGB geforderte öffentliche Zugänglichmachung ist restriktiv auslegen. Da- 32 von erfasst werden nur Regelwerke, die bereits existieren, so dass sich aus Abs. 2 Nr. 2 keine Dokumentationspflicht ableiten lässt.13 1 Ebenso Bischof/Selch, WPg. 2008, 1021 (1027); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 11; Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172 (175). 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 16. 3 Ebefalls gegen eine Aktualisierungspflicht Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1522); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 14; Kocher, DStR 2010, 1034 (1035); Melcher/Mattheus, DB 2009, Beil. 5, 77 (81 f.). 4 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 14; Kruchen, ZIP 2012, 62 (63 f.); aA Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1522). 5 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 21. 6 Eibelshäuser, DK 2007, 735 (740); Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 19; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 18; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a Rz. 2. 7 Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 78; Böcking/Eibelshäuser, DK 2009, 563 (569); Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 19; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 10. 8 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 20; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a HGB Rz. 3; eher aA Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 17, der sich für eine Angabe unter Abs. 2 Nr. 3 ausspricht. 9 Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1519); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 10; aA Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172 (173). 10 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a Rz. 3. 11 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 10. 12 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 11; Strieder, BB 2009, 1002 (1005). 13 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 10 aE.

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§ 289f Rz. 33 | Erklärung zur Unternehmensführung

III. Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat; Zusammensetzung von Ausschüssen (Abs. 2 Nr. 3) 1. Grundlagen 33

Zudem muss über die Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat und die Zusammensetzung von Ausschüssen berichtet werden. Damit werden die Angaben zur Besetzung dieser beiden Organe nach § 285 Nr. 10 HGB (§ 285 HGB Rz. 114 ff.) komplettiert.1 Die Angabepflicht nach § 289f Abs. 2 Nr. 3 HGB betrifft vor allem die Geschäftsordnungen der beiden Organe, die nicht selbst in den Lagebericht aufgenommen werden müssen, sondern auf die auch bei einer allgemeinen Verfügbarkeit verwiesen werden kann.2 Sind Geschäftsordnungen nicht vorhanden, müssen die Verfahrensweisen allgemein erläutert werden, die sich für die beiden Organe entwickelt haben, ohne dass dabei die (ohnehin) geltende Rechtslage wiedergegeben werden muss.3 2. Angaben zum Aufsichtsrat

34

Für den Aufsichtsrat muss zunächst dessen personelle Zusammensetzung angegeben werden. Da diese Angaben nach § 285 Nr. 10 HGB (§ 285 HGB Rz. 114 ff.) teilweise schon im Anhang gemacht werden müssen, muss in diesem Zusammenhang keine Nennung des Namens und des ausgeübten Berufs erfolgen.4 Daher müssen an dieser Stelle auch keine Angaben zu den im Aufsichtsrat ausgeübten Ämtern (Vorsitzender bzw. Stellvertreter) gemacht werden.5

35

Zu erwähnen sind aber erforderliche Sonderqualifikationen wie etwa die des unabhängigen Finanzexperten (§ 100 Abs. 5 AktG).6

36

Darüber hinaus sind die Empfehlungen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats der EU7 zu beachten, da die Gesetzesbegründung auf diese klaren Bezug nimmt.8 Danach müssen zunächst die Idealbesetzung des Aufsichtsrats festgelegt, diese in angemessenen Abständen überprüft und bei Abweichung von dieser Idealbesetzung Maßnahmen zu deren Wiederherstellung ergriffen werden (Art. 11 EU-Empfehlung). Zudem müssen sich die Mitglieder des Aufsichtsrats jährlich einer Selbstevaluation unterziehen, deren Ergebnisse und die aufgrund dieser ergriffenen Maßnahmen ebenfalls veröffentlicht werden müssen (Art. 8 f. EU-Empfehlung).

37

Zu den Angabepflichten nach § 289f Abs. 2 Nr. 3 HGB zählen darüber hinaus die Angaben nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG zur Prüfung der Geschäftsführung (§ 171 AktG Rz. 63 ff.).9 Damit ergeben sich zwar Dopplungen, da diese Informationen in dem schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung enthalten sein müssen. Allerdings sind die Adressaten beiden Pflichten unterschiedlich, so dass dies hinzunehmen ist.

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Bei den Angaben zum Aufsichtsrat ist insbes. auf die Ausschüsse einzugehen. Auch in diesem Zusammenhang sind die Empfehlungen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats der EU (Rz. 36) zu beachten. Hinzu kommen die Vorgaben von Ziff. 5.4.2 DCGK. Neben der Nennung der einzelnen Ausschüsse muss auch angegeben werden, wer in diesen Mitglied ist, welche Aufgaben auf diesen übertragen wurden, welche Rechte der Ausschuss besitzt und wie die Modalitäten von dessen Treffen und der Beschlussfassung geregelt sind.10 1 Abweichend Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 12, der zur Vermeidung von Doppelangaben ein restriktives Verständnis von Abs. 2 Nr. 3 zugrunde legt. 2 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 22, 29. 3 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 22; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 21. 4 Jedenfalls von einer Notwendigkeit der Vermeidung von Doppelangaben ausgehend Begr. RegE BilMoG, BTDrucks. 16/10067, 78. 5 AA Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 42. 6 Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1520); Kropff in FS K. Schmidt, 1023 (1036); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 13; Melcher/Mattheus, DB-Beil. 5/2009, 77 (81); Widmann, BB 2009, 2602 (2605). 7 Kommission, Empfehlungen der Kommission v. 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. EG 2005 Nr. L 52, 51 ff. 8 Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 78; ebenso Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 23; Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 13. 9 Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 15; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 289a Rz. 4. 10 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 27.

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C. Inhalt (Abs. 2)

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Rz. 46 § 289f

3. Angaben zum Vorstand Hinsichtlich der für den Vorstand zu machenden Angaben enthalten weder § 289f Abs. 2 Nr. 3 HGB noch 39 die Gesetzesmaterialien genauere Vorgaben. Insofern kann aber auf die für den Aufsichtsrat zu machenden Angaben (Rz. 34 ff.) verwiesen werden, auch wenn die Empfehlungen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats der EU keine direkte Anwendung finden.1 In jedem Fall muss die Geschäftsordnung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG in den Lagebericht aufgenommen werden.2 Auch wenn das Aktienrecht nicht die Bildung von Ausschüssen vorsieht, können diese bestehen.3 In einem solchen Fall muss auch über diese Ausschüsse im Lagebericht berichtet werden.4

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4. Angaben zu sonstigen Organen und Funktionsträgern Aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme von § 289f Abs. 2 Nr. 3 HGB auf den Vorstand und den Auf- 41 sichtsrat erstreckt sich die Angabepflicht nach Nr. 3 nicht auf andere Organe. Daher muss insbes. nicht über die Tätigkeit des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 1 AktG berichtet werden. Das Gleiche gilt schon mangels Organqualität auch für den Abschlussprüfer und den Sonderprüfer.5 5. Verzicht auf die Angabe bei Veröffentlichung auf der Internetseite Die Angaben nach § 289f Abs. 2 Nr. 3 HGB müssen in den Lagebericht nicht aufgenommen werden, wenn sie auf der Internetseite der Gesellschaft verfügbar sind (Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2). In diesem Fall muss lediglich auf die Internetseite verwiesen werden. Dabei muss die genaue Internetseite angegeben werden, so dass ein Verweis auf die Hauptdomain gerade nicht ausreicht. Die auf der Internetseite veröffentlichten Informationen müssen bis zur Veröffentlichung des nächsten Lageberichts abrufbar bleiben.

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IV. Erreichen der Zielgrößen für den Frauenanteil (Abs. 2 Nr. 4) Weiterhin müssen bei börsennotierten Aktiengesellschaften Angaben zu den Zielgrößen für den Frauen- 43 anteil und dazu gemacht werden, ob und aus welchen Gründen die Zielgrößen während des Berichtszeitraums (nicht) erreicht wurden. Diese Verpflichtung besteht allerdings nur für börsennotierte Aktiengesellschaften (Rz. 7), so dass ledig- 44 lich kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften (Rz. 8) insofern keine Angaben machen müssen. Diese fallen allerdings schon nicht in den Anwendungsbereich der §§ 74 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG. Keine Angaben müssen zudem nicht börsennotierte oder kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften machen, die der Mitbestimmung unterliegen, obwohl diese in den Anwendungsbereich der §§ 74 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG fallen.

V. Einhaltung der Zielgrößen und Erklärung für eine fehlende Erreichung (Abs. 2 Nr. 5) Weiterhin müssen börsennotierte Aktiengesellschaften nach § 289f Abs. 2 Nr. 5 HGB angeben, ob die Ziel- 45 größen bei der Besetzung des Aufsichtsrats mit Frauen und Männern im Bezugszeitraum (wohl richtiger Berichtszeitraum) erreicht wurden und aus welchen Gründen dies möglicherweise nicht der Fall war. Diese Verpflichtung gilt aber nur für börsennotierte Aktiengesellschaften, die unter § 96 Abs. 2 und 3 AktG (§ 289f Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a HGB) fallen, sowie für börsennotierte Europäische Gesellschaften, die nach § 17 Abs. 2, 24 Abs. 3 SE-AG entsprechende Mindestanteile einzuhalten haben (§ 289f Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b HGB).

VI. Angaben zum Diversitätskonzept (Abs. 2 Nr. 6) Schließlich muss die Erklärung zur Unternehmensführung eine Beschreibung eines Diversitätskonzepts enthalten. Auch wenn nach § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB über die Ziele eines Diversitätskonzepts berichtet werden muss, ist ein solches nicht zwingend zu entwickeln. Dies ergibt sich aus Abs. 5 (Rz. 57 f.).

1 2 3 4 5

Im Ergebnis auch Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 24. Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 24. Vgl. nur Fleischer in Spindler/Stilz, AktG3, § 77 Rz. 41 mwN. Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 28. Zur fehlenden Organstellung vgl. nur Mock in Spindler/Stilz, AktG3 § 142 Rz. 39; Rieckers/Vetter in Kölner Komm. AktG3, § 142 Rz. 201.

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§ 289f Rz. 47 | Erklärung zur Unternehmensführung 47

Diese Angabepflicht gilt aber nur für Aktiengesellschaften, die große Kapitalgesellschaften sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 und 5 HGB). Aufgrund von Art. 61 SE-VO ist auch die Europäische Aktiengesellschaft (SE) erfasst.1 Aufgrund des Verweises in § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB auf Abs. 1 (Rz. 17 ff.) werden nur börsennotierte und bestimmte kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften von der Berichtspflicht erfasst. Zur Anwendung auf die KGaA s. Abs. 3 (Rz. 54). Alle anderen Gesellschaftsformen sind von der Berichtspflicht ausgenommen.

48

Der Pflicht zur Berichterstattung über das Diversitätskonzept wird auch entsprochen, wenn auf dieses bei den Angaben zu Unternehmensführungspraktiken (Abs. 2 Nr. 2 – Rz. 30 ff.) eingegangen wird. In diesem Fall muss dann nur ein entsprechender Verweis aufgenommen werden.2

49

Dieses Diversitätskonzept muss sich auf das vertretungsberechtigte Organ und den Aufsichtsrat beziehen. Auf andere Organe oder Funktionsträger ist hingegen nicht einzugehen, und zwar auch dann nicht, wenn diese – wie etwa ein besonderer Vertreter3 – vertretungsberechtigt sind und Organqualität haben. Allerdings ist es der Aktiengesellschaft freigestellt, auch über ein Diversitätskonzept für andere Führungsebenen zu berichten.

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Inhaltlich muss das Diversitätskonzept auf Aspekte wie das Alter, das Geschlecht und den Bildungs- oder Berufshintergrund eingehen. Dabei handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung, da § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB ausdrücklich nur eine beispielhafte Aufzählung enthält. Einen Ansatzpunkt für die Entwicklung weiterer diversitätsrelevanter Aspekte liefert Erwägungsgrund Nr. 18 CSR-Richtlinie,4 wonach das Diversitätskonzept einem sog. Gruppendenken entgegenwirken soll.5 Dabei handelt es sich um eine Erkenntnis der Sozialpsychologie, wonach sich Gruppen gleich gesinnter Personen im Entscheidungsprozess durch ein Streben nach Konsens auszeichnen, womit idR eine eingeschränkte Realitätswahrnehmung verbunden ist.6 Für die vorliegend relevanten unternehmerischen Gruppenentscheidungen dürften vor allem die Ethnie und der Migrationshintergrund relevant sein, so dass in dem Diversitätskonzept auch darauf einzugehen ist. Darüber hinaus muss hinsichtlich des Berufshintergrunds zwischen der formalen Qualifikation sowie zwischen der Dauer der Berufsausübung und der konkreten Betriebszugehörigkeit unterschieden werden. Keine Bedeutung haben hingegen Aspekte wie die Präferenz für bestimmte Sportvereine, Ernährungspräferenzen oder die sexuelle Ausrichtung, da diese für unternehmerische Gruppenentscheidungen keine Bedeutung haben.

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Weiterhin muss über die Ziele des Diversitätskonzepts berichtet werden. Dabei ist zu beschreiben, welchen tatsächlichen Zustand die Aktiengesellschaft mit dem Diversitätskonzept am Ende erreichen will. Als Ziel reicht es auch aus, wenn eine allgemeine diversifizierte Besetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats angestrebt wird, ohne dass eine genaue Beschreibung der Verteilung der einzelnen Aspekte der Diversität auf die Anzahl der Mitglieder notwendig ist.

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Schließlich muss auf die Art und Weise seiner Umsetzung und der im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse eingegangen werden.

D. Entsprechende Anwendung auf börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien (Abs. 3) 53

Die Angabepflicht nach § 289f Abs. 1 HGB und deren Inhalt nach Abs. 2 gilt gem. Abs. 3 auch für die börsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien.

E. Andere Unternehmen (Abs. 4) 54

Schließlich müssen alle anderen Unternehmen, deren Vertretungsorgan und Aufsichtsrat nach § 36 GmbHG oder § 52 GmbHG oder nach § 76 Abs. 4 AktG, auch iVm. § 34 Satz 2, § 35 Abs. 3 Satz 1 VAG, oder nach § 111 Abs. 5 AktG, auch iVm. § 35 Abs. 3 Satz 1 VAG, verpflichtet sind, Zielgrößen für den Frauenanteil und Fristen für deren Erreichung festzulegen, in einem gesonderten Abschnitt des Lageberichts eine Erklärung mit den Festlegungen und Angaben nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB (Rz. 44 f.) aufnehmen. 1 So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 54. 2 Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 54. 3 Zur Organqualität und zur Vertretungsbefugnis des besonderen Vertreters vgl. nur Mock in Spindler/Stilz, AktG3, § 147 Rz. 91 mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 4 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/ 34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 5 Ebenso Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (224), ohne daraus allerdings konkrete Aspekte abzuleiten. 6 Dazu etwa Jonas/Stroebe/Hewstone, Sozialpsychologie6, 297 ff. insbes. zur Entscheidungsfindung in Gruppen.

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H. Rechtsfolgen von Verstößen

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Rz. 63 § 289f

Soweit diese Unternehmen nicht zur Offenlegung eines Lageberichts verpflichtet sind, müssen diese eine 55 Erklärung mit den Festlegungen und Angaben nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB (Rz. 44 f.) erstellen und gem. Abs. 1 Satz 2 (Rz. 23 ff.) veröffentlichen (Abs. 4 Satz 2). Darüber hinaus können diese Unternehmen auch stattdessen einen Lagebericht veröffentlichen (Abs. 4 Satz 3), der dann die entsprechenden Angaben enthalten muss.

F. Fehlende Verfolgung eines Diversitätskonzepts (Abs. 5) § 289f Abs. 5 HGB stellt klar, dass die Aktiengesellschaften im Anwendungsbereich des Abs. 2 Nr. 6 56 (Rz. 47 ff.) nicht zwingend über ein Diversitätskonzept verfügen müssen. Um die Berichtspflicht aber nicht ins Leere laufen zu lassen, müssen diese Aktiengesellschaften erläutern, warum sie über ein solches nicht verfügen. Damit verfolgt Abs. 5 einen Comply-or-Explain-Ansatz.1 Die Anforderungen an diese Erläuterungspflicht sind gering, so dass es schon ausreicht, wenn die Aktien- 57 gesellschaft erklärt, dass sie ein Diversitätskonzept für nicht notwendig erachtet. Weitere Anforderungen an die Erläuterung wären ohnehin nicht zielführend und würden sich nur in Allgemeinplätzen erschöpfen.

G. Prüfung Die Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung ist zunächst vom Aufsichtsrat zu prüfen. Dies er- 58 gibt sich aus der allgemeinen Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 1 AktG) und zudem aus dem Umstand, dass die Erklärung in den Lagebericht aufzunehmen ist, der ebenfalls vom Aufsichtsrat geprüft werden muss (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG – § 171 AktG Rz. 7 ff.). Im Rahmen der Abschlussprüfung ist die Erklärung zur Unternehmensführung hingegen kein Prüfungs- 59 gegenstand (§ 317 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 HGB). Der Abschlussprüfer muss lediglich feststellen, ob eine Erklärung zur Unternehmensführung erstellt und veröffentlicht wurde (§ 317 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 HGB). Nimmt der Abschlussprüfer eine Durchsicht der Erklärung zur Unternehmensführung vor und stellt bei dieser Fehler fest, kann er die Gesellschaft lediglich darauf hinweisen. Die Einschränkung des Bestätigungsvermerks kann auf eine solche Feststellung hingegen nicht gestützt werden.2 Dies ergibt sich eindeutig aus der fehlenden Erfassung der Erklärung zur Unternehmensführung durch § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB. Daher muss der Abschlussprüfer auch nicht über derartige negative Feststellungen in einem Prüfungsbericht berichten, da § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB nicht weiter reichen kann als § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB.3

H. Rechtsfolgen von Verstößen I. Bilanzrechtliche Folgen Die Abgabe einer fehlerhaften oder unvollständigen Erklärung zur Unternehmensführung unterliegt nicht der Abschlussprüfung (§ 317 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 HGB – § 317 HGB Rz. 91). Vielmehr kann der Abschlussprüfer nur feststellen, ob die Erklärung überhaupt abgegeben wurde ((§ 317 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 HGB – § 317 HGB Rz. 91).

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Da der Prüfungsmaßstab des Abschlussprüfers auch für das Enforcement-Verfahren gilt (§ 342b HGB Rz. 26 ff.), ist dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab auch für die Prüfstelle und die BaFin verbindlich.

61

Die Abgabe einer fehlerhaften oder unvollständigen Erklärung zur Unternehmensführung kann keine 62 Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach §§ 256 f. AktG begründen, da die Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts nicht Bestandteil des Jahresabschlusses ist (arg. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – § 264 HGB Rz. 7 ff.).

II. Zivilrechtliche Folgen Allerdings stellt die fehlende oder inhaltlich falsche Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung 63 eine Pflichtverletzung der zuständigen Organmitglieder dar. Das ist auch im Hinblick auf zukunftsbezogene Angaben der Fall, bei denen sich die Pflichtwidrigkeit dann nicht aus der Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung, sondern aus der fehlenden Beachtung von deren Inhalt ergibt.4 Die Pflichtverlet1 2 3 4

So ausdrücklich Begr. RegE CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/9982, 54. AA aber IDW PS 202 Rz. 14; Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 30. AA aber IDW PS 202 Rz. 15; Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 30. Ähnlich Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 35.

Mock

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§ 289f Rz. 64 | Erklärung zur Unternehmensführung zung entfällt schließlich auch dann nicht, wenn auf den Umstand der fehlenden Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung hingewiesen wird.1 In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich auch eine Innenhaftung der Organmitglieder nach §§ 93 Abs. 2, 116 AktG denkbar, bei der es allerdings meist an der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden fehlen wird.2 64

Als Folge der Pflichtverletzung ist eine ggf. erfolgte Entlastung jedenfalls dann anfechtbar, wenn es sich um wesentliche Angaben handelt.3

65

Für Ansprüche der Gesellschafter und von Anlegern kommt nur § 826 BGB als Haftungsgrundlage in Betracht, soweit dessen spezifischen Voraussetzungen im Rahmen der Kapitalmarktinformationshaftung vorliegen. Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 289f HGB insgesamt scheidet hingegen aus, da es an der Schutzgesetzeigenschaft fehlt. Ebenso kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, da in der fehlerhaften Erklärung zur Unternehmensführung schon kein qualifizierter Eingriff in die Mitgliedschaft gesehen werden kann. Schließlich ist auch eine Haftung aus §§ 37b f. WpHG abzulehnen.

III. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht 66

Die fehlende oder inhaltlich falsche Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB), die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € geahndet werden kann.

67

Eine Strafbarkeit nach § 331 Nr. 1 HGB (Unrichtige Darstellung) kommt ebenfalls in Betracht, wenn durch die Erklärung zur Unternehmensführung die Verhältnisse der Aktiengesellschaft unrichtig wiedergegeben werden, was vor allem im Hinblick auf die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG (§ 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB – Rz. 26 ff.) der Fall sein kann.4 Für die straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen ist es ohne Bedeutung, ob die Veröffentlichung im Lagebericht oder über die Internetseite erfolgt (Rz. 20 ff.), da bei einer Veröffentlichung einer fehlenden oder fehlerhaften Erklärung zur Unternehmensführung im Internet auch der Lagebericht fehlerhaft ist, da dieser dann einen Verweis auf eine fehlende oder fehlerhafte Erklärung zur Unternehmensführung enthält.5

Zweiter Unterabschnitt Konzernabschluß und Konzernlagebericht Vor §§ 290–315e HGB: Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung A. Entwicklung und Rechtsquellen der Konzernrechnungslegung in Deutschland I. Entwicklung bis zur Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) . . . . . . . . . . . . . . II. Entstehung, Konzeption, Inhalt der Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) und Richtlinie 90/605/EWG sowie Umsetzung im BiRiLiG und KapCoRiLiG . . . . . . .

_ _ 1

5

III. Einfluss von IFRS/IAS und US-GAAP: KapAEG, KonTraG und TransPuG . . . . . . . IV. Konzernrechnungslegung nach IFRS: EU-Verordnung 1606/2002 und BilReG . . . . V. Veränderungen durch das BilMoG . . . . . . . VI. Richtlinie 2013/34/EU des europäischen Parlaments und des Rates und BilRUG sowie Richtlinie 2014/95/EU (CSR-Richtlinie) und CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz

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21

1 Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 33; Theusinger/Liese, DB 2008, 1419 (1422). 2 Ebenso Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 37; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 26. 3 Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1524 f.); Grottel/Röhm-Kottmann in BeckBilKomm.10, § 289a HGB Rz. 33; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 25; Kocher, DStR 2010, 1034 (1037); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 18; Theusinger/Liese, DB 2008, 1419 (1422). 4 Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1521); Lange in MünchKomm. HGB3, § 289a Rz. 17; Tödtmann/Schauer, ZIP 2009, 995 (999). 5 Bachmann, ZIP 2010, 1517 (1521); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 289a HGB Rz. 24.

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Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung VII. Perspektiven der Konzernberichterstattung? VIII. Deutsche Rechnungslegungsstandards zur Konzernrechnungslegung . . . . . . . . . . . . . B. Zwecke der Konzernrechnungslegung I. Eingeschränkte Funktion von Jahresabschlüssen bei verbundenen Unternehmen II. Der Konzernabschluss als Informationsinstrument für externe Anspruchsgruppen . III. Weitere mögliche Zwecke der Konzernrechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konzeptionelle Grundlagen und Grundsätze der Konzernrechnung in Deutschland I. Konzernabschlusstheorien: Einheits- vs. Interessentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Generalnorm der Konzernrechnungslegung III. Einheitsgrundsatz der Konzernrechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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| Vor §§ 290–315e

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IV. Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätze ordnungsmäßiger Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verbindlichkeit einer Konzernrechnungslegung I. Aufstellungs- und Offenlegungspflicht . . . . II. Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Billigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Enforcement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Steuerliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . .

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99 106 107 114 119 121 124

Literatur: Bores, Konsolidierte Erfolgsbilanzen und andere Bilanzierungsmethoden für Konzerne und Kontrollgesellschaften, 1935; Stahltreuhändervereinigung, Die Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, 1954; Kropff, Aktiengesetz, 1965; Busse von Colbe, Harmonisierung der Konzernrechnungslegung in den Europäischen Gemeinschaften durch die 7. Richtlinie des Rates, Zfbf 28 (1976), 667; Funk, Weltbilanz als Dokumentations-, Planungs- und Steuerungsinstrument, ZfbF-Kontaktstudium 30 (1978), 133; Kirchner, Konzernrechnungslegung in Europa. Rechnungslegungspraxis und die Probleme der Neuregelung durch die 7. gesellschaftsrechtliche Richtlinie der EG, AG 1981, 325; Biener, Die Konzernrechnungslegung nach der Siebenten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Konzernabschluss, DB 1983, Beil. 19, 1; Götz, Die Sicherung der Rechte der Aktionäre der Konzernobergesellschaft bei Konzernbildung und Konzernleitung, AG 1984, 85; Helmrich, Umsetzung der Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie in das deutsche Recht, WPg. 1984, 625; Küting, Zur Problematik des Ausgleichspostens für Anteile im Fremdbesitz im Rahmen des zukünftigen Konzernbilanzrechts, ZfB 54 (1984), 548; Ordelheide, Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode (Teil I), WPg. 1984, 237, (Teil II) 270; Schneider, U. H., Das Recht der Konzernfinanzierung, ZGR 1984, 497; Müller, Der Einfluss des BilanzrichtlinieGesetzes auf die Daten zur Steuerung eines Konzerns, DB 1985, 241; Lehertshuber, Unternehmensvertragsrecht und Konzernhandelsbilanz, 1986; Ordelheide, Der Konzern als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung, BFuP 1986, 304; Busse von Colbe, Der Konzernabschluss als Bemessungsgrundlage für die Gewinnverwendung, FS Goerdeler, 1987, 61; Linnhoff/Pellens, Ausschüttungspolitik deutscher Konzerne. Eine empirische Analyse zum Ausschüttungsverhalten deutscher Konzernobergesellschaften, ZfbF 39 (1987), 987; Lutter, Rücklagenbildung im Konzern, FS Goerdeler, 1987, 375; Ordelheide, Kapitalkonsolidierung und Konzernerfolg, ZfbF 39 (1987), 292; Ordelheide, Konzernerfolgskonzeptionen und Risikokoordination – Grundlagen handels- und steuerrechtlicher Erfolgsermittlung für Konzerne, ZfbF 39 (1987), 975; Kohl, Die Kompetenz zur Bildung von Gewinnrücklagen im Aktienkonzern, 1991; Busse von Colbe, Gefährdung des Kongruenzprinzips durch erfolgsneutrale Verrechnung von Aufwendungen im Konzernabschluß, FS Forster, 1992, 125; Lutter/Rimmelspacher, Einheitstheorie und Kapitalkonsolidierung – mehr Konflikt als Konsens, DB 1992, 485; Theisen, Rücklagenbildung im Konzern, ZHR 156 (1992), 174; Schildbach, Der Konzernabschluss als Ausschüttungsbemessungsgrundlage, WPg. 1993, 53, 94; Serve, Die Notwendigkeit zur Modifikation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Rahmen der Konzernrechnungslegung, WPg. 1993, 653; Niehus, Zur Entwicklung von „konzernartigen“ GoB duch Paradigmenwechsel, FS Moxter, 1994, 639; Pellens, Aktionärsschutz im Konzern, 1994; Ebeling, Die Einheitsfiktion als Grundlage der Konzernrechnungslegung. Aussagegehalt und Ansätze zur Weiterentwicklung des Konzernabschlusses nach deutschem HGB unter Berücksichtigung konsolidierungstechnischer Fragen, 1995; Hoffmann-Becking, Der Aufsichtsrat im Konzern, ZHR 159 (1995), 325; Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz?, ZHR 159 (1995), 550; Liener, Accounting Standards Required of Global Corporations by the International Capital Markets, ZfB 65 (1995), 741; Bruns, Der Gang an die NYSE: Das Beispiel der Daimler-Benz AG, WPK-Mitt. 1997, Sonderheft 31; Kropff, Der Konzernabschluss – eine Randerscheinung im Gesellschaftsrecht?, FS Claussen, 1997, 659; Hayn, Konsolidierungstechnik bei Erwerb und Veräußerung von Anteilen, 1999; Kühnberger/Schmidt, Der Konzernabschluss als Ausschüttungsbemessungsgrundlage – eine theoretische Analyse und eine empirische Bestandsaufnahme zur Ausschüttungspolitik deutscher Aktienkonzerne, ZfB 69 (1999), 1263; Rammert, Pooling of interests – die Entdeckung eines Auslaufmodells durch deutsche Konzerne?, DBW 1999, 620; Claussen, Konzernabschluss versus Einzelabschluss der Muttergesellschaft, ZGR 2000, 604; Volkart, Unternehmensfinanzierung und Kreditpolitik, 2000; Schmidbauer, Der Deutsche Rechnungslegungsstandard Nr. 4 zur Bilanzierung von Unternehmenserwerben im Konzernabschluss – Vergleich mit den bestehenden handelsrechtlichen sowie internationalen Vorschriften und Analyse seiner Bindungswirkung, DStR 2001, 365; Pawelzik, Die Konsolidierung von Minderheiten nach IAS/IFRS der Phase II („business combinations“), WPg. 2004, 677; Reichelt/Schmidt, Notwendigkeit zur konzeptionsgerechten Fortentwicklung der Konzernrechnungslegung – das Beispiel sog. „umgekehrter“ Unternehmenserwerbe, ZfB 75 (2005), 43; Schildbach, Der Konzernabschluss nach HGB, IFRS und USGAAP, 7. Aufl. 2008; Pellens/Amshof/Schmidt, Konzernsichtweisen in der Rechnungslegung und im Gesellschafts-

Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 1 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung recht, ZGR 2009, 231; Wolf, Zur Anforderung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Hinblick auf den (Konzern-)Rechnungslegungsprozess gem. BilMoG, DStR 2009, 920; Küting, Problematik der derivativen Erstellung des Konzernabschlusses und des Eigenkapitalausweises, DB 2010, 177; Müller-Marqués Berger/Wirtz, Konzernrechnungslegung der öffentlichen Hand, WPg. 2012, 1025; Priester, Gewinnthesaurierung im Konzern, ZHR 176 (2012), 286; Zwirner/König/Busch, Freiwillige Konzernrechnungslegung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften, DB 2012, 2293; Beck, Das Konzernverständnis im Gesetzesentwurf zum Konzerninsolvenzrecht, DStR 2013, 2468; Müller-Marqués Berger/Braun, Konzernrechnungslegung der öffentlichen Hand, WPg. 2014, 200; Barth/Thormann, Enforcement der Lageberichterstattung, DB 2015, 993; Bischoff/Kreipl/Müller, Anwendung der §§ 341q-y HGB auf Nebentätigkeiten? Zahlungsberichterstattung bei der Ausübung von Tätigkeiten in verschiedenen Industriezweigen, WPg. 2016, 288; Eckert, Konzerninterne immaterielle Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Betriebsprüfung – Aktivierung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Konzernverbund – Entgeltlicher Erwerb – Herstellerrisiko – Objektiver Markt – Objektive Marktpreisbildung, DB 2016, 2265; Zwirner/Busch, Neuerungen in der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), Der Konzern 2016, 113; Siegel/Trepte, Erstellung von (Konzern-)Zahlungsberichten, WPg. 2017, 317;

A. Entwicklung und Rechtsquellen der Konzernrechnungslegung in Deutschland I. Entwicklung bis zur Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) 1

Mit der Aktienrechtsnovelle v. 19.9.1931 wurde zwar die Reichsregierung ermächtigt, neben Vorschriften zur Aufstellung eines Jahresabschlusses der AG auch Vorschriften zur Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses zu erlassen, allerdings wurde davon kein Gebrauch gemacht; es wurde nur die Ermächtigungsnorm als § 134 AktG 1937 kodifiziert. Vorgeschrieben wurde allein, dass in den Jahresabschlüssen von Mutterunternehmen in der Rechtsform der AG Beteiligungen, Forderungen und Verbindlichkeiten zu verbundenen Unternehmen gesondert auszuweisen sind. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg mussten Mutterunternehmen der Montanindustrie gem. Gesetz Nr. 27 des Rates der Alliierten Kommission v. 16.5.1950 zur Umgestaltung des deutschen Kohlebergbaus und der deutschen Stahl- und Eisenindustrie in Westdeutschland Konzernabschlüsse aufstellen. Gem. § 16 Nr. 3 der Mustersatzung der Combined Steel Group und der Combined Coal Group sollten Konzernabschlüsse nach amerikanischem Vorbild aufgestellt und von einem Abschlussprüfer geprüft werden.1 Nach der Ablösung der alliierten Gesetzgebung in 1955 stellten etwa 40 deutsche Mutterunternehmen der Montanindustrie weiterhin Konzernabschlüsse freiwillig auf;2 auch in anderen Wirtschaftszweigen wurden konsolidierte Jahresabschlüsse freiwillig aufgestellt und veröffentlicht. Bundeseigene Konzerne mussten konsolidierte Jahresabschlüsse erstmals zum 31.12.1954 aufstellen.3

2

Mit der Aktienrechtsreform von 1965 wurde erstmals eine allgemeine Konzernrechnungslegung für Aktiengesellschaften (§§ 329–338 AktG 1965) in Deutschland gefordert. Allerdings wurde der Kreis der zu konsolidierenden Unternehmen bewusst begrenzt.4 Einzubeziehen waren grundsätzlich nur Tochterunternehmen, die unter der einheitlichen Leitung eines Mutterunternehmens in der Rechtsform einer AG oder KGaA standen und deren Anteile zu mehr als der Hälfte anderen Konzernunternehmen gehörten; stand eine GmbH an der Konzernspitze, war ein Konzernabschluss aufzustellen, wenn ein abhängiges Unternehmen in der Rechtform einer AG vorlag (§ 28 EGAktG). Unternehmen von geringer Bedeutung konnten weggelassen werden. Konzernunternehmen, deren Einbeziehung den Aussagewert des Konzernabschlusses verminderte, durften nicht einbezogen werden.5 Zudem waren nur inländische Tochterunternehmen zu erfassen.

3

In § 331 Abs. 1 AktG 1965 wurde keine Methode der Kapitalkonsolidierung festgeschrieben, so dass die deutsche und auch die angelsächsische Methode der Kapitalkonsolidierung zulässig waren.6 § 331 Abs. 1 Nr. 1 AktG 1965 hatte eine erfolgsneutrale Kapitalkonsolidierung zum Ziel und eine Neubewertung der Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens bei der Vollkonsolidierung war nicht zulässig. An die Stelle der Beteiligungsposition traten die Buchwerte der Aktiva und der Passiva des einzubeziehenden Tochterunternehmens; ein Differenzbetrag wurde als aktiver oder passiver Konsolidierungsausgleichsposten in der Konzernbilanz gesondert ausgewiesen. Auch die Pflicht zur Eliminierung von Zwischengewinnen aus konzerninternen Lieferungen und Leistungen war begrenzt,7 da Zwischengewinne aus Lieferungen und Leistungen, die nicht zur Weiterveräußerung bestimmt und im Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs erfolgt waren, nicht eliminiert werden mussten. 1 2 3 4 5 6 7

Abgedruckt in Stahltreuhändervereinigung, Neuordnung, 497–501. Vgl. Begr. RegE AktG 1965 in Kropff, Aktiengesetz, 1965, 436. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, Vor § 290 HGB Rz. 21. Vgl. Begr. RegE AktG 1965 in Kropff, Aktiengesetz, 1965, 438. Mit deutlicher Kritik Busse von Colbe, ZfbF 28 (1976), 667 (677). Vgl. ADS3, § 331 HGB Rz. 21–27. Vgl. Begr. RegE AktG 1965 in Kropff, Aktiengesetz, 1965, 442–444.

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A. Entwicklung und Rechtsquellen der Konzernrechnungslegung

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Rz. 8 Vor §§ 290–315e

Ergänzt wurden die aktienrechtlichen Vorschriften zur Konzernrechnungslegung durch §§ 11–15 PublG1. 4 Damit wurde eine Konzernrechnungslegungspflicht für deutsche Mutterunternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform geschaffen, wenn die Größengrenzen des § 11 Abs. 1 PublG überschritten wurden.

II. Entstehung, Konzeption, Inhalt der Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) und Richtlinie 90/605/EWG sowie Umsetzung im BiRiLiG und KapCoRiLiG Die Richtlinie 83/349/EWG2 normierte europaweit die Konzernrechnungslegung für Mutterunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 83/349/EWG), so dass für Großunternehmen anderer Rechtsform weiterhin nur das PublG zu beachten ist. Bei der Umsetzung der Richtlinie 83/ 349/EWG über konsolidierte Abschlüsse – zusammen mit der Richtlinie 78/660/EWG und der Richtlinie 84/ 253/EWG – im Bilanzrichtlinien-Gesetz3 beschränkte sich der Gesetzgeber auf deren Mindestanforderungen; mögliche Mitgliedstaatenwahlrechte und Erleichterungen wurden an die Unternehmen weitergegeben.4 Das Konzernrechnungslegungsrecht wurde im zweiten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs unter dem Titel „Konzernabschluss und Konzernlagebericht“ in den §§ 290–315 HGB eingeordnet.5 Zum Konzernrechnungslegungsrecht zählen weiterhin die Vorschriften des Dritten Unterabschnitts über die Prüfung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts nach §§ 316 Abs. 2, 317 Abs. 1–3 HGB sowie die Offenlegung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht nach § 325 Abs. 3 HGB. Art. 1 der Richtlinie 83/349/EWG regelte nur die Konzernrechnungslegungspflicht von Mutterunternehmen mit Sitz im Inland. Selbst wenn Konzerne mit einer ausländischen Konzernspitze den deutschen Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, sind keine Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte nach deutschem Recht vorgeschrieben. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 83/349/EWG verlangte jedoch die Konsolidierung des Mutterunternehmens sowie aller seiner Tochterunternehmen ohne Rücksicht auf deren Sitz („Weltabschlussprinzip“). Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 83/349/EWG räumte den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht ein, die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung neben dem Kriterium einer möglichen Beherrschung (Control-Konzept) auch an das Kriterium einer ausgeübten einheitlichen Leitung anzuknüpfen, sofern eine Beteiligung des Mutterunternehmens an dem betreffenden Tochterunternehmen besteht. Der deutsche Gesetzgeber machte von diesem Wahlrecht in § 290 Abs. 1 HGB aF Gebrauch, um das Konzept der einheitlichen Leitung deutscher Herkunft beibehalten zu können; ergänzt allerdings um ein rechtlich interpretiertes Control-Konzept. Auch wenn das deutsche Konzept einer einheitlichen Leitung keine Orientierung an einem Über- und Unterordnungsverhältnis impliziert, müssen Konzernabschlüsse nur aufgestellt werden, wenn Mutter- und Tochterunternehmen in einem Über- und Unterordnungsverhältnis stehen, weil sich die Mitgliedstaaten der EU nicht auf eine Konzernrechnungslegung für Gleichordnungskonzerne einigen konnten;6 Art. 12 der Richtlinie 83/349/EWG gewährte ein Mitgliedstaatenwahlrecht für eine Konzernrechnungslegungspflicht von Gleichordnungskonzernen, das der deutsche Gesetzgeber im BiRiLiG 1985 nicht umsetzte.7 In Art. 19 der Richtlinie 83/349/EWG wurde die sogenannte echte angelsächsische Methode der Kapitalkonsolidierung, die auch als Erwerbsmethode bezeichnet wird, zur Kapitalkonsolidierung vorgeschrieben. Ausgangspunkt dieser Methode ist die Fiktion, dass beim Kauf der Anteile eines Tochterunternehmens nicht die Anteile, sondern wirtschaftlich die dahinterstehenden einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden erworben werden. Tochterunternehmen sind unabhängig vom Anteilsbesitz in vollem Umfang in den Konzernabschluss einzubeziehen (Vollkonsolidierung). Bei Anwendung der Erwerbsmethode sind die in den Vermögensgegenständen und Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und Sonderposten steckenden stillen Reserven und Lasten aufzudecken; allerdings erlaubte die Richtlinie 83/349/EWG eine anteilige oder vollständige Aufdeckung der stillen Reserven (Buchwertmethode oder Neubewertungsmethode). Die stillen Reserven und Lasten werden zwar bei der erstmaligen Konsolidierung erfolgsneutral aufgedeckt, um den 1 Publizitätsgesetz (PublG) v. 15.8.1969, BGBl. I 1969, 1189. 2 Siebente Richtlinie des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages (83/349/ EWG), ABl. EG 1983 Nr. L 193, 1 ff. 3 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 4 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes und dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/4268, 2 ff. 5 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes und dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/4268, 89 ff. 6 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes und dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/4268, 113. 7 Vgl. Biener, DB 1983, Beil. 19, 15 f.

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Vor §§ 290–315e Rz. 9 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung Gedanken der Erwerbsmethode umzusetzen, sie werden aber in den kommenden Jahren über eine Fortschreibung der stillen Reserven und Lasten in den Vermögensgegenständen (einschließlich Geschäfts- oder Firmenwert) und Schulden sowie Rechnungsabgrenzungs- und Sonderposten ergebniswirksam aufgelöst. 9

Im Folgenden sind die wesentlichen Leitlinien aus der Umsetzung des BiRiLiG aufgeführt, die auch aktuell noch Bestand haben: (a) Jedes Mutterunternehmen ist grundsätzlich zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet; auch wenn es seinerseits Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens ist. Die Einführung der Verpflichtung zur Aufstellung von Teilkonzernabschlüssen (Tannenbaumprinzip) wird durch Befreiungsvorschriften erleichtert. (b) Im Konzernabschluss ist die wirtschaftliche Einheit Konzern als eine Gruppe rechtlich selbständiger Unternehmen so darzustellen, als ob diese Unternehmen insgesamt ein einziges Unternehmen wären (§ 297 Abs. 3 Satz 1 HGB). Der dort kodifizierte Einheitsgrundsatz stellt das wichtigste Konsolidierungsprinzip dar.1 (c) Konzernrechnungslegung ist nach § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB am angelsächsischen Prinzip des „True and Fair View“ ausgerichtet, dh. der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Einblicks in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der rechnungslegenden Einheit unter Beachtung der GoB. (d) Ansatz- und Bewertungsentscheidungen für den Jahresabschluss binden nicht bei der Aufstellung des Konzernabschlusses (§ 300 Abs. 2 Satz 2 HGB), so dass eine eigenständige Bilanzierungspolitik möglich ist. (f) Der erweiterte Konsolidierungsbereich umfasst nicht nur Tochterunternehmen, sondern in Abhängigkeit von der Intensität der Einflussnahme auch andere Unternehmen (Stufenkonzept): Gemeinschaftsunternehmen sind solche Unternehmen, die von einem Mutterunternehmen zusammen mit einem anderen, nicht verbundenen Unternehmen geführt werden. Gemeinschaftsunternehmen dürfen nach § 310 Abs. 1 HGB entsprechend den Anteilen am Kapital, die dem Mutterunternehmen gehören, einbezogen werden (anteilmäßige Konsolidierung, Quotenkonsolidierung). Im Unterschied zur Vollkonsolidierung werden die Vermögensgegenstände, Schulden, Aufwendungen und Erträge anteilig auf die verschiedenen Gesellschafter aufgeteilt. Alternativ können sie nach der Equity-Methode bewertet werden; statt der anteiligen Vermögensgegenstände und Schulden, wird der Saldo – das Reinvermögen (Eigenkapital) – im Konzernabschluss erfasst. (g) Das Konzernrechnungslegungsrecht kennt darüber hinaus assoziierte Unternehmen, auf die ein sog. maßgeblicher Einfluss ausgeübt werden kann. Diese sind nach der Equity-Methode zu bewerten. Statt der Vermögensgegenstände und Schulden des assoziierten Unternehmens wird dessen Reinvermögen in die Konzernbilanz übernommen; Ergebnisanteile werden in der Konzern-GuV unabhängig von der Ausschüttung bzw. Entnahme gesondert ausgewiesen.

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1990 wurden auf der Basis der Richtlinie 86/635/EWG (EG-Bankbilanzrichtlinie)2 mit dem BaBiRiLiG bankspezifische Vorschriften zur Konzernrechnungslegung geschaffen,3 so dass gem. § 340i HGB Kreditinstitute als Mutterunternehmen – unabhängig von Rechtsform und Größe – zur Aufstellung von Konzernabschlüssen verpflichtet sind. 1994 folgten mit der Umsetzung der Richtlinie 91/674/EWG (EG-Versicherungsbilanzrichtlinie)4 im VersBiRiLiG versicherungsspezifische Konzernrechnungslegungsvorschriften,5 die die Aufstellung von Konzernabschlüssen unabhängig von Rechtsform und Größe vorschreiben (§ 341i HGB).

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Die Richtlinie 90/605/EWG6 aus 1990 wurde in Deutschland erst durch das KapCoRiLiG7 2000 umgesetzt. Damit sind auch Personenhandelsgesellschaften verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder eine OHG, KG oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter ist (§ 264a Abs. 1 HGB). Damit wurden auch sog. kapitalistische Personenhandelsgesellschaften, zB AG & Co. KG, GmbH & Co. KG, konzernrechnungspflichtig. 1 Vgl. Baetge/Kirsch in HdKR2, § 297 HGB Rz. 72; Scherrer, Konzernrechnungslegung3, 97; der allerdings statt Einheitsgrundsatz den Begriff der Einheitstheorie verwendet. 2 Richtlinie des Rates v. 8.12.1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (86/635/EWG), ABl. EG 1986 Nr. L 372, 1 ff. 3 Bankbilanzrichtlinie-Gesetz v. 30.11.1990, BGBl. I 1990, 2570. 4 Richtlinie des Rates v. 19.12.1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (91/674/EWG), ABl. EG 1991 Nr. L 374, 7 ff. 5 Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz v. 24.6.1994, BGBl. I 1994, 1377. 6 Vgl. Richtlinie des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), ABl. EG 1990 Nr. L 317, 60 ff. 7 Vgl. Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154.

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Rz. 18 Vor §§ 290–315e

III. Einfluss von IFRS/IAS und US-GAAP: KapAEG, KonTraG und TransPuG In den 1990er Jahren kam die Konzernrechnungslegung nach HGB unter Druck: Die Daimler-Benz AG 12 legte als erstes deutsches Unternehmen in einem Registration Statement nach Form 20-F v. 17.9.1993 neben dem deutschen Konzernabschluss nach §§ 290–315 HGB einen nach US-GAAP übergeleiteten Konzernabschluss vor, um eine Notierung an der US-Börse zu erreichen.1 Um für internationale Kapitalgeber attraktiver zu werden, stellten andere Konzerne einen sog. dualen Konzernabschluss auf, dh. einen einzigen Konzernabschluss, der den Regeln der §§ 290–315 HGB und auch internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen entsprechen sollte. Dabei sollten die Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte so ausgeübt worden sein, dass die Rechnungslegungsgrundsätze zweier unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme eingehalten werden konnten. Der deutsche Gesetzgeber griff die Entwicklung 1998 auf und schuf mit dem KapAEG2 den § 292a HGB 13 aF, der international anerkannte Konzernrechnungslegungsgrundsätze an Stelle des HGB-Konzernabschlusses setzte. Ein solcher Abschluss war befreiend, wenn er nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt worden war; faktisch wurde auf Konzernabschlüsse nach US-GAAP bzw. IAS/IFRS verwiesen. Der Konzernabschluss musste zudem im Einklang mit der Richtlinie 83/349/ EWG stehen und in seiner Aussagekraft einem nach §§ 290–315 HGB aufgestellten Konzernabschluss und Konzernlagebericht gleichwertig sein. Die Regelung des § 292a HGB war in Erwartung EU-rechtlicher Regelungen bis zum 31.12.2004 befristet. Mit dem KonTraG3 wurde 1998 die Konzernrechnungslegung börsennotierter Unternehmen um eine Kapi- 14 talflussrechnung und eine Segmentberichterstattung als Teil des Konzernabschlusses erweitert (§ 297 HGB). Mit dem TransPuG4 wurden in 2002 Wahlrechte der Neubewertung beim Entstehen des Konzerns, der 15 Zwischenergebniseliminierung und vom Grundsatz der einheitlichen Bewertung gestrichen, um das HGB an international übliche Regelungen anzunähern. Darüber hinaus wurden die Kapitalflussrechnung und die Segmentberichterstattung eigenständige Bestandteile des Konzernabschlusses; der Konzernabschluss ist seitdem auch um einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern. Diese Regelungen betrafen kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen, nicht mehr allein börsennotierte.

IV. Konzernrechnungslegung nach IFRS: EU-Verordnung 1606/2002 und BilReG Seit der IFRS-Verordnung Nr. 1606/20025 müssen kapitalmarktorientierte Gesellschaften mit Sitz in der 16 EU für Geschäftsjahre, die nach dem 1.1.2005 beginnen, konsolidierte Abschlüsse aufstellen, die den IFRS entsprechen. Allerdings müssen die IFRS von der EU in einem sog. Komitologieverfahren übernommen werden (Endorsement). Für Gesellschaften, deren Wertpapiere in einem Nichtmitgliedstaat oder die nur Schuldtitel in einem Mitgliedstaat zum öffentlichen Handel zugelassen waren, galt eine Übergangsfrist bis zum 1.1.2007. Die Regelung galt direkt und musste nicht in deutsches Recht transformiert werden. Mit dem BilReG6 wurden Wahlrechte aus der IFRS-Verordnung Nr. 1606/2002 in deutsches Recht trans- 17 formiert. Nach § 315a Abs. 2 HGB sind in Erweiterung des Art. 4 der IFRS-Verordnung Nr. 1606/2002 auch deutsche Unternehmen, die am Bilanzstichtag eine Zulassung eines Wertpapiers an einem organisierten Markt beantragt haben, verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. Nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen iSd. EU-Verordnung und § 315a Abs. 2 HGB können einen befreienden IFRS-Abschluss erstellen (§ 315a Abs. 3 HGB – jetzt § 315e Abs. 3 HGB). Allerdings sind die Vorschriften zur Aufstellungspflicht nach §§ 290–293 HGB, des Konzernlageberichts § 315 – jetzt §§ 315– 315d HGB – und über die Verwendung der deutschen Sprache und des Euro (§ 244 HGB) sowie vereinzelte Regelungen des Konzernanhangs zu beachten. Durch das BilReG wurde der Umfang des Konzernabschlusses nochmals angepasst: Gem. § 297 Abs. 1 sind Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel sowie wahlweise die Segmentberichterstattung Bestandteil des Konzernabschlusses nach HGB.

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Vgl. Liener, ZfB 65 (1995), 741; Bruns, WPK-Mitt. 1997, 31. Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) v. 20.4.1998, BGBl. I 1998, 707. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts zu Transparenz und Publizität (TransPuG) v. 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681. 5 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG 2002 Nr. L 243, 1 ff. 6 Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166.

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Als Reaktion auf europäische Bilanzskandale und um das verlorene Anlegervertrauen wiederzugewinnen, wurden mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)1 für Geschäftsjahre beginnend nach dem 31.12.2006 die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften dazu verpflichtet, eine schriftliche Versicherung abzugeben, dass der Konzernabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt („Bilanzeid“).2

V. Veränderungen durch das BilMoG 20

Das Konzernrechnungslegungsrecht stand zwar nicht im Fokus des BilMoG3, dennoch wurde nahezu jede Vorschrift verändert, um eine weitere Annäherung des HGB an die IFRS zu erreichen: (a) Voraussetzung für die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ist nunmehr allein der Grundsatz der möglichen Beherrschung auf ein Tochterunternehmen (§ 290 Abs. 1 Satz 1 HGB); das deutsche Konzept der ausgeübten einheitlichen Leitung und die Forderung nach einer Beteiligung iSd. § 271 Abs. 1 HGB wurden aufgegeben. (b) Deutlich erweitert wurde die Konzernrechnungslegungspflicht für sog. Zweckgesellschaften, die dem Geschäftsbetrieb zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dienen; Beispiele sind Leasinggeschäfte, ausgelagerte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten oder Verbriefungsgeschäfte. (c) Die bisher für die Konsolidierung alternativ zulässige Buchwertmethode gem. § 301 Abs. 1–3 HGB aF, die eine anteilige Aufdeckung stiller Reserven erlaubte, wurde aufgegeben. Die vollständige Aufdeckung stiller Reserven und Lasten iSd. Neubewertungsmethode ist allein zulässig. (d) Die Neufassung des § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB verminderte die Wahlrechte zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung. (e) Nach der Aufhebung des § 301 Abs. 3 Satz 3 HGB aF ist die Verrechnung von aktiven und passiven Unterschiedsbeträgen nicht mehr zugelassen. (f) Die Neufassung des § 301 Abs. 4 HGB regelt den Ausweis eigener Anteile des Mutterunternehmens. Diese sind beim Mutterunternehmen von dem Eigenkapital abzusetzen. Anteile, die ein Tochterunternehmen am Mutterunternehmen hat (Rückbeteiligungen), sind auf der Ebene des Konzerns wie eigene Anteile des Mutterunternehmens zu behandeln. (g) § 302 HGB betreffend die Kapitalkonsolidierung bei Interessenzusammenführung wurde durch das BilMoG aufgehoben. Die von der Erwerbsmethode abweichende Methode der Kapitalkonsolidierung war praktisch bedeutungslos. (h) § 308a HGB verlangt erstmalig die Umrechnung von auf fremde Währung lautenden Abschlüssen nach der Stichtagskursmethode. (i) Während nach § 309 aF HGB für den Geschäfts- oder Firmenwert mehrere Abschreibungsalternativen und eine Verrechnung mit den Rücklagen zulässig waren, ist nunmehr vorgeschrieben, dass sich die Abschreibung eines nach § 301 Abs. 3 HGB auszuweisenden Geschäfts- oder Firmenwerts nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts bestimmt. (j) In § 312 Abs. 1 HGB hat das BilMoG die bisher zulässige Kapitalanteilmethode als zulässiges Verfahren der Equitymethode für assoziierte Unternehmen aufgegeben. Anwendbar ist nunmehr ausschließlich die Buchwertmethode.

VI. Richtlinie 2013/34/EU des europäischen Parlaments und des Rates und BilRUG sowie Richtlinie 2014/95/EU (CSR-Richtlinie) und CSR-RichtlinieUmsetzungsgesetz 21

Mit dem BilRUG4 wurde die Richtlinie 2013/34/EU5 in deutsches Recht umgesetzt. Dabei wurden eine Vielzahl von Vorschriften angepasst (ua. Anhebung der Größenkriterien, Einbeziehungszeitpunkt von 1 2 3 4 5

Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. Vgl. Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 143 (Stand Sept. 2007). Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 23.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/ 660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU v. 29.6.2013 Nr. L 182, 19 ff.

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Rz. 27 Vor §§ 290–315e

Tochterunternehmen und assoziierten Unternehmen, Behandlung von Unterschiedsbeträgen aus der Kapitalkonsolidierung, latente Steuern und Zwischenergebniseliminierung bei assoziierten Unternehmen, Anhang- und Lagebericht), ohne dass es bedeutende Veränderungen gab. Klarstellungen gab es bei den Befreiungsvorschriften gem. § 291 HGB; eine umfassende Neuformulierung gab es bei § 292 HGB, in den die Konzernabschlussbefreiungsverordnung integriert und angepasst wurde.1 Mit der Richtlinie 2014/95/EU (CSR-Richtlinie)2 bzw. dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz3 werden ka- 22 pitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften sowie große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen als Mutterunternehmen zur Berichterstattung im Konzernlagebericht oder in gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichten (§§ 315–315d HGB) über wesentliche nichtfinanzielle Aspekte, insbes. zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, Achtung der Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung, bei bestimmten Unternehmen auch zu Diversitätskonzepten für Leitungsorgane verpflichtet.

VII. Perspektiven der Konzernberichterstattung? Durch die Einführung der kommunalen und der staatlichen Doppik (§ 7a HGrG iVm. Landesgesetzen, 23 bspw. §§ 77, 95 GemO Bad.-Württ.) ist in Deutschland die Aufstellung von konsolidierten Gesamtabschlüssen im kommunalen Bereich normiert worden. Fragen zur Konzernrechnungslegung der öffentlichen Hand sind in vielen Kommunen aktuelles Thema.4 Auch wenn (noch) nicht Gegenstand der Konzernlageberichterstattung, haben große Kapitalgesellschaften 24 und ihnen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften des Rohstoffsektors erstmals für das abgelaufene kalenderjahrgleiche Geschäftsjahr 2016 einen (Konzern-)Zahlungsbericht zu erstellen und offenzulegen, in dem sie über bestimmte Zahlungen an staatliche Stellen berichten.5 Aus dem Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen6 könnten für Unternehmen mit 25 idR mindestens 500 Beschäftigten, soweit diese nach dem HGB lageberichtspflichtig sind, weitere Berichtpflichten entstehen. Zur Umsetzung der betrieblichen Prüfverfahren – nicht der Berichterstattung – gelten in Konzernen besondere Vorschriften für das herrschende Unternehmen. Dabei wird allerdings auf den Konzernbegriff des § 18 AktG verwiesen.

VIII. Deutsche Rechnungslegungsstandards zur Konzernrechnungslegung Mit dem KonTraG wurde 1998 in Deutschland erstmalig auch ein vom BMJ anerkanntes privates Rechnungslegungsgremium geschaffen. Aufgabe dieses Gremiums – Deutsches Rechnungslegungs Standard Committee (DRSC) – ist es gem. § 342 Abs. 1 HGB – Empfehlungen zu Grundsätzen der Konzernrechnungslegung zu entwickeln; – das BMJ bei Gesetzesvorhaben zur Rechnungslegung zu beraten; – Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien zu vertreten.

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Von den Empfehlungen des Deutschen Standardisierungsrats (DSR), die das Bundesministerium der 27 Justiz bekannt macht, wird vermutet, dass sie Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung der Konzernrechnungslegung darstellen (§ 342 Abs. 2 HGB). Die Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) sind grundsätzlich anzuwenden, wenn sie der jeweiligen gesetzlichen Zielsetzung entsprechen; dieses ist bei der jeweiligen Anwendung zu prüfen. Ein Abweichen von der Einhaltung der DRS kann aufgrund der berufsständischen Bindungswirkung zu Auswirkungen für den Bestätigungsvermerk führen.7 Ungeachtet 1 Vgl. Zwirner/Busch, DK 2016, 113 ff. 2 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/ 34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU v. 15.11.2014 Nr. L 330, 1 ff. 3 CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 4 Vgl. Müller-Marqués Berger/Wirtz, WPg. 2012, 1025 ff.; Müller-Marqués Berger/Braun WPg. 2014, 200 ff. 5 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.12.2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik, ABl. EU 30.12.2006 Nr. L 393/1 ff.; NACE steht für „Nomenclature statistique des activités économiques“; IDW Praxishinweis: Erstellung von (Konzern-)Zahlungsberichten (IDW Praxishinweis 1/2017) (Stand: 18.1.2017), IDW Life 2017, 259 ff.; Bischoff/ Kreipl/Müller, WPg. 2016, 288 (290 ff.). 6 Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen v. 30.6.2017, BGBl. I 2017, 2152. 7 Vgl. Schmidt/Holland in Beck BilKomm.10, § 342 HGB Rz. 19.

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Vor §§ 290–315e Rz. 28 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung dessen wird dem Bilanzersteller von Seiten des Gesetzgebers keine explizite Bindung an die DRS auferlegt.1 Der gesetzliche Vorrang des HGB bleibt erhalten.2 Die Aufgabe der DRS liegt in der Konkretisierung der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zur Konzernrechnungslegung; es kann weder gesetzliche Wahlrechte explizit einschränken noch gesetzlichen Vorschriften widersprechen.3 Folglich wird die prinzipienorientierte Rechnungslegung gemäß HGB um die kasuistischen DRS ergänzt. Dieser Überlegung folgend sind uE die DRS den HGB-Normen nicht gleichgestellt, sondern stellen eine mögliche, aber vermutet richtige, Auslegungshilfe für die Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung dar. 28

Die Rechtsnatur der DRS war insbes. zu Beginn strittig. Unstrittig waren allein jene Regelungen, die Lücken des HGB, beispielsweise zur Kapitalflussrechnung, ausfüllten. Die kontroverse Einschätzung resultierte insbes. aus der Tatsache, dass die DRS explizite Wahlrechte des HGB eingrenzten. Durch das Beschneiden dieser expliziten Wahlrechte im HGB sind diese Punkte in den letzten Jahren weniger bedeutsam. Allerdings können auch weiterhin andere Vorgehensweisen im Rahmen der Konzernrechnungslegung als die in den DRS vorgegeben als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bzw. Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung gelten.

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Vom DSR wurden bisher die folgenden für den Konzernabschluss geltenden DRS verabschiedet, die aktuell zu beachten sind, wenn ein DRS-konformer Konzernabschluss aufgestellt werden soll:4 – DRS 3: Segmentberichterstattung – DRS 4: Unternehmenserwerb im Konzernabschluss (letztmals für vor dem 1.1.2017 beginnende Geschäftsjahre zu beachten) – DRS 7: Konzerneigenkapital und Konzerngesamtergebnis – DRS 8: Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen im Konzernabschluss – DRS 9: Bilanzierung von Anteilen an Gemeinschaftsunternehmen im Konzernabschluss – DRS 13: Grundsatz der Stetigkeit und Berichtigung von Fehlern – DRS 16: Halbjahresfinanzberichterstattung – DRS 17 (geändert 2010): Berichterstattung über die Vergütung der Organmitglieder – DRS 18: Latente Steuern – DRS 19: Pflicht zur Konzernrechnungslegung und Abgrenzung des Konsolidierungskreises – DRS 20: Konzernlagebericht – DRS 21: Kapitalflussrechnung – DRS 22: Konzerneigenkapital – DRS 23: Kapitalkonsolidierung (Einbeziehung von Tochterunternehmen in den Konzernabschluss) – DRS 24: Immaterielle Vermögensgegenstände im Konzernabschluss

B. Zwecke der Konzernrechnungslegung I. Eingeschränkte Funktion von Jahresabschlüssen bei verbundenen Unternehmen 30

Ein Konzern kann betriebswirtschaftlich als Gesamtheit rechtlich selbständiger Unternehmen verstanden werden, die als Planungs-, Koordinierungs- und Steuerungseinheit definiert wird und über die Grenzen der einzelnen rechtlich selbständigen Unternehmen hinweg wie ein Einheitsunternehmen geführt wird. Kennzeichen eines Konzerns ist stets die mehr oder minder eingeschränkte Autonomie der einzelnen rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen. Die Regelungen zum Jahresabschluss gem. §§ 238–289f HGB orientieren sich am Leitbild des rechtlich selbständigen und wirtschaftlich unabhängigen Unternehmens. In den Jahresabschlüssen der in einem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen kann die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage durch die mehr oder minder eingeschränkte Autonomie der einzelnen Unternehmen verzerrt werden, weil die geschäftlichen Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen anders zu beurteilen sind als jene zwischen nicht nur rechtlich selbständigen, sondern auch wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen. Häufig halten diese Geschäftsbeziehungen keinem Drittvergleich zwischen unabhängi1 Vgl. ua. Böcking/Dutzi in BKT, Bilanzrecht, § 342 HGB Rz. 76 f., mwN (Stand April 2012); aA Hoffmann/Lüdenbach, NWB Komm. Bilanzierung8, § 297 HGB Rz. 2, die von fehlender GoB-Konformität ausgehen. 2 Vgl. Moxter, DB 1998, 1425 (1427); Schmidbauer, DStR 2001, 365 (371). 3 Vgl. Schmidbauer, DStR 2001, 365 (371). 4 Vgl. http://www.drsc.de/verlautbarungen/ (Stand 2.5.2017).

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B. Zwecke der Konzernrechnungslegung

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Rz. 35 Vor §§ 290–315e

gen Personen stand, sondern folgen einem übergeordneten Interesse des herrschenden Unternehmens oder der Gruppe der wirtschaftlich abhängigen Unternehmen. Gläubiger oder einzelne Eigentümergruppen rechtlich selbständiger, aber wirtschaftlich abhängiger Unternehmen können somit besonderen Risiken und Belastungen ausgesetzt sein, weil zwischen diesen Unternehmen Sachverhaltsgestaltungen möglich sind, so dass die Zahlungsbemessungs- und Informationsfunktion des Jahresabschlusses rechtlich selbständiger, aber wirtschaftlich abhängiger Unternehmen beeinträchtigt werden können.1 Bei rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen können beispielsweise fun- 31 damentale Prinzipien der Gewinn- und Vermögensermittlung umgangen werden. Das Realisationsprinzip bindet zwar die Gewinnentstehung an die Bestätigung des Verkaufs durch den Übergang von Besitz, Lasten und Nutzen; wird jedoch von einem rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen U1 an ein anderes Konzernunternehmen U2 (zu Marktpreisen) geliefert, realisiert das liefernde Unternehmen U1 einen Gewinn, der aus Konzernsicht noch mit Absatzrisiken verbunden ist, da kein Markterfolg bzw. keine Gewinnbestätigung durch unabhängige Dritte vorliegt. Im Jahresabschluss eines wirtschaftlich abhängigen, aber rechtlich selbständigen Unternehmens wird damit bereits ein Ertrag realisiert, obwohl möglicherweise nur Risiken an ein anderes Konzernunternehmen verschoben wurden (Zwischengewinnrisiko).2 Bei einem nicht marktüblichen Preis kommen zum Zwischengewinnrisiko noch Vermögensverlagerungsrisiken zwischen den rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen hinzu.3 Durch konzerninterne Kreditgewährungen kann eine Liquidität bei einzelnen Konzernunternehmen in 32 deren Jahresabschluss gezeigt werden, die von anderen Konzernunternehmen „geborgt“ wurde, obwohl Dritte möglicherweise nicht bereit gewesen wären, dem Unternehmen einen Kredit zu gewähren (Kreditgewährungen ohne ausreichende Sicherheiten oder gar ohne Gegenleistung).4 Weitere Beispiele für Konzernkonflikte sind die Verrechnung von Konzernumlagen, der Abschluss nicht 33 marktüblicher Beratungs- und Lizenzverträge, Effektentausch oder Abgabe von Grundstücken, Übertragung von Patenten und Know-how, Auftragsabgabe, die Einstellung aussichtsreicher Entwicklungen oder die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen und Geschäftschancen für eigene Interessen.5 Weiter ist zu beachten, dass es zur Verschiebung von Verfügungsrechten bei (mehrstufigen) Konzernen zugunsten des Managements der Obergesellschaft auf Kosten der Aktionäre der Obergesellschaft kommen kann. Die Gewinnverwendung eines Tochterunternehmens liegt in der Hand der Verwaltung der Obergesellschaft, so dass ein verbundenes Unternehmen zur „Spardose“ werden kann. Die Gesellschafter der Obergesellschaft laufen Gefahr, ihre Gewinnverwendungskompetenz zu verlieren.6 Die Empirie scheint diese Tendenz bei der Gewinnverwendung in deutschen Konzernen zu bestätigen.7 Ebenfalls könnte das Management der Obergesellschaft die bei Kapitalerhöhungen notwendige Zustimmung der Gesellschafter umgehen, wenn stattdessen Anteile von Tochterunternehmen an Konzernfremde verkauft werden, ohne die Beherrschung aufzugeben.8

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Typisch für verbundene Unternehmen sind auch Fehleinschätzungen aus den Jahresabschlüssen über die 35 Finanzierung (Kapitalstrukturrisiken). Eigenkapital wird durch einen Pyramideneffekt mehrfach erfasst, obwohl möglicherweise ein Haftungsverbund besteht, der eine Risikoseparation verhindert. Fremdkapital kann intern als Eigenkapital weitergeleitet werden.9 Die im X-Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen haben folgende Bilanzen (in Mio. €; Der Wert der Beteiligungen in der Bilanz des herrschenden (Mutter)Unternehmens entspricht zur Vereinfachung dem Eigenkapital in der Bilanz der Beteiligungen):10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 22 f.; Ebeling, Einheitsfiktion, 55. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 22 f.; Ebeling, Einheitsfiktion, 59–66. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 22 f.; Ebeling, Einheitsfiktion, 73. Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 12. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 26. Ordelheide, BFuP 1986, 293 (308) spricht von einer „Spardose“; Schneider, ZGR 1984, 497 (502), spricht vom „Tresoreffekt“. Siehe auch Priester, ZHR 176 (2012), 268 ff.; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 22–24; Ebeling, Einheitsfiktion, 68 f.; Lehertshuber, Unternehmensvertragsrecht, 122–124; Theisen, ZHR 156 (1992), 174 ff. Vgl. Linnhoff/Pellens, ZfbF 39 (1987), 987 (994 ff.); Pellens, Aktionärsschutz im Konzern, 128–136; Kühnberger/ Schmidt, ZfB 69 (1999), 1263 (1275 ff.). Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 23. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 23; Ebeling, Einheitsfiktion, 71 f. Siehe auch Volkart, Unternehmensfinanzierung, 44. Vgl. Volkart, Unternehmensfinanzierung, 44.

Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 36 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung Bilanz X-Holding per Ende 20x1 Beteiligungen Umlaufvermögen

95 Eigenkapital 5 Fremdkapital 100

60 40 100

Bilanz A-Tochter per Ende 20x1 Anlagevermögen Umlaufvermögen

75 Eigenkapital 75 Fremdkapital 150

60 90 150

Bilanz B-Tochter per Ende 20x1 Anlagevermögen Umlaufvermögen

40 Eigenkapital 30 Fremdkapital 70

35 35 70

Die einzelnen Gesellschaften haben folgende Eigenkapitalquoten: – Holding-(Mutter-)Gesellschaft X-Konzern 60 % – A-Tochter 40 % – B-Tochter 50 % Konsolidiert ergibt sich folgende Konzern-Bilanz: Konsolidierte Bilanz X-Konzern per Ende 20x1 Anlagevermögen Umlaufvermögen

115 Eigenkapital 110 Fremdkapital 225

60 165 225

Die Konzern-Eigenkapitalquote liegt nicht zwischen 40 und 60 %, sondern beträgt 60/ 225 ≈ 27 %, was durch den „Schachteleffekt“ des Fremdkapitals bedingt ist, das intern als Eigenkapital weitergeleitet wird; außerdem wird das Eigenkapital des herrschenden Unternehmens auch in den Bilanzen der Tochterunternehmen erneut aufgeführt. 36

Um diesen Gefahren zu begegnen, bestehen im handelsrechtlichen Jahresabschluss für sog. verbundene Unternehmen nach § 271 Abs. 2 HGB erweiterte Gliederungsvorschriften, um Kapitalbeziehungen und sonstige Geschäftsbeziehungen aufzuzeigen: – Anteile an verbundenen Unternehmen im Anlagevermögen (§ 266 Abs. 2 A. III 1 HGB); – Ausleihungen an verbundene Unternehmen (§ 266 Abs. 2 A. III 2 HGB); – Forderungen gegen verbundene Unternehmen (§ 266 Abs. 2 A. III 3 HGB); – Anteile an verbundenen Unternehmen im Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 A. III 1 HGB); – Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (§ 266 Abs. 3 A. III 2 HGB) – Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (§ 266 Abs. 3 C. 6 HGB); – Haftungsverhältnisse gegenüber verbundenen Unternehmen (§ 268 Abs. 7 Nr. 3 HGB); – Erträge aus Beteiligungen und anderen Wertpapieren des Finanzanlagevermögens an verbundenen Unternehmen sowie Erträge aus Ausleihungen an verbundenen Unternehmen (§ 275 Abs. 2 Nr. 9, 10 HGB sowie Abs. 3 Nr. 8, 9 HGB); – Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge aus verbundenen Unternehmen sowie Zinsen und ähnliche Aufwendungen an verbundenen Unternehmen (§ 275 Abs. 2 Nr. 11, 13 HGB sowie Abs. 3 Nr. 10, 12 HGB); – Sonstige finanzielle Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz erscheinen und auch nicht nach § 251 HGB anzugeben sind, sofern diese Informationen für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung sind und die Verpflichtungen gegenüber verbundenen Unternehmen bestehen (§ 285 Nr. 3a HGB). 988

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B. Zwecke der Konzernrechnungslegung

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Rz. 40 Vor §§ 290–315e

– Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den größten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der von diesem Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist (§ 285 Nr. 14 HGB); – Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den kleinsten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der von diesem Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist (§ 285 Nr. 14a HGB); – zumindest die wesentlichen, nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen, einschließlich Angaben zur Art der Beziehung, zum Wert der Geschäfte sowie weiterer Angaben, die für die Beurteilung der Finanzlage notwendig sind, wenn kein 100 %iger Anteilsbesitz vorliegt (§ 285 Nr. 21 HGB) Weitere Berichtspflichten ergeben sich aus dem Aktienrecht: Der Vorstand hat gegenüber dem Aufsichtsrat über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen iSd. AktG und geschäftliche Vorgänge zu berichten (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AktG); Aktionäre haben Auskunftsrechte zu verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG).1

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Im Einzelabschluss sind keine Regelungen zur Transferpreisermittlung – wie im Rahmen der steuerlichen 38 Gewinnermittlung – eingeführt worden; auch eine Korrektur (außerhalb) der Gewinnermittlung durch ein Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage wird handelsbilanzrechtlich nicht verfolgt. Damit kann es zu einer Ausschüttung wirtschaftlich nicht realisierter Gewinne kommen, weil die faktischen Einzelerfolge der Konzernunternehmen im jeweiligen Jahresabschluss nicht angepasst werden.2 Trotz dieser Berichtspflichten über Transaktionen mit verbundenen Unternehmen in den jeweiligen Jah- 39 resabschlüssen der verbundenen Unternehmen kann daher die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns als Gruppe rechtlich selbständiger, aber wirtschaftlich abhängiger Unternehmen insgesamt nicht aus der Vielzahl von Jahresabschlüssen der jeweiligen verbundenen Unternehmen bestimmt werden:3 Konzerninterne Kapitalbeziehungen sowie Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen werden weiterhin ausgewiesen und deren Wirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht neutralisiert. Zudem können bestimmte Jahresabschlüsse fehlen: Kleine oder möglicherweise ausländische Kapitalgesellschaften sowie Personengesellschaften, die nicht unter das PublG oder § 264a HGB fallen, sind nicht publizitätspflichtig. Die Gesamtheit der Einzelabschlüsse der verbundenen Unternehmen kann somit einen konsolidierten Abschluss der gesamten Gruppe (Konzernabschluss) nicht ersetzen.4 Durch einen ergänzend aufzustellenden Konzernabschluss sollen die potenziellen Informationsmängel der Einzelabschlüsse kompensiert werden. Neben diesen Transparenzvorschriften im Jahres- bzw. Konzernabschluss nach HGB treten noch die kon- 40 zernrechtlichen Schutzvorschriften des AktG bzw. des GmbH-Konzernrechts, um Minderheitsgesellschafter und Gläubiger verbundener Unternehmen zu schützen (s. Anh. 2 zu § 290 HGB: Unternehmensverbindungen und Konzernrecht): – Im faktischen Konzern ist nach § 311 AktG ein Nachteilsausgleich und die Erstellung eines Abhängigkeitsberichts nach § 312 AktG vorgesehen, der Vermögensverlagerungen ausgleichen soll. – Im Vertragskonzern ist bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags bei Verbleib der Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss eines Tochterunternehmens ein fester Ausgleich gem. § 304 AktG zu zahlen; bei Ausscheiden ist eine Abfindung gem. § 305 AktG anzubieten. Gläubiger werden durch die Erhaltung der bilanziellen Substanz (§§ 300–303 AktG), insbes. eine Verlustübernahme (§ 302 AktG) und Sicherheitsleistung bei Vertragsbeendigung (§ 303 AktG) geschützt. – Im Eingliederungskonzern ist ein zwangsläufiges Ausscheiden der Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss gegen eine Abfindung nach § 320 Abs. 5 AktG vorgesehen. Um die Gläubiger im Eingliederungskonzern zu schützen, erhalten diese gem. §§ 321, 322 AktG einen Anspruch auf Sicherheitsleistung bzw. die Hauptgesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft; § 324 Abs. 3 AktG sieht zudem eine Verlustausgleichspflicht beim Tochterunternehmen vor.5 1 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 16. 2 Vgl. Ordelheide, ZfbF 39 (1987), 975 (984 ff.), dort wird auch ein Blick auf die Alternativen geworfen: (1) Fiktion der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Tochterunternehmen, die grds. im Steuerrecht angestrebt wird, und (2) Fiktion der rechtlichen Einheit des Konzerns, wie sie grds. im Konzern verfolgt wird, ohne dass dort Ausschüttungskonsequenzen folgen; von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 7 (Stand Nov. 2011). 3 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 50. 4 Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 13. 5 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 41; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 74 Rz. 55–58.

Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 41 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung

II. Der Konzernabschluss als Informationsinstrument für externe Anspruchsgruppen 41

Der Konzernabschluss besteht nach § 297 Abs. 1 HGB aus der Konzernbilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, dem Konzernanhang, der (Konzern-)Kapitalflussrechnung sowie dem (Konzern-)Eigenkapitalspiegel. Er wird ergänzt durch einen Konzernlagebericht (§§ 315–315d HGB); er kann zudem durch einen Segmentbericht erweitert werden. Im Konzernabschluss werden die in einem Konzern zusammengefassten rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen (Mutterunternehmen und Tochterunternehmen) als eine fiktiv rechtliche Einheit dargestellt (§ 297 Abs. 3 HGB). Die Besonderheit der einzelnen in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen tritt in den Hintergrund.1 Ohne einen Konzernabschluss, in dem die konzerninternen Verrechnungen und Beziehungen eliminiert werden, können der Einfluss der wirtschaftlichen Verflechtungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer wirtschaftlichen Einheit nur unzureichend erfasst, offengelegt und eliminiert werden.

42

Adressaten für den Konzernabschluss sind aktuelle und potenzielle Gesellschafter, Gläubiger, Lieferanten, Kunden und Beschäftigte sowie das Management des Mutterunternehmens, der (einbezogenen) Tochterunternehmen, Gemeinschaftsunternehmen und assoziierten Unternehmen, Regulierer (beispielsweise wird gem. § 10a KWG das Kreditvolumen auf das 18-fache [angepasste] Konzerneigenkapital begrenzt) sowie die Öffentlichkeit. Explizit herausgehoben werden nach § 337 AktG, § 42a Abs. 4 GmbH der Aufsichtsrat und die Gesellschafter des Mutterunternehmens.

43

Der Konzernabschluss entsteht aus den zusammengefassten Jahresabschlüssen der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen zu einem Stichtag, wobei Doppelzählungen aufgrund von Beteiligungs- oder Schuldverhältnissen sowie konzerninterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen herausgerechnet – konsolidiert – werden (Kapitalkonsolidierung, Schuldenkonsolidierung, Zwischenergebniskonsolidierung und Aufwands- und Ertragskonsolidierung). Vorab sind grundsätzlich einheitliche Ansatz-, Bewertungsund Ausweisregeln herzustellen, um eine Vergleichbarkeit der einzelnen Jahresabschlüsse sicherzustellen.

44

Die konsolidierte Rechnungslegung des Konzerns liefert erweiterte Einsichten als es die Einzelabschlüsse der Konzernunternehmen erlauben, weil ein Gesamteinblick über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der gesamten wirtschaftlichen Einheit vermittelt wird (§ 297 Abs. 2 HGB), während die Einzelabschlüsse der einzelnen Konzernunternehmen nur einen begrenzten und verzerrten Einblick geben; auch wenn durch eine Zusammenfassung in einer größeren Berichtseinheit naturgemäß Detailinformationen verloren gehen.2 So kann eine solide Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines einzelnen Konzernunternehmens relativiert werden, wenn die des Konzerns als wirtschaftliche Einheit einen negativen Eindruck hinterlässt. Sollte auf der anderen Seite ein Tochterunternehmen unterkapitalisiert, ertragsschwach oder wenig liquide sein, kann die negative Einschätzung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Tochterunternehmens relativiert werden, wenn der Konzernabschluss eine solide Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirtschaftlichen Einheit erwarten lässt. Jahresabschlüsse der einbezogenen Unternehmen und der Konzernabschluss ergänzen sich wechselseitig, weil neben den Einzelabschlüssen, die über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einzelnen Unternehmen berichten, auch über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns berichtet wird. Ein veröffentlichter Konzernabschluss kann aber die Offenlegung der zum Konzern zählenden Jahresabschlüsse nicht ersetzen.3 Bezogen auf den Jahresabschluss des Mutterunternehmens wird der Informationswert des Konzernabschlusses in aller Regel aber hoch eingeschätzt.4

45

Die Erwartungen an das den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage sollten nicht überschätzt werden, weil die Darstellung der drei Lagen zum einen die systembedingten Einschränkungen der Informationsvermittlung durch Bilanzen, Kapitalflussrechnungen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen beachten muss, die keine Planzahlen zeigen, zum anderen unter dem Vorbehalt der GoB steht. Hintergrund der Einschränkungen sind insbes. Objektivierungen und Normierungen. Um die Nachprüfbarkeit der Informationen zu verbessern, wird beispielsweise dem Realisations- und Anschaffungskostenprinzip im Rahmen der HGB-Rechnungslegung ein besonderer Stellenwert zugemessen; durch die Notwendigkeit der Gewinnrealisation durch eine Verkaufstransaktion und das Festhalten an historischen Anschaffungskosten sind jedoch keine Informationen über Marktpreise von Vermögensgegenständen zu erhalten, was den Informationsgehalt bezüglich der Vermögenslage ein1 Vgl. Busse von. Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 25; Kraft in GroßKomm.5, § 297 HGB Rz. 8; Ebeling, Einheitsfiktion, 6 f. 2 Vgl. Kraft in GroßKomm.5, § 297 HGB Rz. 9. 3 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, Vor § 290 Rz. 31. 4 Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325 (338); Kropff in FS Claussen, 659 (661).

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B. Zwecke der Konzernrechnungslegung

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Rz. 51 Vor §§ 290–315e

schränkt. (Planmäßige) Abschreibungen sind zudem kein Indikator für einen Werteverzehr des Vermögens, sondern dienen der Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer. Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sollten daher nicht mit Hinweisen auf ein Effektivvermögen, eine Zahlungs(un-)fähigkeit oder nachhaltige Entnahmeerwartungen gleichgesetzt werden. Wenn von der Vermögenslage des Konzerns die Rede ist, soll dieser über die Werte der ansatzpflichtigen 46 Vermögensgegenstände informieren (Kapitalverwendung). Weiterhin wird ein unsaldierter Ausweis der Vermögensgegenstände (ohne Abzug von zugeordneten Schulden) gefordert. Unter einer Vermögenslage ist die Aufgliederung der Vermögensgegenstände und Schulden unter Beachtung einer Bewertung zu (fortgeführten) Anschaffungskosten oder uU niedrigeren beizulegenden Werten zu subsumieren, wobei durch Zusammenfassen von Gruppen – Anlage- oder Umlaufvermögen – und die Bildung von Kennzahlen die Struktur des buchhalterisch bestimmten Vermögens deutlich wird. Informationen über die Vermögenslage werden insbes. in der (Konzern-)Bilanz sowie in der Segmentberichterstattung geliefert. Wenn von der Finanzlage des Konzerns die Rede ist, sind damit insbes. Informationen über die Herkunft 47 der finanziellen Mittel gemeint (Kapitalherkunft) und die Höhe der Liquiditätsreserven auf Konzernebene. Von Interesse sind insbes. Informationen über die Fristigkeiten der Verbindlichkeiten bzw. rudimentäre Information über die jeweiligen Gläubiger (beispielsweise Pensionsrückstellungen, Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten). Ein Einblick in die Finanzlage soll durch eine hinreichende Aufgliederung der finanziellen Positionen auf der Aktiv- und Passivseite unter Beachtung von Rechtsverhältnissen und Fristigkeiten erreicht werden. Durch die Aufstellung einer Konzernkapitalflussrechnung sollen die Zahlungsströme auf operativer und investiver Ebene sowie die Finanzierungszahlungen aufgegliedert werden. Wichtige Kennzahlen der Finanzlage des Konzerns sind das Schuldendeckungspotenzial (Verhältnis von Fremdkapital zu Eigen- oder Gesamtkapital) oder der Anlagendeckungsgrad, um einen Eindruck über die Fristenkongruenz der Finanzierung (Anlagevermögen zu Eigenkapital oder Eigenkapital und langfristigen Verbindlichkeiten) zu erhalten. Informationen über die Finanzlage werden insbes. in der (Konzern)Bilanz sowie der (Konzern-)Kapitalflussrechnung geliefert. Wenn von der Ertragslage des Konzerns die Rede ist, sind damit insbes. Informationen über die Ertrags- 48 quellen gefordert. Essenziell ist in diesem Zusammenhang eine Aufspaltung des Konzernergebnisses in seine Teilkomponenten; insbes. die Kostenarten bzw. die relevanten Kostenstellen. Um eine angemessene Darstellung der Ertragslage zu erreichen, sind die Erfolgsquellen – Umsatzerlöse, Zins- und Beteiligungserträge – sowie die Struktur der Aufwendungen aufzuzeigen. Im Rahmen einer Segmentberichterstattung sind Aufwendungen und Erträge, Vermögen und Schulden auf der Ebene von Geschäftsbereichen/Regionen anzugeben. Informationen über die Ertragslage werden insbes. in der (Konzern-)Gewinn- und Verlustrechnung sowie in der Segmentberichterstattung geliefert. Wenn von einer Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage die Rede ist, kann darunter nur 49 eine relative Lage verstanden werden, dh. immer mit Blick auf die eingetretene Veränderung im Vergleich zum Vorjahr oder zu vergleichbaren Unternehmen. Trotz der Fiktion der rechtlichen Einheit bei der Erstellung von konsolidierten Abschlüssen muss beach- 50 tet werden, dass vertragliche Beziehungen weiterhin nur mit dem Mutter- oder dem jeweiligen Tochterunternehmen bestehen und kein Haftungsverbund aus der Tatsache entsteht, dass ein Konzernabschluss der wirtschaftlichen Einheit aufgestellt wird. Auch die Gesellschafter von Tochterunternehmen, die ohne beherrschenden Einfluss sind („Minderheitsgesellschafter“), erhalten die Dividendenzahlungen grds. vom Tochterunternehmen; die Ansprüche der Gläubiger richten sich weiterhin gegen das jeweilige Unternehmen. Um die künftigen Dividendenzahlungen, die Bonität und die Solvenz zu beurteilen, könnte daher angeführt werden, sei weiterhin allein der Jahresabschluss des Tochterunternehmens entscheidend, soweit nicht die Ansprüche durch das Mutterunternehmen (schuld- oder sachenrechtlich) anderweitig abgesichert sind. Insbes. im Eingliederungs- und Vertragskonzern hat die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirt- 51 schaftlichen Einheit eine besondere Bedeutung, weil wirtschaftlich – nicht rechtlich – der Konzern auch die Anspruchsgrundlage von Gläubiger und Minderheitsgesellschafter darstellt. So besteht im Vertragskonzern iSd. § 291 AktG eine Bindung der Vermögensinteressen der außenstehenden Minderheitsgesellschafter; beispielsweise hängt der Wert des Ausgleichsanspruchs gem. § 304 AktG vom Weiterbestehen des Mutterunternehmens ab. Gläubiger sind im Vertragskonzern durch die Erhaltung der bilanziellen Substanz (§§ 300–303 AktG), insbes. durch eine Verlustübernahme (§ 302 AktG) und Sicherheitsleistung gegenüber Gläubigern bei Vertragsbeendigung (§ 303 AktG) geschützt. Im Eingliederungskonzern iSd. § 319 AktG sind vorvertragliche Gläubiger durch eine Sicherheitsleistung abgesichert (§ 321 AktG); zudem besteht eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft (§ 322 AktG). Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 52 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung 52

Im faktischen Konzern hingegen richten sich die Ansprüche der Minderheitsgesellschafter und Gläubiger weiterhin allein gegen das jeweilige Unternehmen. Allerdings kann auch im faktischen Konzern durch schuldrechtliche Zusagen – Bürgschaft, Garantie oder Patronatserklärung – ein freiwilliger Haftungsverbund vorliegen.1 Zudem besteht häufig ein faktischer Haftungsverbund. Um den eigenen Ruf des Mutterunternehmens oder anderer Tochterunternehmen nicht zu gefährden, wird die Entscheidung, ob in Krisenzeiten einem Tochterunternehmen Liquidität und eine Kapitalzuführung gewährt oder einen Insolvenzantrag gestellt wird, nicht allein von den wirtschaftlichen Aussichten des jeweiligen Tochterunternehmens ausgehen. Weiterhin wird zumindest bei inländischen Teilkonzernen das Cash Management zentral organisiert.2 Zudem kann auch im faktischen Konzern eine Ausstrahlung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vom Konzern auf die einzelnen Konzernunternehmen festgestellt werden. Lassen sich beim Mutterunternehmen oder dem Konzern Zahlungsschwierigkeiten absehen, verfügen die einzelnen Tochterunternehmen häufig auch nicht mehr über die notwendige Liquidität. Aufgrund dieser Ausstrahlung erscheint es angemessen, auch bei faktischen Konzernverhältnissen von der Fiktion der rechtlichen Einheit auszugehen. Alternative Formen der Berichterstattung sind zudem bisher nicht entwickelt worden.3

III. Weitere mögliche Zwecke der Konzernrechnungslegung 53

Über eine Informationsfunktion gem. § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB gegenüber externen und internen Anspruchsgruppen hinaus ist der Konzernabschluss grundsätzlich auch ein Führungsinstrument;4 insbes. bei Planung und Kontrolle einer konzernweiten Finanzierung oder zur Überwachung der Rentabilität im Unternehmensverbund. Die Konzernleitung darf sich nicht auf Teilerfolge einzelner Konzernteile fokussieren, sondern muss die gesamte Einheit betrachten. Ob der Konzern als Ganzes Erfolg hat, kann nur mithilfe einer konsolidierten Vermögens- und Erfolgsrechnung (Konzernrechnungslegung) ermittelt werden. Ein freiwillig quartalsweise oder monatlich aufgestellter Konzernabschluss ist mithin auch ein internes Führungsinstrument. Häufig wird über wertorientierte Performancekennzahlen der internen Steuerung auch im Konzernlagebericht berichtet.5

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Der Konzernabschluss hat nach deutschem Gesellschaftsrecht keine Ausschüttungsbemessungs- und Besteuerungsfunktion. Beide Funktionen knüpfen an die Existenz einer juristischen (oder natürlichen) Person an, nicht an die nur wirtschaftliche Einheit des Konzerns. Das in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Jahresergebnis ist aus Sicht der Gewinnverteilung und Besteuerung „virtuell“, weil Aktionäre des Mutterunternehmens und Fiskus keinen Anspruch auf das Jahresergebnis des Konzerns haben.

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Ein Gläubigerschutz durch eine vorsichtige, umsatzbezogene, verlustantizipierende und objektivierte Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung wird weiterhin dem Jahreseinzelabschluss des Schuldners zugewiesen. Der Konzernabschluss schafft keine (neuen) Rechte der Gläubiger der jeweiligen Konzernunternehmen, weil Ansprüche grundsätzlich nur gegen das verpflichtete Unternehmen bestehen. Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Ausschüttungsbemessung ist weiterhin der Jahresabschluss, unter Beachtung der Dotierung einer gesetzlichen Rücklage (§ 150 Abs. 1 und 2 AktG). Die Gewinnverwendungskompetenz liegt grundsätzlich beim Vorstand und Aufsichtsrat des Mutterunternehmens (§ 58 Abs. 2 und 3 AktG). Eine Zurechnung der bei Tochterunternehmen gebildeten Rücklagen beim Mutterunternehmen wird überwiegend abgelehnt;6 allerdings wird im Zusammenhang mit der Ausschüttungsentscheidung eines Mutterunternehmens überwiegend darauf verwiesen, die Rücklagenbildung auf vorgelagerten Konzernstufen bei Rücklagenbildung des Konzerns zu beachten.7

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Ein in einer Quasi-Gewinnverwendungsrechnung des Konzernabschlusses ausgewiesener Gewinnanteil nicht beherrschender Gesellschafter am Jahresergebnis schafft keinen Auszahlungsanspruch dieser Gesellschaftergruppe. Die Ausschüttung bemisst sich weiterhin an den Ergebnissen des Jahresabschlusses der Tochterunternehmen, wobei das oben angeführte Zwischengewinn- und Vermögensverlagerungsrisiko im Jahresabschluss der Tochterunternehmen nicht korrigiert wird, so dass der Gewinnausweis grundsätzlich Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 30. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 30. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 30. Vgl. Funk, ZfbF 30 (1978), 133 ff.; Müller, DB 1985, 241 ff.; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 24 f.; Scherrer, Konzernrechnungslegung3, 16 f. 5 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, Vor § 290 Rz. 39. 6 So ein Vorschlag von Götz, AG 1984, 85 (93 f.). 7 Vgl. Fleischer in Schmidt/Lutter, AktG3, § 58 Rz. 28 f.; Bayer in MünchKomm. AktG3, § 58 Rz. 69; Drygala in Kölner Komm. AktG3, § 58 Rz. 73 ff. (auch für die nicht börsennotierte AG); Cahn/v. Spannenberg in Spindler/Stilz, AktG3, § 58 Rz. 78. Für eine Zurechnung der bei Tochterunternehmen gebildeten Rücklagen Götz, AG 1984, 85 (93 f.); Kohl, Gewinnrücklagen, 19 f. 1 2 3 4

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B. Zwecke der Konzernrechnungslegung

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Rz. 60 Vor §§ 290–315e

verzerrt sein kann. Um den oben angesprochenen Verschiebungen der Verfügungsrechte zu Lasten der Minderheitsgesellschafter von Tochterunternehmen oder den Gesellschaftern des Mutterunternehmens entgegenzuwirken, wird eine Verpflichtung des Vorstands der Muttergesellschaft diskutiert, die Tochterunternehmen zu einer angemessenen Ausschüttung ihrer Jahresüberschüsse anzuhalten.1 Zwar hat der Konzernabschluss keine direkte Ausschüttungsbemessungsfunktion, die verhindert, dass 57 durch übermäßige Ausschüttung der Unternehmensbestand gefährdet werden könnte, allerdings kann dem Konzernabschluss eine indirekte Ausschüttungsbemessungsfunktion anhand von Informationen zugewiesen werden. Sollten einzelne Tochterunternehmen mit einem hohen Anteil nicht beherrschender Gesellschafter oder das Mutterunternehmen hohe Ausschüttungen vornehmen, obwohl beispielsweise der Konzern als Ganzes einen Verlust erwirtschaftet, kann über den Konzernabschluss ein Eindruck über die Bestandssicherheit der wirtschaftlichen Einheit gewonnen werden; die einzelnen Jahresabschlüsse liefern diesen Eindruck nicht. Über den Konzernabschluss erhält die Konzernleitung Informationen, ob die von ihr zu treffende Ausschüttungsentscheidung bei einzelnen Tochterunternehmen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation der gesamten Einheit angemessen ist.2 So zeigt die Erfahrung, dass das Jahresergebnis in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung eine wirtschaftliche Indikatorfunktion für die Gewinnausschüttung des Mutterunternehmens haben kann. Faktisch dürfte die Höhe des Konzernjahresüberschusses bei der Ausschüttungsentscheidung insbes. des Mutterunternehmens beachtet werden und der Konzernabschluss eine mittelbare Ausschüttungsbemessungsfunktion haben.3 Der Konzern ist kein Steuersubjekt der Ertragsteuer, der Konzernabschluss hat mithin keine Steuerbemes- 58 sungsfunktion, weil weder für die Körperschaftsteuer noch für die Gewerbesteuer eine einheitliche Gewinnermittlung auf der Basis des Konzernabschlusses besteht, sondern für jedes Konzernunternehmen werden Einkommen bzw. Gewerbeertrag auf der Ebene der juristischen Person ermittelt. Allerdings kann bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags gem. § 291 AktG eine steuerliche Organschaft gem. §§ 14 KStG zumindest im Inland erreicht werden, so dass Ansätze für eine steuerrechtliche Anerkennung eines Konzerns – zumindest in Teilen – vorliegen.4 Über die Regelungen zur sog. „Zinsschranke“ haben die im Konzernabschluss abgebildeten Finanzierungsverhältnisse direkten Einfluss auf die Besteuerung der einzelnen, in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen (§ 4h Abs. 2, 3 EStG).5 Zudem kann der Konzernabschluss über die verrechneten Innenbeziehungen Hinweise auf die Bedingungen konzerninterner Lieferungen und Leistungen geben, auch wenn der Konzernabschluss nach § 60 Abs. 3 EStDV nicht in der Vorlagepflicht von Unterlagen gegenüber den Finanzbehörden aufgeführt wird.6 Im steuerlichen Sinn kann ein Konzern vorliegen, wenn eine natürliche Person an der Spitze einer Unternehmensgruppe die Finanzund Geschäftspolitik beherrschter Rechtsträger bestimmen kann, auch wenn die im Privatvermögen sind.7 In 1990 wurde von der EG die Richtlinie 90/435/EWG (Konzernbesteuerungsrichtlinie) verabschiedet,8 mit der eine Doppelbesteuerung durch eine gemeinsame Besteuerung von Mutter- und Tochterunternehmen in der EU vermindert oder gar verhindert werden soll (Common Consolidated Corporate Tax Base [CCCTB]). Ziele einer solcher konsolidierten steuerlichen Gewinnermittlung innerhalb der EU sind verminderte steuerliche Befolgungskosten, die Vermeidung von Doppel- oder Minderbesteuerungen aufgrund widersprüchlicher Verrechnungspreisfestsetzungen und von Qualifikationskonflikten, eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung (innerhalb der EU) sowie vereinfachte (steuerliche) grenzüberschreitende Reorganisationen. Fragen, wie die auf einer konsolidierten Bemessungsgrundlage ermittelte Unternehmenssteuer auf die einzelnen Staaten verteilt werden kann, verhindern jedoch aktuell die Weiterentwicklung oder gar die Umsetzung einer gemeinsamen konsolidierten Gewinnermittlung innerhalb der EU.

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Bisher wird nur für Informationszwecke eine Konzernsteuerquote bestimmt. Da der Gewinn nach den steuerrechtlichen Vorschriften auf der Basis der Steuerbilanzen der einzelnen Konzernunternehmen er-

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1 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, Vor § 290 Rz. 34; Drygala in Kölner Komm. AktG3, § 58 Rz. 63 ff. 2 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 46–48. 3 Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 16; Kraft in Großkomm.5, § 297 HGB Rz. 10; Scherrer, Konzernrechnungslegung3, 15; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 23; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 7 (Stand März 2011). 4 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 32; Lehertshuber, Unternehmensvertragsrecht, 124–126; Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 5014. 5 Vgl. Kraft in GroßKomm.5, § 297 HGB Rz. 10; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 135 ff. (Stand April 2015); Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 5014. 6 Vgl. Kraft in Großkomm.5, § 297 HGB Rz. 10. 7 Vgl. Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 5009; BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/ 0336202, BStBl. I 2008, 718 Rz. 60. 8 Vgl. Richtlinie des Rates v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG), Abl. EG Nr. L 225 v. 20.8.1990, 6 ff.

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Vor §§ 290–315e Rz. 61 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung mittelt wird und die Summe der steuerpflichtigen Einzelergebnisse vom Konzernergebnis vor Steuern abweicht, weil die Differenzen aus den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Einzelbilanzen fortbestehen und zudem durch Konsolidierungsmaßnahmen überlagert werden, ist die Summe der Gewinnsteuern aus den in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen höher oder niedriger als der fiktive Konzernsteueraufwand. Sollten sich die Differenzen im Zeitablauf ausgleichen, sind diese temporären Steuerdifferenzen durch den Ansatz latenter Steuern abzugrenzen (§ 306 HGB). Auf diese Weise sollen näherungsweise ein Konzernergebnis und ein Konzernsteueraufwand ausgewiesen werden, die denen einer Konzernbesteuerung fiktiv entsprechen.1 Bei der Steuerabgrenzung wird im Allgemeinen von der Fiktion ausgegangen, der Konzern wäre mit seinem konsolidierten Ergebnis in Deutschland steuerpflichtig. 61

Die Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht verweisen mit der „Unternehmensgruppe“ iSd. § 3e InsO nur mittelbar auf den handels- und auch aktienrechtlichen Konzernbegriff.

C. Konzeptionelle Grundlagen und Grundsätze der Konzernrechnung in Deutschland I. Konzernabschlusstheorien: Einheits- vs. Interessentheorie 62

Für den Konzernabschluss wurden eigene Konzernabschlusstheorien entwickelt, um die Eigenarten aus der wirtschaftlichen Verbundenheit der Konzernunternehmen herauszustellen und konzeptionelle Hinweise für die Ausgestaltung des Konzernabschlusses abzuleiten. Konzernabschlusstheorien beschäftigen sich dabei in erster Linie mit der Art und dem Umfang der einzubeziehenden Einzelabschlüsse der Konzernunternehmen in den Konzernabschluss sowie – daraus folgend – die bilanzielle Behandlung von Anteilen der an Tochterunternehmen beteiligten nicht beherrschenden, außenstehenden Gesellschafter (Minderheitsgesellschafter). Beim vollständigen Erwerb von Tochterunternehmen zu 100 % liefern diese Konzernabschlusstheorien keinen Erkenntnisbeitrag. Die Ursprünge dieser Konzerntheorien haben ihren Ursprung in der US-amerikanischen Konsolidierungspraxis und Rechnungslegungstheorie.

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Nach der heute weitgehend vertretenen, wenn auch nicht in Reinform umgesetzten Einheitstheorie ist der Konzernabschluss aus Sicht der Konzernleitung aufzustellen. Wegen der Leitungsmacht des Mutterunternehmens bilden Mutter- und Tochterunternehmen eine ökonomische Einheit. Die Konzernrechnungslegung hat sich hinsichtlich der Informationsvermittlung nicht nur an den Interessen der Anspruchsgruppen des Mutterunternehmens auszurichten. Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Anteilseignergruppen werden für den Konzernabschluss negiert und eine homogene Interessenlage der Anteilseigner des Mutterunternehmens und der nicht beherrschenden Anteilseigner der Tochterunternehmen (Minderheitsgesellschafter) fingiert.2 Minderheitsgesellschafter werden mit Verweis auf die (fiktiv) homogene Interessenlage als konzernzugehörige Gesellschafter verstanden, nicht als konzernfremde Kapitalgeber. Wegen der homogenen Interessenlage aller Gesellschafter hat die Gesellschafterstruktur keinen Einfluss auf die Bilanzierung im Konzern.

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Vermögengegenstände und Schulden, Rechnungsabgrenzungs- und Sonderposten, Erträge und Aufwendungen der Tochterunternehmen sind vollständig in den Konzernabschluss zu übernehmen, auch wenn dem Mutterunternehmen nicht 100 % der Anteile gehören (Vollkonsolidierung), weil sie vollständig der Verfügungsmacht der Konzernleitung unterliegen.3 Da im Zuge der Konsolidierung nach der Erwerbsmethode ein vollständiger Erwerb der Vermögensgegenstände und Schulden zu beizulegenden Zeitwerten unterstellt wird, werden auch stille Reserven und Lasten vollständig aufgedeckt (vollständige Neubewertungsmethode). Nach der Einheitstheorie mindert oder erhöht die erfolgswirksame Fortführung der stillen Reserven und Lasten den Konzernjahresüberschuss; eine erfolgsneutrale Verrechnung dieser fortgeführten stillen Reserven und Lasten unter Umgehung der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung ist nicht zulässig. Zwischenerfolge aufgrund von Lieferungs- und Leistungsbeziehungen im Konzern werden vollständig eliminiert.4

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In der Reinform umgesetzt verlangt die Einheitstheorie auch einen Ausweis des Geschäfts- oder Firmenwerts für die nicht erworbenen Anteile der nicht beherrschenden Gesellschafter. Dieser Geschäfts- oder Firmenwert ist jedoch durch keinen Kaufpreis abgesichert, sondern wird rein rechnerisch ermittelt (Hochrechnung). Eine solche Hochrechnung eines auf die nicht beherrschenden Gesellschafter entfallenden Geschäfts- oder Firmenwert ist nach HGB nicht zulässig. 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

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Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, Vor § 290 Rz. 37. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, Vor § 290 Rz. 45. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 19. Hayn, Konsolidierungstechnik, 26 f.

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C. Konzeptionelle Grundlagen und Grundsätze der Konzernrechnung

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Rz. 71 Vor §§ 290–315e

Um den vollständigen Ausweis der Vermögensgegenstände – in der Extremform einschließlich des Ge- 66 schäfts- und Firmenwerts, der auf die Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss entfällt – und Schulden, Rechnungsabgrenzungs- und Sonderposten bei der Vollkonsolidierung buchhalterisch zu kompensieren, ist auf der Passivseite der Konzernbilanz ein Ausgleichsposten für Anteile der Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss auszuweisen.1 Nach der Einheitstheorie wird der Ausgleichsposten für Anteile der Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss („Minderheitenanteile“) als Eigenkapital des Konzerns ausgewiesen; ihr (virtueller) Anteil am Konzernergebnis ist Bestandteil des Konzernjahresüberschusses oder -fehlbetrag. Sowohl der Mehrheitsgesellschafter (Mutterunternehmen) als auch die Minderheitsgesellschafter (Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss) gelten als Eigenkapitalgeber des Konzerns. Da Interessengegensätze zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter (zumindest im Innenverhält- 67 nis) negiert und eine homogene Interessenlage unterstellt wird, wird der Erwerb von Anteilen der Minderheitsgesellschafter als Transaktion zwischen Gesellschaftern verstanden, die grundsätzlich keinen Einfluss auf die Bilanzierung der bereits zu 100 % im Konzernabschluss übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden, Rechnungsabgrenzungs- und Sonderposten hat. Der Kauf von Minderheitenanteile bei bestehender Beherrschung bzw. der Verkauf von Anteilen an Tochterunternehmen, ohne die Beherrschung zu verlieren, werden nach der Einheitstheorie als Entnahme oder Einlagen interpretiert, die keinen Einfluss auf den Konzernjahresüberschuss oder -fehlbetrag haben. Betroffen sind auf der Aktivseite der Kassenbestand (Erhöhung bei Verkauf von Anteilen an nicht beherrschende Gesellschafter bzw. Verminderung bei Kauf von Anteilen von nicht beherrschenden Gesellschaftern) sowie auf der Passivseite die Höhe des Eigenkapitals; insbes. des Ausgleichspostens für Anteile nicht beherrschender Gesellschafter. Die Interessentheorie geht im Gegensatz zur Einheitstheorie davon aus, dass die Interessen von herr- 68 schenden Mehrheitsgesellschaftern und den beherrschten Minderheitsgesellschaftern nicht identisch sind und ein konsolidierter Abschluss diese Interessengegensätze auch explizit erfassen sollte. Nach der lange vorherrschenden Interessentheorie, die aber heute auf dem Rückzug ist, gelten wegen der Interessengegensätze zwischen dem Mutterunternehmen und den Minderheitsgesellschaftern von Tochterunternehmen nur die Anteilseigner des Mutterunternehmens als Eigenkapitalgeber des Konzerns. In der Konzeption der Interessentheorie ist der Konzernabschluss ein erweiterter Abschluss des Mutterunternehmens, kein Abschluss der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns.2 Die Interessentheorie wird in der Konzernrechnungslegung unterschiedlich konsequent umgesetzt. In der 69 reinen Form der Interessentheorie (proprietary theory) werden die Vermögensgegenstände und Schulden, Rechnungsabgrenzungs- und Sonderposten, Aufwendungen und Erträge des beherrschten Tochterunternehmens nur anteilig übernommen. Konsequenterweise entsteht bei dieser anteiligen Konsolidierung kein Ausgleichsposten für Anteile nicht beherrschender (Minderheits-)Gesellschafter. Eine quotale Konsolidierung auf der Basis des Anteils der Muttergesellschaft ist heute nicht mehr üblich, da dem Mutterunternehmen grundsätzlich die vollständige Verfügungsmacht über die Vermögensgegenstände und Schulden zusteht; allein bei Gemeinschaftsunternehmen wird heute nach HGB eine anteilige Konsolidierung (als Wahlrecht) zugelassen. Moderne Interpretationen der Interessentheorie gehen daher wie die Einheitstheorie von einer vollständi- 70 gen Konsolidierung aller Vermögensgegenstände und Schulden aus, auch wenn keine 100 % der Anteile erworben werden; damit wird die vollständige wirtschaftliche Verfügung über die Vermögensgegenstände und Schulden der Tochterunternehmen im Konzernabschluss auch von den Vertretern der Interessentheorie akzeptiert (parent company theory). Allerdings werden die stillen Reserven und Lasten nur anteilig in Höhe des Anteils des Mehrheitsgesellschafters aufgedeckt. Die auf die nicht beherrschenden Gesellschafter entfallenen stillen Reserven und Lasten werden nicht aufgedeckt. Diese auch als Buchwertmethode bezeichnete Methode der Kapitalkonsolidierung ist seit BilMoG 2009 nach HGB nicht mehr zulässig. Nach der sog. parent company extension theory werden die stillen Reserven vollständig aufgedeckt, auch wenn nicht 100 % der Anteile erworben werden. Bei dieser Interpretation der Interessentheorie sind die Übergänge zur Einheitstheorie fließend. Um die Interessengegensätze zwischen beherrschenden Mehrheits- und beherrschten Minderheitsgesell- 71 schaftern auszudrücken, wird der bei einer Vollkonsolidierung entstehende Ausgleichsposten für Anteile nicht beherrschender Gesellschafter als „Fremdkapital“ ausgewiesen; ihre (virtuellen) Gewinnanteile sind als Aufwand bei der Ermittlung des Konzernjahresüberschusses zu erfassen.3 Die bei einer vollständigen Aufdeckung auf die nicht beherrschenden Gesellschafter entfallenden fortgeführten stillen Reserven und 1 Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 22. 2 Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 21. 3 Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 24; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, Vor § 290 Rz. 45.

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Vor §§ 290–315e Rz. 72 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung Lasten werden zum Teil unter Umgehung der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung direkt mit dem Ausgleichsposten für Anteile nicht beherrschender Gesellschafter verrechnet. Zwischenerfolge aufgrund von Lieferungs- und Leistungsbeziehungen im Konzern werden nur anteilig eliminiert.1 72

Anteilskäufe von beherrschten Gesellschaftern lösen nach interessentheoretischer Interpretation eine Erstkonsolidierung mit Aufdeckung stiller Reserven und Lasten aus. Anteilsverkäufe ohne Verlust der Beherrschung gelten als erfolgswirksamer Vorgang.

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Auch wenn der Konzernabschluss aus der Perspektive des Konzerns zu erstellen ist, wird im Detail diskutiert, inwieweit bei der Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage die Einheitstheorie umgesetzt wird oder ob konkreten Normen nach HGB interessentheoretische Elemente darstellen, die eine vollständige Umsetzung der Einheitstheorie verhindern.2 Da viele Fragen der Folgekonsolidierung, zur Konsolidierung von weiteren Anteilskäufen oder zur Entkonsolidierung nicht explizit im Gesetz normiert sind, hat diese Einschätzung, welchen Stellenwert interessentheoretische oder einheitstheoretische Ideen bei der Ausrichtung der Informationsvermittlung haben, Konsequenzen bei einer angemessenen Umsetzung dieser offenen Fragen im Konzernabschluss nach HGB und beeinflusst das mit dem Konzernabschluss vermittelte Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

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Für eine stärker einheitstheoretische Interpretation der aktuellen handelsrechtlichen Regelungen spricht der Verzicht auf die sog. Buchwertmethode, die eine nur anteilige Aufdeckung stiller Reserven vorsah (§ 301 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB aF). Mit dem BilMoG wurde das Wahlrecht zwischen einer vollständigen oder nur anteiligen Aufdeckung stiller Reserven zugunsten einer vollständigen Neubewertung der „erworbenen“ Vermögensgegenstände und Schulden aufgegeben. Ebenso sind die Zwischenerfolge bei vollkonsolidierten Unternehmen vollständig und nicht mehr anteilig zu eliminieren. Der Ausgleichsposten für die Anteile nicht beherrschender Gesellschafter wird nach § 307 HGB separat im Eigenkapital des Konzernabschlusses als „Nicht beherrschende Anteile“ ausgewiesen. Die Zuordnung als Eigenkapital hat einheitstheoretischen Charakter, weil beide als Eigenkapitalgeber des Konzerns verstanden werden. Allerdings spricht gegen eine einheitstheoretische Interpretation, dass die Minderheitenanteile gesondert ausgewiesen werden. Als weiteres Indiz gegen eine vollständige Umsetzung der Einheitstheorie in den handelsrechtlichen Regelungen wird der Verzicht auf einen Geschäfts- oder Firmenwert für die nicht beherrschenden Minderheitsgesellschafter herangezogen (§ 301 Abs. 3 HGB).

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Trotz der mit dem BilMoG erkennbaren Stärkung einheitstheoretischer Prinzipien zu Lasten interessentheoretischer kann eine eindeutige Zuordnung nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden. Entsprechend verbleiben Spielräume insbes. bei der bilanziellen Abbildung von Anteilskäufen bei bereits bestehender Beherrschung oder Anteilsverkäufen ohne Verlust der Beherrschung.

II. Generalnorm der Konzernrechnungslegung 76

Nach der Generalnorm des § 297 Abs. 2 HGB ist ein Konzernabschluss klar und übersichtlich aufzustellen. Der Konzernabschluss hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirtschaftlichen Einheit zu vermitteln. Im Vergleich zur Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB hat sie die Eigenheiten des Konzern zu beachten.3 Trotz der angelsächsischen Wurzeln dieser Generalnorm (Trueand-fair-view-Prinzip), hat sie nicht den Charakter eines sog. overriding principle, das die Einzelvorschriften zum Konzernabschluss verdrängt, wenn durch das Befolgen der Normen des HGB kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild entstehen sollte. Inwieweit die Ausübung expliziter Wahlrechte durch die Generalnorm eingeschränkt wird, ist strittig, werden diese doch durch den Gesetzgeber explizit gewährt. Eine Einschränkung eines einzelnen Wahlrechts, das beispielsweise aufgrund expliziter, häufig bilanzzweckfremder Gründe gewährt wurde, ist sicherlich nicht durch die Generalklausel begründbar;4 sollte allerdings durch die Wahrnehmung einer Vielzahl von (insbes. impliziten) Wahlrechten insgesamt ein nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild durch den Konzernabschluss gewährt werden, wird gegen die Generalnorm verstoßen.

1 Vgl. Hayn, Konsolidierungstechnik, 26. Zum Teil wird auch die vollständige Eliminierung von Zwischenergebnissen aus Downstream-Transaktionen sowie konzerninternen Erträgen und Aufwendungen gefordert; vgl. stellvertretend Bores, Konsolidierte Erfolgsbilanzen und andere Bilanzierungsmethoden für Konzerne und Kontrollgesellschaften, 130 ff. 2 Vgl. Hayn, Konsolidierungstechnik, 32–34. 3 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 55. 4 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 56; Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 125 (Stand Aug. 2006).

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C. Konzeptionelle Grundlagen und Grundsätze der Konzernrechnung

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Rz. 80 Vor §§ 290–315e

Die Generalnorm des § 297 Abs. 2 HGB dient primär der Auslegung, aber auch der Ergänzung der gesetz- 77 lichen Normen. Insbes. ungeregelte Bereiche – wie die Folge- und Entkonsolidierung oder der Kauf oder Verkauf von Anteilen, die im HGB weitgehend nicht normiert sind, sind auch mithilfe der Generalnorm auszufüllen. Während mit den Konzernabschlusstheorien betriebswirtschaftliche Überlegungen in die Diskussion gebracht werden, handelt es sich bei der Generalnorm des § 297 Abs. 2 HGB um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Generalnorm konkretisiert – und beschränkt – die Informationsfunktion konsolidierter Abschlüsse einer wirtschaftlich abgegrenzten Berichtseinheit, um die Defizite der einzelnen Abschlüsse der rechtlichen Einheiten zu kompensieren. Die Generalnorm ist damit eng mit dem Einheitsgrundsatz gem. § 297 Abs. 3 HGB verbunden, ohne dass dieser der Generalnorm untergeordnet oder Teil der Generalnorm ist.1 Hinsichtlich der Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bestehen im Konzernabschluss 78 keine höheren Anforderungen als im Jahresabschluss der Konzernunternehmen.2 Die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Konzerns wird insbes. von den Ansatz- und Bewertungsvorschriften einer buchhalterischen Gewinn- und Vermögensermittlung sowie den Ausweisregelungen geprägt und begrenzt. Speziell für konsolidierte Abschlüsse kann unter die Darstellung der Vermögenslage die Notwendigkeit einer Zwischenergebniseliminierung sowie konzerneinheitlicher Ansatz- und Bewertungsregeln subsumiert werden, weil ein aussageloses Wertkonglomerat der in den Konzernabschluss einbezogenen Vermögensgegenstände vermieden wird; ein Verweis auf Ansatz und Bewertung aus den Einzelabschlüssen der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen (Maßgeblichkeit der Jahresabschlüsse) wäre damit nicht tragfähig. Weiterhin ergibt sich die Notwendigkeit der Schuldenkonsolidierung aus der Forderung nach der den Tatsachen entsprechenden Darstellung der Finanzlage. Speziell für konsolidierte Abschlüsse kann unter die Darstellung der Finanzlage die Notwendigkeit einer gesonderten Aufteilung des Eigenkapitals zwischen den Kapitalanteilen der Mehrheitsgesellschafter und jenen der nicht beherrschenden Gesellschafter subsumiert werden. Bei einem hohen Anteil nicht beherrschender Gesellschafter führt jede Ausschüttung bei Tochterunternehmen zu einem Geldabfluss im Konzern; sind keine oder nur wenige nicht beherrschende Gesellschafter an den Tochterunternehmen beteiligt, bleiben bei Ausschüttungen der Tochterunternehmen die finanziellen Mittel im Konzern. Für konsolidierte Abschlüsse kann unter die Darstellung der Ertragslage die Notwendigkeit der Zwischenergebniseliminierung sowie der Aufwands- und Ertragskonsolidierung subsumiert werden, um konzerninterne Verflechtungen zu neutralisieren. Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Anteilen und der Entkonsolidierung von Tochterunternehmen kann eine (intertemporale) Verzerrung der Ertragslage jedoch nur verhindert werden, wenn der Grundsatz der Kongruenz beachtet wird.3 Wenn in der Generalnorm des § 297 Abs. 2 HGB von einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen- 79 den Lage im Konzernabschluss die Rede ist, sind nicht nur die Konzernbilanz, die Konzern-GuV und die Konzernkapitalflussrechnung angesprochen; dies gilt trotz des Verzichts auf die Ausschüttungsbemessungsfunktion im Konzernabschluss.4 Insbes. der Konzernanhang übernimmt eine wichtige Funktion iS einer Erläuterung und Ergänzung der klassischen Bestandteile eines Jahresabschlusses. Der in § 297 Abs. 2 HGB geforderte Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns kann nur erreicht werden, wenn durch Angaben und Erläuterungen im Konzernanhang durch gebotene Objektivierungen und systemimmanente Beschränkungen die Grenzen einer buchhalterischen Gewinn- und Vermögensermittlung überwunden werden. Die Erläuterungspflicht im Konzernanhang gem. § 297 Abs. 2 Satz 3 HGB ergänzt daher die Einzelvorschriften zu den Anhangangaben gem. §§ 313 f. HGB und den in §§ 290 ff. HGB festgelegten besonderen Anhangangaben.

III. Einheitsgrundsatz der Konzernrechnungslegung Nach dem Einheitsgrundsatz des § 297 Abs. 3 HGB ist die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der in 80 den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen so darzustellen, als ob der Konzern ein Einheitsunternehmen wäre; vgl. auch Art. 24 Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU. Dieser Einheitsgrundsatz kodifiziert nicht die Einheitstheorie5 bzw. sollte nicht mit dieser gleichgesetzt werden. Der Einheitsgrundsatz konkretisiert die Generalnorm nach § 297 Abs. 2 HGB, indem die rechtliche Struktur des Konzerns negiert wird und der Abschluss eines fiktiven Einheitsunternehmens erreicht werden soll. Der Einheitsgrundsatz erfasst die in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen und ist daher auf die Voll- und Quotenkon1 2 3 4 5

Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 54 f., 64 f. Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 15; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 26 f. Vgl. Busse v. Colbe in FS Forster, 125 (129 f.). Vgl. Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 123 (Stand Aug. 2006). So Hayn, Konsolidierungstechnik, 39.

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Vor §§ 290–315e Rz. 81 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung solidierung begrenzt.1 Aus Art. 24 der Richtlinie 2013/34/EU ergibt sich hier keine andere Einschätzung als nach Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 83/349/EWG. 81

Mit Verweis auf den Einheitsgrundsatz lässt sich auch die Stichtagseinheitlichkeit begründen. Er konkretisiert auch jene Sachverhalte im Vorfeld der (eigentlichen, technischen) Konsolidierung und verweist auf Ansatz, Bewertung und Ausweis im Rahmen der Erstellung von Handelsbilanz II und der Neubewertungsbilanz (Handelsbilanz III).2 Der Einheitsgrundsatz wird dabei durch die Grundsätze der Konsolidierung konkretisiert, indem innerkonzernliche Beziehungen eliminiert werden.3

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Der Einheitsgrundsatz sollte jedoch nicht mit einer Extremform der Fiktion der rechtlichen Einheit gleichgesetzt werden. Die rechtlichen Gegebenheiten tatsächlicher Geschäftsvorfälle zwischen den Konzernunternehmen, zumindest soweit sie zu Zahlungsflüssen mit Dritten führen, können durch den Einheitsgrundsatz bei der Aufstellung von Konzernabschlüssen nicht negiert werden. Zwar kann aus dem Einheitsgrundsatz die Notwendigkeit einer Kapital-, Schulden-, Aufwands- und Ertragskonsolidierung sowie die Eliminierung von Zwischenerfolgen abgeleitet werden, jedoch können durch Transaktionen innerhalb der wirtschaftlichen Einheit ausgelöste Steueraufwendungen oder andere Aufwendungen nicht negiert werden. Die durch den Verkauf eines Grundstücks zwischen den Konzernunternehmen angefallene Grunderwerbsteuer kann ebenso wenig eliminiert werden wie Beratungsaufwendungen im Zusammenhang mit konzerninternen Verschmelzungen. Diese Aufwendungen können nicht mit dem Hinweis eliminiert werden, dass sie in einem Einheitsunternehmen nicht entstanden wären. Sollten aus Transaktionen im Konzern Ein- und Auszahlungen mit Dritten folgen, sind diese nach den allgemeinen Grundsätzen als Aufwand bzw. Ertrag des Konzerns zu erfassen; eine Eliminierung dieser auch in den Einzelabschlüssen der jeweiligen Konzernunternehmen erfassten Aufwendungen und Erträge ist nicht geboten und kann auch nicht durch den Verweis auf den Einheitsgrundsatz begründet werden.4 Die Einheitsfiktion des Konzernabschlusses gilt auch nicht für die Unternehmensbesteuerung. Dies hat zur Folge, dass die Beurteilung, ob abziehbare temporäre Differenzen oder steuerliche Verlustvorträge iSd. § 274 Abs. 1 Sätze 2 und 4 HGB realisierbar sind, grundsätzlich für jedes Tochterunternehmen separat erfolgen muss.5

IV. Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung 1. Bedeutung 83

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sind ein System überindividueller Normen, die offene Fragen der Rechnungslegung beantworten, weil Rechnungslegungsregeln niemals eine vollständige und abschließende Abbildung relevanter Sachverhalte sicherstellen können. Der Verweis auf Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ist keine Gesetzeslücke, sondern ein planvoller Verweis auf im Gesetz kodifizierte und nicht kodifizierte GoB. Die GoB konkretisieren zum einen die gesetzlichen Vorschriften, zum anderen ergänzen sie diese, wenn für bestimmte Sachverhalte keine gesetzlichen Einzelvorschriften vorliegen. Wenn in § 297 Abs. 2 HGB auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung verwiesen wird, sind damit nicht nur die für den Einzelabschluss entwickelten GoB im eigentlichen Sinne gemeint, sondern auch die Grundsätze der Konsolidierung.6 Daher wäre es angemessener, von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung zu sprechen. 2. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im engeren Sinne

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Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im eigentlichen Sinne lassen sich in sog. Dokumentations-, Rahmen-, System- und Fundamentalgrundsätze sowie die Konsolidierungsgrundsätze systematisieren. Die GoB sind trotz der Tatsache, dass der Konzernabschluss im Rechtssinne keine Ausschüttungskonsequenzen hat, vom Grundsatz nicht anders zu interpretieren als im Jahresabschluss. So kann den Fundamentalprinzipien wie dem Vorsichts- oder Imparitätsprinzip keine schwächere Bedeutung als im Einzelabschluss zugemessen werden, nur weil im Konzernabschluss der vorsichtig bemessene, umsatzbezogene und verlustantizipierende Konzernjahresüberschuss nicht als Ausschüttungsrichtgröße dient. Allerdings sind die Fundamental- sowie die Dokumentations-, Rahmen- und Systemgrundsätze aus der Perspektive der wirtschaftlichen Einheit zu sehen, nicht einer bestimmten legalen Einheit. 1 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 64 f.; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 13, 15, sieht einen Widerspruch zwischen dem Einheitsgrundsatz und der Quotenkonsolidierung. 2 AA bezogen auf den Abschlussstichtag BKT, Konzernbilanzen11, 135 f. 3 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 64; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 13, 16. 4 Vgl. Hayn, Konsolidierungstechnik, 39. 5 Vgl. auch im Weiteren Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 298 HGB Rz. 32. 6 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 66.

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C. Konzeptionelle Grundlagen und Grundsätze der Konzernrechnung

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Rz. 89 Vor §§ 290–315e

Dokumentationsgrundsätze sichern eine zuverlässige, vollständige systematische Erfassung der Ge- 85 schäftsvorfälle und formulieren grundlegende Anforderungen an die Buchführung.1 Für Konzernabschlüsse ergibt sich die Besonderheit, dass diese nicht auf der Basis einer Konzernbuchführung entwickelt werden, sondern im Regelfall auf den einzelnen Jahresabschlüssen der in den (erweiterten) Konsolidierungskreis einbezogenen Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen und dem Jahresabschluss des Mutterunternehmens aufbauen. Um eine einheitliche Bilanzierung sicherzustellen, ist die Basis der Konsolidierung im Regelfall eine sog. Handelsbilanz II, in der Ansatz, Bewertung und Ausweis aus der Perspektive der Konzernleitung vereinheitlicht werden muss. Zur Aufstellung dieser Handelsbilanz II – idR auf der Ebene des Tochterunternehmens – sind die Dokumentationsgrundsätze zu beachten. Allerdings sind nicht nur bei der Erstellung der jeweiligen Einzelabschlüsse der in den Konzernabschluss 86 einbezogenen Unternehmen und deren jeweiliger Handelsbilanz II die Dokumentationsgrundsätze zu beachten, auch für die weiteren Konsolidierungsschritte wird im Regelfall eine mehr oder wenige ausführliche, gesonderte „Konzernbuchführung“ notwendig. Auch wenn § 298 HGB, der auf die im Konzernabschluss anzuwendenden Vorschriften verweist, nicht die Buchführungspflicht gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB umfasst, ergibt sich die Dokumentationspflicht indirekt aus § 317 Abs. 3 Satz 1 HGB, weil sonst die Prüfung des Konzernabschlusses ins Leere liefe. In der „Konzernbuchführung“ ist festzuhalten, wie die Neubewertung der Vermögensgegenstände und Schulden vorgenommen und wie der Geschäfts- oder Firmenwert bzw. ein passiver Unterschiedsbetrag ermittelt wurden. Darüber hinaus ist im Rahmen der Erstkonsolidierung festzuhalten, wie die stillen Reserven und Lasten sowie der Geschäfts- oder Firmenwert bzw. der passive Unterschiedsbetrag in der Zukunft fortzuführen sind. Im Rahmen der Folgekonsolidierung sind die Wiederholung der Erstkonsolidierung sowie die tatsächliche Fortführung dieser konzernspezifischen Posten zu dokumentieren. Die Dokumentation betrifft nicht nur die einzelnen Schritte der Kapitalkonsolidierung, sondern auch die Schuldenkonsolidierung, die Zwischenergebniseliminierung sowie die Aufwands- und Ertragskonsolidierung; beispielsweise durch die Erfassung von Außen- und Innenumsätzen. Da der Konzernabschluss nicht aus einer Konzernbuchführung entwickelt wird, sondern aus den konsolidierten Einzelabschlüssen mit einer jährlichen Wiederholung der Erst- und bisherigen Folgekonsolidierungen, kann ohne eine Mindestdokumentation der Grundsatz der Bilanzidentität im Konzernabschluss (§§ 252 Abs. 1 Nr. 1 iVm. 298 Abs. 1 Satz 1 HGB) nicht sichergestellt werden.2 In den Rahmengrundsätzen sind die Prinzipien für jede Form betriebswirtschaftlicher Informationsver- 87 mittlung festgelegt. Sie umfassen insbes. die Klarheit und Übersichtlichkeit, Richtigkeit (Bilanzwahrheit), Vollständigkeit, Vergleichbarkeit (Identität und Stetigkeit), sowie Wesentlichkeit. Die für den Einzelabschluss entwickelten Rahmengrundsätze gelten für den Konzernabschluss gleichermaßen und werden für die Konzernbesonderheiten – Erstellung der Handelsbilanz II und der Konsolidierungsmaßnahmen im Besonderen – ergänzt. Konzernspezifische Besonderheiten ergeben sich auch beim Grundsatz der Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB),3 wenn sich die Zusammensetzung der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen im Berichtsjahr wesentlich geändert hat; nach § 294 Abs. 2 HGB sind Angaben in den Konzernabschluss aufzunehmen, um aufeinander folgende Konzernabschlüsse sinnvoll miteinander zu vergleichen. Eine weitere konzernspezifische Besonderheit wird hinsichtlich der Berücksichtigung werterhellender Informationen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) gesehen, für die das Aufstellungsende des Konzernabschlusses maßgeblich ist, nicht jenes der Handelsbilanz II.4 Systemgrundsätze definierten die Basisannahmen für den (Konzern-)Jahresabschluss als Rechnungs- 88 legungsinstrument. Sie umfassen insbes. die Grundsätze der Unternehmensfortführung (going concern), der Pagatorik, der Kongruenz und der Periodisierung sowie der Einzelerfassung und -bewertung. Sie dienen als Klammer zwischen Zielen der Bilanzierung und anderen Teilgrundsätzen. Die für den Einzelabschluss entwickelten Systemgrundsätze gelten für den Konzernabschluss gleichermaßen und werden für die Konzernbesonderheiten – Erstellung der Handelsbilanz II, der Neubewertung und der Konsolidierungsmaßnahmen im Besonderen – ergänzt. Im Konzernabschluss ist der Grundsatz der Einzelerfassung und -bewertung dahingehend zu interpretieren, dass die im Rahmen der Neubewertung aufgedeckten stillen Reserven auf der Ebene von Gruppen von Vermögensgegenständen und Schulden fortgeführt werden. Der Systemgrundsatz der Kongruenz (Totalperiodenäquivalenz) schafft eine Verbindung über die Totalperiode zwischen den Ein- und Auszahlungen des Unternehmens mit der Erfolgsrechnung; wird der Grundsatz der Kongruenz eingehalten, entspricht die Summe der Periodengewinne der Summe der Ein1 2 3 4

Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 74 f. Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 43 f. Vgl. Senger in MünchKomm. BilR, § 298 HGB Rz. 24; ADS6, § 298 HGB Rz. 91. Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 298 HGB Rz. 38; Mackedanz in Haufe BilKomm.7, § 298 HGB Rz. 19.

Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 90 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung zahlungsüberschüsse und sind alle Veränderungen des Eigenkapitals, die nicht aus Transaktionen mit den Eigentümern resultieren, irgendwann einmal in der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht worden. Mit dem Kongruenzgrundsatz sind erfolgsneutrale Veränderungen von Vermögensgegenständen und Schulden nicht zulässig; jede nach den Fundamentalgrundsätzen zulässige Wertsteigerung bzw. gebotene Wertminderung ist erfolgswirksam zu erfassen. Der Grundsatz der Kongruenz ist essenziell für die Erfolgsermittlung. Bei Einhaltung kann man zwar durch den Periodisierungsgrundsatz Ein- und Auszahlungen als Erträge und Aufwendungen über die Zeit verteilen, allerdings wird sichergestellt, dass Wertänderungen der Vermögensgegenstände und Schulden nicht außerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung direkt mit dem Eigenkapital verrechnet werden. Der Grundsatz der Kongruenz ist eng mit den Grundsätzen der Pagatorik und Bilanzidentität verbunden, hat aber eine intertemporale Perspektive und ist damit auch mit dem Grundsatz der Periodisierung verbunden; die Grundsätze der Pagatorik und Bilanzidentität sind notwendig, aber nicht hinreichend, um die Kongruenz sicherzustellen. 90

Im Konzernabschluss sichert die Einhaltung des Grundsatzes der Kongruenz, dass alle mit einem Tochterunternehmen verbundenen Zahlungen einschließlich der gezahlten Kaufpreise und der erlösten Verkaufspreise bei der Erfolgsermittlung erfasst werden. Der Grundsatz der Kongruenz ist bei der Erfolgsermittlung im Zusammenhang mit Anteilskäufen und insbes. -verkäufen, die gesetzlich nicht normiert sind, zu beachten. Die Reichweite des Grundsatzes der Kongruenz im Konzernabschluss wird allerdings unterschiedlich beurteilt – so war es bis zum BilMoG zulässig, den Geschäfts- oder Firmenwert erfolgsneutral gegen das Eigenkapital zu verrechnen –, allerdings kann es bei Nichteinhaltung zu dauerhaften Verzerrungen der Ertragslage des Konzerns kommen. Sollten trotzdem Vermögensveränderungen erfolgsneutral erfasst werden, kann beim Ausscheiden aus dem Konzern (Entkonsolidierung) ein sog. „Recycling“ notwendig werden, um den Grundsatz der Kongruenz oder Totalperiodenäquivalenz nicht zu verletzen.

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Fundamentalgrundsätze – (Gewinn)Realisations-, Imparitäts- und Vorsichtsprinzip ieS – umfassen die Konventionen zur Beschränkung von gewinnabhängigen Zahlungen. Diese haben weiterhin Geltung für den Konzernabschluss, auch wenn dieser keine gesetzliche Ausschüttungsbemessungsfunktion hat. Dem Jahresergebnis in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung kann jedoch zumindest eine wirtschaftliche Indikatorfunktion für die Gewinnausschüttung des Mutterunternehmens nicht abgesprochen werden,1 weil die Konzernleitung über den Konzernabschluss Informationen erhält, ob die von ihr zu treffende Ausschüttungsentscheidung bei einzelnen Tochterunternehmen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation der gesamten Einheit angemessen ist.2

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Der mithilfe eines Konzernabschlusses ermittelte Gewinn muss analog zum Einzelabschluss als vorsichtig ermittelte, umsatzbezogene, verlustantizipierende und objektivierte Erfolgsgröße verstanden werden. Allerdings sind das Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip nicht aus der einzelnen legalen Einheit zu verstehen, sondern aus der wirtschaftlich abgegrenzten Einheit. Auch wenn der Konzernabschluss keine Ausschüttungsbemessungsfunktion übernimmt, wird ein Ertrag erst dann ausgewiesen, wenn er durch eine Transaktion mit einem nicht in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen realisiert wurde; Wertänderungen am ruhenden Vermögen sind ohne Bestätigung durch eine Transaktion mit einem fremden Dritten nicht hinreichend objektiviert, um als Ertrag im Konzernabschluss ausgewiesen zu werden.3 Zwar wird in der Literatur auch eine konzerneigene Interpretation iS einer Aufweichung der Fundamentalgrundsätze vorgeschlagen, die insbes. das Anschaffungswert- und Niederstwertprinzip begrenzt4 oder eine Teilgewinnrealisierung erlaubt5. Bei einer unterschiedlichen Interpretation würde ein Konzernabschluss aber seine Indikatorfunktion für die Ausschüttungsbemessung (insbes. des Mutterunternehmens) verlieren, da die Gewinn- und Vermögensermittlung auf unterschiedlichen Konzepten basiert. Damit ist auch für IFRS-Konzernabschlüsse die Indikatorfunktion für die Ausschüttung der Konzernunternehmen kritisch zu hinterfragen. 3. Grundsätze ordnungsmäßiger Konsolidierung

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Im Rahmen der Konsolidierung werden die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen eliminiert. Dabei sind neben der Generalnorm, dem Einheitsgrundsatz auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ieS zu beachten. Dies gilt insbes. für die 1 Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 16; Scherrer, Konzernrechnungslegung3, 15; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 23. 2 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 46 f.; Scherrer, Konzernrechnungslegung3, 15; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 23; ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 16. 3 Vgl. Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 123 (Stand Aug. 2006). 4 Vgl. Serve, WPg. 1993, 653 (660 ff.). 5 Vgl. Niehus, FS Moxter, 623 (639–641).

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C. Konzeptionelle Grundlagen und Grundsätze der Konzernrechnung

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Rz. 99 Vor §§ 290–315e

Folge- und Entkonsolidierung, die im HGB und der Richtlinie 2013/34/EU (weitgehend) nicht geregelt sind. Mit der Kapitalkonsolidierung sollen Kapitalverflechtungen der Konzernunternehmen untereinander eli- 94 miniert und das Eigenkapital, die Schulden und Vermögensgegenstände des Konzerns so dargestellt werden, wie es die Fiktion der rechtlichen Einheit des Konzernabschlusses (Einheitsgrundsatz) verlangt. Eine Summenbilanz, die durch bloße Addition der Posten der Einzelabschlüsse des Mutterunternehmens und der Abschlüsse der einbezogenen Tochterunternehmen entsteht, würde diesem Anspruch des Einheitsgrundsatzes nicht gerecht. Konzerninterne Schuld- sowie Lieferungs- und Leistungsbeziehungen sind im Rahmen der Zwischenergebniseliminierung, der Schulden-, Aufwands- und Ertragskonsolidierung zu eliminieren. Wie insbes. die (Kapital-)Konsolidierung und das Gebot der Zwischenergebniseliminierung im Einzelfall umzusetzen ist, wird maßgeblich vom Konzept der Kapitalkonsolidierung – der Erwerbsmethode, der (nicht zulässigen) Fresh Start Methode oder der (seit BilMoG nicht mehr zulässigen) Methode der Interessenzusammenführung oder anderer Konzepte – sowie den Konzernabschlusstheorien – Einheitsvs. Interessentheorie – bestimmt. Besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Konsolidierung haben 95 darüber hinaus die oben angeführten Rahmengrundsätze – insbes. Vollständigkeit, Vergleichbarkeit (Identität und Stetigkeit) sowie Wesentlichkeit.1 Die Grundsätze der Konsolidierung dienen dazu, die Generalnorm sowie den Einheitsgrundsatz zu konkretisieren, während die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ieS die Generalnorm begrenzen. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Konsolidierung sind zudem im Zusammenspiel mit den Systemgrund- 96 sätzen, insbes. dem Fortführungs- und Periodisierungsprinzip sowie den Grundsätzen der Pagatorik und Kongruenz (Totalperiodenäquivalenz) auszulegen. Mit Verweis auf die Pagatorik ist beispielsweise bei der Erstkonsolidierung die Aufdeckung eines Geschäfts- oder Firmenwerts für die nicht beherrschenden Gesellschafter („Minderheiten“) abzulehnen. Regeln der Folgekonsolidierung können erst mit Blick auf Grundsätze der Unternehmensfortführung und der Periodisierung entwickelt werden; der Grundsatz der Kongruenz ist maßgeblich beim Verständnis bei der Entkonsolidierung. Das Zusammenspiel von Grundsätzen ordnungsmäßiger Konsolidierung, den Rahmengrundsätzen der 97 GoB und der Generalnorm zeigt sich auch beim Grundsatz der Konsolidierungsmethodenstetigkeit; auch wenn dieser in § 297 Abs. 3 Satz 3 HGB im Zusammenhang mit dem Einheitsgrundsatz aufgeführt wird. Die Konsolidierungsmethodenstetigkeit hat dabei eine zeitliche, dh. über mehrere Perioden geltende, und eine horizontale, dh. für verschiedene Posten in einer Periode geltende, Komponente.2 Dem Grundsatz der horizontalen Stetigkeit folgend sind für gleichartige Sachverhalte die gleichen Konsolidierungsmethoden zu verwenden und diese auch im Zeitablauf beizubehalten (DRS 13.15).3 Das Stetigkeitsgebot ist dabei nicht absolut; sollte die Aussagefähigkeit des Abschlusses durch einen Wechsel der Konsolidierungsmethoden verbessert werden, sind Ausnahmen zulässig.4 Wobei in diesen Fällen Anhangangaben notwendig werden und insoweit der Abkopplungsgrundsatz gilt, weil der Konzernabschluss insgesamt Einblicke in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unter Beachtung der GoB geben soll. Unter die Konsolidierungsmethoden fallen die folgenden Sachverhalte:5 Abgrenzung des Konsolidierungs- 98 kreises unter Beachtung der Wahlrechte (§ 296 Abs. 1 HGB), bilanzielle Abbildung von Gemeinschaftsunternehmen nach der Idee der quotalen Konsolidierung oder der Equity-Methode (§§ 310, 312 Abs. 1 HGB), Ansatz und Bewertung der Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz II (§§ 300 Abs. 2, 308 Abs. 1 HGB), Neubewertung im Rahmen der Erwerbsmethode (§ 301 HGB) und die Vorgehensweisen im Rahmen der Entkonsolidierung.

V. Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode Ausgangspunkt der Kapitalkonsolidierung nach Art. 24 der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Par- 99 laments und des Rats, die auch als Erwerbsmethode bezeichnet wird, ist die Fiktion, dass im Konzernabschluss nicht der Erwerb der Anteile eines Tochterunternehmens abgebildet werden soll, sondern wirtschaftlich der Erwerb der dahinter stehenden einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden. Ein „Erwerb“ ist umfassender als ein Kauf, da als Gegenleistung nicht nur die Zahlung in Geld oder Geldäquivalenten, sondern auch die Hingabe von Anteilen (Aktien) des erwerbenden Unternehmens gilt; 1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BKT, Konzernbilanzen11, 79 f. Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 165 f. (Stand Sept. 2007). IDW, WP Handbuch15, G Rz. 18; Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 165 f. (Stand Sept. 2007). IDW, WP Handbuch15, G Rz. 19; Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 171 (Stand Sept. 2007). Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 162 (Stand Sept. 2007).

Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 100 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung in besonderen Fällen kann ein Erwerb auch ohne eine Kapitaltransaktion bestehen. Die Idee der Erwerbsmethode hat zum Ziel, einen Zusammenschluss der Unternehmen, der im Jahresabschluss als share deal abzubilden ist, im Konzernabschluss grds. wie einen asset deal abzubilden.1 Im Rahmen der Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode wird daher nicht einfach der Beteiligungsbuchwert in der Bilanz des Mutterunternehmens mit dem (anteiligen) Eigenkapital in der Bilanz des Tochterunternehmens verrechnet, sondern es wird ein Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden fingiert. Dabei ist zu beachten, dass aus der Perspektive des Tochterunternehmens selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im Konzernabschluss aufgrund der Erwerbsfiktion als entgeltlich erworben gelten und die Regelungen des § 248 Abs. 2 HGB (Ansatzwahlrecht und für bestimmte Fälle ein Ansatzverbot) im Konzernabschluss nicht greifen. Die mit dem erworbenen Tochterunternehmen übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden werden auch nicht einfach aus der Einzelbilanz des Tochterunternehmens übernommen (Buchwertfortführung), sondern vielmehr aus Sicht des Erwerbers mit dem beizulegenden Zeitwert im Erwerbszeitpunkt neu bewertet (Erwerbsfiktion).2 100

Bei der vollständigen Neubewertung wird unterstellt, dass die nicht beherrschenden Gesellschafter für die Vermögensgegenstände und übernommenen Schulden einen Preis gezahlt hätten, der mit dem des erwerbenden Unternehmens vergleichbar ist. Bei einer vollständigen Neubewertung mit dem beizulegenden Zeitwert sind die in der Konzernbilanz ausgewiesenen Bilanzansätze für Vermögenswerte und Schulden pagatorisch nicht abgesichert, weil der Anteil an den stillen Reserven, der den konzernfremden Gesellschaftern zusteht, nicht durch Zahlungsvorgänge erklärt werden kann. Allerdings ist diese Interpretation auch bei anderen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen nicht ungewöhnlich; die Anteile nicht beherrschender Gesellschafter werden letztlich wie eine Sacheinlage bei einem Einheitsunternehmen behandelt.3 Durch die vollständige Neubewertung wird eine einheitliche Bewertung der übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden erreicht; bei einer nur beteiligungsproportionalen Neubewertung würde der Wert eines Vermögenswerts durch eine Mischung der ursprünglichen Anschaffungskosten und des beizulegenden Zeitwerts zum Erwerbszeitpunkt bestimmt.4 Durch die vollständige Neubewertung werden alle erworbenen Ressourcen, über die das Management verfügen kann, grundsätzlich mit ihrem beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt im Abschluss erfasst. Auf diese Weise sollen die Investitionstätigkeit des Managements und die Leistungsfähigkeit dieser Investitionen am besten erfasst werden.

101

Ob Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten vom Mutterunternehmen direkt erworben, aufgenommen oder entstanden sind bzw. indirekt durch den Erwerb eines zu konsolidierenden Tochterunternehmens Eingang in den Konzernabschluss fanden, ist für die bilanzielle Abbildung im (Konzern-)Abschluss folglich irrelevant. Im Ergebnis wird vom Grundsatz her kein Unterschied gemacht, ob die Verfügungsmacht über Vermögensgegenstände einzeln (asset deal) oder über den Kauf der Anteile (share deal) indirekt erworben wird. Durch die Kapitalkonsolidierung wird der share deal fiktiv in einen asset deal im (Konzern-)Abschluss transformiert.

102

Der Neubewertungsvorgang im Rahmen der Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode ist, wie jeder Anschaffungsvorgang nach HGB, zum Zeitpunkt des Erwerbs grundsätzlich erfolgsneutral. Übersteigt im Erwerbszeitpunkt der Wert der Anteile im Einzelabschluss des Mutterunternehmens den Wert des anteiligen Reinvermögens zum beizulegenden Zeitwert eines Tochterunternehmens, wird der entstehende aktive Unterschiedsbetrag, in Analogie zur Vorgehensweise im Einzelabschluss, als Geschäfts- oder Firmenwert aktiviert. Im umgekehrten Fall wird grundsätzlich ein passiver Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung ausgewiesen. Die Konsolidierung nach der echten angelsächsischen Methode wird allerdings als erfolgswirksame Form der Kapitalkonsolidierung bezeichnet, weil die im Rahmen der Erstkonsolidierung erfolgsneutral neu bewerteten Vermögensgegenstände und Schulden im Rahmen der Folgekonsolidierung erfolgswirksam fortgeführt werden. In den Folgejahren werden die neubewerteten Vermögensgegenstände und Schulden in Abhängigkeit von der Nutzungs- oder Verweildauer dieser Posten im Konzernabschluss erfolgswirksam aufgelöst. Abschreibungen oder der Materialeinsatz orientieren sich im Konzernabschluss nicht mehr an den Buchwerten im Einzelabschluss der einbezogenen Tochterunternehmen, sondern an den im Rahmen der Erstkonsolidierung festgelegten (fiktiven) Konzernanschaffungskosten. Die bei Vermögensgegenständen aufgedeckten stillen Reserven und Lasten werden somit mit dem Verbrauch oder Verkauf der Vermögensgegenstände erfolgswirksam. Auch die nach der Neubewertung verbleibenden aktiven oder entstehenden passiven Unterschiedsbeträge werden im Rahmen der Folgebewertung grundsätzlich erfolgswirksam fortgeführt. Der verbleibende aktive Unterschiedsbetrag wird 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

1002

von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 9 (Stand Nov. 2011). Ordelheide, WPg. 1984, 237 (240). Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 207; Pawelzik, WPg. 2004, 677 (678). Küting, ZfB 54 (1984), 548 (559).

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D. Verbindlichkeit einer Konzernrechnungslegung

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Rz. 107 Vor §§ 290–315e

als Geschäfts- oder Firmenwert in den Folgeperioden planmäßig nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts abgeschrieben. Die Wirkungen einer Unternehmensakquisition auf den Periodenerfolg unterscheiden sich im Einzel- und 103 im Konzernabschluss. Während im Einzelabschluss die Anschaffungsausgabe nach den Vorschriften der Beteiligungsbewertung periodisiert und damit regelmäßig erst beim Verkauf erfolgswirksam wird, wird bei einer Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbsmethode die Anschaffungsausgabe nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften für die zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung vorhandenen Vermögensgegenstände und Schulden sowie einen aufgedeckten aktiven oder passiven Unterschiedsbetrag auf die Nutzungsdauer verteilt.1 Die nach HGB seit dem BilMoG nicht mehr zulässige Konsolidierungsmethode der Interessenzusammen- 104 führung (§ 302 HGB aF) beruhte auf der Grundannahme, dass sich die Gesellschafter zweier Unternehmen entscheiden, ihre Ressourcen zusammenzuführen (poolen). Für die Umsetzung der Methode der Interessenzusammenführung wurde daher verlangt, dass der Unternehmenszusammenschluss auf einem Anteilstausch beruht, ohne dass Ressourcen den Unternehmensbereich verlassen.2 Da die Unternehmensebene durch den Zusammenschluss nicht beeinflusst wird, schließlich führen nur die Gesellschafter ihre Ressourcen zusammen, konnten im Rahmen der Konsolidierung nach der Methode der Interessenzusammenführung keine Anschaffungskosten zugerechnet werden; vielmehr werden die Buchwerte des Tochterunternehmens fortgeführt. Damit entsteht ein Bilanzbild, als ob die beiden Unternehmen seit der Gründung des Tochterunternehmens in einem Konzernverbund zusammengeschlossen waren.3 Da auf die Aufdeckung stiller Reserven und die Bilanzierung eines aktiven oder passiven Unterschiedsbetrags verzichtet wird, ist diese Form der Kapitalkonsolidierung in den Folgeperioden im Gegensatz zur Erwerbsmethode erfolgsneutral. Während der Methode der Interessenzusammenführung eine Fusionsidee zugrunde liegt, auch bei Verschmelzungen können gem. § 24 UmwG im Einzelabschluss des übernehmenden Rechtsträgers die Buchwerte der Vermögensgegenstände und Schulden des übertragenden Rechtsträgers fortgeführt werden, wird die Erwerbsmethode durch einen Erwerbsvorgang geprägt. Die Erwerbsmethode als Konkretisierung der Kapitalkonsolidierung nach HGB und Richtlinie 2013/34/ 105 EU beachtet die System- und Fundamentalgrundsätze, indem der Erwerbsvorgang – wie beim Kauf einzelner Vermögensgegenstände – grds. erfolgsneutral ist und bei der Folgekonsolidierung die Grundsätze der Unternehmensfortführung, Periodisierung, Kongruenz, Vorsicht, Imparität und (Gewinn)Realisation beachtet werden.

VI. Fazit Die betriebswirtschaftlichen Konzernabschlusstheorien, die Generalnorm des § 297 Abs. 2 HGB, der Ein- 106 heitsgrundsatz des § 297 Abs. 3 HGB, die (kodifizierten und nicht kodifizierten) Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung, im Einzelnen die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung ieS und die Konsolidierungsgrundsätze, einschließlich der Konkretisierung durch die Erwerbsmethode, liefern ein offenes System sich gegenseitig konkretisierender, aber auch begrenzender Prinzipien, die insbes. zur Klärung offener Fragen der Konzernrechnungslegung zu beachten sind. Einschränkend muss jedoch festgehalten werden, dass je nach unterschiedlicher Schwerpunktsetzung dieser Prinzipien unterschiedliche Bilanzierungslösungen begründet sein können.4 Allerdings hilft das Systemverständnis auch, zu erkennen, ob unterschiedliche Bilanzierungsvorschläge zur Lösung verschiedener offener Fragen insgesamt konsistent und willkürfrei sind. Insoweit begründen die Prinzipien nicht nur unterschiedliche Bilanzierungsalternativen, sie begrenzen sie auch gleichzeitig, wenn der Systemcharakter herausgestellt wird.

D. Verbindlichkeit einer Konzernrechnungslegung I. Aufstellungs- und Offenlegungspflicht Der Konzernabschluss und Konzernlagebericht ist von den gesetzlichen Vertretern des Mutterunterneh- 107 mens in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen (§ 290 Abs. 1 HGB). Für Mutterunternehmen, die kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaf1 2 3 4

Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 301 Rz. 5. Vgl. Wohlgemuth in HdJ, V/2 Rz. 281 (Stand Juli 2009). Vgl. Wohlgemuth in HdJ, V/2 Rz. 282 (Stand Juli 2009). Zu unterschiedlichen Systemen vgl. beispielsweise Hartle in Beck HdR, C 10 Rz. 60–270 (Stand Mai 2001); von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 13–16 (Stand Nov. 2011); Busse von Colbe in MünchKomm HGB3, Vor § 290 Rz. 41–56; BKT, Konzernbilanzen11, 54–84, zu denen es die größten Gemeinsamkeiten gibt.

Hachmeister

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Vor §§ 290–315e Rz. 108 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung ten gem. § 264d HGB sind, ist diese Frist um einen Monat verkürzt (§ 290 Abs. 1 HGB);1 Konzernabschluss und Konzernlagebericht dieser Mutterunternehmen sind in den ersten vier Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen. Ziel war es, sich an die international üblichen kürzeren Aufstellungs- und Offenlegungsfristen anzunähern. 108

Der Konzernabschluss ist von allen gesetzlichen Vertretern des Mutterunternehmens unter Angabe des Datums zu unterzeichnen (§§ 298 Abs. 1 iVm. 245 HGB).2 Wird der Konzernanhang mit dem Anhang des Jahresabschlusses des Mutterunternehmens gem. § 298 Abs. 2 HGB zusammengefasst, genügt eine einmalige Unterzeichnung.3 Gem. § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB haben die gesetzlichen Vertreter eines Mutterunternehmens, das Inlandsemittent iSd. § 2 Abs. 14 WpHG und keine Kapitalgesellschaft iSd. § 327a HGB ist, bei der Unterzeichnung schriftlich zu versichern, dass der Konzernabschluss nach bestem Wissen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild iSd. § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB vermittelt oder der Konzernanhang Angaben gem. § 297 Abs. 2 Satz 3 HGB enthält (sog. „Bilanzeid“).4

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Für den Konzernabschluss und Konzernlagebericht gelten grds. die Straf- und Bußgeldvorschriften, Zwangsund Ordnungsgeldvorschriften wie für den Jahresabschluss, die auch die Aufstellungspflicht abdecken: – § 331 Nr. 2 und 4 HGB sehen Freiheits- oder Geldstrafen bei unrichtiger Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse des Konzerns im Konzernabschluss, im Konzernlagebericht oder in (Konzern-) Zwischenberichterstattung oder unrichtigen Angaben gegenüber dem Abschlussprüfer vor. – § 334 Abs. 1 Nr. 2, 4 HGB sieht ein Bußgeld bei Verstößen gegen bestimmte die Aufstellung eines Konzernabschluss oder -lageberichts betreffende Vorschriften vor. Die Höhe des Bußgelds richtet sich nach §§ 334 Abs. 3a, 3b HGB bzw. §§ 340n Abs. 3, 3a, 341n Abs. 3, 3a HGB. Für die verantwortlichen natürlichen Personen ist bei Kapitalmarktorientierung des Mutterunternehmens ein Bußgeld angedroht von bis zu dem höheren Betrag aus 2 Mio. € und dem Doppelten des Betrags des wirtschaftlichen Vorteils, der durch die fehlende Veröffentlichung erlangt wurde (§ 335 Abs. 1a Satz 2 HGB).

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Einzelne weitere Tatbestände finden sich im OWiG, StGB, UWG und der WPO. Die Spanne der Sanktionen reicht von Bußgeldern bei Ordnungswidrigkeiten bis Geld- und Freiheitsstrafen, insbes. bei Vergehen iSd. § 12 Abs. 2 StGB.5 Für die Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) als juristische Person kann im Rahmen des § 30 OWiG gleichzeitig ein Bußgeld von maximal dem höheren Betrag aus 5 % des Gesamtumsatzes und dem Doppelten des Betrags des wirtschaftlichen Vorteils, der durch die fehlende Veröffentlichung erlangt wurde, erlassen werden. Der Gesamtumsatz bestimmt sich nach §§ 334 Abs. 3a iVm. 335 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3, Satz 2 HGB, § 120 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 WpHG. Die Bußgeldregelungen werden durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz empfindlich angehoben und durch die Einführung umsatzabhängiger Regelungen an die finanzmarkt- und wettbewerbsrechtlichen Regelungen aus § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 120 Abs. 4 WpHG angepasst. Stakeholder können über wettbewerbsrechtliche Klagen eine angemessene Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange einklagen (§ 8 UWG). Ob entsprechende Klagen erfolgreich sind, ist abzuwarten, da insbes. der Bezug zu Verbraucherbelangen fraglich scheint.6

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Die Aufstellungspflicht eines Konzernabschlusses wird faktisch auch nach § 335 Abs. 1 Nr. 1 HGB durch ein Zwangsgeld bei Unterlassen der Offenlegung sanktioniert. Seit dem 1.1.2007 ist das Bundesamt für Justiz für die Durchführung des Ordnungsgeldverfahrens zuständig, das von Amts wegen eingeleitet wird.7 Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht macht Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen, die ihr gem. § 335 Abs. 1d HGB mitgeteilt wurden, auf ihrer Internetseite unverzüglich bekannt (§ 124 Abs. 1 WpHG).

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Unternehmen, die als Inlandsemittent Wertpapiere begeben und als Mutterunternehmen verpflichtet sind, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, müssen zudem gem. §§ 117 iVm. 114 1 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553. 2 Vgl. Mackedanz in Haufe BilKomm.7, § 298 HGB Rz. 8; Senger in MünchKomm. BilR, § 298 HGB Rz. 9; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 298 HGB Rz. 14. 3 Vgl. ADS6, § 298 HGB Rz. 62; Senger in MünchKomm. BilR, § 298 HGB Rz. 10. 4 Vgl. Ballwieser in BKT, Bilanzrecht, § 297 HGB Rz. 143 (Stand Sept. 2007). Als Reaktion auf europäische Bilanzskandale und um das verlorene Anlegervertrauen wiederzugewinnen, wurden mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10, für Geschäftsjahre beginnend nach dem 31.12.2006 die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften dazu verpflichtet, eine schriftliche Versicherung abzugeben, dass der Konzernabschluss ein entsprechendes Bild der tatsächlichen Verhältnisse vermittelt. 5 Vgl. Kindler in GroßKomm.5, Vor § 290 HGB Rz. 43. 6 Vgl. Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 (232). 7 Vgl. Kindler in GroßKomm.5, Vor § 290 HGB Rz. 44.

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D. Verbindlichkeit einer Konzernrechnungslegung

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Rz. 118 Vor §§ 290–315e

WpHG zum Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen Jahresfinanzbericht erstellen, der auch einen Konzernabschluss nach Art. 4 IFRS-VO enthält, und spätestens vier Monate nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahrs der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen; vgl. auch § 50 Abs. 1, 2 Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 1.5.2017). Unternehmen, die als Inlandsemittent Aktien oder Schuldtitel iSd. § 2 Abs. 1 WpHG begeben und als Mutterunternehmen verpflichtet sind, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, müssen zudem gem. §§ 117 iVm. 115 WpHG für die ersten sechs Monate eines Geschäftsjahrs einen Halbjahresfinanzbericht offenlegen, der einen verkürzten Konzernabschluss enthält, der nach den für den Konzernjahresabschluss geltenden Vorschriften aufgestellt wird; vgl. auch DRS 16. Für die Aufnahme in den Prime Standard der deutschen Börse haben Mutterunternehmen sogar Quartalsberichte offenzulegen (§ 51a Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse [Stand 1.5.2017]), die an die Stelle der nach WpHG sonst offenzulegenden Zwischenberichte treten. Wer vorsätzlich oder leichtfertig die gesetzlichen Vorschriften nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig befolgt, handelt ordnungswidrig (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. n und Buchst. o WpHG). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann unanfechtbare Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen Verbote oder Gebote des WpHG getroffen hat, auf ihrer Internetseite öffentlich bekanntmachen (§ 123 Abs. 1 WpHG). Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs haben bei nicht fristgerechter Veröffentlichung eine 113 Verletzung der Pflichten aus § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB begangen. Es folgt aus einer solchen Pflichtverletzung deshalb eine entsprechende Haftung mit einem Ordnungsgeldverfahren nach § 335 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 HGB.

II. Prüfungspflicht Ziel der Konzernabschlussprüfung ist es, das Vertrauen in die wahrheitsgemäße Berichterstattung zu ver- 114 bessern. Der (Konzern-)Abschlussprüfer ist dabei nicht nur im Interesse der Kapitalgeber bzw. des Kapitalmarkts tätig, sondern unterstützt den Aufsichtsrat in seiner eigenen Prüfungspflicht gem. § 171 AktG. Darüber hinaus soll eine Konzernabschlussprüfung die Risiken möglicher grober und weitgehend sanktionsloser Verstöße minimieren.1 Die Prüfungspflicht von Konzernabschlüssen ergibt sich aus § 316 Abs. 2 Satz 1 HGB. Wurde der Kon- 115 zernabschluss nicht geprüft, kann dieser nicht gebilligt werden (§ 316 Abs. 2 Satz 2 HGB). Gegenstand der Prüfung sind die im Konzernabschluss zusammengefassten Jahresabschlüsse; dabei sind insbes. die konsolidierungsbedingten Anpassungen zu prüfen (§ 317 Abs. 3 Satz 1 HGB). Konsolidierungsbedingte Anpassungen sind nicht nur die Konsolidierungstechnik, sondern auch Einheitlichkeit von Ansatz und Bewertung in der Handelsbilanz II sowie die Neubewertung in der Handelsbilanz III. Indirekt kann aus § 317 Abs. 3 Satz 1 HGB auch eine Dokumentations- bzw. „Buchführungspflicht“ im 116 Rahmen der Konzernabschlusserstellung abgeleitet werden. Auch wenn § 298 HGB, der auf die für den Konzernabschluss anzuwendenden Vorschriften verweist, keine Buchführungspflicht gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB vorsieht, sind im Rahmen der derivativen Ermittlung der Konzernabschlüsse die Einzelabschlüsse aller Konzernunternehmen zu dokumentieren, weil sonst die Prüfung des Konzernabschlusses ins Leere liefe. Sanktionen iwS einer Nichtaufstellung könnten mögliche Wirkungen auf den Bestätigungsvermerk und den Prüfungsbericht zum Jahresabschluss des Mutterunternehmens sein. Allerdings wird kein Zusammenhang zwischen der Aussage im Bestätigungsvermerk nach § 322 Abs. 1 Satz 2 HGB und der Verletzung der Aufstellungspflicht des § 290 HGB gesehen. Dass die Vorschriften über die Konzernrechnungslegung nicht beachtet werden, hat keinen Einfluss auf das Prüfungsergebnis zum Jahresabschluss des Mutterunternehmens. Die Nichtaufstellung ist keine Einwendung iSd. § 322 Abs. 4 Satz 1 HGB, die einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk oder einen Versagungsvermerk für den Jahresabschluss des Mutterunternehmens zur Folge hat.2

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Wird trotz der Verpflichtung nach § 290 HGB kein Konzernabschluss und kein Konzernlagebericht auf- 118 gestellt, ist im Prüfungsbericht über die Prüfung des Mutterunternehmens darauf hinzuweisen. Da die Verstöße dem Abschlussprüfer bekannt sind, hat er nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB darüber zu berichten.3 Die Verletzung der Aufstellungspflicht fällt unter die Verstöße der gesetzlichen Vertreter; allerdings nur wenn der Verstoß durch die gesetzlichen Vertreter schwerwiegend iSd. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB ist. Ob die schwachen Sanktionen bei Nichtoffenlegung des Konzernabschlusses nach § 335 HGB als Beleg für einen 1 Vgl. Kindler in GroßKomm.5, Vor § 290 HGB Rz. 42. 2 Vgl. ADS6, § 322 HGB Rz. 304; IDW, WP Handbuch15, M Rz. 881. 3 Vgl. IDW, PS 450 Rz. 50; IDW, WP Handbuch15, M Rz. 881.

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Vor §§ 290–315e Rz. 119 | Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung nicht schwerwiegenden Verstoß interpretiert werden kann,1 ist fraglich. Der Prüfungsbericht geht an die internen Organe, insbes. einen Aufsichtsrat. Durch die Notwendigkeit der Billigung durch den Aufsichtsrat seit 2002 hat der Gesetzgeber der zunehmenden Bedeutung des Konzernabschlusses als Informationsinstrument Rechnung getragen; die Nichtaufstellung ist daher als schwerwiegender Verstoß iSd. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB zu werten. Die Kriterien des IDW für schwerwiegende Verstöße, vor allem das für die Kapitalgesellschaft mit dem Verstoß verbundene Risiko, die Bedeutung der verletzten Rechtsnorm sowie der Grad des Vertrauensbruchs, dessen Kenntnis Bedenken gegen die Eignung der gesetzlichen Vertreter begründen könnte, führen zu einem schwerwiegenden Verstoß bei Nichtaufstellung.2 Auch wenn die Berichtspflicht nicht unmittelbar aus § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB abgeleitet werden kann, spricht die Verpflichtung des Abschlussprüfers, den Prüfungsbericht nach dem IDW PS 450 zu erstellen, für eine Berichtspflicht.

III. Billigung 119

Gem. § 171 AktG sind durch den Aufsichtsrat des Mutterunternehmens auch der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht zu prüfen. Die Prüfungspflicht ergibt sich unmittelbar aus § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG sowie § 171 Abs. 2 Satz 5 AktG.3 Die Prüfung entspricht der Prüfungsdichte des Jahresabschlusses und bezieht sich auf die Rechtmäßigkeit der Konzernrechnungslegung; dabei ist auch die Zweckmäßigkeit möglicher Konsolidierungswahlrechte zu beurteilen.4

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Seit dem TransPuG5 ist in § 171 Abs. 2 Satz 4, 5 AktG die Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat bzw. die Möglichkeit der Überlassung der Billigung des Konzernabschlusses an die Hauptversammlung vorgesehen (§ 173 Abs. 1 Satz 2 AktG). Parallel zur aktienrechtlichen Regelung wurde auch im GmbH-Recht das Institut einer förmlichen Billigung des Konzernabschlusses eingeführt (§ 42a Abs. 4 GmbHG). Mit der Einführung einer förmlichen Billigung, die einer Feststellung des Jahresabschlusses nachgebildet ist, soll der zunehmenden Bedeutung des Konzernabschlusses als Informationsinstrument Rechnung getragen werden. Soll ein gebilligter Konzernabschluss geändert werden, gelten grds. die gleichen Voraussetzungen wie beim Jahresabschluss.6 Allerdings muss festgehalten werden, dass die förmliche Billigung des Konzernabschlusses nicht den Nichtigkeitsvorschriften des § 256 AktG unterworfen ist. Mit der Billigung übernimmt der Aufsichtsrat eine Mitverantwortung für die Recht-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeit der Vorlagen und damit für die Darstellung im Konzernabschluss und -lagebericht.

IV. Enforcement 121

Neben einer Prüfung durch den Abschlussprüfer (§§ 316 ff. HGB) und den Aufsichtsrat (§ 171 AktG) sind die Unternehmensabschlüsse und -berichte von Emittenten zugelassener Wertpapiere, deren Herkunftsstaat Deutschland ist, durch die Enforcementeinrichtungen zu prüfen (§§ 342b ff. HGB, §§ 106 ff. WpHG). Betroffen sind insbes. Emittenten von Schuldtiteln (mit einer Stückelung von weniger als 1.000 € oder dem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung), Aktien oder anderen Finanzinstrumenten – mit Sitz im Inland, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen EWR-Vertragsstaat zugelassen sind; – mit Sitz in einem Drittstaat, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland zugelassen sind und die die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat nach § 4 Abs. 1 WpHG gewählt haben.

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Im Rahmen des Enforcements werden ua. der zuletzt gebilligte Konzernabschluss sowie der zugehörige Konzernlagebericht daraufhin geprüft, ob sie den anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften einschließlich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder sonstigen durch das Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen (§ 342b Abs. 2 Satz 1 HGB, § 95 WpHG). Gegenstand ist die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung.7 Die Prüfstelle wird aktiv, – wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen, Vgl. ADS6, Vor §§ 290–315 HGB Rz. 79; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 113. AA Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 113. Vgl. Drygala in Schmidt/Lutter, AktG3, § 171 Rz. 22. Vgl. Drygala in Schmidt/Lutter, AktG3, § 171 Rz. 22; Hennrichs/Pöschke in MünchKomm. AktG3, § 171 Rz. 72, 75, 146. Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) v. 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681. 6 Vgl. Kraft in GroßKomm.5, § 297 HGB Rz. 43. 7 Vgl. Scheffler/Zempel in Beck HdR, B 620 Rz. 18 (Stand März 2017).

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Pflicht zur Aufstellung

| § 290

– auf Verlangen der BaFin, wenn Anhaltspunkte vorliegen oder – ohne besonderen Anlass im Rahmen einer Stichprobenprüfung (§ 342s Abs. 2 Satz 3 HGB). Im Rahmen des Enforcements wird eine fehlerhafte Rechnungslegung durch eine Fehlerveröffentlichung 123 des betroffenen Unternehmens sanktioniert.1 Auf den Konzernabschluss wird die Nichtigkeitsvorschrift nach § 256 AktG nicht angewendet. Im Allgemeinen wird der nachfolgende Konzernabschluss korrigiert, wobei die Vergleichszahlen des oder der Vorjahre anzupassen sind. Darüber hinaus kann die Änderung der Jahresabschlüsse von wesentlichen Konzernunternehmen Anlass für eine Korrektur des Konzernabschlusses sein.2 Bei einer Änderung eines durch einen Abschlussprüfer geprüften (Konzern-)Abschlusses und -Lageberichts kommt es zu einer Nachtragsprüfung gem. § 316 Abs. 3 HGB.

V. Steuerliche Bedeutung Um die (dritte) Ausnahmeregelung von der Zinsschranke gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG in An- 124 spruch zu nehmen, muss der Konzernabschluss den Anforderungen an die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung hinsichtlich Aufstellung, Prüfung, Offenlegung genügen oder die Voraussetzungen erfüllen, unter denen ein Abschluss nach den §§ 291 und 292 HGB befreiende Wirkung hätte (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 10 EStG). Ferner müssen Wahlrechte im Konzernabschluss und im Einzelabschluss einheitlich ausgeübt werden (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 4 EStG). Steuerlich werden durch falsche Konzernabschlüsse nachhaltige Sanktionen ausgelöst: Sollte ein dem Eigenkapitalvergleich zugrunde gelegter Abschluss unrichtig sein und führt der zutreffende Abschluss zu einer Erhöhung der nach § 4h Abs. 1 EStG nicht abziehbaren Zinsaufwendung, wird ein Zuschlag nach § 162 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO festgesetzt.3

Erster Titel Anwendungsbereich § 290 Pflicht zur Aufstellung (1) 1Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland haben in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, wenn diese auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. 2Ist das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 325 Abs. 4 Satz 1, sind der Konzernabschluss sowie der Konzernlagebericht in den ersten vier Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen. (2) Beherrschender Einfluss eines Mutterunternehmens besteht stets, wenn 1. ihm bei einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht; 2. ihm bei einem anderen Unternehmen das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und es gleichzeitig Gesellschafter ist; 3. ihm das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik auf Grund eines mit einem anderen Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrages oder auf Grund einer Bestimmung in der Satzung des anderen Unternehmens zu bestimmen, oder 4. es bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (Zweckgesellschaft). 2Neben Unternehmen können Zweckgesellschaften auch sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts sein, ausgenommen Spezial-Sondervermögen im Sinn des § 2 Absatz 3 des Investmentgesetzes oder vergleichbare ausländische Investmentvermögen oder als Sondervermögen aufgelegte offene inländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen im Sinn des § 284 des Kapitalanla1 Vgl. Scheffler/Zempel in Beck HdR, B 620 Rz. 205-209 (Stand März 2017). 2 Vgl. Scheffler/Zempel in Beck HdR, B 620 Rz. 213 (Stand März 2017). 3 Vgl. Heuermann in Blümich, § 4h EStG Rz. 89 (Stand Mai 2016); Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 140 f. (Stand April 2015).

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§ 290 | Pflicht zur Aufstellung gegesetzbuchs oder vergleichbare EU-Investmentvermögen oder ausländische Investmentvermögen, die den als Sondervermögen aufgelegten offenen inländischen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen im Sinn des § 284 des Kapitalanlagegesetzbuchs vergleichbar sind. (3) 1Als Rechte, die einem Mutterunternehmen nach Absatz 2 zustehen, gelten auch die einem anderen Tochterunternehmen zustehenden Rechte und die den für Rechnung des Mutterunternehmens oder von Tochterunternehmen handelnden Personen zustehenden Rechte. 2Den einem Mutterunternehmen an einem anderen Unternehmen zustehenden Rechten werden die Rechte hinzugerechnet, über die es selbst oder eines seiner Tochterunternehmen auf Grund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern dieses Unternehmens verfügen kann. 3Abzuziehen sind Rechte, die 1. mit Anteilen verbunden sind, die von dem Mutterunternehmen oder von dessen Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden, oder 2. mit Anteilen verbunden sind, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden. (4) 1Welcher Teil der Stimmrechte einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich für die Berechnung der Mehrheit nach Absatz 2 Nr. 1 nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte. 2Von der Gesamtzahl aller Stimmrechte sind die Stimmrechte aus eigenen Anteilen abzuziehen, die dem Tochterunternehmen selbst, einem seiner Tochterunternehmen oder einer anderen Person für Rechnung dieser Unternehmen gehören. (5) Ein Mutterunternehmen ist von der Pflicht, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, befreit, wenn es nur Tochterunternehmen hat, die gemäß § 296 nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden brauchen. A. I. II. III. IV. B. I. II. 1. 2. 3. 4. III. IV. V. C. I. II. 1. 2. 3. 4. III. 1. 2.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mutter-Tochter-Verhältnis (Abs. 1) Aufstellungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normanforderung an Mutter- und Tochterunternehmen Unternehmensbegriff a) Mutterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . b) Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsform des Mutterunternehmens . . . . . Sitz des Mutterunternehmens . . . . . . . . . . . Kapitalmarktorientierung des Mutterunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrstufige Mutter-Tochter-Verhältnisse . . Gemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . Gleichordnungskonzerne . . . . . . . . . . . . . . Möglicher beherrschender Einfluss als Generalnorm (Abs. 1) Mögliche Beherrschung als unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriterien eines möglichen beherrschenden Einflusses Bestimmung der Geschäfts- und Finanzpolitik Dauerhaft beherrschender Einfluss . . . . . . . Nutzenziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Beteiligungsnotwendigkeit . . . . . . . . . Faktische Beherrschungsmöglichkeiten gem. Abs. 1 Potenzielle Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . Nachhaltige Präsenzmehrheit . . . . . . . . . . .

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10 24 31

33 35 40 44 48 50 55 59

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2) I. Konzerntypische Rechte (Abs. 2 Nr. 1–3) 1. Zustehende Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrheit der Stimmrechte (Abs. 2 Nr. 1) . . . 3. Organbestellungs- und -abberufungsrecht (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beherrschender Einfluss aufgrund von Beherrschungsvertrag oder Satzungsbestimmung (Abs. 2 Nr. 3) a) Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . b) Satzungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . II. Mehrheit der Risiken und Chancen an Zweckgesellschaften (Abs. 2 Nr. 4) . . . . . . . E. Hinzurechnung und Abzug von Rechten (Abs. 3) I. Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hinzurechnung von mittelbar zustehenden Rechten (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . III. Hinzurechnung von Rechten für Rechnung des Mutter- oder eines Tochterunternehmens (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . IV. Hinzurechnung von Rechten aufgrund einer Vereinbarung (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . V. Abzug von Rechten (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . F. Berechnung der Stimmrechte (Abs. 4) . . . . G. Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . H. Sonderfragen zur handelsrechtlichen Aufstellungspflicht I. Aufstellungspflicht der GmbH & Co. KG . . . II. Aufstellungspflicht in der Liquidation . . . . .

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Pflicht zur Aufstellung

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Literatur: Burbach, Die Personenhandelsgesellschaft als Tochterunternehmen i.S.d. § 290 Abs. 2 HGB, WPg. 1990, 253; Haeger/Zündorf, Abgrenzung des Konsolidierungskreises nach der wirtschaftlichen Zugehörigkeit, DB 1991, 1841; Schildbach/Koenen, Die GmbH & Co. KG ist grundsätzlich konzernrechnungslegungspflichtig, WPg. 1991, 661; Schorndorfer, Verbundene Unternehmen im Dritten Buch des HGB, 1991; Scherrer/Heni, Externe Rechnungslegung bei Liquidation, DStR 1992, 797; Streim/Klaus, Zur Rechnungslegung, Prüfung und Publizität der GmbH & Co. KG, BB 1994, 1109; Nordmeyer, Die Einbeziehung von Joint Ventures in den Konzernabschluß, WPg. 1994, 301; Pawelzik/Theile, Konzernrechnungslegungspflicht und Ausweis der Anteile anderer Gesellschafter im Konzernabschluss der GmbH & Co. KG, DStR 2000, 2145; Theile, Publizität des Einzel- und Konzernabschlusses bei der GmbH & Co KG nach neuem Recht, GmbHR 2000, 215; Herrmann, Zur Rechnungslegung der GmbH & Co. KG im Rahmen des KapCoRiLiG, WPg. 2001, 271; Küting/Weber/Pilhofer, Zur Frage der Einbeziehung einer GmbH &Co. KG in den Konzernabschluss eines übergeordneten Mutterunternehmens im Rahmen der Abgrenzung des Konsolidierungskreises, WPg. 2003, 793; Bischof/Roß, Qualitative Mindestanforderungen an das Organ nach HGB und IFRS bei einem Mutter-Tochter-Verhältnis durch Organbestellungsrecht, BB 2005, 203; Ziegler/Birkholz, Unternehmenskauf in Raten – Rechtliche Aspekte der Ausgestaltung von Optionen in Unternehmenskaufverträgen, M & A Review 2005, 490; Busse v. Colbe/Schurbohm-Ebneth, Neue Vorschriften für den Konzernabschluss nach dem Entwurf für ein BilMoG, BB 2008, 98; Köhler/Strauch, Behandlung von Special Purpose Entities im Konzernabschluss – aktuelle Entwicklungen, WPg. 2008, 189; Stibi/Fuchs, Die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung nach dem Referentenentwurf des BilMoG, KoR 2008, 97; Watrin/Lammert, Konzeption des Beherrschungsverhältnisses nach IFRS – Zentrale Fragestellungen und grundsätzliche Ausrichtung, KoR 2008, 74; Zeyer, Rechnungslegung der Einheitsgesellschaft. Ausgewählte Bilanzierungsprobleme im Jahres- und Konzernabschluss der Einheits-GmbH & Co. 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Ein Plädoyer für die materielle Interpretation des typisierenden Beherrschungstatbestandes in § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB unter Berücksichtigung der internationalen Rechnungslegung, IRZ 2010, 447; Küting/Scheren, Die Organisation der externen Konzernrechnungslegung, DB 2010, 1893; Küting/Seel, Neukonzeption des Mutter-Tochter-Verhältnisses nach HGB – Auswirkungen des BilMoG auf die handelsrechtliche Bilanzierung, BB 2010, 1459; Rulf, Die Zurechnungstatbestände des WpGH und des WpÜG, 2010; Theile, Übergang auf BilMoG im Konzernabschluss. Umstieg auf das neue HGB, StuB 2010, 211; Thelen-Pischke, Die aufsichtsrechtliche Konsolidierung von Zweckgesellschaften unter Berücksichtigung der Auswirkungen des BilMoG, IRZ 2010, 187; Glander/Blecher, Die adäquate Abbildung von Zweckgesellschaften im Konzernabschluss, KoR 2011, 467; Erchinger/Melcher, IFRS-Konzernrechnungslegung – Neuerungen nach IFRS 10, DB 2011, 1229; Küting/Mojadadr, Das neue Control-Konzept nach IFRS 10 – IFRS 10 „Consolidated Financial Statements“ stellt die Konzerne bereits jetzt vor enorme Herausforderungen, KoR 2011, 273; Landgraf/Roos, Pflicht zur Konzernrechnungslegung und Abgrenzung des Konsolidierungskreises nach DRS 19, KOR 2011, 366; Oser/Milanova, Aufstellungspflicht und Abgrenzung des Konsolidierungskreises – Rechtsvergleich zwischen HGB/DRS 19 und dem neuen IFRS 10, BB 2011, 2027; Stibi/Kirsch/EweltKnauer, DRS 19: Pflicht zur Konzernrechnungslegung und Abgrenzung des Konsolidierungskreises, WPg. 2011, 761; Küting/Mojadadr, Zweckgesellschaften in der Berichterstattungspraxis, KoR 2013, 142; Meyer, Beurteilung der Wesentlichkeit von Tochterunternehmen für die Bestimmung von Konsolidierungspflicht und Konsolidierungskreis, BB 2013, 2411; Marbler/Oser, Zur Konzernrechnungslegungspflicht der GmbH & Co. KG, DStR 2014, 2474; Reitmeier/ Deubert, Befreiungsmöglichkeiten für Tochterunternehmen nach §§ 264 Abs. 3, 264b HGB i.d.F. des BilRUG-RefE, BB 2014, 2795; Zwirner, Reform des HGB durch das BilRUG – Ein Überblick über die wesentlichen Detailänderungen im Konzernabschluss, DStR 2014, 1843; Deubert/Lewe, Wesentliche Änderungen im Bereich der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung durch das BilRUG, DB 2015, Beilage 5, 49; Lüdenbach, Konzernrechnungslegung bei Entherrschungsvertrag, StuB 2015, 933; Reitmeier/Rimmelspacher, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Überblick über die wesentlichen Änderungen, DB 2015, 1; Theile, Der Jahres- und Konzernabschluss der GmbH und GmbH & Co. nach dem Regierungsentwurf eines Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG), GmbHR 2015, 281; Ehsen-Rühl/Althoff, Konsolidierungspflicht ohne Stimmrechtsmehrheit?, WPg. 2016, 497; Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 2016; Schüttler/Orban, Die Bank als Träger von Risiken bei Zweckgesellschaften, DStR 2016, 828; Ernst & Young, IGAAP 2017; Sultana, Unterstützungskassen im Konzernabschluss, 2017.

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§ 290 Rz. 1 | Pflicht zur Aufstellung

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Für die Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses verweist § 290 HGB auf eine Mutter-Tochter-Beziehung. Nach dem HGB werden eine Mutter-Tochter-Beziehung und damit die Pflicht zur Aufstellung von Konzernabschlüssen von einer möglichen Beherrschung des Tochterunternehmens durch das Mutterunternehmen bestimmt. § 290 Abs. 1 HGB ist als Generalnorm der Definition einer Mutter-TochterBeziehung und der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach HGB zu verstehen;1 der Begriff der möglichen Beherrschung bleibt allerdings offen, da keine gesetzliche Definition geben wird. Die Tatbestände einer möglichen Beherrschung nach Abs. 1 können auch auf faktischen Umständen beruhen.2 Die in Abs. 1 formulierte Generalnorm einer möglichen Beherrschung dient einer wirtschaftlichen Abgrenzung der Mutter-Tochter-Beziehung.

2

Die in § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB genannten Einflusstatbestände (konzerntypische Rechte) sind daher nicht abschließend bei der Einschätzung einer möglichen Beherrschung, werden aber als unwiderlegbare Einflusstatbestände einer möglichen Beherrschung verstanden.3 Konzerntypische Rechte sind rechtlich abgesichert.4

3

§ 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB verweist nicht auf konzerntypische Rechte, sondern hat für Zweckgesellschaften, wenn das Mutterunternehmen in wirtschaftlicher Sicht die Mehrzahl der Risiken und Chancen hat oder zugerechnet bekommt, eine unwiderlegbare Aufstellungs- und Konsolidierungspflicht verankert. Mit den Kriterien für Zweckgesellschaften wird eine eigenständige Form der Einflussnahme normiert, die neben die Generalnorm des Abs. 1 und die konzerntypischen Rechte iSv. Abs. 2 Nr. 1–3 tritt.

4

In § 290 Abs. 3 HGB werden Einzelfragen bei der Zurechnung der Rechte, die eine Beherrschung insbes. nach Abs. 2 erlauben, behandelt. Ziel ist eine wirtschaftliche Zurechnung, der in Abs. 2 rechtlich abgesicherten Rechte. In § 290 Abs. 4 HGB werden Einzelfragen bei der Berechnung der Stimmrechte, die eine Beherrschung insbes. nach Abs. 2 erlauben, geklärt.

5

Von der Aufstellungspflicht, dh. liegt eine Mutter-Tochter-Beziehung vor, zu trennen ist grds. die Frage, welche Tochterunternehmen konkret in den Konsolidierungskreis und damit den Konzernabschluss einzubeziehen sind; durch § 290 Abs. 5 HGB wird diese gedankliche Trennung von Aufstellungs- und Einbeziehungspflicht durchbrochen.

6

Wegen der Orientierung des § 290 HGB nach der Reform durch das BilMoG an den IFRS kann von einer Angleichung der Aufstellungspflichten von HGB und IFRS ausgegangen werden, allerdings kann aus der Orientierung nicht auf eine Deckungsgleichheit geschlossen werden.5 Dies gilt verstärkt seit der Verabschiedung des IFRS 10; Pate der Angleichung der Aufstellungspflichten nach § 290 HGB standen die Regelungen nach IAS 27 iVm. SIC 12.

II. Bedeutung und Zweck 7

Wer die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer wirtschaftlichen Einheit „Konzern“ in einem konsolidierten Abschluss darstellen will, muss definieren, wann eine solche wirtschaftliche Einheit besteht und wo die „Grenze“ dieser wirtschaftlichen Einheit zu ihrem Umfeld – zum „Markt“ – verläuft und unter welchen Bedingungen ein konsolidierter Abschluss für die wirtschaftliche Einheit aufzustellen ist. Die Definition des Mutter-Tochter-Verhältnisses ist nicht nur relevant bei der Bestimmung der Aufstellungspflicht eines konsolidierten Abschlusses, sondern auch bei der vollständigen Erfassung aller Tochtergesellschaften im (Voll)Konsolidierungskreis. Ein Konzern im handelsrechtlichen Sinn umfasst somit alle Unternehmen, die in einen konsolidierten Jahresabschluss einbezogen sind,6 um Außenstehenden Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirtschaftlichen Einheit zu liefern (§ 297 Abs. 2 HGB).

8

Das bis 2009 in der deutschen Konzernrechnungslegung vorherrschende Kriterium der ausgeübten einheitlichen Leitung (in Verbindung mit der Forderung der Beteiligung iSv. § 271 Abs. 1 HGB) galt in diesem Punkt als anfällig, weil es auf die tatsächliche Einflussnahme abstellte und eine Beteiligung iSv. § 271 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 20. Vgl. Gelhausen/Deubert/Klöcker, DB 2010, 2005 (2005). Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 20; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 3. Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 3, 36, 42. Vgl. Küting/Koch in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht2, 382; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21. 6 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 6. 1 2 3 4 5

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 14 § 290

HGB explizit forderte. Mit dem aus der angelsächsischen Rechnungslegungstradition stammenden Kriterium der möglichen Beherrschung („Control“) wird hingegen auf die Möglichkeit einer Einflussnahme abgestellt. Dieser Konzeptwechsel im Rahmen des BilMoG ist neben dem Wunsch einer Annäherung an die IFRS auch durch die Erfahrung der Finanzkrise 2007/2008 geprägt.1 Gleichwohl ist das Kriterium der einheitlichen Leitung weiterhin in Art. 22 Abs. 2 der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU angeführt. Mit den Regelungen zu Zweckgesellschaften (§ 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB) soll trotz des Fehlens klassischer Beherrschungsmöglichkeiten und einer rechtlichen Eigentümerposition sichergestellt werden, dass Risiken und Chancen, die letztlich vom Mutterunternehmen zu tragen sind, im Konzernabschluss erfasst werden. Auch diese Erweiterung der Mutter-Tochter-Beziehung ist nachdrücklich durch die Finanzkrise 2007/ 2008 bestimmt.2

9

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Regelungen zu § 290 HGB gingen ursprünglich auf die Art. 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) zurück. Die europarechtliche Fundierung der Verpflichtung konsolidierter Abschlüsse findet sich heute in Art. 22 der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU und umfasst neben Kapitalgesellschaften auch Mutterunternehmen in der Rechtsform haftungsbeschränkter Personengesellschaften.

10

Die in § 290 HGB geltenden Regelungen sind über § 11 PublG3 auch für Mutterunternehmen relevant, die 11 nicht die Rechtsform der Kapitalgesellschaft bzw. einer Personengesellschaft iSv. § 264a HGB haben und bestimmte Größenkriterien erfüllen. Seitdem das Kriterium der einheitlichen Leitung mit dem BilMoG aufgegeben wurde, sind die Kriterien für die Aufstellung konsolidierter Jahresabschlüsse rechtsformunabhängig geregelt.4 Auf § 290 HGB verweisen auch die § 340i HGB und § 341i HGB, in denen rechtsformunabhängig die Auf- 12 stellung von Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen gefordert wird. Die Aufstellungspflicht des § 290 HGB ist im Zusammenhang mit den Befreiungsvorschriften zur Aufstellung nach § 291–293 HGB und den Vorschriften zur Abgrenzung des Vollkonsolidierungskreises nach §§ 294–296 HGB zu sehen.

13

Im Einzelabschluss ergeben sich aus der in §§ 271 Abs. 2 iVm. 290 HGB gemachten Definition verbunde- 14 ner Unternehmen besondere Ausweis- und Anhangangabepflichten. – Anteile an verbundenen Unternehmen im Anlagevermögen (§ 266 Abs. 2 A. III 1 HGB); – Ausleihungen an verbundene Unternehmen (§ 266 Abs. 2 A. III 2 HGB); – Forderungen gegen verbundene Unternehmen (§ 266 Abs. 2 A. III 3 HGB); – Anteile an verbundenen Unternehmen im Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 A. III 1 HGB); – Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (§ 266 Abs. 3 A.III.2 HGB) – Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (§ 266 Abs. 3 C. 6 HGB); – Haftungsverhältnisse gegenüber verbundenen Unternehmen (§ 268 Abs. 7 Nr. 3 HGB); – Erträge aus Beteiligungen und anderen Wertpapieren des Finanzanlagevermögens an verbundenen Unternehmen sowie Erträge aus Ausleihungen an verbundenen Unternehmen (§ 275 Abs. 2 Nr. 9, 10 HGB sowie Abs. 3 Nr. 8, 9 HGB); – Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge aus verbundenen Unternehmen sowie Zinsen und ähnliche Aufwendungen an verbundenen Unternehmen (§ 275 Abs. 2 Nr. 11, 13 HGB sowie Abs. 3 Nr. 10, 12 HGB); – Sonstige finanzielle Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz erscheinen und auch nicht nach § 251 HGB anzugeben sind, sofern diese Informationen für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung sind und gegenüber verbundenen Unternehmen bestehen (§ 285 Nr. 3a HGB); – Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den größten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der von diesem Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist (§ 285 Nr. 14 HGB); 1 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 2. 2 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 2. 3 Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen v. 15.8.1969, BGBl. I 1969, 1189 ff. 4 Vgl. von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 35, 45 (Stand Nov. 2011).

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§ 290 Rz. 15 | Pflicht zur Aufstellung – Name und Sitz des Mutterunternehmens der Kapitalgesellschaft, das den Konzernabschluss für den kleinsten Kreis von Unternehmen aufstellt, sowie der Ort, wo der von diesem Mutterunternehmen aufgestellte Konzernabschluss erhältlich ist (§ 285 Nr. 14a HGB). Ziel der handelsrechtlichen Definition verbundener Unternehmen im Jahresabschluss ist die Offenlegung von Unternehmensverbindungen, weil Transaktionen mit verbunden Unternehmen durch konzerninterne Umstände beeinflusst werden können und mithin besonderen Gefahren unterliegen.1 15

Die in § 290 HGB normierte Aufstellungspflicht begründet darüber hinaus die Pflicht zur Prüfung (§ 316 Abs. 2 HGB), Billigung (§ 171 Abs. 2 AktG; § 42a Abs. 4 GmbHG) und Offenlegung (§ 325 Abs. 1 HGB) konsolidierter Abschlüsse; wobei im Gegensatz zu Einzelabschlüssen keine Erleichterungen zulässig sind.

16

Die mit Art. 4 der IAS-Verordnung Nr. 1606/20022 eingeführte Aufstellungspflicht von IFRS-Konzernabschlüssen für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen sowie die in § 315e Abs. 3 HGB eröffnete Möglichkeit eines IFRS-Konzernabschlusses für nicht börsennotierte Mutterunternehmen verweisen bei der Frage, ob ein Konzernabschluss aufzustellen ist, auf § 290 HGB. Lediglich die weiteren Fragen zur Vereinheitlichung von Ansatz, Bewertung und Ausweis, zum Konsolidierungskreis sowie die Regelungen zur eigentlichen Konsolidierung ergeben sich aus den IFRS.

17

Da das BilMoG eine Annäherung an die IFRS verfolgte, kann gefolgert werden, dass IAS 27 iVm. SIC 12 Hinweise zum Verständnis der möglichen Beherrschung geben kann; allerdings ist kein deckungsgleiches Verständnis gefordert. Unterstützend kann auf die Regelungen nach IAS 27 iVm. SIC 12 verwiesen werden, wenn kein Widerspruch zu Wortlaut, Systematik und Zweck der Rechnungslegungsrichtlinie 83/349/ EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) bzw. der Richtlinie 2013/34/EU besteht. IAS 27 und SIC 12 entsprechen zudem nicht mehr den geltenden IFRS, die durch IFRS 10 ersetzt wurden.

18

Der Deutsche Rechnungslegungs Standard (DRS) 19 konkretisiert die Pflicht zur Konzernrechnungslegung gem. § 290 HGB. Da DRS 19 am 29.12.2010 bekannt gemacht wurde, besteht die widerlegbare Vermutung, dass bei Beachtung die für den Konzernabschluss geltenden GoB beachtet wurden (§ 342 Abs. 2 HGB).

19

Eine Kapitalgesellschaft, die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR einbezogen ist, braucht §§ 264–289f, §§ 316–324a und §§ 325–328 HGB nicht anzuwenden, wenn die in § 264 Abs. 3 Nr. 1–3 HGB genannten Voraussetzungen alle erfüllt sind. In § 264b HGB wird diese Regelung auf haftungsbeschränkte Personengesellschaften iSd. § 264a HGB ausgeweitet.3

20

Die handelsrechtlichen Regelungen zur Konzernrechnungslegung verweisen nicht auf den aktienrechtlichen Begriff des Konzerns (§ 18 AktG).4 Mit dem angelsächsischen Konzept der möglichen Beherrschung setzt sich die Konzernrechnungslegung im HGB von der Konzerndefinition des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG ab, der auf die ausgeübte einheitliche Leitung abstellt.5 Auch der Begriff der verbundenen Unternehmen nach §§ 271 Abs. 2 iVm. 290 HGB stimmt nicht mit dem aktienrechtlichen Begriff der verbundenen Unternehmen (§§ 15 f. AktG) überein. Gleichwohl lassen sich Verbindungen zwischen den verbundenen Unternehmen nach HGB einerseits und den rechtlich selbständigen Unternehmen, die im Verhältnis zueinander entweder in Mehrheitsbesitz stehende und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16 AktG) oder abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17 AktG) sind, andererseits erkennen. Zudem wird in § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB auf Beherrschungsverträge auch iSv. §§ 291 ff. AktG verwiesen.

21

§ 34 Abs. 3 WpHG und § 2 Abs. 6 WpÜG verweisen auf Tochterunternehmen iSd. § 290 HGB. Dass mit dem BilMoG die einheitliche Leitung durch die Beherrschung ersetzt wird, hat mithin auch Rückwirkungen auf die kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten.6

22

Die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 InsO) liegt der Definition einer Unternehmensgruppe iSd. Regelungen zur Konzerninsolvenz zugrunde, bei der auf rechtlich selbständige Unternehmen verwiesen wird, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind. Darüber hinaus wird auch die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung angeführt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 InsO). Bei der Frage der 1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 271 HGB Rz. 32. 2 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG 2002 Nr. L 243 v. 11.9.2002, 1 ff. 3 Vgl. Reitmeier/Deubert, BB 2014, 2975 (2975). 4 Offener hier Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 5 f. 5 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 1. 6 Vgl. Veil in Schmidt/Lutter, AktG3, Anh. § 22: § 22 WpHG, Rz. 7; s. auch Rulf, Zurechnungstatbestände des WpGH und des WpÜG, 2010.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 28 § 290

Gruppeneigenschaft einer GmbH & Co KG wurde explizit auf § 290 HGB verwiesen, so dass der herrschende Einfluss nicht nach § 17 AktG definiert wird.1 Der Konzernabschluss hat über die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG unmittelbare Bedeutung zur Frage der Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung.

23

IV. Rechtsentwicklung Mit § 290 HGB wurden am 19.12.1985 die Art. 1, 2 und 4 der Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanz- 24 richtlinie)2 in nationales Recht umgesetzt. Gegenüber §§ 329 f. AktG 1965 müssen alle Kapitalgesellschaften einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufstellen. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 83/349/ EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie), wonach auch Mutterunternehmen, die keine Kapitalgesellschaften sind, zur Aufstellung verpflichtet werden konnten, sofern ein Tochterunternehmen die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hat, wurde nicht in nationales Recht umgesetzt. Abweichend von §§ 329 f. AktG 1965, nach denen nur das inländische Mutterunternehmen auf der höchs- 25 ten Hierarchiestufe des Konzerns (Obergesellschaft) bzw. das inländische Konzernunternehmen, das der Obergesellschaft am nächsten stand, einen Konzernabschluss und einen Konzerngeschäftsbericht aufstellen musste, gilt nach § 290 HGB das Tannenbaumprinzip. In mehrstufigen Konzernen muss daher jedes Mutterunternehmen, unabhängig von der Hierarchiestufe, grundsätzlich einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufstellen. Entgegen §§ 329 f. AktG 1965, die für die Aufstellung von Konzernabschlüssen und Konzerngeschäftsberichten allein auf die ausgeübte einheitliche Leitung des Mutterunternehmens abstellten, verwies § 290 HGB aF auf zwei unterschiedliche Konzepte zur Aufstellung: Zum einen war das für die deutsche Konzernrechnungslegung traditionelle Konzept der einheitlichen Leitung (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie)) – iVm. dem Bestehen einer Beteiligung iSd. § 271 Abs. 1 HGB an dem anderen Unternehmen – vorgesehen. Zum anderen wurde zusätzlich das in der angelsächsischen Konzernrechnungslegung verwendete Control-Konzept für die Aufstellungspflicht (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 83/349/EWG [7. Konzernbilanzrichtlinie]) in nationales Recht transformiert. Die in § 290 Abs. 2 HGB aF angeführten konzerntypischen Rechte wurden in der Vergangenheit als rechtliches Konzept verstanden, um das ökonomische Konzept der einheitlichen Leitung aus § 290 Abs. 1 HGB aF mit objektiven Kriterien zu ergänzen. Durch die Richtlinie 90/605/EWG v. 8.11.19903 wurde die Aufstellungspflicht für einen Konzernabschlus- 26 ses und einen Konzernlagebericht auf jene Personengesellschaften erweitert, deren unbeschränkt haftende Gesellschafter selbst Gesellschaften sind, deren Haftung beschränkt ist. Die Richtlinie wurde mit dem Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.20004 in nationales Recht umgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/51/EG (Modernisierungsrichtlinie)5 wurde die Beteiligungsbedingung 27 in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) zum Bestehen einer MutterTochter-Beziehung gestrichen. Zudem kam es lt. der geänderten Konzernrichtlinie nicht mehr auf die ausgeübte Beherrschung an, ausreichend war (und ist) die mögliche Beherrschung. Diese Regelung wurde erst mit dem BilMoG in das HGB übernommen. Nach der Neufassung des § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB durch das BilMoG6 muss eine Kapitalgesellschaft (Mut- 28 terunternehmen) mit Sitz im Inland einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufstellen, wenn sie auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann; es gilt allein der Grundsatz der möglichen Beherrschung. Außerdem wurde die Notwendigkeit einer Beteiligung iSv. § 271 Abs. 1 HGB aufgegeben. Dies geschah nicht nur wegen der durch die geänderte Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) notwendig gewordenen 1 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BT-Drucks. 18/11436, 21. 2 Vgl. Siebente Richtlinie des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß (83/349/EWG), ABl. EG 1983 Nr. L 193, 1. 3 Vgl. Richtlinie des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), ABl. EG 1990 Nr. L 317, 60. 4 Vgl. Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG), BGBl. I 2000, 154. 5 Vgl. Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. EU 2003 Nr. L 178, 16. 6 Vgl. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 9.

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§ 290 Rz. 29 | Pflicht zur Aufstellung Anpassung, vielmehr sollte § 290 HGB mit dem BilMoG auch an die IFRS angeglichen werden.1 Die weiterhin unter § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB genannten konzerntypischen Rechte – Stimmrechtsmehrheit, personelle Verflechtung und vertragliche Rechte – führen unwiderlegbar zur Vermutung einer möglichen Beherrschung; sie sind aber kein eigenständiges Konzept für die Aufstellung konsolidierter Jahresabschlüsse. Wie nach den Regelungen vor BilMoG liefern die konzerntypischen Rechte typisierte, rechtlich abgesicherte Auffangtatbestände für eine Aufstellungspflicht konsolidierter Abschlüsse und den Kreis voll zu konsolidierender Tochterunternehmen. Darüber hinaus werden nach § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB Zweckgesellschaften als Unternehmen, sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts in den Konsolidierungskreis einbezogen.2 29

Die strikte Trennung zwischen Aufstellungspflicht und Bestimmung des Konsolidierungskreises wird mit der Neufassung des § 290 Abs. 5 HGB durch das BilMoG sprachlich durchbrochen: Mutterunternehmen sind von der Pflicht befreit, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, wenn sie nur Tochterunternehmen haben, die nach § 296 HGB nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden müssen. Damit werden die Befreiungstatbestände der §§ 291–293 HGB ergänzt.

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Mit der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU v. 26.6.2013 wurde die in Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) aufgehoben. Gemäß dieser neuen EU-Richtlinie sind nach Art. 22 nur Mutterunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder einer beschränkt haftenden Personengesellschaft verpflichtet, konsolidierte Abschlüsse zu erstellen. Für die Aufstellungspflicht gem. § 290 HGB ergeben sich keine materiellen Veränderungen. Durch das BilRUG v. 17.7.2015 folgen für § 290 HGB sprachliche Anpassungen, die laut Regierungsbegründung nur klarstellenden Charakter haben.3 Aus der CSR-Richtlinie v. 22.10.20144 bzw. dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom 11.4.20175 ergeben sich keine Änderungen für § 290 HGB.

B. Mutter-Tochter-Verhältnis (Abs. 1) I. Aufstellungsfrist 31

Die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens haben den Konzernabschluss und -lagebericht in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen (§ 290 Abs. 1 Satz 1 HGB). Für Mutterunternehmen, die kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften gem. § 264d HGB sind, ist diese Frist um einen Monat verkürzt (§ 290 Abs. 1 Satz 2 HGB);6 Konzernabschluss und Konzernlagebericht dieser Mutterunternehmen sind in den ersten vier Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen. Wegen der verkürzten Offenlegungspflicht von vier Monaten nach § 325 Abs. 3 und 4 HGB für Mutterunternehmen, die kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften gem. § 264d HGB sind, für den geprüften und gebilligten Konzernabschluss und -lagebericht liegt des Ende der Aufstellungspflicht faktisch deutlich vor der in § 290 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Frist. Ziel ist es, sich an die international üblichen kürzeren Aufstellungs- und Offenlegungsfristen anzunähern. Die verkürzte Aufstellungspflicht ist von Mutterunternehmen zu beachten, die einen konsolidierten Abschluss gem. Art. 4 IFRS-VO oder § 315e Abs. 2 HGB erstellen.

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Bei der Festlegung der Frist geht der Gesetzgeber grds. davon aus, dass die Jahresabschlüsse der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen geprüft sind.7 Um den dadurch entstehenden Zeitdruck bei der Aufstellung von Konzernabschlüssen zu verringern, können daher ausnahmsweise auch ungeprüfte Jahresabschlüsse der (unwesentlichen) Tochterunternehmen einbezogen werden. Sollten Zweifel an einer unveränderten Feststellung dieser Abschlüsse bestehen, ist darauf im Konzernanhang hinzuweisen.8 1 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 83. 2 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 89. 3 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), BT-Drucks. 18/4050, 70. 4 Vgl. Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU 2014 Nr. L 330, 1. 5 Vgl. Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 11.4.2017, BGBl. I 2017, 802. 6 Vgl. Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006. BGBl. I 2006, 2553 (2557 f.). 7 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 81; ADS6, § 290 HGB Rz. 158. 8 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 81, ohne Einschränkung auf wesentliche Tochterunternehmen.

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B. Mutter-Tochter-Verhältnis (Abs. 1)

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Rz. 37 § 290

II. Normanforderung an Mutter- und Tochterunternehmen 1. Unternehmensbegriff a) Mutterunternehmen Das HGB verfügt über keine Legaldefinition des Unternehmensbegriffs.1 Der Gesetzgeber hat den Un- 33 ternehmensbegriff auch nicht allgemein in anderen Rechtsgebieten umschrieben. Als hM dürfte jedoch festgehalten werden können, dass es keinen einheitlichen Unternehmensbegriff über alle Regelungszwecke gibt. Ein funktioneller oder institutioneller Unternehmensbegriff dürfte heute nicht mehr maßgeblich sein, stattdessen wird auf den teleologischen Unternehmensbegriff verwiesen, der an den Sinn und Zweck der Vorschriften anknüpft.2 Die Unternehmenseigenschaft des Mutterunternehmens nach § 290 Abs. 1 HGB ist durch Verweis auf Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften iSd. § 264a HGB gegeben. Zur Diskussion der Unternehmenseigenschaft des Mutterunternehmens nach PublG vgl. Anh. 1 zu § 290 HGB Rz. 6–10.

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b) Tochterunternehmen Bei Tochtergesellschaften ist grds. gesondert zu untersuchen, ob die Unternehmenseigenschaft vorliegt.3 35 Hilfsweise wird in der Kommentierung auf die Diskussion zum handelsrechtlichen Begriff verbundener Unternehmen nach § 271 HGB verwiesen (vgl. § 271 HGB Rz. 13, 30–33). Darüber hinaus wird in der Diskussion zwischen einem – überkommenen – institutionellen, einem funktionalen und – am weitgehendsten – einem teleologischen Unternehmensverständnis verwiesen (vgl. auch Anh. 2 zu § 290 HGB Rz. 14–18, 22). Da die Konzernrechnungslegung Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage mittels eines konsolidierten Abschlusses einer wirtschaftlichen Einheit vermitteln soll, sind ausgehend von einem teleologischen Verständnis, Unternehmen iSd. (Konzern-)Rechnungslegung alle rechtsfähigen Wirtschaftseinheiten, die durch ihr Handeln die Risikoposition der wirtschaftlichen „Einheit“ nachhaltig beeinflussen können. Mindestkonsens in der Literatur ist, dass Gewerbebetriebe, die nach §§ 1, 2 HGB ein Handelsgewerbe be- 36 treiben, als Unternehmen gelten; auch bei einer Eintragung ins Handelsregister nach §§ 5 f. HGB, unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit, wird ein Unternehmen nicht bestritten.4 Ergänzend für die Bestimmung der relevanten Unternehmen sei darauf verwiesen, dass ein Handelsgewerbe oder die Kaufmannseigenschaft keine notwendigen Voraussetzungen sind.5 Bei Rückgriff auf diesen überkommenen institutionellen Unternehmensbegriff ist aber unstreitig die Unternehmenseigenschaft gegeben.6 Über den institutionellen Unternehmensbegriff hinaus werden nach dem funktionalen Unternehmens- 37 begriff alle Wirtschaftseinheiten als Unternehmen verstanden, die eigenständige Interessen kaufmännischer, wirtschaftlicher oder gewerblicher Art mithilfe einer nach außen in Erscheinung tretender Organisation verfolgen.7 An anderer Stelle wird auf die selbständigen Träger unternehmerischer Planungsund Entscheidungsgewalt verwiesen.8 Beispiele sind land- und forstwirtschaftliche Betriebe, Arbeitsgemeinschaften oder freiberufliche Praxen.9 Eine GbR ist kein Unternehmen, wenn sie ideelle Zwecke verfolgt; sollte jedoch ein wirtschaftlicher Zweck im Vordergrund stehen und die GbR im wirtschaftlichen Verkehr mit nach außen gerichtetem Geschäftsbetrieb in Erscheinung treten, gilt sie als Unternehmen.10 1 Vgl. Windbichler in Großkomm.5, § 15 AktG Rz. 50, zum Unternehmensbegriff nach HGB. 2 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 11; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 333. Zur Diskussion im Konzernrecht vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 32; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 13; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG3, § 15 Rz. 20; Krieger in MünchHandbuch Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 6. 3 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 22. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 271 HGB Rz. 11; ADS6, § 271 HGB Rz. 11; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 10. 5 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 105; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 66 f. 6 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 10, mwN. 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 271 HGB Rz. 12; ADS6, § 271 HGB Rz. 11; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 16. 8 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 12. 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 271 HGB Rz. 11; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 11. 10 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 105, auch Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 271 HGB Rz. 12.

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§ 290 Rz. 38 | Pflicht zur Aufstellung Bruchteilsgemeinschaften haben als solche häufig keine nach außen in Erscheinung tretende Organisation und gelten daher idR nicht als Unternehmen.1 Durch den Verweis auf die eigenständigen Interessen bzw. selbständige Trägerschaft unternehmerischer Planungs- und Entscheidungsgewalt bleiben unselbständige Sondervermögen beim funktionalen Unternehmensbegriff unbeachtet. 38

Geht man über den funktionalen Unternehmensbegriff hinaus und verweist auf den teleologischen, sind ausgehend vom Ziel der Konzernrechnungslegung, Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage mittels eines konsolidierten Abschlusses einer wirtschaftlichen Einheit zu vermitteln, Unternehmen iSd. (Konzern-)Rechnungslegung alle rechtsfähigen Wirtschaftseinheiten, die durch ihr Handeln die Risikoposition der wirtschaftlichen „Einheit“ nachhaltig beeinflussen können.2 Bei sog. Zweckgesellschaften, die der Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dienen, wird auf einen teleologischen Unternehmensbegriff verwiesen, um auch jene Einheiten als Tochterunternehmen qualifizieren zu können, die als sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts keine Unternehmenseigenschaft aufweisen. Voraussetzung ist aber, dass nach einer wirtschaftlichen Betrachtung die wesentlichen Risiken und Chancen beim Mutterunternehmen liegen oder zugeordnet sind (vgl. Rz. 142–156).

39

Geht man von den praktischen Fragen der Rechnungslegung aus, wären Tochterunternehmen dadurch gekennzeichnet, dass sie zur kaufmännischen Buchführung verpflichtet sind, da nur so die für die Konsolidierung notwendigen Jahresabschlüsse vorliegen. Bei dieser Definition wird jedoch die Definition eines Tochterunternehmens bzw. die Abgrenzung des Konsolidierungskreises verengt, was angesichts der Informationsfunktion des Konzernabschlusses nicht angemessen ist, weil auch Arbeitsgemeinschaften oder unselbständige Sondervermögen die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Konzernabschluss maßgeblich beeinflussen können.3 2. Rechtsform des Mutterunternehmens

40

§ 290 Abs. 1 HGB verpflichtet die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 290 HGB erfüllt sind. Die Pflicht zur Konzernrechnungslegung nach § 290 HGB wird mithin von der Rechtsform des Mutterunternehmens bestimmt, nicht von jener der Tochterunternehmen. Kapitalgesellschaften sind die AG, die KGaA, die GmbH und die SE (mit Sitz in Deutschland). Mutterunternehmen in der Rechtsform des Einzelkaufmanns und der nicht haftungsbeschränkten Personengesellschaft sind nicht nach § 290 Abs. 1 HGB verpflichtet, einen Konzernabschluss zu erstellen. Für sie gilt § 11 PublG, sofern die dortigen Größenkriterien erfüllt sind.

41

Die Kapitalgesellschaft & Co. war als Personenhandelsgesellschaft nach § 290 HGB aF nicht zur Konzernrechnungslegung verpflichtet.4 Mit dem durch das KapCoRiLiG5 in das HGB eingefügten § 264a HGB, der für eine Kapitalgesellschaft & Co. auf die gesonderten Regeln für die Kapitalgesellschaft und damit auch § 290 HGB verweist, sind nunmehr alle Personengesellschaften, bei denen nicht mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person bzw. eine oHG, KG oder andere Personengesellschaft ist, die eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter hat oder sich die Verbindung von Gesellschaften so fortsetzt (§ 264a Abs. 1 HGB), verpflichtet, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen, prüfen zu lassen und offenzulegen. In den Anwendungsbereich des § 264a Abs. 1 HGB fallen auch Unternehmen, bei denen allein oder neben einer Kapitalgesellschaft beispielsweise eine Stiftung, eine Genossenschaft oder ein wirtschaftlicher Verein Komplementär ist, wenn nicht mindestens eine weitere natürliche Person oder Personenhandelsgesellschaft mit einer natürlichen Person persönlich haftet.6 Zu den besonderen Fragen der Konzernrechnungslegungspflicht der GmbH & Co. KG vgl. Rz. 182–191.

42

Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sind unabhängig von der Rechtsform nach § 340i Abs. 1 Satz 1 HGB bzw. § 341i Abs. 1 Satz 1 HGB wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als Finanzintermediäre oder Kapitalsammelstellen verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 290 Abs. 1 und 2 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 271 HGB Rz. 12. Vgl. Ernst/Seidler, BB 2009, 766 (768, mwN); aA Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 11. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 14; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 11. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 113; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 11. Vgl. Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154. Das KapCoRiLiG setzte um die Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (GmbH & Co. Ergänzungsrichtlinie) v. 8.11.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 317, 60. 6 Vgl. Begründung zum RegE Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG), BR-Drucks. 458/99, 33. 1 2 3 4 5

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B. Mutter-Tochter-Verhältnis (Abs. 1)

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Rz. 48 § 290

HGB konsolidierte Jahresabschlüsse aufzustellen und offenzulegen. Nach §§ 340i Abs. 3 und 341i Abs. 2 HGB sind auch jene Mutterunternehmen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, die als Unternehmenszweck Beteiligungen erwerben, diese Beteiligungen verwalten und verwerten, wenn die Tochterunternehmen ausschließlich oder überwiegend Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen sind.1 Der Idee, auch Nichtkapitalgesellschaften zur Aufstellung eines Konzernabschlusses zu verpflichten, deren 43 Tochterunternehmen die Rechtsform der Kapitalgesellschaft haben, ist der Richtlinien- und Gesetzgeber nicht gefolgt. Auch entsprechend Art. 22 Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU wurde die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses allein an der Rechtsform des Mutterunternehmens als Kapitalgesellschaft festgemacht, so dass Unternehmen anderer Rechtsform weiterhin nur das PublG und §§ 340i, 340f HGB beachten müssen. 3. Sitz des Mutterunternehmens Nach § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB ist nur ein Mutterunternehmen zur Konzernrechnungslegung verpflichtet, 44 das seinen Sitz im Inland hat. Nach § 5 AktG und § 4a GmbHG ist der Sitz einer AG, KGaA oder GmbH der Ort, den die Satzung bestimmt; nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG ist die Festlegung des Sitzes ein notwendiger Bestandteil der Satzung. Nach § 39 Abs. 1 AktG ist der Sitz der Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen. Für die Bestimmung des Sitzes stehen nach § 5 AktG drei Möglichkeiten gleichberechtigt und alternativ zur Verfügung: (1) Der Ort, an dem sich ein Betrieb befindet, (2) der Ort, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder (3) der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird.2 § 24 BGB definiert den Sitz als den Ort, an dem die Verwaltung geführt wird. Inland iSd. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Bereich der Bundesrepublik Deutschland (Geltungsbereich des 45 Grundgesetzes). Der Rückgriff auf den Sitz des Mutterunternehmens im Inland wird im Allgemeinen mit der fehlenden inländischen Gesetzgebungsgewalt begründet, eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland zur Konzernrechnungslegung verpflichten zu können.3 Statt auf den gesellschaftsrechtlichen Anknüpfungspunkt des Sitzes des Mutterunternehmens abzustellen, könnte jedoch auch das Vorhandensein inländischer Tochterunternehmen oder die Inanspruchnahme des inländischen Kapitalmarkts als Kriterium vorgesehen sein.4 Eine nicht am Sitz des Mutterunternehmens im Inland orientierte Aufstellungspflicht für konsolidierte Abschlüsse gilt beispielsweise in den USA. Die Konzernrechnungslegungspflicht wird dort durch die Emission von Wertpapieren ausgelöst; das Mutterunternehmen muss unabhängig von seinem Sitz bei der SEC ein registration statement einreichen, der auch einen geprüften Konzernabschluss umfasst.5 In den USA folgt die Pflicht zur Aufstellung konsolidierter Abschlüsse aus dem Kapitalmarktrecht, nicht dem Gesellschaftsrecht. Hat ein Mutterunternehmen seinen Sitz im Ausland, unterliegt es keiner Aufstellungspflicht gem. § 290 HGB, auch wenn alle Tochterunternehmen ihren Sitz im Inland haben. Hat bspw. eine UK Ltd. Ihren Satzungssitz in England, aber den Verwaltungssitz in Deutschland, unterliegt sie weiterhin dem Recht der englischen Rechnungslegung.6 Die Aufstellungspflicht eines übergeordneten Mutterunternehmens, dessen Sitz im Inland ist, wird davon nicht betroffen.

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Für das Tochterunternehmen ist der Sitz irrelevant. Ein in im Ausland gelegenes Tochterunternehmen, das auch ein (nachgeordnetes) Mutterunternehmen ist, wird wegen des Weltabschlussprinzips (§ 294 Abs. 1 HGB) in den Konzernabschluss des übergeordneten Mutterunternehmens einbezogen.

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4. Kapitalmarktorientierung des Mutterunternehmens Nach Art. 4 der IFRS-Verordnung Nr. 1606/2002 müssen kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen 48 konsolidierte Abschlüsse nach IFRS erstellen. Die IFRS-Verordnung bindet eine verpflichtende Anwendung der IFRS an die Kapitalmarktorientierung des Mutterunternehmens, nicht eines Tochterunternehmens. Diese Verordnung gilt direkt und braucht keine Transformation in deutsches Recht. In Erweiterung dieser Verordnung sind Mutterunternehmen gem. § 315e Abs. 2 HGB verpflichtet, einen IFRS-Konzern1 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 15. 2 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 19; Vertiefend vgl. beispielsweise Ringe in Schmidt/ Lutter, AktG3, § 5 Rz. 1. AA Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 17. 3 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 23; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 12; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 21; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 34 (Stand Juni 2014). 4 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 21. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 22. 6 Vgl. Theile in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 622; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19, Anh. II zu § 4a Rz. 13.

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§ 290 Rz. 49 | Pflicht zur Aufstellung abschluss zu erstellen, auch wenn sie nicht unter Art. 4 IFRS-VO fallen, aber die Zulassung von Wertpapieren iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG zum Handel an einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG im Inland beantragt haben. 49

Auch wenn der Konzernabschluss gem. Art. 4 IFRS-VO oder § 315e Abs. 2 HGB nach den IFRS aufzustellen ist, wird die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses durch § 290 HGB normiert. Ist ein Mutterunternehmen, das nach den §§ 290–293 HGB einen Konzernabschluss zu erstellen hat, nach Art. 4 IFRS-VO oder § 315e Abs. 2 HGB verpflichtet, internationale Rechnungslegungsstandards zu verwenden, muss es darüber hinaus weitere Informationen offenlegen; vgl. § 315e HGB Rz. 56–61. Darüber hinaus ist neben dem IFRS-Konzernabschluss ein Konzernlagebericht nach §§ 315–315d HGB aufzustellen und zu veröffentlichen (§ 315e Abs. 1 HGB).

III. Mehrstufige Mutter-Tochter-Verhältnisse 50

Die Aufstellungspflicht für einen konsolidierten Abschluss ist gem. § 290 HGB nicht auf eine Obergesellschaft beschränkt. Vielmehr hat jede Kapitalgesellschaft und haftungsbeschränkte Personengesellschaft iSd. § 264a HGB einen Konzernabschluss zu erstellen, wenn dauerhaft ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann (keine Absorptionswirkung; vgl. Anh. 2 zu § 290 HGB Rz. 43). Aufgrund dieser Regelungen muss in mehrstufigen Konzernen auch von nachgeordneten Mutterunternehmen grundsätzlich ein Konzernabschluss aufgestellt, geprüft und veröffentlicht werden. Es ist auch die Rede von sog. TeilKonzernabschlüssen. Sprachlich wird im HGB nicht zwischen Konzern- und nachgeordneten Teil-Konzernabschlüssen unterschieden.1 Da einem Mutterunternehmen nicht nur die unmittelbaren Rechte zustehen, sondern auch die mittelbaren zugerechnet werden, werden nachrangige Konzernebenen – und Konzernabschlüsse – von übergeordneten Konzernebenen überlagert. Tochterunternehmen sind nicht nur Tochterunternehmen des ihnen unmittelbar übergeordneten Mutterunternehmens, sondern auch des auf höheren Konzernstufen angesiedelten (mittelbaren) Mutterunternehmens.2 Die Gründe für eine mögliche Beherrschung müssen nicht auf allen Ebenen nach den gleichen Einflussgrößen bestimmt werden.3

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Durch die stufenweise Verpflichtung zur Aufstellung von Konzernabschlüssen soll ein Minderheitenund Gläubigerschutz durch Information unterstützt werden. Die Aufstellung von Teil-Konzernabschlüssen wird jedoch auch kritisiert. Zum einen können sie – wie alle Konzernabschlüsse – keine unmittelbaren Schutzwirkungen bieten, zum anderen sind die Grenzen der Informationsvermittlung durch Teil-Konzernabschlüsse zu beachten, weil sie vergleichbare Mängel aufweisen wie Einzelabschlüsse verbundener Unternehmen.4 Vereinzelt wird die Forderung, Teil-Konzernabschlüsse aufzustellen, auch mit interessentheoretischen Überlegungen (vgl. Vor § 290 HGB Rz. 68–72) in Verbindung gebracht, weil der Konzernabschluss nachgeordneter Mutterunternehmen als Ersatz für den eigenen Jahresabschluss gesehen wird.5

52

Die Aufstellungspflicht für Teilkonzerne muss im Zusammenhang mit den Befreiungsregeln der §§ 291, 292 HGB gesehen werden. Die Reichweite der Befreiungsregelung des § 264b HGB für haftungsbegrenzte Personengesellschaften iSd. § 264a HGB wird in der Kommentierung unterschiedlich gesehen. Durch den Verweis auf die Regelungen des Zweiten Abschnitts des Dritten Buchs des HGB (§§ 264–335b HGB) wird zum Teil die Befreiung auf den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht ausgedehnt.6 Da der Wortlaut des § 264b Abs. 1 HGB jedoch explizit auf den Jahresabschluss und den Lagebericht verweist, bleiben die Regelungen zum Konzernabschluss ausgenommen. Aus § 264b HGB kann keine Befreiung von der Pflicht hergeleitet werden, einen Konzernabschluss aufstellen zu müssen.7

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Die in der Aufstellungspflicht von Teil-Konzernabschlüssen implizit unterstellte dezentrale Leitung steht einer Beherrschungsmöglichkeit durch die Obergesellschaft nicht entgegen. Die Möglichkeit der Beherrschung muss nicht unmittelbar gegeben sein; auch mittelbare Beherrschungsmöglichkeiten über Konzernstufen hinweg begründen eine Aufstellungspflicht konsolidierter Abschlüsse. Im mehrstufigen Konzern wird eine mögliche Beherrschung nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie von nachgelagerten Konzernstufen mittelbar ausgeführt wird.8 Eine mögliche Beherrschung ist mithin durchaus teilbar. Eine Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 69 f. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 63. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 63. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 67. Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 71. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 14. Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 1, siehe auch Rz. 10, in der nicht auf den Konzernabschluss gem. §§ 290 ff. HGB verwiesen wird, sondern diese explizit ausgenommen werden; Thiele/Sickmann in BKT, Bilanzrecht, § 264b HGB Rz. 21.2 (Stand Sept. 2007). 8 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 52 (Stand Juni 2014).

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B. Mutter-Tochter-Verhältnis (Abs. 1)

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Rz. 59 § 290

begrenzte Managementkapazität verhindert letztlich, dass alle unternehmerischen Entscheidungen vom Management einer Obergesellschaft getroffen werden können. Bei Teilkonzernen dürfte – auch ohne einen dauerhaft möglichen beherrschenden Einfluss gem. § 290 Abs. 1 HGB – eine unwiderlegbare Verpflichtung zur Erstellung von Konzernabschlüssen aufgrund der konzerntypischen Rechte aus § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB und der Verpflichtung der Erfassung von Zweckgesellschaften gem. § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB bestehen.1

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IV. Gemeinschaftsunternehmen Gemeinschaftsunternehmen unterliegen grds. keinem beherrschenden Einfluss eines einzelnen Unterneh- 55 mens (vgl. § 310 HGB Rz. 34); damit können sie keine Aufstellungspflicht für einen Konzernabschluss begründen. Da eine gemeinschaftliche Führung der Gesellschafter einvernehmliche Entscheidungen der Gesellschafterunternehmen vorsieht, kann kein beherrschender Einfluss, der auf ein Konzerninteresse bezogen ist, erreicht werden. Damit ist eine mehrfache Beherrschung grds. nicht möglich.2 Die unterschiedlichen Qualitäten der Einflussnahme der Gesellschafterunternehmen auf ein Gemeinschaftsunternehmen einerseits und eines Mutterunternehmens auf ein Tochterunternehmen andererseits schließen sich gegenseitig aus; damit liegt grds. entweder ein Gemeinschaftsunternehmen oder ein Tochterunternehmen vor.3 Aufgrund der unwiderlegbaren Tatbestände einer Beherrschung gem. § 290 Abs. 2 HGB kann es jedoch zu 56 Qualifikationskonflikten kommen: Auch wenn einem Gesellschafterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zustehen sollte, ist eine gemeinsame Führung nicht automatisch ausgeschlossen. Die Gesellschafter können trotz der bestehenden Stimmrechtsmehrheit einer Partei vereinbaren, dass sie nicht ausgeübt werden darf. Gleichzeitig muss allerdings auch vereinbart werden, dass bei allen strategischen Geschäftsentscheidungen über die Finanz- und Geschäftspolitik einstimmige Beschlüsse erforderlich sind (= gemeinsame Führung). Aufgrund der Stimmrechtsmehrheit wird idR jedoch eine Beherrschung aus § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB für den Mehrheitsgesellschafter festzustellen sein; für den anderen Gesellschafter besteht unabhängig von der Zuordnung beim Mehrheitsgesellschafter eine gemeinsame Führung. Zu einer mehrfachen Konzernzugehörigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens kommt es zudem stets bei einem Mehrmütterbeherrschungsvertrag (§ 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB).4 In beiden derartigen Konstellationen ist aus der Sicht des Mehrheitsgesellschafters § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB anwendbar, so dass hier faktisch ein Konsolidierungswahlrecht zwischen der Voll- und der Quotenkonsolidierung besteht; vgl. § 296 HGB Rz. 80.5 Eine Beeinträchtigung des Einblicks in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bei mehrfacher Ein- 57 beziehung des Gemeinschaftsunternehmens in beiden Fällen ist nicht zu befürchten; die volle Einbeziehung des „Gemeinschaftsunternehmens“ geht mit dem gesonderten Ausweis der Anteile der anderen Gesellschafterunternehmen in der Konzernbilanz einher. Sollte ein Unternehmen zwar nach Außen als „Joint Venture“ auftreten, obwohl im Innenverhältnis je- 58 dem Partner die Risiken und Chancen eines bestimmten Bereichs zugerechnet werden, ist dieser Bereich als Zweckgesellschaft iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu qualifizieren. Der Gesellschafter hat die Vermögensgegenstände und Schulden seines „Silos“ bzw. „Zebrastreifens“ vollständig zu konsolidieren.6

V. Gleichordnungskonzerne Das Konzept des beherrschenden Einflusses des § 290 HGB beruht auf der Idee eines Unterordnungskon- 59 zerns, der durch einen beherrschenden Einfluss eines Mutterunternehmens auf ein Tochterunternehmen gekennzeichnet ist;7 ohne dass damit eine Deckungsgleichheit von § 290 HGB und § 17 AktG besteht. Im Gleichordnungskonzern iSv. § 18 Abs. 2 AktG wird keines der rechtlich selbständigen, aber unter einheitlicher Leitung stehenden Unternehmen durch ein anderes Unternehmen beherrscht, weil infolge der Gleichordnung alle Unternehmen an der einheitlichen Leitung teilhaben. Diese Teilhabe an der einheitlichen Leitung kann vertraglich – ohne dass dabei eine Abhängigkeit entsteht (§ 18 Abs. 2 AktG) – oder fak-

Ähnlich Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 21, 24. So Winkeljohann/Lewe in Beck BilKomm.10, § 310 HGB Rz. 5. Vgl. Oser, Verbundene Unternehmen im Bilanzrecht, 85. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 105. Vgl. ADS6, § 310 HGB Rz. 22; Kraft in Großkomm.5, § 310 HGB Rz. 27; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 641. Vgl. Winkeljohann/Lewe in Beck BilKomm.10, § 310 HGB Rz. 5; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 86–89. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 6–21; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 18 Rz. 6 f. 1 2 3 4 5 6

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§ 290 Rz. 60 | Pflicht zur Aufstellung tisch infolge personeller Verflechtungen der Unternehmensleitungen entstehen (vgl. auch Anh. 2 zu § 290 HGB Rz. 92).1 60

Das in Art. 22 Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU v. 26.6.2013 gewährte Mitgliedstaatenwahlrecht für eine Konzernrechnungslegungspflicht von Gleichordnungskonzernen wurde vom deutschen Gesetzgeber im BilRUG 2015 weiterhin nicht umgesetzt.2 Dass Gleichordnungskonzerne weiterhin keiner Pflicht zur Konzernrechnungslegung nach § 290 HGB unterliegen, wird kritisiert, weil Umgehungsmöglichkeiten zur Aufstellungspflicht für konsolidierte Abschlüssen bestehen. Sollten beispielsweise mehrere Gesellschafter an den Unternehmen eines Gleichordnungskonzerns jeweils im gleichen Verhältnis beteiligt sein und die Unternehmen beherrschen, bestehen die oben beschriebenen Zwischengewinn- und Vermögensverlagerungsrisiken.3 Könnten Führungsunternehmen identifiziert werden, wäre die Möglichkeit einer Beherrschung zu prüfen.4

61

Über die Zinsschrankenregelung des § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG kann es wegen des „erweiterten steuerlichen Konzernbegriffs“ zur Aufstellung von Konzernabschlüssen für Gleichordnungskonzerne kommen (Eigenkapitaltest nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG.)

C. Möglicher beherrschender Einfluss als Generalnorm (Abs. 1) I. Mögliche Beherrschung als unbestimmter Rechtsbegriff 62

§ 290 Abs. 1 HGB verweist auf die mögliche Beherrschung eines anderen Unternehmens. Das dabei geltende Beherrschungskonzept lehnt sich an die internationalen Grundsätze zur Aufstellung eines Konzernabschlusses an. Die früher geltende einheitliche Leitung nach § 290 Abs. 1 HGB aF wurde mit dem BilMoG v. 25.5.2009 aufgehoben. Die in § 290 Abs. 2 HGB benannten rechtlich abgesicherten möglichen Einflusstatbestände – konzerntypische Rechte – begründen eine unwiderlegbare Aufstellungspflicht.5 Im Gegensatz zu den Regelungen vor BilMoG wird mit § 290 Abs. 2 HGB aber kein anderes Konzept einer Mutter-Tochterbeziehung vorgestellt, es werden vielmehr rechtlich begründete Beherrschungsmöglichkeiten – bei Umkehr der Beweislast – typisiert.

63

Der in § 290 Abs. 1 HGB angeführte Begriff der möglichen Beherrschung ist als Generalnorm zu verstehen und wird im HGB nicht definiert. Eine Orientierung bei der Auslegung an den Vorschriften der §§ 16 f. AktG, die auf eine Mehrheitsbeteiligung bzw. abhängige und herrschende Unternehmen verweisen, ist insoweit angemessen, wenn damit auf eine beständige, dauerhafte und umfassende Möglichkeit der Beherrschung verwiesen wird.6 §§ 16 f. AktG sind jedoch auch zu eng, weil dort auf eine gesetzliche oder rechtliche Fundierung der möglichen Beherrschungsrechte abgestellt wird:7 Die Möglichkeit der Beherrschung iSd. Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB muss nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt sein; eine schuldrechtlich vermittelte Einflussnahme durch umfassende Lieferbeziehungen, Abnahmeverpflichtungen, Lizenzverträge, Franchising oder Kreditvereinbarungen kann grds. ausreichen;8 darüber hinaus kann eine Beherrschung iSd. § 290 Abs. 1 HGB auch auf faktischen Verhältnissen beruhen.9 Grundsätzliche Richtlinien und regelmäßige Beratungen und Konsultationen können bereits die Möglichkeit einer Beherrschung begründen.10

64

Bei der Einschätzung der beherrschenden Einflussnahme kommt es zudem auf die Perspektive des herrschenden Unternehmens an, während § 17 AktG vom beherrschten Unternehmen ausgeht.11 Insoweit 1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 25; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 18 Rz. 6 f.; ADS6, § 290 HGB Rz. 85 f. 2 Vgl. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 23.7.2015, BGBl. I 2015, 1249; von Kanitz/Hoffmann-Theinert, Beck’scher Online-Kommentar, § 290 Rz. 4 (Stand Juli 2017). 3 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 62; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 24. 4 Vgl. Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 131 (Stand März 2011). 5 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 13. 6 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21; Küting/Koch in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht2, 380 f.; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 56 (Stand Juni 2014). 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 24; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 43 (Stand Juni 2014). Weniger streng hinsichtlich einer Orientierung an § 17 AktG zeigt sich Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 13. 8 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 51 (Stand Juli 2014). 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21; Gelhausen/Deubert/Klöcker, DB 2010, 2005 (2005); von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 51 (Stand Juni 2014). 10 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 23. 11 Vgl. Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 61 (im Gegensatz zum AktG).

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C. Möglicher beherrschender Einfluss als Generalnorm (Abs. 1)

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Rz. 69 § 290

können sich für § 290 Abs. 1 HGB Abweichungen gegenüber § 17 AktG ergeben, der auf das beherrschte Unternehmen verweist.1 Auch wenn keine Deckungsgleichheit der möglichen Beherrschung nach HGB mit den IFRS unterstellt 65 werden darf, man beachte die Forderung nach einer gewissen Dauer der Beherrschung, die nach den IFRS nicht gefordert wird (vgl. Rz. 78–80), wird mit der vom BilMoG angestrebten Annäherung der Vorschriften nach HGB und IFRS bei der Aufstellungspflicht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise einer möglichen Beherrschung gefordert, so dass nach HGB auch die faktischen Umstände bei der Würdigung einer möglichen Beherrschung zu betrachten sind.2 Da allein auf die Möglichkeit der Beherrschung abgestellt wird, kommt es auf die tatsächliche Ausübung nicht an. Sollte die Ausübung der Beherrschung durch vertragliche Vereinbarungen oder staatliche Eingriffe nicht (vollständig) genutzt werden können, ist dieser Sachverhalt zu vernachlässigen.3 Ebenso stehen vorübergehende Zustimmungsreche Dritter bei Sanierungsmaßnahmen einer Beherrschungsmöglichkeit nicht entgegen (DRS 19.14).4 Allerdings kann dieser Sachverhalt im Zusammenhang mit einer Einbeziehung in den Konsolidierungskreis relevant werden.

66

Die Möglichkeit der Beherrschung muss nicht unmittelbar gegeben sein; auch mittelbare Beherrschungs- 67 möglichkeiten über Konzernstufen hinweg begründen eine Aufstellungspflicht konsolidierter Abschlüsse. In mehrstufigen Konzernen wird eine mögliche Beherrschung nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie von nachgelagerten Konzernstufen mittelbar ausgeführt wird.5 Eine mögliche Beherrschung ist mithin durchaus teilbar. Um einen beherrschenden Einfluss ausüben zu können, muss ein maßgeblicher Einfluss iSd. § 311 HGB überschritten werden (§ 311 HGB Rz. 17).

68

Da die Basis des beherrschenden Einflusses nach § 290 Abs. 1 HGB idR eine (auch faktische) Stimmen- 69 mehrheit – und keine Kapitalmehrheit6 – ist, sind die gesetzlichen Regelungen oder Statuten der verschiedenen Rechtsformen zu beachten. Gilt bei Personengesellschaften das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip, kann eine Beherrschung nur bei anderslautenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag bestehen; insbes. die Einführung eines Mehrheitsprinzips.7 Eine KGaA wird grds. durch den persönlich haftenden Gesellschafter beherrscht; falls es sich um eine juristische Person handelt, durch das diese Gesellschaft beherrschende Unternehmen.8 Bei der GmbH ergeben sich weitgehende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafterversammlung insbes. wegen der Möglichkeit der Geschäftsführerbestellung sowie der Weisungserteilung; Sonderrechte im Gesellschaftsvertrag sind wegen der Satzungsautonomie bei der Einschätzung eines beherrschenden Einflusses besonders zu würdigen.9 Wirtschaftliche Vereine und Genossenschaften können nur bei untypischen Satzungsbestimmungen beherrschte Unternehmen iSv. § 290 Abs. 1 HGB sein.10 Eine Stiftung kann nur im Einzelfall nach § 290 Abs. 1 HGB beherrscht werden;11 Gleiches gilt für einen Verein.12 1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 13; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 18; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 11. 2 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21; Gelhausen/Deubert/Klöcker, DB 2010, 2005 (2005). 3 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 13. 4 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 56 (Stand Juni 2014). 5 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 52 (Stand Juni 2014). 6 Vgl. von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 47 (Stand Nov. 2011). 7 Vgl. Burbach, WPg. 1990, 253 (255 ff.); ADS6, § 290 HGB Rz. 32; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 38. Vgl. auch die konzernrechtlichen Regelungen bei J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 11, § 17 Rz. 67; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 6, § 17 AktG Rz. 48; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 42, § 17 Rz. 97; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 13, 35, § 17 Rz. 117; Windbichler in Großkomm.5, § 16 AktG Rz. 45. 8 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 68; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 126. 9 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 66; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 46; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 123–125; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 18. 10 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 68; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 132 f., 127–130; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 80; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 36 Rz. 10 ff. 11 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 69; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 131; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 80; uneins Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 52; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 30, 49. 12 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 12; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 37 Rz. 10.

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§ 290 Rz. 70 | Pflicht zur Aufstellung 70

Rechte Dritter stehen einer möglichen Beherrschung nicht entgegen, wenn sie eine Schutzfunktion dieser Anspruchsgruppe haben (DRS 19.13). Beispiele sind Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluss oder Arbeitnehmervertreter (DRS 19.13).1 Vom Mehrheitsgesellschafter unabhängige Aufsichtsratsmitglieder können die Beherrschung nicht widerlegen, wenn sie von der Hauptversammlung bestimmt wurden. Durch Vorschriften eines Corporate Governance Kodex ergeben sich keine neuen Gründe gegen eine Beherrschung.2 Beherrschungsverträge Dritter widerlegen eine Beherrschung durch einen Mehrheitsgesellschafter.3

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Entsenderechte eines Minderheitsgeselleschafters verhindern bei einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat die Personalkompetenz eines Mehrheitsgesellschafters.4 Personelle Verflechtungen können eine starke Minderheitenposition ausreichend verstärken, um einen beherrschenden Einfluss zu erlangen;5 insbes. wenn sie mit (eigenen) Entsenderechten verbunden ist.6

72

Die in § 290 Abs. 2 HGB benannten konzerntypischen Rechte typisieren unwiderlegbare Beherrschungstatbestände. Insoweit wird man bei der Prüfung der Aufstellungspflicht mit § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB beginnen. Erst wenn aus dieser typisierten Beherrschungstatbeständen keine Beherrschung abgeleitet werden kann, wird man die Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB prüfen. Insbes. in Teilkonzernen dürfte eine unwiderlegbare Verpflichtung zur Erstellung von Konzernabschlüssen aufgrund der konzerntypischen Rechte aus § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bestehen.7

II. Kriterien eines möglich beherrschenden Einflusses 1. Bestimmung der Geschäfts- und Finanzpolitik 73

Eine mögliche dauerhafte Beherrschung der Geschäfts- und Finanzpolitik verlangt eine zielgerichtete Einflussnahme auf jene Unternehmensbereiche, die für den Bestand und die künftige Entwicklung des Unternehmens relevant sind. Sollte ein Unternehmen seine Interessen bei allen wesentlichen strategischen, operativen oder finanziellen Entscheidungen bei einem anderen Unternehmen – auch gegen dessen Eigeninteressen – durchsetzen können, liegt eine mögliche Beherrschung der Finanz- und Geschäftspolitik vor.8 Mit der Geschäfts- und Finanzpolitik wird auf die Grundsatzentscheidungen aller bedeutenden Funktionsbereiche abgestellt.9 Dabei können die Entscheidungen bezüglich der Unternehmensstrategie und des Geschäftsmodells, der Planung des Sortiments und der Personalbeschaffung sowie der Aktivitäten in Forschung und Entwicklung unter die Geschäftspolitik subsumieren (DRS 19.11). Zu den wesentlichen geschäftspolitischen Entscheidungen zählen Entscheidungen über die Unternehmensstrategie und das Geschäftsmodell, die Personalbeschaffung, die Planung des Produktsortiments sowie die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (DRS 19.11). Im Zusammenhang mit der Finanzpolitik, die integraler Bestandteil der Geschäftspolitik ist, verweist DRS 19.11 explizit auf zentrale Fragen der Budgetierung, der Kapitalstruktur sowie die Gestaltung der Treasury-Beziehungen (Beschaffung und Verwendung von Finanzmitteln); die Aufzählung hat nur beispielhaften Charakter.10

74

Wegen des Verweises auf eine faktische Beherrschung in § 290 Abs. 1 HGB muss kein gesetzlich fundiertes Weisungsrecht mit Blick auf operative Geschäfte oder die Möglichkeit, Grundlagengeschäfte durchzusetzen, bestehen; im Gegensatz zu § 17 AktG. Damit kann auch bei faktischen Konzerne iSd. AktG eine mögliche Beherrschung bestehen, die gegen die „Eigeninteressen“ des beherrschten Unternehmens verstößt, ohne dass damit eine vollständige Verdrängung der eigenen Interessen, die gegen die Statuten der AG verstoßen würde, gefordert wird.11 Hinreichend ist vielmehr, dass die Umstände ausreichen, dass das 1 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 51.1 (Stand Juni 2014); Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 17, Theile in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 624. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 55. 3 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 58; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 113. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 54; Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 55; Habersack in MünchKomm. AktG4, § 101 Rz. 53. 5 Entgegen den Vorschriften des Konzernrechts; vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 40; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 62; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 12, 46 f. (zum Aufsichtsrat). 6 Vgl. hier auch die konzernrechtliche Kritik bei J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 40; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 19. 7 Ähnlich Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 21, 24. 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 26; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 22. 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 26; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 17. 10 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 22; von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 44 (Stand Nov. 2011); von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 51.1 (Stand Juni 2014). 11 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 26.

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C. Möglicher beherrschender Einfluss als Generalnorm (Abs. 1)

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Rz. 79 § 290

beherrschende Unternehmen die Geschäfts- und Finanzpolitik des abhängigen Unternehmens auf längere Sicht beeinflussen kann.1 Auch wenn Ausschüttungs- und Thesaurierungsentscheiden wichtige finanzierungspolitische Entscheidungen sind, begründen Gewinnabführungsverträge sowie die übrigen anderen Unternehmensverträge gem. § 292 AktG per se keinen beherrschenden Einfluss; sie können aber Indiz für eine Beherrschung sein.2

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Eine bloße Blockademöglichkeit bei wichtigen Grundgeschäften oder strategischen Unternehmensent- 76 scheidungen ist nicht ausreichend; auch keine Sperrminorität. Ein herrschender Einfluss ist positiv definiert.3 Die Übernahme allein einer Überwachungs- und Kontrollfunktion führt idR nicht zu einer möglichen Beherrschung. Sollten allerdings die Überwachung- und Kontrollorgane – wie der Aufsichtsrat – die Möglichkeit haben, die Mitglieder der Geschäftsleitung zu bestellen und abzuberufen, kann aufgrund der konzerntypischen Rechte nach § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB unwiderlegbar von einer möglichen Beherrschung ausgegangen werden.4 Eine wirtschaftliche Abhängigkeit – bspw. von Lieferanten, Großkunden oder Banken rechtfertigt idR 77 keine mögliche Beherrschung; trotz der nicht notwendigen gesellschaftsrechtlichen Fundierung faktischer Beherrschungsmöglichkeiten fehlt es an einer Objektivierung und Dauerhaftigkeit eines Einflusses.5 2. Dauerhaft beherrschender Einfluss Analog zu den aktienrechtlichen Regelungen zum Konzernrecht in § 17 AktG ist auch nach HGB eine be- 78 ständige, dauerhafte Möglichkeit der Beherrschung zu fordern, wobei diese im HGB nicht explizit gefordert wird. Die Möglichkeit der Einflussnahme sollte nachhaltig sein; alternativ wird auch eine Verlässlichkeit, Sicherheit oder gesicherte Natur gefordert.6 Damit weicht der Gesetzgeber mit der Begründung des Rechtsausschusses zum BilMoG, einen dauerhaften beherrschenden Einfluss zu bejahen, von einer intendierten Annährung an die IFRS ab.7 Die Forderung nach einer dauerhaften Beherrschungsmöglichkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Wegen dieser Offenheit der Forderung kann der Begriff nur einzelfallbezogen ausgelegt und nicht positiv abgegrenzt werden. Die Einschätzung, ob ein Einfluss dauerhaft ist, ist ausschließlich prospektiv zu beurteilen.8 Es kann mit Verweis auf DRS 19.12 festgehalten werden, dass eine nur zufällige Einflussmöglichkeit am Abschlussstichtag keine dauerhafte Beherrschungsmöglichkeit eröffnet, da eine nachhaltige Beeinflussung ökonomischer Aktivitäten nicht gewährleistet ist. Ein beherrschender Einfluss verlangt nicht nur eine punktuelle Einflussnahme in sachlicher Dimension, sondern auch in Dauer und Intensität.9 Da bei der Bestimmung der Einflussmöglichkeit auf langanhaltende Mehrheitsverhältnisse abgestellt wird, kann eine nur zufällige Präsenzmehrheit nicht als dauerhaft eingestuft werden.10 Mehrheiten aufgrund temporärer Stimmverbote anderer Gesellschafter, begründen nur dann eine nachhaltige Einflussnahme, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Stimmverbote eine gewisse Dauer erhalten bleiben.11

1 Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 35. 2 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 42 f.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 22 f.; Krieger in MünchHandbuch Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 46; strenger sind Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 65; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 52; für eine Begründung durch Gewinnabführungsverträge Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 35. 3 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 9; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 25; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 42 f.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 24, 43; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 20. 4 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 51.1 (Stand Juni 2014). 5 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 51; Küting/Seel, BB 2010, 1459 (1461); Theile in Theile in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 624 f. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 12; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 13; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 20. 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21, 25; Küting/Koch in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht2, 380; von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 44 (Stand Nov. 2011). 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 25; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 19. 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 25; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 15. 10 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 58 (Stand Juni 2014). 11 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 12.

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§ 290 Rz. 80 | Pflicht zur Aufstellung 80

Eine dauerhafte Beherrschung muss nicht auf eine nicht absehbare Zeit angelegt sein. Auch ein für die Zukunft bereits absehbares Ende der Beherrschungsmöglichkeiten – beispielsweise aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen mit Dritten, Satzungsbestimmungen, gesetzlichen oder gerichtlichen Auflagen – verhindert nicht per se eine dauerhafte Beherrschungsmöglichkeit.1 So dürften nach § 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB auch Tochterunternehmen in den Konsolidierungskreis einbezogen werden, wenn sie veräußert werden sollen. Nur bei einer kurzen Restlaufzeit der Beherrschungsmöglichkeit ist eine dauerhafte Beherrschung abzulehnen.2 Sollte eine Mehrheitsbeteiligung nur eine kurze Zeit gehalten werden und findet in diesem Zeitraum keine Hauptversammlung statt, besteht faktisch keine Möglichkeit der Einflussnahme.3 An anderer Stelle wird – beispielhaft im Zusammenhang mit Organbestellungsrechten – gefordert, dass die verbleibende (Rest)Zeit bedeutend sein muss. Konsequenterweise wird bei einer (bereits im Erwerbszeitpunkt) bestehende Weiterveräußerungsabsicht eine Dauerhaftigkeit abgelehnt.4 3. Nutzenziehung

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Aus der möglichen Einflussnahme müssen nach DRS 19.15 dem vermeintlichen Mutterunternehmen wirtschaftliche Vorteil zufließen; damit wird wie in IFRS 10 auf eine Nutzenziehung verwiesen. Diese Nutzenziehung ist nicht allein auf Mittelzuflüsse aufgrund der Aktivitäten des Tochterunternehmens einzugrenzen (Gewinnausschüttungen), sondern verweist auf alle unmittelbaren und mittelbaren Vorteile des Mutterunternehmens oder anderer Tochterunternehmen, die aus der Integration des betrachteten Tochterunternehmens entstehen. Dabei kann es sich um rechtliche Vorteile, Kostenreduktionen, eine Schaffung von Wertsteigerungspotenzialen oder eine Minderung der Wettbewerbsintensität handeln (DRS 19.15).5 Es muss sich allerdings nicht nur um Vorteile handeln; die zufallenden wirtschaftlichen Ergebnisse können auch – wie im Fall von Verlusten – negativ sein (DRS 19.15).

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Die Nutzenziehung wird jedoch in der Kommentierung auch nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal gesehen: Der Verweis auf die Nutzenziehung sei vielmehr relevant bei der Frage, welchem Rechtsträger die Beherrschungsrechte bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zuzurechnen sind. Sollte eine von den Beherrschungsrechten abweichende Zuordnung des Nutzens bestehen, seien die Beherrschungsrechte iSd. § 290 Abs. 1 HGB nicht dem formal-rechtlichen Inhaber zuzuordnen, sondern dem wirtschaftlichen Eigentümer.6 Für einen eigenständige „Nutzenziehung“ als Tatbestandsmerkmal einer Beherrschung wird daher – im Unterschied zu den IFRS – keine Notwendigkeit gesehen; es handele sich vielmehr um ein Indiz.7 4. Keine Beteiligungsnotwendigkeit

83

Seit BilMoG ist keine (unmittelbare oder mittelbare) Beteiligung erforderlich, um eine Mutter-TochterBeziehung zu definieren. Dies ist im Einklang mit dem 2003 durch Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/51/EG (Modernisierungsrichtlinie)8 veränderten Art. 1 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie). In der Richtlinie 2013/34/EU ist weiter keine Beteiligung gefordert. Sollte eine Beteiligung iSv. § 271 Abs. 1 HGB vorliegen, liefert dies Indizien für eine mögliche Beherrschung.9

III. Faktische Beherrschungsmöglichkeiten gem. Abs. 1 1. Potenzielle Stimmrechte 84

Potenzielle Stimmrechte können bestehen, wenn Optionen für den Erwerb von (weiteren) Anteilen von den bisherigen Gesellschaftern eingeräumt werden. So könnte ein Gesellschafter neben dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung gleichzeitig auch eine Option auf Anteile erworben worden haben, um später seine 1 2 3 4 5 6 7 8

9

Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 16. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 25. Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 11. Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 56 (Stand Juni 2014). Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 27; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 60 (Stand Juni 2014); Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 26 (Stand März 2011). Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 22; von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 44 (Stand: Nov. 2011). Vgl. Marbler/Oser, DStR 2014, 2474 (2477 f.); Stibi/Kirsch/Ewelt-Knauer, WPg. 2011, 761 (766). Vgl. Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. EU 2003 Nr. L 178, 19. Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 20.

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C. Möglicher beherrschender Einfluss als Generalnorm (Abs. 1)

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Rz. 88 § 290

Gesellschafterposition bis hin zur Beherrschung auszubauen.1 Auch über Wandelanleihen kann ein Anrecht bestehen, später Anteile zu erwerben. Unstrittig ist, dass potenzielle Stimmrechte aus Kaufoptionen keine unwiderlegbare Beherrschungsmöglichkeit iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB begründen (DRS 19.76). Sie können jedoch über die Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB eine Beherrschungsmöglichkeit und entsprechend eine Aufstellungspflicht begründen. Dabei sind die Möglichkeiten und Grenzen potenzieller Stimmrechte im Gesamtkontext zu würdigen. Die Orientierung an qualitativen Merkmalen entzieht sich teilweise einer objektiven Überprüfung.2 Die natürliche Begrenzung der verfügbaren Informationen über Rechte Dritter, die ebenfalls in die Analyse einzubeziehen sind, ist zu beachten.3 Mit Verweis auf DRS 19.76 wird gefordert, dass potenzielle Stimmrechte nur dann die Möglichkeit einer 85 Beherrschung eröffnen,4 – wenn die zugrunde liegenden Instrumente rechtlich ausübbar bzw. wandelbar sind und – das vermeintliche Mutterunternehmen wirtschaftlich in der Lage ist, die notwendigen finanziellen Mittel auch bereitzustellen. Mit Blick auf den ersten Punkt dürfen behördliche Genehmigungen, insbes. kartellrechtlicher Art, oder 86 andere regulatorische Beschränkungen einer Ausübung nicht entgegenstehen;5 auch vertragliche Ausübungssperren dürfen nicht bestehen. Bei vertraglichen Vereinbarungen im Zusammenhang mit Anteilskäufen zwischen zwei Parteien, von denen mindestens eine Gesellschafter ist, sind vertraglich vereinbarte Sperrfristen oder aufschiebender Bedingungen zu beachten. Sollten solche vertraglichen Regelungen bestehen, kann von einer „Ausübbarkeit“ der potenziellen Stimmrechte keine Rede sein. Sofern mehrere Personen nur gemeinsam die Option ausüben können, muss eine entsprechende Vereinbarung bzw. Regelung zwischen diesen Personen zur praktischen Ausübung des Rechts existieren (analog IFRS 10.B23 (b)). Sollte der potenzielle Stimmrechtsinhaber mit dem formalen Inhaber einen Stimmbindungsvertrag geschlossen haben, um den Optionsinhaber vor unerwünschten Veränderungen beim (potenziellen) Tochterunternehmen zu schützen, dürften die potenziellen Stimmrechte idR eine Beherrschung erlauben, wenn sie zu einer Stimmrechtsmehrheit führen würden. Dies ergibt sich auch aus den Zurechnungsregeln nach § 290 Abs. 3 HGB, auch wenn sich diese dem Wortlaut nach auf Abs. 2 beziehen (vgl. Rz. 158). Ob aus der fehlenden Finanzierbarkeit unmittelbar auf fehlende Substanz des Rechts geschlossen werden 87 kann, ist strittig. In der IFRS-Literatur wird bei fehlender Finanzierbarkeit zum Teil von einem nicht substanziellen Recht ausgegangen.6 Dagegen wird auch die Meinung vertreten, die Finanzierbarkeit ausschließlich als positiven Indikator zu nutzen, aber keinen Analogieschluss bei fehlender Finanzierbarkeit zu ziehen.7 Da in DRS 19.76 jedoch zu Recht die Finanzierbarkeit als Kriterium benannt wird, ist jenem Zweig der IFRS-Literatur zu folgen, der bei fehlenden Finanzmitteln keine substanziellen Rechte sieht.8 Auch wenn eine Abgrenzung von denkbarem Fremdfinanzierungsvolumen und fehlender Finanzierbarkeit im Einzelfall schwierig werden kann, treten bei einer strikten Interpretation die Absichten des Managements in den Hintergrund.9 Nach den IFRS ist ein Recht mit größerer Wahrscheinlichkeit substanziell, wenn der Inhaber aus der Aus- 88 übung Nutzen ziehen kann. Dies kann beispielsweise durch einen positiven Wert der Optionen (in the money) oder der Möglichkeit zur Realisierung von Synergien gegeben sein (IFRS 10.B23 (c)). Sollte die Option „im Geld“ sein, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass ein Recht als substanziell einzustufen ist, da eine Vorteilhaftigkeit die subjektive Perspektive des Rechteinhabers berücksichtigt. Sind Optionen „aus dem Geld“, muss eine Beurteilung der Gesamtumstände zeigen, ob weitere mögliche Vorteile aus der Ausübung bestehen. Beispielsweise können über realisierbare Synergien Anreize für die Ausübung bestehen, auch wenn der Ausübungspreis über dem aktuellen Kurs liegt, also „aus dem Geld“ ist. Damit wird die Perspektive eines Finanzinvestors relativiert und auf strategische Investoren erweitert. Zudem sei neben dem Wert zum Bilanzstichtag auch die mögliche spätere Entwicklung zu berücksichtigen.10 Da die Option nicht zwingend sofort ausübbar sein muss, könnte sich eine negative Wertentwicklung in diesem Zeitraum umkehren. Damit könnte eine Option zum Bilanzstichtag aus dem Geld sein, jedoch bis zum entscheiden1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Ziegler/Birkholz, M & A Review 2005, 490 (490). Vgl. Erchinger/Melcher, DB 2011, 1229 (1238). Vgl. Küting/Mojadadr, KoR 2011, 273 (284). Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 51; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 58.1 (Stand Juni 2014). Vgl. Senger/Höhne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 182; Ehsen-Rühl/Althoff, WPg. 2016, 497 (500). Vgl. Ernst & Young, IGAAP 2017, 372 f. So im Ergebnis Küting/Mojadadr, KoR 2011, 273 (283). Vgl. auch Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 58 f. Vgl. Ehsen-Rühl/Althoff, WPg. 2016, 497 (501). AA Senger/Höhne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 180. Vgl. auch im Folgenden Ernst & Young, IGAAP 2017, 372.

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§ 290 Rz. 89 | Pflicht zur Aufstellung den Zeitpunkt wieder im Geld sein. Würde man diesem Argument folgend auf die weitere Laufzeit verweisen, würde sich die Laufzeit doppelt auswirken: zum einen bei der Bewertung der Option, zum anderen durch den Verweis auf eine Option, die zwar aus dem Geld ist, aber trotzdem bei späterem Kursanstieg noch ausgeübt werden könnte.1 89

Um die Verbindlichkeit der Erwerbsmöglichkeit zu konkretisieren, wird darüber hinaus teilweise auch gefordert, die Kaufoption mit einer gegenläufigen Put-Option des aktuellen Anteilseigners (bei identischen Ausübungsbedingungen) zu kombinieren, um eine Beherrschung über potenzielle Stimmrechte zu begründen.2 Durch die Stillhalteposition in der Verkaufsoption ist die Entscheidung nicht mehr allein von den Handlungen des Managements abhängig.

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Potenzielle Stimmrechte allein aus einer Stillhalteposition einer Verkaufsoption sind nicht hinreichend, um eine mögliche Beherrschung zu begründen. Der Stillhalter einer Verkaufsoption ist Verpflichteter und kann lediglich durch entsprechende Gestaltung der Option im Voraus auf das Ergebnis Einfluss nehmen. Daher hängt der Übergang des Nutzens bei einer Verkaufsoption stärker an der individuellen Gestaltung der Option, da dem Optionsinhaber entsprechende Anreize für das gewünschte Verhalten gesetzt werden müssen. Damit müssten neben der Gestaltung der Option auch das Gesamtumfeld und die Motive des Optionsinhabers erfasst werden. Eine solche weite Auslegung scheint wegen des Stellenwerts des Objektivierungsgebots im HGB nicht angemessen. Problematisch dürfte bei geschriebenen Verkaufsoptionen auch regelmäßig die Frage sein, ab wann das Risiko variabler Rückflüsse für das Unternehmen in der Stillhalterposition besteht, da die Entscheidungshoheit über diese Frage beim Optionsinhaber liegt, was der Voraussetzung substanzieller Stimmrechte abträglich ist (wirtschaftliche, finanzielle und andere Barrieren für die Optionsausübung des Investors). Insgesamt ist aus potenziellen Stimmrechten einer Stillhalteposition einer Verkaufsoption eine Beherrschungsmöglichkeit regelmäßig zu verneinen.

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Potenzielle Stimmrechte aus Kaufoptionen typisierend vollständig zu vernachlässigen und damit die Notwendigkeit eines Konzernabschlusses bzw. die Aufnahme in den Konsolidierungskreis zu verneinen, ist insgesamt kritisch zu sehen. Wenn es so gut wie sicher ist, dass die Stimmrechte ausgeübt werden, sollten auch die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Konzerns als wirtschaftliche Einheit diese Effekte erfassen. 2. Nachhaltige Präsenzmehrheit

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Die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. d Doppelbuchst. aa der Richtlinie 83/349/EWG formulierte Verpflichtung zur Aufstellungspflicht eines Konzernabschlusses bei Präsenzmehrheit durch die Ausübung der Stimmrechte (des Mutterunternehmens), wurde nicht explizit in nationales Recht umgesetzt. Art. 22 der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU nimmt nicht mehr auf die Möglichkeit der Hauptversammlungsmehrheit (sog. Präsenzmehrheit) Bezug. Allerdings ist zu prüfen, ob eine Präsenzmehrheit ausreicht, um über die Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB eine mögliche Beherrschung zu begründen.3 Die Überlegungen folgen der Idee der IFRS, die auch bei de facto control eine Beherrschungsmöglichkeit sehen. Eine faktische Beherrschung über eine Präsenzmehrheit setzt eine Passivität der anderen Gesellschafter voraus.4 Da die konzerntypischen Rechte iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB auf eine gesicherte Rechtsgrundlage verweisen, kann eine unwiderlegbare Mutter-Tochter-Beziehung nicht mit Verweis auf eine Präsenzmehrheit begründet werden. Entsprechend wurde eine Mutter-Tochter-Beziehung bereits auf der Basis von § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB aF konsequent von der Kommentierung abgelehnt.5

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Voraussetzung für eine mögliche Beherrschung auf der Basis einer Präsenzmehrheit iSv. § 290 Abs. 1 HGB ist eine gewisse Dauerhaftigkeit, die der Gesetzgeber gewahrt sehen wollte.6 Die Frage, wie die Dauerhaftigkeit zu interpretieren ist, wurde hingegen nicht thematisiert. Wichtig ist nur, dass die Präsenzmehrheit auch in der Zukunft greift und nicht durch Beherrschungsmöglichkeiten der anderen Gesellschafter beschränkt wird.7 Ob diese Dauerhaftigkeit allein anhand der Erfahrungen der Vergangenheit be1 Vgl. Ehsen-Rühl/Althoff, WPg. 2016, 497 (505 f.). 2 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 25; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 38. 3 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 56. Sehr kritisch Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 23. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 51. 5 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse8, 106 f.; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 71; Kozikowski/ Ritter in Beck BilKomm.7, § 290 HGB Rz. 50; von Keitz in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 46 (Stand 2006). 6 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 89. 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 51; Küting/Seel BB 2010, 1459 (1460); IDW, WP Handbuch15, G Rz. 24.

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C. Möglicher beherrschender Einfluss als Generalnorm (Abs. 1)

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Rz. 97 § 290

stimmt werden kann – zwei1 oder drei2 aufeinander folgende Termine –, scheint fragwürdig.3 Vielmehr sollten strukturelle Überlegungen über die Stimmenverteilung in der Hauptversammlung angestellt werden; Erfahrungen der Vergangenheit sollten nur ergänzend herangezogen werden. So wird eine mögliche Beherrschung umso eher zu bejahen sein, je – näher die verfügbaren Stimmrechte des potenziellen Mutterunternehmens an die Mehrheit aller Stimmen heranreichen; – zersplitterter die Stimmrechte der anderen Gesellschafter sind. In jedem Fall sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beachten.4 Ein hoher Streubesitz bestärkt die Möglichkeiten einer hohen Minderheitsbeteiligung, weil sich der übrige Anteilsbesitz in Kleinstanteile aufteilt, so dass eine Koalition dieser Kleinstanteile unwahrscheinlicher ist.5 Sollten die Kleingesellschafter über Verträge oder ein abgestimmtes Verhalten ihre Stimmrechtsausübung bündeln, ist keine nachhaltige Präsenzmehrheit zu erwarten. Sollte ein bisher passiver weiterer Großaktionär vorhanden sein, liegt keine Präsenzmehr vor.6 Bei der Frage, ob die Präsenzmehrheit mit hinreichender Sicherheit fortbesteht, ist auch die Frage nach 94 den Gründen zu klären. Es darf sich beispielsweise nicht um eine zufällige, aufgrund von Datums- oder Witterungsgründen zustande gekommene Präsenzmehrheit handeln.7 Zufallsmehrheiten auf einer Gesellschafterversammlung durch nicht abgestimmtes Abstimmverhalten mit anderen Gesellschaftern begründen keine Abhängigkeit.8 Sollten Mitgesellschafter in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu einem Großaktionär stehen, die eine einheit- 95 liche Stimmabgabe erwarten lässt, wird dieser trotz fehlender eigener Stimmrechtsmehrheit einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Dabei ist nicht nur zu beurteilen, ob sich dieser Großaktionär tatsächlich in der Hauptversammlung durchsetzen kann, vielmehr reicht es aus, wenn die Verwaltung der (dann abhängigen) Gesellschaft davon ausgehen muss, dass er sich zumindest in Personalangelegenheit durchsetzen können wird.9 Wichtig bei der Beurteilung, ob eine Präsenzmehrheit Beherrschung eröffnet, ist die Frage, inwieweit der Großaktionär initiativ werden kann, was typischerweise dann der Fall ist, wenn er eine starke Stellung im Aufsichtsrat hat.10 Zudem können personelle Verflechtungen oder Vetorechte eine starke Minderheitenposition bzw. eine 96 Präsenzmehrheit zur Erreichung eines beherrschenden Einflusses ausreichend verstärken;11 wenn sie anderen Gesellschaftergruppen zustehen, sprechen sie gegen eine Präsenzmehrheit.12 Ist nach der Einschätzung des potenziellen Mutterunternehmens eine Präsenzmehrheit dauerhaft und 97 nachhaltig gesichert, ist das Tochterunternehmen zu konsolidieren; ein Wahlrecht besteht nicht. Allerdings besteht über die Einschätzung, inwieweit die Präsenzmehrheit ausreicht, um eine mögliche Beherrschung sicherzustellen, ein faktisches Wahlrecht.13 Die geringe gemessene Präsenzmehrheit auf deutschen Hauptversammlungen14 dürften idR aber eine nachhaltige und sichere Präsenzmehrheit in einer Vielzahl von Fällen erlauben, so dass auch ohne Stimmrechtsmehrheit eine Beherrschung iSd. § 290 Abs. 1 HGB häufig erreicht werden kann,15 auch wenn im Einzelfall die hier diskutieren Kriterien sicherlich relevant sein können. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 51. In Orientierung an § 9 Satz 2 Nr. 2 WpÜG-Angebots-VO wird ein Zeitraum von drei Jahren genannt. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 57. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 20. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 Rz. 51; Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230 (1231); J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 21. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 Rz. 51. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 24; s. auch von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 62 (Stand Nov. 2011). Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 12; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 12; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 50; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 42. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 22. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 21. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 40. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 Rz. 51. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 57. Vgl. Studie der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., abrufbar unter http://sdk.org/assets/Statistiken/HVPraesenzen/praesenz-dax15.pdf; siehe auch Küting, P., DB 2009, 73 (Tabelle 1). Vgl. Watrin/Lammert, KoR 2008, 74 (74); Küting, P., DB 2009, 73 (77); von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 62 (Stand Nov. 2011).

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§ 290 Rz. 98 | Pflicht zur Aufstellung

D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2) I. Konzerntypische Rechte (Abs. 2 Nr. 1–3) 1. Zustehende Rechte 98

Bei der Diskussion der konzerntypischen Rechte nach § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB kann die konzernrechtliche Diskussion gem. §§ 16 f. AktG insoweit bei der Auslegung Hinweise geben, weil sie an eine rechtliche Befugnis anknüpfen;1 im Gegensatz zu § 290 Abs. 1 HGB. Unwiderlegbare Vermutungen der Beherrschung, wie sie mit den konzerntypischen Rechten bestehen, können nicht auf faktischen Möglichkeiten basieren, sondern müssen rechtlich abgesichert sein. Nach § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB muss der Kapitalgesellschaft eines der angeführten Rechte zustehen, wobei für Nr. 2, nicht hingegen für Nr. 1 und 3 zusätzlich eine Gesellschafterstellung verlangt wird.

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Ob § 290 Abs. 2 HGB auf eine formale Inhaberschaft oder auf die rechtliche Ausübungsmöglichkeit dieser konzerntypischen Rechte abstellt, ist strittig.2 Bei einem Abstellen auf die Rechtsinhaberschaft iS einer Rechteausübungsmöglichkeit werden die dem Mutterunternehmen zustehenden Rechte direkt anhand aller ausübbaren Rechte bestimmt.3 Bei Abstellen auf die formale Rechtsinhaberschaft sind die dem Mutterunternehmen zustehenden Rechte gem. § 290 Abs. 3 HGB um Hinzurechnungen zu erweitern und um Kürzungen zu vermindern, um im Ergebnis von einer formalen zu einer wirtschaftlichen Rechteinhaberschaft zu gelangen.4 Der Streit, ob dabei eine formale oder wirtschaftliche Rechteinhaberschaft Vorrang hat, hat daher im Zusammenhang mit den konzerntypischen Rechten des § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB eine geringere praktische Bedeutung als zunächst zu vermuten wäre.5

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Liegt eines der konzerntypischen Rechte nach § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB vor, ist die Pflicht zur Konzernrechnungslegung unabhängig von der Tätigkeit des Mutterunternehmens gegeben. Auch eine inländische Kapitalgesellschaft, die ausschließlich eine Vermögensverwaltung betreibt, muss, wenn ihr eines der Rechte des § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB zusteht, einen Konzernabschluss und einen Konzernlageberichts aufstellen.6

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Sollte die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB erheblich und nachhaltig beschränkt sein, besteht nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB ein Wahlrecht, dieses Tochterunternehmen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen (Konsolidierungswahlrecht). 2. Mehrheit der Stimmrechte (Abs. 2 Nr. 1)

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Eine Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland, der die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter an einem anderen Unternehmen (Tochterunternehmen) zusteht, hat nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB unwiderlegbar die Pflicht, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen. Die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung bei Mehrheit der Stimmrechte beruht auf der dem Beherrschungskonzept zugrundeliegenden Vorstellung über die damit erreichte Rechtsposition, einen beherrschenden Einfluss über das entsprechende Unternehmen ausüben zu können.7

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Die Regelungen in § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB sind formal zu verstehen,8 bei einer materiellen Betrachtung würden weitere die Beherrschung möglicherweise beeinflussende Umstände erfasst, die die formale Einordnung relativieren könnten. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB wird daher teilweise in der Literatur – im Gegensatz zur hier vertretenen Meinung – als widerlegbare Vermutung interpretiert.9 Der klare Wortlaut kann diese Interpretation allerdings nicht begründen. Bei der Zurechnung bzw. Ermittlung der Mehrheit der 1 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 6. 2 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 30, die für die formale Inhaberschaft plädieren; für die rechtliche Ausübungsmöglichkeit vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 77. Im Konzernrecht wird auf eine (dingliche) Rechteinhaberschaft abgestellt; vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 5; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 24; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 27; Windbichler in Großkomm.5, § 16 AktG Rz. 21; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 31; Krieger in MünchHandbuch Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 26. 3 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 77; 4 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 30; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 34. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 34. 6 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 29; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 31; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 33. 7 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 39. 8 AA von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 76 ff. (Stand Juni 2014); von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 48–50 (Stand Nov. 2011). 9 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 70, allerdings zum Rechtsstand vor BilMoG; von Keitz/Ewelt, IRZ 2010, 447 (454).

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2)

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Rz. 107 § 290

Stimmrechte sind § 290 Abs. 3 und 4 HGB zu beachten; vgl. Rz. 157–176, 177–179. Auch wenn die Mehrheit der Stimmrechte normalerweise die tatsächliche Beherrschung eröffnen dürfte, wird diese nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB nicht verlangt; ausreichend ist eine mögliche Beherrschung.1 Stimmrechte iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind Stimmrechte, die den Gesellschaftern bei Beschlüssen der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung zustehen und mit dem Unternehmensanteil verbunden sind. Sie beinhalten gesetzliche und satzungsmäßige Rechte.2 Auch wenn eine mögliche Beherrschung durch die Mehrheit der Stimmrechte explizit nicht mit einer Gesellschafterstellung verbunden ist (DRS 19.25), wird diese gleichwohl gegeben sein. Zum einen ist eine Abspaltung des Stimmrechts vom Kapitalanteil nach deutschem Recht nicht zulässig. Zum anderen wird auch in den § 290 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 HGB implizit auf die Gesellschafterstellung verwiesen.3 Trotz der Gesellschafterstellung wird eine Beteiligung am Kapital nicht gefordert.4

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Die Stimmenmehrheit iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB bezieht sich nicht auf die Mehrheit der abgegebenen 105 Stimmen (bspw. § 133 AktG), sondern auf die Mehrheit der der abgebbaren, den Gesellschaftern zustehenden Stimmen.5 Eine Präsenzmehrheit in der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung reicht daher nicht aus, um eine unwiderlegbare Aufstellungspflicht nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu schaffen. Dies gilt auch bei anhaltender Präsenzmehrheit; die Mehrheit der Stimmrechte darf nicht nur faktisch (in der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung) bestehen, sondern muss rechtlich abgesichert sein.6 Potenzielle Stimmrechte – aus Kaufoptionen auf Anteile oder Wandel- oder Optionsanleihen – können wegen der fehlenden rechtlichen Absicherung nicht zu den zustehenden Stimmen iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB gezählt werden.7 Allerdings kann über eine Präsenzmehrheit oder potenzielle Stimmrechte uU eine Beherrschungsmöglichkeit iSd. Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB erreicht werden; vgl. Rz. 92–97. Ebenso wenig wie aus Kaufoptionen bzw. der Stillhalteposition einer Verkaufsoption anderer Investo- 106 ren eine Mehrheit der Stimmrechte iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB erreicht werden kann, wird durch Verkaufsoptionen bzw. die Stillhalteposition einer Kaufoption anderer Investoren die Mehrheit der Stimmrechte verhindert.8 Die Höhe der Kapitalbeteiligung hat gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB keine Bedeutung, auch wenn in § 290 107 Abs. 4 HGB auf die Stimmrechte verwiesen wird, die aus den eigenen Anteilen stammen.9 Die Anzahl der Stimmrechte an einer Kapitalgesellschaft wird jedoch idR mit der Anzahl der Kapitalanteile übereinstimmen.10 Bei der AG können folgende Gründe zu Abweichungen zwischen der Anzahl der Stimmrechte des Gesellschafters und der Anzahl seiner Kapitalanteile führen: – § 5 Abs. 1 EGAktG: Mehrstimmrechtsaktien, die vor der Geltung des AktG 1965 ausgegeben worden sind und weiterhin bestehen, weil trotz deren Erlöschen zum 1.6.2003 die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals die Fortgeltung beschlossen hat; – § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG: Stimmrechtsbeschränkungen, die zu Höchststimmrechten führen; – § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG: Stimmrechtsausschlüsse bei Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrechte. Stimmrechtslose Aktien führen ebenfalls zu einem Auseinanderfallen von Stimmrechten und Kapitalanteilen, auch wenn in bestimmten Fällen das Stimmrecht wieder auflebt (§§ 140 Abs. 2, 141 Abs. 4 AktG). Nur wenn diesen Anteilen das Stimmrecht wieder zugewachsen ist, ist es zu berücksichtigen.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 29. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 31. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 43. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 56; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 89, Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 34 (Stand März 2011). Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 39. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 34; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 28; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 71; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 31; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 76 (Stand Juni 2014); Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 36. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 44; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 77 (Stand Juni 2014); Senger/Höhne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 175. Vgl. mit Bezug auf die Stillhalteposition bei Kaufoption anderer Investoren Ehsen-Rühle/Althoff, WPg. 2016, 497 (504). AA Senger/Höhne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 177. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 32; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 37; von Oertzen in HdJ, V/ 1 Rz. 47 (Stand Nov. 2011). Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 32. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 35. Vgl. zum Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 18; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 22; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 37; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 39, 44.

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§ 290 Rz. 108 | Pflicht zur Aufstellung 108

Mit der Mehrheit der Stimmrechte in § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB ist die einfache Stimmenmehrheit gemeint, ansonsten müsste die Vorschrift den höheren notwendigen Stimmenanteil angeben. Fordert der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung des Unternehmens für wesentliche Entscheidungen eine größere Anzahl der Stimmen (materielle Stimmenmehrheit, qualifizierte Mehrheit) als die einfache Stimmenmehrheit, werden die Stimmrechte als solche nicht begrenzt und können auf der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafterversammlung vollständig ausgeübt werden. Trotz Forderung nach einer qualifizierten Mehrheit in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag des anderen Unternehmens hat eine Kapitalgesellschaft, die die einfache Stimmenmehrheit hält, die Mehrheit der Stimmrechte iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB und kann die laufende Geschäfts- und Finanzpolitik bestimmen.1 Insoweit ist der Wortlaut eindeutig. Über satzungsmäßige Forderungen nach einer qualifizierten Mehrheit könnte mithin die Pflicht zur Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses nicht beschnitten werden. Allerdings wird in der Kommentierung teilweise auch strenger gefordert, dass bei der Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit die Dispositionen des Unternehmens mit Blick auf die Geschäfts- und Finanzpolitik nicht wesentlich beeinträchtig sein dürften.2 Diese Argumentation ist allerdings unverträglich mit der Annahme einer unwiderlegbaren Beherrschung.

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Sofern qualifizierte Mehrheitserfordernisse in einer Satzung die Vermutung einer Beherrschung gem. § 17 AktG widerlegen können, wenn sich diese insbes. auf die Bestellung von Verwaltungsmitgliedern oder (im Fall der GmbH) auf Geschäftsführungsweisungen beziehen, kann dies bei der unwiderlegbaren Vermutung gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB nicht greifen.3 Analog zur Stimmrechtsmehrheit in § 16 Abs. 1, 3 AktG ist vielmehr auf einen abstrakten Mehrheitsbegriff zu verweisen, der unabhängig davon ist, ob (gesellschafts-)vertraglich oder per Satzung für bestimmte oder alle Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit gilt oder ob eine Gesellschafterversammlung Beschlüsse an ein anderes Organ delegieren kann.4 Diese Frage ist nicht auf der Ebene der Verpflichtung, einen Konzernabschluss zu erstellen, zu diskutieren, sondern bei der Bestimmung des Konsolidierungskreises unter Berücksichtigung von § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB; das Wahlrecht der Konsolidierung bei Beschränkungen der Einflussmöglichkeit wäre wirkungslos, wenn keine Aufstellungspflicht bestünde. Durch das Wahlrecht beim Konsolidierungskreis bleibt die Zuordnung einer Mutter-Tochter-Beziehung bestehen, dh. es handelt sich weiterhin um ein verbundenes Unternehmen iSd. § 271 Abs. 2 HGB mit allen verbundenen (Ausweis-)Pflichten.5

110

Ob ein Unternehmen durch Abschluss schuldrechtlicher Verträge (zugunsten anderer Gesellschafter oder Dritter) eine Zurechnung der Mehrheit der Stimmrechte verhindern kann, ist strittig. In solchen Verträgen kann sich das Unternehmen, dem die Anteile gehören, verpflichten – die ihm zustehenden Stimmrechte iSd. Vertragspartners auszuüben (Stimmrechtsbindungsverträge); – auf die Ausübung seiner Stimmrechte ganz zu verzichten (Stimmrechtsverzicht). Wird in der Kommentierung bei der Ausübbarkeit auf die tatsächliche Beschränkung abgestellt, könnten schuldrechtliche Verträge als geeignet angesehen werden, die mögliche Beherrschung abzulehnen.6 Die mit § 290 Abs. 2 HGB verfolgten unwiderlegbaren Konzernrechte dienen jedoch der Typisierung und verhindern eine solche einzelfallbezogene Interpretation. Die schuldrechtliche Vereinbarung über ein bestimmtes Stimmverhalten bzw. über die Nichtausübung des Stimmrechts berührt nicht den Bestand der (Stimm-)Rechte, sondern die tatsächliche Ausübung, was für § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB nicht relevant ist, weil auf die unwiderlegbare Möglichkeit abgestellt wird. Mit schuldrechtlichen Vereinbarungen wird somit die mögliche Ausübung der Stimmrechte durch die Kapitalgesellschaft, die formalrechtlicher Stimmrechtsinhaber ist, nicht ausgeschlossen. Diese Art schuldrechtlicher Verträge betrifft die Ebene der Ausübung, nicht der grundsätzlichen Ausübbarkeit. Durch Abschluss schuldrechtlicher Verträge kann sich eine Kapitalgesellschaft, der die Anteile gehören, nicht der Mehrheit der Stimmrechte begeben.7 1 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 29; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 40 f., Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 37. 2 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 42, weniger streng in Rz. 45. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 54; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 98; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 104; Krieger in MünchHandbuch Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 64. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 13; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 11; Schall in Spindler/ Stilz, AktG3, § 16 Rz. 38. 5 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 30. 6 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 73 ff. 7 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 38 f.; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 46; × Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 66; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 42; Senger/Hoehne MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 74–76; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 78 (Stand Juni 2014); Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 35.

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2)

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Rz. 115 § 290

Das Gleiche gilt auch für sog. Entherrschungsverträge (DRS 19.23), in denen im Unterschied zum Stimmbindungsvertrag eine Bindung gegenüber der Gesellschaft vorliegt,1 nicht gegenüber den Mitgesellschaftern. Im Konzernrecht kann durch einen Verzicht einer eigenständigen Ausübung des Stimmrechts (Stimm- 111 rechtsbindungsvertrag), ein Stimmrechtsverzicht oder einen Entherrschungsvertrag zwar die Vermutung eines beherrschenden Einflusses widerlegt werden, wenn diese auf einer verlässlichen vertraglichen Regelung beruht, die rechtlich wirksam und nicht jederzeit kündbar ist.2 Die Vermutung der Beherrschung gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB ist jedoch unwiderlegbar, so dass schuldrechtliche Stimmrechtsbindungen, -verzichte oder ein Entherrschungsvertrag eine Stimmrechtsmehrheit nicht verhindern. Allerdings kann ein Sachverhalt geschaffen werden, der ein Konsolidierungswahlrecht gem. § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB eröffnet (DRS 19.23). Durch dieses Wahlrecht bleibt jedoch die Zuordnung einer Mutter-Tochter-Beziehung bestehen, dh. es handelt sich weiterhin um ein verbundenes Unternehmen iSd. § 271 Abs. 2 HGB mit allen daraus verbundenen (Ausweis-)Pflichten.3 Höchststimmrechte gem. § 134 Abs. 1 AktG begrenzen die ausübbaren Stimmrechte (im Zähler des Quo- 112 tienten).4 Bei Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund des individuellen Verhaltens – unterlassener Mitteilung 113 gem. §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 3 AktG, § 2 WpHG, § 59 WpÜG, fehlender Legitimation gem. § 67 Abs. 2 AktG, § 16 Abs. 1 GmbHG oder fehlender Volleinzahlung gem. § 134 Abs. 2 AktG – ist eine Kürzung der ausübbaren Stimmen (im Zähler des Quotienten) nicht geboten: Diese Stimmrechte ruhen lediglich, sie sind nicht erloschen. Jeder Aktionär kann die Stimmrechte durch eigenes Verhalten jederzeit wieder erlangen; daher werden die ausübbaren Stimmrechte (im Zähler des Quotienten) nicht gemindert.5 Gleiches gilt auch bei nicht voll einbezahlten Anteilen.6 Nach der hM steht jedoch das Stimmrecht bei Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund individuellen 114 Verhaltens dem Gesellschafter nicht zu; auch wenn es durch Aktivitäten des Gesellschafters selbst wieder aktiviert werden könnte (DRS 19.24).7 Durch diese formale Sichtweise wäre eine Beherrschung gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB verhindert. In diesem Fall wäre jedoch zu prüfen, ob eine faktische Beherrschungsmöglichkeit gem. der Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB vorliegt. Insbes. bei Erwerben von Anteilen, bei denen die Geschäftsleitung des Tochterunternehmens informiert ist, wird dies bejaht (DRS 19.77).8 Ohne diesen Verweis auf die Generalnorm könnte die Einbeziehung von Unternehmen im Jahr des Erwerbs umgangen werden, was nicht dem Ziel der Konzernrechnungslegungspflicht entsprechen dürfte, Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage mittels eines konsolidierten Abschlusses einer wirtschaftlichen Einheit zu vermitteln. Wechselseitige Beteiligungen mit beispielsweise jeweils mehr als 51 % der Stimmrechte verhindern wegen 115 der formalrechtlichen Interpretation der unwiderlegbaren Tatbestände keine Mehrheit der Stimmrechte gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB.9 Die konzernrechtliche Beschränkung der Stimmrechte gem. § 328 Abs. 1 1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 46; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 66. Siehe auch die Einschätzungen im Konzernrecht bei J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG Komm.3, § 17 Rz. 60–65; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 37, 42 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 99; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 109; aA Lüdenbach, StuB 2015, 933 (933). Nach Hüttemann, ZHR 1992, 314 (324–328) ist ein Entherrschungsvertrag mit dem Strukturprinzip der Gewaltenteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung unvereinbar. 2 Zustimmend J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 56 f. 3 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 30. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 20. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 20; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 24; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 40; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 46. AA Windbichler in Großkomm.5, § 16 AktG Rz. 35. Im Konzernrecht können Stimmrechtsverbote aufgrund fehlender Meldung, die vom Gesellschafter behoben werden könnten, auch keinen beherrschenden Einfluss durch Mehrheitsbeteiligung widerlegen. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 57; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 106; aA Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 74. 6 AA Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 35, der bei dinglich wirkenden Ausübungsbeschränkungen eine nachhaltige Beeinträchtigung sieht, die Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen und die Geschäftsführung auszuüben. 7 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 37; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 84; von Keitz/EweltKnauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 78 (Stand Juni 2014); weniger streng Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 48, die den Stimmrechtsabzug ablehnen, wenn das Unternehmen bis zur Aufstellung des Konzernabschlusses seiner Meldepflicht nachgekommen ist. 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 48. 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 49.

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§ 290 Rz. 116 | Pflicht zur Aufstellung AktG, die eine Selbstkontrolle der Verwaltung der beiden Gesellschaften verhindern sollen, rechtfertigen keine Privilegierung bei der Nichtaufstellung von Konzernabschlüssen. Allerdings sollen nach der Kommentierung dinglich wirkende Ausübungsbeschränkungen aus § 328 AktG (Beschränkung der Rechte bei wechselseitiger Beteiligung) bei der Berechnung erfasst werden, weil sie unmittelbar zu einem Stimmrechtsverlust führen und der Inhaber nicht einmal theoretisch/abstrakt sein Stimmrecht ausüben kann (DRS 19.24).1 116

Bevollmächtigten, denen das Depotstimmrecht übertragen wird, stehen die Stimmrechte iSd. Vorschrift nicht zu.2

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Bei der Personengesellschaft gilt als gesetzliche Regel das Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB); damit greift das Kriterium der Stimmenmehrheit bei der Personengesellschaft grundsätzlich nicht. Wird bei der Personengesellschaft jedoch von der gesetzlichen Regelung abgewichen, kann auch eine Stimmenmehrheit iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB als Kriterium relevant werden.3 Sollte unter den Gesellschaftern eine abweichende Stimmenverteilung vereinbart worden sein, kann sich diese am Kapitalanteil der Gesellschafter an der Personengesellschaft orientieren, insbes. wenn der Gesellschaftsvertrag feste Kapitalkonten vorsieht. Bei variablen Kapitalkonten kann auf das Kapital zum jeweiligen Bilanzstichtag abgestellt werden, um die Stimmrechte festzulegen. 3. Organbestellungs- und -abberufungsrecht (Abs. 2 Nr. 2)

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Nach § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB kann eine Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) den beherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen (Tochterunternehmen) ausüben, wenn – ihr das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und – sie gleichzeitig Gesellschafter des anderen Unternehmens ist.4 Wegen der europarechtlichen Fundierung gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/34/EU und wegen der weltweiten Geltung dieses konzerntypischen Rechts können keine konkreten Verwaltungs, Leistungsund Aufsichtsorgane benannt werden,5 die Regelungen müssen offen bleiben für verschiedene Unternehmensverfassungen.

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Da in § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB explizit eine Gesellschafterstellung gefordert wird, sind Entsenderechte Dritter, beispielsweise von Kreditinstituten, nicht ausreichend, um eine mögliche Beherrschung gem. Abs. 2 Nr. 2 zu begründen.6

120

Wenn nach § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB eine Gesellschafterstellung an dem Unternehmen (Tochterunternehmen), an dem das Organbestellungs- und Organabberufungsrecht besteht, gefordert wird, setzt dies Mitgliedschaftsrechte an dem Unternehmen, jedoch keine kapitalmäßige Beteiligung voraus (DRS 19.31).7 Der Vollhafter einer Personenhandelsgesellschaft ist unabhängig davon, ob er eine Einlage geleistet hat, sie zu leisten verpflichtet ist oder für ihn keine Pflicht zur Erbringung einer Einlage besteht, Gesellschafter.8

121

Gegenstand einer beherrschenden Einflussnahme ist insbes. die Personalkompetenz, dh. die Möglichkeit, die Mehrheit der Mitglieder von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen zu bestimmen. Dahinter steht die Vermutung, dass Aufsichtsrat und Vorstand sich zur Vermeidung persönlicher Nachteile an den 1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 48; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 78 (Stand Juni 2014). 2 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 42; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 33; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 28 (Stand März 2011). Hier fehlt es auch an der geforderten Gesellschafterstellung. Vgl. im Konzernrecht auch Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 31; Krieger in MünchHandbuch Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 34. 3 Vgl. Burbach, WPg. 1990, 253 (255 ff.); ADS6, § 290 HGB Rz. 33; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 38; vgl. im Konzernrecht auch J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 12; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 13, 35; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 6; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 14. 4 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 82 (Stand Juni 2014); Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 41; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 34 (Stand März 2011). 5 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 81 (Stand Juni 2014). 6 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 49; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 35; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 45. 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 56; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 82 (Stand Juni 2014); Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 52; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 34 (Stand März 2011); von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 55 (Stand Nov. 2011); IDW, WP Handbuch15, G Rz. 34. 8 Vgl. Claussen/Scherrer in KölnKomm. RLR, § 290 HGB Rz. 52.

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2)

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Rz. 125 § 290

Interessen eines Mehrheitsaktionärs ausrichten, auch wenn keine rechtlichen Verpflichtungen bestehen. Durch sein Stimmrecht in der Hauptversammlung (§ 133 Abs. 1 AktG) kann ein Mehrheitsaktionär in einer AG die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bestimmen (§ 101 AktG); gleichzeitig entscheidet der Aufsichtsrat über die Zusammensetzung des Vorstands. Mittelbar kontrolliert der Gesellschafter mithin die Zusammensetzung des Vorstands.1 Die Rechtsform des Tochterunternehmens, bei dem das Organbestellungs- und Organabberufungsrecht 122 besteht, ist unbeachtlich. Nach DRS 19.28 ist es ausreichend, wenn mehrheitliche Bestellungsrechte hinsichtlich des Aufsichts- oder Geschäftsführungsorgans bestehen, soweit die Rechte des jeweiligen Organs nicht zu sehr eingeschränkt sind, die Geschäfts- und Finanzpolitik zu bestimmen. In Betracht kommt jede Rechtsform, bei der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag eines der angeführten Organe besteht: Mitglieder von Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen sind ua. Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Beiräte sowie Personen, die ähnliche Geschäftsführungs- oder Überwachungsaufgaben wahrnehmen und die wesentlichen Bereiche der Geschäfts- und Finanzpolitik wesentlich und nachhaltig beeinflussen können; eine nur beratende Funktion ist nicht ausreichend (DRS 19.27).2 Ob diese Organe gesetzlich oder durch eine Satzung vorgeschrieben sind, ist unbeachtlich.3 Das Recht auf Bestellung oder Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspoli- 123 tik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans nach § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB muss rechtlich durch Gesetz, Satzung oder Vertrag abgesichert sein. Eine bloße faktische Möglichkeit, die Mehrheit der Mitglieder zu bestimmen, ist nicht ausreichend, um eine unwiderlegbare Vermutung der Beherrschungsmöglichkeit – wie mit Abs. 2 erreicht werden soll – zu begründen.4 Wird allein aufgrund der Präsenzmehrheit in der Hauptversammlung ein Organ bestellt oder abberufen, entsteht daraus trotzdem keine unwiderlegbare Aufstellungspflicht für einen Konzernabschlusses und einen Konzernlageberichts gem. § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB.5 Allerdings kann sich aus einer faktischen Macht eine Beherrschung gem. der Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB ergeben. Da mit der Mehrheit der Stimmrechte iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB idR das Recht zur Besetzung der Mehr- 124 heit der Unternehmensorgane einhergeht, werden durch § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB explizit Entsende- und Abberufungsrechte erfasst. Damit hat diese Vorschrift für die GmbH und die Personengesellschaft originäre Bedeutung, da bei der AG die Entsenderechte für den Aufsichtsrat gem. § 101 Abs. 2 Satz 4 AktG auf höchstens ein Drittel der Mitglieder begrenzt sind.6 Für den Vorstand einer AG sind Entsendungsrechte nicht zulässig, da er nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG zwingend durch den Aufsichtsrat zu bestellen ist. Hat ein Unternehmen mehrere der angeführten Organe – beispielsweise bei einem dualistischen System –, 125 reicht für das Entstehen der Pflicht zur Aufstellung konsolidierter Jahresabschlüsse das Bestellungs- oder Abberufungsrecht eines Organs aus (DRS 19.28).7 Dies folgt aus der Idee des § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB, der verschiedene Systeme der Unternehmensführung erfassen soll. Allerdings muss das betreffende Organ, durch das die Konsolidierungspflicht gem. Abs. 2 Nr. 2 erreicht wird, einen wesentlichen Einfluss auf die entscheidenden Bereiche der Finanz- und Geschäftspolitik ausüben können. Dabei stehen die strategischen, langfristigen Ebenen der Finanz- und Geschäftspolitik im Fokus, weniger die operativen, kurzfristigen Elemente. Eine nur beratende Funktion ist nicht ausreichend (DRS 19.27). Damit kann es jedoch zu konkurrierenden Zurechnungen kommen, wenn unterschiedliche (Mutter-)Unternehmen die Bestellungs- und Abberufungsrechte für das Leitungs- und Aufsichtsorgan haben. Mehrfachkonsolidierungen können über die Abgrenzung des Konsolidierungskreises gem. § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB verhindert werden (DRS 19.A4).8 1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG.3, § 17 Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 26; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 23; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 4349 (differenziert). 2 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 38; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 54 f.; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 82 (Stand Juni 2014); Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 44; von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 55 (Stand Nov. 2011); IDW, WP Handbuch15, G Rz. 32. 3 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 45; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 38; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 54 f. 4 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 40; ADS6, § 290 HGB Rz. 45, 47. 5 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 48; Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 82 (Stand Juni 2014); Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 45 f. 6 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 47; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 Rz. 54; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 51; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 32 f. 7 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 84 (Stand Juni 2014); Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 44. 8 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 82.1 (Stand Juni 2014); Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 89.

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§ 290 Rz. 126 | Pflicht zur Aufstellung 126

Bei einem Unternehmen kann das Recht auf Bestellung oder Abberufung für ein Organ iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB nicht allein den Gesellschaftern zustehen, sondern auch anderen Gruppen, zB den Arbeitnehmern in mitbestimmten Unternehmen. Wird bei einer paritätischen Mitbestimmung auf die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder abgestellt, steht den Gesellschaftern nach § 7 Abs. 1 MitbestG nicht das Bestellungs- oder Abberufungsrecht für die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder zu; allenfalls über die zweite Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden kann bei Abstimmungen eine Mehrheit zugunsten des Gesellschafters erreicht werden. Mit diesem Ergebnis sind nach weitgehender Auffassung der Kommentierung die Voraussetzungen des § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB erfüllt.1 Die durch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer „verdünnten Eigentumsrechte“ bei der Wahl des Aufsichtsrats beeinflussen nach hM nicht die Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses.2

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Allerdings haben die Vertreter der Anteilseigner nicht ohne weiteres das Recht, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu bestellen.3 Tatsächlich ist der Aufsichtsratsvorsitzende von allen Mitgliedern (nach § 27 Abs. 1 MitbestG) zu bestimmen; erst im zweiten Wahlgang wird er von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner bestellt (§ 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG). Zudem verfügt der Vorsitzende des Aufsichtsrats bei Stimmengleichheit erst bei einer neuen, zweiten Abstimmung über denselben Gegenstand, sofern sie wie die erste Abstimmung Stimmengleichheit ergibt, über zwei Stimmen (§ 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG).4 Formal steht paritätisch besetzten Organen, bei denen den Gesellschaftern das Recht zusteht, die Hälfte der Mitglieder zu bestellen oder abzuberufen, unter Zugrundelegung des Wortlauts des § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB kein Recht auf Bestellung der Mehrheit der Mitglieder des Organs zu.5 Allerdings übt der Gesellschafter über den Aufsichtsrat durch die Abstimmungsregel des § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG die Beherrschung über das Unternehmen aus, dh. seine Position entspricht derjenigen gem. § 290 Abs. 2 HGB, nach dem er zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts zu verpflichten wäre.6

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In der Montanmitbestimmung kann das Ergebnis aufgrund der paritätischen Besetzung und eines weiteren neutralen Mitglieds anders aussehen.7 Es wäre allerdings abwegig, mit dem Hinweis auf das Mitbestimmungsgesetz bzw. die Montanmitbestimmung die Rechtspflicht zur Aufstellung der Konzernrechnungslegung umgehen zu wollen.8 Zudem wird ein Gesellschafter, dem das Recht zusteht, alle Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zu bestellen oder abzuberufen, in aller Regel schon die Mehrheit der Stimmrechte innehaben, so dass bereits nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts besteht.

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§ 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB passt nicht auf das gesetzliche Leitbild einer Personengesellschaft, weil das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung aus dem Gesellschafterverhältnis entspringt.9 Die Gesellschafter können jedoch Gesellschafter von der Geschäftsführung ausschließen (dispositives Recht) oder auf Basis gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Vereinbarungen einen Verwaltung- oder Beirat einrichten. Sollte diesem Beirat die Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis übertragen sein und kann ein Unternehmen in seiner Eigenschaft diesen Beitrat bestellen, sind die Voraussetzungen des § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB gegeben.10 Zur GmbH & Co. KG vgl. Rz. 182–188. 4. Beherrschender Einfluss aufgrund von Beherrschungsvertrag oder Satzungsbestimmung (Abs. 2 Nr. 3) a) Beherrschungsvertrag

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Eine Gesellschafterstellung ist für eine mögliche Beherrschung nach § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB im Gegensatz zu Nr. 2 nicht erforderlich (DRS 19.36). Dies gilt auch für die unten diskutierten Satzungsbestimmungen.11 1 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 39; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 84.1 (Stand Juni 2014). 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 7; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 46. 3 So ADS6, § 290 HGB Rz. 46; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 87; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 39; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 53. 4 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 49. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 50. 6 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 46; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 53; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 50. 7 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 46; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 50. 8 Die durch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beschränkten Anteilseigerrechte bei der Wahl des Aufsichtsrats beeinflussen auch im Konzernrecht nach hM nicht die Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluss auszuüben. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 7; Windbichler in Großkomm.5, § 17 AktG Rz. 46. 9 Vgl. Burbach, WPg. 1990, 253 (257); Roth in Baumbach/Hopt, HGB37, § 114 Rz. 3. 10 Vgl. Burbach, WPg. 1990, 253 (257). 11 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 38; ADS6, § 290 HGB Rz. 61.

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2)

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Rz. 135 § 290

Die Konzernrechnungslegungspflicht nach § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB beruht auf dem Recht des Mutterunternehmens, den beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) auf einem mit diesem geschlossenen Beherrschungsvertrag zurückzuführen. Wesentliches Merkmal des Beherrschungsvertrags ist die Unterstellung, dass die AG/KGaA – rechtsformunabhängig: ein Unternehmen – unter dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens steht. Ein Beherrschungsvertrag gewährleistet den Vorrang des Konzerninteresses vor den Interessen der abhängigen Gesellschaft; er überlagert mithin die Rechte der Organe der beherrschten Gesellschaft, ohne diese gänzlich aufzuheben (vgl. Anh. 2 zu § 290 HGB Rz. 127). Eine Gesellschafterstellung ist nicht notwendig; auch nicht bei Satzungsbestimmungen.1

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Bei Beherrschungsverträgen iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB kann grds. zwischen Verträgen mit gesetzestypi- 132 schem und mit nicht gesetzestypischem Inhalt unterschieden werden. Typische Beherrschungsverträge sind primär durch vertraglich gewährte Rechte des anderen Vertragsteils gekennzeichnet, die es erlauben, die Gesellschaft seiner Vertragsgewalt zu unterwerfen. Atypische Beherrschungsverträge sind Verträge, die sich äußerlich nicht als Beherrschungsverträge darstellen, aber wegen ihrer Wirkung als solche zu qualifizieren sind. Dies könnten in erster Linie Betriebspachtverträge, Betriebsüberlassungsverträge und Betriebsführungsverträge sein.2 Da die Eingliederung iSd. § 319 AktG weitergehende Befugnisse eröffnet als ein Beherrschungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG), sind die Anforderungen des § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB bei aktienrechtlichen Eingliederungskonzernen erfüllt.3 Mit Blick auf § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB ist zu fragen, welche Anforderungen an den Inhalt des Beherr- 133 schungsvertrags iSd. Norm zu stellen sind; § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB spricht nicht von einem Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG, sondern allgemein von einem Beherrschungsvertrag.4 Zudem basiert die Vorschrift auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. c der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU und kann daher nicht auf den Beherrschungsvertrag nach deutschem AktG verengt werden. Bei einer solchen weiten Auslegung des § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB wird allein auf eine rechtliche Beherrschungsmöglichkeit durch einen Vertrag verwiesen.5 Es kommt allein auf die rechtliche Beherrschungsmöglichkeit an.6 Allerdings müssen diese Verträge rechtswirksam sein. Bei einer AG/KGaA müssen gem. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB alle Anforderungen eines Beherrschungsvertrags nach § 291 AktG erfüllt sein, damit er wirksam ist. Insoweit müssen für Tochterunternehmen in der Rechtsform der AG oder KGaA sämtliche aktienrechtliche Anforderungen an einen Beherrschungsvertrag erfüllt sein.7 In enger Auslegung des § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB werden (auch für andere Rechtsformen) sämtliche Voraussetzungen gefordert, die für die Wirksamkeit eines Beherrschungsvertrags nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderlich sind;8 auch weil der aktienrechtliche Beherrschungsvertrag und eine vergleichbare Vorschrift in Belgien Pate beim Verweis auf einen Beherrschungsvertrag standen.9 Sämtliche vertragliche Regelungen sind dabei zu beachten und in einer Gesamtschau zu würdigen (DRS 19.32 f.).10 Der engen Auslegung ist zu folgen, auch um keine Aufweichungen der mit einem Beherrschungsvertrag einhergehenden Minderheiten- und Gläubigerschutzrechte zu unterstützen. Außerdem würde über eine handelsrechtliche Norm iVm. mit einer vertraglichen Regelung eine Privilegierung eines herrschenden Gesellschafters erreicht, die so vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann. Im Übrigen sind gesetzlich nicht geregelte und geregelte Beherrschungsverträge (iSv. § 291 AktG) gleich zu behandeln, wenn inhaltlich die gleichen Anforderungen gelten.

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Soll ein Betriebspacht-, Betriebsüberlassungs- oder Betriebsführungsvertrag als atypischer Beherrschungsvertrag iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB gelten, müssen die für die Beherrschung nicht nur wesentlichen Merkmale der Übertragung der Weisungskompetenz mit der Möglichkeit der Erteilung negativer Weisungen im Vertrag explizit geregelt sein.11 Mit Verweis auf das enge Verständnis müssen auch die gesetzlichen

135

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 86 (Stand Juni 2014). Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 291 Rz. 24. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 59. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 58. Vgl. Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 288; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 88 (Stand Juni 2014). Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 66; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 88 (Stand Juni 2014). Vgl. von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 58 (Stand Nov. 2011). Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 55; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 66. Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 51. Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 86 (Stand Juni 2014). Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 87 (Stand Juni 2014); Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 96; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 59; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 58.

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§ 290 Rz. 136 | Pflicht zur Aufstellung Merkmale für die Rechtsgültigkeit des Vertrags erfüllt sein: Zustimmung durch die Haupt- oder Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft, uU auch der beherrschenden Gesellschaft mit 75 % iger Mehrheit (§ 293 Abs. 1 und 2 AktG), Schriftform (§ 293 Abs. 3 AktG), Eintragung ins Handelsregister (§ 294 AktG) und Ausgleichsregelung für die Minderheiten (§ 304 AktG).1 Ist dies nicht der Fall, kann durch einen Betriebspacht-, Betriebsüberlassungs- oder Betriebsführungsvertrag keine unwiderlegbare Beherrschungsmöglichkeit iSd. Abs. 2 Nr. 3 geschaffen werden (DRS 19.33). Reine Gewinnabführungsverträge, Teilgewinnabführungsverträge sowie Gewinngemeinschaften begründen keine mögliche Beherrschung nach § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB.2 136

Ein Beherrschungs- oder Abhängigkeitsvertrag einer GmbH unterstellt die Geschäftsführung der abhängigen GmbH unter die Weisungskompetenz der herrschenden Gesellschaft. Gleichzeitig verliert die Gesellschafterversammlung die Weisungskompetenz gegenüber den Geschäftsführern. Die Weisungen können auch für die abhängige GmbH nachteilig sein. Im Kern gelten mithin vergleichbare Regeln wie bei der AG/KGaA (vgl. Rz. 132).3 Ein die Konzernrechnungslegungspflicht auslösender Beherrschungsvertrag mit einer KG als beherrschtes Unternehmen muss die wesentlichen Merkmale des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrags enthalten: nämlich die Übertragung der Weisungskompetenz auf die beherrschende Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern der KG mit der Zulässigkeit nachteiliger Weisungen und den Minderheitenschutz durch Aufnahme entsprechender Ausgleichsregelungen.4

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Bei ausländischen Gesellschaften ist die Wirksamkeit der Regelungen anhand der Regelungen des jeweiligen Sitzlands zu beurteilen (DRS 19.34). Ist er wirksam, ist zu prüfen, ob die Inhalte des Vertrags – unabhängig von seiner Bezeichnung – auch die Elemente des aktienrechtlichen Beherrschungsvertrags iSv. § 291 Abs. 1 AktG hat.5 Im Ergebnis sind damit die Regeln für einen Beherrschungsvertrag iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB rechtsformunabhängig normiert, auch wenn die Inhalte der aktienrechtlichen Regelungen gelten. b) Satzungsbestimmung

138

Eine Konzernrechnungslegungspflicht besteht nach § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB auch dann, wenn das Beherrschungsrecht auf einer Satzungsbestimmung des abhängigen Unternehmens basiert. Die Satzungsbestimmung iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB entspricht einer Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, wenn man auf den Regelungszweck verweist.6 Auch wenn die Regelungen nach § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB – wie jene nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB – keine Gesellschafterstellung explizit fordern, wird jedoch faktisch eine solche bestehen.7

139

Eine Bestimmung in der Satzung, die einem Dritten das Recht einräumt, einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, ist bei der AG unzulässig. Dies folgt aus dem Grundsatz der Satzungsstrenge.8 Insbes. sind die Zuständigkeit der Organe der AG und ihre innere Organisation zwingend geregelt; diese können nicht davon abweichend geregelt sein, um die Beherrschung durch einen Dritten zu erlauben. Ergänzungen der Satzung sind nach § 23 Abs. 5 AktG nur möglich, soweit sie durch das AktG ausdrücklich vorgesehen sind oder das AktG eine abschließende Regelung nicht gewollt hat. Eine satzungsmäßige Unterwerfung der AG unter die Beherrschung eines anderen Unternehmens ist mithin unzulässig und kann nicht zur möglichen Beherrschung führen.9

140

Die GmbH ist hinsichtlich gesellschaftsvertraglicher Regelungen offener, auch wenn die verpflichtenden Inhalte des Gesellschaftsvertrags explizit geregelt sind. Es gibt jedoch keinen dem § 23 Abs. 5 AktG entsprechenden Vorbehalt, dass Änderungen oder Ergänzungen im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich gesetz1 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 43 f.; ADS6, § 290 HGB Rz. 55. 2 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 36. 3 Vgl. Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19, Anh. zu § 13 Rz. 46; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 59; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 44. Nicht so strikt, was die Anforderungen betrifft – insbes. hinsichtlich Form und Minderheitenschutz sind von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 88 (Stand Juni 2014). Zu den Möglichkeiten und Grenzen von Beherrschungsverträgen bei Personengesellschaften ist Burbach, WPg. 1990, 253 (258 ff.). 4 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 60. Gegen eine Zulässigkeit von Beherrschungsverträgen bei Personengesellschaftern vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 58. 5 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 60. 6 Vgl. Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 288; ADS6, § 290 HGB Rz. 58; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 61. 7 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 61. 8 Vgl. Arnold in Kölner Kommentar zum AktG3, § 23 Rz. 67 ff. 9 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 63.

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2)

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Rz. 143 § 290

lich ermächtigt sein müssen.1 Die GmbH kann sich durch die Aufnahme eines entsprechenden Satzungsgegenstands der Beherrschung durch eine andere Gesellschaft (Mutterunternehmen) unterwerfen, da der Inhalt des Gesellschaftsvertrags nicht abschließend im Gesetz geregelt ist. In gleicher Weise wie bei der GmbH kann die Unterwerfung unter die Beherrschung eines anderen Unternehmens Gegenstand des Gesellschaftsvertrags der Personengesellschaft iSv. § 705 BGB sein. Dies betrifft vor allem die (kapitalistische) KG. Die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag des abhängigen Unternehmens muss die gleichen Rechte gewäh- 141 ren, die beim Abschluss eines Beherrschungsvertrags gelten, auch wenn die Kriterien des Beherrschungsvertrags nach § 291 AktG nicht zwingend erforderlich sind. Die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag des abhängigen Unternehmens müssen aber Regelungen enthalten, mit denen sich die abhängige Gesellschaft in ihrer Geschäftsführung den Weisungen des herrschenden Unternehmens unterwirft. In der Kommentierung wird gefordert, dass die Satzungsbestimmungen in ihrer Gesamtheit eine Beherrschung erlauben.2 Es sind auch Regelungen zum Nachteilsausgleich für die bei dem Beschluss über die Satzung bzw. über Satzungsänderungen überstimmten Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft zulässig.3 Dieser Einschätzung ist zu folgen, soll doch durch die Ausführungen in Abs. 2 Nr. 3 die Möglichkeit der Beherrschung durch konzerntypische Rechte unwiderlegbar konkretisiert werden.

II. Mehrheit der Risiken und Chancen an Zweckgesellschaften (Abs. 2 Nr. 4) Ergänzend zu den konzerntypischen Rechten gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB wird eine Aufstellungs- und 142 Konsolidierungspflicht unwiderlegbar vermutet, wenn bei einer wirtschaftlichen Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen einer Zweckgesellschaft vom Mutterunternehmen zu tragen sind. Die Neuregelung geht konform mit Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/EU. Neben dem Wunsch nach einer Harmonisierung mit den internationalen Vorschriften zur Aufstellung von konsolidierten Abschlüssen und dem Ziel, Wahlrechte abzubauen, war auch die Existenz von Zweckgesellschaften ein weiterer Grund, vom Kriterium der einheitlichen Leitung abzugehen. Insbes. durch die neu eingefügte Vorschrift § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB, die sich explizit mit Zweckgesellschaften beschäftigt, wird sichergestellt, dass das Kriterium der Beherrschung wirtschaftlich zu interpretieren ist. Mit dieser unwiderlegbaren Vermutung soll insbes. verhindert werden, dass Risiken und Belastungen durch die Errichtung von Zweckgesellschaften für die Berichterstattung in konsolidierten Abschlüssen abgeschirmt werden. Mit den Kriterien für Zweckgesellschaften wird eine eigenständige Form der Einflussnahme normiert, die neben die Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB und die konzerntypischen Rechte iSv. Abs. 2 Nr. 1–3 tritt.4 Insoweit kann es auch zu Mehrfachzuordnungen kommen. Hier einen Vorrang der Chancen und Risiken vor den konzerntypischen Rechten zu konstruieren5 oder durch ein sorgfältiges Abwägen von Tatsachen und Kriterien gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1–4 HGB6 bilanzpolitische Spielräume zu generieren, um eine mehrfache Zuordnung zu vermeiden, erscheint nicht sachgerecht. Wenn der Gesetzgeber diesen Weg hätte gehen wollen, wäre das Wort „stets“ in Abs. 2 nicht notwendig gewesen. Der Rechtsausschuss hat in der Beschlussempfehlung v. 24.3.2009 eine Angleichung des § 290 HGB an den 143 Regelungsinhalt der damals gültigen IAS 27 und SIC 12 vorgenommen, um Zweckgesellschaften als auslösenden Tatbestand einer Aufstellungspflicht für konsolidierte Abschlüsse zu definieren und insbes. in den Konsolidierungskreis eines Konzerns einbeziehen zu können (§ 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB).7 Trotz der Orientierung an SIC 12 besteht keine Deckungsgleichheit.8 Auch wenn aus den Regelungen des IFRS 10 unterstützend bei der Beurteilung der Allokation der Risiken und Chancen verwiesen werden kann, wollte der Gesetzgeber keinen dynamischen Verweis auf die IFRS implementieren.9

1 Vgl. Röhricht/Schall in Großkomm.5, § 23 AktG Rz. 173 ff.; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19, § 3 Rz. 47. 2 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 60; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 92; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 37; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 50; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 62; ADS6, § 290 HGB Rz. 59. 3 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 62. 4 Vgl. von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 46 (Stand Nov. 2011). 5 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 72; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 49; Findeisen/Sabel/Klube, DB 2010, 965 (967 ff.); aA Küting/Seel, BB 2010, 1459 (1463). 6 Vgl. Gahlen, BB 2010, 2877 (2879). 7 Zu den wirtschaftlichen Hintergründen im Zuge der Finanzkrise 2007 f. vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 91–94 (Stand Juni 2014). 8 Vgl. Hennrichs/Pöschke, DK 2009, 532 (538); Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 34 (Stand: März 2011); Gelhausen/ Deubert/Klöckner, DB 2010, 2005 (2007). 9 Vgl. Hennrichs/Pöschke, DK 2009, 532 (538).

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§ 290 Rz. 144 | Pflicht zur Aufstellung 144

Mit den Regelungen zu Zweckgesellschaften wird zudem der nach § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB geltende Unternehmensbegriff erweitert (teleologisches Verständnis); nach anderer Einschätzung ist die Unternehmenseigenschaft keine Voraussetzung,1 um „im weitest möglichen Umfang auch Zweckgesellschaften in den Konsolidierungskreis einzubeziehen“2. Bei Zweckgesellschaften handelt es sich um Unternehmen, sonstige juristische Personen des Privatrechts wie Stiftungen und Vereine oder selbständige Sondervermögen des Privatrechts wie treuhänderisch verwaltete Investmentvermögen.3 Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Risiken des Konzerns, die diesen weiterhin belasten, aus dem handelsrechtlichen Konzernabschluss nicht ausgewiesen werden.4 Die Vorschrift hat ergänzenden Charakter mit Blick auf § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB;5 sie ist jedoch keine Ausnahme vom allgemeinen Beherrschungskonzept.6

145

Eine Einheit ist nach der im Rechtsausschuss vertretenen Auffassung eine Zweckgesellschaft, wenn ihr Geschäftsbetrieb der Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient. Beispiele für eng begrenzte und genau definierte Ziele des Mutterunternehmens sind Leasinggeschäfte, ausgelagerte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten oder Verbriefungsgeschäfte (DRS 19.41).7 Weitere Beispiele sind ausgelagerte Funktions- oder Servicebereiche, Leasingobjekt- oder Projektabwicklungsgesellschaften.8 Inhaltliche Kriterien zur Identifizierung einer Zweckgesellschaft sind – nicht abschließend – das niedrige Eigenkapital bei hoher Fremdfinanzierung, kaum angemessene Gewinnaussichten, eine begrenzte Lebensdauer und Kundenbasis, weitgehende Konzentration auf ein Zweckvermögen, der Sitz in Off-Shore-Gebieten sowie eine weitgehende Tätigkeit als „financial engineer“.9

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Die Tätigkeiten einer Zweckgesellschaft sind idR so eingegrenzt, dass auch bei einem veränderten wirtschaftlichen Umfeld keine wesentlichen Anpassungen vorgenommen werden können. Zweckgesellschaften haben mithin kein aktives Management, da wesentliche, laufende Entscheidungen über die Ressourcen im Zeitablauf nicht getroffen werden müssen (DRS 19.39). Die Entscheidungsmacht wurde durch die Einrichtung eines sog. Autopilot-Mechanismus bei Einsetzung der Einheit formal abgegeben. Autopilot-Mechanismen bestehen, wenn durch schuldrechtliche Verträge oder auf andere Weise alle geschäftspolitischen Entscheidungen, die normalerweise aktiv vom Management bestimmt werden, vorab (vom Mutterunternehmen) festgelegt werden (DRS 19.40). Damit hat keine Partei explizit die Macht, laufende Entscheidungen zur Finanz- und Geschäftspolitik zu treffen. Allerdings wird die Zweckgesellschaft zugunsten der besonderen Geschäftsbedürfnisse eines Unternehmens geführt (SIC 12.14). Die in § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB benannten konzerntypischen Rechte greifen mithin nicht, weil keine laufenden Eingriffe notwendig sind oder keine Anweisungen gegeben werden (können).10

147

Durch § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB wird die Beherrschungsmöglichkeit schon bei wirtschaftlicher Betrachtung und der Möglichkeit der Ausübung unterstellt.11 Eine Zweckgesellschaft ist daher auch nicht nur dann gegeben, wenn ein Ziel eines Mutterunternehmens verfolgt wird. Eine derart strenge Interpretation liefe dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider, zu verhindern, dass Risiken und Chancen formal abgeschirmt werden, obwohl wirtschaftliche Risiken und Chancen beim Mutterunternehmen liegen (DRS 19.39).12 1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 68. 2 Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 89. Vgl. auch Ernst/Naumann, BilMoG, 214. Gegen eine möglichst weite Auslegung Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 2, mit Verweis auf die schwachen Sanktionsmechanismen bei einem Verstoß gegen § 290 HGB. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 68. 4 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 89; s. auch Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 47 f. 5 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 57; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 70. 6 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 49; so aber Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230 (1232). 7 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 180; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 58; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 68; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 52; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 66. 8 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 40. 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 73; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 76; Mujkanovic, StuB 2009, 374 (377). 10 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 71 f.; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 101 (Stand Juni 2014); Küting/Gattung, KoR 2007, 397 (400); Köhler/Strauch, WPg. 2008, 189 (190). 11 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 72; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 55. 12 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 102 (Stand Juni 2014); Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 43 (Stand März 2011).

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D. Unwiderlegbare Tatbestände der Beherrschung (Abs. 2)

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Rz. 151 § 290

Ebenso sind Zweckgesellschaften in sog. „Silos“ zu zerlegen, wenn die involvierten Parteien nur jeweils die 148 Risiken und Chancen aus den von Ihnen veranlassten Transaktionen zugerechnet werden (DRS 19.44). Im Ergebnis wird jedes Silo als eigenständige Zweckgesellschaft interpretiert; damit werden auch allein schuldrechtlich abgegrenzte Portfolios erfasst.1 § 290 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 HGB knüpft zwar zunächst an den Begriff „Unternehmen“ an (vgl. Rz. 35–39). 149 Um eine Konsolidierungspflicht allerdings nicht durch rechtsgestaltende Maßnahmen des Unternehmensbegriffs umgehen zu können, können Zweckgesellschaften nach Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 auch sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbstständige Sondervermögen des Privatrechts sein; beispielsweise eingetragene Vereine nach § 21 BGB, rechtsfähige Stiftungen nach § 80 BGB oder auch Investmentkapitalgesellschaften nach § 96 InvG.2 Bei den unselbständigen Sondervermögen kann es sich um sog. Investment-Vehikel handeln, soweit sie nicht nach Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 ausgeschlossen sind:3 – Spezial-Sondervermögen iSd. § 2 Absatz 3 InvG (inländische Spezialfonds für einen speziellen oder mehrere institutionelle Anleger), – ausländische Investmentvermögen, wenn sie gleichwertige Anforderungen wie die inländischen erfüllen (DRS 19.49), – als Sondervermögen aufgelegte offene inländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen iSd. § 284 KAGB, – vergleichbare EU-Investmentvermögen, – ausländische Investmentvermögen, die den als Sondervermögen aufgelegten offenen inländischen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen iSd. § 284 KABG vergleichbar sind. Um den aus der fehlenden Konsolidierung der Spezial-Sondervermögen resultierenden Informationsnachteil für die Abschlussadressaten auszugleichen, ist eine Angabepflicht nach § 314 Abs. 1 Nr. 18 HGB im Konzernanhang vorgesehen.4 Letztlich bleibt die Begründung für die Ausnahme aber unklar.5 Die Kriterien einer Zweckgesellschaft können auch von externen Versorgungseinrichtungen (zB Pensions- 150 oder Unterstützungskassen, § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG) erfüllt werden (DRS 19.46 Satz 1). Sofern das Mutterunternehmen die Mehrheit der Risiken und Chancen trägt, erfüllen die Versorgungseinrichtungen die Voraussetzungen des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB. In diesem Fall sind sie als Tochterunternehmen grundsätzlich im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens einzubeziehen (DRS 19.46 Satz 2). Nach Auffassung des DRSC soll es auch aus Konzernsicht – trotz der Einbeziehung der Versorgungseinrichtung in den Konzernabschluss – bei einer mittelbaren Versorgungszusage bleiben (DRS 19.47).6 Wenn in § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB auf die Mehrheit der Risiken und Chancen verwiesen wird, handelt es 151 sich um die absolute Mehrheit der Risiken und Chancen der involvierten Parteien; mehr Risiken und Chancen als alle anderen Parteien zu haben (relative Mehrheit), ist nicht ausreichend (DRS 19.54).7 Chancen und Risiken können dabei nicht durch quantitatives Zusammen- oder Auseinanderrechnen ermittelt werden, sondern durch eine qualitative Gesamtschau aller Fakten (DRS 19.57, 19.59).8 Risiken und Chancen sind nach DRS 19.51 f. dabei nach Grund und Höhe unsichere positive oder negative finanzielle Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, die aus den Aktivitäten der Zweckgesellschaft resultieren. 1 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 49; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 68; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 86–89; von Keitz/EweltKnauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 125 (Stand Juni 2014). 2 Vgl. Schruff, DK 2009, 511 (515); Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 84–87; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 121 (Stand Juni 2014); Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 68; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 74; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 48. 3 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 49; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 84–87; Zoeger/Möller, KoR 2009, 309 (313). 4 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks., 16/12407, 89 f.; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 75. 5 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 124 (Stand Juni 2014); Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 53. 6 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 68; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 50; Senger/Höhne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 146. AA Sultana, Unterstützungskassen, 257, 298, der aufgrund der Einbeziehung der Versorgungseinrichtung in den Konzernabschluss zu einer unmittelbaren Versorgungszusage des Konzerns kommt. 7 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 106 (Stand Juni 2014). 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 75; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 109 (Stand Juni 2014); Küting/Koch in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht2, 396; Mujkanovic, StuB 2009, 374 (377); Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230 (1233).

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§ 290 Rz. 152 | Pflicht zur Aufstellung 152

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Chancen sind nicht nur Kapital- oder Dividendenzuflüsse, sondern auch Gewinnchancen, Kostensenkungspotenziale oder Verwertungsmöglichkeiten von Forschungs- und-Entwicklungsleistungen. Das Unternehmen muss dabei auch die Mehrheit des Nutzenzuflusses gegen den Widerstand Dritter sicherstellen. Auszuschließen seien allerdings Verbundeffekte, die beim vermeintlichen Mutterunternehmen oder einem anderen Tochterunternehmen anfallen.1 Dieser Sichtweise ist nicht zu folgen, weil es aus Konzernsicht unerheblich ist und eine Zuordnung von Verbundeffekten naturgemäß kaum möglich sein dürfte.2 Die Risiken müssen das Mutterunternehmen – vergleichbar wie bei einem Gesellschafter – treffen, wobei wegen der idR fehlenden Eigentümerstruktur die Risiken auf indirektem Weg übertragen werden: Bürgschaften, Patronatserklärungen, Zusagen zur Refinanzierung und Liquiditätsausstattung, Garantien für den Kapitaleinsatz oder die Werthaltigkeit des Vermögens, in Aussicht gestellte First-Loss- oder Nachrangdarlehen, Andienungsrechte an die Muttergesellschaft oder Ausfinanzierungszusagen von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.3 Ein Indiz für eine Übernahme von Risiken ist auch die Teilhabe an den Chancen, etwa durch Entgelte für das Management der Korbinhalte von Wertpapier- und Forderungsportfolien in Verbriefungsgeschäften.4 Sollten Risiken und Chancen asymmetrisch verteilt sein, ist vorrangig auf die Risiken abzustellen (DRS 19.61).5 Dies folgt aus den vorsichtsgeprägten GoB, die auch im Konzernabschluss zu beachten sind. Die Beurteilung der Chancen und Risiken muss bei einer erfolgten Konsolidierung nicht laufend überprüft werden, wenn keine Hinweise auf eine wesentliche Veränderung der Risiken und Chancen bestehen (DRS 19.60).6 Die Anforderungen in § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB gehen auch über die klassischen konzerntypischen Rechte aus § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB hinaus, weil übernommene Risiken und Chancen zu beachten sind.7 Über die reine Aufstellungs- und Konsolidierungspflicht, die damit geregelt werden soll, ist § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB auch als ein GoB zu verstehen, der in der Aufzeichnung aller Risiken eines Unternehmens den Sinn und Zweck einer Rechnungslegung sieht.8

E. Hinzurechnung und Abzug von Rechten (Abs. 3) I. Ziel § 290 Abs. 2 HGB bezieht sich auf Rechte, die nach dem Konzept der möglichen Beherrschung einer Kapitalgesellschaft unmittelbar zustehen. Diese Rechte sind um Hinzurechnungen nach § 290 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB sowie um Abzüge nach § 290 Abs. 3 Satz 3 HGB zu korrigieren, um auch mittelbar zustehende Rechte zu erfassen und zu einer wirtschaftlichen Zuordnung der Rechte zu gelangen.9 Ziel ist es, Umgehungen einer Aufstellungs- und Konsolidierungspflicht zu vermeiden. Die Hinzurechnungsvorschrift des § 290 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB entspricht Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 2013/34/EU. 158 Dem Wortlaut nach beziehen sich die Vorschriften des § 290 Abs. 3 HGB auf die konzerntypischen Rechte, die zwingend zu einer möglichen Beherrschung führen; vom Sinn und Zweck können sie jedoch auch für die Frage, ob die mögliche Beherrschung iSd. § 290 Abs. 1 HGB mittelbar ausgeübt werden könnte, relevant sein. Der Zielsetzung der allgemeinen (General)Norm des § 290 Abs. 1 HGB entsprechend kann der Umfang der mittelbaren Einflussnahme auch noch weiter gefasst sein.10 157

1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 75; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 51; Küting/ Gattung, KoR 2007, 397 (403). 2 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 51. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 75; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 51; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 70. 4 Vgl. Küting/Koch in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht2, 398; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 76. 5 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 67; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 50a; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 106.1 (Stand Juni 2014); Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 51; Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 138; Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230 (1233); Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 45 (Stand März 2011). 6 Vgl. von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 106.1 (Stand Juni 2014). 7 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 48. 8 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, Vor § 290 HGB Rz. 66 ff. 9 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 133; Haeger/Zündorf, DB 1991, 1841 (1842 f.); Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 78; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 56. 10 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 12; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 20; aA Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 56, oder ADS6, § 290 HGB Rz. 138, die in Abs. 3 lediglich eine Korrektur von Abs. 2 sehen.

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E. Hinzurechnung und Abzug von Rechten (Abs. 3)

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Rz. 164 § 290

Die Regelung entspricht konzeptionell § 16 Abs. 4 AktG. § 290 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB soll ebenso wie 159 § 16 Abs. 4 AktG Umgehungen verhindern (vgl. Anh. 2 zu § 290 HGB Rz. 43–48). Die Hinzurechnungen umfassen Rechte, die (1) einem Tochterunternehmen, (2) einer für Rechnung des Mutterunternehmens oder eines Tochterunternehmens handelnden Person oder (3) dem Mutter- oder einem Tochterunternehmen aufgrund von Vereinbarungen zustehen. In Einzelheiten unterscheiden sich jedoch die konzern- und handelsrechtlichen Vorschriften. So verweist § 290 Abs. 3 HGB nicht auf verbundenen Unternehmen (iSd. AktG), sondern auf Tochterunternehmen; außerdem wird auf Rechte, nicht auf Anteile abgestellt. Zwar stellt der Wortlaut des Abs. 3 auf die Hinzurechnung von Rechten ab, allerdings werden auch die 160 Kapitalanteile erfasst. Anderenfalls käme es zu Inkonsistenzen mit den Regelungen der Kapitalkonsolidierung gem. §§ 301, 307 HGB.1

II. Hinzurechnung von mittelbar zustehenden Rechten (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) Mittelbare Rechte sind solche, die nicht dem Mutterunternehmen, sondern anderen Tochterunternehmen, unabhängig von der Hierarchieebene dieses Tochterunternehmens, zustehen. Durch diese mittelbaren Rechte werden Tochterunternehmen von Tochterunternehmen gleichzeitig auch Tochterunternehmen des obersten Mutterunternehmens. In einem mehrstufigen Konzern werden die Rechte eines Tochterunternehmens an seinen Tochterunternehmen den Mutterunternehmen auf der nächsthöheren Stufe zugerechnet.2

161

Die Hinzurechnung der Rechte ist nicht davon abhängig, ob dieses Tochterunternehmen selbst in den 162 Konzernabschluss einbezogen wird; es sind auch jene Rechte hinzuzurechnen, die einem nicht in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen zustehen (§ 290 Abs. 3 Satz 1 HGB).3 Sollten einer inländischen Kapitalgesellschaft A 25 % der Stimmrechte an C und 75 % der Stimmrechte an B sowie über B weiterhin 30 % der Stimmrechte an C zustehen, so stehen A 55 % der Stimmrecht an C zu, unmittelbar 25 %, mittelbar 30 %.

III. Hinzurechnung von Rechten für Rechnung des Mutter- oder eines Tochterunternehmens (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2) Rechte werden für Rechnung des Mutterunternehmens oder eines anderen Tochterunternehmens gehal- 163 ten, wenn das Mutter- bzw. Tochterunternehmen die Chancen und Risiken trägt (DRS 19.63);4 auch wenn ein Dritter formalrechtlich Inhaber der Rechte ist. Anteile für Rechnung bedeuten für Kosten und Risiken des Unternehmens. Beispiele sind Geschäftsbesorgungs- und Treuhandverhältnisse, bei denen die Interessen des Treugebers – auch ohne Weisungsrecht – zu beachten sind. Die Rechte sind vereinbarungsgemäß im Interesse des wirtschaftlichen Eigentümers auszuüben. Ein Dritter, der die Rechte zur Förderung seiner eigenen Interessen ausübt, würde nicht für Rechnung des Mutter- oder eines Tochterunternehmens handeln.5 Die Rechte können durch Übertragung der Chancen und Risiken, nicht nur auf der Basis schuld- oder gesellschaftsrechtlicher Vereinbarungen, sondern auch aufgrund faktischer Verhältnisse zugeordnet werden (DRS 19.63). Wird bei Treuhandverhältnissen das formale Recht vom Treugeber auf den Treuhänder übertragen, ist dieser Inhaber des formalen Rechts; alternativ könnte auch dem Treugeber nicht nur eine Stimmrechtsvollmacht, sondern auch gesellschaftsvertraglich oder durch Satzung das mitgliedschaftliche Recht der Stimmrechtsausübung zustehen, so dass er auch formaler Inhaber ist (bzw. bleibt).6 Wirtschaftlicher Inhaber bleibt aber in jedem Fall der Treugeber, bei dem auch die Chancen und Risiken verbleiben. Ist mit dem Recht das Halten von Anteilen verbunden, werden bei der Verwaltungstreuhand die Anteile und das Recht dem Treugeber zugerechnet.7 Bei einer Sicherungstreuhand sollen dem Schuldner (Sicherungsgeber, Treugeber) Mittel zur Verfügung gestellt werden; dem Gläubiger (Sicherungsnehmer, Treuhänder) wird eine dingliche Sicherung gegeben, indem die Anteile an den Sicherungsnehmer (Gläubiger, Treuhän1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 83. 2 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 55. 3 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu den Drucksachen 10/317 und 10/3440, BT-Drucks. 10/ 4268, 112. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 80; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 82; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 58; Theile in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 626. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 82; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 84; ADS6, § 290 HGB Rz. 139. 5 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 100. 6 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 26. AA Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43. 7 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 139; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 82; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 99 ff.; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 85.

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§ 290 Rz. 165 | Pflicht zur Aufstellung der) übertragen werden. Die Übergabe wird durch ein Besitzkonstitut gem. § 868 BGB ersetzt, durch das der Sicherungsnehmer (Gläubiger, Treuhänder) formaler Eigentümer des Rechts und mittelbarer Besitzer wird. Der Sicherungsgeber (Schuldner, Treugeber) verliert zwar das formale Eigentum, er behält aber auch den unmittelbaren Besitz der Anteile und trägt die Kosten und Risiken; er bleibt wirtschaftlicher Inhaber der mit den Anteilen verbundenen Rechte.1 165

Bei echten Pensionsgeschäften sind der Pensionsgeber mit dem Treugeber und der Pensionsnehmer mit dem Treuhänder vergleichbar. Werden Anteile vom Pensionsgeber auf den Pensionsnehmer übertragen, übernimmt der Pensionsnehmer auch die Verpflichtung, die Anteile zu einem bestimmten, von dem Pensionsgeber festzulegenden Zeitpunkt zurück zu übertragen (§ 340b HGB). Aufgrund dieser Rückübertragungspflicht des Pensionsnehmers bleibt der Pensionsgeber wirtschaftlicher Inhaber der mit den Anteilen verbundenen Rechte.2

166

Durch Verpfändungen kann die Stimmrechtsmehrheit nicht aufgehoben werden.3 Sollten Anteile verpfändet sein, steht das Stimmrecht weiterhin dem Anteilseigner zu, nicht dem Pfandgläubiger; unabhängig davon, ob die Anteile dem Pfandgläubiger übertragen bzw. übergeben wurden. Der Pfandgläubiger hat dem Anteilseigner die Ausübung des Stimmrechts zu ermöglichen, beispielsweise durch Hinterlegung mit der Maßgabe der Rückgabe.

167

Im Rahmen einer Wertpapierleihe gehören Stimmrechte und Anteile dem Sachdarlehensnehmer (der Entleiher), nicht dem Sachleistungsgeber (der Verleiher).4 Da der Sachleistungsgeber idR kein wirtschaftliches Risiko trägt, ist dieser auch kein wirtschaftlicher Eigentümer.5

168

Leasingverträge sehen idR vor, dass die Risiken und Chancen an einem Leasingobjekt der Leasingobjektgesellschaft zugeordnet werden, um zu verhindern, dass das Leasingobjekt dem Leasingnehmer zugeordnet wird. Sollte der Gesellschaftsvertrag der Leasingobjektgesellschaft vorsehen, dass am Ergebnis und am Vermögen dieser Gesellschaft ausschließlich Gesellschaften aus dem Konsolidierungskreis des Leasingnehmers teilhaben, diese jedoch von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen sind und das Stimmrecht einem anderen Gesellschafter, häufig einer Leasinggesellschaft, zusteht, handelt dieser Gesellschafter im wirtschaftlichen Interesse des dem Konzern des Leasingnehmers zugehörenden Gesellschafters. Dieser Konzerngesellschaft bzw. dem Mutterunternehmen sind die Stimmrechte des anderen Gesellschafters gem. § 290 Abs. 3 Satz 1 HGB zuzurechnen; die Leasingobjektgesellschaft ist als Tochterunternehmen des Mutterunternehmens (Leasingnehmer) zu qualifizieren.6

169

Da § 290 Abs. 3 HGB die Rechte, die einem Mutterunternehmen nach § 290 Abs. 2 HGB zustehen, konkretisiert, gilt die Hinzurechnung auch für die mit den Rechten verbundenen Kapitalanteile, auch wenn diese im Wortlaut des § 290 Abs. 3 HGB zur Hinzurechnung nicht angesprochen werden; allerdings wird in den speziellen Hinweisen zum Abzug der Rechte in § 290 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 HGB auf Kapitalanteile ausdrücklich verwiesen.7 Das Gleiche – wie für die Kapitalanteile – kann in Bezug auf die Hinzurechnung auch für die Gesellschafterstellung festgehalten werden; dies hat Bedeutung im Hinblick auf die Gesellschafterstellung für die Bestellungsrechte in § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB.8

IV. Hinzurechnung von Rechten aufgrund einer Vereinbarung (Abs. 3 Satz 2) 170

§ 290 Abs. 3 Satz 2 HGB rechnet dem Mutterunternehmen auch jene Rechte zu, über die das Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern des betrachteten Unternehmens verfügen kann. Vereinbarungen iSd. der Vorschrift sind Stimmrechtsübertragungsverträge, Stimmrechtsbindungsverträge, Poolverträge, Konsortialverträge oder ähnliche Verträge, die Rechte des gebundenen Unternehmens allein dem Willen des Unternehmens unterstellen, dem sie zugerechnet werden sollen. Verträge, die den Berechtigten lediglich einen paritätischen Einfluss ermöglichen und bei denen keinem der Gesellschafter allein die Mehrheit der Rechte (Stimmrechte) zusteht, sind hingegen nicht erfasst. Die Ausübung der Rechte iSv. § 290 Abs. 3 Satz 2 HGB darf nicht an die Weisung 1 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 139; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 99 ff.; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 86. 2 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 139; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 102; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 86; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB37, § 340b Rz. 2, 4. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 46. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 5; Windbichler in Großkomm.5, § 16 AktG Rz. 21. 5 Vgl. Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 22. 6 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 139; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 82. 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 83. 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 84.

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E. Hinzurechnung und Abzug von Rechten (Abs. 3)

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Rz. 175 § 290

der übrigen Gesellschafter gebunden sein; der Berechtigte allein muss über das Recht verfügen können.1 Ist aufgrund vergangener Erfahrungen davon auszugehen, dass sich die Vertragspartner an die Vereinbarung halten, ist auch eine nichtige Vereinbarung Basis eines beherrschenden Einflusses.2 Im Gegensatz zu § 290 Abs. 3 Satz 1 HGB muss die Person, die Rechte überlässt oder über Rechte verfügt, Gesellschafter sein, da nach § 290 Abs. 3 Satz 2 HGB eine Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern getroffen werden muss.3 Obgleich § 290 Abs. 3 Satz 2 HGB die Voraussetzung nicht explizit anführt, wird sie auch unter Berücksichtigung der Vorgabe des Art. 22 Abs. 1 Buchst. d Doppelbuchst. ii der Richtlinie 2013/34/EU bzw. Art. 1 Abs. 1 Buchst. d Doppelbuchst. bb der Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) verlangt.4

171

V. Abzug von Rechten (Abs. 3 Satz 3) § 290 Abs. 3 Satz 3 HGB kehrt die Zurechnungsregeln des Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 um, so dass es für die 172 Pflicht zur Aufstellung nicht auf die formale Inhaberschaft an den Rechten ankommt, sondern auf die wirtschaftliche Inhaberschaft.5 Die Abzugsvorschrift „spiegelt“ nicht die Hinzurechnungsvorschriften, weil keine Stimmrechte abgezogen werden können, die vertraglich übertragen wurden.6 Die Kürzungsvorschrift betrifft grundsätzlich alle Rechte nach § 290 Abs. 2. HGB Mit der Vorschrift wird Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2013/34/EU umgesetzt. Der Abzug von Rechten nach § 290 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 HGB betrifft mit Anteilen verbundene Rechte, die vom Mutterunternehmen oder einem Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden. Sie gilt mithin für Treuhänder bezüglich der für Rechnung des Treugebers mit Anteilen (Treugut) verbundenen Rechte und für Pensionsnehmer bei echten Pensionsgeschäften bezüglich der mit den in Pension genommenen Vermögensgegenständen (Anteilen) verbundenen Rechte.

173

Werden die Anteile als Sicherheit (§ 290 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 HGB) gehalten, sind die Rechte im Regelfall nach Weisung des Sicherungsgebers auszuüben. Von einer Hinzurechnung zum Mutterunternehmen bzw. Tochterunternehmen ist in dieser Situation abzusehen. Weniger streng sind jedoch die Regelungen, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält (vgl. näher Rz. 175). Zur Sicherheit gehaltene Anteile müssen nicht zwingend auf den Sicherungsnehmer (Mutterunternehmen bzw. Tochterunternehmen) übertragen worden sein.7 Unter die Kürzungsvorschrift fallen auch Anteile, die von dem Sicherungsnehmer in Pfand oder in Pension genommen wurden. Der Sicherungsnehmer muss jedoch die mit den Anteilen verbundenen Rechte des § 290 Abs. 2 HGB nach Weisung des Sicherungsgebers ausüben.

174

Auf die Weisung des Sicherungsgebers kommt es nach § 290 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 HGB hingegen nicht an, wenn ein Kreditinstitut die mit Rechten verbundenen Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält; für den Abzug reicht es aus, wenn die Rechte im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden.8 Die Beschränkung auf Kreditinstitute als Halter der Anteile und auf Darlehen als Grund für die Hingabe der Anteile zur Sicherheit in § 290 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 HGB wird auch als zu restriktiv kritisiert. So verweist Art. 22 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2013/34/EU nicht auf „Kreditinstitute“, sondern sieht im Besitz der Anteile für das haltende Unternehmen ein laufendes Geschäft im Zusammenhang mit der Gewährung von Darlehen.9 Da jedoch derartige Geschäfte, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, Bankgeschäfte iSd. § 1 Abs. 1 KWG sind, der auf die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten verweist, wird eine breite Auslegung des Begriffs „Darlehen“ iSv. „Warendarlehen“ abgelehnt.10

175

1 Vgl. Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 288; Hoffmann-Becking/Rellermeyer in FS Goerdeler, 199 (208); ADS6, § 290 HGB Rz. 143; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 87 f.; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 59; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 85; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 29. Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 23; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 17. 2 Analog im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 24; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 38. 3 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 144; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 86; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 60. 4 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 142; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 56, jeweils mit Bezug auf Hoffmann-Becking/Rellermeyer in FS Goerdeler, 199 (208). 5 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 108; ADS6, § 290 HGB Rz. 146. 6 Vgl. Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 28 (Stand März 2011). 7 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 149. 8 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 149. 9 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 149; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 112. 10 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 95.

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§ 290 Rz. 176 | Pflicht zur Aufstellung 176

Das Abstellen auf Anteile, die vom Mutter- oder einem Tochterunternehmen gehalten werden, ist insoweit systemwidrig, da weder das Konzept der möglichen Beherrschung, noch die Umsetzung in § 290 Abs. 2 HGB an Anteilen orientiert ist. Allerdings kommt dem Hinweis auf die Verbundenheit der Rechte mit Anteilen keine wesentliche Bedeutung zu, da zumindest bei Stimmrechten eine nur formale Inhaberschaft des Stimmrechts ohne gleichzeitige formale Inhaberschaft der Anteile nicht möglich ist.1

F. Berechnung der Stimmrechte (Abs. 4) 177

Nach § 290 Abs. 4 Satz 1 HGB berechnen sich die Stimmrechte iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die ein Unternehmen aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann (Nenner), zur Gesamtzahl aller Stimmrechte (Zähler); vgl. auch § 16 Abs. 3 Satz 1 AktG. Ob Anteile einem Unternehmen „gehören“, bestimmt sich nach der Rechtsnatur der Anteile; dabei ist nicht nur auf das formalrechtliche Eigentum an den Anteilen abzustellen, sondern auch auf das wirtschaftliche. Insoweit ist bei der Ermittlung der Stimmrechte bzw. Stimmrechtsanteile auf § 290 Abs. 3 Satz 2 HGB zu verweisen.2 § 290 Abs. 4 Satz 1 HGB hat kein Vorbild in Art. 22 Abs. 5 der Richtlinie 2013/34/EU, sondern orientiert sich an § 16 Abs. 3 AktG. Vom Wortlaut des § 290 Abs. 4 HGB ist dieser nicht mit § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB kompatibel, da dort auf die Rechte abgestellt wird, während Abs. 4 auf den Anteilsbesitz abstellt.

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Die Gesamtzahl aller Stimmrechte entspricht zunächst der Summe der aus den Anteilen gewährten Stimmrechte. Stimmrechte aus eigenen Anteilen des Tochterunternehmens, aus Anteilen, die von deren Tochterunternehmen gehalten werden (Rückbeteiligungen) oder von einer anderen Person für Rechnung dieser Tochterunternehmen gehalten werden, sind bei der Bestimmung der Gesamtzahl (im Nenner) abzuziehen.3 Im Ergebnis steigt die eigene Anteilsquote, weil der Nenner verringert wird: Eine inländische AG hält 48 % der Anteile und der Stimmrechte an dem Unternehmen B; gleichzeitig hat ein Tochterunternehmen von B eine (Rück-)Beteiligung von 10 % der Anteile an B. Nach Abs. 4 verfügt die AG mit 53 % (= 48 % / [100 % – 10 %]) über die Mehrheit der Stimmen bei B. Die Zurechnung ist umfassender als gem. § 16 AktG, da auch Stimmrechte aus dem Besitz von Anteilen am Tochterunternehmen, die deren Tochterunternehmens (Enkelunternehmen) gehören, oder Stimmrechte aus Anteilen, die von einer anderen Person für Rechnung des Tochterunternehmens gehalten werden, abzuziehen sind.4

179

Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund von Höchststimmrechten gem. § 134 Abs. 1 AktG, unterlassener Mittteilung gem. §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 3 AktG, § 2 WpHG, § 59 WpÜG, fehlender Legitimation gem. § 67 Abs. 2 AktG, § 16 Abs. 1 GmbHG oder fehlender Volleinzahlung gem. § 134 Abs. 2 AktG haben keinen Einfluss auf die Gesamtzahl der Stimmrechte (im Nenner des Quotienten), da der Gesetzeswortlaut auf die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte, nicht die ausübbaren abstellt.5 Eine analoge Anwendung der Grundsätze zu eigenen Aktien ist abzulehnen. Gem. § 71b AktG stehen bei eigenen Aktien der Gesellschaft die Rechte aus den eigenen Anteilen nicht zu, während in den vorliegenden Fällen die Rechte aus den Aktien nicht ausgeübt werden können; sie sind mithin, wenn sie noch wirksam nachgeholt werden, nicht erloschen, sondern ruhen lediglich.

G. Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts (Abs. 5) 180

Nach § 290 Abs. 5 HGB besteht keine Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts, wenn nach § 296 HGB auf die Einbeziehung aller Tochterunternehmen in den Konsolidierungskreis verzichtet werden kann. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Klarstellung; allerdings wird dadurch die Trennung zwischen der Prüfung der Aufstellungspflicht und dem Umfang des Konsolidierungskreises explizit durchbrochen. Die Konzernaufstellungspflicht setzt die Existenz von mindestens einem Tochterunternehmen voraus. Gemeinschaftsunternehmen oder assoziierte Unternehmen begründen selbst keine Aufstellungspflicht. 1 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 147. 2 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 59. Vgl. im Konzernrecht Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 27, 43. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 92. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 93; Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 67; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 82. Siehe auch die Kritik bei der Behandlung von eigenen Anteilen bei abhängigen Unternehmen im Konzernrecht bei J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 10. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 19; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 22; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 37.

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H. Sonderfragen zur handelsrechtlichen Aufstellungspflicht

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Rz. 184 § 290

Die Inanspruchnahme des § 296 Abs. 1 (besonders genannte Gründe) und Abs. 2 (Allgemeine Wesentlich- 181 keit) HGB ist nach § 296 Abs. 3 HGB im Konzernanhang zu begründen. Dabei wird mehr verlangt als die Angabe der Nichteinbeziehung oder der der Nichteinbeziehung zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschrift. Die Begründung verlangt das Aufzeigen von Gründen, die die Inanspruchnahme des Wahlrechts nach § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 HGB rechtfertigen.1 Wird auf den allgemeinen Wesentlichkeitsgrundsatz gem. § 296 Abs. 2 HGB verwiesen, kann die Begründung für mehrere Tochterunternehmen zusammengefasst werden, wenn das Einbeziehungswahlrecht bei allen Tochterunternehmen angewendet wurde. In der Begründung ist dann darzulegen, weshalb die nicht einbezogenen Tochterunternehmen zusammen von untergeordneter Bedeutung sind.2 Dies ergibt sich zwingend für das Einbeziehungswahlrecht nach § 296 Abs. 2 Satz 2 HGB.

H. Sonderfragen zur handelsrechtlichen Aufstellungspflicht I. Aufstellungspflicht der GmbH & Co. KG Die Mitgliedstaaten der EG konnten gem. Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) die Pflicht 182 zur Aufstellung konsolidierter Abschlüsse auf Kapitalgesellschaften beschränken. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften äußerte hierzu schon früh Bedenken, weil damit jene Gesellschaften, die zwar formal Personengesellschaften sind, aber tatsächlich einer Haftungsbeschränkung unterliegen, weil der Vollhafter eine nur mit dem Gesellschaftsvermögen haftende (Kapital)Gesellschaft ist, keinen Konzernabschluss erstellen mussten, was im Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Richtlinie stehe.3 Daher wurde 1990 durch die Richtlinie 90/605/EWG ua. die Aufstellungspflicht auf jene Personengesellschaften erweitert, deren unbeschränkt haftende Gesellschafter selbst wieder Gesellschaften sind, die nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haften. Die Richtlinie wurde erst 10 Jahre später mit dem KapCoRiLiG in nationales Recht umgesetzt. Im Zusammenhang mit der Konzernrechnungslegungspflicht der Kapitalgesellschaft & Co. Ges. iSd. 183 § 264a HGB (zB einer GmbH & Co. KG) geht es nicht nur um die Frage der Konzernrechnungslegungspflicht der KG als Mutterunternehmen, sondern auch um die der Kapitalgesellschaft, idR eine GmbH, als Komplementärin der KG. Bei dieser Diskussion ist jedoch zu beachten, dass viele Argumente gegen die Aufstellungspflicht durch die Komplementär-GmbH aus der Zeit vor dem KapCoRiLiG stammen und bei einer Ablehnung kein Konzernabschluss aufgestellt werden musste, in dem die GmbH & Co. KG erfasst wurde. Heute geht es um die Frage, welche Bedeutung ein konsolidierter Abschluss der KomplementärGmbH neben dem Konzernabschluss der GmbH & Co. KG hat. Ein Hauptunterschied zwischen beiden Konzernabschlüssen wird insbes. im Ausgleichsposten für Anteile nicht beherrschender Gesellschafter gesehen, da in einem Konzernabschluss der Komplementär-GmbH das (formelle) Eigenkapital des Konzerns lediglich in Höhe des Grundkapitals der GmbH und der ganz überwiegende Teil des (materiellen) Eigenkapitals der Kommanditisten im Ausgleichsposten für nicht beherrschende Anteile ausgewiesen würde.4 Hätte jedoch der Abschluss der Komplementär-GmbH Vorrang, bräuchte es keine gesonderte Verpflichtung der KG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses gem. Richtlinie 90/605/EWG und KapCoRiLiG;5 die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses der Komplementär-GmbH bestand uE bereits nach den Vorschriften des HGB 1985.6 Im Übrigen kann durch den Einbezug einer Personengesellschaft iSd. § 264a HGB in den Konzern- 184 abschluss des persönlich haftenden Gesellschafters nicht die Aufstellung eines eigenen Konzernabschlusses der Personengesellschaft, beispielsweise der GmbH & Co. KG, umgangen werden,7 auch wenn § 264b HGB auf die Regelungen „dieses Abschnitts“ (Zweiter Abschnitt: Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften [Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit be1 Vgl. ADS6, § 296 HGB Rz. 33; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 221; Sahner/Sauermann in HdKR2, § 296 HGB Rz. 32; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.9, § 296 HGB Rz. 42. 2 Vgl. ADS6, § 296 HGB Rz. 33; abw. Sahner/Sauermann in HdKR2, § 296 HGB Rz. 32, die eine gesonderte Begründung für jedes einzelne nicht einbezogene Tochterunternehmen fordern. 3 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, BT-Drucks. 10/5710, 1. 4 Vgl. die Problematik der Konzernrechnungslegung durch die Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. KG bei Streim/Klaus, BB 1994, 1109 (1109 ff.); Pawelzik/Theile, DStR 2000, 2145 (2150). 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 17. 6 Vgl. Schildbach/Koenen, WPg. 1991, 661 ff. 7 Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 1, s. auch Rz. 10, in der nicht auf den Konzernabschluss gem. §§ 290 ff. HGB verwiesen wird, sondern diese explizit ausgenommen werden; Thiele/Sickmann in BKT, Bilanzrecht, § 264b HGB Rz. 21.2 (Stand Sept. 2007).

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§ 290 Rz. 185 | Pflicht zur Aufstellung schränkter Haftung] sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften; §§ 264–335c HGB) verweist.1 Damit hätte sich die Konzernrechnungslegungspflicht der GmbH & Co. KG, die mit dem KapCoRiLiG erreicht werden sollte, selbst wieder mit Verweis auf § 264b HGB abgeschafft. Voraussetzungen für eine Befreiung der Aufstellung eines eigenen Konzernabschlusses werden in §§ 291–293 HGB festgelegt. 185

Wegen der unterschiedlichen Gestaltungen, die die GmbH & Co. KG einnehmen kann, sollte bei der Frage der Umsetzung der Aufstellungspflicht unterschieden werden zwischen der GmbH & Co. KG, bei der – die KG alle Anteile an ihrer Komplementär-GmbH hält (Einheitsgesellschaft); – die Gesellschafter der Komplementär-GmbH personenidentisch sind mit den Gesellschaftern der KG (beteiligungsidentische Gesellschaft); – die Komplementär-GmbH allein zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet ist (Normalstatut).

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In einer Einheitsgesellschaft, bei der die Anteile an der Komplementär-Kapitalgesellschaft der KG gehören und die Kommanditisten als Bevollmächtigte der KG und als Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft fungieren („entmachtete Kapitalgesellschaft“), ist die Kapitalgesellschaft kein Leitungsorgan der KG iSd. § 290 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 2 HGB. In diesem Fall unterliegt die GmbH & Co. KG grds. unmittelbar einer Konzernaufstellungspflicht, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.2 Die Möglichkeit einer Stimmrechtsmehrheit dürfte ebenso wie ein Beherrschungsvertrag (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 HGB) idR ausscheiden und wird daher nicht diskutiert. Differenzierter ist die Diskussion bei einer GmbH & Co. KG im Normalstatut bzw. einer (personengleichen) beteiligungsidentischen Gesellschaft; hier ist die Aufstellungspflicht der Komplementär GmbH und der GmbH & Co. KG als solcher zu prüfen.

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Obwohl die Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet ist, scheitert die mögliche Beherrschung iSv. § 290 Abs. 1 HGB durch die Komplementär-GmbH häufig an den im Innenverhältnis eingeschränkten Entscheidungsbefugnissen in Fragen der Finanz- und Geschäftspolitik, weil grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung der KG an die Zustimmung oder an Weisungen der Kommanditisten gebunden sind (Abweichen vom Normalstatut).3 Bei einer personengleichen und beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG wäre diese Aussage jedoch zu relativieren, weil die Entscheidungen in der Hand derselben Personen sind, ob diese nun als Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder Kommanditisten der KG den beherrschenden Einfluss ausüben können.4 Bei einer (personengleichen) beteiligungsidentischen GmbG & Co. KG sowie einer im Normalstatut ist die Komplementär-GmbH grds. Mutterunternehmen der KG iSd. § 290 Abs. 1 HGB.5

188

Bei der Fokussierung der Aufstellungspflicht nach § 290 Abs. 2 HGB dürften eine Stimmrechtsmehrheit ebenso wie ein Beherrschungsvertrag idR ausscheiden, so dass sich die Diskussion der möglichen Beherrschung auf die Möglichkeit, die Mehrheit der Mitglieder der die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, konzentriert (Abs. 2 Nr. 2 HGB), diese ist bei der Komplementär-GmbH deshalb erfüllt, weil dieser zwar nicht das Recht auf Bestellung der Mehrheit der Mitglieder des Leitungsorgans der KG zustehe, sie aber kraft Gesetzes das Leitungsorgan der KG ist und so ein stärkeres Recht als nur das Bestellungsrecht innehabe. Damit kann insbes. durch den Verweis auf die konzerntypischen Rechte eine Aufstellungspflicht konsolidierter Abschlüsse durch die Komplementär-GmbH festgestellt werden (DRS 19.30, IDW ERS HFA 7.6 nF).6 Befürworter einer Konzernrechnungslegungspflicht der Komplementär-Kapitalgesellschaft verweisen auch auf den institutionellen Unternehmensbegriff, weil diese als Formkaufmann ein rechtlich selbständiges Unternehmen ist.7 1 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 14. 2 Vgl. Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht, 486; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 84–86; Claussen/Scherrer in Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 290 HGB Rz. 53; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 124 (Stand März 2011); Pawelzik/Theile, DStR 2000, 2145 (2146); Herrmann, WPg. 2001, 271 (278); Marbler/ Oser, DStR 2014, 2474 (2479). Siehe auch schon die Einschätzung bei Betrachtung der „einheitlichen Leistung“ gem. § 290 Abs. 1 HGB aF bei Zeyer, Einheitsgesellschaft, 175 f., 178, mwN. 3 Vgl. Schildbach/Koenen, WPg. 1991, 661 (665); Pawelzik/Theile, DStR 2000, 2145 (2148); Herrmann, WPg. 2001, 271 (279 f.); Küting/Weber/Pilhofer, WPg. 2003, 793 (796); Marbler/Oser, DStR 2014, 2474 (2475); Winkeljohann/ Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b Rz. 29. 4 Vgl. Schildbach/Koenen, WPg. 1991, 661 (665 f.); Pawelzik/Theile, DStR 2000, 2145 (2148). 5 Siehe auch schon die Einschätzung bei Betrachtung der „einheitlichen Leistung“ gem. § 290 Abs. 1 HGB aF bei Zeyer, Einheitsgesellschaft, 175 f., mwN. 6 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 123; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 60; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 85 (Stand Juni 2014); Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10 § 290 HGB Rz. 57; Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b Rz. 30; Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 290 HGB Rz. 83; Schildbach/Koenen, WPg. 1991, 661 (667). 7 So ADS6, § 290 HGB Rz. 118; Schildbach/Koenen, WPg. 1991, 661 (664 f.).

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Rz. 192 § 290

Sollte bei der Frage der möglichen Beherrschung nach § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB vom Normalstatut für die 189 Komplementär-GmbH abgewichen und ihre Entscheidungsbefugnisse vertraglich eingeschränkt sein, wird entweder analog auf die Einbeziehungswahlrechte gem. § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB verwiesen1 oder generell die Möglichkeit der Beherrschung abgelehnt2. Diese Einwände sind wiederum bei einer (personengleichen) beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG nicht stichhaltig. Hinzu kommt, dass diese Einschränkung der Geschäftsführungs- und Entscheidungsbefugnis nur im Innenverhältnis Wirkung zeigen und daher für die typisierende Betrachtung wegen § 170 HGB, der eine Vertretung der KG durch die Kommanditisten nach Außen verhindert und Bestellungs- und Abberufungsrechte weiterhin der Komplementär-GmbH zurechnet. Trotz Normalstatut einer GmbH & Co. KG wird die Komplementär-GmbH als Mutterunternehmen gene- 190 rell auch kritisch gesehen. Dabei werden zwei weitere Argumentationslinien verfolgt: – Die erste Argumentationslinie verweist auf den idR fehlenden eigenen Geschäftsbetrieb und sieht die Komplementär-GmbH zusammen mit der Personenhandelsgesellschaft (KG) als ein einheitliches Unternehmen,3 das somit kein Mutterunternehmen der KG sein kann, so dass auch keine Pflicht zur Konzernrechnungslegung für die Komplementär-Kapitalgesellschaft besteht. – Die zweite Argumentationslinie verweist ebenfalls auf das fehlende, eigenständig wirtschaftliche Interesse der Komplementär GmbH4 und argumentiert über den Abzug bzw. die Zurechnung der konzerntypischen Rechte gem. § 290 Abs. 3 Satz 3 HGB, um auch im Normalstatut eine Aufstellungspflicht zu verneinen und stattdessen einen der Kommanditisten als Mutterunternehmen zu qualifizieren.5 Ist der Kommanditist eine natürliche Person und keine Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft iSd. § 264a HGB, ist ein Konzernabschluss gem. § 11 PublG aufzustellen. Gegen die erste Sichtweise kann auf den Entstehungsprozess des KapCoRiLiG verwiesen werden, bei dem man diesen Hinweisen zum fehlenden eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb für Fragen der Konzernrechnungslegung explizit nicht gefolgt ist.6 Gegen die zweite spricht, dass die Frage des wirtschaftlichen Interesses abgegrenzt werden muss;7 außerdem wird die Frage der Aufstellungspflicht auf das PublG abgewälzt, weil im HGB die Konzernaufstellungspflicht von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaftern iSd. § 264a HGB, nicht die eines Kommanditisten als natürliche Person normiert wird. Unabhängig davon, ob eine Aufstellungspflicht für die Komplementär-GmbH abgelehnt oder befürwortet 191 wird, ist uE unmittelbar oder vorrangig ein Konzernabschluss durch die GmbH & Co. KG als Mutterunternehmen aufzustellen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind. Da in einem Konzernabschluss der Komplementär-GmbH das (formelle) Eigenkapital des Konzerns lediglich in Höhe des Grundkapitals der GmbH und der ganz überwiegende Teil des (materiellen) Eigenkapitals der Kommanditisten im Ausgleichsposten für nicht beherrschende Anteile ausgewiesen würden,8 ist ein Vorrang des Konzernabschlusses der GmbH & Co. KG zu sehen; die spezielle Regelung für die GmbH & Co. KG geht der allgemeinen Regelung für die (Komplementär)GmbH vor. Folgt man der Einschätzung, dass bei Abweichungen vom Normalstatut die Komplementär-GmbH ohnehin nicht aufstellungspflichtig ist, kommt man unmittelbar zur Aufstellungspflicht der GmbH & Co. KG.

II. Aufstellungspflicht in der Liquidation Ist ein Mutterunternehmen iSv. § 290 HGB in Liquidation, so stellt sich die Frage, ob weiterhin die Pflicht 192 zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts besteht. § 270 AktG zur Rechnungslegung der AG/KGaA in Liquidation enthält ebenso wie § 71 GmbHG für die GmbH keine explizite Regelung zur Konzernrechnungslegung. Trotz fehlender expliziter Regelungen zur abwicklungsspezifischen Konzernrechnungslegung sind die Regeln für die Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines 1 2 3 4 5 6

7 8

Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 Rz. 57. Vgl. Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht, 486. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 89; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 53. Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 28–35, insbes. Rz. 31; aA Kindler in Großkomm.5, § 290 HGB Rz. 45. Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 264b HGB Rz. 32; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 82, die allerdings über einen Kommanditisten in der Rechtsform einer-GmbH argumentieren. Begründung zum RegE Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG), BT-Drucks. 14/1806, 22; s. außerdem Marbler/Oser, DStR 2014, 2474 (2476), Schildbach/Koenen, WPg. 1991, 661 (664 f.), deren Argumentation sich aber auf eine Zeit bezieht, in der es keine Aufstellungspflicht nach HGB gab, bestenfalls eine nach § 11 PublG, wenn die KG die Voraussetzungen erfüllte. Vgl. Marbler/Oser, DStR 2014, 2474 (2478). Vgl. die Problematik der Konzernrechnungslegung durch die Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. KG bei Streim/Klaus, BB 1994, 1109 (1109 ff.); Pawelzik/Theile, DStR 2000, 2145 (2150).

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§ 290 Rz. 193 | Pflicht zur Aufstellung Konzernlageberichts des werbenden Unternehmens nach § 290 HGB unverändert anzuwenden.1 Zudem hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 270 AktG klargestellt, dass die Rechnungslegungspflichten nach dem Dritten Buch des HGB, die bei Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts einschließen, (fort-)bestehen.2 Stichtag für den Konzernabschluss ist während der Liquidation der Stichtag des Mutterunternehmens.3 Mit der Auflösung des Mutterunternehmens entsteht kein Wahlrecht nach § 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB (Weiterveräußerung) für die einbezogenen Tochterunternehmen.4 193

Tochterunternehmen in Liquidation unterliegen weiterhin einer möglichen Beherrschung durch das Mutterunternehmen, allerdings können nach der Auflösung uU die Konsolidierungswahlrechte gem. § 296 HGB ausgeübt werden.5

Anhang 1 zu § 290 HGB: Aufstellungspflicht nach § 11 PublG A. I. II. III. IV. B. I. II. 1. 2. 3. 4. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufstellungspflicht (§ 11 Abs. 1 PublG) Generalnorm des möglichen beherrschenden Einflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensbegriff im PublG Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . Die natürlichen Personen als Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG . . . . . . . . . . . . . . . Idealvereine als Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die öffentliche Hand als Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG . . . . . . . . . . . . . . . Größenkriterien gem. PublG . . . . . . . . . . . .

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C. Bestimmung der Bilanzsumme; Konzernabschlussstichtag bei fehlendem Jahresabschluss des Mutterunternehmens (§ 11 Abs. 2 PublG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Inländische Teilkonzerne einer ausländischen Obergesellschaft (§ 11 Abs. 3 PublG) E. Anwendungsbeschränkungen (§ 11 Abs. 5 PublG) I. Subsidiäre Verpflichtung (§ 11 Abs. 5 Satz 1 PublG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensverwaltung (§ 11 Abs. 5 Satz 2 PublG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Konzerntypische Rechte, Hinzurechnung und Abzug von Rechten, Ermittlung der Stimmrechte, Aufstellungserleichterungen und befreiende Konzernabschlüsse (§ 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG iVm. §§ 290 Abs. 2–5, 291 f. HGB) . . G. Internationale Konzernabschlüsse (§ 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG iVm. § 315e HGB) . . . .

_ _ _ _ 29 31

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_ _ 37 38

Literatur: Fischer, Betriebswirtschaftliche Beurteilung der Ausdehnung der Publizitätspflicht auf alle Großunternehmen, BFuP 1968, 558; Kort, Der „private“ Großaktionär als Unternehmen?, DB 1986, 1909; Niehus, Konzernrechnungslegungspflicht von Groß-Vereinen, DB 2003, 1325; Segna, Publizitätspflicht eingetragener Vereine?, DB 2003, 1311; Küting/Strauß, „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“ – oder etwa nicht?, DB 2010, 793; Müller-Marqués Berger/ Wirtz, Konzernrechnungslegung der öffentlichen Hand, WPg. 2012, 1025; Müller-Marqués Berger/Braun, Konzernrechnungslegung der öffentlichen Hand, WPg. 2014, 200.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 11 PublG6 verpflichtet aktuell Mutterunternehmen mit Sitz in Deutschland, die nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder haftungsbeschränkten Personengesellschaft iSd. § 264a HGB firmieren 1 Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 126–132; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 8; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 31; Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, T Rz. 375; Schmidt in Scholz, GmbHG11, § 71 Rz. 27; Scherrer/Heni, DStR 1992, 797 (798); aA Bohl/Schamburg-Dickstein in HdR5, § 71 GmbHG Rz. 34, wenn umfangreiche Neubewertungen erforderlich werden; Gesell in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG5, § 71 Rz. 13. 2 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu den Drucksachen 10/317 und 10/3440, BT-Drucks. 10/4268, 128; s. auch Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 31. 3 Vgl. Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, T Rz. 377. 4 Vgl. Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, T Rz. 378. 5 Vgl. Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, T Rz. 380; Scherrer/Heni, DStR 1992, 797 (798). 6 Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz – PublG) v. 15.8.1969, BGBl. I 1969, 1189.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 4 Anh. 1 zu § 290

oder keine Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen sind (§§ 340i, 341i HGB), einen Konzernabschluss zu erstellen, sofern die in § 11 Abs. 1 Nr. 1–3 PublG genannten Größenkriterien überschritten werden. Zur Umsetzung wird (sinngemäß) auf die Vorschriften zur Aufstellung von konsolidieren Jahresabschlüssen nach §§ 290–292 HGB verwiesen.

II. Bedeutung und Zweck § 11 PublG ergänzte die (damals geltende) aktienrechtliche Aufstellungspflicht, indem erstmalig eine Kon- 2 zernrechnungslegungspflicht für Mutterunternehmen mit Sitz in Deutschland unabhängig von der Rechtsform der AG vorgeschrieben wurde. Großkonzerne werden rechtsform- und branchenunabhängig zur Konzernrechnungslegung verpflichtet, weil sie (1) eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung mit Blick auf die Versorgung der Märkte und die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft haben; außerdem sind sie (2) Abnehmer von einer Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen der Zulieferindustrie sowie (3) Arbeitgeber für eine große Zahl von Beschäftigten. Hintergrund ist die Gefahr des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht und der Schädigung zahlreicher Beteiligter bei Unternehmenszusammenbrüchen.1 Das PublG verfolgt keinen Gesellschafterschutz; bei den relevanten Rechtsformen haben die Gesellschafter idR weitergehende Auskunftsrechte als Gesellschafter von Kapitalgesellschaften.2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach §§ 290, 264a, § 340i oder 341i HGB hat Vor- 3 rang vor der Aufstellungspflicht nach § 11 PublG. Konzerntypische Rechte, Hinzurechnung und Abzug von Rechten, Ermittlung der Stimmrechte, Aufstellungserleichterungen und befreiende Konzernabschlüsse sind gem. § 290 Abs. 2–5, §§ 291 f. HGB zu ermitteln (§ 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG). Auch wenn darauf nicht explizit in § 11 PublG verwiesen wird, bestimmt sich der Begriff der Beherrschungsmöglichkeit nach § 290 Abs. 1 HGB. Ein unter das PublG fallendes Mutterunternehmen kann freiwillig gem. § 315e Abs. 3 HGB einen befreienden Konzernabschluss nach IFRS erstellen (§ 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG). Die verpflichtende Aufstellungen gem. Art. 4 IFRS-Verordnung Nr. 1606/20023 oder § 315e Abs. 2 HGB greift nur, wenn das Mutterunternehmen seiner Rechtsform nach in den Anwendungsbereich der IAS-VO in ihrer jeweils geltenden Fassung fällt. Bei der Auslegung der Aufstellungspflicht waren bzw. sind die Regelungen von Art. 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG (7. Konzernbilanzrichtlinie) und Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU unbeachtlich, auch wenn auf § 290 HGB verwiesen wird. Beginn und Dauer der Pflicht zur Konzernrechnungslegung, die Vorschriften zur Aufstellung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht, zur Prüfung und Offenlegung des Konzernabschlusses nach PublG werden in §§ 12–15 PublG geregelt. Die erstmalige Anwendung der veränderten Aufstellungspflichten nach HGB ergibt sich aus § 22 PublG. Da DRS 19 am 29.12.2010 bekannt gemacht wurde, besteht nach § 342 Abs. 2 HGB die widerlegbare Vermutung, dass es sich um für den Konzernabschluss zu beachtende GoB handelt, die grds. für die Aufstellungspflicht nach PublG gelten. Die Deutsche Bundesbank, die Sozialversicherungsträger und die Agentur für Arbeit müssen keinen Konzernabschluss und -lagebericht erstellen (Verweis auf § 2 Abs. 1 KWG in § 11 Abs. 5 Satz 1 PublG).

IV. Rechtsentwicklung Materiell folgt § 11 PublG der Entwicklung der Konzernaufstellungspflicht von §§ 329 f. AktG 1965 mit 4 dem BiRiLiG auf § 290 HGB, wobei die in § 290 Abs. 2 HGB aF angeführten konzerntypischen Rechte bis zum BilMoG nach PublG nicht zulässig waren. Die Richtlinie 90/605/EWG4 aus 1990 wurde mit dem KapCoRiLiG5 in 20006 in nationales Recht umgesetzt, so dass jene Personengesellschaften, deren unbeschränkt haftende Gesellschafter selbst Gesellschaf1 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Rechnungslegung von Großunternehmen und Konzernen, BT-Drucks. V/3197, 14 ff.; s. auch Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 84. 2 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 84 f. 3 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG 2002 Nr. L 243, 1 ff. 4 Vgl. Richtlinie des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), ABl. EG L 317/60 v. 16.11.1990, 1 ff. 5 Vgl. Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154. 6 Vgl. Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154.

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Anh. 1 zu § 290 Rz. 5 | Aufstellungspflicht nach § 11 PublG ten sind, deren Haftung beschränkt ist, aus der Reichweite des § 11 PublG herausfielen und nach § 264a iVm. § 290 HGB konzernrechnungslegungspflichtig wurden. Mit dem BilReG1 wurde die Befreiung von der Aufstellungspflicht für den Fall eingeführt, dass ein internationaler Konzernabschluss nach Art. 4 IFRS-Verordnung Nr. 1606/20022 bzw. (damals) § 315a Abs. 2, 3 HGB, heute § 315e Abs. 2, 3 HGB, aufgestellt wird. Mit dem BilMoG3 wurde das in der deutschen Konzernrechnungslegung vorherrschende Kriterium der ausgeübten einheitlichen Leitung (in Verbindung mit der Forderung der Beteiligung iSv. § 271 Abs. 1 HGB), das auch für § 11 PublG galt, durch das Konzept der möglichen Beherrschung abgelöst, das bisher für das PublG nicht galt. Damit gelten seit BilMoG rechtsformunabhängige Kriterien für die Aufstellungspflicht konsolidierter Jahresabschlüsse.4 Die erstmalige Anwendung der im HGB veränderten Aufstellungspflichten ergibt sich aus § 22 PublG.

B. Aufstellungspflicht (§ 11 Abs. 1 PublG) I. Generalnorm des möglichen beherrschenden Einflusses 5

§ 11 Abs. 1 PublG stellt wie § 290 Abs. 1 HGB auf die mögliche Beherrschung ab, allerdings ohne auf § 290 Abs. 1 HGB zu verweisen oder eine eigene Definition zu geben. Aus der parallelen Änderung des PublG und des § 290 HGB durch das BilMoG (vgl. § 290 HGB Rz. 28) – „Folgeänderung zu § 290“5 – wird gefolgert, dass die mögliche Beherrschung in beiden Gesetzen analog auszulegen ist.6 Nur die Vorschriften von § 290 Abs. 2–5 HGB sind sinngemäß anzuwenden (§ 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG).

II. Unternehmensbegriff im PublG 1. Allgemeine Anforderungen 6

Während die Frage des Unternehmensbegriffs zur Aufstellungspflicht nach § 290 HGB sich auf die Tochterunternehmen konzentrierte, fokussiert § 11 PublG auf den Unternehmensbegriff des Mutterunternehmens, das rechtsformunabhängig zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet wird. Das PublG verfügt allerdings über keine Legaldefinition des Unternehmensbegriffs. Der Gesetzgeber hat den Unternehmensbegriff auch nicht allgemein in anderen Rechtsgebieten umschrieben. Als hM dürfte festgehalten werden können, dass es keinen einheitlichen Unternehmensbegriff über alle Regelungszwecke gibt. Da die Regelungen des § 11 PublG die Vorschriften des § 290 HGB ergänzen, ist von einem einheitlichen Verständnis des Unternehmensbegriffs im HGB und PublG auszugehen.7

7

Indizien über einen relevanten Unternehmensbegriff können dem PublG selbst entnommen werden: Auch wenn sich § 3 Abs. 1 PublG nicht auf die Konzernrechnungslegung bezieht, können auch aus der dortigen Aufzählung Hinweise für den Unternehmensbegriff des PublG gewonnen werden. Neben Personengesellschaften, die nicht unter § 264a HGB fallen, werden genannt:8 – Einzelkaufleute, – Vereine mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb, – Rechtsfähige, gewerbetreibende Stiftungen des bürgerlichen Rechts, – Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten des öffentlichen Rechts mit Kaufmannseigenschaft kraft Eintragung ins Handelsregister oder Grundhandelsgewerbe.

1 Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 2 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG 2002 Nr. L 243, 1 ff. 3 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 4 Vgl. von Oertzen in HdJ, V/1 Rz. 35, 45 (Stand Nov. 2011). 5 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), BT-Drucks. 16/12407, 96. 6 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 101; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 69; Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 142; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 87; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 117 (Stand März 2011). 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 104; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 70 f. 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 104; Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 141; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 115 (Stand März 2011); ablehnend hierzu Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 79, wobei letztendlich der gleiche Katalog von Unternehmen benannt wird.

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B. Aufstellungspflicht (§ 11 Abs. 1 PublG)

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Rz. 13 Anh. 1 zu § 290

In § 14 Abs. 2 PublG wird darüber hinaus die eG als Unternehmen genannt. Die Aufzählung ist jedoch nicht abschließend;1 insbes. weil damit ein institutioneller Unternehmensbegriff im Vordergrund stünde. Der Unternehmensbegriff nach PublG setzt darüber hinaus keine Kaufmannseigenschaft iSd. HGB voraus;2 auch wenn dann für das Mutterunternehmen keine Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach § 238 ff. HGB besteht.

8

Ein institutioneller oder funktioneller Unternehmensbegriff dürfte heute nicht mehr maßgeblich sein, 9 stattdessen wird auf den teleologischen Unternehmensbegriff verwiesen, der an den Sinn und Zweck der Vorschriften anknüpft.3 Bezogen auf den Konzernabschluss bzw. die hier relevante Aufstellungspflicht ergibt sich die Notwendigkeit, konsolidierte Jahresabschlüsse aufzustellen, aus den Verbundeffekten zwischen nachgelagerten Unternehmen, an denen ein übergeordnetes Unternehmen mehrheitlich beteiligt ist, die ohne einen Konzernabschluss nicht offengelegt werden. Unternehmen in Abwicklung sind zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, auch wenn § 3 Abs. 3 PublG für den Jahresabschluss eine anderslautende Regelung vorsieht.4

10

2. Die natürlichen Personen als Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG Ein Einzelkaufmann, der seine Handelsgeschäfte unter verschiedenen Firmen betreibt, die selbst keine Be- 11 teiligung an Personen- oder Kapitalgesellschaften sind, gilt nach 1 Abs. 5 PublG als ein Unternehmen iSd. PublG; konsequenterweise besteht dann kein Konzern iSd. § 11 PublG.5 Um allerdings den Jahresabschlusses eines einheitlichen Unternehmens aufstellen zu können, werden vermutlich gewisse Grundsätze des Konzernabschlusses angewendet werden müssen, wenn eigenständige Buchungskreise bestehen und Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen den einzelnen Firmen vorhanden sind.6 Bei Privatpersonen mit Beteiligungen an mehreren Kapital- und Personengesellschaften wird eine Unterneh- 12 menseigenschaft begründet, wenn die Privatperson nicht allein vermögensverwaltend tätig ist, sondern auch übergreifend koordinierend aktiv wird. Damit wird bei der Auslegung ein funktionaler Unternehmensbegriff verwendet. Aufgrund des weiten, schutzzweckorientierten Unternehmensbegriffs sollten natürliche Personen, die an mehreren Unternehmen mehrheitlich beteiligt sind und selbst oder durch nahe stehende Personen in der Geschäftsführung vertreten sind, auch dann, wenn sie über keinen Gewerbebetrieb verfügen oder nur vermögensverwaltend tätig sind, einen Konzernabschluss erstellen. Ohne Aufstellungspflicht bleiben Zwischengewinn- und Vermögensverlagerungsrisiken ebenso unerkannt wie Kreditbeziehungen zwischen den Beteiligungen, wenn der private Großinvestor nicht nur bei einem Unternehmen, sondern an einer größeren Zahl von Unternehmen mehrheitlich beteiligt ist.7 Der Schutzzweck der Konzernrechnungslegung lässt eine Aufstellungspflicht eines konsolidierten Jahresabschlusses durch einen privaten Großinvestor geboten erscheinen, da bereits durch eine Kapitalverflechtung ein Risikoverbund begründet wird.8 Im steuerlichen Sinn kann ein Konzern vorliegen, wenn eine natürliche Person an der Spitze einer Unternehmensgruppe die Finanz- und Geschäftspolitik beherrschter Rechtsträger im Privatvermögen bestimmen kann.9 Wenn im Zusammenhang mit Privatpersonen auch von der Pflicht zur Rechnungslegung die Rede ist, da sonst die Grundlage für einen Konzernabschluss fehle,10 ist dies insoweit zu relativieren, dass damit nicht eine Ver1 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Rechnungslegung von Großunternehmen und Konzernen, BT-Drucks. V/3197, 17 f.; Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 141; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88. 2 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 72; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 105; Segna, DB 2003, 1311 (1315). 3 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 70, C Rz. 333; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 14; Kindler in GroßKomm.5, § 290 HGB Rz. 10. Zur Diskussion im Konzernrecht J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 32; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 13; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 15 ff.; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 6. 4 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 76. 5 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 106; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 77. 6 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 77. 7 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 90 f. Eine umfassende Darstellung der aktienrechtlichen Unternehmenseigenschaft findet sich bei Kort, DB 1986, 1909 ff. 8 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88, 92–94, allgemein zur Ausnahme bei Vermögensverwaltenden Aktivitäten. 9 Vgl. Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht, 610; BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/ 0336202, BStBl. I 2008, 718 Rz. 60. 10 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 74; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 107; ADS6, § 11 PublG Rz. 11.

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Anh. 1 zu § 290 Rz. 14 | Aufstellungspflicht nach § 11 PublG pflichtung zur Buchführung und Aufstellung von Jahresabschlüssen iSv. §§ 238, 242 HGB gemeint sein kann, sondern auch andere Dokumentations- und Rechenschaftspflichten erfasst sind; ansonsten wäre die Aufstellung von Konzernabschlüssen auf Kaufleute iSd. HGB begrenzt (institutioneller Unternehmensbegriff). 3. Idealvereine als Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG 14

Idealvereine iSd. § 21 BGB, dh. rechtsfähige und nichtwirtschaftlich ausgerichtete Vereine, sind nach hM nicht zur Aufstellung von Konzernabschlüssen gem. § 11 PublG verpflichtet. Begründet wird dies mit der mangelnden eigenen erwerbswirtschaftlichen Betätigung sowie der fehlenden Konzerneigenschaft bei Vorliegen einer Möglichkeit der Beherrschung, wenn diese lediglich der Zweckerfüllung des Idealvereins dient und der erwerbswirtschaftliche Teil in einer Holding unter Beachtung des Nebenzweckprivilegs stattfindet.1 Damit wird die Nichtaufstellung eines Konzernabschlusses eines Idealvereins verneint, weil dieser selbst nicht unternehmerisch tätig ist, was widersprüchlich ist, weil er diese Aktivitäten ja explizit auf andere nachgelagerte Unternehmen verlagert hat. Ohne Aufstellungspflicht bleiben aber Zwischengewinnund Vermögensverlagerungsrisiken ebenso unerkannt wie Kreditbeziehungen zwischen den Nebenzweckaktivitäten, wenn diese trotz des beherrschenden Einflusses des Idealvereins unverbunden als Beteiligung im Jahresabschluss des Idealvereins ausgewiesen werden. Der Schutzzweck der Konzernrechnungslegung lässt eine Aufstellungspflicht eines konsolidierten Jahresabschlusses durch einen Idealverein geboten erscheinen, weil ohne einen konsolidierten Abschluss unter Einschluss des Idealvereins ein durch Kapitalverflechtung und Transaktionen begründeter Risikoverbund nicht offengelegt werden würde.2 4. Die öffentliche Hand als Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG

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16

Für Zwecke der Rechnungslegung wird weiterhin davon ausgegangen, dass Bund, Länder und Gemeinden mangels eigenen Geschäftsbetriebs nicht als Unternehmen gelten.3 Bei der öffentlichen Hand kann mit Verweis auf den teleologischen Unternehmensbegriff im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass eine Unternehmenseigenschaft vorliegt, weil der Staat über keine Privatsphäre verfügt und daher immer ein Konzernkonflikt besteht. Die sonstigen Interessen oder politischen, religiösen und weltanschaulichen Zielsetzungen des Staats rechtfertigen die Unternehmenseigenschaft, weil diese zu Lasten der Gesellschaft oder Mitgesellschafter bzw. Gläubiger gehen können.4 Nach dem teleologischen Unternehmensbegriff ist daher auch für die öffentliche Hand im Grundsatz eine Unternehmenseigenschaft gegeben. In der Rspr. zum Konzernrecht hat sich diese Sichtweise mittlerweile durchgesetzt.5 Auch wenn wegen des hier präferierten teleologischen Verständnisses der aktienrechtliche und handelsrechtliche Unternehmensbegriff nicht gleichgesetzt werden darf,6 lässt sich mit dem Verweis auf den Schutzzweck der Konzernrechnungslegung vor dem Ausweis von Zwischengewinnrisiken und Vermögensverlagerungen eine Konzernrechnungslegungspflicht für die öffentliche Hand gem. § 11 PublG rechtfertigen. Ohne einen konsolidierten Abschluss wird der durch eine Kapitalverflechtung begründete Risikoverbund nicht offengelegt.7 Durch die Einführung der kommunalen und staatlichen Doppik (§ 7a HGrG iVm. bundeslandspezifischen Vorschriften) ist in Deutschland die Aufstellung von konsolidierten Gesamtabschlüssen normiert worden. Die Pflicht zur Konzernrechnungslegung der öffentlichen Hand hat daher aufgrund anderer Rechtsquellen eine neue Dimension gewonnen, die auch nicht durch die Größenkriterien des § 11 Abs. 2 PublG begrenzt wird.8 Die öffentlich-rechtliche Pflicht, einen Konzernabschluss aufstellen zu müssen, spricht jedoch nicht gegen eine Einordnung als „Unternehmen“ iSd. PublG; auch die öffentliche Hand 1 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 75; im Hintergrund steht die ADAC-Entscheidung des LG München I v. 30.8. 2001 – 17 HKT 23689/00, DB 2003, 1316. Kritisch hierzu Segna DB 2003, 1311 ff.; Niehus, DB 2003, 1125 ff. Vgl. auch Küting/Strauß, DB 2010, 793 ff. 2 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88, 92–94, allgemein zur Ausnahme bei vermögensverwaltenden Aktivitäten. 3 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 73; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu den von der Bundesregierung eingebrachten Drucksachen 10/317 und 10/3440, BT-Drucks 10/4268, 113; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 105. 4 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 38 ff.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 77 ff.; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 15 Rz. 29; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 11; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 7a, 20–28. 5 Vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise bei Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Fn. 10; J. Vetter in Schmidt/ Lutter, AktG3, § 15 Fn. 88. Siehe auch die umfassende Einschätzung bei Windbichler in GroßKomm. AktG5, § 15 Rz. 27. 6 Vgl. Kort, DB 1986, 1909 (1910). 7 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88, 92–94, allgemein zur Ausnahme bei vermögensverwaltenden Aktivitäten. 8 Vgl. Müller-Marqués Berger/Wirtz, WPg. 2012, 1025; Müller-Marqués Berger/Braun, WPg. 2014, 200.

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B. Aufstellungspflicht (§ 11 Abs. 1 PublG)

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Rz. 24 Anh. 1 zu § 290

muss sich den Rechnungslegungsvorschriften unterwerfen, wenn sie sich über Mehrheitsbeteiligungen privatwirtschaftlich betätigt1 und ohne einen konsolidierten Abschluss ein durch eine Kapitalverflechtung begründeter Risikoverbund nicht offengelegt wird. Die Deutsche Bundesbank, die Sozialversicherungsträger und die Agentur für Arbeit müssen keinen 17 Konzernabschluss und -lagebericht erstellen (Verweis auf § 2 Abs. 1 KWG in § 11 Abs. 5 Satz 1 PublG). Bei dem Verweis auf Nr. 2 und 4 in § 2 Abs. 1 KWG handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, weil der ursprüngliche Verweis auf Nr. 2 (Deutsche Bundespost) mit Wirkung ab 1.1.1996 gestrichen wurde; die ursprüngliche Nr. 4 (Sozialversicherungsträger und Agentur für Arbeit) ist nun Nr. 3.2

III. Größenkriterien gem. PublG Mit dem PublG sollte die Rechnungslegung von Großunternehmen und -konzernen, unabhängig von der 18 Rechtsform und Branche, normiert werden. Konzerne iSd. PublG sind groß, wenn an drei aufeinander folgenden Konzernabschlussstichtagen mindestens zwei der folgenden Größenkriterien erfüllt werden: – Bilanzsumme der Konzernbilanz ist größer als 65 Mio. €; – (Außen-)Umsatzerlöse der Konzern-Gewinn-und-Verlustrechnung für die letzten 12 Monate sind größer als 130 Mio. €; – durchschnittliche Arbeitnehmerzahl in den inländischen Konzernunternehmen während der letzten zwölf Monate liegt über 5.000. Die ursprünglich in DM festgelegten Größenkriterien wurden mit Ausnahme der Euroumstellung seit 1969 nicht angepasst.3 Im Gegensatz zu § 293 HGB, der eine Befreiung beim Unterschreiten der dort angeführten Größenkrite- 19 rien vorsieht, besteht in § 11 PublG eine Verpflichtung bei Überschreiten der Größenkriterien.4 Während die Größenkriterien nach HGB nachgelagert zur Aufstellungspflicht nach § 290 HGB geprüft werden, sind sie nach § 11 PublG zentrales Entscheidungskriterium.5 Die Größenmerkmale orientieren sich unter Beachtung der Besonderheiten eines Konzerns an den für den Jahresabschluss geltenden Größenkriterien des § 1 Abs. 1 PublG. Auch wenn zwei Merkmale an drei Abschlussstichtagen erfüllt sein müssen, müssen es nicht die jeweils gleichen Kriterien an den drei Abschlussstichtagen sein.6 Nachgeordnete Mutterunternehmen sind jedoch nur verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, 20 wenn die Größenkriterien für die jeweiligen Teilkonzerne erfüllt sind.7 Ein Zusammenfassen der einzelnen Teilkonzerne ist nicht vorgesehen. Wird ein befreiender Konzernabschluss gem. § 315e HGB iVm. §. 11 PublG aufgestellt, sind die Bilanzsumme und die Summe der Umsatzerlöse unter Beachtung der IFRS zu ermitteln.8

21

Die Größenmerkmale sind für den Konzernabschlussstichtag zu bestimmen, der dem Abschlussstichtag des Mutterunternehmens entspricht.

22

Durch den Verweis auf die Größenkriterien des Konzerns hat faktisch die Abgrenzung des Konsolidie- 23 rungskreises einen Einfluss auf die allgemeine Aufstellungspflicht des Konzernabschlusses. Sollte ein befreiender Konzernabschluss nach IFRS erstellt werden (§ 315e HGB), sind zur Abgrenzung des Konsolidierungskreises die Vorgaben nach IFRS 10 relevant.9 Um die Umsatzerlöse gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 PublG zu bestimmen, bedarf es keines Probeabschlusses, al- 24 lerdings müssen in der Buchführung der in den Konsolidierungskreis einbezogenen Unternehmen organisatorische Maßnahme bestehen, die eine Trennung von Innen- und Außen-Umsatzerlösen erlauben. Die Abgrenzung der Umsatzerlöse orientiert sich an der (durch das BilRUG geänderten) Definition des § 277 Abs. 1 HGB (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 3 PublG).10 1 Analog zu Windbichler in GroßKomm. AktG5, § 15 Rz. 27, bezogen auf die Schutz- und Organisationsrechte des Konzernrechts. 2 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 101. 3 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 85. 4 Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 99. 5 Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 141. 6 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 81. 7 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 116; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88; Ischebeck in HdKR2, § 11 PublG Rz. 25. 8 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 91 (nur Bilanzsumme); Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 91. 9 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 86. 10 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 92 f.

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Anh. 1 zu § 290 Rz. 25 | Aufstellungspflicht nach § 11 PublG 25

Bei der Ermittlung der Anzahl der Arbeitnehmer des Konzerns kann auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 PublG verwiesen werden. Der Natur der Sache entsprechend könnten darunter – im Gegensatz zur Bilanzsumme und zu den (Außen-)Umsatzerlösen, die naturgemäß auf die in den Konzernabschuss einbezogenen Tochterunternehmen verweisen – auch die Arbeitnehmer in nicht konsolidierten Tochterunternehmen verstanden werden. Mit Verweis auf den Zusammenhang mit den vorhergenannten Kriterien wird aber trotz fehlenden expliziten Hinweises grds. allein auf die in den Konzernabschluss einbezogenen (inländischen) Arbeitnehmer verwiesen.1 Die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl ist auf der Basis der am Monatsende Beschäftigen zu ermitteln.2

26

Die ausländischen Arbeitnehmer in Betriebsstätten und Niederlassungen deutscher Tochterunternehmen sind trotz des Verzichts auf ausländische Konzernunternehmen zu erfassen; dies ergibt sich mit Blick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 PublG.3 Arbeitnehmer eines Konzernunternehmens mit Sitz im Ausland werden hingegen nicht gezählt.4

27

Das Mutterunternehmen ist erstmals verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, wenn am dritten der aufeinander folgenden Abschlussstichtage mindestens zwei der drei Kriterien erfüllt sind. Das Mutterunternehmen ist von Aufstellung eines Konzernabschlusses nach PublG befreit, wenn an mindestens drei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen zwei der drei Kriterien unterschritten werden.5

28

Sollte auf ein Unternehmen ein anderes Unternehmen durch Verschmelzung, Umwandlung oder durch andere Formen der Gesamtrechtsnachfolge übertragen worden sein, das bereits an zwei vorhergehenden Abschlussstichtagen die Größenkriterien erfüllt hat, so hat das aufnehmende Unternehmen mit dem ersten Stichtag bereits einen Konzernabschluss zu erstellen.

C. Bestimmung der Bilanzsumme; Konzernabschlussstichtag bei fehlendem Jahresabschluss des Mutterunternehmens (§ 11 Abs. 2 PublG) 29

Die Bilanzsumme iSd. § 11 Abs. 1 Nr. 1 PublG basiert auf der nach § 13 PublG erstellten Konzernbilanz. Da das Größenkriterium nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 PublG (Bilanzsumme) eine Netto-Größe darstellt, ist eine „Probe-Konzernbilanz“ aufzustellen, um die Erfüllung zu prüfen. Sollten überschlägige Rechnungen ergeben, dass die Bilanzsumme von 65 Mio. € nicht erreicht werden dürfte, kann auf einen Probekonzernabschluss verzichtet werden.6

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Sollte das eigentliche Mutterunternehmen wegen der fehlenden Kaufmannseigenschaft keinen Jahresabschluss erstellen, ist der Abschlussstichtag des größten inländischen Unternehmens maßgebend (§ 11 Abs. 2 PublG), das in den Konzernabschluss einbezogen ist, wobei auf die Größenkriterien des § 1 Abs. 1 PublG zurückzugreifen ist.7

D. Inländische Teilkonzerne einer ausländischen Obergesellschaft (§ 11 Abs. 3 PublG) 31

Im Wortlaut des § 11 Abs. 3 PublG wird für die inländischen Teilkonzerne auf die ausgeübte Beherrschung verwiesen. Gleichwohl wird mit Verweis auf die Begründung im Rechtsauschuss, die die Veränderungen des § 11 PublG als Folge der Veränderungen des § 290 HGB ansieht, in der Kommentierung von einem redaktionellen Fehler ausgegangen.8

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Die Aufstellungspflicht des § 11 Abs. 3 PublG steht in Konkurrenz zur Idee des „Tannenbaumprinzips“ des § 290 HGB, da ein inländisches Mutterunternehmen bereits über § 11 Abs. 1 iVm. Abs. 6 PublG einen Teil-Konzernabschluss nach den allgemeinen Regeln aufstellen muss. Um eine Aufstellungspflicht für einen Teilkonzern nach § 11 Abs. 3 PublG zu begründen, werden die der ausländischen Obergesellschaft am nächsten stehenden (Tochter-)Unternehmen als Mutterunternehmen definiert, wenn sie über Tochterunternehmen eines ausländischen Konzerns die Beherrschung ausüben können. Eine solche Konstellation könnte beispielsweise eintreten, wenn die inländischen (Enkel-)Tochterunternehmen des ausländischen Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 85 f., 95. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 92. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 95. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 95. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 85; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 114 (Stand März 2011). 6 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 87–91; Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 91 f. 7 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 82. 8 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 112. 1 2 3 4 5

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G. Internationale Konzernabschlüsse (§ 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG iVm. § 315e HGB)

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Rz. 38 Anh. 1 zu § 290

Konzerns über drei Tochterunternehmen beherrscht werden können, die selbst aber isoliert betrachtet keine Beherrschung auf die inländischen (Enkel-)Tochterunternehmen des Konzerns ausüben können. In diesen Fällen läuft das Tannenbaumprinzip ins Leere, weil die drei inländischen Tochtergesellschaften isoliert keine Beherrschung auf ein inländisches (Enkel-)Unternehmen ausüben können. Dieses ist zwar (Enkel-)Tochterunternehmen der ausländischen Muttergesellschaft, aber kein Tochterunternehmen der inländischen (Tochter-)Unternehmen.1 Eine Pflicht zur Aufstellung von Teil-Konzernabschlüssen iSv. § 11 Abs. 1 iVm. Abs. 6 PublG entfällt mithin, wenn die inländischen Unternehmen gleichrangige, nebeneinander stehende Tochterunternehmen des ausländischen Konzerns sind, die selbst keine mögliche Herrschaft über weitere Unternehmen ausüben.2 Inländische Niederlassungen ausländischer Konzern unterliegen keiner Pflicht, (Teil-)Konzernabschlüsse zu erstellen, auch wenn sie im Handelsregister eingetragen sind und selbst Tochterunternehmen haben.

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E. Anwendungsbeschränkungen (§ 11 Abs. 5 PublG) I. Subsidiäre Verpflichtung (§ 11 Abs. 5 Satz 1 PublG) Die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung nach § 11 Abs. 1 PublG ist subsidiär. Sollte eine Ver- 34 pflichtung bestehen, einen Konzernabschluss aufgrund §§ 290, 264a, 340i oder 341i HGB zu erstellen, tritt die Verpflichtung nach § 11 PublG zurück (§ 11 Abs. 5 Satz 1 PublG).3 Durch den Verweis auf § 290 Abs. 2 HGB wird auch im PublG das sog. „Tannenbaumprinzip“ übernommen, soweit ein beherrschender Einfluss auf jeder Stufe der Beteiligungshierarchie vorliegt.4

II. Vermögensverwaltung (§ 11 Abs. 5 Satz 2 PublG) Bei einer vermögensverwaltenden Tätigkeit wird im Allgemeinen ein Unternehmen verneint.5 Zudem ist 35 eine Vermögensverwaltung, selbst wenn sie einen Gewerbebetrieb darstellt, gem. § 11 Abs. 5 PublG explizit von der Aufstellung eines Konzernabschlusses befreit, wenn sie nicht die Aufgaben einer Konzernleitung übernimmt.6 Mit der Vermögensverwaltung wird auf faktisches Verhalten abgestellt, wobei zwischen einem verwalten- 36 den Agieren im Rahmen der Gesellschafterversammlung bei der Besetzung von Organen und der Bestellung oder Abberufung von Mitglieder des für die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans nur ein feiner Unterschied bestehen kann. Da bereits durch eine Kapitalverflechtung ein Risikoverbund begründet wird, ist eine solche Ausnahmeregelung zu bedauern.7

F. Konzerntypische Rechte, Hinzurechnung und Abzug von Rechten, Ermittlung der Stimmrechte, Aufstellungserleichterungen und befreiende Konzernabschlüsse (§ 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG iVm. §§ 290 Abs. 2–5, 291 f. HGB) Durch § 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG, der auf § 290 Abs. 2–5 HGB verweist, sind auch die konzerntypischen 37 Rechte bei der Klärung der Aufstellungspflicht nach § 11 PublG zu beachten. Damit sind Mutterunternehmen unabhängig von der Rechtsform verpflichtet, wenn sie die Größenkriterien des § 11 Abs. 1 Nr. 1–3 PublG erfüllen, Konzernabschlüsse aufzustellen, weil eine mögliche Beherrschung ausgeübt werden kann.8

G. Internationale Konzernabschlüsse (§ 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG iVm. § 315e HGB) Ein unter das PublG fallendes Mutterunternehmen kann freiwillig seinen befreienden Konzernabschluss 38 gem. § 315e Abs. 3 HGB auch nach IFRS erstellen (§ 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG). Sollte ein unter das PublG fallendes Mutterunternehmen Wertpapiere – im vorliegenden Fall Schuldtitel – in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt iSd. Art. 1 Abs. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen zugelassen haben oder die Zulassung beantragt haben, ist der Konzernabschluss nach den IFRS zu erstellen (Art. 4 der Verordnung [EG] Nr. 1606/2002 des Europäischen Par1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 114. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 113. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 78; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 102. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 108. AA Scherer in Kölner Komm. RLR, § 271 HGB Rz. 14. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 79. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88, 92-94. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 108.

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Anh. 1 zu § 290 Rz. 39 | Aufstellungspflicht nach § 11 PublG laments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards bzw. § 315e Abs. 2 HGB). In diesem Fall entsprechen die Vorschriften zur Abgrenzung des Konsolidierungskreises, zu Ansatz und Bewertung im Rahmen der Handelsbilanz III, der Kapital- und Schuldenkonsolidierung, der Zwischenergebniseliminierung sowie der Aufwands- und Ertragskonsolidierung den IFRS. Auf die Konsequenzen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Größenkriterien wurde bereits oben verwiesen. 39

Die verpflichtende Aufstellungen eines IFRS-Konzernabschlusses gem. Art. 4 IAS-VO oder § 315e Abs. 2 HGB greift nur, wenn das Mutterunternehmen seiner Rechtsform nach in den Anwendungsbereich der IAS-VO in ihrer jeweils geltenden Fassung fällt. Da in Art. 4 der IAS-VO auf eine Gesellschaft verwiesen wird, kann ein Einzelkaufmann nicht verpflichtet werden, einen IFRS-Konzernabschluss zu erstellen, selbst wenn er wegen emittierter Schuldtitel „kapitalmarktorientiert“ ist.1

Anhang 2 zu § 290 HGB: Unternehmensverbindungen und Konzernrecht A. Konzernrecht I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konzernrecht als Schutz- und Organisationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verbindung zur Konzernrechnungslegung . . B. Verbundene Unternehmen (§ 15 AktG) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teleologischer Unternehmensbegriff . . . . . . III. Stärke der wirtschaftlichen Interessenbindung IV. Verbindung zur Konzernrechnungslegung . . C. Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten einer Anteils-/Kapitalmehrheit gem. Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten einer Stimmrechtmehrheit gem. Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten aus der Zurechnung gem. Abs. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verbindung zur Konzernrechnungslegung . . D. Abhängigkeit (§ 17 AktG) I. Abhängigkeitsbegriff im Konzernrecht (Abs. 1) 1. Beherrschende Einflussnahme . . . . . . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Widerlegbare Abhängigkeitsvermutung gem. Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ __ __ _ _ _ __ __ _ 1 4 8

11 14 19 22 24 32 35 43 49

54 65 73

III. Unwiderlegbare Abhängigkeitsvermutung bei wechselseitig beteiligten Unternehmen gem. § 19 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbindungen zur Konzernrechnungslegung E. Konzern (§ 18 AktG) I. Aktienrechtlicher Konzernbegriff . . . . . . . . II. Begriff der einheitlichen Leitung . . . . . . . . . III. Konzernvermutungen 1. Widerlegbare Konzernvermutung bei Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unwiderlegbare Konzernvermutung bei Beherrschungsvertrag und Eingliederung . . . IV. Verbindung zur Konzernrechnungslegung . . F. Spezielle Regelungen zum Konzernrecht I. Faktischer Konzern (§§ 311 ff. HGB) 1. Idee und Konsequenzen des faktischen Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachteilige Einflussnahme und Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Qualifizierte Nachteilszuführung . . . . . . . . . II. Vertragskonzern (§§ 291 ff. AktG) 1. Idee und Konsequenzen des Vertragskonzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eingliederung (§§ 319 ff. AktG) . . . . . . . . . . IV. Verbindung zur Konzernrechnungslegung . .

__ __ _ __ _ __ __ __ 82 85 90 94 99

101 102

105 107 110 112 120 129 132

Literatur: Lehertshuber, Unternehmensvertragsrecht und Konzernhandelsbilanz, 1986; Hüttemann, Der Entherrschungsvertrag im Aktienrecht, ZHR 156 (1992), 314; Ehricke, Gedanken zu einem allgemeinen Konzernorganisationsrecht zwischen Markt und Regulierung, ZGR 1996, 300; Kropff, Der Konzernabschluss – eine Randerscheinung im Gesellschaftsrecht?, FS Claussen, 1997, 659; Mülbert, Unternehmensbegriff und Konzernorganisationsrecht, ZHR 163 (1999), 1; Schmidt, Konzernunternehmen, Unternehmensgruppe und Konzernrechtverhältnis, FS Lutter 2000, 1167; Koppensteiner, Konzerne und Abhängigkeiten jenseits des Gesellschaftsrechts, FS Hopt, 2010, 959.

A. Konzernrecht I. Begriff 1

Als Konzernrecht werden jene Vorschriften (des AktG) bezeichnet, die sich mit rechtlich selbständigen Unternehmen beschäftigen, die aber auf der Basis gesellschaftsrechtlicher Instrumente miteinander ver1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 315a Rz. 20; wohl auch IDW, WP Handbuch15, G Rz. 67, die auf die vorhergehende Quelle ohne einschränkende Aussagen verweisen.

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A. Konzernrecht

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Rz. 5 Anh. 2 zu § 290

bunden sind. Die §§ 15–19 AktG definieren die maßgeblichen Begriffe, die auch für weitere Gesellschaftsformen, auch Vereine, Stiftungen oder Genossenschaften, gelten.1 Zusammen mit den §§ 20–22 AktG bilden sie das sog. allgemeine Konzernrecht.2 Die Vorschriften zum speziellen Konzernrecht im Dritten Buch des AktG (§§ 291 ff. [Unternehmensverträge], 311 ff. [Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen], 319 ff. [Eingegliederte Gesellschaften]) setzen voraus, dass von der Unternehmensverbindung mindestens eine AG oder KGaA als abhängiges Unternehmen betroffen ist. Rspr. und Lehre haben mit dem qualifizierten faktischen Konzern bzw. der Existenzvernichtungshaftung Grundsätze zur Konzernbildungskontrolle entwickelt.3 Für die GmbH wurde durch die Rspr. des II. Zivilsenats des BGH ein GmbH-Konzernrecht entwickelt.4 2 Der Kern eines Abhängigkeitsvertrags, nach dem die Weisungen für die abhängige GmbH nachteilig sein können, entspricht dem Wesen der aktienrechtlichen Regelung.5 Auch der Schutz der Minderheiten der abhängigen GmbH ist entsprechend §§ 304, 305 AktG im Vertrag festzulegen; dort ist auch angemessener Ausgleich oder eine Abfindung vorgesehen.6 Der Begriff „Konzernrecht“ sollte nicht fehlinterpretiert werden: Entscheidend ist nach § 15 AktG der Begriff der verbundenen Unternehmen; auch § 311 Abs. 1 AktG zum faktischen Konzern verweist nicht auf den Konzern iSv. § 18 AktG, sondern auf das Abhängigkeits- bzw. Beherrschungsverhältnis gem. § 17 AktG.7 Die nach dem AktG geschaffenen Regelungen des Konzernrechts konzentrieren sich auf die einzelnen Rechtsträger, die zu einer Gruppe zusammengeschlossen sind, und deren Rechtsverhältnisse zueinander. Der „Konzern als fiktives Unternehmen“ spielt dabei nur eine nachgeordnete Rolle.8

3

II. Konzernrecht als Schutz- und Organisationsrecht Von abhängigen Gesellschaften ist die Rede, wenn einzelne Gesellschafter, die weitere unternehmerische 4 Interessen außerhalb der betreffenden Gesellschaft haben, in der Lage sind, einen Einfluss auf die Verwaltung der betreffenden Gesellschaft auszuüben. In diesen Fällen könnte die Unternehmensleitung, statt in eigener Verantwortung im Interesse aller Gesellschafter die Geschäfte zu führen, Weisungen eines Gesellschafters befolgen, ohne dass dieser eine organschaftliche Verantwortung hat; in solchen Fällen mutiert das Aufsichtsorgan regelmäßig zum faktischen Leitungsorgan. Die Rechte der Hauptversammlung zur Gewinnverwendung (§§ 58 Abs. 3, 4, 174 AktG) und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG) könnten durch Vertragsabschlüsse mit herrschenden Unternehmen mit dem Ziel einer verdeckten Gewinnausschüttung umgangen werden. Beispiele für entsprechende Geschäfte sind Kreditgewährungen ohne ausreichende Sicherheiten oder gar ohne Gegenleistung, die Verrechnung von Konzernumlagen, der Abschluss nicht marktüblicher Beratungs- und Lizenzverträge, Auftragsabgabe, Effektentausch oder Abgabe von Grundstücken, Übertragung von Patenten und Know-how sowie die Einstellung aussichtsreicher Entwicklungen oder die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen und Geschäftschancen für eigene Interessen (sog. Konzernkonflikte).9 Das Verständnis und die Bedeutung sowie die Frage, welche Ziele mit dem Konzernrecht verfolgt wer- 5 den, ist in der juristischen Literatur keineswegs eindeutig: Sollen die Normen ausgehend von den Vorschriften zu verbundenen Unternehmen (§§ 15 AktG) sicherstellen, dass Gesellschafter nicht wegen anderer Interessen die Gesellschaft und deren Außenseiter (Minderheitsgesellschafter und Gläubiger) nachteilig beeinflussen, oder sollen Grenzen zulässiger Unternehmensverbindungen und damit die Organisation einer Unternehmensgruppe, die sich um verbundene Unternehmen bildet, geregelt werden?10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 3; J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 2, 7. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 1; J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 7. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 15. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 16, § 28 Rz. 1–4. Verweise auf die Rspr. zum GmbH-Konzernrecht ebenda, § 1 Fn. 43, § 28 Fn. 5–11. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 32 Rz. 7–9; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19, Anh. § 13 Rz. 46. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 32 Rz. 25–28; Lutter in Lutter/Hommelhoff GmbHG19, Anh. § 13 Rz. 66 f. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 8, § 17 Rz. 3; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 5. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 25–27 mwN. Siehe auch Seibt in Schmidt/Lutter, AktG3, § 76 Rz. 27; Mertens/Cahn in Kölner Komm. AktG3, § 76 Rz. 65; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 7. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 26 Fn. 63. Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 10, 13, § 291 Rz. 5–10; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 17; Ehricke ZGR 1996, 300 (303–325); Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 (20–53).

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 6 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht Das Verhältnis der organisationsrechtlichen Interpretation zur Schutzfunktion wird unterschiedlich verstanden.1 6

Autoren, die die Schutzfunktion des AktG in den Vordergrund stellen, argumentieren primär mit dem oben angeführten sog. Konzernkonflikt. Schließlich gelten bei nachteiliger Einflussnahme im Unterordnungskonzern durch das herrschende Unternehmen bzw. im Gleichordnungskonzern durch Schwestergesellschaften Einzelausgleichs-, Verlustausgleichs sowie Durchgriffsansprüche. Diese Vorschriften dienen dem Schutz der abhängigen Gesellschaft sowie dem Schutz von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern.2

7

Dass konzernrechtliche Regelungen nicht nur eine Schutzfunktion haben, zeigt sich in der Verdrängung des in § 76 Abs. 1 AktG fixierten Grundsatzes der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch die in §§ 308, 323 Abs. 1 AktG normierten Weisungsrechte des herrschenden Unternehmens. Herrschende Unternehmen sind im Gegensatz zu herrschenden Privatinvestoren privilegiert, die über solche Vorrechte nicht verfügen (Organisationsprivileg im Konzernrecht). Selbst den Regelungen zum Nachteilsausgleich wird eine organisationsrechtliche Qualität nicht abgesprochen, weil ein Nachteil erst zeitlich verzögert auszugleichen ist.3 Allerdings wird man nicht so weit gehen können, die Organe der beherrschenden Gesellschaft zu Grundorganen eines Konzerns weiter zu entwickeln,4 vielmehr wird man von der Sache eher von einem (Organisations-)Recht der Konzernobergesellschaft sprechen können.5 Mit Verweis auf den qualifiziert faktischen Konzern werden aber auch die Zulässigkeit und die Grenzen der faktischen Beherrschung diskutiert.6

III. Verbindung zur Konzernrechnungslegung 8

Obwohl in §§ 290 ff. HGB die Konzernrechnungslegung geregelt ist, findet sich im HGB keine Definition des Konzernbegriffs. Eine eigenständige Konzerndefinition findet sich zwar in § 18 AktG (Ein Konzern ist ein Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen, wobei mindestens zwei Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind); seit mit dem BilMoG das Konzept der ausgeübten einheitlichen Leistung (§ 290 Abs. 1 HGB aF) für die Bestimmung einer Mutter-Tochter-Beziehung aufgegeben wurde und allein die mögliche Beherrschung zu beachten ist, können aus § 18 AktG keine Erkenntnisse zum Begriff der Mutter-Tochter-Beziehung gewonnen werden. Aber auch in der juristischen Kommentierung wird heute die Abhängigkeit iSd. § 17 AktG als zentraler Begriff des Konzernrechts verstanden, nicht so sehr der Konzernbegriff des § 18 AktG.7

9

Im Zusammenhang mit den oben angeführten Konzernkonflikten (vgl. Rz. 4) sind mit der (Konzern-) Rechnungslegung allein Informationspflichten verbunden. So bestehen im handelsrechtlichen Jahresabschluss für sog. verbundene Unternehmen nach HGB erweiterte Gliederungsvorschriften; Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesamtheit der verbundenen Unternehmen werden durch die Konzernrechnungslegung gem. §§ 290 ff. HGB vermittelt.8 Mit dem BilMoG wurde mit § 285 Nr. 21 HGB in der (Konzern-)Rechnungslegung der Begriff der nahe stehenden Unternehmen und Personen) eingeführt; dieser Begriff ist mit Verweis auf IAS 21 auszulegen.9 Weitere Berichtspflichten ergeben sich aus dem Aktienrecht: Der Vorstand hat gegenüber dem Aufsichtsrat über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen iSd. AktG und geschäftliche Vorgänge zu berichten (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AktG); Aktionäre haben Auskunftsrechte zu verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG).10 Der Begriff der verbundenen Unternehmen gem. § 271 Abs. 2 HGB bzw. Tochterunternehmen 1 Für einen Vorrang der Schutzfunktion vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 18, § 24 Rz. 10–13; K. Schmidt in FS Lutter, 1167 (1179–1183); Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 11, 13. Eher keinen Vorrang der Schutzzwecke und eine starke Betonung der Organisationsrechte sehen Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 (20–53); J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 10, 35–38. 2 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 18, § 24 Rz. 10–13; J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 13, § 18 Rz. 31–36, § 317 Rz. 51. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 10. 4 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 1 Rz. 18, § 9 Rz. 12–21 (zu den Rechten der Gesellschafter im Rahmen der Gruppenbildungskontrolle), Rz. 22 f. (zu den Rechten der Gesellschafter im Rahmen der Gruppenleitung). 5 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 10. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 11, § 311 Rz. 127–138, § 317 Rz. 47–69. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 8, § 17 Rz. 3. 8 Auch im Konzernrecht begründen §§ 20–22 AktG sowie §§ 33–47 WpHG, §§ 10 ff., 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, § 131 AktG Berichtspflichten, um qualifizierte Beteiligungen anzuzeigen. Im Gegensatz zur Rechnungslegung kann daraus sogar eine Ausschüttungssperre nach §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 AktG entstehen. 9 Vgl. IDW, WP Handbuch15, C Rz. 5. 10 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 16.

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B. Verbundene Unternehmen (§ 15 AktG)

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Rz. 13 Anh. 2 zu § 290

gem. § 290 HGB weicht vom Begriff der verbundenen Unternehmen im Konzernrecht nach §§ 15 AktG ab; mit den nahe stehenden Unternehmen und Personen gem. § 285 Nr. 21 HGB wird ein weiterer Begriff eingeführt, um mithilfe von Transparenzvorschriften Interessenkonflikte offenzulegen. Aktuell ist keine Abstimmung der Begriffe und der Mitteilungs- und Offenlegungspflichten zu erwarten. Die folgenden Ausführungen sind keine vollumfängliche Kommentierung der konzernrechtlichen Vor- 10 schriften iSd. §§ 15 ff., §§ 291 ff., §§ 311 ff. AktG oder §§ 319 ff. AktG, vielmehr sollen einzelne Aspekte betrachtet werden, um die Erkenntnisse beim Verständnis der Konzernrechnungslegung zu nutzen, auch wenn der (aktien-)konzernrechtliche Schutz- und Organisationsgedanke nicht deckungsgleich mit dem Zweck der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung ist, die auf eine Informationsvermittlung durch die wirtschaftliche Einheit abstellt (vgl. Vor § 290 ff. HGB Rz. 41 ff.). Einige der im AktG benannten Verbindungsformen sind gleichwohl mit den HGB-Regelungen zur Konzernrechnungslegungspflicht verbunden.1 Im Einzelnen fokussieren die Ausführungen auf die folgenden Punkte, bei denen Berührungspunkte zwischen dem Konzernrecht und der Konzernrechnungslegung gesehen werden: – Ob oder wie der Unternehmensbegriff nach § 15 AktG bei der Interpretation des „anderen Unternehmens“ iSv. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB und beim Mutterunternehmen iSv. § 11 PublG Verwendung finden kann.2 – Welche Hinweise die Stimmenrechtsmehrheit gem. § 16 AktG bei der Interpretation der „Mehrheit der Stimmrechte“ iSv. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB, der „zustehenden, zuzurechnenden und abzuziehenden“ (Stimm)Rechte iSv. § 290 Abs. 3 HGB und der „Bestimmung des Anteils der Stimmrechte“ gem. § 290 Abs. 4 HGB geben kann. – Welche Berührungspunkte der Abhängigkeitstatbestand nach § 17 Abs. 1 AktG und die mögliche Beherrschung iSv. § 290 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 HGB haben. – Ob die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 AktG auch als Contra-Interpretation der möglichen Beherrschung gem. § 290 Abs. 1 HGB verwendet werden kann; da die mögliche Beherrschung nach § 290 Abs. 2 HGB unwiderlegbar ist, kann § 17 Abs. 2 AktG hier uE keine Hinweise geben. – Wenn in § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB allgemein auf Beherrschungsverträge und Satzungsbestimmungen verwiesen wird, liegt ein Blick auf Unternehmensverträge gem. § 291 AktG nahe.

B. Verbundene Unternehmen (§ 15 AktG) I. Einführung Als verbundene Unternehmen gem. § 15 AktG gelten rechtlich selbständige Unternehmen, die im Verhält- 11 nis zueinander – in Mehrheitsbesitz stehende und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16 AktG), – abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17 AktG), – Konzernunternehmen (§ 18 AktG), – wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19 AktG) oder – Vertragsteile eines Unternehmensvertrags iSd. §§ 291, 292 AktG sind. Bei der Interpretation des Unternehmensbegriffs in § 15 AktG ist darauf abzustellen, ob ein Gesellschafter neben seiner Beteiligung an der Gesellschaft noch über weitere wirtschaftliche Interessen verfügt, die zur Besorgnis führen, dass auf die Gesellschaft in nachteiliger Weise Einfluss genommen wird.3 Aktienrechtlich ergeben sich aus der Eigenschaft eines verbundenen Unternehmens über die Vorschriften 12 des Konzernrechts hinaus noch Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat zu Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und geschäftlichen Vorgängen (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AktG) und Auskunftsrechte der Aktionäre zu verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG).4 Als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für ein „Unternehmen“ kann mit § 15 AktG die 13 rechtliche Selbständigkeit verstanden werden. Dabei ist nicht auf die volle Rechtsfähigkeit von (natürlichen und juristischen) Personen abzustellen. Entsprechend können Gesellschaften bürgerlichen Rechts (außer reine Innengesellschaften), nicht rechtsfähige Vereine und andere Organisationen „Unternehmen“ 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

IDW, WP Handbuch15, C Rz. 26. hierzu Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 89 f., in Bezug auf den Unternehmensbegriff. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 32, 38, 41–72 (Diskussion von Einzelfällen). Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 16.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 14 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht iSd. des Konzernrechts sein. Ausgeschlossen wären allerdings Betriebstätten und Zweigniederlassungen.1 Aus der Gesetzesbegründung zum AktG kann entnommen werden, dass Unternehmen auch die Rechtsform eines Einzelkaufmanns haben können.2 Eine untergeordnete Einheit kann „jedwede rechtlich irgendwie verselbständigte Organisationsform mit wirtschaftlicher Prägung sein, mit Ausnahme von Privatpersonen“.3

II. Teleologischer Unternehmensbegriff 14

Bestimmend für den teleologischen Unternehmensbegriff in §§ 15 ff. AktG sind zunächst die Gefahren für die Gesellschaft und deren Minderheitsgesellschafter bzw. Gläubiger durch die Einflussnahme eines weiteren Gesellschafters mit anderweitigen wirtschaftliche Interessen. Zweck der aktienrechtlichen Vorschriften zu verbundenen Unternehmen ist es letztlich, rechtliche Lösungen zu schaffen, wenn kein gleichgerichtetes Interesse zwischen Aktionär und Unternehmen/Gesellschaft besteht. Entsprechend wird vorgeschlagen, ein „solches eigenes konfliktträchtiges Interesse des Großaktionärs“4 als Indiz für ein Unternehmen zu sehen. Bei einer solchen Sichtweise würde der Schutzzweck des Konzernrechts in den Vordergrund gerückt (vgl. Rz. 5 ff.).5 Würde stattdessen die Frage nach den speziellen organisationsrechtlichen Möglichkeiten gestellt, stünde im Vordergrund, ob ein Gesellschafter die geforderte Unternehmenseigenschaft schon erfüllt, nicht ob ein Gesellschafter noch als gewöhnlicher Privatgesellschafter zu sehen ist.6 Allerdings würde auch bei einer Fokussierung auf die speziellen konzernrechtlichen Organisationsformen, die einen privilegierten unternehmerisch aktiven Gesellschafter sehen, statt die Schutzfunktion herauszustellen, im Kern keine andere Abgrenzung folgen. Vorteil dieser, die spezielle konzernrechtliche Organisationsform in den Vordergrund stellenden typisierenden Sichtweise ist jedoch der Verzicht auf einen konkreten Interessenkonflikt; auch müssen die anderweitigen wirtschaftlichen Interessen nicht zwingend unmittelbar verfolgt werden.7

15

Stellt man auf den teleologischen Unternehmensbegriff ab, kann bei einer Privatperson bereits eine selbständige freiberufliche Tätigkeit als unternehmerische Tätigkeit gelten, weil Interessenkonflikte aus einer unternehmerischen Aktivität bestehen können.8 Bei dieser weiten Abgrenzung können selbst einzelne Gesellschafter Unternehmen sein, sofern eine unternehmerische Aktivität außerhalb des betreffenden Unternehmens vorliegt.9 In jedem Fall ausreichend für eine unternehmerische Betätigung ist ein Gewerbebetrieb iSd. § 1 Abs. 2 HGB oder ein Betrieb der Land- und Fortwirtschaft, ohne dass ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb notwendig ist; auch eine wirtschaftlich relevante Vermietung kann eine unternehmerische Tätigkeit begründen.10 Erforderlich ist jedoch eine gesellschaftsrechtlich vermittelte, mögliche oder tatsächliche Einflussnahme.11

16

Die Unternehmenseigenschaft einer (Spitzen-)Holding, die ausschließlich maßgeblich an einer (Zwischen)Holding beteiligt ist, wird differenziert in der Kommentierung eingeschätzt. Die enge Abgrenzung sieht in der (Spitzen-)Holding kein Unternehmen, wenn sich diese auf die Beteiligung an der (Zwischen-)Holding beschränkt; nur der Zwischenholding wird eine Unternehmenseigenschaft zugesprochen. Werden die Beteiligungen aber letztlich von der (Spitzen-)Holding verwaltet und besteht die Zwischenebene nur der Form nach, ist auch die (Spitzen-)Holding ein Unternehmen.12 Die weitergehende Interpretation sieht al1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 31; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 16; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 57; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 15. 2 Vgl. Begründung zu dem RegE des AktG idF von 1965, BT-Drucks. 4/171, in Kropff, Aktiengesetz, 27. 3 Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 13. 4 Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 90. 5 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 6. 6 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 7. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 38 f. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 41; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 15; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 33; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 15 AktG Rz. 11b. Kritisch Windbichler in Großkomm. AktG5, § 15 Rz. 23, die eine Berührung mit dem Beteiligungsunternehmen fordert. 9 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 19–21; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 35–43 (umfassende Diskussion); Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 9; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 13. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 41; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 15; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 33. 11 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 44; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 15 Rz. 28 hält bereits schuldrechtliche Beziehungen für ausreichend. 12 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 49; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 8.

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B. Verbundene Unternehmen (§ 15 AktG)

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Rz. 20 Anh. 2 zu § 290

lein wegen der wirtschaftlichen Interessenbindung, aus der eine Konzerngefahr entstehen kann, in der Spitzenholding ein Unternehmen 1 Eine reine Innengesellschaft, wie sie bei Arbeitsgemeinschaften, Stimmrechtskonsortien oder „Familienstämmen“ bestehen kann, ist idR kein Unternehmen iSd. § 15 AktG, wenn allein auf die Bündelung der Stimmrechte abgestellt wird, weil die rechtliche Selbständigkeit fehlt und sich die Vorschriften für verbundene Unternehmen auf die Beziehungen der Unternehmen zueinander beschränken.2 Allerdings kann für die beteiligten natürlichen oder juristischen Personen einer Innengesellschaft die Unternehmereigenschaft gegeben sein.3 Sollte eine Familiengesellschaft auch außerhalb der von ihr geleiteten Unternehmen unternehmerisch aktiv sein oder sollte sie von einem oder mehreren Gesellschaftern beherrscht werden, die zugleich außerhalb der Innengesellschaft unternehmerisch tätig werden, ist eine Unternehmenseigenschaft gegeben.4 Sollten noch andere maßgebliche Beteiligungen koordiniert oder verwaltet werden, ist ebenfalls ein Unternehmen gegeben.5 Für die beiden letzten Fälle wird einschränkend in der Literatur auch auf die Notwendigkeit einer BGB-Außengesellschaft verwiesen.6

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Bei der öffentlichen Hand kann im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass eine Unternehmenseigenschaft vorliegt, weil der Staat über keine Privatsphäre verfügt und daher immer ein Konzernkonflikt besteht. Die sonstigen Interessen oder politischen, religiösen und weltanschaulichen Zielsetzungen des Staats rechtfertigen die Unternehmenseigenschaft, weil diese zu Lasten der Gesellschaft oder Mitgesellschafter bzw. Gläubiger gehen.7 In der Rspr. zum Konzernrecht hat sich diese Sichtweise durchgesetzt.8

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III. Stärke der wirtschaftlichen Interessenbindung Bei der Frage der Stärke der wirtschaftlichen Interessenbindung des potenziellen Unternehmers wird mittlerweile auf die maßgebliche Beteiligung an mindestens einer weiteren Gesellschaft abgestellt, die ausreicht, um eine mögliche Einflussnahme zu eröffnen. Dazu muss eine ernsthafte Möglichkeit bestehen, durch die Ausübung von Leitungsmacht sich in anderen Gesellschaften ebenfalls unternehmerisch zu betätigen.9 Eine Einflussnahme muss möglich sein, sie muss nicht genutzt werden.10 Einschränkend wird jedoch gefordert, dass diese Möglichkeit gesellschaftsrechtlich begründet ist; allein schuldrechtlich begründete Interessen sind nicht ausreichend.11

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Eine Mehrheitsbeteiligung ist hinreichend, aber nicht notwendig. Auch eine Präsenzmehrheit oder Stimmbindungsverträge können ausreichen. Statt einer Mehrheitsbeteiligung wird ein maßgeblicher Einfluss auf die Gewinnverwendung oder bei der Besetzung der Leitungsorgane verlangt.12 Selbst bei einer 25 %-Beteiligung wird eine maßgebliche Beteiligung im obigen Sinne gesehen, wenn diese mit weiteren rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeiten eine Einflussnahme eröffnen, die beständig umfassend ausgeübt wird; eine Blockademöglichkeit reicht hingegen nicht.13

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1 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 33; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 15 AktG Rz. 17; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 68. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 66; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 28; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 58; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 15 Rz. 48; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 9; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 18; aA Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 15 Rz. 41, der bereits in der Stimmkoordination ein mittelbares Auftreten im Außenverhältnis sieht. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 66. 4 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 18; J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 67. 5 Vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 15 AktG Rz. 20a; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 29. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 66; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 15 Rz. 48. 7 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 38 ff.; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 15 Rz. 29; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 11; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 7a, 20–28. 8 Vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise bei J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Fn. 69. 9 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 11. 10 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 14, 19–21, 33; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 25. 11 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 11; J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 47. 12 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 47; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 15 AktG Rz. 14; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 22; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 48; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 7. 13 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 45–48; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 2 Rz. 12; aA Windbichler in Großkomm. AktG5, § 15 Rz. 36 ff.; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 15 Rz. 27 f.; ausreichend seien bereits Anteile von 5 % bzw. 10 %.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 21 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht 21

Bei Beteiligungen an Personengesellschaften wird man wegen der persönlichen Haftung grds. davon ausgehen können, dass eine maßgebliche Beteiligung vorliegt.1

IV. Verbindung zur Konzernrechnungslegung 22

In der handelsrechtlichen (Konzern)Rechnungslegung ist der Begriff des Unternehmens nicht definiert. Verweist man auf den teleologischen Unternehmensbegriff, steht der Zweck der Konzernrechnungslegung im Mittelpunkt, um den handelsrechtlichen Unternehmensbegriff zu bestimmen: Ziel der Konzernrechnungslegung ist Informationsvermittlung über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirtschaftlichen Einheit mithilfe eines konsolidierten Abschlusses. Ohne einen konsolidierten Abschluss wird der durch eine Kapitalverflechtung begründete Risikoverbund nicht offengelegt.2 Der teleologische Unternehmensbegriff ist im HGB auch im Zusammenhang mit den Zweckgesellschaften iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB erkennbar, indem sogar Einheiten als Unternehmen gelten, die auch durch schuldrechtliche Verträge einen Risikoverbund schaffen.

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Der konzernrechtliche Begriff der verbundene Unternehmen ist nicht deckungsgleich mit der Definition nach § 271 Abs. 2 HGB; der handelsrechtliche Begriff umfasst all jene Unternehmen, die als Mutter- oder Tochterunternehmen nach § 290 HGB (Mutter-Tochter-Verhältnis; erste Verbundbedingung3) gemäß den Vorschriften der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einzubeziehen sind (Einbeziehung in den Konzernabschluss; zweite Verbundbedingung4). Die Definition verbundener Unternehmen nach § 271 Abs. 2 iVm. § 290 HGB ist einerseits enger als diejenige nach § 15 AktG, da (nicht qualifiziert) wechselseitige Beteiligungen (§ 19 Abs. 1 AktG), Unternehmen eines Gleichordnungskonzerns (§ 18 Abs. 2 AktG) und eine Kapitalmehrheit an einem Unternehmen nicht erfasst werden.5 Die Definition verbundener Unternehmen nach § 271 Abs. 2 iVm. § 290 HGB geht andererseits über diejenige nach §§ 15 ff. AktG hinaus, da das Recht, die Mehrheit der Mitglieder eines Gesellschaftsorgans zu bestellen, zwar eine unwiderlegbare Mutter-Tochter-Beziehung schafft, aber keine Abhängigkeit gem. § 17 AktG.6 Eine Zurechnung von Stimmrechten wird zwar nach § 290 Abs. 3 HGB zum Erreichen einer Stimmrechtsmehrheit gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB zugelassen, eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG ist zumindest strittig (vgl. Rz. 48). Gem. § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB iVm. § 271 HGB werden auch Verbindungen ohne Stimmen- und Kapitalanteil als verbundene Unternehmen definiert, solange nur Risiken und Chancen zugerechnet werden (Zweckgesellschaften).

C. Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG) I. Einführung 24

Die Regelungen des § 16 AktG beziehen sich auf jede Mehrheitsbeteiligung eines „Unternehmens“ iSd. § 15 AktG an einem anderen rechtlich selbständigen Unternehmen.7 Die Rechtsform ist unbeachtlich. Allerdings muss beim Beteiligungsunternehmen eine Anteils- oder Stimmrechtsmehrheit nach § 16 AktG möglich sein, was ein mitgliedschaftsrechtlich verfasstes Unternehmen unterstellt, dessen Willensbildung durch Mehrheitsentscheidungen getroffen wird; bei Stiftungen und öffentlichen Unternehmen fehlt es daran.8 Bei einem Versicherungsverein aG oder einem Idealverein fehlt es an Kapitalanteilen.9

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Bei der Definition einer Mehrheitsbeteiligung gem. § 16 AktG kann auf die Mehrheit der Stimmrechte und der Kapitalanteile verwiesen werden; es ist ausreichend, wenn eines der beiden Kriterien erfüllt ist.

1 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 15 Rz. 23; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 15 Rz. 49; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 7. 2 Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 88, 92–94, allgemein zur Ausnahme bei vermögensverwaltenden Aktivitäten. 3 Vgl. ausführlich mit zahlreichen Beispielen Küting in HdR, § 271 HGB Rz. 104–128 (Stand Nov. 2016). 4 Vgl. ausführlich mit zahlreichen Beispielen Küting in HdR, § 271 HGB Rz. 129–161 (Stand Nov. 2016). 5 Vgl. IDW, WP Handbuch15, C Rz. 27. 6 Vgl. IDW, WP Handbuch15, C Rz. 29. 7 An eine Mehrheitsbeteiligung knüpfen eine Vielzahl aktienrechtlicher Normen an, vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 1, aber auch § 271 Abs. 1 Satz 4 HGB und § 285 Nr. 11 HGB nehmen darauf (indirekt) Bezug. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 3, 11; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 19; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 15; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 1a; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 20. 9 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 17; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 15; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 20.

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C. Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG)

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Rz. 30 Anh. 2 zu § 290

Regelmäßig führen beide Kriterien zur gleichen Abgrenzung. Beispiele für ein Auseinanderfallen von Stimmrechts- und Anteilsmehrheit ergeben sich für die AG bei der Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien (§§ 12 Abs. 1, 139 ff. AktG) oder noch aus früheren Zeiten bestehenden Mehrfachstimmrechten (§ 12 Abs. 2, § 5 EGAktG). Weitere Gründe für ein Auseinanderfallen bestehen bei satzungsbedingten Stimmrechtsbeschränkungen (§ 134 Abs. 1 Satz 2–4 oder Abs. 2 Satz 2 AktG) oder bei Ausübungsverboten gem. §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 3 sowie 328 Abs. 1 AktG bzw. § 44 Satz 1 WpHG.1 Bei einer GmbH oder Personengesellschaft sind weitere Abweichungen aufgrund der im Innenverhältnis geltenden Vertragsfreiheit möglich (§ 311 Abs. 1 BGB, § 109 HGB, § 45 Abs. 1 GmbHG). Allerdings ist auch für eine GmbH eine gesonderte Übertragung von Stimmrechten iS einer Stimmrechtsabspaltung nicht vorgesehen.2

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Beim konzernrechtlichen Mehrheitsbegriff ist von einer einfachen Mehrheit auszugehen, die regelmäßig 27 erreicht wird, wenn 50 % der Anteile plus 1 Anteil bzw. 50 % der Stimmrechte plus 1 Stimme vorliegen. Die Anteilsquote wird dabei bestimmt vom Verhältnis des Nennbetrags der gehaltenen Anteile zum Nennkapital des Beteiligungsunternehmens abzüglich eigener Anteile; die Stimmrechtsquote entspricht dem Verhältnis der Anzahl der gehaltenen und ausübbaren Stimmrechte zur Gesamtzahl aller Stimmrechte abzüglich jener, die eigenen Anteilen zugeordnet sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG).3 Zur Berechnung des Kapital- oder Stimmenanteils ist auf jene Anteile abzustellen, die dem Unternehmen 28 iS einer dinglich verankerten Inhaberschaft gehören. Ob Anteile einem Unternehmen „gehören“, bestimmt sich nach der Rechtsnatur der Anteile.4 Neben dem „Gehören“ wird beim Stimmrecht auch noch das „Ausüben können“ zu betrachten sein.5 „Gehören“ umfasst nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur die unmittelbaren Rechte, sondern auch die „mittelbaren“, soweit diese von abhängigen Unternehmen oder von anderen Unternehmen für Rechnung des Unternehmens oder eines von ihm abhängigen Unternehmens gehalten werden. Ist der Inhaber ein Einzelkaufmann, gehören ihm auch jene Anteile aus seinem sonstigen Vermögen (§ 16 Abs. 4 AktG). Einem Treugeber, Sicherungsnehmer, Nießbrauchsberechtigten, Pfandgläubiger sowie schuldrechtlich Be- 29 teiligten – Unteranteil am Anteil – „gehören“ keine Anteile; sie stehen dem Treuhänder, Sicherungsgeber, Nießbrauchsverpflichtetem und Pfandschuldner/Verpfänder zu. Allerdings kann eine Zurechnung der Kapitalanteile bzw. Stimmrechte gem. § 16 Abs. 4 AktG zu beachten sein.6 Bei Treugebern oder Nießbrauchsberechtigten können sich je nach rechtlicher Ausgestaltung zudem Besonderheiten bei der Zuordnung der Stimmrechte gem. § 16 Abs. 1 AktG ergeben (vgl. Rz. 45). Im Rahmen einer Wertpapierleihe gehören Anteile und Stimmrechte dem Sachdarlehensnehmer (der Entleiher), nicht dem Sachleistungsgeber (der Verleiher).7 Da der Sachleistungsgeber idR auch kein wirtschaftliches Risiko trägt, wird bei einer Wertpapierleihe auch eine Zurechnung gem. § 16 Abs. 4 AktG verneint.8 Bei Wertpapierpensionsgeschäften orientiert sich das wirtschaftliche Eigentum an den konkreten Umständen des Einzelfalls.9 Eigene Aktien bzw. Stimmrechte aus eigenen Aktien werden von dem Nennkapital des Beteiligungsunter- 30 nehmens bzw. von der Gesamtzahl der Stimmrechte (im Nenner des Quotienten) abgezogen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 AktG).10 Eigene Anteile können daher zu einer Mehrheitsbeteiligung führen, auch wenn von einem Unternehmen weniger als 50 % des gesamten Nennkapitals bzw. der Stimmrechte gehalten werden. Um Gestaltungen aufgrund eigener Anteile bzw. der Stimmrechte aus eigenen An1 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 2; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 31. 2 Vgl. Schmidt in Scholz, GmbHG11, § 47 Rz. 20; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19, § 47 Rz. 4; Koppensteiner/ Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG5, § 47 Rz. 24, mit begründeten Bedenken gegenüber der strikten Ablehnung. 3 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 4 f.; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 30. 4 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43 f. 5 Auf die (dingliche) Rechteinhaberschaft stellen ab J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 5; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 24; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 27; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 21; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 31; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 26. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 5; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 25–28; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 27; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 31; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 26. Nach J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 37 werden dem Sicherungsgeber die Anteile erst nach § 16 Abs. 4 AktG zugerechnet. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 5; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 21. 8 Vgl. Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 22. 9 Vgl. analog zum Bilanzrecht Schmidt/Ries in Beck BilKomm.10; § 246 HGB Rz. 24–27. 10 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 4 f.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 39.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 31 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht

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teilen zu verhindern, gelten von einem Treuhänder für Rechnung eines Treugebers gehaltene Anteile ebenfalls als eigene Anteile (§ 16 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 AktG).1 Nicht als eigene Anteile gelten die von einem abhängigen Unternehmen oder für dessen Rechnung von einem Dritten gehalten Anteile, da auf den Wortlaut des Gesetzes verwiesen wird. Diese Anteile wären mithin auch nicht von der Gesamtzahl der Anteile abzuziehen.2 Das Gleiche gilt für die Stimmrechte aus diesen Anteilen.3 Diese Interpretation wird seit der Einführung der §§ 71a ff. AktG kritisiert.4

II. Besonderheiten einer Anteils-/Kapitalmehrheit gem. Abs. 2 32

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Das gesamte Nennkapital wird bei der AG anhand des Grundkapitals, bei der GmbH anhand des Stammkapitals bestimmt. Für die Kapitalmehrheit sind unterschiedliche Anteilsgattungen irrelevant; Vorzugsaktien werden erfasst. Rücklagen, einschließlich der Kapitalrücklagen, sind nicht zu beachten.5 Das Grundkapital einer AG wird durch bedingtes und genehmigtes Kapital erst mit einer wirksamen Kapitalerhöhung gem. § 200 AktG bzw. §§ 203 Abs. 1 Satz 1, 189 AktG erhöht.6 In § 221 AktG angeführte Schuldverschreibungen und Genussrechte vermitteln keine mitgliedschaftlichen Rechte, sondern nur (schuldrechtlich begründete) Ansprüche; sie sind daher keine Anteile.7 Bei einer Personengesellschaft richtet sich die Anteils-/Kapitalmehrheit nach der für die Gewinnverteilung im Innenverhältnis maßgeblichen Einlage; die für das Außenverhältnis maßgebliche Haftsumme ist irrelevant. Bei variablen Kapitalkonten werden die Mehrheitsverhältnisse anhand der für den geltenden Zeitpunkt geltenden Beträge bestimmt; idR die am letzten Bilanzstichtag festgestellten Beträge.8 Bei Idealvereinen und Versicherungsvereinen aG,9 aber auch bei Stiftungen10 scheidet wegen fehlender Kapitalanteile eine Anteilsmehrheit aus.

III. Besonderheiten einer Stimmrechtmehrheit gem. Abs. 3 35

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Bei der Personengesellschaft gilt als gesetzliche Regel das Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB); damit greift das Kriterium der Stimmenmehrheit bei der Personengesellschaft grundsätzlich nicht. Wird bei der Personengesellschaft jedoch von der gesetzlichen Regelung abgewichen, kann auch eine Stimmenmehrheit iSd. § 16 Abs. 3 AktG als Kriterium relevant werden.11 Bei einem Verein ist eine Stimmrechtsmehrheit möglich, wenn sie satzungsmäßig begründet ist;12 bei einem Versicherungsverein aG ist das Kriterium einer Stimmrechtsmehrheit strittig;13 bei einer Genossen1 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 4 f.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 39; Küting/Weber, Konzernabschluss13, S. 30 f. 2 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 33; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 25; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 13; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 4; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 30 f. 3 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 5; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 30. 4 Kritisch hierzu bei der Berechnung der Kapitalmehrheit J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 10; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 15; generell Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 25, 33. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 8; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG3, § 16 Rz. 30 f.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 22. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 8; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 6; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 22. 7 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 4. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 9; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG3, § 16 Rz. 13, 35; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 26; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 21. 9 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG3, § 16 Rz. 17; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 15; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 20. 10 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG3, § 16 Rz. 19; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 8; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 15; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 20. 11 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 11 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 13, 35; Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 16 AktG Rz. 6; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 42; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 45. Vgl. auch nach HGB: Vgl. ADS6, § 290 HGB Rz. 32 ff.; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 Rz. 38. 12 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 12; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 37 AktG Rz. 10. 13 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 12; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 17, für diese Möglichkeit; aA Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 17; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 46.

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C. Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG)

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Rz. 41 Anh. 2 zu § 290

schaft ist eine Stimmenmehrheit im Regelfall nicht möglich;1 bei Stiftungen und öffentlichen Unternehmen fehlt es daran.2 Eine Stimmrechtsmehrheit nach § 16 Abs. 1, 3 AktG verweist nach Einschätzung eines Teils der Literatur 37 auf einen abstrakten Mehrheitsbegriff, dh. sie ist unabhängig davon, ob (gesellschafts-)vertraglich oder per Satzung für bestimmte oder alle Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit gilt oder ob eine Gesellschafterversammlung Beschlüsse an ein anderes Organ delegieren kann.3 Allerdings kann in solchen Fällen die Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 AktG widerlegt werden. Sollte bei unterschiedlichen Beschlussobjekten den Anteilen unterschiedliche Stimmkraft zugeordnet werden, wird auf die Mehrheit in leitungsrelevanten Entscheidungen abgestellt.4 Ein anderer Teil der Literatur sieht hingegen bereits auf der Ebene des § 16 Abs. 1, 3 AktG trotz einfacher Stimmenmehrheit dann keine Mehrheitsbeteiligung, insbes. wenn für wesentliche Beschlussgegenstände kein einfacher Mehrheitsentscheid möglich ist. Beispiele sind die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, die Ergebnisverwendung oder das Weisungsrecht in Geschäftsführungsangelegenheiten.5 Diese Einschränkung bereits auf der Ebene des § 16 AktG wird damit begründet, dass bereits aus der Mehrheitsentscheidung Rechtsfolgen resultieren, nicht erst aus der Abhängigkeit. Stimmrechtslose Vorzugsaktien sind bei der Ermittlung der Gesamtstimmenzahl und der Stimmenzahl 38 des beteiligten Unternehmens zu vernachlässigen. Sollte das Stimmrecht aufgrund § 140 Abs. 2 AktG wieder aufleben, sind sie bei der Gesamtstimmenzahl und der Stimmenzahl des beteiligten Unternehmens zu beachten.6 Rechte auf den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung (potenzielle Stimmrechte) – aus Kaufoptionen auf An- 39 teile oder Wandel- oder Optionsanleihen – gehören wegen der fehlenden rechtlichen Absicherung bei der Ermittlung des Stimmanteils gem. § 16 Abs. 3 AktG nicht dem Inhaber (dem Optionsberechtigten). Dies gilt auch, wenn eine Kaufoption auf Anteile zusätzlich durch die Stillhalteposition aus einer Verkaufsoption abgesichert ist. Potenzielle Stimmrechte aus Kaufoptionen auf Anteile (mit und ohne Stillhalteposition einer Verkaufsoption) stehen dem Inhaber der Anteile zu.7 Erwerbsrechte begründen auch nach § 17 Abs. 1 AktG keinen Abhängigkeitstatbestand (sog. vorwirkende Abhängigkeit); unabhängig davon, ob es sich um schuldrechtliche oder dingliche Rechte handelt.8 Diese restriktive Einordnung von Erwerbsrechten wird explizit mit dem konzernrechtlichen Organisationsprivileg begründet, das mit einer vermuteten Abhängigkeit geschaffen wird, weniger mit der Idee von Schutzrechten für Minderheiten und Gläubiger.9 Unternehmen, denen das Depotstimmrecht übertragen wird, stehen die Stimmrechte iSd. Vorschrift nicht 40 zu.10 Mit einer schuldrechtlichen Vereinbarung, wie bei einer Stimmbindung oder einem Stimmrechtsverzicht, wird die Möglichkeit der Ausübung der Stimmrechte iSd. Konzernrechts nicht ausgeschlossen. Trotz schuldrechtlicher Stimmbindung oder schuldrechtlichen Stimmrechtsverzichts stehen die Stimmrechte weiterhin dem Inhaber der Anteile zu, nicht dem Berechtigten aus dem Vertrag. Damit kann weder 1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 12; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 49 f.; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 15. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 3, 11; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 19; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 15; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 1a; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 20. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 13; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 11; Schall in Spindler/ Stilz, AktG3, § 16 Rz. 38 f. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 13; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 11, 42. 5 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 18 f.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 5; Casper in Großkomm. GmbHG2, Anh. § 77 Rz. 25; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 32. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 18; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 22; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 37; Koppensteiner in Kölner Komm AktG3, § 16 Rz. 39, 44. Siehe auch Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 29 ff.; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 37. 7 Vgl. auch die Literatur zu § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB: Grottel/Kreher in Beck BilKomm10, § 290 HGB Rz. 44; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 77 (Stand Juni 2014). 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 35; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 11; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 20; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 17 Rz. 37; Windbichler in Großkomm. AktG4, § 17 Rz. 26, 50; aA Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 53–57. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 35. 10 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 31; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 34. Siehe auch im Schrifttum zur Konzernrechnungslegung § 290 HGB: ADS6, § 290 HGB Rz. 34; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 33; Ebeling in Beck HdR, C 200 Rz. 28 (Stand März 2011).

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 42 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht durch Vereinbarung zu Lasten der anderen Gesellschafter eine Mehrheit erreicht werden, noch kann durch Vereinbarung zu Lasten des Mehrheitsgesellschafters dessen Mehrheit der Stimmrechte verhindert werden.1 Stimmbindungen oder -verzichte können jedoch zu einer Zurechnung iSv. § 16 Abs. 4 AktG und damit zu einer Mehrfachzuordnung führen.2 Über Stimmbindungsverträge wird versucht, eine Abhängigkeit gem. § 17 Abs. 1 AktG zu begründen bzw. die Abhängigkeitsvermutung gem. § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen.3 42

Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund von Höchststimmrechten gem. § 134 Abs. 1 AktG, unterlassener Mitteilung gem. §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 3 AktG, § 2 WpHG, § 59 WpÜG, fehlender Legitimation gem. § 67 Abs. 2 AktG, § 16 Abs. 1 GmbHG oder fehlender Volleinzahlung gem. § 134 Abs. 2 AktG haben keinen Einfluss auf die Gesamtzahl der Stimmrechte (im Nenner des Quotienten), da der Gesetzeswortlaut auf die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte, nicht die ausübbaren abstellt.4 Höchststimmrechte gem. § 134 Abs. 1 AktG begrenzen die ausübbaren Stimmrechte (im Zähler des Quotienten).5 Bei Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund des individuellen Verhaltens – unterlassener Mitteilung, fehlender Legitimation oder unvollständiger Einzahlung – ist eine Kürzung bei ausübbaren Stimmen (im Zähler des Quotienten) strittig: Diese Stimmrechte ruhen jedoch lediglich, sie sind nicht erloschen. Jeder Aktionär kann die Stimmrechte durch eigenes Verhalten jederzeit wieder erlangen; daher werden die ausübbaren Stimmrechte (im Zähler des Quotienten) nicht gemindert.6 Gleiches gilt auch bei nicht voll einbezahlten Anteilen.

IV. Besonderheiten aus der Zurechnung gem. Abs. 4 43

Die Zurechnung von Dritten gehörenden Anteilen zum beherrschenden Unternehmen wird in § 16 Abs. 4 AktG geregelt. Auch wenn der Wortlaut sich nicht ausdrücklich auf die Stimmrechte beruft, sind Zurechnungen auch für die Ermittlung der Stimmrechtsmehrheit nach § 16 Abs. 3 AktG zu beachten.7 Aus einer Zurechnung von Anteilen wird gem. § 16 Abs. 4 AktG eine Absorptionswirkung verneint. Anteile und Stimmrechte werden dem Mutterunternehmen lediglich zum Zweck der Feststellung der Anteilsbzw. Stimmrechtsquote und der Anwendung der verbundenen Rechtsfolgen zugerechnet. Daher können einerseits Dritte direkt und andererseits das beteiligte Unternehmen aufgrund der Zurechnung eine Mehrheitsbeteiligung halten.8 Bei der Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG werden drei Fälle unterschieden:

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Nach § 16 Abs. 4 AktG werden einem Unternehmen nur jene Anteile zugerechnet, die von einem abhängigen Unternehmen iSv. § 17 AktG gehalten werden; Anteile, die von einem Unternehmen gehalten werden, das allein im Mehrheitsbesitz nach § 16 AktG steht, werden hingegen nicht zugerechnet. Die Anteile eines abhängigen Unternehmens werden dem herrschenden Unternehmen vollständig, nicht nur anteilig zugerechnet. Bei allen Beteiligten muss es sich um Unternehmen iSv. § 15 AktG handeln.9

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Zugerechnet werden weiterhin Anteile, die einem anderen (nicht zwingend einem Unternehmen) für Rechnung des Unternehmens (oder eines von diesem abhängigen Unternehmens) gehalten werden. Anteile für Rechnung bedeuten für Kosten und Risiken des Unternehmens. Beispiele sind Geschäftsbesor1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 14; differenzierter sind Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43, 45; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 36 ff.; aA Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 41, der eine Zurechnung zu Lasten der anderen Gesellschafter vorsieht, um dem Normzweck von § 16 AktG zu entsprechen. 2 Vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 12, 25; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 41, 48; differenzierter Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43; aA J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 29; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 29, 37–41; Schall in Spindler/ Stilz, AktG3, § 16 Rz. 23, 34. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 29, § 17 Rz. 23, 56. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 19; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 22; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 37. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 20. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 20; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 24; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 40; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 46; aA Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 35. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 22; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 46; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 47; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 33. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 23; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 16a; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 45; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 35 f.; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 23, 28, 31; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 29. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 25; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 9; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 37.

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C. Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG)

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Rz. 50 Anh. 2 zu § 290

gungs- und Treuhandverhältnisse, bei denen die Interessen des Treugebers – auch ohne Weisungsrecht – zu beachten sind. Insoweit kann es zu einer mehrfachen Zuordnung kommen, da nach § 16 Abs. 1 AktG die Anteile dem Treuhänder zugeordnet sind.1 Da im Rahmen einer Wertpapierleihe der Sachleistungsgeber (Verleiher) idR auch kein wirtschaftliches Risiko trägt, wird keine Zurechnung gem. § 16 Abs. 4 AktG gesehen.2 Die Anteile „gehören“ weiterhin dem Sachdarlehensnehmer (Entleiher). Anteile an einem Beteiligungsunternehmen, die ein Einzelkaufmann im Privatvermögen hält, werden gem. § 16 Abs. 4 AktG in die Anteils- oder Stimmrechtsquote eingerechnet. Auf diese Weise soll eine Umgehung durch Überführung von Anteilen aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen verhindert werden.3 Einer Personengesellschaft wird das Privatvermögen der Gesellschafter nicht zugerechnet.4

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Bei mittelbaren Mehrheitsbeteiligungen, die von abhängigen Unternehmen gehalten werden, wird eine additive Berechnung der Stimmrechte vorgenommen, dh. die Anteile, die ein abhängiges Unternehmen hält, werden dem beteiligten Unternehmen vollständig zugerechnet.5

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Über den Wortlaut hinaus werden in Teilen der Kommentierung nach § 16 Abs. 4 AktG auch Anteile aus 48 Stimmbindungsverträgen zugerechnet.6 Allerdings wird bei schuldrechtlichen Stimmbindungsvereinbarungen eine Zurechnung gem. § 16 Abs. 4 AktG auch abgelehnt, um Rechtssicherheit zu schaffen und um den formalen Tatbeständen des § 16 AktG zu entsprechen.7 Stimmrechte aus einer schuldrechtlichen Verpflichtung zugunsten des Unternehmens sollten nicht zugerechnet werden, weil eine vertragswidrige Abgabe von Stimmen durch den Anteilseigner – entgegen seiner Verpflichtung – nicht rechtsunwirksam ist.8 Auch bei einer Verneinung einer Zurechnung gem. § 16 Abs. 4 AktG kann gleichwohl eine Abhängigkeit gem. § 17 AktG begründet sein.9

V. Verbindung zur Konzernrechnungslegung Für die Verpflichtung zur Teilkonzernrechnungslegung kann es darauf ankommen, ob die Zurechnung 49 der einem Tochterunternehmen zustehenden Stimmrechte zu dem in der Konzernhierarchie obersten Unternehmen (Mutterunternehmen) eine Absorptionswirkung hat. In Übertragung der aus § 16 Abs. 4 AktG geltende Auslegung wird dies für die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verneint. Die Stimmrechte werden dem Mutterunternehmen lediglich zum Zweck der Feststellung der Stimmrechtsquote und der Anwendbarkeit der damit verbundenen Rechtsfolgen zugerechnet, sie stehen jedoch dem Tochterunternehmen weiterhin zu. Sollte die Zurechnung eine Absorptionswirkung haben, bestünde in den Fällen, in denen Stimmrechte der Tochterunternehmen dem obersten Mutterunternehmen zugerechnet werden, keine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts für Mutterunternehmen auf nachgeordneten Hierarchiestufen.10 Die Regelungen des § 16 AktG zur Mehrheitsbeteiligung haben bei der Auslegung der möglichen Beherr- 50 schung iSd. § 290 HGB eine unterschiedliche Reichweite. Ein Verweis auf § 16 AktG bei der Auslegung der Generalnorm nach § 290 Abs. 1 HGB ist zu eng, weil dort auch faktische Verhältnisse zu berücksichtigen sind, während § 16 AktG eine gesellschafts- oder schuldrechtliche Fundierung der Rechte fordert. Bei der Interpretation der konzerntypischen Rechte gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB hat § 16 (und auch § 17) AktG wegen der dort stärkeren rechtlichen Fokussierung hingegen eine höhere Relevanz. Eine Anteilsmehrheit nach § 16 Abs. 3 AktG kann aber als Indikator für eine faktische Beherrschung gem. § 290 Abs. 1 HGB herangezogen werden. 1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 26; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 47; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 24, 30, 43. 2 Vgl. Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 22. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 27; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 3 Rz. 12; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 28; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 34. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 27; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 20; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 51; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 32; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 33. 5 Vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss13, 31. 6 Vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 12, 25; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 41, 48; differenzierter Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 29; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 29, 37–41; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 16 Rz. 23, 34. 8 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43 f. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 23; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 17; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 29, mVa. 103. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 23; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 35 f.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 51 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht 51

Über die Hinzurechnungen und Kürzungen wird nach § 290 HGB grds. auf die wirtschaftliche Rechteinhaberschaft abgestellt.1 Allerdings sind die Zurechnungsvorschriften des § 16 Abs. 4 AktG nicht identisch mit jenen des § 290 Abs. 3 HGB, nicht nur weil nach § 290 Abs. 3 HGB auch Abzugsmöglichkeiten erfasst werden.

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Während die Zurechnung von Stimmrechten aus schuldrechtlichen Stimmrechtsbindungs- und Stimmrechtsverzichtsverträgen zu Lasten der anderen/zu Gunsten des potenziellen Mehrheitsgesellschafters nach § 16 Abs. 4 AktG strittig ist, stehen diese gem. § 290 Abs. 3 HGB dem Mutterunternehmen als Berechtigtem zu, nicht dem Inhaber der Anteile.2 Eine schuldrechtliche Stimmrechtsvereinbarung zu Lasten des Mutterunternehmens kann eine unwiderlegbare Beherrschung durch Stimmrechtsmehrheit nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB – im Gegensatz zu § 17 Abs. 2 AktG – nicht verhindern.

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Im Zusammenhang mit Stimmrechten aus eigenen Anteilen sind nach § 290 Abs. 4 Satz 2 HGB – im Gegensatz zur hM nach § 16 AktG – auch Stimmrechte aus dem Besitz von Anteilen am Tochterunternehmen, die deren Tochterunternehmen (Enkelunternehmen) gehören, oder Stimmrechte aus Anteilen, die von einer anderen Person für Rechnung des Tochterunternehmens gehalten werden, abzuziehen.3

D. Abhängigkeit (§ 17 AktG) I. Abhängigkeitsbegriff im Konzernrecht (Abs. 1) 1. Beherrschende Einflussnahme 54

Abhängige Unternehmen sind gem. § 17 Abs. 1 AktG rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen einen unmittelbaren oder mittelbaren beherrschenden Einfluss ausüben kann; ausreichend ist die Möglichkeit der Beherrschung, sie muss nicht ausgeübt werden.4 Ein beherrschender Einfluss kann auch von mehreren Unternehmen ausgehen, wenn diese ihre herrschende Einflussnahme koordinieren.5 In § 17 AktG wird allein die Abhängigkeit definiert. Rechtsfolgen finden sich in vielen Stellen des AktG, aber auch anderen Gesetzen.6

55

Basis des herrschenden Einflusses ist eine Stimmenmehrheit. An diese wird auch die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG gebunden.7

56

Bei der GmbH ergeben sich weitgehende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafterversammlung insbes. aufgrund der Möglichkeit der Geschäftsführerbestellung sowie der Weisungserteilung; Sonderrechte im Gesellschaftsvertrag haben wegen der Satzungsautonomie eine hohe Bedeutung, ob ein beherrschender Einfluss besteht oder nicht.8

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Bei Personengesellschaften kann bei Geltung des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips eine Abhängigkeit nur entstehen, wenn anderslautende Regelungen im Gesellschaftsvertrag getroffen wurden, insbes. bei Einführung eines Mehrheitsprinzips.9 Eine typische GmbH & Co. KG kann über die Komplementär GmbH beherrscht werden. Allerdings kann keine widerlegbare Beherrschung der KG über einen Mehrheitsgesellschafter der Komplementär-GmbH vermutet werden; sie muss nachgewiesen werden.10 1 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 290 HGB Rz. 34; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 29 ff. 2 Vgl. IDW, WP Handbuch15, C Rz. 29; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 39. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 93; Siebourg in HdKR2, § 290 HGB Rz. 82. Siehe auch die Kritik im Konzernrecht zur Behandlung von eigenen Anteilen bei abhängigen Unternehmen bei J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 16 Rz. 10. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 2, 5; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht8, § 17 AktG Rz. 1; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 2; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 2; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 1. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 45–49; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 51–57; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 76-83; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 83–93; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 17 Rz. 15–17; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 60. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 1 ff.; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 4; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 66. 7 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 42. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 66; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 46; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 123–125; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 18. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 67; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 48; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 117; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 97. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 67.

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D. Abhängigkeit (§ 17 AktG)

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Rz. 62 Anh. 2 zu § 290

Eine KGaA wird primär beherrscht durch den persönlich haftenden Gesellschafter oder – falls es sich um 58 eine juristische Person handelt – ein diese Gesellschaft beherrschendes Unternehmen; dabei sind jedoch Sonderfälle zu beachten.1 Wirtschaftliche Vereine und Genossenschaften können nur bei untypischen Satzungsbestimmungen abhängige Unternehmen sein.2 Eine Stiftung kann nur im Einzelfall beherrscht werden.3 Bei der Einschätzung der Einflussnahme kommt es auf die Perspektive des abhängigen Unternehmens 59 an.4 Die Umstände, die eine Beherrschung erlauben, sind unerheblich; insbes. wird kein (gesetzliches) Weisungsrecht mit Blick auf operative Geschäfte oder die Möglichkeit, Grundlagengeschäfte durchzusetzen, verlangt. Hinreichend ist vielmehr, dass die Umstände ausreichen, dass das herrschende Unternehmen die Geschäftspolitik des abhängigen Unternehmens auf längere Sicht beeinflussen kann: Es kann mithin, sollte seinem Willen nicht gefolgt werden, Konsequenzen herbeiführen.5 Eine bloße Blockademöglichkeit bei wichtigen Grundgeschäften oder strategischen Unternehmensentscheidungen ist nicht ausreichend; dies gilt auch für eine Sperrminorität. Ein herrschender Einfluss ist positiv definiert.6 Gegenstand einer beherrschenden Einflussnahme ist insbes. die Personalkompetenz, dh. die Möglichkeit, 60 die Mehrheit der Mitglieder von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen zu bestimmen. Dahinter steht die Vermutung, dass Aufsichtsrat und Vorstand sich zur Vermeidung persönlicher Nachteile an den Interessen eines Mehrheitsaktionärs ausrichten, auch wenn keine rechtlichen Verpflichtungen bestehen. Durch sein Stimmrecht in der Hauptversammlung (§ 133 Abs. 1 AktG) kann ein Mehrheitsaktionär in einer AG die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bestimmen (§ 101 AktG); gleichzeitig entscheidet der Aufsichtsrat über die Zusammensetzung des Vorstands. Mittelbar kontrolliert mithin der Gesellschafter die Zusammensetzung des Vorstands.7 Die durch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer „verdünnten“ Anteilseigerrechte bei der Wahl des Aufsichtsrats beeinflussen nach hM nicht die Möglichkeit einer herrschenden Einflusses.8 Neben dieser Personalkompetenz ergibt sich ein herrschender Einfluss durch die Möglichkeit, Weisungen an das Leitungsorgan zu erteilen; dieser Aspekt greift insbes. bei einer GmbH.9

61

Eine bestimmte Dauer einer herrschenden Einflussnahme wird nicht gefordert.10 Sollte eine Mehrheits- 62 beteiligung nur eine kurze Zeit gehalten werden, was der Gesellschaft bekannt ist, und findet in diesem Zeitraum keine Hauptversammlung statt, besteht faktisch keine Möglichkeit der Einflussnahme.11 Die Möglichkeit der Einflussnahme sollte jedoch nachhaltig sein; alternativ werden auch Begriffe wie Verlässlichkeit, Beständigkeit, Sicherheit oder gesicherter Natur verwendet.12 Zufallsmehrheiten auf einer Gesellschafterversammlung durch nicht abgestimmtes Abstimmverhalten mit anderen Gesellschaftern begründen keine Abhängigkeit.13 Mehrheiten aufgrund temporärer Stimmverbote bei anderen Gesellschaftern be1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 68; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 126. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 68; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 132 f., 127–130; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 80; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 36 Rz. 10. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 69; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 131; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 80; uneins Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 52; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 30, 49. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 13; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 18; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 11. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 25–27; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 21; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 35. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 9; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 25; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 42 f.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 24, 43; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 20. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 6; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 26; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 23; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 43–49 (differenziert). 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 7; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 46. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 8; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 123; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 79. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 11; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 13; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 13, 62; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 25; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 21. 11 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 11. 12 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 12; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 13; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 20. 13 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 12; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 12; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 50; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 42.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 63 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht gründen nur dann eine nachhaltige Einflussnahme, wenn ausnahmsweise davon ausgegangen werden kann, dass die Stimmverbote eine gewisse Dauer erhalten bleiben.1 63

Die beherrschende Einflussnahme muss nach überwiegender Einschätzung gesellschaftsrechtlich vermittelt sein; eine schuldrechtlich vermittelte Einflussnahme durch umfassende Lieferbeziehungen, Abnahmeverpflichtungen, Lizenzverträge, Franchising oder Kreditvereinbarungen ist allein nicht ausreichend.2 Allerdings können durch wirtschaftliche Beziehungen bestehende Einflussmöglichkeiten eine gesellschaftsrechtlich bestehende „Minderheitenposition“ so verstärken, dass ein beherrschender Einfluss möglich wird. Allerdings dürfen diese schuldrechtlichen Einflussmöglichkeiten nicht „zufällig“ bestehen, sondern sie müssen die gesellschaftsrechtlich geschaffene Position verstärken. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein und ist immer von den konkreten Gegebenheiten abhängig.3

64

Der Tatbestand der Abhängigkeit stellt ebenso wie die Mehrheitsbeteiligung nicht nur auf die unmittelbaren Beziehungen ab. Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 AktG ist explizit eine mittelbare Beziehung ausreichend. Auf diese Weise kann es zu Mehrfachabhängigkeiten kommen; ebenso kann ein Unternehmen herrschendes und abhängiges Unternehmen sein.4 2. Einzelfälle

65

Bei Publikumsgesellschaften kann eine Minderheitsbeteiligung wegen geringer Präsenz auf der Hauptversammlung über einen beherrschenden Einfluss verfügen. Eine sog. Präsenzmehrheit in einer Hauptversammlung muss regelmäßig über die letzten Jahre bestanden haben; in Orientierung an § 9 Satz 2 Nr. 2 WpÜG-Angebots-VO wird ein Zeitraum von drei Jahren genannt. Zufallsmehrheiten eröffnen keine beherrschenden Einflussmöglichkeiten. In jedem Fall sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beachten.5 Ein hoher Streubesitz bestärkt die Möglichkeiten einer hohen Minderheitsbeteiligung, weil sich der übrige Anteilsbesitz in Kleinstanteile aufteilt, so dass eine Koalition dieser Kleinstanteile unwahrscheinlich wird.6

66

Sollten Mitgesellschafter in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu einem Großaktionär stehen, die eine einheitliche Stimmabgabe erwarten lässt, wird dieser trotz fehlender eigener Stimmrechtsmehrheit einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Dabei ist nicht nur zu beurteilen, ob sich dieser Großaktionär tatsächlich in der Hauptversammlung durchsetzen kann, vielmehr reicht es aus, wenn die Verwaltung der Gesellschaft davon ausgehen muss, dass er sich zumindest in Personalangelegenheiten wird durchsetzen können.7

67

Stimmbindungsverträge zu Lasten anderer Gesellschafter erlauben nach Teilen der Literatur bereits eine Mehrheitsbeteiligung iSv. § 16 AktG; dieser Einschätzung wird teilweise aber auch widersprochen.8 Aufgrund von Stimmbindungsverträgen oder Stimmrechtsvollmachten zugunsten des herrschenden Unternehmens kann jedoch eine mögliche Beherrschung nach § 17 AktG erreicht werden; insbes. wenn eine weisungsfreie Vollmacht erteilt wurde, ist davon auszugehen.9 Ist aufgrund vergangener Erfahrungen davon auszugehen, dass sich die Vertragspartner an die Vereinbarung halten, ist auch eine nichtige Vereinbarung Basis eines beherrschenden Einflusses.10

1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 12. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 15; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 14; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 58–60; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 12, 40 (Austausch-, Liefer-, Kreditbeziehungen), 41 (Franchising); mit Einschränkungen Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 21 f., 29 f.; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 43 (Stand Juni 2014), mit Verweis auf rechtlich begründete Einflussmöglichkeiten. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 16; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 15; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 31–33; Krieger in MünchHfb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 41; kritisch Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 68. 4 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 75; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 29, 31 f.; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 49 f.; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 36. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 20. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 21. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 22. 8 Vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 16 AktG Rz. 12, 25; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 16 Rz. 41, 48. Kritischer J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 23; aA Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 16 Rz. 43; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 16 Rz. 29, 37–41. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 23; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 17. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 24; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 38.

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D. Abhängigkeit (§ 17 AktG)

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Rz. 71 Anh. 2 zu § 290

Personelle Verflechtungen zwischen den Unternehmensverwaltungen allein begründen nach hM keine 68 Abhängigkeit;1 auch weil es an einer gesellschaftsrechtlichen Begründung fehlt. Ist die Verflechtung mit Endsenderechten verbunden, wird diese Einschränkung kritisiert.2 Zudem können personelle Verflechtungen eine starke Minderheitenposition zur Erreichung eines beherrschenden Einflusses ausreichend verstärken.3 Unabhängig von einer Kapitalbeteiligung vermitteln Beherrschungsverträge iSd. § 291 AktG immer einen gesellschaftsrechtlich beherrschenden Einfluss.4 Gewinnabführungsverträge sowie die übrigen Unternehmensverträge gem. § 292 AktG begründen keinen herrschenden Einfluss per se, sie können aber in den Fällen, in denen nicht ohnehin eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt, als Indiz für eine Abhängigkeit gelten.5

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Üben mehrere Gesellschafter koordiniert gemeinsam einen beherrschenden Einfluss aus, kann eine 70 „Mehrmütterherrschaft“ bestehen; hervorgehoben werden die koordinierte Bestimmung der Mitglieder der Verwaltungsorgane sowie bei der GmbH die koordinierte Erteilung von Weisungen. Allerdings begründet die bei einer Parität vorliegende Pattsituation nicht zwingend eine solche Mehrmütterherrschaft.6 Bestehen Streitschlichtungsmechanismen, die eine einheitliche Abstimmung sichern sollen, ist von einer gemeinsamen Beherrschung auszugehen.7 Darüber hinaus ist eine Verlässlichkeit zu fordern, da eine zufällige, unkoordinierte Abstimmung nicht ausreicht. Diese verlässliche Koordination kann durch Gesellschafter-, Pool- oder Konsortialverträge sowie Vorschaltgesellschaften begründet werden. Weiterhin kann sie bei personeller Verflechtung gegeben sein.8 Insbes. im Zusammenhang mit Mehrmütterherrschaft wird in Anlehnung an § 30 Abs. 2 WpÜG, § 34 71 Abs. 2 WpHG die Frage eines abgestimmten Verhaltens zur Erreichung eines beherrschenden Einflusses diskutiert.9 Kriterien für eine Präzisierung bzw. Objektivierung sind:10 – ein koordiniertes, kein zufälliges Vorgehen; – bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern das Vorhandensein eines Gesamtplans zur Durchsetzung der Interessen; – ein „Anhängen“ bei der Stimmabgabe eröffnet diesem Gesellschafter keinen beherrschenden Einfluss; – ein Mindestmaß von Verlässlichkeit, das nicht rechtlich abgesichert werden muss, wirtschaftliche Bindungen reichen aus; – eine ausreichende Verlässlichkeit der gemeinsamen Ausrichtung kann sich aus moralischen Bindungen ergeben, die sich beispielsweise durch enge familiäre Bindungen einstellen können;11 die Zugehörigkeit zu einer Familie allein reicht nicht aus, vielmehr muss eine beständige familiäre Bindung bestehen; – ein Indiz für ein sicheres abgestimmtes Verhalten liegt vor, wenn Familienmitglieder oder wirtschaftlich miteinander verbundene Gesellschafter in der Vergangenheit stets als geschlossene Einheit auftraten oder eine einheitliche Geschäftspolitik betrieben. 1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 40; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 62; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 12, 46 f. (zum Aufsichtsrat). 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 40; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 19. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 40. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 42; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 64; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 51; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 46. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 42 f.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht8, § 17 AktG Rz. 22 f.; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 46; strenger sind Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 65; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 52; für eine Begründung durch Gewinnabführungsverträge Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 35. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 45 f., s. aber auch Rz. 47; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 30 f.; weniger strikt Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 81; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 53; umfassende Diskussion bei Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 83–89. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 47; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 31.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 90. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 48; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 78; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 52 f. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 26; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 19; beide Quellen diskutieren auch das Zusammenwachsen von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in dieser Frage. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 27–34; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 17 Rz. 32; skeptisch Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 53. 11 Vgl. auch Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 19.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 72 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht 72

Weitere Zurechnungsregeln der § 34 Abs. 1 WpHG, § 30 Abs. 1 WpÜG führen nicht automatisch zu einer Zurechnung. Vom (potenziell) herrschenden Unternehmen als Sicherheit übertragene Anteile sind dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Dritte zur Ausübung der Stimmrechte befugt ist und eine von Weisungen des Sicherungsgebers unabhängige Stimmabgabe bekundet wird; gleiches gilt für Anteile, die einem Nießbrauchberechtigten zugerechnet werden.1

II. Widerlegbare Abhängigkeitsvermutung gem. Abs. 2 73

Ein Abhängigkeitsverhältnis wird regelmäßig bei einer Mehrheitsbeteiligung iSd. § 16 AktG widerlegbar vermutet; dies führt zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Die Vermutung greift für eine Kapital- oder Stimmenmehrheit.2 Um eine Abhängigkeitsvermutung iSv. § 17 Abs. 2 AktG zu widerlegen, müssen Tatsachen vorliegen, die einen beherrschenden Einfluss aus Rechtsgründen verhindern; ein bloßer Verzicht auf herrschenden Einfluss trotz Möglichkeit ist nicht ausreichend. Gründe können sich aus den Umständen oder der Verlässlichkeit der Einflussnahme ergeben.3 Da auf die Kapital- oder Stimmenmehrheit abzustellen ist, ist eine Widerlegung über eine fehlende Stimmenmehrheit nicht ausreichend, sondern muss auch auf die fehlenden sonstigen Beherrschungsmöglichkeiten eingehen; einschränkend wird allerdings ein solcher Beweis der fehlenden Beherrschung erst verlangt, wenn eine kombinierte Möglichkeit der Beherrschung besteht.4

74

Durch den Verweis auf die Rechtsgründe kann es sich nur um gesellschaftsrechtliche oder vertragliche Gründe handeln; faktische Gründe reichen nicht aus. Um einen Einfluss von Scheinverträgen zu verhindern, wird immer auf die Gesamtverhältnisse des Einzelfalls abgestellt.5 Ein Verweis auf die Aufgabe einer Zwischenholding mit entsprechend geringen sachlichen oder personellen Ressourcen ist nicht ausreichend, um eine Abhängigkeitsvermutung zu widerlegen.6

75

Qualifizierte Mehrheitserfordernisse in einer Satzung widerlegen eine Vermutung nur, wenn sich diese qualifizierten Mehrheitserfordernisse insbes. bei der Bestellung von Verwaltungsmitgliedern oder (im Fall der GmbH) auf Geschäftsführungsweisungen bezieht.7

76

Durch die Mitbestimmungsregelungen kann keine Abhängigkeit widerlegt werden; dies gilt auch für die Montanmitbestimmung, bei der die volle Parität nicht durch die Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden aufgehoben werden darf.8

77

Entsenderechte eines Minderheitsgeselleschafters verhindert bei einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat die Personalkompetenz eines Mehrheitsgesellschafters.9 Vom Mehrheitsgesellschafter unabhängige Aufsichtsratsmitglieder können hingegen die Beherrschung nicht widerlegen, wenn sie von der Hauptversammlung bestimmt wurden. Durch Vorschriften eines Corporate Governance Kodex kann eine Abhängigkeit nicht widerlegt werden.10

78

Stimmvorbote aufgrund fehlender Meldung, die vom Gesellschafter behoben werden könnten, widerlegen keinen beherrschenden Einfluss durch Mehrheitsbeteiligung.11

79

Durch einen Verzicht auf eigenständige Ausübung des Stimmrechts kann die Vermutung eines beherrschenden Einflusses nur widerlegt werden, wenn dieser auf einer verlässlichen vertraglichen Regelung beruht (Stimmbindungsvertrag); diese muss rechtlich wirksam und darf nicht jederzeit kündbar sein. Strit1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 37 f. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 50 f. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 52; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 94; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 59. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 53; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 39; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 95; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 100, 102; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 60. 5 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 59. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 52. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 54; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 98; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 104; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 64. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 55; Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 17 Rz. 54; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 64; aA zur Montanmitbestimmung Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 120; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 85; ADS6, § 17 AktG Rz. 55. 9 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 55; Habersack in MünchKomm. AktG4, § 101 Rz. 53. 10 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 55. 11 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 57; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 104; aA Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 74.

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D. Abhängigkeit (§ 17 AktG)

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Rz. 85 Anh. 2 zu § 290

tig ist, ob dieser Stimmbindungsvertrag der Gesellschaft bekannt sein muss.1 Die Perspektive des beherrschten Unternehmens erfordert jedoch eine Kenntnis dieses Vertrags; eine Beherrschung kann allerdings nicht mit dem Verweis auf die Unkenntnis der Gesellschaft widerlegt werden.2 Entherrschungsverträge können eine Abhängigkeitsvermutung gem. § 17 Abs. 2 AktG widerlegen. Im Unterschied zum Stimmbindungsvertrag liegt eine Bindung gegenüber der Gesellschaft vor, nicht gegenüber den Mitgesellschaftern.3 Entherrschungsverträge bedürfen der Schriftform, müssen aber nicht im Handelsregister eingetragen sein; die Laufzeit beträgt mindestens 5 Jahre, in denen eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.4

80

Beherrschungsverträge Dritter widerlegen eine Beherrschung durch einen Mehrheitsgesellschafter.5 Bei mehrstufigen Verbindungen wird durch einen Beherrschungsvertrag des Mutterunternehmens mit einem Enkelunternehmen eine Beherrschung durch das unmittelbare Mutterunternehmen ausgeschlossen.6

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III. Unwiderlegbare Abhängigkeitsvermutung bei wechselseitig beteiligten Unternehmen gem. § 19 AktG Im Gegensatz zur widerlegbaren Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG ist die Regelung des § 19 Abs. 2 AktG eine Fiktion, die bei wechselseitigen Beteiligungen unwiderlegbar einen beherrschenden Einfluss unterstellt. Bei wechselseitig beteiligten Unternehmen können die Aufbringung und Erhaltung sowie der Ausweis des gezeichneten Kapitals gefährdet sein, weil wechselseitige Beteiligungen zu einer Rückgewähr der Einlage an die Aktionäre führen, was nach § 57 Abs. 1 AktG nicht zulässig ist. Zudem wird gegen Governance-Regeln verstoßen, weil bei einer gegenseitigen Mehrheit der Verwaltung in der Hauptversammlung die Mitgliedschaftsrechte von den jeweiligen Vorständen übernommen werden.7

82

Von wechselseitig beteiligten Unternehmen ist die Rede, wenn bei Kapitalgesellschaften im Inland jede der Kapitalgesellschaften mindestens 25 % der jeweils anderen Kapitalgesellschaft gehört. Wechselseitige Beteiligungen mit Personengesellschaften oder Auslandsgesellschaften fallen nicht unter wechselseitig beteiligte Unternehmen iSd. § 19 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die Frage einer wechselseitigen Beteiligung stellt allein auf die Anteile, nicht die Stimmrechtsverhältnisse ab; es besteht kein Verweis in § 19 Abs. 2 Satz 1 AktG auf § 16 Abs. 3 AktG. Eine Anteilsquote von genau 25 % ist nicht ausreichend, weil erst bei einem über 25 %igen Kapitalanteil eine Sperrminorität besteht, die Satzungsänderungen und andere strukturverändernde Maßnahmen verhindern kann.8

83

Neben der einfachen wechselseitigen Beteiligung wird in § 19 Abs. 2 AktG noch auf die einseitig qualifi- 84 zierte Beteiligung und in § 19 Abs. 3 AktG auf die beidseitig qualifizierte Beteiligung verwiesen. Von einer einseitigen qualifizierten Beteiligung ist die Rede, wenn eines der Unternehmen eine Anteilsquote von mehr als 50 % hat bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis gem. § 17 AktG vorliegt. In diesem Fall liegt eine unwiderlegbare Abhängigkeitsvermutung vor.9 Bei einer beidseitig qualifizierten Beteiligung haben beiden Gesellschaften einen Anteil von mehr als 50 % bzw. es besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis gem. § 17 AktG; bei beidseitig wechselseitiger qualifizierter Beteiligung liegt eine unwiderlegbare Abhängigkeitsvermutung vor.10

IV. Verbindungen zur Konzernrechnungslegung Im Zusammenhang mit den konzerntypischen Rechten gem. § 290 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB ist § 17 AktG relevant. Ein Abstellen allein auf faktische Möglichkeiten kann eine unwiderlegbare Vermutung nicht be1 Zustimmend J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 56; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 41. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 56. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 60–65; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht8, § 17 AktG Rz. 37, 42 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 99; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 17 Rz. 109; aA Hüttemann ZHR 156 (1992), 314 (324–328), weil ein Entherrschungsvertrag unvereinbar mit dem Strukturprinzip der Gewaltenteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist. 4 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 62, insbes. Fn. 196–198. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 58; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 113. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 58; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 41a; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 17 Rz. 114. 7 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 5 Rz. 4 f. 8 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 5 Rz. 6–8, 15–17; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 42. 9 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 5 Rz. 9–11; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 43 f. 10 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 5 Rz. 12–14; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 44.

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85

Anh. 2 zu § 290 Rz. 86 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht gründen. Allerdings kann eine Stimmrechtsvereinbarung zu Lasten des Mutterunternehmens die unwiderlegbar typisierte Beherrschung durch Stimmrechtsmehrheit nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB – im Gegensatz zur widerlegbaren gem. § 17 Abs. 2 AktG – nicht verhindern. 86

Die Möglichkeit der Beherrschung iSd. Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB basiert nicht nur auf gesellschafts- und schuldrechtlichen Vereinbarungen, sondern auch auf faktischen Verhältnissen, auch wenn deren Objektivierung geringer sein sollte; sie ist mithin umfassender als die Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 AktG,1 soweit auf die Stimmrechte abgestellt wird. Bei einer Abhängigkeit auf Basis einer Stimmrechtsmehrheit (§ 17 Abs. 2 AktG) ist diese regelmäßig auch nach § 290 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 HGB gegeben.2 Bei einer Abhängigkeit auf der Basis einer Kapitalmehrheit ist eine mögliche Beherrschung iSd. § 290 Abs. 1 HGB zu prüfen.3

87

Analog zu den aktienrechtlichen Regelungen zum Konzernrecht in § 17 AktG ist auch nach HGB eine beständige, dauerhafte Möglichkeit der Beherrschung zu fordern, wobei diese allerdings im HGB nicht explizit verlangt wird. Damit weicht der Gesetzgeber mit der Begründung des Rechtsausschusses zum BilMoG, einen dauerhaften beherrschenden Einfluss zu bejahen, von einer intendierten Annährung an die IFRS ab.4

88

Bei der Beurteilung ob Präsenzmehrheit in der Hauptversammlung einen beherrschenden Einfluss vermittelt, kann auf die Ausführungen zur Abhängigkeit gem. § 17 AktG verwiesen werden (vgl. Rz. 65). Wenn Erwerbsrechte im Zusammenhang mit dem Konzernrecht restriktiver verstanden werden, kann dies darin begründet sein, dass die konzernrechtlichen Organisationsprivilegien im Vordergrund stehen, weniger (notwendige) Schutzmechanismen bei Vorliegen von Optionsrechten.

89

Während im AktG bei der Einschätzung der Einflussnahme gem. § 17 AktG auf die Perspektive des abhängigen Unternehmens verwiesen wird,5 wird in § 290 HGB auf die Perspektive des herrschenden Unternehmens abgestellt.6 Insoweit können sich Abweichungen ergeben.

E. Konzern (§ 18 AktG) I. Aktienrechtlicher Konzernbegriff 90

Konzerne iSd. § 18 AktG sind durch eine ausgeübte einheitliche Leitung definiert. Als Konzernunternehmen gelten alle unter einer einheitlichen Leitung stehenden Unternehmen.7 Allein durch den Konzerntatbestand iSd. § 18 AktG werden multilaterale Verbundbeziehungen geschaffen, da alle Konzernunternehmen in einem gegenseitigen Unternehmensverbund stehen, auch wenn diese keine bilateralen Beziehungen haben. Alle anderen Unternehmensverbindungen schaffen nur bilaterale, unmittelbare Beziehungen.8 Der Konzern gilt als Organisationsform ohne eigene Rechtsform.9

91

§ 18 AktG unterscheidet zwischen einem Unterordnungs- (Abs. 1) und einem Gleichordnungskonzern (Abs. 2). In einem Unterordnungskonzern besteht neben einer einheitlichen Leitung auch noch ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem herrschenden und den beherrschten Unternehmen. Bei Abhängigkeit iSd. § 17 AktG wird ein (faktischer) Konzern widerlegbar vermutet (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG); bei einem bestehenden Beherrschungsvertrag gem. § 291 AktG oder bei Eingliederung gem. § 319 AktG besteht unwiderlegbar ein (Vertrags- bzw. Eingliederungs-)Konzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AktG). 1 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 37; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21; Gelhausen/Deubert/Klöcker, DB 2010, 2005 (2005); von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 51 (Stand Juni 2014); weniger streng hinsichtlich einer Orientierung an § 17 AktG zeigt sich auch Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 13. 2 Vgl. Koppensteiner in FS Hopt, 959 (960), für den bei einer Beherrschung nach § 290 Abs. 2 HGB eine Abhängigkeit nach § 17 AktG (einschließlich Vermutungen) gegeben ist. Siehe auch Schall in Spindler/Stilz, AktG3, § 15 Rz. 18 f. 3 Vgl. IDW, WP Handbuch15, C Rz. 36. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 290 HGB Rz. 21; Küting/Koch in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue Bilanzrecht2, 380 f.; von Keitz/Ewelt-Knauer in BKT, Bilanzrecht, § 290 HGB Rz. 56 (Stand Juni 2014). 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 17 Rz. 13; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 18; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 17 AktG Rz. 11. 6 Vgl. Windbichler in Großkomm. AktG5, § 17 Rz. 61. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 1; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 18 Rz. 1. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 2; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 29. 9 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 18 Rz. 10; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 67.

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E. Konzern (§ 18 AktG)

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Rz. 97 Anh. 2 zu § 290

Ein Konzern iSv. 18 AktG ist aber nicht zwingend mit einer Über- und Unterordnung der Konzernunter- 92 nehmen gleichzusetzen. In einem Gleichordnungskonzern wird die einheitliche Leitung ohne Bestehen eines beherrschenden Einflusses erreicht. In der Unternehmenspraxis haben sich die folgenden Organisationsformen herausgebildet:1 – Zusammenschluss zu einer Interessengemeinschaft. – Eine (teilweise) personelle Verflechtung der Leitungsmitglieder, ohne dass eine (wechselseitige) Mehrheitsbeteiligung herrscht; in diesen Fällen ist von einem Unterordnungskonzern auszugehen. Bei der Einordnung einer personellen Verflechtung als Gleichordnungskonzern kommt es auf den Einzelfall an, weil eine personelle Verflechtung auch zu einem (faktischen) Unterordnungskonzern führen kann. – Bildung eines Gemeinschaftsorgans durch eine reine Innengesellschaft (GbR) oder Außengesellschaft, wobei dieses Gemeinschaftsorgan als beauftragtes Organ der gleichgeordneten, weil gleichberechtigen Konzerngesellschaften auftritt. Wenn im Zusammenhang mit den speziellen Regelungen des Konzernrechts auf den faktischen Konzern 93 und den Vertrags- bzw. Eingliederungskonzern verwiesen wird, werden diese weniger durch die Konzerndefinition des § 18 AktG bestimmt, sondern durch den Begriff der möglichen Abhängigkeit (durch beherrschenden Einfluss) nach § 17 AktG.2

II. Begriff der einheitlichen Leitung Der Begriff der einheitlichen Leitung ist im AktG nicht definiert; ebenso besteht keine allgemein an- 94 erkannte Definition in der Literatur. Nach der Mehrheitsmeinung wird eine einheitliche Leitung dann vermutet, wenn die Konzernobergesellschaft die wesentlichen Fragen der Geschäftspolitik der Konzernunternehmen aufeinander abstimmt und ihre Zielvorstellung im Konfliktfall auch dauerhaft durchsetzen kann. Dabei wird unterschieden, ob für die zentralen unternehmerischen Bereiche in ihrer Gesamtheit (enger Konzernbegriff) oder in einem der zentralen Bereiche (weiter Konzernbegriff)3 eine einheitliche Planung aufgestellt wird. Nach der Gesetzesbegründung muss eine einheitliche Leitung nicht alle wesentlichen Bereiche erfassen; ausreichend sei es, wenn die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften sowie grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung aufeinander abstimmt werden.4 Entscheidend ist, dass bei einer einheitlichen Leitung die Einzelinteressen der Konzerngesellschaften im Konzerninteresse in den Hintergrund treten. Insbes. durch die Koordination im Finanzbereich – Zuteilung von Liquidität im Rahmen des Cash Managements – wird eine einheitliche Leitung begründet.5 Eine einheitliche Leitung bedarf keines formalen Weisungsrechts zur Durchsetzung.6

95

Indizien für eine einheitliche Leitung sind weiterhin Genehmigungsvorbehalte der Obergesellschaft, so- 96 gar bei Einzelheiten des laufenden Geschäfts, ein intensiver Datenaustausch (sensibler Informationen) zwischen den Gesellschaften, ein gemeinsamer Auftritt der Unternehmen im Markt (unter einem Logo), die Erstellung eines Konzernabschlusses sowie eine praktizierte Konzernmitbestimmung. Darüber hinaus sprechen Gewinnabführungs- oder Betriebspachtverträge sowie eine körperschaftsteuerliche Organschaft für eine einheitliche Leitung.7 Eine einheitliche Leitung muss verlässlich und kontinuierlich ausgeübt werden; eine vereinzelt ausgeübte oder gar nur eine ausübbare Einflussnahme erfüllt nicht die Anforderungen einer einheitlichen Leitung. Eine besondere Dauer wird nicht gefordert.8

1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 22-26; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 41. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 5. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 7 f., 11; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 18 Rz. 30, 33. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 18 AktG Rz. 14 verweisen insbes. auf den Personalbereich. 4 Vgl. Begründung zu dem RegE des Aktiengesetzes (AktG), BT-Drucks. 4/171, in Kropff, Aktiengesetz, 33. Siehe auch J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 10. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 9; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 18 AktG Rz. 10; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 18 Rz. 27; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 18 Rz. 25. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 12. 7 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 4 Rz. 18, mwN. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 9; Bayer in MünchKomm. AktG4, § 18 Rz. 37; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 37 f.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 98 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht 98

Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird – anders als die Abhängigkeit – eine einheitliche Leitung enden.1

III. Konzernvermutungen 1. Widerlegbare Konzernvermutung bei Abhängigkeit 99

Im Interesse einer Operationalisierbarkeit des Begriffs der einheitlichen Leitung wird in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG von abhängigen Unternehmen widerlegbar vermutet, dass diese mit dem herrschenden Unternehmen einen (Unterordnungs-)Konzern bilden. Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem auf Sachverhalte verwiesen wird, die eine ausgeübte einheitliche Leitung beim abhängigen Unternehmen verhindern; alternativ kann darauf verwiesen werden, dass von der Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses kein Gebrauch gemacht wird. Die Obergesellschaft hat die Beweislast einer fehlenden einheitlichen Leitung.2

100

Faktisch kann man eine Konzernvermutung nur widerlegen, wenn trotz Mehrheitsbeteiligung die Abhängigkeitsvermutung widerlegt wird. In diesem Fall wäre aber noch zu prüfen, ob ein Gleichordnungskonzern vorliegt.3 2. Unwiderlegbare Konzernvermutung bei Beherrschungsvertrag und Eingliederung

101

Besteht ein Beherrschungsvertrag (§§ 291 ff. AktG) oder liegt eine Eingliederung gem. §§ 319 ff. AktG vor, wird unwiderlegbar ein (Unterordnungs-)Konzern vermutet.4

IV. Verbindung zur Konzernrechnungslegung 102

Seitdem mit dem BilMoG 2009 das Konzept der ausgeübten einheitlichen Leistung (§ 290 Abs. 1 HGB aF) für die Bestimmung einer Mutter-Tochter-Beziehung aufgegeben wurde und allein die mögliche Beherrschung zu beachten ist, können aus § 18 AktG keine Erkenntnisse zum Begriff der Mutter-Tochter-Beziehung gewonnen werden.5 Allerdings wird umgekehrt die Tatsache, dass ein Konzernabschluss aufgestellt wird, als Indiz für das Vorliegen eines Konzerns iSd. § 18 AktG gewertet.6

103

Da seit dem BilMoG allein auf die Beherrschung abgestellt wird, unterliegen Gleichordnungskonzerne auch weiterhin keiner Konzernaufstellungspflicht (vgl. § 290 HGB Rz. 59 ff.).

104

Der Konzern gilt als Organisationsform ohne eigene Rechtsform.7 Allerdings wird im Konzernrecht keine Konzernleitungspflicht der gruppen- oder konzernangehörigen Unternehmen iS eines einheitlichen Konzerninteresses gesehen.8 Im Gegensatz dazu ergeben sich für die Konzernrechnungslegung Berichtspflichten die über den Jahresabschluss des übergeordneten Mutterunternehmens hinausgehen, das einen eigenständigen, konsolidierten Jahresabschluss der Gruppe vorzulegen hat. Die informatorischen Schutzmechanismen der Konzernrechnungslegung entfalten jedoch wegen der unterschiedlich intensiven „Integration“ der Schutz- und Organisationsrechte des Konzernrechts unterschiedliche Wirkungen, die allerdings bei den handelsrechtlichen Vorschriften zur Konzernrechnungslegung negiert werden, indem durchgängig ohne Rücksicht auf die konzernrechtlichen Differenzierungen auf die Fiktion der rechtlichen Einheit abgestellt wird. Diesen Widerspruch in der Konzernrechnungslegung gilt es bei deren Verständnis und Bedeutung zu beachten.

1 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 19; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 18 Rz. 45; Windbichler in Großkomm. AktG5, § 18 Rz. 43. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 18; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 38 f. 3 Vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss13, 40. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 16; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 73; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 40 f. 5 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 290 Rz. 1. 6 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 4 Rz. 18. 7 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 18 Rz. 10; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 69 Rz. 67. 8 Vgl. Seibt in Schmidt/Lutter, AktG3, § 76 Rz. 27; Mertens/Cahn in Kölner Komm. AktG3, § 76 Rz. 65; IDW, WP Handbuch15, C Rz. 7.

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F. Spezielle Regelungen zum Konzernrecht

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Rz. 109 Anh. 2 zu § 290

F. Spezielle Regelungen zum Konzernrecht I. Faktischer Konzern (§§ 311 ff. HGB) 1. Idee und Konsequenzen des faktischen Konzerns Neben der Eingliederung (§§ 319 AktG) und dem durch einen Beherrschungsvertrag begründeten Ver- 105 tragskonzern (§§ 291, 308 AktG) wird in §§ 311 AktG ein allein auf § 17 AktG begründeter einfacher oder faktischer Konzern normiert. Im faktischen Konzern ist die einheitliche Leitung durch eine Obergesellschaft nicht gesetzlich abgesichert, dh. im Gegensatz zum Vertrags- oder Eingliederungskonzern besteht kein formales Weisungsrecht. Vielmehr besteht nur ein faktischer Einfluss, der dazu führt, dass die Geschäftsleitung des beherrschten Unternehmens sich den Einflüssen der Obergesellschaft nicht entziehen kann.1 Entsprechend verweist § 311 Abs. 1 AktG zum faktischen Konzern nicht auf den Konzern iSv. § 18 AktG, sondern auf das Abhängigkeits- bzw. Beherrschungsverhältnis gem. § 17 AktG; ein Konzern iSd. § 18 Abs. 1 AktG braucht nicht vorzuliegen.2 Im Zusammenhang mit § 311 AktG ist auch die Rede von einer „geduldeten Konzernierung“.3 Die Regelungen des §§ 311 AktG begründen einerseits ein absolutes Benachteiligungsverbot (Außenseiter- 106 schutz), andererseits ein Organisationsprivileg, indem nachteilige Maßnahme eines beherrschenden Unternehmens bezogen auf einzelne Maßnahmen zugelassen werden, wenn die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft gewahrt bleiben (Nachteilsausgleich).4 2. Nachteilige Einflussnahme und Nachteilsausgleich Können die Nachteile durch gewährte gleichwertige Vorteile kompensiert werden, ist eine nachteilige Einflussnahme zulässig. Das Organisationsprivileg besteht allerdings nur, wenn sich bei der abhängigen Gesellschaft die entstehenden Nachteile isolieren lassen und ausgeglichen werden.5 Ein innerer Zusammenhang zwischen nachteiliger Einflussnahme und dem Vorteil muss nicht bestehen.6 Der Nachteil muss auch nicht durch das herrschende Unternehmen ausgeglichen werden.7 Das Organisationsprivileg einer nachteiligen Einflussnahme darf nur dann ausgeübt werden, wenn das System des Einzelausgleichs insgesamt funktionsfähig ist.8 Weitere Grenzen liegen im satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand und Zweck der abhängigen Gesellschaft.9 Eine Nachteilszuführung ist zudem nur zulässig, wenn sie im Interesse des herrschenden Unternehmens oder einer anderen Konzerngesellschaft ist.10

107

Unterbleibt ein Nachteilsausgleich oder übersteigt die Maßnahme die Grenzen des Nachteilsausgleichs, haftet das herrschende Unternehmen gem. § 317 AktG und es handelt sich um eine unzulässige Vermögensverlagerung iSd. §§ 57, 60, 62 AktG.11 Die Regelungen zum faktischen Konzern sehen keinen pauschalen Verlustausgleich vor wie die Regelungen zum Vertragskonzern nach § 302 AktG.12 Im faktischen Konzern wird kein Vermögensverbund zwischen herrschendem und beherrschtem Unternehmen bzw. zwischen verschiedenen beherrschtem Unternehmen geschaffen.

108

Da eine GmbH weder ein nicht weisungsgebundenes Geschäftsführungsorgan hat noch zwingend über einen Aufsichtsrat verfügt, der einen Abhängigkeitsbericht prüfen kann, besteht für die Regelung des faktischen Konzerns bei einer GmbH als abhängigem Unternehmen kein Raum.13

109

1 Vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss13, 38. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 15 Rz. 8; § 311 Rz. 128; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 20. 3 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 129. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 1–7; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 12. 5 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 1–7, 86; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 13. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 89; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 311 Rz. 343; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 311 AktG Rz. 62. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 90; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 311 Rz. 343; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 311 Rz. 120. 8 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 16. 9 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 15. 10 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 311 Rz. 102; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 70 Rz. 25 f. 11 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 117 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 26. 12 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 1. 13 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 29 Rz. 7.

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 110 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht 3. Qualifizierte Nachteilszuführung 110

Durch die Rspr. des BGH und BAG wurde mit dem qualifiziert faktischen (GmbH-)Konzern ein Konzernhaftungstatbestand geschaffen.1 Hintergrund dieser Entwicklung war die Erkenntnis, dass die Regelungen zum Nachteilsausgleich die abhängige Gesellschaft bzw. deren Minderheiten und Gläubiger nur schützen, wenn eine nachteilige Einflussnahme durch einen Einzelausgleich gem. §§ 311 Abs. 2, 317 AktG ausgeglichen werden kann.2 Voraussetzung für eine qualifizierte Nachteilszuführung sind entsprechend das Vorliegen einer nachteiligen Einflussnahme und der unmögliche Einzelausgleich der Folgen.3 Durch die Notwendigkeit einer nachteiligen Einflussnahme geht es bei der qualitativen Nachteilszuführung um die tatsächliche Einflussnahme, während beim verdeckten Beherrschungsvertrag auf die mögliche Einflussnahme abgestellt wird. Bei einer qualifizierten Nachteilszuführung ist die Rede von einer Verhaltens-, keiner Zustandshaftung.4

111

Die Rechtsfolgen einer qualifizierten Nachteilszuführung sind analog zu § 302 Abs. 1 AktG der Ausgleich sämtlicher Verluste und eine Ausgleichshaftung des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten (in Höhe des Ausfalls der abhängigen Gesellschaft).5 Alternativ wird auch nur über das Schutzkonzept des § 317 AktG argumentiert.6 Für die Minderheitsaktionäre ist ein Abfindungsausgleich analog § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG vorgesehen.7

II. Vertragskonzern (§§ 291 ff. AktG) 1. Idee und Konsequenzen des Vertragskonzerns 112

Durch den Beherrschungsvertrag wird eine AG oder KGaA der Leitung durch ein anderes Unternehmen unterstellt, indem sie sich verpflichtet, den Weisungen des herrschenden Unternehmens zu folgen. Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags gem. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG wird unwiderlegbar ein Unterordnungskonzern vermutet, weil unwiderlegbar die Konzernvermutung gem. § 18 Abs. 1, 2 AktG greift und gem. § 17 AktG ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.8 Im Gegensatz zu einer Eingliederung werden bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags die außenstehenden Aktionäre nicht zwingend aus der abhängigen Gesellschaft verdrängt; während ein Ausgleichsangebot zum Mindestinhalt eines Beherrschungsvertrags zählt, muss eine Abfindung nicht vorgesehen sein.9 Für andere Rechtsformen reicht es aus, wenn sich ein Unternehmen vertraglich einem anderen Unternehmen unterstellt und dieser Vertrag die inhaltlichen Anforderungen des § 308 AktG erfüllt.10

113

Ein Vertragskonzern wird aber auch vermutet, wenn eine einheitliche Leitung nicht durch einen aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag geschaffen wird. Auch bei Vorstandsdoppelmandaten kann von einer Weisung ausgegangen werden, da in der „Entsendung“ eines Mitglieds der Verwaltung des herrschenden Unternehmens eine generelle Weisung verstanden werden kann.11

114

Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags oder eines anderen Unternehmensvertrags iSd. § 292 AktG begründet für sich kein Vertragskonzernverhältnis. Hintergrund ist die fehlende umfassende Weisungsbefugnis der Obergesellschaft. Allerdings handelt es sich um wichtige Indizien für das Vorliegen eines faktischen (Unterordnungs-)Konzerns.12 1 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 28 Rz. 2–4. 2 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 317 Rz. 47; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 70 Rz. 141; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 28 Rz. 5–10 zur Übertragung auf die AG bzw. KGaA, § 30 Rz. 20 f. bei der GmbH. 3 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 28 Rz. 12, Rz. 13–15 (nachteilige Einflussnahme), Rz. 16–19 (Unmöglichkeit des Einzelausgleichs); Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 70 Rz. 144. 4 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 317 Rz. 48; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 28 Rz. 12. 5 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 28 Rz. 21–23; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 70 Rz. 147–150. 6 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 317 Rz. 54–60. 7 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 317 Rz. 67; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 28 Rz. 24 f.; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 70 Rz. 151. 8 Vgl. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 18 Rz. 16; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 2; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 40. 9 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 12. 10 Vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss13, 40. 11 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 7. 12 Vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss13, 40 f.

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F. Spezielle Regelungen zum Konzernrecht

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Rz. 122 Anh. 2 zu § 290

Im Vertragskonzern werden Minderheitsgesellschafter und Gläubiger durch besondere Schutzvorschriften abgesichert. Gem. den Regelungen der §§ 300–303 AktG wird bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags ein bilanzielles Anfangsvermögen gesichert; besondere Bedeutung hat dabei die pauschale Verlustübernahmen nach § 302 AktG. Durch die Verlustübernahmepflicht sollen die Gläubiger vor einer Aushöhlung der Substanz des Unternehmens geschützt werden. Durch den Anspruch auf Verlustausgleich, der der abhängigen Gesellschaft zusteht, kann es während der Vertragslaufzeit nicht zu Jahresfehlbeträgen oder einer Überschuldung kommen, da Fehlbeträge durch einen Anspruch der abhängigen Gesellschaft auszugleichen sind.1 In der Literatur ist auch davon die Rede, dass im Vertragskonzern ein „eigenständiges System des Gläubigerschutzes“ geschaffen wurde.2

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Allerdings sollte dieser Schutz nicht überschätzt werden, weil auf das bilanzielle Anfangsvermögen abgestellt 116 wird; Minderungen stiller Reserven in der Bilanz der betroffenen Gesellschaft bzw. eines originären Geschäftsoder Firmenwerts werden wegen der fehlenden Bilanzierung nicht erfasst. Auch wird keine Liquiditätsgarantie bzw. Erhaltung der Erfolgspotenziale des Unternehmens gefordert, so dass für nicht beherrschende Gesellschafter („Minderheiten“) die Gefahr besteht, nach dem Ende des Beherrschungsvertrags über eine um ihre Liquidität, stillen Reserven und nicht bilanzierten Erfolgspotenziale beraubte „Hülle“ zu verfügen.3 Für Minderheitsgesellschafter sind im Vertragskonzern besondere Abfindungsregeln (in bar oder gegen Aktien des beherrschenden Unternehmens) sowie eine besondere Ausgleichszahlung vorgesehen. Damit haben für die Anspruchsgruppe der Minderheitsgesellschafter die Regeln zur Gewinnermittlung und -verteilung ihre Bedeutung verloren.

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Im Vertragskonzern haften für die Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaften (Tochterunterneh- 118 men) weiterhin nur diese; ein allgemeiner Haftungsdurchgriff durch das herrschende Unternehmen oder andere Konzernunternehmen besteht aufgrund des Trennungsprinzips nicht. Ein Haftungsdurchgriff auf die hinter einer juristischen Person stehenden Gesellschafter besteht nur in Missbrauchsfällen bzw. bei einer Vermögensvermischung.4 Eine Konzernvertrauenshaftung – § 311 Abs. 3 BGB (Sachwalterhaftung) könnte Anknüpfungspunkte liefern – besteht bisher aber nicht.5 Zur Sicherung der Vermögensansprüche von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern bestehen aller- 119 dings besondere Regeln zur Organhaftung (§ 309 AktG der herrschenden Gesellschaft, § 308 AktG der abhängigen Gesellschaft). 2. Unternehmensverträge Unternehmensverträge werden in §§ 291 f. AktG definiert; dort wird unterschieden zwischen Beherrschungsverträgen (§ 291 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG), Gewinnabführungsverträgen (§ 291 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 AktG), aber auch einer Gewinngemeinschaft und einer Betriebspacht (§ 292 Abs. 1 Nr. 1, 3 AktG), die noch den Charakter von „Austauschverträgen“ haben.6 Um eine steuerliche Organschaft begründen zu können, werden Beherrschungsverträge mit einem Gewinnabführungsvertrag verbunden. Faktische Konzerne sind gleichwohl häufiger anzutreffen als Vertrags- oder gar Eingliederungskonzerne.7

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Mit einem Beherrschungsvertrag unterstellt sich eine AG oder KGaA einem anderen Unternehmen. Durch 121 den Abschluss eines Beherrschungsvertrags verfügt das herrschende Unternehmen über ein Weisungsrecht gegenüber einer abhängigen Gesellschaft. Beide verbundenen Unternehmen bilden unwiderlegbar einen Konzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AktG).8 Verträge, die einen Gleichordnungskonzern bilden (§ 18 Abs. 2 AktG), sind kein Beherrschungsvertrag (§ 291 Abs. 2 AktG).9 Beherrschungsverträge iSd. § 291 AktG gelten grds. nur für abhängige Unternehmen in der Rechtsform einer AG oder KGaA; für andere Rechtsformen kann nicht unmittelbar eine Geltung abgeleitet werden. Für das herrschende Unternehmen wird eine Unternehmensqualität iSd. §§ 15 AktG gefordert.10 Ein Beherrschungsvertrag überlagert die Rechte und Pflichten des Vorstands der abhängigen AG/KGaA. 122 Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung werden – mit Ausnahme des § 308 Abs. 3 Satz 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Stephan in Schmidt/Lutter, AktG3, § 302 Rz. 1–8; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 20 Rz. 1–3. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 20 Rz. 36. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 20 Rz. 4. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 20 Rz. 25. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 20 Rz. 27. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 1. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 5a f. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 2, 7. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 3. Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 21 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 8 f.

Hachmeister

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 123 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht AktG – nicht eingeschränkt.1 Allerdings werden deren Zuständigkeiten berührt.2 Die Vorstandskompetenzen müssen nicht vollständig betroffen sein, allerdings müssen abweichende Konzepte der Leitung der abhängigen Gesellschaft durch konzerneinheitliche Konzepte ersetzt werden können.3 123

Der Vertrag sollte den Umfang der Weisungsrechte und deren Schranken konkret umschreiben, um eine Einordnung zu erlauben; eine konkrete Beschreibung einschließlich Eingriffsbereich und -intensität ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit.4 Erläuterungen zum Vertragsinhalt in verständlicher Form werden allerdings empfohlen, wobei auf atypische Regelungen besonders einzugehen ist.5 Eine ausdrückliche Bezeichnung als „Beherrschungsvertrag“ ist nicht vorgeschrieben.6

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Der Mindestinhalt eines Beherrschungsvertrags regelt die (vertragliche) Unterstellung der zentralen Leitungsfunktionen unter ein Weisungsrecht eines anderen Vertragsteils. Wenn in § 291 AktG eine AG oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt, betrifft dies die in §§ 76 f. AktG angesprochenen zentralen Leitungsfunktionen, wie die Planung der Unternehmensziele, die Koordination und Kontrolle des Unternehmens, aber auch die Besetzung der Führungsstellen des Unternehmens.7 Weisungen für das operative Tagesgeschäft sind möglich.8 Weisungen zu innergesellschaftlichen Aufgaben des Vorstands, wie Einberufung der Hauptversammlung, Aufstellung der Tagesordnung, Ausnutzung einer genehmigten Kapitalerhöhung oder Vorbereitung von Satzungsänderungen, sind zulässig.9

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Sollten (verdeckte Beherrschungs-)Verträge umfassende Zustimmungs- oder Vetorechte vorsehen, beispielsweise bei Just-in-Time-Lieferverträgen oder Franchiseverträgen, die eine Einflussnahme sicherstellen, die einem tatsächlichen Weisungsrecht nahekommen, sollte im Einzelfall geprüft werden, ob die Vorschriften zum Schutz der Gesellschaft bzw. der Aktionäre und Gläubiger nach §§ 302, 305 AktG gelten.10

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Sollte nichts anderes bestimmt sein, sind nach Abschluss eines Beherrschungsvertrags auch nachteiligen Weisungen zulässig, soweit sie insgesamt dem herrschenden Unternehmen oder den anderen konzernverbundenen Unternehmen dienen; teilweise wird auch von einem Konzerninteresse gesprochen.11 Vorausgesetzt wird allerdings, dass es sich um eine zulässige Weisung handelt. Weisungen, die gegen Gesetz und Satzung verstoßen, sind unzulässig.12 Weisungen, die gegen die Lebens- und Überlebensfähigkeit der Gesellschaft gerichtet sind, sind ebenfalls unzulässig, weil die Regelungen der §§ 302–305 AktG von einem 1 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 38; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 11, § 23 Rz. 24; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 151. 2 Vgl. Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 291 Rz. 20. 3 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 23; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 291 AktG Rz. 14; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 291 Rz. 27 ff., 35; Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 291 Rz. 11. 4 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 25; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 291 Rz. 52; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 291 Rz. 52; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 7. Strenger Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 291 AktG Rz. 17a, § 293a Rz. 21 f. 5 Vgl. Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 12. Vgl. zu atypischen oder verdeckten Beherrschungsverträgen Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 14–19b. 6 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 25; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 291 AktG Rz. 12; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 291 Rz. 44; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 291 Rz. 56; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 12. 7 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 23; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 291 AktG Rz. 12; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 291 Rz. 20; Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 291 Rz. 11. 8 Vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 308 AktG Rz. 39; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 151. 9 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 22; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 308 AktG Rz. 40; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 308 Rz. 88 f.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 308 Rz. 33; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 151; aA Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 291 Rz. 18 f., § 308 Rz. 21. 10 Streng Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 18a. Vgl. zu atypischen oder verdeckten Beherrschungsverträgen Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 27–29; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 14–19b. 11 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 26 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 23 Rz. 1, 21, 25–30a, 31 f. Gegen den Begriff des Konzerninteresses Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 153. 12 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 24; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 308 Rz. 100 f.; Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 291 Rz. 18 f., § 308 Rz. 28 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 23 Rz. 31 f., 36–40; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 71 Rz. 151.

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| Hachmeister

F. Spezielle Regelungen zum Konzernrecht

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Rz. 130 Anh. 2 zu § 290

Fortbestand der Gesellschaft ausgehen.1 Wird eine Existenzgefährdung nicht überschritten, kann in die Vermögenssubstanz eingegriffen werden. Beispiele sind Cash-Pooling (ohne die Anforderungen im faktischen Konzern), entschädigungslose Übertragung von Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens sowie ungünstige Konzernverrechnungspreise und -umlagen; für Leistungen im Zusammenhang mit einem Beherrschungsvertrag gelten nicht die Regelungen zur Einlagenrückgewähr gem. § 57 AktG.2 Durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag wird in die Verfassung der abhängigen Gesellschaft eingegriffen, so dass sie durchaus als „Organisationsverträge“ bezeichnet werden können. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge schaffen neben Zuständigkeiten (Weisungsrecht iSd. § 308 AktG) auch Rechte und Pflichten: So hat die abhängige Gesellschaft einen Anspruch auf Verlustübernahme und Schadenersatz bei unzulässigen Weisungen; das herrschende Unternehmen hat einen Anspruch darauf, dass (zulässige) Weisungen befolgt werden.3 Bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags entsteht eine „Pflicht zu konzernfreundlichem Verhalten“.4

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Bei einer GmbH hat ein Beherrschungsvertrag eine geringere Bedeutung, da die Gesellschafterversamm- 128 lung auch ohne formalen Beherrschungsvertrag einem Geschäftsführer Weisungen erteilen kann. Allerdings können direkte Weisungen einzelner Gesellschafter bei Umgehung der Gesellschafterversammlung sowie nachteilige Weisungen nicht unter das Weisungsrecht über eine Gesellschafterversammlung subsumiert werden. Eine umfassende Leitungsmacht einzelner Gesellschafter einer GmbH kann daher ebenfalls nur bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags erreicht werden.5 Dem steht auch nicht entgegen, dass wegen der im Innenverhältnis geltenden Vertragsfreiheit (§ 45 GmbHG), die bspw. ein beschränktes Weisungsrecht einzelner Gesellschafter vorsehen kann, ein solcher Beherrschungsvertrag entbehrlich sein könnte. Zumindest für die Mehrpersonengesellschaft sollten, um einen Minderheitenschutz zu erreichen, die gleichen Voraussetzungen wie bei einem aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag gelten.6

III. Eingliederung (§§ 319 ff. AktG) Die Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG kommt wirtschaftlich einer Verschmelzung gleich, auch wenn 129 die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft nicht verloren geht. Bei einer Eingliederung wird unwiderlegbar ein (Unterordnungs-)Konzern vermutet.7 Bei einer aktienrechtlichen Eingliederung hat die Hauptgesellschaft ein uneingeschränktes Weisungsrecht, das nicht durch ein Eigen- oder Konzerninteresse begründet sein muss.8 Im Eingliederungskonzern werden die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung partiell aufgehoben (§§ 323 Abs. 2, 324 AktG). Um die Gläubiger im Eingliederungskonzern zu schützen, erhalten diese gem. §§ 321, 322 AktG einen Anspruch auf Sicherheitsleistung bzw. die Hauptgesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft; § 324 Abs. 3 AktG sieht zudem eine Verlustausgleichspflicht beim Tochterunternehmen vor.9 Die Haftung gilt für Alt- und Neuverbindlichkeiten, soweit diese nicht nach (eingetragener) Beendigung der Eingliederung (unter Beachtung der Schonfrist nach § 15 Abs. 2 HGB) eingegangen wurde. Der Rechtsgrund für die Verbindlichkeit ist unbeachtlich, insbes. sind auch konzernrechtliche Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft erfasst. Die Haftung des Hauptgesellschafters hat akzessorischen Charakter.10

1 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 31–33; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 308 AktG Rz. 60 ff.; aA Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 308 Rz. 119 ff.; Koppensteiner in Kölner Komm. AktG3, § 308 Rz. 50 f.; Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 308 Rz. 31. 2 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 22; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht8, § 308 AktG Rz. 45; Altmeppen in MünchKomm. AktG4, § 308 Rz. 95 ff.; Veil in Spindler/Stilz, AktG3, § 291 Rz. 71 ff. 3 Vgl. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 309 Rz. 21–23; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 11 Rz. 21– 23, § 23 Rz. 2, 48–77 (zur Haftung der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens), Rz. 78–85 (zur Haftung der gesetzlichen Vertreter der abhängigen Gesellschaft). 4 Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 291 Rz. 37; Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG3, § 308 Rz. 42. 5 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 32 Rz. 7. 6 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 32 Rz. 8 f., 32. 7 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 1; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 74 Rz. 1, 5; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 41. 8 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 1; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 74 Rz. 48–52; Küting/Weber, Konzernabschluss13, 41. 9 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 41; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 74 Rz. 55–58. 10 Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 45 f.; Krieger in MünchHdb. Gesellschaftsrecht: Bd. 4 Aktiengesellschaft4, § 74 Rz. 45–47.

Hachmeister

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Anh. 2 zu § 290 Rz. 131 | Unternehmensverbindungen und Konzernrecht Ohne diese umfassenden Regelungen wäre der weitgehende Zugriff auf das Vermögen der abhängigen (eingegliederten) Gesellschaft nicht zu rechtfertigen.1 131

Außenstehende Aktionäre (Minderheitsgesellschafter) werden gegen einen Anspruch auf eine angemessene Abfindung aus der Gesellschaft ausgeschlossen.2

IV. Verbindung zur Konzernrechnungslegung 132

Die Konzernrechnungslegung basiert auf der Fiktion der rechtlichen Einheit. Die konzernrechtlichen Vorschriften des Aktienrechts zeigen, dass eine tatsächliche rechtliche Einheit durch das grundsätzliche Festhalten des Trennungsprinzips auch bei abhängigen Unternehmen nach § 17 AktG bzw. im Konzern nach § 18 AktG nicht besteht: – Lediglich im Eingliederungskonzern, der eine „wirtschaftliche Verschmelzung“ darstellt, bestehen (akzessionsähnliche) Haftungsansprüche gegen den Hauptgesellschafter;3 – im Vertragskonzern wird mit der Verlustübernahme ein „eigenständiges System des Gläubigerschutzes“ geschaffen, weil die gesetzlichen Regelungen zur Kapitalerhaltung (§§ 57 AktG) dort ausgehebelt werden können;4 – unterbleibt im faktischen Konzern ein Nachteilsausgleich oder übersteigt die Maßnahme dessen Grenzen, haftet das herrschende Unternehmen gem. § 317 AktG.5

133

Die unterschiedliche „Intensität der rechtlichen Einheit“ wird im Konzernabschluss vernachlässigt. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit idR beide rechtlich definierten Unternehmensverbindungen anzutreffen sind, so dass eine Differenzierung im Rahmen der Konzernberichterstattung nicht möglich ist.6 Die Fiktion der rechtlichen Einheit ist eine Typisierung, die die Besonderheiten jedes Einzelfalls nicht beachten kann, aber als „Idee“ benötigt wird, um eine „Berichtseinheit“ zu definieren. Der „Konzern als solches“ ist aber weiterhin kein Anspruchssubjekt. Ansprüche können gegen die abhängige Gesellschaft oder bestenfalls im Eingliederungskonzern gegen den Hauptgesellschafter der wirtschaftlichen Einheit bestehen. Über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dieser vertraglichen Anspruchssubjekte kann ein Konzernabschluss nur indirekt Informationen geben, da immer eine rechtliche Einheit haftet, nie die wirtschaftliche Einheit „Konzern“.

134

Liegt ein Beherrschungsvertrag vor, wird typisiert eine Beherrschung iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB unwiderlegbar vermutet; dies gilt auch bei einem aktienrechtlichen Eingliederungskonzern. Sollten (verdeckte Beherrschungs-)Verträge umfassende Zustimmungs- oder Vetorechte vorsehen, die eine Einflussnahme sicherstellen, die einem tatsächlichen Weisungsrecht nahekommt, sollte im Einzelfall geprüft werden, ob die unwiderlegbare Annahme einer Beherrschung iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB gilt. Entsprechend ist bei Vorliegen eines qualifiziert faktischen Konzerns iSd. Gesellschaftsrechts auch eine unwiderlegbare Beherrschung iSd. § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB gegeben; in jedem Fall greift aber die Einflussnahme gem. der Generalnorm des § 290 Abs. 1 HGB. Während die Regelungen zur qualitativen Nachteilszuführung auf die tatsächliche Einflussnahme abstellen, ist mit Blick auf verdeckte Beherrschungsverträge die Möglichkeit der Einflussnahme ausreichend.

§ 291 Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen (1) 1Ein Mutterunternehmen, das zugleich Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, braucht einen Konzernabschluß und einen Konzernlagebericht nicht aufzustellen, wenn ein den Anforderungen des Absatzes 2 entsprechender Konzernabschluß und Konzernlagebericht seines Mutterunternehmens einschließlich des Bestätigungsvermerks oder des Vermerks über dessen Versagung nach den für den entfallenden Konzernabschluß und Konzernlagebericht maßgeblichen Vorschriften in deutscher Sprache offengelegt wird. 2Ein befreiender Konzernabschluß und ein befreiender Konzernlagebericht können von jedem Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform und Größe aufgestellt werden, wenn das 1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

1082

Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 51. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 27–35. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 10 Rz. 45. Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 20 Rz. 36. J. Vetter in Schmidt/Lutter, AktG3, § 311 Rz. 117 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht10, § 24 Rz. 26. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 30.

| Hachmeister/Fiederling

Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen

| § 291

Unternehmen als Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zur Aufstellung eines Konzernabschlusses unter Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens und seiner Tochterunternehmen verpflichtet wäre. (2) 1Der Konzernabschluß und Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben befreiende Wirkung, wenn 1. das zu befreiende Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen in den befreienden Konzernabschluß unbeschadet des § 296 einbezogen worden sind, 2. der befreiende Konzernabschluss nach dem auf das Mutterunternehmen anwendbaren Recht im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU oder im Einklang mit den in § 315e Absatz 1 bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellt und im Einklang mit der Richtlinie 2006/43/EG geprüft worden ist, 3. der befreiende Konzernlagebericht nach dem auf das Mutterunternehmen anwendbaren Recht im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU aufgestellt und im Einklang mit der Richtlinie 2006/ 43/EG geprüft worden ist, 4. der Anhang des Jahresabschlusses des zu befreienden Unternehmens folgende Angaben enthält: a) Name und Sitz des Mutterunternehmens, das den befreienden Konzernabschluß und Konzernlagebericht aufstellt, b) einen Hinweis auf die Befreiung von der Verpflichtung, einen Konzernabschluß und einen Konzernlagebericht aufzustellen, und c) eine Erläuterung der im befreienden Konzernabschluß vom deutschen Recht abweichend angewandten Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden. 2Satz 1 gilt für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen entsprechend; unbeschadet der übrigen Voraussetzungen in Satz 1 hat die Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses und des befreienden Konzernlageberichts bei Kreditinstituten im Einklang mit der Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten (ABl. EG Nr. L 372 S. 1) und bei Versicherungsunternehmen im Einklang mit der Richtlinie 91/674/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Jahresabschluß von Versicherungsunternehmen (ABl. EG Nr. L 374 S. 7) in ihren jeweils geltenden Fassungen zu erfolgen. (3) Die Befreiung nach Absatz 1 kann trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz 2 von einem Mutterunternehmen nicht in Anspruch genommen werden, wenn 1. das zu befreiende Mutterunternehmen einen organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihm ausgegebene Wertpapiere im Sinn des § 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt, 2. Gesellschafter, denen bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mindestens 10 vom Hundert und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung mindestens 20 vom Hundert der Anteile an dem zu befreienden Mutterunternehmen gehören, spätestens sechs Monate vor dem Ablauf des Konzerngeschäftsjahrs die Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts beantragt haben. A. I. II. III. IV. B. I. II. III. IV. V.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für eine befreiende Konzernrechnungslegung (Abs. 1) Unternehmenseigenschaft . . . . . . . . . . . . Größe und Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mutter-Tochter-Beziehung . . . . . . . . . . . . Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

__ __ __ __ _ 1 3

5 11 14 15 16 17 23

C. Anforderungen an einen befreienden Konzernabschluss (Abs. 2) I. Einbeziehung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . II. Befreiender Konzernabschluss (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Befreiender Konzernlagebericht (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anhangangaben des zu befreienden Mutterunternehmens (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4) . . . . . . D. Ausschluss der Befreiung (Abs. 3) I. Inanspruchnahme eines organisierten Marktes (Abs. 3 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . II. Minderheitenschutz (Abs. 3 Nr. 2) . . . . . . E. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Fiederling/Hachmeister

. . . . . . .

_ _ _ _ __ _ 25 26 28 30 32 34 39

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§ 291 Rz. 1 | Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen Literatur: Klar/Reinke, Der Spartenkonzern – Abgrenzung des Konsolidierungskreises, WPg. 1991, 693; Dusemond, Die Abgrenzung des Konsolidierungskreises im engeren und weiteren Sinne, DB 1994, 1733; Petersen/Zwirner, Unternehmensbegriff, Unternehmenseigenschaft und Unternehmensformen, DB 2008, 481; Deubert/Lewe, Wesentliche Änderungen im Bereich der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung durch das BilRUG, DB 2015, Beilage 5, 49; Oser/Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) – Wesentliche Änderungen und Hinweise zur praktischen Umsetzung, DB 2015, 1729.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 291 HGB regelt die Voraussetzungen und Anforderungen für eine befreiende Wirkung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts eines Mutterunternehmens, das gleichzeitig Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat ist. Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts kann sich aus § 290 HGB oder § 11 PublG ergeben. Somit ist nach § 11 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 PublG der § 291 HGB auch für Unternehmen relevant, die zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts nach § 11 PublG verpflichtet sind.1 Die Pflicht zur Aufstellung besteht unabhängig von der Konzernstufe (vgl. § 290 HGB Rz. 50). Für mehrstufige Konzerne ergibt sich daraus die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts sowohl auf oberster Konzernebene als auch auf niedrigerer Ebene für Mutterunternehmen, die gleichzeitig die Voraussetzungen eines Tochterunternehmens (nach § 290 Abs. 1 und 2 HGB) eines übergeordneten Unternehmens erfüllen (vgl. § 290 HGB Rz. 50). Diese Regelung ist auch unter dem Namen „Tannenbaumprinzip“ bekannt. Der Tannenbaum, dessen untere Astreihen durch die höheren Reihen abgedeckt werden, stellt dabei eine Assoziation zum Konzernverbund dar, dessen einzelne Konzernteile unter eine einheitliche Spitze/Leitung gestellt werden.2

2

Regelungsgegenstand ist die befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten eines Mutterunternehmens auf höherer Stufe für untergeordnete Teilkonzernabschlüsse und Teilkonzernlageberichte. Beispiel 1 zeigt eine mögliche Struktur eines solchen Konzerns. Basierend auf der Annahme, dass die dargestellten Verflechtungen sich auch in Stimmrechtsmehrheiten widerspiegeln, ist Mutterunternehmen 1 nach § 290 HGB bei Erfüllung aller Voraussetzungen zur Aufstellung eines Gesamtkonzernabschlusses und -lageberichts verpflichtet. Dies gilt ebenfalls für die untergeordneten Mutterunternehmen. Daher haben diese Mutterunternehmen 2, 3, 4 und 7 einen Teilkonzernabschluss und Teilkonzernlagebericht zu erstellen. Die Unternehmen 8 und 9 sind Bestandteil der Teilkonzernabschlüsse der Mutterunternehmen 4 und 2, sowie des Gesamtkonzernabschlusses des Mutterunternehmens 1. Analog dazu werden die Unternehmen 10 und 11 in die Teilkonzernabschlüsse der Mutterunternehmen 7 und 3 sowie ebenfalls in den Gesamtkonzernabschluss des Mutterunternehmens 1 einbezogen.3 1

3

2 4

8

5

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7

6

10

11

Beispiel4: § 291 Abs. 1 HGB behandelt die Voraussetzungen für befreiende Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte, § 291 Abs. 2 HGB regelt die zu erfüllenden Anforderungen an befreiende Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte. Die Regelungen zur befreienden Wirkung lassen erkennen, dass der Gesetzgeber eine Gesamtkonzern1 2 3 4

Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 160. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 2. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 5. Beispiel entnommen aus Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 5.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 8 § 291

rechnungslegung zu Lasten einzelner Teilkonzernabschlüsse in den Vordergrund stellt.1 Einschränkend wirken die Ausschlussregelungen eines befreienden Konzernabschlusses nach § 291 Abs. 3 HGB bei Inanspruchnahme eines organisierten Markts sowie zum Zwecke des Minderheitenschutzes.

II. Bedeutung und Zweck Für Unternehmen im Konzernverbund verliert der Einzelabschluss aufgrund konzerninterner operativer 3 und finanzieller Transaktionen sowie komplexer Beteiligungsstrukturen, die den Einzelabschluss beeinflussen, an Aussagekraft. Durch die Eliminierung konzerninterner Verflechtungen soll die Aufstellung eines Konzernabschlusses daher eine Verbesserung der Beurteilungskraft der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens liefern (vgl. Vor § 290 HGB Rz. 76–79).2 Einschränkungen in der Aussagekraft ergeben sich nicht nur für den Einzelabschluss von Unternehmen im Konzernverbund, vielmehr betreffen sie auch Teilkonzernabschlüsse von untergeordneten Mutterunternehmen. Daher kann unter den in § 291 HGB geltenden Voraussetzungen ein höherrangiger Konzernabschluss eine befreiende Wirkung erlangen und von einer Aufstellung des Teilkonzernabschlusses abgesehen werden.3 Die Aufstellungspflicht für Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte nach § 290 HGB greift grundsätz- 4 lich auch für Teilkonzerne von untergeordneten Mutterunternehmen, die gleichzeitig Tochterunternehmen darstellen. Innerhalb eines großen mehrstufigen Konzerns resultiert das Tannenbaumprinzip in einer Vielzahl aufzustellender Teilkonzernabschlüsse. Der damit verbundene Kostenaufwand steht idR in keinem Verhältnis zu dem zusätzlichen Nutzen bzw. Informationsgewinn, der mit der Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses einhergeht.4 Dies kann zu einer Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit führen, sofern die mit der Aufstellung verbundenen Kosten in keinem angemessenen Verhältnis zum daraus resultierenden Nutzen stehen.5 Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 291 Abs. 1 HGB erfolgt die Aufhebung des Tannenbaumprinzips. Durch Aufstellung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts des auf höchster Konzernstufe stehenden Mutterunternehmens werden die untergeordneten Teilkonzerne von der Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses und Teilkonzernlageberichts befreit.6

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Nach der deutschen Gesetzgebung greifen unterschiedliche Regelungen in Abhängigkeit vom Sitzstaat des 5 übergeordneten Mutterunternehmens. § 291 HGB befasst sich mit den Voraussetzungen und Anforderungen an den befreienden Konzernabschluss und Konzernlagebericht, wenn das übergeordnete Mutterunternehmen seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der EU bzw. einem Vertragsstaat des EWR hat. § 292 HGB befasst sich mit den Regelungen im Fall eines Sitzes des übergeordneten Mutterunternehmens außerhalb des EWR.7 § 291 Abs. 1 HGB regelt die Voraussetzungen des übergeordneten Mutterunternehmens zur Aufstellung 6 eines befreienden Konzernabschlusses. Demnach hat der vom Abschlussprüfer geprüfte Konzernabschluss und Konzernlagebericht (unter Beachtung der Anforderungen nach § 291 Abs. 2 HGB) eines übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR befreiende Wirkung, wenn der befreiende Konzernabschluss in deutscher Sprache offengelegt wird. Die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts ist an die Unternehmenseigenschaft geknüpft und besteht unabhängig von Rechtsform und Größe (§ 291 Abs. 1 HGB). Die Anforderungen an einen befreienden Konzernabschluss und Konzernlagebericht sind in § 291 Abs. 2 7 HGB geregelt. Diese beinhalten die Einbeziehung des untergeordneten Mutterunternehmens sowie dessen Tochterunternehmen, den Inhalt des befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts sowie die notwendigen Angaben im Anhang.8 § 291 Abs. 3 HGB regelt zwei Tatbestände, nach denen der Konzernabschluss eines übergeordneten Mut- 8 terunternehmens auch bei Erfüllung der in § 291 Abs. 2 HGB genannten Voraussetzungen keine befreiende Wirkung hat. Eine befreiende Wirkung ist ausgeschlossen, wenn das zu befreiende Mutterunterneh1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 4. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 1. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 2. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 291 HGB Rz. 1. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabsschlüsse9, 54. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 14. ADS6, § 291 HGB Rz. 1. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 52.

Fiederling/Hachmeister

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§ 291 Rz. 9 | Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen men kapitalmarktorientiert ist (§ 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB) oder wenn bestimmte Minderheitsrechte vorliegen (§ 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB).1 9

Nach § 291 Abs. 2 Satz 2 HGB besitzen die Vorschriften des § 291 Abs. 2 Satz 1 HGB auch für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen Gültigkeit, deren Pflicht zur Aufstellung konsolidierter Abschlüsse in §§ 340i, 341i HGB rechtsformunabhängig geregelt ist. Zusätzlich zu den Vorschriften des § 291 HGB sind zur Geltung der befreienden Wirkung für Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte bei Kreditinstituten die Regelungen der Richtlinie 86/635/EWG zu beachtet. Analog dazu müssen Regelungen nach § 291 HGB bei Versicherungsunternehmen zusätzlich mit der Versicherungsbilanzrichtlinie (Richtlinie 91/674/EWG) in Einklang stehen.2

10

Die korrespondierenden Regelungen nach den internationalen Rechnungslegungsstandards sind in IFRS 10.4 geregelt. Demnach ist die Vorlage eines Konzernabschlusses eines untergeordneten Tochterunternehmens nicht erforderlich, sofern das übergeordnete Mutterunternehmen die vollständigen Stimmrechte besitzt und einen Konzernabschluss nach IFRS publiziert. Bei einem geringeren Stimmrechtsanteil ist eine Befreiung nur möglich, wenn Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss informiert werden und der Befreiung des Teilkonzernabschlusses nicht widersprechen.3

IV. Rechtsentwicklung 11

Mit § 291 HGB wurden 1985 die für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Freistellungen in Art. 7 und die für die Mitgliedstaaten freiwilligen Freistellungen in Art. 8 der Richtlinie 83/349/EWG in nationales Recht umgesetzt. Dadurch wurde allen in der EU ansässigen Unternehmen unter den geltenden Voraussetzungen Befreiungsmöglichkeiten eröffnet.4 Die Vorschriften zur befreienden Konzernrechnungslegung finden sich nicht in entsprechender Weise in den Regelungen zur Konzernrechnungslegung des AktG von 1965. § 329 Abs. 1 AktG 1965 verlangte grundsätzlich eine Gesamtkonzernrechnungslegung. Eine Teilkonzernrechnungslegungspflicht bestand nach § 330 Abs. 1 AktG 1965 lediglich im Fall eines nicht konzernrechnungslegungspflichtigen übergeordneten Mutterunternehmens.5

12

Änderungen ergaben sich insbes. durch Art. 4 Nr. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 20. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz), durch das die Befreiungsmöglichkeiten auf den Europäischen Wirtschaftraum erweitert wurden. § 291 HGB wurde zudem im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG) vom 24.4.1998 sowie mit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.5.2009 weiterentwickelt.6

13

Aktuelle Änderungen ergeben sich mit Inkrafttreten des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes(BilRUG), das die EU-Bilanzrichtlinie 2013/34/EU (die die Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG ersetzt) in nationales Recht umsetzt.7 Die neuen Regelungen sind erstmals anzuwenden auf alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Mit der neuen Fassung des § 291 HGB stellt der Gesetzgeber klar, dass eine befreiende Wirkung vom Konzernabschluss des Mutterunternehmens auch dann ausgehen kann, wenn dieser gem. § 315e HGB nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) aufgestellt wurde.8 Dazu wird in § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 konkret auf Art. 23 Abs. 4b der Richtlinie 2013/34/EU verwiesen. Maßgeblich sind dabei die von der EU gebilligten („endorsden“) internationalen Rechnungslegungsstandards. Ein IASB-IFRS-Abschluss, der im Gegensatz zum EU-IFRS-Abschluss auch nicht gebilligte („endorsde“) Standards anwenden kann, ist nicht ausreichend für eine befreiende Wirkung.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 139. Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 291 HGB Rz. 32. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 11. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 4. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 7. Für detailliertere Ausführungen s. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 4–10. Vgl. Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1729). Vgl. Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1731). Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 291 HGB Rz. 21a; Deubert/Lewe, DB 2015, Beil. 5, 49 (49).

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B. Voraussetzungen für eine befreiende Konzernrechnungslegung (Abs. 1)

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Rz. 18 § 291

B. Voraussetzungen für eine befreiende Konzernrechnungslegung (Abs. 1) I. Unternehmenseigenschaft Die Möglichkeit einer Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts wurde 14 vom Gesetzgeber an die Unternehmenseigenschaft geknüpft. Dazu wurde in § 291 Abs. 1 Satz 2 HGB auf die Unternehmenseigenschaft explizit hingewiesen.1 Der Unternehmensbegriff geht aus dem Gesetzeswortlaut des § 291 HGB nicht direkt hervor. Es ist von einem teleologischen Unternehmensbegriff auszugehen, der die Schutzzwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung beachtet (vgl. § 290 HGB Rz. 38).2

II. Größe und Rechtsform § 291 Abs. 1 Satz 2 HGB weist darauf hin, dass ein befreiender Konzernabschluss und Konzernlagebericht 15 unabhängig von der Größe des Mutterunternehmens aufgestellt werden kann. Größenmäßige Befreiungsmöglichkeiten bei der Aufstellung eines Konzernabschlusses sind in § 293 HGB und in § 11 PublG geregelt. Dabei bezieht sich die Größe auf die Gesamtgröße der einzubeziehenden Unternehmen und nicht auf die Größe des Mutterunternehmens. Der Größenbezug stellt hierbei lediglich klar, dass auch ein freiwillig erstellter Konzernabschluss und Konzernlagebericht eine befreiende Wirkung aufweisen kann.3 Ein Konzernabschluss, der ohne eine fiktive Verpflichtung erstellt wurde – beispielsweise bei Gleichordnungskonzernen –, hat jedoch keine befreiende Wirkung.4 Zusätzlich gelten die Befreiungsmöglichkeiten auch für Nichtkapitalgesellschaften, wie beispielsweise Personenhandelsgesellschaften, die nach § 11 PublG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind.5 § 291 Abs. 1 Satz 2 HGB weist zudem darauf hin, dass eine befreiende Wirkung unabhängig von der Rechtsform bestehen kann, wenn das Unternehmen als in der EU bzw. im EWR ansässige Kapitalgesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet wäre. Der Gesetzeswortlaut ist nicht dahingehend zu interpretieren, dass der Konzernabschluss des übergeordneten Mutterunternehmens lediglich dann befreiende Wirkung aufweisen kann, wenn es unter der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden kann. Unter der Voraussetzung der Erfüllung der Unternehmenseigenschaft kann ein befreiender Konzernabschluss somit ua. von Personengesellschaften aufgestellt werden.6 Allerdings müssen diese Mutterunternehmen die Bilanzierungsvorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264–289 HGB) beachten.

III. Sitz § 291 HGB bezieht sich gem. Abs. 1 auf übergeordnete Mutterunternehmen, die ihren Sitz in der EU oder 16 im EWR haben. Eine befreiende Wirkung eines untergeordneten Konzernabschlusses kann daher auch von einem nicht im Inland ansässigen übergeordneten Mutterunternehmen ausgehen.7

IV. Mutter-Tochter-Beziehung Für eine befreiende Wirkung eines übergeordneten Konzernabschlusses nach § 291 HGB setzt Abs. 1 17 Satz 1 das Vorliegen einer Mutter-Tochter-Beziehung voraus (vgl. § 290 HGB Rz. 62 ff., 98 ff.). Die Beziehung zwischen Mutter- und Tochterunternehmen kann in direkter oder indirekter Art vorliegen. Ein indirektes Mutter-Tochter-Verhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Mutter- und Tochterunternehmen mindestens eine weitere Konzernstufe liegt und somit keine direkte Verbindung zwischen Mutter- und Tochterunternehmen besteht.8 Diese Beziehung muss nicht über das gesamte Geschäftsjahr bestanden haben, es ist vielmehr ausreichend, wenn das Mutter-Tochter-Verhältnis zum Stichtag besteht.9 Maßgeblich für die Qualifizierung als Tochterunternehmen ist das geltende Recht des Sitzstaates des übergeordneten Mutterunternehmens. Ist das übergeordnete Mutterunternehmen im Inland ansässig, richten sich die zu erfüllenden Kriterien eines Tochterunternehmens nach § 290 HGB. Bei Sitz in einem anderen EU- oder EWR-Staat greifen die Regelungen des jeweiligen Staates. Aufgrund der Mitgliedstaatenwahlrechte in der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) kann dies grundsätzlich zu unterschiedlichen Defini1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

ADS6, § 291 HGB Rz. 7. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 6. ADS6, § 291 HGB Rz. 5; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 118. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 13. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 18. ADS6, § 291 HGB Rz. 8. ADS6, § 291 HGB Rz. 9. ADS6, § 291 HGB Rz. 10. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 8.

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§ 291 Rz. 19 | Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen tionen von Mutter- und Tochterunternehmen in den Mitgliedstaaten führen, so dass ein untergeordnetes Mutterunternehmen beispielsweise im Ausland die Kriterien als Tochterunternehmen erfüllt, während dieses Unternehmen nach den in Deutschland geltenden Kriterien nicht als Tochterunternehmen klassifiziert würde.1 19

Die befreiende Wirkung des Gesamtkonzernabschlusses für im Inland ansässige übergeordnete Mutterunternehmen ist an das Vorliegen einer Mutter-Tochter-Beziehung geknüpft. Die Kriterien beruhen auf dem Konzept des beherrschenden Einflusses nach §§ 290 Abs. 1 iVm. Abs. 2 HGB. Eine solche MutterTochter-Beziehung liegt nicht vor, wenn es sich bei den zu befreienden Unternehmen um Gemeinschaftsunternehmen iSd. § 310 HGB oder assoziierte Unternehmen iSd. § 311 HGB handelt. Voraussetzung für eine befreiende Wirkung ist die Einbeziehung des untergeordneten Mutterunternehmens im Rahmen der Vollkonsolidierung.2

20

Die Regelung zur Befreiung von Teilkonzernabschlüssen nach § 291 HGB richtet sich nach rechtlichen und nicht ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien. Ein Beispiel hierfür bilden Spartenkonzerne. Dabei werden rechtlich selbstständige Konzernteilbereiche (beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Produktlinien), die zwar unter einheitlicher Leitung stehen, jedoch untereinander keine Beherrschungsmöglichkeiten aufweisen, zu einem Spartenkonzern zusammengefasst.3 Diese Spartenkonzerne können demnach keine befreiende Wirkung erlangen.4

21

Eine mögliche Beherrschung durch ein Mutterunternehmen liegt bei einem Gleichordnungskonzern nicht vor (vgl. § 290 HGB Rz. 59 f.). Eine Mutter-Tochter-Beziehung nach § 290 Abs. 1 und Abs. 2 HGB besteht bei nebeneinander stehenden und somit gleich geordneten Unternehmen nicht, so dass auch kein befreiender Konzernabschluss wirksam werden kann. Bestehen neben dem Gleichordnungskonzern jedoch weitere untergeordnete Konzerne, so dass die gleichgeordneten Unternehmen Mutterunternehmen sind, so können die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 und Abs. 2 HGB erfüllt sein, so dass hierdurch eine befreiende Wirkung für den Teilkonzern vorliegen kann.5

22

Bei Vorliegen eines Mehrmütterkonzerns, in dem das zu befreiende Mutterunternehmen in einer MutterTochter-Beziehung mit mehreren unabhängigen übergeordneten Mutterunternehmen nach § 290 HGB steht, ist eine befreiende Wirkung unter Erfüllung der Voraussetzung des Bestehens eines Mutter-TochterVerhältnisses nach § 290 HGB möglich (mehrfache Konzernzugehörigkeit).6

V. Offenlegung 23

Maßgeblich für die Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts ist das Recht des Sitzstaates des übergeordneten Mutterunternehmens.7 Nach § 291 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der befreiende Konzernabschluss von einem Abschlussprüfer zu prüfen und in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Die befreiende Wirkung kann unabhängig davon eintreten, ob vom Abschlussprüfer ein Bestätigungsvermerk oder ein Vermerk über die Versagung erteilt wurde. Die Beglaubigung der Übersetzung in die deutsche Sprache sowie die Umrechnung in Euro ist nicht erforderlich. Die maßgeblichen Vorschriften für die Offenlegung beziehen sich auf §§ 325–329 HGB.8 Nachweis und Veranlassung der Offenlegung liegen beim untergeordneten Mutterunternehmen.9 Die Offenlegung des befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts sowie des Bestätigungs- oder Versagensvermerks des Abschlussprüfers hat nach § 325 Abs. 1 HGB im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen.10

24

Zur Bekanntmachung des befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts sind die nach § 325 Abs. 1 HGB erforderlichen Unterlagen spätestens ein Jahr nach Abschlussstichtag des betreffenden Geschäftsjahrs einzureichen (§325 Abs. 1a HGB). Die ordnungsgemäße Offenlegung des befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts ist Voraussetzung für die befreiende Wirkung. Daher kann erst nach der Offenlegung, oftmals Monate nach dem Abschlussstichtag, geklärt werden, ob das untergeord1 Vgl. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 8; ADS6, § 291 HGB Rz. 11–13. 2 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 18; ADS6, § 291 HGB Rz. 15. Weiterführend zum Konsolidierungskreis Dusemond, DB 1994, 1733 (1733–1741). 3 Vgl. sowie für detailliertere Ausführungen Klar/Reinke, WPg. 1991, 693 (693). 4 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 23; ADS6, § 291 HGB Rz. 10. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 36–39; ADS6, § 291 HGB Rz. 16 f. Siehe dort auch für ein ausführliches Beispiel. 6 Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 14; Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 8. 7 Vgl. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 10. 8 Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 21 f. 9 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 11. 10 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 135.

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C. Anforderungen an einen befreienden Konzernabschluss (Abs. 2)

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Rz. 27 § 291

nete Mutterunternehmen tatsächlich von der Aufstellungspflicht des Teilkonzernabschlusses befreit ist.1 Weichen der Abschlussstichtag des übergeordneten Mutterunternehmens und der Abschlussstichtag des untergeordneten Mutterunternehmens voneinander ab, ist nach hM der Abschlussstichtag des zu befreienden Mutterunternehmens maßgeblich.2

C. Anforderungen an einen befreienden Konzernabschluss (Abs. 2) I. Einbeziehung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) Voraussetzung für einen befreienden Konzernabschluss und Konzernlagebericht ist, dass das untergeord- 25 nete Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen unbeschadet der Regelungen in § 296 HGB in den Konzernabschluss einbezogen wurden (§ 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB). Der Geltungsbereich der Konsolidierungswahlrechte nach § 296 HGB erstreckt sich somit auch auf befreiende Konzernabschlüsse.3 Aus dem Gesetzestext geht nicht klar hervor, aus welcher Perspektive der Konsolidierungskreis sowie Konsolidierungswahlrechte zu betrachten sind.4 Im Einzelfall kann sich die Ausübung von Wahlrechten unterschiedlich auf die Konsolidierungskreise auswirken. Ein praxisrelevantes Beispiel stellt dabei die Nichtkonsolidierung wegen Unwesentlichkeit dar. Ist ein untergeordnetes Mutterunternehmen an mehreren Tochterunternehmen beteiligt, so ist deren Einbeziehung in den Konzernabschluss zur Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bilds der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von Bedeutung. Aus der Perspektive des Gesamtkonzerns können diese Tochterunternehmen jedoch lediglich eine untergeordnete Bedeutung aufweisen und können daher nach § 296 Abs. 2 HGB im Gesamtkonzernabschluss nicht konsolidiert werden.5 Nach hM ist dabei die Sichtweise des übergeordneten Mutterunternehmens einzunehmen.6 Ein weiteres Beispiel ergibt sich, wenn das übergeordnete Mutterunternehmen seinen Sitz nicht im Inland hat.7 Aufgrund der Mitgliedstaatenwahlrechte kann deren Transformation in nationales Recht zu unterschiedlichen Konsolidierungskreisen führen. Grundsätzlich können nach § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB Konsolidierungswahlrechte bei Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts neu ausgeübt werden. Dabei kommt es nicht auf eine gleiche Ausübung der Konsolidierungswahlrechte von Mutter- und Tochterunternehmen an. Das Mutterunternehmen kann dabei zu einer anderen Anwendungsentscheidung kommen als das Tochterunternehmen. Ob das untergeordnete Mutterunternehmen die Wahlrechte im Teilkonzernabschluss in gleicher Art ausgeübt hätte, ist somit unerheblich. Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich bei dem nicht einzubeziehenden Unternehmen um das untergeordnete, zu befreiende Mutterunternehmen handelt.8

II. Befreiender Konzernabschluss (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) Maßgeblich für den befreienden Konzernabschluss für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen, 26 ist nach § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB das geltende Recht im Sitzstaat des übergeordneten Mutterunternehmens. Der befreiende Konzernabschluss muss zudem den Anforderungen der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) gerecht werden oder in Einklang mit § 315e Abs. 1 HGB (Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses nach den internationalen Rechnungslegungsstandards) stehen. Darüber hinaus ist der Konzernabschluss in Einklang mit der Richtlinie 2006/43/EG zu prüfen. Ein nach dem PublG aufgestellter befreiender Konzernabschluss ist ebenfalls in Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) zu erstellen.9 Die Vorschrift wurde im Zuge des BilRUG geändert. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass auch ein nach den von der EU übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards erstellter Konzernabschluss befreiende Wirkung haben kann.10 Ein Konzernabschluss und Konzernlagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens kann nur dann 27 befreiende Wirkung erlangen, wenn er von einem Abschlussprüfer geprüft wurde. Für im Inland ansässige 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 138. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 23; Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 11. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 121. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 19; ADS6, § 291 HGB Rz. 25. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 291 HGB Rz. 22; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 122. Vgl. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 12; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 15; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 291 HGB Rz. 22. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 64. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 123. Vgl. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 13. Vgl. Deubert/Lewe, DB 2015, Beil. 5, 49 (49).

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§ 291 Rz. 28 | Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen Mutterunternehmen ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die Prüfung des zu befreienden Konzernabschlusses und Konzernlageberichts nach § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB durch einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erfolgte. Zur Prüfung des Abschlusses von Gesellschaften, die ihren Sitz in der EU oder dem EWR haben, ist eine befreiende Wirkung möglich, sofern der Prüfer die mit der Richtlinie 2006/43/EG in Einklang stehenden nationalen Vorschriften erfüllt. Nach hM hängt die befreiende Wirkung des Konzernabschlusses nicht davon ab, ob der Abschlussprüfer dem Mutterunternehmen einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Ein eingeschränkter Vermerk des Abschlussprüfers kann daher dennoch zu einer befreienden Wirkung des Konzernabschlusses führen. Dies gilt auch im Fall eines Versagensvermerks, sofern das Versagen nicht aus einer fehlenden Übereinstimmung mit der Richtlinie 2013/34/EU resultiert.1

III. Befreiender Konzernlagebericht (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) 28

Im Zuge des BilRUG wurde § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB aF aufgeteilt und wurden die Regelungen zum befreienden Konzernabschluss (§ 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) und Konzernlagebericht (§ 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HGB) separat aufgeführt. Nach HGB nF werden der befreiende Konzernabschluss und der befreiende Konzernlagebricht getrennt betrachtet. Im Vergleich zum HGB aF ergeben sich inhaltlich dadurch nur geringfügige Änderungen.2 Nach § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HGB nF ist ein befreiender Konzernabschluss in Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) zu erstellen sowie mit der Richtlinie 2006/43/EG (Abschlussprüfer-Richtlinie) zu prüfen. Die Regelung ist nach Art. 75 Abs. 1 EGHGB für Abschlüsse nach dem 31.12.2015 anzuwenden.

29

Maßgeblich ist dabei das Recht des Sitzstaates des übergeordneten Mutterunternehmens. Besteht nach dem Recht des übergeordneten Mutterunternehmens die Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernlageberichts, so ist dieser zur Erlangung der befreienden Wirkung verpflichtend aufzustellen und prüfen zu lassen. Besteht die Pflicht zur Aufstellung und Prüfung eines Konzernlageberichts im Sitzstaat des Mutterunternehmens nicht, so ist die Aufstellung und Prüfung eines Konzernlageberichts zur Erlangung einer befreienden Wirkung auch nicht erforderlich. Eine befreiende Wirkung von im Inland ansässigen übergeordneten Mutterunternehmen ist daher nach § 291 HGB an die Erstellung und Prüfung eines Konzernlageberichts geknüpft. Bestehen nach nationalem Recht keine Pflichten zur Aufstellung und Prüfung eines Konzernlageberichts, so kann auch ein IFRS-Konzernabschluss, für den die Erstellung eines Lageberichts nicht vorgesehen ist, befreiende Wirkung erlangen.3

IV. Anhangangaben des zu befreienden Mutterunternehmens (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4) 30

Voraussetzung für die befreiende Wirkung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts des höchsten Mutterunternehmens sind nach § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HGB folgende Angaben im Anhang des Jahresabschlusses des zu befreienden Unternehmens: – Name und Sitz des Mutterunternehmens, das den befreienden Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufstellt, – ein Hinweis auf die Befreiung von der Verpflichtung, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, und – eine Erläuterung der im befreienden Konzernabschluss vom deutschen Recht abweichend angewandten Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden (§ 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HGB).

31

Ziel der Veröffentlichung der genannten Angaben im Anhang ist die Information der Adressaten der Rechnungslegung über einen befreienden Konzernabschluss.4 Der Umfang der Erläuterungen ist grundsätzlich in § 313 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 HGB geregelt (vgl. § 313 HGB Rz. 31 ff.). Der Hinweis, dass der befreiende Konzernabschluss nach den von der EU übernommenen IFRS aufgestellt wurde, sollte im Jahresabschluss des zu befreienden Mutterunternehmens erfolgen. Darüber hinaus besteht nach hM keine weitere Erläuterungspflicht, wenn der befreiende Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsstandards erstellt wurde.5

1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

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Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 14. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 15. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 15. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 77; ADS6, § 291 HGB Rz. 42. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 134.

| Fiederling/Hachmeister

D. Ausschluss der Befreiung (Abs. 3)

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Rz. 36 § 291

D. Ausschluss der Befreiung (Abs. 3) I. Inanspruchnahme eines organisierten Marktes (Abs. 3 Nr. 1) Eine befreiende Wirkung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts des übergeordneten Mut- 32 terunternehmens nach § 291 Abs. 1 HGB kann trotz Erfüllung der Voraussetzungen von § 291 Abs. 2 HGB nicht gegeben sein, wenn Wertpapiere des zu befreienden Mutterunternehmens an einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG gehandelt werden. Als Wertpapiere nach § 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB gelten Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG ua. Aktien und Schuldtitel. Die Regelung dient der Verfügbarkeit relevanter Informationen des Teilkonzernabschlusses und -lageberichts für mögliche Marktteilnehmer.1 Ob es sich bei dem organisierten Markt um einen im Inland oder in anderen EU/EWR-Staaten ansässigen Markt handelt, ist dabei irrelevant.2 § 291 definiert den Anwenderkreis der Vorschrift selbst und greift nicht auf die Definition einer kapital- 33 marktorientierten Kapitalgesellschaft nach § 264d HGB zurück. Nach § 264d HGB ist eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft durch die Ausgabe von Wertpapieren iSd. § 2 Abs. 1 WpHG auf einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG gekennzeichnet. Die Kapitalgesellschaft gilt nach § 264d HGB auch dann als kapitalmarktorientiert, wenn sie die Zulassung solcher Wertpapiere an einem solchen Markt beantragt hat. Im Gegensatz dazu fallen untergeordnete Mutterunternehmen, die zum Stichtag einen Antrag gestellt, aber noch nicht zum Handel auf einem organisierten Markt zugelassen wurden, nicht unter § 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB. Diese werden daher nicht von den Regelungen zum Ausschluss einer Befreiung erfasst.3

II. Minderheitenschutz (Abs. 3 Nr. 2) Nach § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB können Gesellschafter unter folgenden Voraussetzungen die Aufstellung ei- 34 nes Konzernabschlusses und Konzernlageberichts des zu befreienden untergeordneten Mutterunternehmens verlangen: Gesellschafter von Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien, die mit mindestens 10 % am Unternehmen beteiligt sind, bzw. Gesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die zu mindestens 20 % am Unternehmen beteiligt sind, können die Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts beantragen (§ 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB). Diese Regelung dient dem Schutz der Minderheitsgesellschafter. Durch die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses sollen den Gesellschaftern relevante Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Teilkonzerns gewährt werden.4 Mit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) v. 25.5.2009 wurde der Minderhei- 35 tenschutz in Form eines Zustimmungsrechts im Fall einer mindestens 90-prozentigen Beteiligung des Mutterunternehmens in § 291 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 HGB gestrichen.5 Seitdem kann eine Befreiung von der Aufstellungspflicht der Konzernrechnungslegung nur auf ausdrücklichen Antrag nach § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB aufgehoben werden. § 291 HGB beinhaltet keine Regelungen zur Berechnungen der Anteile. Durch die Verwendung des Be- 36 griffs „gehören“ in § 291 Abs. 3 Satz 2 HGB drückt der Gesetzgeber im Rahmen des Minderheitenschutzes die Zugehörigkeit im wirtschaftlichen sowie bilanztechnischen Sinne aus, so dass für die Berechnung der Anteile §§ 290 Abs. 3 Satz 1 iVm. 271 Abs. 1 Satz 4 HGB sowie § 16 Abs. 2 und 4 AktG maßgeblich ist (vgl. § 290 HGB Rz. 157 ff.).6 Unter Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG sind eigene Anteile bzw. Anteile, die andere für Rechnung des untergeordneten Mutterunternehmens halten, bei der Ermittlung der Anteilsquote vom Nennkapital abzusetzen (vgl. Anhang 2 zu § 290 HGB Rz. 30 f.).7 Ob § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB lediglich auf stimmberechtigte oder auch auf nicht stimmberechtigte Anteile abzielt, geht nicht eindeutig hervor. Da nur von Anteilen allgemein die Rede ist, geht die hM davon aus, dass auch die Anteile nicht stimmberechtigter Anteilseigner einbezogen werden. Diese gelten aufgrund des fehlenden Stimmrechts als besonders schutzwürdig.8 1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 31. 2 Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 291 HGB Rz. 34. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 31; Begründung zum RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 79. 4 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 142. 5 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 79. 6 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 41; ADS6, § 291 HGB Rz. 44. 7 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 41. 8 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 34; Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 291 HGB Rz. 39.

Fiederling/Hachmeister

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§ 291 Rz. 37 | Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen 37

Der Antrag zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses muss spätestens sechs Monate vor Ablauf des Konzerngeschäftsjahrs gestellt werden (§ 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB). Maßgeblich für die Berechnung der Antragsfrist ist nicht das Geschäftsjahr des Gesamtkonzerns, da dieses den Gesellschaftern unter Umständen nicht bekannt ist. Vielmehr bezieht sich die Frist auf den Ablauf des Konzerngeschäftsjahrs des untergeordneten Mutterunternehmens, da nur dieses Datum für die Gesellschafter von Relevanz ist.1 Der Antrag ist von den Gesellschaftern einzeln oder gemeinsam zu stellen. Eine bestimmte Form des Antrags ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Ausreichend ist ein formloser Antrag eines Minderheitsgesellschafters. Auch die Zusammenfassung der Anträge mehrerer Minderheitsgesellschafter ist nicht zwingend erforderlich. Aus § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB ergibt sich nach hM die Pflicht einer jährlichen Antragstellung. Dies ist insbes. damit zu begründen, dass in jedem Jahr neu zu prüfen ist, ob der erforderliche Anteil der Minderheitsgesellschafter die Aufstellung eines Konzernabschlusses des untergeordneten Mütterunternehmens verlangt.2

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Erst mit Erreichen der Anteilsquote kann der Antrag wirksam werden.3 Die Anteile werden einem Gesellschafter ohne beherrschendem Einfluss („Minderheitsgesellschafter“) zugerechnet, wenn sie ihm zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Antragstellung gehören.4 Im Fall einer Veräußerung des Anteils durch einen Gesellschafter ohne beherrschendem Einfluss nach Ablauf der Antragsfrist ist dem neuen Gesellschafter eine Nachholung der Antragstellung nicht möglich, sofern durch den alten Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss kein Antrag auf Aufstellung eines Konzernabschluss gestellt wurde.5 Sollte demgegenüber ein Minderheitsgesellschafter mit dem relevanten Anteilsbesitz fristgerecht einen Antrag gestellt haben und nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist seine Kapitalanteile veräußern, muss es dem Erwerber nach dem Schutzzweck der Regelung des 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB gestattet sein, den Antrag zurückziehen zu können.6

E. Sanktionen 39

Sind die Tatbestände für eine befreiende Konzernrechnungslegung nach § 291 HGB nicht erfüllt, so besteht für das untergeordnete Mutterunternehmen weiterhin eine Aufstellungspflicht eines Teilkonzernabschlusses nach § 290 HGB. Mit der Verletzung des § 291 HGB geht somit auch eine Verletzung des § 290 HGB einher (vgl. Vor § 290 HGB Rz. 109–113).7

§ 292 Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten (1) Ein Mutterunternehmen, das zugleich Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union und auch nicht Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, braucht einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht nicht aufzustellen, wenn dieses andere Mutterunternehmen einen dem § 291 Absatz 2 Nummer 1 entsprechenden Konzernabschluss (befreiender Konzernabschluss) und Konzernlagebericht (befreiender Konzernlagebericht) aufstellt sowie außerdem alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der befreiende Konzernabschluss wird wie folgt aufgestellt: a) nach Maßgabe des Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU, b) im Einklang mit den in § 315e Absatz 1 bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards, Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 39; ADS6, § 291 HGB Rz. 49. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 47. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 48. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 34. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 47 f. Zustimmend Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 40; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 34. 6 Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 48; aA Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 88. 7 Vgl. Böcking/Groß/Schurbohm-Ebneth in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 291 Rz. 22. 1 2 3 4 5

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| Fiederling/Hachmeister/Holzmeier

Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten

| § 292

c) derart, dass er einem nach den in Buchstabe a bezeichneten Vorgaben erstellten Konzernabschluss gleichwertig ist, oder d) derart, dass er internationalen Rechnungslegungsstandards entspricht, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission vom 21. Dezember 2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 340 vom 22.12.2007, S. 66), die durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 310/2012 (ABl. L 103 vom 13.4.2012, S. 11) geändert worden ist, in ihrer jeweils geltenden Fassung festgelegt wurden; 2. der befreiende Konzernlagebericht wird nach Maßgabe der in Nummer 1 Buchstabe a genannten Vorgaben aufgestellt oder ist einem nach diesen Vorgaben aufgestellten Konzernlagebericht gleichwertig; 3. der befreiende Konzernabschluss ist von einem oder mehreren Abschlussprüfern oder einer oder mehreren Prüfungsgesellschaften geprüft worden, die auf Grund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, denen das Unternehmen unterliegt, das diesen Abschluss aufgestellt hat, zur Prüfung von Jahresabschlüssen zugelassen sind; 4. der befreiende Konzernabschluss, der befreiende Konzernlagebericht und der Bestätigungsvermerk sind nach den für den entfallenden Konzernabschluss und Konzernlagebericht maßgeblichen Vorschriften in deutscher Sprache offengelegt worden. (2) 1Die befreiende Wirkung tritt nur ein, wenn im Anhang des Jahresabschlusses des zu befreienden Unternehmens die in § 291 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 genannten Angaben gemacht werden und zusätzlich angegeben wird, nach welchen der in Absatz 1 Nummer 1 genannten Vorgaben sowie gegebenenfalls nach dem Recht welchen Staates der befreiende Konzernabschluss und der befreiende Konzernlagebericht aufgestellt worden sind. 2Im Übrigen ist § 291 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden. (3) 1Ist ein nach Absatz 1 zugelassener Konzernabschluß nicht von einem in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Richtlinie 2006/43/EG zugelassenen Abschlußprüfer geprüft worden, so kommt ihm befreiende Wirkung nur zu, wenn der Abschlußprüfer eine den Anforderungen dieser Richtlinie gleichwertige Befähigung hat und der Konzernabschluß in einer den Anforderungen des Dritten Unterabschnitts entsprechenden Weise geprüft worden ist. 2Nicht in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Richtlinie 2006/43/EG zugelassene Abschlussprüfer von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung, deren Wertpapiere im Sinn des § 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes an einer inländischen Börse zum Handel am regulierten Markt zugelassen sind, haben nur dann eine den Anforderungen der Richtlinie gleichwertige Befähigung, wenn sie bei der Wirtschaftsprüferkammer gemäß § 134 Abs. 1 der Wirtschaftsprüferordnung eingetragen sind oder die Gleichwertigkeit gemäß § 134 Abs. 4 der Wirtschaftsprüferordnung anerkannt ist. 3Satz 2 ist nicht anzuwenden, soweit ausschließlich Schuldtitel im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 3 des Wertpapierhandelsgesetzes 1. mit einer Mindeststückelung zu je 100.000 Euro oder einem entsprechenden Betrag anderer Währung an einer inländischen Behörde zum Handel am regulierten Markt zugelassen sind oder 2. mit einer Mindeststückelung zu je 50.000 Euro oder einem entsprechenden Betrag anderer Währung an einer inländischen Börse zum Handel am regulierten Markt zugelassen sind und diese Schuldtitel vor dem 31. Dezember 2010 begeben worden sind. 4Im Falle des Satzes 2 ist mit dem Bestätigungsvermerk nach Absatz 1 Nummer 4 auch eine Bescheinigung der Wirtschaftsprüferkammer gemäß § 134 Absatz 2a der Wirtschaftsprüferordnung über die Eintragung des Abschlussprüfers oder eine Bestätigung der Wirtschaftsprüferkammer gemäß § 134 Absatz 4 Satz 8 der Wirtschaftsprüferordnung über die Befreiung von der Eintragungsverpflichtung offenzulegen. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen für die Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht (Abs. 1) I. Sitz des Mutterunternehmens höherer Konzernstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Holzmeier/Hachmeister

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§ 292 Rz. 1 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten II. Unternehmenseigenschaft, Rechtsform und Größe des Mutterunternehmens höherer Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen dem übergeordneten und untergeordneten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konsolidierungskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anforderungen an den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht (Abs. 1 und Abs. 3) I. Inhalt (Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) 1. Maßgebliches Recht (Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b, Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Gleichwertigkeitsprüfung (Nr. 1 Buchst. c und Buchst. d, Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prüfung durch den Abschlussprüfer (Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . III. Offenlegung (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . D. Angaben im Anhang (Abs. 2 Satz 1) . . . . . E. Ausnahmen von der Befreiungsmöglichkeit (Abs. 2 Satz 2) I. Überblick über die gesetzlichen Regelungen . II. Notierung an einem organisierten Markt . . . III. Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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68 69 73 79

Literatur: Gross, Teilkonzernabschlüsse als Mittel des Minderheitenschutzes? – Ein Diskussionsbeitrag zur internationalen Entwicklung unter Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse, WPg. 1976, 214; Biener, Die Konzernrechnungslegung nach der Siebten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Konzernabschluß, DB 1983, Beil. 19, 1; Biener/Schatzmann, Konzern-Rechnungslegung – Siebente Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß (83/349/EWG) – Erläuterungen zur 7. EG-Richtlinie (Konzernbilanzrichtlinie) sowie eine synoptische Darstellung der Entstehung der Richtlinie und weitere Materialien, 1983; Scholz, Zur Aussagefähigkeit von Teilkonzernabschlüssen – Am Beispiel des deutschen Aktiengesetzes und der 7. EG-Richtlinie, 1984; Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz – Textausgabe des Bilanzrichtlinien-Gesetzes vom 19.12.1985 (Bundesgesetzbl. I S. 2355) mit Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Regierungsentwürfe mit Begründung, EG-Richtlinien mit Begründung, Entstehung und Erläuterung des Gesetzes, 1986; Klar/Reinke, Der Spartenkonzern – Abgrenzung des Konsolidierungskreises, WPg. 1991, 693; Küting/Weber/Dusemond, Kapitalkonsolidierung im mehrstufigen Konzern, BB 1991, 1082; Maas/Schruff, Befreiende Konzernrechnungslegung von Mutterunternehmen mit Sitz außerhalb der EG, WPg. 1991, 765; Küting/ Hayn, Der internationale Konzernabschluß als Eintrittskarte zum weltweiten Kapitalmarkt – Überlegungen zur Harmonisierung der Rechnungslegung in Deutschland, BB 1995, 662; Wollmert/Oser, Der IASC-Abschluß eines Drittlandsunternehmens als befreiender Konzernabschluß?, DB 1995, 53; Schurbohm/Streckenbach, Modernisierung der Konzernrechnungslegung durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, WPg. 2002, 845; Schildbach, Der Konzernabschluss nach HGB, IFRS und US-GAAP, 7. Aufl. 2008; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2009; Küting, Vom Mythos eines „Konzerns im Konzern“ – Reflexionen über Sinn und Zweck(e) einer teilkonsolidierten Berichterstattung, DB 2012, 1049; v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel, Konzernrechnungslegung, 5. Aufl. 2014; Deubert/Lewe, Wesentliche Änderungen im Bereich der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung durch das BilRUG, DB 2015, Beil. 5, 49; Oser/Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) – Wesentliche Änderungen und Hinweise zur praktischen Umsetzung, DB 2015, 1729.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Ein mehrstufiger Konzern liegt stets vor, wenn ein an der Konzernspitze befindliches Mutterunternehmen nicht nur ein Tochterunternehmen unmittelbar beherrscht, sondern auch Tochterunternehmen aufweist, die zugleich selbst einen unmittelbaren oder mittelbaren beherrschenden Einfluss auf mindestens ein untergeordnetes Unternehmen ausüben (Enkelunternehmen).1 In einer derartigen Konzernstruktur wird dem/den Konzernunternehmen auf der/den mittleren Konzernebene(n) sowohl die Rolle des Tochterunternehmens des übergeordneten Unternehmens als auch die des Mutterunternehmen des untergeordneten Unternehmens zugewiesen.2 Zu beachten ist in solchen mehrstufigen Konzernen, dass jede Mutter-Tochter-Beziehung iSd. § 290 Abs. 1 und 2 HGB zu einer Aufstellungspflicht eines Konzernabschlusses und -lageberichts führt (vgl. § 290 HGB Rz. 50–54), sofern die entsprechenden Größenkriterien nach § 293 HGB bzw. § 11 PublG erfüllt sind und konsolidierungspflichtige Unternehmen nach § 290 Abs. 5 HGB vorliegen. Ein auf einer mittleren Stufe befindliches Unternehmen ist zum einen in den Konzernabschluss und -lagebericht des/der übergeordneten Unternehmen(s) einzubeziehen, zum anderen hat es selbst einen konsolidierten Abschluss und Lagebericht zu erstellen, in dem die von ihm beherrschten Unternehmen abgebildet werden.3 1 Vgl. zB Küting/Weber/Dusemond, BB 1991, 1082 (1082); Winkeljohann/Hoffmann in Beck BilKomm.10, § 301 HGB Rz. 370. 2 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 290 HGB Rz. 6. 3 Vgl. Küting, DB 2012, 1049 (1049).

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| Holzmeier/Hachmeister

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 4 § 292

Das Konzept, das grundsätzlich bei jedem Mutterunternehmen – selbst wenn dieses seinerseits Tochter- 2 unternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens ist – eine Pflicht zur (Teil-)Konzernrechnungslegung impliziert, wird als sog. Tannenbaumprinzip bezeichnet.1 Zurückzuführen ist diese Namensgebung darauf, dass in einem Konzern, der mehrstufig gegliedert ist, auf jeder Ebene ein Konzernabschluss und -lagebericht zu erstellen ist, der aus Sicht des jeweiligen Mutterunternehmens alle nachgeordneten unmittelbaren und mittelbaren Tochterunternehmen einbezieht. Somit erfasst jede übergeordnete Konzernstufe – wie bei einem Tannenbaum, wo jede höhere Astreihe die darunter liegende mit abdeckt – die Tochterunternehmen auf jeder ihr untergeordneten Konzernstufe. Eine vollständige Einbeziehung der Konzernunternehmen erfolgt nur an der Konzernspitze.2 Das Tannenbaumprinzip führt in mehrstufigen Konzernstrukturen zu einer den Konzernstufen entsprechenden Anzahl an aufzustellenden Konzernabschlüssen und -lageberichten.3 Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 292 HGB einen Tatbestand geschaffen, der zur Konzernrechnungs- 3 legung verpflichtete, inländische Mutterunternehmen, die gleichzeitig ein Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat, dh. außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) darstellen, von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts befreit. Dieser Befreiungstatbestand entfaltet seine Wirkung jedoch nur, wenn das übergeordnete Mutterunternehmen, das sich nicht zwingend an der Konzernspitze befinden muss, auch einen sog. befreienden Konzernabschluss und -lagebericht erstellt.4 Sollte das inländische Unternehmen demgegenüber gleichzeitig Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens sein, das seinen Sitz in einem der Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR hat, sind die Regelungen des § 291 HGB für die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts anzuwenden (vgl. § 291 HGB Rz. 14 ff.). § 292 HGB enthält folgende kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen bzw. Anforderungen, um ein 4 deutsches Mutterunternehmen von der Pflicht zur Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts zu befreien: – Das übergeordnete Mutterunternehmen, das unabhängig von Rechtsform und Größe die Unternehmenseigenschaft aufweist, ist in einem Mitgliedstaat außerhalb der EU bzw. des EWR ansässig (§ 292 Abs. 1 HGB). – Zwischen dem Unternehmen auf der oberen Stufe und dem zu befreienden Unternehmen auf der unteren Stufe besteht ein Mutter-Tochter-Verhältnis (§ 292 Abs. 1 HGB). – Das zu befreiende Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen sind unbeschadet der Einbeziehungswahlrechte des § 296 HGB in den befreienden Konzernabschluss einzubeziehen (§§ 292 Abs. 1 iVm. 291 Abs. 2 Nr. 1 HGB). – Der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht müssen nach einem mit der Richtlinie 2013/34/EU5 übereinstimmenden Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats aufgestellt werden oder einem solchen konsolidierten Abschluss und Lagebericht gleichwertig sein (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Buchst c iVm. Nr. 2 HGB); alternativ kann der befreiende Konzernabschluss auch den von der EU anerkannten IFRS oder gleichwertigen Vorgaben entsprechen (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Buchst d HGB). – Der befreiende Konzernabschluss muss von einem Abschlussprüfer geprüft werden, der nach den Anforderungen der Richtlinie 2006/43/EG6 zugelassen ist oder eine gleichwertige Befähigung aufweist (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 iVm. Abs. 3 Satz 1 HGB); in letzterem Fall ist die Abschlussprüfung in einer den Anforderungen der §§ 316 ff. HGB entsprechenden Weise durchzuführen (§ 292 Abs. 3 Satz 1 HGB).

Vgl. zB Küting/Hayn, BB 1995, 662 (668); Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 70. Vgl. Biener, DB 1983, Beil. 19, 1 (6). Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 154. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 1; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 115 f. Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/ 660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 182 v. 29.6.2013, 19 ff. 6 Richtlinie 2006/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 157 v. 9.6.2006, 87 ff.

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Holzmeier/Hachmeister

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§ 292 Rz. 5 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten – Der zu befreiende Konzernabschluss und -lagebericht werden einschließlich eines Bestätigungsvermerks in deutscher Sprache offengelegt (§ 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB). – Der Anhang des Jahresabschlusses des zu befreienden Mutterunternehmens muss Angaben beinhalten, die ua. auf den Namen und den Sitz des Mutterunternehmens, das den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht erstellt, hinweisen (§§ 292 Abs. 2 Satz 1 iVm. 291 Abs. 2 Nr. 4 HGB). – Eine befreiende Wirkung kann – trotz der Erfüllung der vorstehenden Bedingungen – nicht eintreten, wenn das zu befreiende Mutterunternehmen an der Spitze des Teilkonzerns Wertpapiere an einem organisierten Markt emittiert hat oder eine qualifizierte Mehrheit die Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts fordert (§§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 HGB).

II. Bedeutung und Zweck 5

Der Grundgedanke der Erstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts besteht darin, dass das an der Konzernspitze befindliche Mutterunternehmen sowie die einzubeziehenden Tochterunternehmen, die zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich selbstständig sind, so dargestellt werden, als ob sie insgesamt ein einziges Unternehmen wären (vgl. § 297 HGB Rz. 115–118). Um die Fiktion des Konzernverbunds als wirtschaftliche Einheit abzubilden, werden die einzelnen Konzernunternehmen trotz ihrer rechtlichen Selbstständigkeit im Konzernabschluss und -lagebericht wie unselbstständige Betriebsstätten bzw. Niederlassungen behandelt. Dabei gilt es sämtliche Verflechtungen innerhalb des Konzerns zu eliminieren bzw. zu konsolidieren.1

6

Die Konzernspitze kann aufgrund ihrer Leitungsmacht die in den jeweiligen Jahresabschlüssen und Lageberichten der rechtlich selbstständigen Unternehmen abgebildeten konzerninternen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen, Finanztransaktionen und Beteiligungsgeschäfte beeinflussen. Durch den Eliminierungs- bzw. Konsolidierungsvorgang der internen Verflechtungen wird sichergestellt, dass die Möglichkeit einer Verzerrung des Gesamtbildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirtschaftlichen Einheit reduziert ist. Unter Berücksichtigung der Einflussmöglichkeit der Konzernspitze auf das Finanzgebaren der jeweiligen Konzernunternehmen ist davon auszugehen, dass der Jahresabschluss und Lagebericht eines zwar rechtlich selbstständigen, aber wirtschaftlich abhängigen Unternehmens gegenüber dem konsolidierten Abschluss und Lagebericht einer wirtschaftlichen Einheit an Informationsgehalt verliert.2

7

Im Rahmen der Erstellung eines konsolidierten Abschlusses und Lageberichts auf Ebene eines Teilkonzerns ist ebenfalls zu beachten, dass der Informationsnutzen eingeschränkt ist. Eine Eliminierung bzw. Konsolidierung sämtlicher konzerninterner Kapital- und Geschäftsbeziehungen kann aus der Perspektive eines Mutterunternehmens, das sich an der Spitze eines Teilkonzerns befindet, nicht vollends erfolgen, da eine Einbeziehung aller Teile des Gesamtkonzerns unterbleibt. Diejenigen Konzernunternehmen, die zwar dem gesamten Konzern angehören, allerdings nicht dem Teilkonzern, sind aus Sicht des Teilkonzerns als außenstehende Dritte zu behandeln und bleiben deswegen als ein nicht dem Konsolidierungskreis angehörendes Unternehmen bei den Konsolidierungsmaßnahmen unberücksichtigt.3 Die Nichtbeachtung der Konzernunternehmen, die für den Teilkonzern außenstehende Dritte darstellen, birgt die Gefahr, dass zwar auf Ebene des (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts die Kapital- und Geschäftstransaktionen vorschriftsmäßig eliminiert werden, jedoch aus dem Blickwinkel des Gesamtkonzerns bestimmte Veränderungen in der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht oder nur aufgrund der Konzernverflechtungen zustande kommen können.4 Die Ausprägung des Informationsdefizits wird letztlich davon abhängen, inwiefern der Teilkonzern mit den anderen Konzernunternehmen verflochten ist. Handelt es sich um einen stark diversifizierten Konzern, ist die Aussagekraft wohl noch am geringsten beeinträchtigt.5

8

Unter Beachtung der vorstehenden Tatsachen ist zum Zweck der Vermittlung adäquater Informationen über einen (Teil-)Konzern davon auszugehen, dass ein konsolidierter Abschluss und Lagebericht einer übergeordneten wirtschaftlichen Einheit besser geeignet ist als der einer untergeordneten Einheit, sofern alle Abschlüsse der zum Teilkonzern gehörenden Unternehmen in einen von einem übergeordneten Unternehmen aufgestellten Konzernabschluss und -lagebericht einbezogen werden. Dementsprechend ist die 1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

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Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse24, 620. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 22 ff. Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 154 f.; BKT, Konzernbilanzen11, 101 f. Gross, WPg. 1976, 214 (215); Klar/Reinke, WPg. 1991, 693 (694 f.). Scholz, Zur Aussagefähigkeit von Teilkonzernabschlüssen, 52 f.

| Holzmeier/Hachmeister

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 14 § 292

Befreiungswirkung des § 292 HGB als eine Vorschrift zu verstehen, die einer Veröffentlichung von beeinträchtigten Finanzinformationen entgegenwirken soll.1

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 292 Abs. 1 HGB sieht für im Inland ansässige Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH, SE) bzw. nach 9 § 264a HGB gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften (zB GmbH & Co. KG), die als Mutterunternehmen nach § 290 Abs. 1 und 2 HGB (vgl. § 290 HGB Rz. 62 ff., 98 ff.) – unbeschadet der Befreiungsmöglichkeiten nach § 293 HGB und nach § 290 Abs. 5 HGB – zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts verpflichtet sind und gleichzeitig Tochterunternehmen eines anderen Mutterunternehmens mit Sitz außerhalb eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats sind, eine Befreiung von der Konzernrechnungspflicht vor. Der Befreiungstatbestand des § 292 HGB ist gem. § 11 Abs. 6 Nr. 1 PublG auch für im Inland ansässige 10 Nicht-Kapitalgesellschaften anzuwenden, die aufgrund einer Überschreitung der in § 11 Abs. 1 PublG angegebenen Größenkriterien zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sind (vgl. Anhang 1 zu § 290 HGB Rz. 5 ff.) und gleichzeitig als Tochterunternehmen eines anderen Mutterunternehmens, dessen Sitz sich außerhalb eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats befindet, fungieren. Befindet sich an der Konzernspitze des zu befreienden Teilkonzerns ein Kreditinstitut oder Versiche- 11 rungsunternehmen, kommt nach §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 HGB dem auf oberer Stufe aufgestellten Konzernabschluss und -lagebericht nur dann eine befreiende Wirkung zu, wenn die Anforderungen des § 292 Abs. 1 HGB an einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht entsprechend für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen angewendet werden. Dabei gilt es zu beachten, dass – unbeschadet der Vorgaben des § 292 HGB – die Aufstellung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts bei Kreditinstituten im Einklang mit der Richtlinie 86/635/EWG2 und bei Versicherungsunternehmen im Einklang mit der Richtlinie 91/674/EWG3 zu erfolgen hat (§§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB). In Bezug auf die internationale Rechnungslegung kann gem. IFRS 10.4(a) ein Mutterunternehmen, das 12 selbst Tochterunternehmen ist, unter bestimmten Bedingungen von der Aufstellungspflicht entbunden werden. Dabei ist aufgrund des globalen Anspruchs der IFRS keine Differenzierung nach dem Sitzland des übergeordneten Mutterunternehmens erforderlich.4 Die Befreiungsvorschrift des IFRS 10.4(a) ist allerdings von der des § 292 HGB abzugrenzen, denn sofern für das deutsche, untergeordnete Mutterunternehmen die Anwendung der in § 315e HGB genannten internationalen Rechnungslegungsstandards in Betracht kommt, wird die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts nach §§ 290– 293 HGB und nicht nach IFRS 10 beurteilt (vgl. hierzu näher § 315e HGB Rz. 14 ff.).

IV. Rechtsentwicklung Die Befreiungsmöglichkeit von der Konzernrechnungslegung wird mit § 292 HGB über § 291 HGB hi- 13 naus auf inländische Mutterunternehmen, die zugleich Tochterunternehmen eines anderen Mutterunternehmens mit Sitz außerhalb eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats sind, ausgeweitet. Die Befreiungsregelung für ein im Inland ansässiges Mutterunternehmen auf unterer Konzernstufe war bereits – unabhängig vom Sitzland des übergeordneten Mutterunternehmens – in den Konzernrechnungslegungsvorschriften des AktG 1965 enthalten.5 In § 330 Abs. 1 iVm. Abs. 2 AktG 1965 aF wurde darauf hingewiesen, dass ein Mutterunternehmen unterer Konzernstufe nur dann zur (Teil-)Konzernrechnungslegung verpflichtet ist, wenn das an der Konzernspitze befindliche Mutterunternehmen, das entweder im In- oder Ausland seinen Sitz haben kann, keinen konsolidierten Abschluss und Lagebericht aufzustellen hat.6 Mit § 292 HGB wurde Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG7, der den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht ein- 14 räumt, unter bestimmten Voraussetzungen bzw. Anforderungen inländische Mutterunternehmen, die zu1 GlA v. Wysocki/Wohlgemuth/Brösel, Konzernrechnungslegung5, 83 f. 2 Richtlinie des Rates v. 8.12.1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (86/635/EWG), ABl. EG Nr. L 372 v. 31.12.1986, 1 ff. 3 Richtlinie des Rates v. 19.12.1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (91/674/EWG), ABl. EG Nr. L 374 v. 31.12.1991, 7 ff. 4 Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss13, 154. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 292 HGB Rz. 2. 6 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 291 HGB Rz. 2. 7 Siebente Richtlinie des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG), ABl. EG Nr. L 193 v. 18.7.1983, 1 ff.

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§ 292 Rz. 15 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten gleich Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat sind, zu befreien, durch das BiRiLiG1 v. 19.12.1985 in das nationale Handelsrecht überführt.2 Um eine Diskriminierung zu vermeiden, galt es bei dieser rechtlichen Umsetzung zu beachten, dass die Vorrausetzungen bzw. Anforderungen für übergeordnete Mutterunternehmen aus Staaten, die kein Mitglied der EU- bzw. des EWR sind, nicht weiter gehen als die für übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem EUbzw. EWR-Mitgliedstaat.3 Eine erstmalige Änderung des § 292 HGB ist durch Art. 40 Nr. 4 des EWR-AusführungsG4 v. 27.4.1993 vorgenommen worden. Diese Anpassung hatte allerdings nur formellen und redaktionellen Charakter, da der Bezug in den Regelungen des § 292 HGB zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf die des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ausgedehnt wurde.5 Die darauf folgende Änderung des § 292 HGB durch das KapAEG6 v. 20.4.1998 fokussierte sich ebenfalls lediglich auf formell und redaktionell notwendige Anpassungen (Einführung der Begriffe Bundesministerium statt Bundesminister sowie Union statt Wirtschaftsgemeinschaft).7 15

Die Änderung des § 292 HGB durch das BilMoG8 v. 25.5.2009 zielte auf den Bereich der Abschlussprüfung des befreienden Konzernabschlusses ab. Dabei wurde § 292 Abs. 2 Satz 1 HGB dahingehend angepasst, dass die aufgehobene Richtlinie 84/253/EWG durch die aktuelle Richtlinie 2006/43/EG ersetzt worden ist. Um die im Wege der Umsetzung der Art. 45 und 46 der Richtlinie 2006/43/EG geschaffenen Eintragungsverpflichtungen des § 134 WPO für Drittstaatenprüfer in der Konzernrechnungslegung durchzusetzen, kam es ferner in § 292 Abs. 3 Satz 2 und 3 HGB zu einer Ergänzung, die sinngemäß folgenden Inhalt wiedergibt: Jeder nicht in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2006/43/EG zugelassene Drittstaatenprüfer muss entweder bei der WPK gem. § 134 Abs. 1 WPO eingetragen sein oder eine Bestätigung der WPK über den Verzicht auf eine Eintragungspflicht aufgrund anerkannter Gleichwertigkeit gem. § 134 Abs. 4 WPO vorlegen können; dies erforderte allerdings, dass der Bestätigungsvermerk für den Konzernabschlusses eines außerhalb der EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten eingetragenen Mutterunternehmens erteilt wird, dessen Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt dieses Mitgliedstaats zugelassen sind. Die Eintragungspflicht oder Gleichwertigkeitsbescheinigung war nicht zu beachten, wenn es sich bei den Wertpapieren des kapitalmarktorientierten Drittstaaten-Mutterunternehmens ausschließlich um Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50.000 € oder einem entsprechenden Betrag anderer Währung handelt.9

16

Mit dem BilRUG10 v. 17.7.2015 wurde das EU-Recht des Art. 28 Abs. 8 der Richtlinie 2013/34/EU, das den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht einräumt, unter bestimmten Voraussetzungen bzw. Anforderungen die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts eines inländischen Mutterunternehmens, das gleichzeitig Tochterunternehmen eines anderen Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat ist, zu regeln, in nationales Recht umgesetzt. Abweichend zu der Richtlinie 83/ 349/EWG wurde in der Richtlinie 2013/34/EU nun klargestellt, dass der Konzernabschluss und -lagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens nicht nur den Anforderungen der Richtlinie 2013/34/EU oder gleichwertigen Vorgaben entsprechen müssen, sondern auch dann eine befreiende Wirkung aufweisen können, wenn sie im Einklang mit den in § 315e Abs. 1 HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards oder mit Standards, die diesen gleichwertig sind, aufgestellt werden. Diese Erweiterung der Befreiungsmöglichkeit ist durch das BilRUG in § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Buchst. d HGB umgesetzt worden. Überdies wird in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2013/34/EU in § 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB fortan geregelt, dass neben dem befreienden Konzernabschluss und -lagebericht der Bestätigungsvermerk offenzulegen ist; ein mit einem Versagungsvermerk versehener konsolidierter Abschluss und Lagebericht ist – wie unter der Richtlinie 83/349/EWG – nicht mehr ausreichend.11

17

Das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie12 v. 20.11.2015 ersetzte in § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d HGB den fehlerhaften Verweis auf die Richtlinie 2004/19/EG durch den kor1 Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 2 Vgl. Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/3440, 43. 3 Vgl. Biener/Schatzmann, Konzern-Rechnungslegung, 21. 4 Gesetz zur Ausführung des Abkommens v. 2.5.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz) v. 27.4.1993, BGBl. I 1993, 512. 5 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 2. 6 Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) v. 20.4.1998, BGBl. I 1998, 707. 7 Vgl. Begründung zum RegE Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG), BT-Drucks. 13/7141, 10. 8 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 9 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 79 f. 10 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245. 11 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), BT-Drucks. 18/4050, 70 f. 12 Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie v. 20.11.2015, BGBl. I 2015, 2029.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 19 § 292

rekten Verweis auf die Richtlinie 2004/109/EG. Zudem wurde für ein außerhalb eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats eingetragenes Mutterunternehmen, das lediglich Schuldtitel iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG begeben hat und nicht durch einen in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2006/34/EU zugelassenen Abschlussprüfer oder eine Prüfungsgesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat iSd. § 3 Abs. 1 Satz WPO geprüft wird, der Betrag der Mindeststückelung eines Schuldtitels für den Ausnahmetatbestand von Eintragungspflicht oder Gleichwertigkeitsbescheinigung gem. § 134 Abs. 1 und Abs. 4 WPO von 50.000 € auf 100.000 € angehoben.1 Mit dem APAReG2 v. 31.3.2016 kam es erneut zu einer Änderung der Ausnahmeregelung, die in einem Drittstaat ansässige Abschlussprüfer oder Prüfungsgesellschaften von einer Eintragungspflicht oder Gleichwertigkeitsbescheinigung gem. § 134 Abs. 1 und Abs. 4 WPO befreit. So wurde durch § 292 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 HGB eingeführt, dass im Fall von Schuldtiteln, die vor dem 31.12.2010 begeben worden sind, eine Mindeststückelung von 50.000 € oder ein entsprechender Betrag anderer Währung zu beachten ist; handelt es jedoch um Schuldtitel, die ab 1.1.2011 begeben wurden, gilt nach § 292 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 HGB weiterhin eine Mindeststückelung von 100.000 € oder ein entsprechender Betrag anderer Währung.3 Bis zur Änderung des Handelsrechts durch das BilRUG war § 292 HGB kein eigener Befreiungstatbestand, 18 sondern eine Ermächtigung für das Bundesministerium der Justiz (BMJ) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), eine Rechtsverordnung zu erlassen, die vorsieht, dass übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht aufstellen können.4 Von der Rechtsverordnungsermächtigung hat der deutsche Gesetzgeber durch den Erlass der KonBefrV5 v. 15.11. 1991 Gebrauch gemacht. Die auf Basis der Ermächtigungsvorschrift des § 292 HGB aF erlassene KonBefrV hat den Rang eines Gesetzes.6 Sie war erstmals auf Konzernabschlüsse und -lageberichte für nach dem 31.12.1989 beginnende Geschäftsjahre und letztmals auf solche anzuwenden, für die das Geschäftsjahr zum 31.12.1992 endete.7 Eine Verlängerung des Anwendungszeitraums wurde mit der Ersten Verordnung zur Änderung der KonBefrV v. 9.6.1993 für Konzernabschlüsse und -lageberichte, die spätestens zum 31.12.1995 aufgestellt worden sind, vorgenommen.8 Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der KonBefrV des BMJ v. 28.10.1996 ist im Einvernehmen mit dem BMF und dem BMWi die bestehende Befristung im Hinblick auf die Geltung der KonBefrV gestrichen worden.9 Im Zuge des BilRUG wurde die unbefristete Verlängerung allerdings aufgehoben und beschlossen, dass die KonBefrV letztmalig für Geschäftsjahre angewendet soll, die vor dem 1.1.2016 beginnen.10 Das KapAEG v. 20.4.1998 führte bei der KonBefrV zu einer Änderung formeller und redaktioneller Natur, 19 indem Union für Gemeinschaft eingefügt wurde sowie die Verweise auf die EG-Mitgliedstaaten um die EWR-Mitgliedstaaten ausgeweitet worden sind.11 Die KonBefrV erfuhr in der Folgezeit durch das BilReG12 v. 4.12.2004 eine weitere Anpassung. Dabei wurde der Verweis in § 2 Abs. 1 Nr. 1 KonBefrV auf die durch das BilReG ersatzlos aufgehobene Vorschrift des § 295 HGB gestrichen, ein Hinweis für die Maßgeblichkeit des EU- bzw. EWR-Rechts in ihrer jeweils geltenden Fassung eingefügt sowie die Notwendigkeit eines Konzernlageberichts für die Befreiungswirkung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 KonBefrV klargestellt.13 Die im Rahmen des BilMoG v. 25.5.2009 vorgenommenen gesetzlichen Änderungen in § 292 HGB im Bereich der Abschlussprüfung des befreienden Konzernabschlusses wurden auch in der KonBefrV angepasst.14 Der Regelungsgehalt der KonBefrV ist durch das BilRUG v. 17.7.2015 – mit Ausnahme von § 1 Abs. 1 Satz 4 und § 3 KonBefrV – in den § 292 HGB integriert worden. Dadurch hat der deutsche Gesetzgeber 1 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, BT-Drucks. 18/6220, 46. 2 Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) v. 31.3.2016, BGBl. I 2016, 518. 3 Vgl. Begründung zum RegE Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG), BT-Drucks. 18/6282, 49 f. 4 Vgl. Götze/Weiser in Russ/Janßen/Götze, BilRUG-Komm., I Rz. 10. 5 Konzernabschlussbefreiungsverordnung (KonBefrV) v. 15.11.1991, BGBl. I 1991, 2122. 6 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 292 HGB Rz. 4. 7 Vgl. Konzernabschlußbefreiungsverordnung (KonBefrV) v. 15.11.1991, BGBl. I 1991, 2122. 8 Vgl. Erste Verordnung zur Änderung der Konzernabschlussbefreiungsverordnung v. 9.6.1993, BGBl. I 1993, 916. 9 Vgl. Zweite Verordnung zur Änderung der Konzernabschlussbefreiungsverordnung v. 28.10.1996, BGBl. I 1996, 1862. 10 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG), BT-Drucks. 18/5256, 61. 11 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsauschusses zu dem Entwurf eines Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes (KapAEG), BT-Drucks. 13/9909, 6. 12 Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 13 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG), BT-Drucks. 15/3419, 56. 14 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 111 f.

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§ 292 Rz. 20 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten die Voraussetzungen bzw. Anforderungen für die Befreiungswirkung eines Konzernabschlusses und -lageberichts, die von einem übergeordneten Mutterunternehmen mit Sitz außerhalb eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats aufgestellt werden, in § 292 HGB zusammengefasst und die Rechtsanwendung übersichtlicher gestaltet.1

B. Voraussetzungen für die Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht (Abs. 1) I. Sitz des Mutterunternehmens höherer Konzernstufe 20

Ein Mutterunternehmen, das zugleich Tochterunternehmen eines anderen Mutterunternehmens ist, wird gem. § 292 HGB von der Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts befreit, wenn das in der Konzernstruktur ihr übergeordnete Mutterunternehmen einen Sitz in einem Drittstaat, dh. außerhalb der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und der anderen drei Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), aufweist. Sollte demgegenüber das Mutterunternehmen einer höheren Konzernstufe in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat ansässig sein, ist die Befreiungsmöglichkeit nach § 291 HGB zu beachten (vgl. § 291 HGB Rz. 16).

21

Zur Europäischen Union gehören derzeit (2017) Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich2 und Zypern.3 Unter den Europäischen Wirtschaftsraum sind neben den Staaten der EU auch die Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen zu subsumieren. Die Schweiz stellt kein Mitglied des EWR dar.4

II. Unternehmenseigenschaft, Rechtsform und Größe des Mutterunternehmens höherer Stufe 22

Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts ist gem. § 290 HGB an ein MutterTochter-Verhältnis geknüpft, bei dem das Mutterunternehmen als Kapitalgesellschaft (AG, KGaA, GmbH, SE) oder als haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a HGB (zB GmbH & Co. KG) geführt werden muss (vgl. § 290 HGB Rz. 40–43). Eine Befreiung von der Aufstellungspflicht kann jedoch dann eintreten, wenn bestimmte Größenmerkmale des § 293 HGB unterschritten werden (vgl. § 293 HGB Rz. 17–27). Mutterunternehmen, die nicht Kapitalgesellschaften oder haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB sind, werden erst bei Überschreitung der in § 11 Abs. 1 PublG angegebenen Größenkriterien zur Konzernrechnungslegung verpflichtet (vgl. Anhang 1 zu § 290 HGB Rz. 18–28). Der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht kann nach § 1 Satz 4 KonBefrV demgegenüber noch von jedem übergeordneten Mutterunternehmen in beliebiger Rechtsform und Größe mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EWR aufgestellt werden. Aufgrund der Vernachlässigung der für die Aufstellungspflicht entscheidenden Anforderungen an Rechtsform und Größe kann geschlussfolgert werden, dass der Verweis auf eine Rechtsform- und Größenunabhängigkeit in § 1 Satz 4 KonBefrV darauf abzielt, dem von einem oberen Mutterunternehmen aufgestellten Konzernabschluss und -lagebericht, unabhängig davon, ob diese freiwillig oder in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht aufgestellt wurden, eine befreiende Wirkung zu attestieren.5

23

In Bezug auf die Befreiungswirkung gilt es zu beachten, dass das in einem Drittstaat ansässige Mutterunternehmen oberer Konzernstufe als Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts unter Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens unterer Konzernstufe und dessen Tochterunternehmen verpflichtet wäre (§ 1 Satz 4 KonBefrV). Dieser Verweis darf jedoch nicht auf die Art und Weise interpretiert werden, dass das befreiende Unternehmen mit fiktiven Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat die Möglichkeit besitzen muss, nach nationalem Recht des betreffenden Mitgliedstaats in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden zu können. Eine derartige Einschränkung kann nicht aus dem Gesetzeswortlaut entnommen wer1 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), BT-Drucks. 18/4050, 71. 2 Das Vereinigte Königreich bleibt rechtlich gesehen bis zum Abschluss der Austrittsverhandlungen Mitglied der Europäischen Union und zwar mit allen Rechten und Pflichten, die sich daraus ableiten. Der Austritt soll Ende März 2019 endgültig vollzogen sein. 3 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 5. 4 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 291 HGB Rz. 2. 5 So auch ADS6, § 292 HGB Rz. 14; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 118.

1100

| Holzmeier/Hachmeister

B. Voraussetzungen für die Befreiung (Abs. 1)

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Rz. 27 § 292

den und würde überdies zur Folge haben, dass ein übergeordnetes Drittstaaten-Unternehmen, das unter Berücksichtigung der Rechtsgegebenheiten eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats – zB wegen des Unternehmenszwecks – nicht als Kapitalgesellschaft geführt werden kann, keinen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht aufstellen darf. Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber – auf missverständliche Weise – vielmehr nochmals die rechtsformunabhängige Befreiungsmöglichkeit bekräftigten.1 Ein übergeordnetes, in einem Drittstaat ansässiges Mutterunternehmen in beliebiger Rechtsform und 24 Größe kann jedoch nur dann einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht aufstellen, wenn es die Unternehmenseigenschaft erfüllt.2 Dies ergibt sich aus der in § 1 Abs. 4 KonBefrV enthaltenen Einschränkung, die explizit darauf hinweist, dass die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts durch ein Unternehmen zu erfolgen hat (vgl. § 290 HGB Rz. 33 f., Anh. 1 zu § 290 HGB Rz. 6 ff.). Die Unternehmenseigenschaft kann von sämtlichen Rechtsträgern erfüllt werden. Dazu gehören neben Kapitalgesellschaften auch Personenhandelsgesellschaften, Einzelkaufleute, Genossenschaften, BGB-Gesellschaften und juristische Personen des Privatrechts wie Vereine oder Stiftungen. Darüber hinaus können auch Privatpersonen, Körperschaften des öffentlichen Rechts (zB Bund, Länder und Gemeinden) sowie Anstalten des öffentlichen Rechts (zB Sparkassen und Landesbanken) als Unternehmen beurteilt werden.3 Bei der Integration des Gehalts der KonBefrV in § 292 HGB durch das BilRUG wurde ein expliziter Hin- 25 weis auf die Rechtsform- und Größenunabhängigkeit sowie die Unternehmenseigenschaft des oberen Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat nicht übernommen. Dementsprechend könnte man zu der Auffassung gelangen, dass ab dem 1.1.2016 durch die Nichtanwendung der KonBefrV zum einen die Befreiungswirkung eines Konzernabschlusses und -lageberichts nicht mehr unabhängig, sondern – wie unter §§ 290, 293 HGB und § 11 PublG – nur in Abhängigkeit von der Rechtsform und der Größe des übergeordneten Mutterunternehmens möglich ist. Zum anderen wäre es vorstellbar, dass der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht nicht zwingend von einem oberen Mutterunternehmen mit Unternehmenseigenschaft aufgestellt werden muss. Da allerdings in § 292 HGB idF nach BilRUG weder eine konkrete rechtsform- und größenmäßige Spezifizierung noch ein Ausschluss der Unternehmenseigenschaft des befreienden Mutterunternehmens vorgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass die Befreiungswirkung eines Konzernabschlusses und -lageberichts auch über den 1.1.2016 hinaus unabhängig von der Rechtsform und Größe eines Unternehmens eintreten kann.4

III. Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen dem übergeordneten und untergeordneten Unternehmen Eine Befreiungswirkung für die Erstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts kann gem. § 292 26 Abs. 1 HGB nur dann eintreten, wenn zwischen dem Mutterunternehmen auf der oberen Stufe und dem von der Konzernrechnungspflicht zu befreienden Mutterunternehmen auf der unteren Stufe ein MutterTochter-Verhältnis vorliegt. Hierbei ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, dass das übergeordnete Mutterunternehmen einen unmittelbaren beherrschenden Einfluss auf das untergeordnete Mutterunternehmen ausüben kann. Es ist für die Befreiungswirkung ausreichend, wenn sich in der Konzernhierarchie zwischen dem befreienden Mutterunternehmen und dem zu befreienden Mutterunternehmen mehr als eine Stufe befindet.5 Des Weiteren braucht der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht nicht von dem an der Konzernspitze befindlichen Mutterunternehmen aufgestellt werden; die Befreiung eines zur Aufstellung verpflichteten Mutterunternehmens kann auch dadurch erreicht werden, dass es in einen höherrangigen (Teil-)Konzernabschluss und -lagebericht einer Zwischenholding einbezogen wird.6 Bei der Prüfung, ob ein Mutter-Tochter-Verhältnis vorliegt, sind die Vorgaben des § 1 Satz 4 KonBefrV zu 27 beachten. Hierbei wird darauf hingewiesen, dass das befreiende Mutterunternehmen, wenn es als Kapitalgesellschaft seinen Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hätte, zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts unter Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens und seiner Tochterunternehmen verpflichtet wäre. Aufgrund des konkreten Bezugs auf die Aufstellungspflicht inner1 Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 8. 2 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 14; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 292 HGB Rz. 11. 3 AA Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes und dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/4268, 113. 4 GlA Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 7; Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 47 f. (Stand März 2016). 5 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 18. 6 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 292 HGB Rz. 15.

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§ 292 Rz. 28 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten halb eines Mitgliedstaats der EU bzw. des EWR ist davon auszugehen, dass zwischen dem deutschen Mutterunternehmen und seinem übergeordneten Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat eine Mutter-Tochter-Beziehung vorherrschen muss, die auf Basis der europarechtlichen Vorgaben zur Aufstellungspflicht konsolidierter Abschlüsse und Lageberichte beurteilt wird.1 Die Kriterien für ein MutterTochter-Verhältnis lauten gem. Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU wie folgt: – Mehrheit der Stimmrechte des Tochterunternehmens (Abs. 1 Buchst. a), – Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Tochterunternehmens zu bestellen bzw. abzuberufen, und gleichzeitig eine Beteiligung an diesem Unternehmen (Abs. 1 Buchst. b), – Recht, auf ein Tochterunternehmen einen beherrschenden Einfluss aufgrund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Vertrags oder aufgrund einer Satzungsbestimmung auszuüben (Abs. 1 Buchst. c), – Beteiligung an dem Tochterunternehmen und eine Hauptversammlungspräsenzmehrheit oder eine Stimmrechtsmehrheit aufgrund eines Stimmrechtsbindungsvertrags (Abs. 1 Buchst. d), – auf das Tochterunternehmen kann oder wird ein beherrschender Einfluss ausgeübt (Abs. 2 Buchst. a), – das Tochterunternehmen steht unter einheitlicher Leitung des Mutterunternehmens (Abs. 2 Buchst. b). 28

Für den Fall, dass das übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zwar die Mehrheit der Kapitalanteile an dem zu befreienden deutschen Mutterunternehmen hält, jedoch die Stimmrechtsmehrheit bei konzernfremden Dritten liegt, wird – unter der Voraussetzung, dass keine anderen Tatbestände für ein Mutter-Tochter-Verhältnis entscheidend sind – die Befreiungswirkung durch einen auf oberer Stufe aufgestellten Konzernabschluss und -lagebericht abgelehnt, weil keine Mutter-Tochter-Beziehung iSv. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/34/EWG bestanden hat. Eine Beurteilung der Mutter-Tochter-Situation nach Vorschriften, die den europarechtlichen Regelungen gleichwertig sind, ist in diesem Zusammenhang nicht als zulässig zu erachten.2

29

Fraglich ist, ob ein konsolidierter Abschluss und Lagebericht, die nicht auf einer Mutter-Tochter-Beziehung, sondern auf einen Gleichordnungsverhältnis iSd. Art. 22 Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU zwischen dem deutschen und im Drittstaat ansässigen Unternehmen beruhen, eine befreiende Wirkung entfalten können. Diese Fragestellung ergibt sich, da aus den Vorgaben der Richtlinie 2013/34/EU nicht eindeutig erkennbar ist, ob die an der Konzernspitze befindlichen, gleichgeordneten Unternehmen neben dem Abschluss und Lagebericht für den Gleichordnungskonzern auch zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts für das Unterordnungsverhältnis verpflichtet sind. Zur Beantwortung der gestellten Frage gilt es zu klären, ob die als Mitgliedstaatenwahlrecht ausgestaltete Aufstellungsverpflichtung eines Gleichordnungskonzerns nach Art. 22 Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU die eines Unterordnungskonzerns gem. Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/EU verdrängen kann.3 Nach Art. 22 Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU kann ein Unternehmen zur Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses und Lageberichts verpflichtet werden, wenn – dieses Unternehmen sowie ein oder mehrere andere Unternehmen, die untereinander nicht in der in Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/EU bezeichneten Beziehung stehen, aufgrund eines geschlossenen Vertrags oder einer Satzungsbestimmung einer einheitlichen Leitung unterstehen (Buchst. a Einfachbuchst. i und Doppelbuchst ii), oder – das Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan dieses Unternehmens sowie dasjenige eines oder mehrerer Unternehmen, die miteinander nicht in der in Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/ EU bezeichneten Beziehung stehen, sich mehrheitlich aus denselben Personen zusammensetzen, die während des Geschäftsjahrs und bis zur Aufstellung des konsolidierten Abschlusses im Amt sind (Buchst. b).

30

Weder Art. 22 Abs. 1 und 2 noch Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU geben Hinweise darauf, ob die gleichgeordneten Unternehmen an der Konzernspitze neben dem Gleichordnungsabschluss und -lagebericht einen Unterordnungsabschluss und -lagebericht erstellen müssen. Ein Indiz für eine fortwährende Konzernrechnungslegungspflicht der gleichgeordneten Unternehmen nach Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/EU kann in der Vorgabe des Art. 22 Abs. 9 der Richtlinie 2013/34/EU gesehen werden, die im Wesentlichen eine Übertragung der Vorschriften des Unterordnungskonzerns auf den Gleichordnungskonzern fordert. Des Weiteren kann gegen die Verdrängung der Aufstellungspflicht eines Unterordnungs1 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 15; Böcking/Gros/Schurbohm-Ebneth in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 292 Rz. 7. 2 So auch ADS6, § 292 HGB Rz. 17. 3 Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 18.

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B. Voraussetzungen für die Befreiung (Abs. 1)

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Rz. 34 § 292

konzerns durch die eines Gleichordnungskonzerns angeführt werden, dass eine direkte Anwendung des Befreiungstatbestands in Art. 23 Abs. 8 der Richtlinie 2013/34/EU für gleichgeordnete Unternehmen nicht möglich ist, da diese Vorschrift das Bestehen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses impliziert, was bei einem Gleichordnungskonzern allerdings nicht gegeben ist. Unter Beachtung dieser Hinweise erscheint es zweckmäßig, einem konsolidierten Abschluss und Lagebericht auf Grundlage eines Gleichordnungskonzerns keine befreiende Wirkung zukommen zu lassen.1 Eine rechtliche Verpflichtung zur Beachtung der Aufstellungskriterien der Richtlinie 2013/34/EU im 31 Rahmen der Beurteilung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses für die Befreiungswirkung eines oberen Konzernabschlusses und -lageberichts besteht nur bis zur letztmaligen Anwendung der KonBefrV am 1.1.2016, denn ein entsprechender Wortlaut wie in § 1 Satz 4 KonBefrV wurde in § 292 HGB durch das BilRUG nicht integriert. Infolgedessen könnte davon ausgegangen werden, dass sich das übergeordnete Mutterunterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat über den 1.1.2016 hinaus bezüglich der Prüfung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses an den europarechtlichen Vorgaben orientieren kann, es aber nicht muss. Um allerdings nicht die Möglichkeit zu eröffnen, dass der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht nach einem mit den Anforderungen der Richtlinie 2013/34/EU übereinstimmenden Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats bzw. einer gleichwertigen Vorgabe aufzustellen sind, wohingegen die Beurteilung der Mutter-Tochter-Beziehung anhand eines Drittstaatenrechts vorgenommen wird, das uU nicht mit europarechtlichen Vorgaben korrespondiert, gilt es die Vorgabe des § 1 Satz 4 KonBefrV – auch über den 1.1. 2016 hinaus – weiterhin zu beachten.2

IV. Konsolidierungskreis Gem. § 292 Abs. 1 HGB hat das übergeordnete Mutterunternehmen darauf zu achten, dass der befreiende 32 Konzernabschluss und -lagebericht unter Beachtung der Vorgabe des § 291 Abs. 2 Nr. 1 HGB aufgestellt wird. In § 291 Abs. 2 Nr. 1 HGB wird für die Befreiung von der Konzernrechnungslegung vorausgesetzt, dass das zu befreiende Mutterunternehmen und seine Tochterunternehmen unbeschadet der Konsolidierungswahlrechte des § 296 HGB in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht des Mutterunternehmens oberer Stufe einzubeziehen sind; dh. eine Nichteinbeziehung eines Unternehmens des zu befreienden Teilkonzerns ist nur dann unschädlich, wenn dies mit den Einbeziehungswahlrechten des § 296 HGB vereinbar ist (vgl. § 296 HGB Rz. 17 ff.). Diese Vorschrift ist mit nahezu identischem Wortlaut aus Art. 23 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2013/34/EU in das nationale Recht übernommen worden.3 Die Abgrenzung des Konsolidierungskreises erfolgt nach den für die Befreiungswirkung zu beachtenden 33 Vorschriften des übergeordneten Mutterunternehmens (vgl. zur Frage des maßgeblichen Rechts Rz. 41 ff.). Diese Schlussfolgerung resultiert daraus, dass der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht – nach dem mit den Anforderungen der Richtlinie 2013/34/EU übereinstimmenden Rechnungslegungsrecht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats aufzustellen ist oder einem solchen Abschluss und Lagebericht gleichwertig sein muss (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Buchst. c iVm. Nr. 2), oder – im Einklang mit den in § 315e Abs. 1 HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards oder nach gleichwertigen Vorgaben aufgestellt werden muss (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Buchst d). Die Bestimmung der in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einzubeziehenden Unternehmen erfolgt folgerichtig nach diesen entsprechenden Vorschriften.4 Wird für einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht das Rechnungslegungsrecht eines EU- 34 bzw. EWR-Mitgliedstaats herangezogen, ist für eine sachgerechte Abgrenzung des Konsolidierungskreises erforderlich, dass unbeschadet der Konsolidierungswahlrechte zumindest alle Tochterunternehmen in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einbezogen werden müssen, die nach den für alle Mitgliedstaaten zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2013/34/EU einbeziehungspflichtig wären.5 Dies sind alle Tochterunternehmen, bei denen das den befreienden Abschluss und Lagebericht aufstellende Mutterunternehmen die folgenden Kriterien des Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU erfüllt: 1 So auch ADS6, § 291 HGB Rz. 18; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 41 ff.; aA Biener/Schatzmann, Konzern-Rechnungslegung, 23; Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 297. 2 GlA Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 7; Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 43 (Stand März 2016). 3 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 19. 4 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 20; Siebourg in HdKR2, § 292 HGB Rz. 17; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 15. 5 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 20.

Holzmeier/Hachmeister

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§ 292 Rz. 35 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten – Mehrheit der Stimmrechte des Tochterunternehmens (Abs. 1 Buchst. a), – Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Tochterunternehmens zu bestellen bzw. abzuberufen, und gleichzeitig eine Beteiligung an diesem Unternehmen (Abs. 1 Buchst. b), – Recht, auf ein Tochterunternehmen einen beherrschenden Einfluss aufgrund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Vertrags oder aufgrund einer Satzungsbestimmung auszuüben (Abs. 1 Buchst. c), – Beteiligung an dem Tochterunternehmen und eine Stimmrechtsmehrheit aufgrund eines Stimmrechtsbindungsvertrags (Abs. 1 Buchst. d Doppelbuchst. ii). 35

Darüber hinaus kann es in Abhängigkeit von dem für das übergeordnete Mutterunternehmen geltenden Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats dazu kommen, dass weitere Tochterunternehmen in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einzubeziehen sind. Denn die Regelungen in Bezug auf die Abgrenzung des Konsolidierungskreises in Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU beinhalten auch Wahlrechte, die von den einzelnen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten im Rahmen der Überführung in ihr nationales Recht auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden können.1 Unter die einbeziehungspflichtigen Tochterunternehmen können daher auch Unternehmen subsumiert werden, zu denen das befreiende Mutterunternehmen oberer Stufe die nachfolgenden Beziehungen des Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU aufweist: – Beteiligung an dem Tochterunternehmen und Hauptversammlungspräsenzmehrheit (Abs. 1 Buchst. d Einfachbuchst. i), – auf das Tochterunternehmen kann oder wird ein beherrschender Einfluss ausgeübt (Abs. 2 Buchst. a), – das Tochterunternehmen steht unter einheitlicher Leitung des Mutterunternehmens (Abs. 2 Buchst. b).

36

Für den Fall, dass das befreiende Mutterunternehmen nicht die Vorschriften für die Erstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts heranzieht, die für das zu befreiende Mutterunternehmen anzuwenden sind, können im Rahmen der Abgrenzung des Konsolidierungskreises unbeschadet der Vorschriften über die Konsolidierungswahlrechte Schwierigkeiten auftreten. So ist in Deutschland von den Wahlrechten des Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/EU lediglich das Konzept des beherrschenden Einflusses umgesetzt worden. Sofern das übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sich nicht auf das deutsche Rechnungslegungsrecht für den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht bezieht, sondern auf ein anderes Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats, kann es folglich dazu kommen, dass die Definition „Tochterunternehmen“ unterschiedlich interpretiert wird.2

37

Die Abgrenzung des Konsolidierungskreises muss nicht exakt nach den vorstehenden Vorgaben vorgenommen werden; es ist vielmehr ausreichend, wenn sie diesen gleichwertig ist. Im Einzelfall kann es daher dazu kommen, dass auch Unternehmen, die nicht iSd. Art. 22 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/34/EU ein Tochterunternehmen darstellen, in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einbezogen werden. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn der Tatbestand der Hauptversammlungspräsenzmehrheit gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. d Einfachbuchst. i der Richtlinie 2013/34/EU gegeben ist, die Beteiligungsvoraussetzung jedoch nicht.3

38

Wird der befreiende Konzernabschluss4 gem. § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HGB nach Maßgabe der internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS, wie sie in der EU anzuwenden sind, aufgestellt, sind gem. IFRS 10.6 nur diejenigen Tochterunternehmen einzubeziehen, bei denen das befreiende Mutterunternehmen oberer Stufe aufgrund seiner Rechtsposition Anspruch auf variable Ergebnisbestandteile besitzt und durch die Entscheidungsmacht die Ergebnisse des Tochterunternehmens beeinflussen kann. Für den Fall, dass nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d HGB der befreiende Konzernabschluss nach einer Rechnungslegungsvorschrift aufgestellt wird, die den EU-IFRS gleichwertig ist, kann die Abgrenzung des Konsolidierungskreises auch nach dieser Vorschrift vorgenommen werden.5

39

Der Kreis der in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einzubeziehen Tochterunternehmen ist nach den zu beachtenden Vorschriften des übergeordneten Mutterunternehmens abzugrenzen. Folgerichtig kann die Anwendung der Vorschriften über die Konsolidierungswahlrechte nur aus der PerspekVgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 21. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 26 f. Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 22; Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 65 (Stand März 2016). Da nach den (EU-)IFRS oder gleichwertigen Vorschriften wie bspw. den US-GAAP kein Konzernlagebericht existiert, wird sich in diesem Absatz lediglich auf den Konzernabschluss bezogen. Für die Befreiungswirkung ist in diesem Fall der Konzernlagebericht nach Art. 29 der Richtlinie 2013/34/EU oder gleichwertigen Vorgaben zu erstellen. 5 Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 66 (Stand März 2016). 1 2 3 4

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C. Anforderungen (Abs. 1 und Abs. 3)

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Rz. 42 § 292

tive des befreienden Mutterunternehmens vorgenommen werden.1 Gestützt wird diese Schlussfolgerung durch Art. 23 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2013/34/EU, der die rechtliche Grundlage der Norm des § 291 Abs. 2 Nr. 1 HGB darstellt. Dort wird darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens und all seiner Tochterunternehmen unbeschadet der in Art. 9 der Richtlinie 2013/ 34/EU angegebenen Konsolidierungswahlrechte in einen größeren Konsolidierungskreis von Unternehmen zu erfolgen hat und damit die Entscheidung aus der Perspektive des übergeordneten Mutterunternehmens als zulässig zu erachten ist.2 Die erneute Entscheidung über den Konsolidierungskreis aus der Perspektive des übergeordneten Mutter- 40 unternehmens findet allerdings dort seine Grenze, wo das untergeordnete Mutterunternehmen aufgrund der Einbeziehungswahlrechte des § 296 HGB nicht in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einbezogen wird. Dieser Schlussfolgerung könnte man jedoch entgegenhalten, dass nach dem Wortlaut des §§ 292 Abs. 1 iVm. 291 Abs. 2 Nr. 1 HGB sowohl das zu befreiende Mutterunternehmen als auch seine Tochterunternehmen unbeschadet des § 296 HGB in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einzubeziehen sind und auch die Formulierung in Art. 23 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2013/34/ EU nichts Gegenteiliges beinhaltet.3 Dennoch ergeben sich an dieser Auffassung Zweifel, sofern man den Wortlaut der englischen Fassung des Art. 23 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2013/34/EU heranzieht. Dort bezieht sich nämlich die Anwendung der Konsolidierungswahlrechte explizit auf die Tochterunternehmen des zu befreienden Mutterunternehmens: „the exempted undertaking and, without prejudice to paragraph 9, all of its subsidiary undertakings are consolidated in the financial statements of a larger body of undertakings, the parent undertaking of which is governed by the law of a Member State“. Demzufolge bestehen für die Befreiungswirkung erhebliche Bedenken, wenn das zu befreiende Mutterunternehmen der Anwendung der Konsolidierungswahlrechte unterliegt und damit nicht in den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einbezogen wird.4

C. Anforderungen an den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht (Abs. 1 und Abs. 3) I. Inhalt (Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) 1. Maßgebliches Recht (Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b, Nr. 2) Ein befreiender Konzernabschluss des oberen Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat muss gem. 41 § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB nach Maßgabe des mit den Anforderungen der Richtlinie 2013/34/EU übereinstimmenden Rechnungslegungsrechts eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats aufgestellt werden; alternativ ist es nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c HGB auch zulässig, dass der befreiende Konzernabschluss nach einem Drittstaatenrecht – dh. einem außerhalb der EU- bzw. EWR-Staaten gültigen Rechnungslegungsrecht – erstellt wird, das den durch die Richtlinie 2013/34/EU angepassten Vorgaben der EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten gleichwertig sein muss. Gleiches gilt für den zu befreienden Konzernlagebericht, der entweder nach dem Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats erstellt werden kann, das mit der Richtlinie 2013/34/EU in Übereinstimmung steht, oder einem nach diesen Vorgaben aufgestellten Konzernlagebericht gleichwertig ist (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Das übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat ist für Geschäftsjahre, die vor dem 42 1.1.2016 beginnen, in der Wahl des Rechnungslegungsrechts eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats, das unmittelbar angewendet oder als Maßstab für die Gleichwertigkeit herangezogen werden soll, nicht frei. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass grundsätzlich auf das deutsche Recht abzustellen ist.5 Das Recht eines anderen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats kann für die Aufstellung oder für die Gleichwertigkeitsprüfung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens in dem anderen Mitgliedsstaat anstelle eines sonst nach dem Recht dieses EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats vorgeschriebenen 1 Vgl. Maas/Schruff, WPg. 1991, 765 (766); ADS6, § 291 HGB Rz. 34; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 121, 123; Böcking/ Gros/Schurbohm-Ebneth in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 292 HGB Rz. 8; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 16. 2 So auch ADS6, § 291 HGB Rz. 34. 3 Vgl. zu dieser Auffassung Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 21; Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 291 HGB Rz. 56 (Stand März 2016). 4 Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 35; Schildbach, Der Konzernabschluss nach HGB, IFRS und US-GAAP7, 86 f.; Ebenling in Beck HdR, C 200 Rz. 79 (Stand März 2011). 5 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 292 Rz. 4.

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§ 292 Rz. 43 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten Konzernabschlusses und -lageberichts offengelegt werden (§ 3 Satz 1 KonBefrV). Folglich muss in dem anderen Mitgliedstaat ein Teilkonzern des übergeordneten Mutterunternehmens eingetragen sein, der durch die Offenlegung des Konzernabschlusses und -lageberichts von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung tatsächlich befreit wird. Sofern nicht das deutsche Rechnungslegungsrecht, sondern das eines anderen Mitgliedstaats der EU bzw. des EWR angewendet wird, ist allerdings nach § 3 Satz 2 KonBefrV zu beachten, dass bei Einreichung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts beim inländischen Handelsregister eine Bestätigung über die erfolgte Hinterlegung in einem anderen Mitgliedstaat beigefügt wird. Die Verwendung eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaatenrechts, in dem das übergeordnete Mutterunternehmen keine Teilkonzerne etabliert hat, ist hingegen für die Aufstellung oder die Gleichwertigkeitsprüfung eines befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts unzulässig.1 Durch diese Restriktion soll vermieden werden, dass das übergeordnete Mutterunternehmen für die Aufstellung des zu befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts die Rechnungslegungsvorschriften eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats anwendet, die die geringsten Anforderungen aufweisen, obwohl es dort keinen Teilkonzern unterhält.2 43

Im Rahmen der Überarbeitung des § 292 HGB durch das BilRUG wurden neben § 1 Satz 4 KonBefrV auch die Bestimmungen des § 3 KonBefrV nicht in das nationale Recht integriert. Durch das Wegfallen des § 3 KonBefrV zum 1.1.2016 könnte man auf der einen Seite zu der Auffassung gelangen, dass über den 1.1.2016 hinaus die Wahl der Rechnungslegungsnorm eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats nicht mehr dadurch eingeengt wird, ob ein Teilkonzern in dem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat ansässig ist und ob der Konzernabschluss und -lagebericht des oberen Mutterunternehmens in dem betroffenen EU- bzw. EWRMitgliedstaat mit befreiender Wirkung offengelegt wird. Nach dieser Auffassung wäre es für die Befreiung legitim, das Rechnungslegungsrecht des EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats zu wählen, das für den Zweck der Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts die geringsten Anforderungen aufweist.3 Auf der anderen Seite könnte man jedoch auch zu dem Schluss kommen, dass das den befreienden Abschluss und Lagebericht aufstellende Mutterunternehmen unter den Rechten der EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten weiterhin nicht frei wählen kann. Zurückzuführen ist diese Meinung darauf, dass von § 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB postuliert wird, den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht des oberen Mutterunternehmens nach den Regelungen des zu befreienden Mutterunternehmens unterer Stufe offenzulegen. Überträgt man diese Vorgabe zur Offenlegung auf die Erstellung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts, wird davon ausgegangen, dass die Aufstellung oder Gleichwertigkeitsprüfung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts des übergeordneten Mutterunternehmens nach dem Rechnungslegungsrecht des zu befreienden Mutterunternehmens zu erfolgen hat. Ein anderes Rechnungslegungsrecht eines EU- bzw. EWR-Staats, in dem kein Teilkonzern etabliert ist, wäre nach dieser Argumentation – wie nach der Vorgabe des § 3 KonBefrV – nicht als zulässig zu erachten.4

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Eine Beschränkung bezüglich der Wahl der Rechnungslegungsvorschriften eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats wurde bereits vor Einführung des BilRUG als kritisch angesehen.5 Dies äußerte sich dahingehend, dass Zweifel an der Konformität der Vorschriften des § 3 Satz 1 KonBefrV mit der damals gültigen Richtlinie 83/349/EWG bestanden. So wurde in erster Linie darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber mit § 3 Satz 1 KonBefrV gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen hätte: Nach dem Normzweck des Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG sind Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittland gegenüber in EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten ansässigen Mutterunternehmen nicht zu benachteiligen. Gestützt wurde dies mit der Regelung des Art. 11 Abs. 2 iVm. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 83/349/EWG, in der ein Mitgliedstaat verpflichtet war, die Befreiung nicht von zusätzlichen Bedingungen im Hinblick auf die Aufstellung des Konzernabschlusses und -lageberichts abhängig zu machen.6 Des Weiteren wurde gegen die Richtlinienkonformität angeführt, dass eine Verschärfung im Zuge der Umsetzung des in Rede stehenden Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG durch den Mitgliedstaat das Harmonierungsziel, die Schutzbestimmungen für Gesellschafter und Dritte unter den Mitgliedstaaten gleichwertig zu gestalten (Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EGV, heute: Art. 50 Abs. 2 Buchst. g AEUV), konterkariert hätte.7 Unter Berücksichtigung dieser vor Einführung des BilRUG angebrachten Konformitätsbedenken, die aufgrund der weitgehend inhaltsgleichen Übernahme der befreiungstatbestandbezogenen Konzernvorschriften von der 1 Vgl. Maas/Schruff, WPg. 1991, 765 (767). 2 Vgl. Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 303. 3 Vgl. hierzu Deubert/Lewe, DB 2015, Beil. 5, 49 (50); Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 22; Kirsch/ Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 52 (Stand März 2016). 4 Vgl. hierzu Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 292 HGB Rz. 9. 5 Zur Kritik dieser Regelung vgl. Maas/Schruff, WPg. 1991, 765 (767); Küting/Hayn, BB 1995, 662 (669 ff.); Wollmert/ Oser, DB 1995, 53 (54 ff.); ADS6, § 292 HGB Rz. 32 ff. 6 Vgl. Wollmert/Oser, DB 1995, 53 (54). 7 Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 32.

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C. Anforderungen (Abs. 1 und Abs. 3)

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Rz. 48 § 292

Richtlinie 83/349/EWG in die Richtlinie 2013/34/EU weiterhin ihre Gültigkeit haben, ist eine restriktive Auslegung des Wahlrechts über den 1.1.2016 hinaus, wie sie die Interpretation des neu eingeführten § 292 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB vollziehen würde, abzulehnen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ab dem 1.1.2016 jedes Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats für die Erstellung oder Gleichwertigkeitsprüfung eines befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts herangezogen werden kann. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass die Wahlrechtsausübung von dem Grundsatz der Stetigkeit eingeschränkt wird.1 Unabhängig von der Wahl des Rechts gilt es zu beachten, dass der Konzernabschluss und -lagebericht des 45 höherrangigen Mutterunternehmens nur dann tatsächlich befreiend wirkt, wenn der EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat, dessen Recht für die Aufstellung oder Gleichwertigkeitsprüfung gewählt wird, das Wahlrecht in Art. 23 Abs. 8 der Richtlinie 2013/34/EU entsprechend in nationales Recht umgesetzt hat.2 Das übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat kann die Befreiungswirkung auch er- 46 reichen, indem es für die Erstellung des befreienden Konzernabschlusses die von der EU anerkannten IFRS verwendet. Dies hat der deutsche Gesetzgeber durch die Umsetzung des Art. 23 Abs. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ii der Richtlinie 2013/34/EU – was bereits vor BilRUG gängige Praxis war3 – in § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HGB klargestellt. Aufgrund des Wortlauts dieser Vorschrift, der lediglich den Einklang mit den in § 315e Abs. 1 HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards fordert, ist davon auszugehen, dass die über die (EU-)IFRS hinausgehenden Angaben im Konzernanhang der Richtlinie 2013/34/EU, die der deutsche Gesetzgeber in §§ 313, 314 HGB integriert hat (bspw. die Angabe des Abschlussprüferhonorars), – im Unterschied zu § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB – keine Voraussetzung für die Befreiungswirkung sind.4 Ebenfalls eine befreiende Wirkung hat ein Konzernabschluss, der nach internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellt wird, die im Rahmen eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatsemittenten angewandten Rechnungslegungsstandards mit den von der EU anerkannten IFRS als gleichwertig anerkannt werden (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d HGB). Eine Ausweitung der Befreiungsmöglichkeit anhand der internationalen Vorgaben auf den Konzernlagebericht ist allerdings nicht durchführbar, da die Rechnungslegungsnormen der IFRS – im Gegensatz zu der Richtlinie 2013/34/EU und den darauf aufbauenden Rechten der einzelnen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten – für die Darstellung des Geschäftsverlaufs und -ergebnisses sowie die Lage des Konzerns keine konkreten Regelungen vorsehen. Dementsprechend ist für die Erstellung oder Gleichwertigkeitsprüfung des Konzernlageberichts weiterhin das im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU stehende Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats erforderlich.5 2. Gleichwertigkeitsprüfung (Nr. 1 Buchst. c und Buchst. d, Nr. 2) Sofern der Konzernabschluss und -lagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem 47 Drittstaat nicht nach einem mit den Anforderungen der Richtlinie 2013/43/EU übereinstimmenden Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats aufgestellt wird, ergibt sich die Befreiungswirkung auch, wenn der Konzernabschluss und -lagebericht auf oberer Stufe einem entsprechenden Recht eines EU- bzw. EWRStaats gleichwertig ist (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 2 HGB). Dieses Gleichwertigkeitserfordernis ist als Mindestanforderung auszulegen, denn einem – wie auch immer die Gleichwertigkeit gemessen wird – nach höherwertigen Rechnungslegungsnormen erstellten Konzernabschluss und -lagebericht kann die Befreiungswirkung nicht versagt werden.6 Im Rahmen der Wahl des EU- bzw. EWR-Mitgliedstaatenrechts, das für die Gleichwertigkeitsprüfung 48 herangezogen werden soll, kann sich das übergeordnete Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat für die Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2016 beginnen, zwischen den Rechnungslegungsrechten der EUbzw. EWR-Mitgliedstaaten, in denen ein Teilkonzern tatsächlich durch Vorlage eines Konzernabschlusses und -lageberichts von der Konzernrechnungspflicht befreit wird, entscheiden (§ 3 Satz 1 KonBefrV). Bei Wegfallen des § 3 KonBefrV zum 1.1.2016 ist die Wahl unter den Rechten der EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten dem übergeordneten Mutterunternehmen freigestellt (vgl. zur Frage des maßgeblichen Rechts Rz. 41 ff.). In welchem Ausmaß eine Anpassung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts zu erfolgen hat, ist davon abhängig, welche Unterschiede zwischen dem Drittstaatenrecht und dem deutschen 1 So auch Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 22. 2 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 292 HGB Rz. 24; Böcking/Gros/Schurbohm-Ebneth in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 292 Rz. 12. 3 Vgl. zB Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 292 HGB Rz. 17. 4 Vgl. Deubert/Lewe, DB 2015, Beil. 5, 49 (50). 5 Vgl. Deubert/Lewe, DB 2015, Beil. 5, 49 (50). 6 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 292 Rz. 7.

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§ 292 Rz. 49 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten Rechnungslegungsrecht bzw. dem Recht eines anderen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats bestehen und ob diese Unterschiede das Gleichwertigkeitserfordernis beeinflussen.1 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Befreiungswirkung eines deutschen Teilkonzerns, der in einen Konzern mit Sitz in einem Drittstaat eingegliedert ist, anhand der Gleichwertigkeitsprüfung angestrebt wird, da das obere Mutterunternehmen idR einen befreienden Konzernabschluss und -lagebericht nach ihren gültigen Vorschriften aufstellen wird.2 49

Eine Definition des Begriffs der Gleichwertigkeit ist in der KonBefrV nicht gesetzlich geregelt. Vor der Integration der Inhalte der KonBefrV in § 292 HGB durch das BilRUG hatte der deutsche Gesetzgeber gem. § 292 Abs. 3 HGB zwar das Recht, die Voraussetzungen für die Gleichwertigkeit eines Konzernabschlusses und -lageberichts eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat in einer Rechtsverordnung zu konkretisieren sowie zusätzliche Angaben und Erläuterungen, die für die Herstellung der Gleichwertigkeit erforderlich sind, im Konzernabschluss zu fordern. Diese Möglichkeit wurde allerdings vom deutschen Gesetzgeber nicht genutzt.3 Eine entsprechende Definition des Gleichwertigkeitsbegriffs ist auch nicht im Rahmen der Integration der KonBefrV in den § 292 HGB durch das BilRUG vorgenommen worden, was dazu führt, dass weiterhin ein konkreter Maßstab für die Anerkennung der Gleichwertigkeit auf gesetzlicher Grundlage fehlt.4 Um dennoch eine fundierte Auslegung des Gleichwertigkeitsbegriffs zu erhalten, kann es uU sinnvoll sein, in der Gesetzeshistorie von § 292 HGB publizierte Vorgaben heranzuziehen; hierbei gilt es zu tolerieren, dass sich die angebotenen Interpretationen nicht auf den aktuellen Gesetzestext des § 292 HGB oder die derzeit gültige Richtlinie 2013/43/EU beziehen.

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Zu dem Begriff der Gleichwertigkeit von Abschlüssen von Unternehmen aus Drittländern hat die EGKommission (heute: EU-Kommission) am 15.3.19915 eine Stellungnahme veröffentlicht. In dieser Stellungnahme wird auf die Anforderung des Gleichwertigkeitserfordernisses in Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 83/349/EG (heute: Art. 23 Abs. 8 Buchst. b Dreifachbuchst. iii der Richtlinie 2013/34/EU) eingegangen. Nach Auffassung der EG-Kommission sind diejenigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zugrunde zu legen, denen alle innerhalb der EG erstellten Konzernabschlüsse und -lageberichte entsprechen müssen, und zwar unabhängig von der Ausübung der in der Richtlinie 83/349/EG eingeräumten Mitgliedstaatenwahlrechte.6 Unter Berücksichtigung der aktuellen europäischen Gesetzgebung wäre es demzufolge erforderlich, dass sowohl die verpflichtenden Einzelregeln der derzeit gültigen Richtlinie 2013/34/ EU als auch von dieser Richtlinie selbst eingeräumte Unternehmenswahlrechte für den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht des übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat zu beachten sind.7 Sollten höherrangige Konzernabschlüsse und -lageberichte davon abweichen, müsste für die Befreiungswirkung eine Anpassung erfolgen. Mitgliedstaatenwahlrechte wären hingegen nicht unter die Vorschriften zu subsumieren, denen alle nach europäischem Recht aufgestellten Abschlüsse und Lageberichte genügen müssen; diese Wahlrechte können nämlich von den EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt werden und fallen somit nicht unter die von der EG-Kommission in ihrer Stellungnahme vorgesehenen Vorschrift. Gleiches würde auch für Unternehmenswahlrechte auf nationaler Ebene gelten.8

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Lediglich die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2013/34/EU als unmittelbaren Maßstab für die Gleichwertigkeit eines nach Drittstaatenrecht erstellten Konzernabschluss und -lagebericht – wie es von der Stellungnahme der EG-Kommission vorgeschlagen wird – heranzuziehen, kann nicht vollends überzeugen, obwohl dies der Wortlaut des Art. 23 Abs. 8 Buchst. b Dreifachbuchst. iii nahelegt. In § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 HGB wird bezüglich der Gleichwertigkeitsprüfung nicht auf das Gemeinschaftsrecht der Richtlinie 2013/34/EU verwiesen, sondern auf das Rechnungslegungsrecht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats, das mit der in Rede stehenden Richtlinie 2013/34/EU im Einklang steht. Dementsprechend ist die vorgenommene Wahlrechtsausübung auf nationaler Ebene des entsprechenden EU- bzw. EWR-Mitgliedstaatenrechts für die Prüfung der Gleichwertigkeit zu beachten. Wenn bspw. ein russisches Mutterunternehmen oberer Stufe ein deutsches, untergeordnetes Mutterunternehmen mit einem nach Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 292 Rz. 7. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 23. Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 292 HGB Rz. 35. Vgl. Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 292 HGB Rz. 12. Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Gleichwertigkeit von Abschlüssen von Unternehmen aus Drittländern, XI/109/90-DE, v. 15.3.1991, Textabdruck bei Siebourg in HdKR2, § 292 HGB Anlage. 6 Vgl. Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Gleichwertigkeit von Abschlüssen von Unternehmen aus Drittländern, XI/109/90-DE, v. 15.3.1991, Textabdruck bei Siebourg in HdKR2, § 292 HGB Anlage Rz. 8. 7 So auch Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 54 (Stand März 2016). 8 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 292 Rz. 9.

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C. Anforderungen (Abs. 1 und Abs. 3)

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Rz. 53 § 292

dem französischen Rechnungslegungsrecht erstellten Konzernabschluss und -lagebericht von der Aufstellungspflicht befreien will, ist für die Gleichwertigkeitsprüfung entscheidend, wie Frankreich die Mitgliedstaatenwahlrechte der Richtlinie 2013/34/EU und eigene Unternehmenswahlrechte in seinem nationalen Rechnungslegungsrecht ausgestaltet hat.1 Entspricht der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht nicht in allen Punkten der entsprechenden 52 nationalen Regelung eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats, gilt es im Einzelfall zu prüfen, inwiefern der Tatbestand der Gleichwertigkeit gefährdet ist.2 Dabei ist darauf zu beachten, dass die Gleichwertigkeit auch durch entsprechende Angaben im Anhang oder sonstige Erläuterungen erreicht werden kann, denn es wird nicht eine gleichwertige Bilanz und GuV gefordert, sondern ein gleichwertiger Konzernabschluss und -lagebericht, zu dem auch diese ergänzenden Ausführungen zu subsumieren sind.3 Die Erfüllung des Gleichwertigkeitserfordernisses ist gegeben, wenn das im befreienden Konzernabschluss und -lagebericht wiedergebende Gesamtbild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage so dargestellt wird, dass keine wesentlichen Informationsverluste gegenüber einem deutschen – oder nach den Vorgaben eines anderen EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats erstellten – Konzernabschluss und -lagebericht entstehen.4 Ist eine Gleichwertigkeit des übergeordneten Konzernabschlusses und -lageberichts gegeben, muss eine Quantifizierung der Unterschiede zwischen den angewandten Rechnungslegungsmethoden des oberen Mutterunternehmens und den Vorgaben des Rechnungslegungsrechts eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats nicht zwingend vorgenommen werden, da die Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz-und Ertragslage als nicht wesentlich eingestuft wurden.5 Im Hinblick auf die Gleichwertigkeit eines nach Rechnungslegungsstandards eines Drittstaats erstellten 53 Konzernabschlusses mit einem nach den EU-IFRS aufgestellten Konzernabschluss ist es gem. § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d HGB erforderlich, dass das betreffende Rechnungslegungsrecht einen Überprüfungsmechanismus der EU durchläuft, in dem dessen Gleichwertigkeit mit den von der EU anerkannten IFRS festgelegt wird. Die rechtliche Grundlage für diesen Prozess bildet die Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission v. 21.12.20076 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/ 71/EG7 und 2004/109/EG8 des Europäischen Parlaments und des Rates.9 Unter Bezugnahme auf diese Verordnung hat die EU-Kommission am 12.12.200810 (2008/961/EG) und am 11.4.201211 (2012/194/EU) entschieden, dass neben den Full-IFRS auch die allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze Japans, der USA, der Volksrepublik China, Kanadas und Südkoreas als gleichwertig anzusehen sind. Des Weiteren wurde beschlossen, dass Drittstaatenemittenten ihren konsolidierten Abschluss für Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2015 beginnen, auch nach dem Recht Indiens erstellen können. Eine Verlängerung für über den 1.1.2015 hinausgehende Geschäftsjahre blieb bislang aus.12

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Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 81. Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 47, 52. Vgl. Busse von Colbe/Ordelheide ua., Konzernabschlüsse9, 81. Vgl. ADS6, § 292 HGB Rz. 44. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 292 Rz. 10. Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Europäischen Kommission v. 21.12.2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 340 v. 22.12.2007, 66 ff. Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, 64 ff. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, 38 ff. Vgl. Götze/Weiser in Russ/Janßen/Götze, BilRUG-Komm., I Rz. 20. Entscheidung der Europäischen Kommission v. 12.12.2008 über die Verwendung der nationalen Rechnungslegungsgrundsätze bestimmter Drittländer und der International Financial Reporting Standards durch Wertpapieremittenten aus Drittländern bei der Erstellung ihrer konsolidierten Abschlüsse (2008/961/EG), ABl. EU Nr. L 340 v. 19.12.2008, 112 ff. Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission v. 11.4.2012 zur Änderung der Entscheidung 2008/961/ EG über die Verwendung der nationalen Rechnungslegungsgrundsätze bestimmter Drittländer und der Internationalen Financial Reporting Standards durch Wertpapieremittenten aus Drittländern bei der Erstellung ihrer konsolidierten Abschlüsse (2012/194/EU), ABl. EU Nr. L 103 v. 13.4.2012, 49 ff. Vgl. Götze/Weiser in Russ/Janßen/Götze, BilRUG-Komm., I Rz. 21.

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§ 292 Rz. 54 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten 54

Für den Konzernlagebericht ist – aufgrund der fehlenden konkreten IFRS-Normen – das Gleichwertigkeitserfordernis mit einem den Anforderungen der Richtlinie 2013/34/EU überstimmenden Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats zu überprüfen (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 iVm. Nr. 1 Buchst. a HGB). Sollte das Rechnungslegungsrecht des betroffenen Drittstaats kein Lageberichtsäquivalent vorsehen oder ein solches Äquivalent nicht gleichwertig sein, kann die Befreiungswirkung nur dann eintreten, wenn ergänzende Angaben im Rahmen der Offenlegung des Konzernabschlusses in vergleichbarer Form gemacht werden. Ein um einen Management Discussion and Analysis (MD&A) erweiterter US-GAAP bzw. IFRS-Abschluss wird idR als gleichwertig angesehen, da der MD&A qualitativ nicht wesentlich hinter einem nach einem Recht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats erstellten Konzernlagebericht zurückbleibt.1

II. Prüfung durch den Abschlussprüfer (Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3) 55

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Gem. § 292 Abs. 1 Nr. 3 HGB ist für die Befreiungswirkung der auf übergeordneter Stufe aufgestellte Konzernabschluss einer Prüfung durch einen oder mehrere Abschlussprüfer oder durch einen oder mehrere Prüfungsgesellschaften (im Folgenden nur als Abschlussprüfer2 bezeichnet) zu unterziehen, die nach Maßgabe der einzelstaatlichen Regelungen des Drittstaats, in dem das obere Mutterunternehmen ansässig ist, zur Prüfung zugelassen sind. Sollte sich hierbei die rechtliche Norm des betreffenden Drittstaats nicht auf die Zulassungsvorgaben der Richtlinie 2006/43/EG beziehen (was idR der Fall sein dürfte), so kommt dem von dem oberen Mutterunternehmen aufgestellten Konzernabschluss allerdings nur dann eine Befreiungswirkung zu, wenn der Abschlussprüfer eine den Anforderungen der Richtlinie 2006/43/EG gleichwertige Befähigung aufweist und der befreiende Konzernabschluss in einer den Anforderungen der §§ 316 ff. HGB entsprechenden Weise geprüft worden ist (§ 292 Abs. 3 Satz 1 HGB). Abschlussprüfer, die in einer Mitgliedsorganisation der International Federation of Accountants (IFAC) vertreten sind, werden idR das Gleichwertigkeitserfordernis erfüllen.3 Die bereits im Rahmen des BilMoG vorgenommene Streichung des Verweises in § 2 Abs. 1 Nr. 3 KonBefrV, die Prüfung auf den Konzernlagebericht auszuweiten, wurde durch das BilRUG in § 292 Abs. 1 Nr. 3 HGB beibehalten.4 Somit führt eine nicht vorgenommene Prüfung des Konzernlageberichts zu keinem Ausschluss der Befreiungswirkung.5 Zurückzuführen ist die Fokussierung der Prüfungspflicht lediglich auf den Konzernabschluss darauf, dass der Konzernlagebericht oder Äquivalente, die über die Darstellung des Geschäftsverlaufs und -ergebnisses sowie die Lage des Konzerns Auskunft geben, in Drittstaaten, wie bspw. USA und Kanada, keiner Prüfung zu unterziehen sind.6 Nicht in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Richtlinie 2006/43/EG zugelassene Abschlussprüfer von übergeordneten Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat iSd. § 3 Abs. 1 Satz WPO (dh. Staaten, die sich außerhalb der EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten befinden), deren Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG an einer inländischen Börse zum Handel am regulierten Markt zugelassen sind, haben bezüglich des Gleichwertigkeitserfordernisses strengere Anforderungen zu erfüllen. Diese Abschlussprüfer haben nur dann eine den Vorschriften der Richtlinie 2006/43/EG gleichwertige Befähigung, wenn sie bei der WPK nach § 134 Abs. 1 WPO eingetragen sind (§ 292 Abs. 3 Satz 2 HGB). Auf eine Eintragung in das deutsche Berufsregister kann gem. § 292 Abs. 3 Satz 2 HGB nur verzichtet werden, sofern iSd. § 134 Abs. 4 WPO die für die betroffenen Abschlussprüfer bestehenden öffentlichen Aufsichts-, Qualitätssicherungs-, Untersuchungs- und Sanktionssysteme des jeweiligen Drittstaats den Anforderungen der Richtlinie 2006/ 43/EG entsprechen oder diesen gleichwertig sind, oder die Europäische Kommission eine Übergangsfrist nach Art. 46 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2006/43/EG vorsieht.7 1 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 292 HGB Rz. 16 f. 2 Unter der Terminologie des Abschlussprüfers sind nach § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB sowohl die Wirtschaftsprüfer als auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu subsumieren. Abschlussprüfer von Abschlüssen und Lageberichten mittelgroßer GmbH (§ 267 Abs. 2 HGB) oder mittelgroßer Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a Abs. 1 HGB können überdies vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften sein (§ 319 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Übertragung dieser weiten Auslegung des Begriffs „Abschlussprüfer“ ist allerdings für Prüfer und Prüfungsgesellschaften abzulehnen, die nicht dem deutschen Handelsrecht unterliegen. Somit ist es sinnvoll, dass der Gesetzgeber in § 292 Abs. 1 Nr. 3 HGB neben den Abschlussprüfern, die als natürliche Personen zu verstehen sind, auch auf Prüfungsgesellschaften, die als juristische Personen oder teilrechtfähige Personenvereinigungen auftreten, verweist. Als inkonsistent zu werten ist, dass in § 292 Abs. 3 HGB lediglich auf den Abschlussprüfer verwiesen wird. 3 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 150. 4 Vgl. Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1731). 5 GlA Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 292 HGB Rz. 28; aA Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 67 (Stand März 2016). 6 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG), BT-Drucks. 18/5256, 84. 7 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, Q Rz. 129.

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C. Anforderungen (Abs. 1 und Abs. 3)

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Rz. 62 § 292

Für die Gleichwertigkeit hat die EU-Kommission mit einer Entscheidung v. 13.6.20131 die in den Dritt- 58 staaten vorhandenen Kontrollsysteme für Abschlussprüfer beurteilt. Zu den Ländern bzw. Gebieten, die nach Auffassung der Kommissionsentscheidung über gleichwertige Systeme verfügen, sind Folgende zu zählen: Abu Dhabi, Brasilien, Dubai International Financial Centre, Guernsey, Indonesien, Insel Man, Jersey, Malaysia, Taiwan und Thailand. Für Länder bzw. Gebiete, bei denen die bisher verfügbaren Informationen nicht ausgereicht haben, eine Bewertung in Bezug auf die Gleichwertigkeit ihres Kontrollsystems für Abschlussprüfer zu vollziehen, wurden Übergangsfristen eingeführt, in denen eine Gleichwertigkeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unterstellt wird. Diesbezüglich sind in der Entscheidung der EU-Kommission v. 13.6.2013 ferner die Übergangsfristen für bis zum 31.7.2015 beginnende Geschäftsjahre für folgende Länder bzw. Gebiete verlängert worden: Ägypten, Bermudas, Kaimaninseln, Mauritius, Neuseeland, Russland und Türkei. Für die USA wurde die Übergangsfrist mit der Kommissionsentscheidung v. 11.6. 20132 für Geschäftsjahre, die bis zum 31.7.2016 beginnen, ausgeweitet. Nicht verlängert wurde demgegenüber die Übergangsfristen für Hongkong, Indien und Israel.3 Für den Fall, dass das befreiende Mutterunternehmen Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG an einer inlän- 59 dischen Börse zum Handel am regulierten Markt zugelassen hat und deren Abschlussprüfer mit beruflicher Niederlassung in einem Drittstaat iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 WPO nicht in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2006/43/EG zugelassen sind, ist es für die Abschlussprüfer verpflichtend, sich die Eintragung bei der WPK gem. § 134 Abs. 2a WPO bescheinigen zu lassen oder eine Bestätigung gem. § 134 Abs. 4 Satz 8 WPO über die Befreiung von der Eintragungsverpflichtung einzufordern (§ 292 Abs. 3 Satz 4 HGB). Diese Eintragungsbescheinigung bzw. die Befreiungsbestätigung ist nach § 292 Abs. 3 Satz 4 HGB der WPK zusammen mit dem Konzernabschluss und -lagebericht für das zu befreiende Mutterunternehmen offenzulegen. Die erhöhten Anforderungen an die Abschlussprüfer aus Drittstaaten iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 WPO haben 60 keine Gültigkeit, wenn das übergeordnete, kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen nur mit Schuldtiteln iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG mit einer Mindeststückelung von 100.000 € oder einem entsprechenden Betrag anderer Währung an einer inländischen Börse zum Handel am regulierten Markt zugelassen ist (§ 292 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 HGB); handelt es sich um Schuldtitel, die vor dem 31.12.2010 begeben wurden, gilt gem. § 292 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 HGB eine Mindeststückelung von 50.000 € oder ein entsprechender Betrag anderer Währung.

III. Offenlegung (Abs. 1 Nr. 4) Gem. § 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB kann der Konzernabschluss und -lagebericht des übergeordneten Mutter- 61 unternehmens mit Sitz in einem Drittstaat seine befreiende Wirkung nur dann entfalten, wenn sie – mit einem entsprechenden Bestätigungsvermerk – in deutscher Sprache – nach den Vorschriften der §§ 325 Abs. 3 bis 5, 328 HGB offengelegt werden. An die Offenlegung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts sind folglich dieselben Publizitätspflichten gestellt wie an den entfallenden Konzernabschluss und -lagebericht des untergeordneten Mutterunternehmens.4 Eine Beglaubigung der in die deutsche Sprache übersetzten Ausführungen des befreienden Konzern- 62 abschlusses und -lageberichts ist nicht erforderlich.5 Des Weiteren kann auf eine Umrechnung eines fremdwährungsbezogenen Konzernabschlusses und -lageberichts, der von einem übergeordneten Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat aufgestellt wird, in Euro verzichtet werden.6 1 Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission v. 13.6.2013 zur Änderung des Beschlusses 2011/30/EU über die Gleichwertigkeit bestimmter drittstaatlicher Aufsichts-, Qualitätssicherungs-, Untersuchungs- und Sanktionssysteme für Abschlussprüfer und Abschlussprüfungsgesellschaften und über eine Übergangsfrist für Prüfungstätigkeiten bestimmter drittstaatlicher Abschlussprüfer und Abschlussprüfungsgesellschaften in der Europäischen Union (2013/288/EU), ABl. EU Nr. L 163 v. 15.6.2013, 26 ff. 2 Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission v. 11.6.2013 über die Gleichwertigkeit des öffentlichen Aufsichts-, Qualitätssicherungs-, Untersuchungs- und Sanktionssystems für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften der Vereinigten Staaten von Amerika gemäß der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments des Rates (2013/281/EU), ABl. EU Nr. L 161 v. 13.6.2013, 8 ff. 3 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 292 HGB Rz. 19. 4 Vgl. Kindler in Großkomm.5, § 291 HGB Rz. 22. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 45. 6 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 137.

Holzmeier/Hachmeister

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§ 292 Rz. 63 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten 63

Die Veranlassung und der Nachweis, dass der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht offengelegt wurde, müssen durch das Mutterunternehmen auf unterer Stufe erfolgen.1 Eine Offenlegung wird von § 325 Abs. 3 iVm. Abs. 1 Satz 2 HGB spätestens zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag, dh. am Ende des nachfolgenden Geschäftsjahrs, postuliert (vgl. § 325 HGB Rz. 1 ff.). Sollte eine Abweichung zwischen dem Abschlussstichtag des oberen Mutterunternehmens und dem des unteren Mutterunternehmens bestehen, so ist der Abschlussstichtag des zu befreienden Mutterunternehmens auf unterer Konzernstufe entscheidend.2 Dadurch können sich allerdings für den Nachweis der Offenlegung erhebliche Terminschwierigkeiten ergeben. Wird unterstellt, dass der Abschlussstichtag des zu befreienden Mutterunternehmens auf dem 30.6. liegt, ist die Veröffentlichung des befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts spätestens zum 30.6. des Folgejahres vorzunehmen; dies gilt auch dann, wenn der Abschlussstichtag des oberen Mutterunternehmens auf einem späteren Zeitpunkt wie bspw. dem 30.9. liegt. Die Offenlegungsfrist für den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht verkürzt sich von zwölf Monaten auf neun, was das obere Mutterunternehmen uU vor erhebliche Herausforderungen stellen kann.3 In der Praxis kann sich daher in solchen Fällen eine Anpassung der Abschlussstichtage empfehlen.4

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Gem. § 1 Satz 1 KonBefrV wird für die Befreiung des deutschen Mutterunternehmens von der Konzernrechnungslegungspflicht vorausgesetzt, dass ein den Anforderungen entsprechender Konzernabschluss und -lagebericht einschließlich des Bestätigungs- oder Versagungsvermerks nach den Vorschriften der §§ 325 Abs. 3–5, 328 HGB in deutscher Sprache offenzulegen ist. Abweichend hiervon ist nach § 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB idF nach BilRUG für die Befreiungswirkung nunmehr erforderlich, neben dem befreienden Konzernabschluss und -lagebericht einen Bestätigungsvermerk in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Dabei wurde die den Publizitätspflichten eines befreienden Konzernabschlusses und -lageberichts zugrunde liegende europarechtliche Vorgabe des Art. 23 Abs. 8 Unterabs. 2 iVm. Art. 23 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2013/34/EU, die lediglich die Offenlegung eines Bestätigungsvermerks akzeptiert, in nationales Recht überführt. Ein Versagungsvermerk ist demzufolge ab dem 1.1.2016 für eine Befreiung von der Aufstellungspflicht eines Mutterunternehmens, das einem Mutterunternehmen im Sitz in einem Drittstaat untergeordnet ist, nicht mehr ausreichend.5 Diese Auffassung wurde nochmals in der Regierungsbegründung zum BilRUG, das für die Überführung der Vorgaben der Richtlinie 2013/34/EU in das nationale Recht verantwortlich ist, bekräftigt.6 Die Befreiungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Offenlegung für ein Mutterunternehmen, das zugleich Tochterunternehmen eines in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat eingetragenen Mutterunternehmens ist, haben demgegenüber im Zuge des BilRUG keine Änderung erfahren, obwohl die in Rede stehende Regelung der Richtlinie 2013/34/EU auch auf diesen Befreiungstatbestand ihre Gültigkeit hat. Dementsprechend kann nach § 291 Abs. 1 Satz 1 HGB weiterhin eine Befreiungswirkung erreicht werden, wenn ein Versagungsvermerk veröffentlicht wird, während dies nach § 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB nicht mehr möglich ist.7

D. Angaben im Anhang (Abs. 2 Satz 1) 65

Die befreiende Wirkung des von dem höherrangigen Mutterunternehmen aufgestellten Konzernabschlusses und -lageberichts tritt gem. § 292 Abs. 2 Satz 1 HGB nur dann ein, wenn im Anhang des Jahresabschlusses des zu befreienden Mutterunternehmens die in § 291 Abs. 2 Nr. 4 HGB genannten Angaben ersichtlich sind. Diese implizieren – den Namen und den Sitz des Mutterunternehmens, das den befreienden Konzernabschluss und -lagebericht aufstellt (§ 291 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a HGB), – einen Hinweis auf die Befreiung von der Verpflichtung, einen Konzernabschluss und -lagebericht aufzustellen (§ 291 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b HGB), und – eine Erläuterung der im befreienden Konzernabschluss vom deutschen Recht abweichend angewendeten Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden (§ 291 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c HGB).

66

Im Rahmen der Erläuterung der vom deutschen Recht abweichenden angewandten Methoden der Bilanzierung, Bewertung und Konsolidierung ist das Aufzeigen von wesentlichen Unterschieden in verbaler 1 2 3 4 5

Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 291 HGB Rz. 29. Vgl. Maas/Schruff, WPg. 1991, 765 (770); ADS6, § 291 HGB Rz. 23. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 11. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 29. So auch Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1731); Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 292 HGB Rz. 6. 6 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG), BR-Drucks. 23/15, 85. 7 Vgl. Deubert/Lewe, DB 2015, Beil. 5, 50; Götze/Weiser in Russ/Janßen/Götze, BilRUG-Komm., I Rz. 23; aA Oser/ Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1731).

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E. Ausnahmen von der Befreiungsmöglichkeit (Abs. 2 Satz 2)

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Rz. 71 § 292

Form ausreichend; quantitative Angaben sind nicht erforderlich. Dementsprechend kann von einer ausführlichen Darlegung der Unterschiede zwischen dem deutschen Rechnungslegungsrecht und bspw. den IFRS abgesehen werden, sofern der befreiende Konzernabschluss des oberen Mutterunternehmens unter Berücksichtigung der IFRS aufgestellt wird.1 Darüber hinaus ist es nach § 292 Abs. 2 Satz 1 HGB für die Befreiungswirkung eines auf höherer Stufe auf- 67 gestellten Konzernabschlusses und -lageberichts erforderlich, neben den in § 291 Abs. 2 Nr. 4 HGB postulierten Angaben weitere Zusätze im Anhang des Jahresabschlusses des untergeordneten Mutterunternehmens zu veröffentlichen; sie geben Auskunft darüber, – welche der in § 292 Abs. 1 Nr. 1 HGB genannten Vorgaben dem auf höherrangiger Stufe aufgestellten Konzernabschluss und -lagebericht zugrunde gelegt wurden, sowie ggf. – nach welchem Rechnungslegungsrecht eines EU- bzw. EWR-Mitgliedstaats der befreiende Konzernabschluss und -lagebericht aufgestellt wurde.

E. Ausnahmen von der Befreiungsmöglichkeit (Abs. 2 Satz 2) I. Überblick über die gesetzlichen Regelungen Die Befreiung eines Mutterunternehmens unterer Konzernstufe von der Aufstellungspflicht durch einen 68 übergeordneten Konzernabschluss und -lagebericht ist trotz des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 292 Abs. 1 HGB nicht gegeben, wenn die Vorgaben des § 291 Abs. 3 HGB eingetreten sind, die aufgrund des expliziten Verweises in § 292 Abs. 2 Satz 2 HGB ihre Wirkung auch auf Teilkonzerne entfalten, die von einem höherrangigen Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat beherrscht werden. Nach § 291 Abs. 3 HGB sind folgende zwei Regelungen zu beachten, die zu einer zwingenden Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts auf untergeordneter Stufe führen: – Das zu befreiende Mutterunternehmen hat Wertpapiere emittiert, die an einem organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG zugelassen sind (§ 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB). – Die Minderheitsgesellschafter haben bei einer zu befreienden AG bzw. KGaA mit mindestens 10 % der Aktien und bei einer zu befreienden GmbH mit mindestens 20 % der Geschäftsanteile durch eigene Initiative (Antragstellung) die Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts erzwungen (§ 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB).

II. Notierung an einem organisierten Markt Ein Konzernabschluss und -lagebericht des höherrangigen Mutterunternehmens kann nicht mit befreiender Wirkung aufgestellt werden, wenn das untergeordnete Mutterunternehmen einen organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihr emittierte Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG am Abschlussstichtag in Anspruch nimmt (§§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB). Durch diese Einschränkung der Befreiungsmöglichkeit soll gewährleistet werden, dass zum Zweck der Förderung der Transparenz an Kapitalmärkten ein unteres Mutterunternehmen, das an einem organisierten Markt notiert ist, sein Finanzgebaren in Form eines Konzernabschlusses und -lageberichts für potenzielle Anleger zur Verfügung stellt.2

69

Nach § 264d HGB gilt ein Unternehmen als kapitalmarktorientiert, wenn von ihm ausgegebene Wert- 70 papiere iSv. § 2 Abs. 1 WpHG an einem organisierten Markt iSv. § 2 Abs. 11 WpHG gehandelt werden oder eine Zulassung socher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt vorliegt. Die Einschränkung der Befreiungsmöglichkeit nach §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB bezieht sich jedoch lediglich auf untergeordnete Mutterunternehmen, die bereits am organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG zugelassen sind und nicht erst am Abschlussstichtag einen Antrag auf Zulassung bei der zuständigen Börsenaufsicht gestellt haben. Folglich ist der Anwenderkreis der Vorschrift des §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB enger definiert als der des § 264d HGB.3 Wertpapiere iSd. Regelung des § 2 Abs. 1 WpHG sind insbes.: – Aktien, – andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie mit Aktien vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten, 1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 28. 2 Vgl. ausführlich Schurbohm/Streckenbach, WPg. 2002, 845 (846). 3 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, 79.

Holzmeier/Hachmeister

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71

§ 292 Rz. 72 | Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten – Schuldverschreibungen, – insbes. Genussscheine, Inhaberschuld- und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, – sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von in den beiden vorstehenden Aufzählungspunkten genannten Wertpapieren berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen bzw. anderen Erträgen, Waren, Indizes oder Messgrößen bestimmt wird. Unter Berücksichtigung der Definition in § 2 Abs. 1 WpHG können die von dem untergeordneten Mutterunternehmen emittierten Wertpapiere sowohl in festverzinslicher als auch in nicht-festverzinslicher Form ausgestaltet sein.1 72

Ein geregelter Markt ist gem. § 2 Abs. 11 WpHG als ein im Inland oder einem der anderen EU- bzw. EWR-Staaten betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System definiert, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des System und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Demnach ist es für die Einschränkung der Befreiungswirkung unerheblich, ob sich der organisierte Markt im Inland oder in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat befindet.2

73

Minderheitsgesellschafter, die an einem untergeordneten Mutterunternehmen, das selbst Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat ist, können gem. §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB unter bestimmten Voraussetzungen die Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts beantragen bzw. die Zustimmung zur Befreiung versagen. Mit dieser Regelung wird den Minderheitsgesellschaftern die Möglichkeit eröffnet, den (Teil-)Konzernabschluss und -lagebericht als zusätzliches Informationsinstrument zu nutzen, um sich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertrags des Teilkonzerns, an dem sie unmittelbar beteiligt sind, anzeigen zu lassen (vgl. zur Kritik an der Aussagefähigkeit der (Teil-)Konzernrechnungslegung Rz. 7 f.).3 Dieser sog. Minderheitenschutz ist jedoch nur für den Fall zu beachten, in dem das übergeordnete Mutterunternehmen nicht sämtliche Anteile an dem untergeordneten Mutterunternehmen hält.4

74

Die Inanspruchnahme des Minderheitenschutzes, der trotz Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen gem. § 292 Abs. 1 HGB auf Ebene des untergeordneten Mutterunternehmens zu einer Erstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts führt, ist rechtsformabhängig ausgestaltet. So muss der Antrag auf die Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts – bei einer AG und KGaA von mindestens 10 % der Gesellschafter, – bei einer GmbH von mindestens 20 % der Gesellschafter gestellt werden (§§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB). Die Befreiung von der (Teil-)Konzernrechnungslegung an rechtsformabhängige Anteilsquoten zu knüpfen, entspricht den Vorgaben in Art. 23 Abs. 5 Buchst. b der Richtlinie 2013/34/EU. Die geringere für die Antragstellung zu erfüllende Höhe der Kapitalanteile bei der AG und KGaA ist darauf zurückzuführen, dass deren Gesellschafterkreis häufig eine breitere Streuung als der der GmbH aufweist und sich damit das Zustandekommen eines entsprechenden Minderheitenanteils schwieriger gestaltet.5 Die für die Beantragung notwendige Anteilsquote kann entweder von einem Minderheitsgesellschafter oder von einer Gruppe von Minderheitsgesellschaftern erbracht werden.6

75

In §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB ist nicht eindeutig geregelt, ob sich die dort angegebenen Prozentangaben lediglich auf stimmberechtigte oder sämtliche Anteile beziehen. Unter Berücksichtigung des Wortsinns der Vorschrift, der von Anteilen im Allgemeinen ausgeht, und des Zwecks, Minderheiten – unabhängig von der Ausgestaltung ihrer Anteile – zu schützen, ist davon auszugehen, dass sich die Grenzen, die für die Antragstellung erforderlich sind, nicht auf die Stimmrechte beziehen, sondern auf

III. Minderheitenschutz

1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

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Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 20. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 291 HGB Rz. 34. ADS6, § 291 HGB Rz. 43. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 291 HGB Rz. 91 (Stand März 2016). ADS6, § 291 HGB Rz. 46. ADS6, § 291 HGB Rz. 47.

| Holzmeier/Hachmeister

F. Sanktionen

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Rz. 79 § 292

sämtliche Kapitalanteile. Dementsprechend kann unterstellt werden, dass auch nicht stimmberechtigte Minderheitsgesellschafter, zB Vorzugsaktionäre, den Minderheitenschutz in Anspruch nehmen können.1 Für die Bestimmung der Kapitalanteile enthält §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB keine 76 konkreten Hinweise. Somit ist fraglich, wie die Höhe der Kapitalanteile der Minderheitsgesellschafter zu ermitteln ist, wenn die Minderheitsgesellschafter ein indirektes Verhältnis zu dem zu befreienden Mutterunternehmen unterhalten. Um einen Gleichlauf mit den Vorgaben zur Aufstellungspflicht eines Konzernabschlusses und -lageberichts zu erzeugen, ist es als sinnvoll zu erachten, für die Zurechnung der Kapitalanteile zu den Minderheitsgesellschaftern das Ermittlungsschema in § 290 Abs. 3 HGB heranzuziehen (vgl. § 290 HGB Rz. 157–176).2 Für die konkrete Berechnung der Kapitalanteile ist aufgrund des idR zugrunde liegenden Beteiligungscharakters § 271 Abs. 1 Satz 4 HGB anzuwenden, der auf § 16 Abs. 2 und 4 AktG verweist.3 Der Anteil der Minderheitsgesellschafter bestimmt sich unter Beachtung der Vorgaben des § 16 Abs. 2 Satz 1 AktG nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrags der den Minderheitsgesellschaftern gehörenden Anteile zum Nennkapital. Eigene Anteile sowie Anteile, die einem anderen für Rechnung des untergeordneten Mutterunternehmens gehören, sind vom Nennkapital abzusetzen (§§ 16 Abs. 2 Satz 2 iVm. Abs. 4 AktG). Der Antrag auf Erstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts ist spätestens sechs Monate 77 vor Ablauf des Geschäftsjahres bei den gesetzlichen Vertretern des zu befreienden Mutterunternehmens zu stellen (§§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB). Ein bestimmtes Verfahren für die Antragstellung ist nicht vorgesehen; es ist ausreichend, wenn der Antrag dem zu befreienden Mutterunternehmen zur Kenntnis gelangt (zB durch Schreiben an den Vorstand).4 Wurde kein fristgerechter Antrag durch die Minderheitsgesellschafter gestellt, ist dies als Zustimmung zu der Befreiungswirkung zu werten.5 Die Sechs-Monatsfrist bezieht sich nicht auf den Abschlussstichtag des Gesamtkonzerns, sondern – sofern abweichend – auf den des zu befreienden Teilkonzerns, denn nur dieser Abschlussstichtag ist den Minderheitsgesellschaftern idR bekannt.6 Der gestellte Antrag entfaltet seine Gültigkeit nur für die aktuelle Periode, da Jahr für Jahr zu klären ist, ob die 10 % bei einer AG oder KGaA bzw. 20 % bei einer GmbH der Minderheitsgesellschafter auf der Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts bestehen.7 Die Anteile iHv. 10 % bei einer AG oder KGaA bzw. iHv. 20 % bei einer GmbH müssen sich spätestens 78 zum Zeitpunkt der Antragsfrist im wirtschaftlichen Eigentum des beantragenden Minderheitsgesellschafters befinden.8 Sollte der Fall eintreten, dass ein mit den entsprechenden Anteilsquoten ausgestatteter Minderheitsgesellschafter nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist seine Anteile veräußert und keinen Antrag zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses und -lageberichts gestellt hat, darf der Erwerber der Minderheitsanteile die Beantragung nicht nachholen. Dadurch wird sichergestellt, dass sich das untergeordnete Mutterunternehmen nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist auf die Zulässigkeit der Befreiungswirkung verlassen kann und keine Entscheidungen im Hinblick auf die Aufstellung des (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts treffen muss.9 Sollte demgegenüber ein Minderheitsgesellschafter mit dem relevanten Anteilsbesitz fristgerecht einen Antrag gestellt haben und nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist seine Kapitalanteile veräußern, muss es dem Erwerber nach dem Schutzzweck der Regelung des §§ 292 Abs. 2 Satz 2 iVm. 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB gestattet sein, den Antrag zurückziehen zu können. Sofern der Käufer der Minderheitsanteile von seinem Rückzugsrecht gebraucht macht, ist die Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses und -lageberichts nicht erforderlich. Dies gilt auch, wenn trotz fristgerechter Antragstellung nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist ein Absinken auf unter 10 % bei einer AG oder KGaA bzw. auf unter 20 % bei einer GmbH festgestellt werden kann.10

F. Sanktionen Werden die Voraussetzungen bzw. Anforderungen des § 292 HGB nicht beachtet, bleibt das untergeord- 79 nete Mutterunternehmen weiterhin nach § 290 Abs. 1 und 2 HGB bzw. § 11 Abs. 1 PublG zur (Teil-)Konzernrechnungslegung verpflichtet. Wird jedoch von einem untergeordneten Mutterunternehmen, das 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 291 Rz. 34. So auch Dreixler in Haufe BilKomm.7, § 291 HGB Rz. 22. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 44; Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 41. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 47. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 142. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 291 HGB Rz. 39. Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 291 HGB Rz. 96 (Stand März 2016). Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 48. Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 291 HGB Rz. 34. Vgl. ADS6, § 291 HGB Rz. 48; aA Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 291 HGB Rz. 88.

Holzmeier/Hachmeister

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§ 293 | Größenabhängige Befreiungen nicht die Voraussetzungen bzw. Anforderungen für die Befreiungswirkung des § 292 HGB erfüllt, kein (Teil-)Konzernabschluss und -lagebericht aufgestellt, greifen die an § 290 HGB geknüpften Sanktionen (vgl. Vor § 290 HGB Rz. 109–113).1

§ 292a (weggefallen)

§ 293 Größenabhängige Befreiungen (1) 1Ein Mutterunternehmen ist von der Pflicht, einen Konzernabschluß und einen Konzernlagebericht aufzustellen, befreit, wenn 1. am Abschlußstichtag seines Jahresabschlusses und am vorhergehenden Abschlußstichtag mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale zutreffen: a) Die Bilanzsummen in den Bilanzen des Mutterunternehmens und der Tochterunternehmen, die in den Konzernabschluß einzubeziehen wären, übersteigen insgesamt nicht 24.000.000 Euro. b) Die Umsatzerlöse des Mutterunternehmens und der Tochterunternehmen, die in den Konzernabschluß einzubeziehen wären, übersteigen in den zwölf Monaten vor dem Abschlußstichtag insgesamt nicht 48.000.000 Euro. c) Das Mutterunternehmen und die Tochterunternehmen, die in den Konzernabschluß einzubeziehen wären, haben in den zwölf Monaten vor dem Abschlußstichtag im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt; oder 2. am Abschlußstichtag eines von ihm aufzustellenden Konzernabschlusses und am vorhergehenden Abschlußstichtag mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale zutreffen: a) Die Bilanzsumme übersteigt nicht 20.000.000 Euro. b) Die Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlußstichtag übersteigen nicht 40.000.000 Euro. c) Das Mutterunternehmen und die in den Konzernabschluß einbezogenen Tochterunternehmen haben in den zwölf Monaten vor dem Abschlußstichtag im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt. 2Auf die Ermittlung der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer ist § 267 Abs. 5 anzuwenden. (2) Auf die Ermittlung der Bilanzsumme ist § 267 Absatz 4a entsprechend anzuwenden. (3) (weggefallen) (4) 1Außer in den Fällen des Absatzes 1 ist ein Mutterunternehmen von der Pflicht zur Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts befreit, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nur am Abschlußstichtag oder nur am vorhergehenden Abschlußstichtag erfüllt sind und das Mutterunternehmen am vorhergehenden Abschlußstichtag von der Pflicht zur Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts befreit war. 2§ 267 Abs. 4 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. (5) Die Absätze 1 und 4 sind nicht anzuwenden, wenn das Mutterunternehmen oder ein in dessen Konzernabschluss einbezogenes Tochterunternehmen am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert im Sinn des § 264d ist oder es den Vorschriften des Ersten oder Zweiten Unterabschnitts des Vierten Abschnitts unterworfen ist. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . .

__ 1 2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 101 (Stand März 2016).

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| Holzmeier/Hachmeister/Lesser

__ 3 7

A. Grundaussagen der Vorschrift B. Größenabhängige Befreiungen (Abs. 1) I. Befreiungsberechtigte und einzubeziehende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befreiungsmerkmale 1. Befreiungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bruttomethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nettomethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die größenabhängige Befreiung im Publizitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

_ __ _ _ 12 17 19 23 28

III. 1. 2. 3. C. D. E. F.

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Rz. 5 § 293

Größenmerkmale Bilanzsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzerlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahl der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . Ermittlung der Bilanzsumme (Abs. 2) Zeitliche Befreiungswirkung (Abs. 4) . Nichtanwendung (Abs. 5) . . . . . . . . . Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

__ __ __ _ 29 33 36 39 40 43 47

Literatur: Geitzhaus/Delp, Arbeitnehmerbegriff und Bilanzrichtlinien-Gesetz, BB 1987, 367; Ebeling/Baumann/Pöller, Konzernrechnungslegung mittelständischer Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Personenhandelsgesellschaften (Teil I), DStR 2001, 1131; Knorr/Buchheim/Schmidt, Konzernrechnungslegungspflicht und Konsolidierungskreis – Wechselwirkungen und Folgen für die Verpflichtung zur Anwendung der IFRS, BB 2005, 2399; Haaker, Problembereiche im BilRUG-RefE – kritische Analyse ausgewählter Aspekte des Referentenentwurfs eines Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG-RefE), StuB 2015, 11; Peun/Rimmelspacher, Änderungen in der handelsrechtlichen GuV durch das BilRUG, DB 2015, Beil. 5, 12; Richter, Anpassung der Umsatzerlösdefinition durch das BilRUG – Diskussion der Änderungen unter Berücksichtigung möglicher Folgewirkungen, DB 2015, 385; Röser/Roland/Rimmelspacher, Änderungen in der Bestimmung der Größenklassen nach §§ 267, 293 HGB durch das BilRUG, DB 2015, Beil. 5, 4; Krimpmann/Lorson/Müller, Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) als Herausforderung für das Controlling, Controller Magazin 2016, 23.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Mit den Regelungen des § 293 HGB werden Konzerne, die bestimmte Größenkriterien nicht überschrei- 1 ten, von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses befreit. Damit wird die für alle Kapitalgesellschaften geltende Konzernrechnungslegungspflicht teilweise wieder aufgehoben. Analog zu § 11 PublG und § 267 HGB werden als Größenkriterium gleichrangig die Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Zahl der Arbeitnehmer herangezogen.

II. Bedeutung und Zweck Die größenabhängige Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ist mit der Be- 2 gründung in die Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) eingeführt worden, die Wirtschaft im größtmöglichen Umfang von der Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung zu befreien. Zudem wird angeführt, dass die Rechnungslegung kleiner Konzerne nicht zwingend erforderlich sei.1 Kritisch wird hiergegen angeführt, dass für eine korrekte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns als wirtschaftliche Einheit die Aufstellung eines konsolidierten Konzernabschlusses auch für kleinere Konzernunternehmen erforderlich ist.2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Größenabhängige Befreiungen gelten für alle Unternehmen die zur Aufstellung eines Konzernabschlusses 3 nach § 290 HGB verpflichtet sind. Ausnahmen bestehen für Konzerne, deren Mutterunternehmen ein Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen ist, da diese der befreienden Wirkung des § 293 HGB nicht unterliegen. Unschädlich ist hingegen ein Tochterunternehmen in Form eines Kreditinstituts oder Versicherungsunternehmens. Die größenabhängige Befreiung findet gem. § 293 Abs. 5 HGB keine Anwendung, wenn ein kapitalmarkt- 4 orientiertes Unternehmen iSd. § 264d HGB in den Konzernabschluss einbezogen wird. Für Nicht-Kapitalgesellschaften, deren Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses sich aus dem 5 PublG ergibt, gelten die dort gegebenen wesentlich höheren Befreiungsgrenzen (§ 11 Abs. 1 PublG).3

1 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der EuropäischenGemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/3440, 43; Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 293 HGB Rz. 1. 2 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 293 Rz. 2; Ebeling/Baumann/Pöller, DStR 2001, 1131 (1132 f.). 3 Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 293 HGB Rz. 9 (Stand März 2016). Im Einzelnen s. Rz. 29.

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§ 293 Rz. 6 | Größenabhängige Befreiungen 6

Die größenabhängige Befreiung nach § 293 HGB steht neben den Befreiungsvorschriften in §§ 291, 292 HGB. Wenn ein Mutterunternehmen bereits nach § 291 oder § 292 HGB von der Aufstellung eines eigenen Konzernabschlusses befreit ist, braucht die Befreiung nach § 293 HGB nicht mehr geprüft zu werden.

IV. Rechtsentwicklung 7

In Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts nach Art. 6 der Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) wurde zur Reduzierung bürokratischer Auflagen die Möglichkeit einer größenabhängigen Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht in deutsches Recht durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985 eingeführt.1 Für Banken und Versicherungen konnten zudem gesonderte Größenkriterien angewendet werden, die durch die Umsetzung der Bankbilanz- und Versicherungsbilanzrichtlinie im Rahmen des Bankbilanzrichtliniengesetzes am 30.11.1990 abgeschafft wurden. Für die Konzernrechnungslegung von Kreditinstituten sind seit dem 31.12.1992 die §§ 340i, 340j HGB anzuwenden, die eine größenabhängige Befreiung nicht vorsehen. Für Versicherungsunternehmen ist dies mit Wirkung für Geschäftsjahre ab 31.12.1994 mit dem Versicherungsbilanzrichtlinien-Gesetz in §§ 341i, 341j HGB umgesetzt worden.2

8

Die Höhe der Größenmerkmale ist nach Art. 53 Abs. 2 der Richtlinie 78/660/EWG unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und monetären Entwicklung der Mitgliedstaaten anzupassen, dies erfolgte erstmals durch die EG-Richtlinie v. 27.11.1984. Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 83/349/EWG hat den Mitgliedstaaten zudem eine weitergehende Toleranzspanne gegeben, die Größenmerkmale Bilanzsumme und Umsatzerlöse um das Zweieinhalbfache und die Arbeitnehmerzahl um das Zweifache zu erhöhen. Diese Toleranzspanne wurden vom deutschen Gesetzgeber ausgeschöpft. Die Größenmerkmale wurden anschließend im Rahmen der Mittelstandsrichtlinie v. 8.11.1990 durch Erhöhung der ECU-Werte angepasst, die im Rahmen des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen v. 25.7.1994 in deutsches Recht umgesetzt worden sind.3

9

Durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 24.3.1998 wurde § 293 Abs. 4 HGB dahin gehend geändert, dass die Nichtanwendung des § 293 Abs. 1 und Abs. 4 HGB nunmehr nach § 293 Abs. 5 HGB davon abhängig ist, ob das Mutterunternehmen oder ein in den Konzernabschluss einbezogenes Tochterunternehmen am Abschlussstichtag Wertpapiere an einem organisierten Markt iSd. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 iVm. 2 Abs. 11 WpHG ausgegeben hat.4

10

Durch das Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) v. 24.2.2000 wurden die Größengrenzen des § 293 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB nahezu halbiert. Grundlage war Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 83/349/EWG, wonach mit einer Frist von 10 Jahren, die am 1.1.1989 begonnen hat, den Mitgliedstaaten eine Erhöhung der Größenmerkmale gestattet worden ist. Trotz der Bemühungen der Bundesregierung konnte keine Verlängerung der Übergangsregelung erreicht werden, so dass die Absenkung der Größenmerkmale in Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) notwendig geworden ist.5

11

Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009 erfolge eine Anhebung der Schwellenwerte.6 Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) wurden die Vorschriften zur größenabhängigen Befreiung zur Pflicht, einen Konzernabschluss aufzustellen, letztmalig geändert. Neben einer erneuten Anhebung der Schwellenwerte ist nach § 293 Abs. 2 HGB ein Verweis zur allgemeinen Bilanzsummendefinition nach § 267 Abs. 4a HGB eingeführt worden. Die geänderten Vorschriften sind erstmalig für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 75 Abs. 2 Satz 2 EGHGB).7

1 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/3440, 43 f. 2 Siehe hierzu auch Siebourg in HdKR2, § 293 HGB Rz. 1. 3 Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 3 f. 4 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 293 HGB Rz. 8. 5 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 293 HGB Rz. 10. 6 Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 293 HGB Rz. 4. 7 Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (6); Krimpmann/Lorson/Müller, Controller Magazin 2016, 23 (24).

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B. Größenabhängige Befreiungen (Abs. 1)

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Rz. 18 § 293

B. Größenabhängige Befreiungen (Abs. 1) I. Befreiungsberechtigte und einzubeziehende Unternehmen Von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts ist nach § 293 12 Abs. 1 Satz 1 HGB ein Mutterunternehmen befreit, wenn es die in § 293 Abs. 1 HGB vorgegebenen Größenkriterien im Bereich der Bilanzsumme, der Umsatzerlöse und der Arbeitnehmerzahl zum Abschlussstichtag eines Jahresabschlusses nicht überschreitet. Die Befreiungsvoraussetzungen sind nach § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB in zwei alternativen Gruppen von Grö- 13 ßenklassen als Schwellenmerkmale vorgegeben: Die Beträge vor Konsolidierung (Bruttomethode) und die Beträge nach Konsolidierung (Nettomethode).1 Zur Messung der einzelnen Merkmale sind die Einzelabschlüsse des Mutterunternehmens und der Tochterunternehmen zusammenzufassen. Wenn zur Beurteilung die Aufstellung eines Probekonzernabschlusses notwendig ist, sind alle bei pflichtgemäßer Erstellung eines Konzernabschlusses ansatzpflichtigen Posten zu berücksichtigen, dh. auch Anteile an Gemeinschaftsunternehmen und an assoziierten Unternehmen. Darüber hinaus gelten die Ansatz- und Konsolidierungswahlrechte nach §§ 296, 310 HGB.2 Zum Konzernabschlussstichtag muss die Berechnung einheitlich für den gesamten Konsolidierungskreis durchgeführt werden. Das Mutterunternehmen darf die Berechnungsmethode in jedem Jahr neu wählen, da es sich nicht um eine Konsolidierungsmethode handelt, bei der das Stetigkeitsprinzip einzuhalten ist.3

14

Für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sind die gesonderten Vorschriften nach §§ 340i, 15 341i HGB zu berücksichtigen, die keine größenabhängige Befreiung vorsehen. Dementsprechend ist die Branchenzugehörigkeit des Mutterunternehmens für die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses entscheidend.4 Bei heterogenen Konzernen, bei denen neben Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen noch weitere Branchenzugehörigkeiten gegeben sind, müssen zwei Fälle unterschieden werden. Zum einen kann das Mutterunternehmen ein Kreditinstitut bzw. Versicherungsunternehmen sein und besitzt ein oder mehrere Tochterunternehmen mit einer abweichenden Branchenzugehörigkeit. Zum anderen ist es möglich, dass das Mutterunternehmen ein Industrieunternehmen ist und ein oder mehrere Tochterunternehmen als Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen einzustufen sind. Bei ersterem Fall besteht gem. §§ 340i, 341i HGB eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses, so 16 dass eine größenabhängige Befreiung nicht bestehen kann. Für letztere Situation gilt, dass grundsätzlich eine Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses bei Unterschreitung der Größenmerkmale gegeben sein kann. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nach § 340i Abs. 3 HGB auch Unternehmen als Kreditinstitute gelten, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an Tochterunternehmen zu erwerben sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen, sofern diese Tochterunternehmen ausschließlich oder überwiegend Kreditinstitute sind. Gleiches gilt nach § 341i Abs. 2 HGB für Unternehmen, deren Zweck der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Tochterunternehmen ist, sofern die Tochterunternehmen ausschließlich oder überwiegend Versicherungsunternehmen sind.5

II. Befreiungsmerkmale 1. Befreiungsverfahren Die Befreiungswirkung besteht nicht, wenn die Größengrenzen an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen überschritten werden. Für das Mutterunternehmen besteht bei Überschreitung der Größengrenzen ab dem zweiten Geschäftsjahr die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses.

17

Werden ausländische Tochterunternehmen mit einem Fremdwährungsabschluss einbezogen, sind dessen Größenmerkmale entsprechend in Euro umzurechnen. Bezüglich der Kursumrechnung ist unter Anwendung von § 308a HGB die Stichtagskursmethode anzuwenden. Für die Umrechnung der Bilanzsumme ist

18

1 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 293 HGB Rz. 2; ADS6, § 293 HGB Rz. 7. 2 Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 293 HGB Rz. 14. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 293 HGB Rz. 2; Siebourg in HdKR2, § 293 HGB Rz. 8; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 161. 4 Vgl. Siebourg in HdKR2, § 293 HGB Rz. 32. 5 Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 35 f.

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§ 293 Rz. 19 | Größenabhängige Befreiungen folglich der Devisenkassamittelkurs am Konzernabschlussstichtag, für die Umsatzerlöse der Durchschnittskurs des Konzerngeschäftsjahres und für das Eigenkapital der historische Kurs heranzuziehen.1 2. Bruttomethode 19

Bei der Bruttomethode werden die Bilanzsummen bzw. Umsatzerlöse des Mutterunternehmens und der einzubeziehenden Tochterunternehmen ohne Konsolidierungsmaßnahmen addiert. Konzerneinheitliche Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften müssen hierbei einerseits nicht unmittelbar umgesetzt werden, wenn die Jahresabschlüsse dem für sie geltenden Recht entsprechen. Andererseits kann es sinnvoll sein, zB einen Jahresabschluss, der auf Wiederbeschaffungskosten basiert, in der Handelsbilanz II anzupassen, um die sich hieraus ergebende niedrigere Bilanzsumme der Berechnung zugrunde zu legen.2

20

Die Größengrenzen bei Anwendung der Bruttomethode ergeben sich bezüglich der Bilanzsumme und Umsatzerlöse als den mit Faktor 1,2 multiplizierten Schwellenwerten der Nettomethode.3 Nach § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB sind die Kriterien unter Anwendung der Bruttomethode wie folgt definiert: Größenmerkmale

Größengrenze § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB

Bilanzsumme

24.000.000 €

Umsatzerlöse

48.000.000 €

Zahl der Arbeitnehmer

250

21

IdR wird zur Ermittlung der Größenmerkmale mittels Bruttomethode die Handelsbilanz I als Grundlage angewendet.4 Bei Anwendung der Bruttomethode ist auch die Einbeziehung von IFRS-Einzelabschlüssen zulässig, da der Sinn der Bruttomethode darin liegt, auch bei der Existenz von ausländischen Tochterunternehmen ohne größeren Aufwand die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses zu bestimmen.5

22

Stichtag für die Berechnung der Größenmerkmale ist bei Anwendung der Bruttomethode der Abschlussstichtag des Mutterunternehmens.6 Dabei müssen Zwischenabschlüsse nicht erstellt werden. Werden freiwillig Zwischenabschlüsse erstellt, so dürfen zur Aufstellung aus Vereinfachungsgründen entweder die konzerneinheitlichen oder die landesrechtlichen Vorschriften angewendet werden.7 3. Nettomethode

23

Die Anwendung der Nettomethode setzt die Erstellung eines Probekonzernabschlusses voraus. Hierbei sind die gesetzlichen Vorschriften zur Aufstellung eines Konzernabschlusses zu berücksichtigen und die konsolidierte Bilanzsumme und Umsatzerlöse einzubeziehen.8 Im Regelfall ist bei der Anwendung der Nettomethode die Heranziehung der Größenmerkmale Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl am wenigsten aufwendig, so dass die Konzernbilanzsumme nur ermittelt werden muss, wenn nicht bereits durch die erstgenannten Merkmale eine Befreiungswirkung erzielt wird.9

24

Die Größengrenzen nach § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB werden im Rahmen der Nettomethode wie folgt beschrieben: Größenmerkmale

Größengrenze § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB

Bilanzsumme

20.000.000 €

Umsatzerlöse

40.000.000 €

Zahl der Arbeitnehmer

250

1 Vgl. Hofmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 293 HGB Rz. 10; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 293 HGB Rz. 14. 2 Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 8. 3 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 293 HGB Rz. 10. 4 Vgl. Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 293 HGB Rz. 12. 5 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 159. 6 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 162. 7 Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 14; Siebourg in HdKR2, § 293 HGB Rz. 10. 8 Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 9. 9 Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 24.

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B. Größenabhängige Befreiungen (Abs. 1)

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Rz. 33 § 293

Bei der Ermittlung der konsolidierten Bilanzsumme sind konzerninterne Forderungen gegen entsprechende Schulden, konzerninterne Umsätze gegen entsprechende Aufwendungen, sowie Beteiligungsbuchwerte gegen das Eigenkapital der Tochterunternehmen zu konsolidieren.1

25

Die Größenmerkmale beziehen sich auf den potentiellen Konsolidierungskreis. An jedem Stichtag ist da- 26 her zunächst zu beurteilen, welche Tochterunternehmen bei einer Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses einzubeziehen wären. Hierbei ist eine fiktive Ausübung der Einbeziehungswahlrechte nach § 296 HGB anzunehmen. Unter Berücksichtigung des Stetigkeitsgrundsatzes ist bei einer Aufstellung eines Konzernabschlusses im Vorjahr eine Bindung an die Ausübung des Wahlrechts zu beachten.2 Bei Anwendung der Nettomethode ist der Konzernabschlussstichtag anzuwenden (§ 293 Abs. 1 Nr. 2 27 HGB).3 4. Die größenabhängige Befreiung im Publizitätsgesetz Nach dem Publizitätsgesetz gelten für Rechtsformen nach § 3 PublG deutlich höhere Schwellenwerte, die 28 von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung befreien. Nach § 11 Abs. 1 PublG ist ein Unternehmen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, wenn zwei der folgenden drei Merkmale an drei aufeinander folgenden Stichtagen überschritten werden. Dabei ist nur die Nettomethode anzuwenden:4 Größenmerkmale

Größengrenze § 11 Abs. 1 PublG

Bilanzsumme

65.000.000 €

Umsatzerlöse

130.000.000 €

Zahl der Arbeitnehmer

5.000

III. Größenmerkmale 1. Bilanzsumme Die Bilanzsumme ergibt sich nach der Bruttomethode als Bilanzsummen der Einzelabschlüsse des Mutterunternehmens und der Tochterunternehmen. Wird die Nettomethode angewendet, ist ein Probekonzernabschluss zu erstellen. Die Ansatz- und Bewertungswahlrechte nach §§ 300, 308 HGB sowie die Konsolidierungswahlrechte nach § 296 HGB können angewendet werden.5

29

Der gem. § 268 Abs. 3 HGB auf den persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft & Co. 30 entfallende Verlustanteil ist bei der Ermittlung der Bilanzsumme kürzend zu berücksichtigen.6 Im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 Satz 1 PublG dürfen Rückstellungen und Verbindlichkeiten für Verbrauchsteuern und Monopolabgaben nicht herausgerechnet werden.7

31

Wird das Geschäftsjahr geändert, sind für die Beurteilung der Bestandsgröße Bilanzsumme die Verhältnisse des Abschlussstichtags zu beachten. Ein neu erworbenes Tochterunternehmen ist daher bei der Bilanzsumme des betreffenden Geschäftsjahres zu berücksichtigen. Wurde ein Unternehmen während des Geschäftsjahres veräußert, wird dieses bei der Beurteilung der Bilanzsumme nicht einbezogen.8

32

2. Umsatzerlöse Wird die Bruttomethode zur Ermittlung der Umsatzerlöse angewendet, sind alle Umsatzerlöse des Mutter- 33 unternehmens sowie aller einzubeziehenden Unternehmen zu addieren. Maßgeblich sind hier die Umsätze der 12 Monate vor dem jeweiligen Stichtag des Jahresabschlusses. Neu erworbene Tochterunternehmen sind erst mit Beginn der Konzernzugehörigkeit in die Summe der Umsatzerlöse einzubeziehen.9 Bei Ver-

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 293 HGB Rz. 5. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 17. Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 162. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 13; IDW, WP Handbuch15, G Rz. 157; Grottel/Kreher in Beck BilKomm.10, § 293 HGB Rz. 40 f. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 23. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 293 HGB Rz. 12. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 25; Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 293 Rz. 13. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung8, § 293 HGB Rz. 9. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 26.

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§ 293 Rz. 34 | Größenabhängige Befreiungen äußerung eines Tochterunternehmens sind dessen Umsätze nicht zeitanteilig bis zur Entkonsolidierung zu berücksichtigen, da diese auch nicht in einem Konzernabschluss einzubeziehen wären.1 34

Wird die Nettomethode angewendet, muss eine Probe-Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt werden. Die Umsatzerlöse ergeben sich hierbei aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft der letzten zwölf Monate. Die Abgrenzung zu sonstigen betrieblichen Erträgen muss dabei aus Konzernsicht erfolgen. In den Umsatzerlösen enthaltene Verbrauchsteuern und Monopolabgaben dürfen nicht angesetzt werden.2

35

Bei der Ermittlung der Umsatzerlöse ist die Umsatzerlösdefinition nach §§ 298 Abs. 1 iVm. 277 Abs. 1 HGB zu beachten.3 Die Umsatzerlösdefinition wurde im Rahmen des BilRUG geändert. Demnach sind Umsatzerlöse nicht mehr auf das im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit entfallene typische Leistungsangebot beschränkt.4 Bei der erstmaligen Anwendung dieser Umsatzerlösdefinition ist im Anhang auf die fehlende Vergleichbarkeit der Umsatzerlöse hinzuweisen. Darüber hinaus ist der Betrag auszuweisen, der sich im Vorjahr bei Anwendung des § 277 Abs. 1 HGB nF ergeben hätte.5 3. Zahl der Arbeitnehmer

36

Für die Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmer wird auf den Durchschnitt der letzten 12 Monate vor dem Abschlussstichtag abgestellt. Gem. § 267 Abs. 5 HGB ergibt sich dieser Durchschnitt aus dem Viertel der Summe der jeweils zum Quartalsende gegebenen Arbeitnehmer, also am 31.3., 30.6., 30.9., 31.12. Dabei werden auch die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer einbezogen.6

37

Arbeitnehmer werden nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts definiert. Demnach ist ein Arbeitnehmer jede natürliche Person, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags einem anderen zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.7

38

Liegt aufgrund der Umstellung des Konzernabschlussstichtags ein Rumpfgeschäftsjahr vor, ist die Anzahl der Arbeitnehmer trotzdem für den Zeitraum der letzten 12 Monate zu bestimmen.8 Bei Veräußerung eines Tochterunternehmens während des Geschäftsjahres sind dessen Arbeitnehmer nicht einzubeziehen.9

C. Ermittlung der Bilanzsumme (Abs. 2) 39

Nach § 293 Abs. 2 HGB ist die Bilanzsumme nach den Regeln für den Jahresabschluss iSd. § 267 Abs. 4a HGB zu ermitteln. Demnach setzt sich die Bilanzsumme aus den Aktivposten zusammen, also der Summe des Anlage- und Umlaufvermögens, aktiver Rechnungsabgrenzungsposten sowie den aktiven latenten Steuern. Hierbei sind Konzernspezifika zu beachten. Ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Konzernfehlbetrag nach § 268 Abs. 3 HGB darf bei der Ermittlung der Bilanzsumme nicht einbezogen werden.10 Mit dem im Rahmen des BilRUG eingeführten direkten Verweis auf § 267 Abs. 4a HGB wurde eine gesetzliche Konkretisierung vorgenommen, die bis dahin in der Auslegung bereits angewendet worden ist.

D. Zeitliche Befreiungswirkung (Abs. 4) 40

Neben einer Befreiung nach § 293 Abs. 1 HGB besteht eine zeitliche Befreiungsmöglichkeit nach § 293 Abs. 4 HGB, wodurch ein einmaliges Überschreiten der Schwellenwerte nicht direkt zu einer Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses führt und damit ein dauernder Wechsel zwischen Konzernrechnungslegungspflicht und Befreiung vermieden werden soll. Ein Konzernunternehmen ist nach dieser Härteklausel von der Aufstellung eines Konzernabschlusses befreit, wenn mindestens zwei Größenkriterien an zwei aufeinander folgenden Stichtagen unterschritten werden.11 Umgekehrt gilt aber auch, dass ein einmaliges Unterschreiten der Schwellenwerte nicht zu einer Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses führt.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 20. Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 293 HGB Rz. 40 (Stand März 2016). Siehe hierzu auch Peun/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 12. Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). Vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 293 HGB Rz. 13; Richter, DB 2015, 385 (389); Haaker, StuB 2015, 11 (14 f.). Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 29. Vgl. Geitzhaus/Delp, BB 1987, 367 (368). Vgl. Claussen/Scherrer in Kölner Komm. RLR, § 293 HGB Rz. 34. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 20. Vgl. Röser/Roland/Rimmelspacher, DB 2015, Beil. 5, 4 (5). Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 37. Vgl. Siebourg in HdKR2, § 293 HGB Rz. 37.

1122

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E. Nichtanwendung (Abs. 5)

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Rz. 45 § 293

Abbildung 1: Prüfung der Befreiungsvoraussetzung nach § 293 Abs. 4 HGB.1 ja

Wurden die Größenvoraussetzungen am vorhergehenden Abschlussstichtag erfüllt?

Liegt eine Befreiung nach § 293 Abs. 1 HGB vor?

nein

ja

nein

Wurden die Größenvoraussetzungen am vorhergehenden Abschlussstichtag erfüllt?

ja

nein

War das Mutterunternehmen am vorhergehenden Abschlussstichtag von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses befreit?

nein

ja Befreiung nach § 293 Abs. 1 HGB

Befreiung nach § 293 Abs. 4 HGB

Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses

Wird im Berichtsjahr erstmalig ein Konzern gebildet, kann eine größenabhängige Befreiung nach § 293 41 Abs. 1 HGB mangels Vorjahreswerte nicht abgeleitet werden. In diesem Fall ist nach §§ 293 Abs. 4 Satz 2 iVm. 267 Abs. 4 Satz 2 HGB bei Unterschreiten von zwei Schwellenwerten im Jahr der erstmaligen Konsolidierung trotzdem eine Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses gegeben.2 Bei Umwandlung oder Neugründung tritt sofort eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses 42 ein, wenn die Größenkriterien überschritten werden. Eine größenabhängige Befreiung ist nach §§ 293 Abs. 4 Satz 2 iVm. 267 Abs. 4 Satz 2 HGB nicht zulässig. Unter Neugründung ist auch die erstmalige Begründung eines Konzerns iSv. § 290 HGB zu verstehen.3

E. Nichtanwendung (Abs. 5) Die größenabhängige Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ist gem. § 293 43 Abs. 5 HGB ausgeschlossen, wenn das Mutterunternehmen oder ein in den Konzernabschluss einbezogenes Unternehmen am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert iSd. § 264d HGB ist.4 Eine Kapitalgesellschaft ist iSd. § 264d HGB kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt iSd. § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere nach § 2 Abs. 11 Satz 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat.5 Der Normzweck des § 293 Abs. 5 HGB ist zum Schutz der Kapitalmarktteilnehmer zu sehen, für die der Konzernabschluss ein wichtiges Informationsinstrument darstellt.6

44

Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG sind Aktien, Aktienzertifikate, Schuldverschreibungen, Genuss- und Opti- 45 onsscheine und andere vergleichbare Wertpapiere, die an einem organisierten Markt gehandelt werden können. Mutterunternehmen, deren Wertpapiere hingegen auf einem nicht organisierten Markt (Freiverkehr, Over the Counter) gehandelt werden, können die größenabhängige Befreiung hingegen beanspruchen.7 Eigene Abbildung in Anlehnung an Siebourg in HdKR2, § 293 HGB Rz. 39. Vgl. ADS6, § 293 HGB Rz. 37; Siebourg in HdKR2, § 293 Rz. 37; Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 293 HGB Rz. 16. Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 293 Rz. 19; s. auch IDW, WP Handbuch15, G Rz. 177. Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 293 HGB Rz. 61 (Stand März 2016); Knorr/Buchheim/Schmidt, BB 2005, 2399 (2401). 5 Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 293 HGB Rz. 33. 6 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 293 Rz. 21. 7 Vgl. Busse von Colbe in MünchKomm. HGB3, § 293 Rz. 24.

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Lesser/Hachmeister

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§ 293 Rz. 46 | Größenabhängige Befreiungen 46

Wenn Aktien eines nichtkonsolidierten Tochterunternehmens, beispielsweise aufgrund von Konsolidierungswahlrechten des § 296 HGB, zum amtlichen Handel zugelassen sind, schließt dies eine größenabhängige Befreiung nicht aus.1

F. Sanktionen 47

Werden die größenabhängigen Kriterien des § 293 HGB nicht erfüllt, bleibt das Mutterunternehmen weiterhin nach § 290 Abs. 1 und 2 HGB zur Konzernrechnungslegung verpflichtet. Wird jedoch von einem Mutterunternehmen, das nicht die größenabhängigen Kriterien für die Befreiungswirkung des § 293 HGB erfüllt, kein Konzernabschluss und -lagebericht aufgestellt, greifen die an § 290 HGB geknüpften Sanktionen (vgl. Vor § 290 HGB Rz. 109–113).2

Zweiter Titel Konsolidierungskreis § 294 Einzubeziehende Unternehmen. Vorlage und Auskunftspflichten (1) In den Konzernabschluß sind das Mutterunternehmen und alle Tochterunternehmen ohne Rücksicht auf den Sitz und die Rechtsform der Tochterunternehmen einzubeziehen, sofern die Einbeziehung nicht nach § 296 unterbleibt. (2) Hat sich die Zusammensetzung der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen im Laufe des Geschäftsjahrs wesentlich geändert, so sind in den Konzernabschluß Angaben aufzunehmen, die es ermöglichen, die aufeinanderfolgenden Konzernabschlüsse sinnvoll zu vergleichen. (3) 1Die Tochterunternehmen haben dem Mutterunternehmen ihre Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte und, wenn eine Abschlussprüfung stattgefunden hat, die Prüfungsberichte sowie, wenn ein Zwischenabschluß aufzustellen ist, einen auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellten Abschluß unverzüglich einzureichen. 2Das Mutterunternehmen kann von jedem Tochterunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts erfordert. A. I. II. III. IV. B. I. II. C. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzubeziehende Unternehmen (Abs. 1) Einbeziehungsgebot von Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weltabschlussprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben bei wesentlicher Änderung des Konsolidierungskreises (Abs. 2) Änderungen des Konsolidierungskreises . . Wesentlichkeit der Änderung . . . . . . . . . . Angabepflichten bei wesentlicher Änderung

. . . . . . . . .

__ __ __ __ _ 1 2 5 7

10 15 17 19 21

D. Vorlagepflichten und Auskunftsrechte (Abs. 3) I. Vorlagepflichten des Tochterunternehmens (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorlagepflichtige Tochterunternehmen . . . 2. Umfang und Form der Vorlagepflichten . . 3. Vorlagefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausscheiden eines Tochterunternehmens . . II. Auskunftsrechte des Mutterunternehmens (Abs. 3 Satz 2) 1. Geltungsbereich des Auskunftsrechts . . . . . 2. Umfang des Auskunftsrechts . . . . . . . . . . 3. Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

__ __ __ __ 26 28 36 37 39 40 42 43

Literatur: Weimar, Regelungsbefugnis des Bilanzrichtlinien-Gesetzgebers für Auslandssachverhalte, DB 1987, 521; Haeger/Zündorf, Abgrenzung des Konsolidierungskreises nach der wirtschaftlichen Zugehörigkeit, DB 1991, 1841; Dusemond, Die Abgrenzung des Konsolidierungskreises im engeren und weiteren Sinne, DB 1994, 1733; Krawitz, 1 Vgl. IDW, WP Handbuch15, G Rz. 180. 2 Vgl. Kirsch/Berentzen in BKT, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 101 (Stand März 2016).

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| Lesser/Hachmeister/Fiederling

A. Grundaussagen der Vorschrift

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Rz. 3 § 294

Die Abgrenzung des Konsolidierungskreises – Gesetzliche Regelungen, empirische Befunde und theoretische Schlußfolgerungen, WPg. 1996, 342; Watrin/Lammert, Konzernrechnungslegungspflicht deutscher Unternehmen bei obligatorischer Anwendung der IFRS – Zulässigkeit der faktischen Befreiung aufgrund von § 296 HGB, WPg. 2007, 871; Löffler/Müller, Vorjahreszahlen im handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschluss – Ein Überblick zu IDW RS HFA 39 und IDW RS HFA 44, WPg. 2013, 291; Oser/Orth/Wirtz, Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) – Wesentliche Änderungen und Hinweise zur praktischen Umsetzung, DB 2015, 1729.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die §§ 294 und 296 HGB regeln die Abgrenzung der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unter- 1 nehmen. Dabei beschreibt § 294 HGB das grundsätzliche Konsolidierungsgebot sowie die Auskunfts- und Vorlagepflichten von Mutter- und Tochterunternehmen. § 296 HGB beinhaltet die Einbeziehungswahlrechte. Der Gesetzgeber hat die Regelungen in § 294 HGB in drei Bereiche gegliedert: § 294 Abs. 1 HGB regelt die Einbeziehung der Tochterunternehmen in den Konzernabschluss. Voraussetzung ist dafür das Bestehen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses. § 294 HGB bezieht sich auf alle im Zuge einer Vollkonsolidierung einzubeziehenden Unternehmen und befasst sich somit mit der Abgrenzung des Vollkonsolidierungskreises. Die Einbeziehung erfolgt nach dem Weltabschlussprinzip,1 dh. ungeachtet des Sitzes des Tochterunternehmens. Die Rechtsform des Tochterunternehmens hat keinen Einfluss auf die Einbeziehung. § 294 Abs. 2 HGB regelt die zusätzlichen Angaben, die bei einer wesentlichen Änderung in der Zusammensetzung des Konsolidierungskreises erforderlich sind. Mit dem Konsolidierungsgebot gehen Auskunftsrechte des Mutterunternehmens, aber auch Vorlagepflichten des Tochterunternehmens einher. Diese Vorlage- und Auskunftspflichten sind in § 294 Abs. 3 HGB geregelt.

II. Bedeutung und Zweck Zur Klärung der Frage, wie die Konzernunternehmen in den Konzernabschluss einzubeziehen sind, findet 2 die Stufenkonzeption Anwendung.2 Mögliche Unternehmensarten im Konzern sind dabei Tochterunternehmen, Gemeinschaftsunternehmen, assoziierte Unternehmen und einfache Beteiligungsunternehmen. Diese Differenzierung impliziert eine umfassende Betrachtung der Einflussmöglichkeiten, des Anteils am Kapital sowie der Zielsetzung des Mutterunternehmens.3 Dabei kann das Mutterunternehmen als Mittelpunkt eines konzentrischen Kreissystems gesehen werden, bei dem der Grad der Einflussnahme des Mutterunternehmens abnimmt, je weiter das beteiligte Unternehmen vom Mutterunternehmen entfernt (unabhängiger) ist. Der innerste Kreis beinhaltet vollkonsolidierte Tochterunternehmen, bei denen das Mutterunternehmen über direkte oder indirekte Beherrschungsmöglichkeiten verfügt. Den zweiten Kreis stellen Gemeinschaftsunternehmen dar, die gemeinsam mit einem anderen Unternehmen geführt werden (vgl. § 310 HGB Rz. 18–21). Der Grad der Einflussnahme des Mutterunternehmens ist hierbei geringer. Gemeinschaftsunternehmen können im Rahmen der Quotenkonsolidierung oder nach der Equity-Methode in den Konzernabschluss einbezogen werden. Der dritte Kreis beinhaltet assoziierte Unternehmen (vgl. § 311 HGB Rz. 10 ff.), die über die Equity-Methode konsolidiert werden. Assoziierte Unternehmen kennzeichnen sich durch die Ausübung eines maßgeblichen Einflusses durch ein in den Konzernabschluss einbezogenes Unternehmen. Den äußersten Kreis bilden einfache Beteiligungen (vgl. § 271 HGB Rz. 10 ff.), bei denen das Mutterunternehmen nicht über einen maßgeblichen Einfluss verfügt. Diese werden zu Anschaffungskosten als Beteiligung im Konzernabschluss abgebildet.4 § 294 HGB bezieht sich lediglich auf die im Rahmen der Vollkonsolidierung einzubeziehenden Tochter- 3 unternehmen, so dass dieser innerste Kreis als Konsolidierungskreis ieS5 betrachtet werden kann. Das Vorliegen einer Mutter-Tochter-Beziehung ist zwingende Voraussetzung für die Anwendung. Die Regelung des § 294 HGB wird durch § 296 HGB eingeschränkt, so dass das Tochterunternehmen unter Erfüllung der Voraussetzungen und Ausübung des Wahlrechts nach § 296 HGB vom Konsolidierungsgebot nach § 294 HGB befreit werden können.6

Vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 294 HGB Rz. 8. Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 110. Vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 294 HGB Rz. 13. Vgl. BKT, Konzernbilanzen11, 110–112. Ähnlich Krawitz, WPg. 1996, 342 (343–346). Zur Definition des Konsolidierungskreises ieS und des Konsolidierungskreises iwS s. zB Dusemond, DB 1994, 1733 (1734 f.) oder Haeger/Zündorf, DB 1991, 1841 (1841). 6 Vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 294 HGB Rz. 6.

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Fiederling/Hachmeister

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§ 294 Rz. 4 | Einzubeziehende Unternehmen. Vorlage und Auskunftspflichten 4

Neben der Abgrenzung des Konsolidierungskreises können §§ 294, 296 HGB auch zu einer (faktischen) Befreiung der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses führen. Nach § 290 Abs. 5 HGB ist ein Mutterunternehmen von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses befreit, wenn es lediglich über Tochterunternehmen verfügt, die vom Wahlrecht des § 296 HGB Gebrauch machen (vgl. § 290 HGB Rz. 180 f.).1

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 5

§ 294 HGB und § 296 HGB gelten für alle Unternehmen, die zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind. Damit sind die Regelungen zum Konsolidierungskreis indirekt mit den Regelungen über die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach § 290 HGB verbunden.2 § 294 HGB regelt iVm. §§ 290, 296 HGB die Abgrenzung des Konsolidierungskreises. Dabei bezieht sich § 294 HGB auf die Einbeziehungspflicht sämtlicher Tochterunternehmen, § 290 HGB definiert Tochterunternehmen und § 296 HGB beschreibt die Wahlrechte, die zur Befreiung eines Tochterunternehmens von der Einbeziehungspflicht führen können.3

6

Die §§ 294, 296 HGB sind grundsätzlich von allen Unternehmen, die in Form einer Kapitalgesellschaft operieren, anzuwenden. Darüber hinaus erlangen die Regelungen für Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB Geltung.4 Für Unternehmen, die nach § 13 Abs. 2 PublG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, gelten die Regelungen der §§ 294, 296 HGB entsprechend.5 Unternehmen, die nach § 315e HGB nach internationalen Rechnungslegungsstandards bilanzieren, unterliegen den Vorlage- und Auskunftspflichten nach § 294 Abs. 3 HGB.6

IV. Rechtsentwicklung 7

Mit § 294 Abs. 1 HGB wurde Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie) in nationales Recht umgesetzt (BiRiLiG v. 19.12.1985) und damit das Weltabschlussprinzip eingeführt.7 Im Fall wesentlicher Änderungen der Zusammensetzung des Konsolidierungskreises wurde Art. 28 der Richtlinie 83/349/EWG mit § 294 Abs. 2 HGB in nationales Recht umgesetzt. § 294 Abs. 3 HGB spiegelte die Übernahme des § 335 AktG von 1965 wider. § 294 Abs. 3 HGB beruht demnach nicht auf einer Umsetzung der Richtlinie 83/349/EWG.8

8

Eine Änderung der Regelungen in § 294 HGB trat mit dem BilMoG v. 25.5.2009 in Kraft. Dabei wurde § 294 Abs. 2 Satz 2 HGB aF gestrichen. Die Streichung hatte eine Modifikation der Angaben bei wesentlicher Änderung des Konsolidierungskreises zur Folge. Im Fall einer wesentlichen Änderung der Zusammensetzung des Konsolidierungskreises im Konzernabschluss hat im Anhang eine Angabe zu erfolgen, durch die es dem Bilanzleser möglich ist, die Auswirkungen der Konsolidierungskreisänderung einzuschätzen. Vor der Änderung durch das BilMoG war dies durch entsprechende Angaben im Anhang oder durch eine Anpassung der Vorjahreszahlen an die Konsolidierungskreisänderung möglich. Letzteres wurde im Zuge der BilMoG-Überarbeitung gestrichen.9

9

Im Zuge des BilRUG v. 17.7.2015, das die EU-Bilanzrichtlinie 2013/34/EU in nationales Recht transformiert, ist § 294 HGB erneut überarbeitet und angepasst worden. Dabei ist § 294 Abs. 1 HGB um den Zusatz „und die Rechtsform“ erweitert worden. Nach der neuen Fassung des § 294 HGB sind in den Konzernabschluss alle Tochterunternehmen, unabhängig von deren Sitz sowie deren Rechtsform einzubeziehen, sofern nicht vom Wahlrecht nach § 296 HGB Gebrauch gemacht wird. Die Regelung stellt einen verdeutlichenden Hinweis zum Vollkonsolidierungskreis dar. Durch die explizite Nennung präzisiert der 1 Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 294 HGB Rz. 3; Für eine ausführliche Diskussion s. Watrin/Lammert, WPg. 2007, 871 ff. 2 Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 294 HGB Rz. 2. 3 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung8, § 294 HGB Rz. 2. 4 Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 294 HGB Rz. 2. 5 Vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 294 HGB Rz. 4. 6 Vgl. Winkeljohann/Deubert in Beck BilKomm.10, § 294 HGB Rz. 21. 7 Vgl. Pfaff in MünchKomm. HGB3, § 294 Rz. 4. 8 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes und dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/ 4268, 114; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, BT-Drucks. 10/3440, 37. 9 Vgl. Begründung zum RegE Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BR-Drucks. 344/08, 174 f.; Senger/ Hoehne in MünchKomm. BilR, § 294 HGB Rz. 4.

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| Fiederling/Hachmeister

B. Einzubeziehende Unternehmen (Abs. 1)

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Rz. 14 § 294

Gesetzgeber, dass die Rechtsform des Tochterunternehmens unerheblich für die Einbeziehung des Tochterunternehmens in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens ist.1

B. Einzubeziehende Unternehmen (Abs. 1) I. Einbeziehungsgebot von Tochterunternehmen Nach § 294 Abs. 1 HGB gilt für das Mutterunternehmen sowie für alle Tochterunternehmen ein Einbezie- 10 hungsgebot in den Konzernabschluss, sofern nicht von dem Wahlrecht nach § 296 HGB Gebrauch gemacht wird. Die Voraussetzung für die Einbeziehung ist zunächst im Vorliegen einer Mutter-Tochter-Beziehung nach § 290 HGB begründet. Nach § 290 Abs. 1 HGB ist eine Mutter-Tochter-Beziehung durch den mittelbaren oder unmittelbaren beherrschenden Einfluss eines Unternehmens (Mutterunternehmen) auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) gekennzeichnet (vgl. § 290 HGB Rz. 62 ff.). Bei in den Konzernabschluss einzubeziehenden Tochterunternehmen ist das Gebot zur Vollkonsolidierung nicht an das Vorliegen einer unmittelbaren Mutter-Tochter-Beziehung geknüpft. Das Einbeziehungsgebot gilt vielmehr auch für mittelbare Tochterunternehmen nach § 290 Abs. 3 HGB sowie für Zweckgesellschaften nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Damit gilt für die Einbeziehung der Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nach § 294 Abs. 1 HGB ein Vollständigkeitsgebot.2 Ist die Voraussetzung des Vorliegens eines Mutter-Tochter-Verhältnisses verletzt oder wird das Wahlrecht 11 nach § 296 HGB unter Erfüllung der damit verbundenen Bedingungen ausgeübt, so ist das Tochterunternehmen nicht in den Vollkonsolidierungskreis einzubeziehen. Bei Gemeinschaftsunternehmen iSd. § 310 HGB oder bei assoziierten Unternehmen iSd. §§ 311, 312 HGB liegt keine Mutter-Tochter-Beziehung vor.3 Eine freiwillige Vollkonsolidierung von Unternehmen, die die Voraussetzungen eines Tochterunternehmens nach § 290 HGB nicht erfüllen, ist nicht möglich.4 Keine rechtliche Relevanz besitzen Gruppenabschlüsse, Spartenabschlüsse oder erweiterten Konzern- 12 abschlüsse; diese haben auch keine befreiende Wirkung nach § 291 HGB (vgl. § 291 HGB Rz. 20).5 In derartigen konsolidierten Abschlüssen werden Unternehmen nicht auf Basis eines Mutter-Tochterverhältnisses iSd. § 290 HGB einbezogen, sondern nach Maßgabe der operativen Führungsverantwortung. Dh. Unternehmen bspw. einer Sparte oder eines Geschäftsfeldes eines Konzerns, die unter einer einheitlichen Führungs- und Steuerungsentscheidung stehen, werden in einem (Teil-)Konzernabschluss zusammengefasst.6 Nach § 294 Abs. 1 HGB sind alle Tochterunternehmen in den Konzernabschluss einzubeziehen, es sei denn, die Einbeziehung wird unter Ausübung der in § 296 HGB beschriebenen Wahlrechts unterlassen. Das Wahlrecht nach § 296 HGB umfasst folgende Tatbestände (vgl. § 296 HGB Rz. 17 ff., 61 ff.): – Beschränkung der Rechte des Mutterunternehmens (§ 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB), – Unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerung der erforderlichen Angaben zur Aufstellung des Konzernabschlusses (§ 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB), – Beabsichtigte Weiterveräußerung der betreffenden Anteile (§ 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB), – Untergeordnete Bedeutung (§ 296 Abs. 2 HGB).

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Vor Aufhebung durch das BilReG wurden in § 295 HGB aF zudem Einbeziehungsverbote geregelt. Die 14 Einbeziehungsverbote erstreckten sich auf Tochterunternehmen mit von anderen Tochterunternehmen stark abweichenden Tätigkeiten, so dass eine Einbeziehung dieses Tochterunternehmens zu einem nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage des Konzerns führen würde. Die hM ging jedoch bereits vor Streichung des § 295 HGB aF davon aus, dass eine Nichteinbeziehung der betreffenden Tochterunternehmen eher zu einer Verschleierung der den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führen würde als deren Einbeziehung.7

1 Vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.7, § 294 HGB Rz. 5; für einen Überblick über die Änderungen des BilRUG s. Oser/Orth/Wirtz, DB 2015, 1729 (1739). 2 Vgl. Senger/Hoehne in MünchKomm. BilR, § 294 HGB Rz. 6. 3 Vgl. ADS6, § 294 HGB Rz. 8. 4 Vgl. Böcking/Groß/Schurbohm-Ebneth in Ebenroth/Boujong ua., HGB3, § 294 Rz. 4. 5 Vgl. ADS6, § 294 HGB Rz. 10. 6 Für Beispiele s. Haeger/Zündorf, DB 1991, 1841 ff. 7 Vgl. Dusemond, DB 1994, 1733 (1735).

Fiederling/Hachmeister

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§ 294 Rz. 15 | Einzubeziehende Unternehmen. Vorlage und Auskunftspflichten

II. Weltabschlussprinzip 15

Die Einbeziehungspflicht nach § 294 Abs. 1 HGB der Tochterunternehmen erfolgt nach dem Weltabschlussprinzip. Demnach sind alle Tochterunternehmen, unabhängig von deren Sitz in den Konzernabschluss einzubeziehen. Das Einbeziehungsgebot erstreckt sich somit auf inländische und ausländische Tochterunternehmen. Aufgrund des Verweises in § 13 Abs. 2 PublG auf § 294 HGB gilt das Weltabschlussprinzip auch für Unternehmen, die einen Konzernabschluss nach dem PublG erstellen.1 Ziel des Weltabschlussprinzips ist eine Verbesserung der Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der wirtschaftlichen Einheit.2

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Im Zuge des BilRUG wurde § 294 Abs. 1 HGB erweitert. Demnach erfolgt die Einbeziehung der Tochterunternehmen nicht nur unabhängig von deren Sitzstaat; der Gesetzgeber stellt klar, dass die Einbeziehung auch ungeachtet der Rechtsform des Tochterunternehmens zu erfolgen hat.3

C. Angaben bei wesentlicher Änderung des Konsolidierungskreises (Abs. 2) I. Änderungen des Konsolidierungskreises 17

Nach § 294 Abs. 2 HGB sind in den Konzernabschluss Angaben aufzunehmen, wenn sich die Zusammensetzung der einbezogenen Unternehmen während des Geschäftsjahres wesentlich geändert hat. Die Regelung dient der Vergleichbarkeit von aufeinander folgenden Konzernabschlüssen. Eine Veränderung des Konsolidierungskreises kann insbes. aus einer Aufnahme oder einem Ausscheiden von Unternehmen innerhalb des Geschäftsjahres resultieren. Der Gesetzgeber spricht in § 294 Abs. 2 HGB von „einbezogenen Unternehmen“ und damit von Unternehmen im Allgemeinen und nicht ausschließlich von Tochterunternehmen. § 294 Abs. 2 HGB zielt daher auf vollkonsolidierte Unternehmen ab, schließt jedoch auch Unternehmen mit ein, die im Rahmen der Quotenkonsolidierung in den Konzernabschluss einbezogen werden.4 Quotal konsolidierte Gemeinschaftsunternehmen sind von der Berichtspflicht bei Änderung der Zusammensetzung des Konsolidierungskreises betroffen, da diese gem. § 310 HGB unter die einbezogenen Unternehmen fallen.5 Durch die abweichende Formulierung in §§ 311, 312 HGB fallen assoziierte Unternehmen nicht unter § 294 Abs. 2 HGB.6 Beispiele für eine Änderung des Konsolidierungskreises sin