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German Pages 213 [214] Year 2016
Bibliothek der Zukunft – Zukunft der Bibliothek
Bibliothek der Zukunft – Zukunft der Bibliothek Festschrift für Elmar Mittler anlässlich seines 75. Geburtstags Herausgegeben von Andreas Degkwitz
ISBN 978-3-11-046188-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-046401-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-046194-7 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Typesetting: fidus Publikations-Service GmbH, Nördlingen Coverabbildung: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Printing and binding: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Der Wandel von analogen und digitalen Medien und die damit verbundene Transformation der Produktion, Distribution und Kommunikation von Informationen und Wissen schreiten kontinuierlich voran. Die damit spürbar gewordenen Umbrüche in Kultur, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft setzen sich fort, ohne dass ein Abschluss dieser Entwicklung erkennbar ist. Ursache dafür ist, dass sich die zu beobachtenden Veränderungen nicht ausschließlich auf die Medien selbst beziehen, sondern sich deutlich darüber hinaus auf alle Lebensbereiche auswirken und weiterhin auswirken werden. Als Intermediäre für Informationen, Medien und Wissensobjekte, als Serviceeinrichtungen der Literatur- und Informationsversorgung und als Einrichtungen, die das schriftliche Kulturgut aufbewahren und langfristig zur Verfügung stellen, stehen Bibliotheken in einem Veränderungsprozess, der ihre Aufgaben und Funktionen sowie die Notwendigkeit ihrer künftigen Existenz häufig in Frage stellt. Angesichts dessen sind Überlegungen zur Zukunft der Bibliotheken oft von wenig ermutigenden Prognosen geprägt. Dazu gehört auch die Frage, ob Bibliotheken überhaupt eine Zukunft haben und ob es sich noch lohnt, weitere Überlegungen zur „Bibliothek der Zukunft“ anzustellen. Ohne den Gedanken einer bibliothekarischen Apokalypse weiter ausführen zu wollen, steht mit Sicherheit fest, dass sich Bibliotheken tief greifend verändern müssen, um ihrer „Mission“ im digitalen Zeitalter gerecht zu werden. In Anbetracht dessen stellt sich die grundlegende Frage, ob es bei der „Bibliothek der Zukunft“ um die Entwicklung eines vollkommen neuen Modells zur Wahrnehmung bibliothekarischer Aufgaben geht oder ob die von Informations- und Medientechnik getriebene Weiterentwicklung das bisherige Modell von „Bibliothek“ lediglich akzidentiell verändert, doch im Grundsatz bestehen lässt? Das Spannungsfeld dieser Alternative verdeutlichen die folgenden Fragestellungen, die zugleich Ausdruck und Gegenstand der Diskussionen über Bibliotheken sind: (1) Wird es die herkömmlichen Publikationsformate wie Monographien, Serien, Zeitschriften weiterhin geben oder werden sie von neuen digitalen Formaten wie Blogs, Wikis, virtuellen Arbeitsumgebungen abgelöst, die mit Annotation, Bildern, Digitalisaten und weiteren multimedialen Objekten erweitert und angereichert sind? Werden die bestehenden „Zeitschriften-Marken“ auch in Zukunft noch eine Rolle spielen oder gehen Artikelpublikationen künftig in die verstärkt aufkommenden „Mega-Journals“ ein? (2) Welche Rolle spielt die traditionelle Wertschöpfungskette für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen? Welche neuen Aufgaben werden traditionelle Player wie Bibliotheken und Verlage absehbar übernehmen? Mit
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Vorwort
welchen Aufgaben werden künftig neue Akteure betraut, zu denen IT-Experten, Programmierer, Plattform- und Suchmaschinenbetreiber und WEBDesigner gehören? Sind die traditionellen Geschäftsmodelle an ihr Ende gekommen? Oder liegt die Zukunft in den neuen Geschäftsmodellen des wissenschaftlichen Publizierens nach dem Open-Access-Prinzip? (3) Standortübergreifende Kooperationen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sind unerlässlich, um nachhaltig verfügbare Inhaltsplattformen und Services zu entwickeln und dauerhaft vorzuhalten. Dies gilt insbesondere für die vielen Facetten von „Open Science“. Welchen Stellenwert hat die lokale Bibliothek und wie bringen sich lokale Bibliotheken in diese Entwicklungen ein? (4) Welche Herausforderungen verbinden sich mit digitalen Objekten, die das Sammlungsspektrum von Bibliotheken signifikant erweitern? Welche Infrastrukturen werden für die langfristige Bereitstellung und Nutzbarkeit neuer Informationstypen benötigt? Welchen Impact hat das Thema „Forschungsdatenmanagement“? (5) Das Internet bietet enorme Potenziale für die Distribution von Inhalten, ermöglicht ein bisher ungekanntes Maß an Partizipation alter und neuer Zielgruppen und eröffnet neue Möglichkeiten der Interaktivität und Vernetzung. Welche Chancen ergeben sich daraus für Bibliotheken und welche Risiken sind in Bezug auf Datenschutz, Nachhaltigkeit, Privacy und Urheberrecht zu berücksichtigen? (6) Wie verändert sich der bisher wahrgenommene Sammlungsauftrag gedruckter Bücher und Zeitschriften in Anbetracht der fortschreitenden Lizenzierung von E-Books und E-Journals? Können Bibliotheken dem Anspruch von Gedächtnisinstitutionen im digitalen Zeitalter gerecht werden? Oder entwickeln sie sich zu Museen für analoge Buch- und Schriftkultur? (7) Welche rechtlichen Rahmenbedingungen werden benötigt, um die Möglichkeiten einer digitalen Informations- und Medienversorgung sicherzustellen, die nicht an die Grenzen der jeweils lizenzierenden IP-Domain stößt? Wie können die Interessen von Urhebern und Verwertern und die Interessen wissenschaftlicher Nutzerinnen und Nutzer ausbalanciert und fair vereinbart werden? (8) Welche Anforderungen ergeben sich aus der digitalen Transformation an Ausbildung und Qualifizierung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren? In welcher Weise und in welchem Umfang können die neuen Herausforderungen an die bibliothekarische Arbeit von den Ausbildungscurricula und Qualifizierungsprogrammen aufgegriffen und umgesetzt werden? (9) Warum sprechen wir im Kontext von digitalen Bibliotheken weiterhin über Bibliotheksarchitektur? Welche räumlichen Anforderungen verbinden sich
Vorwort
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mit künftigen Bibliotheken? Ist die Bibliothek als Ort überhaupt noch ein Thema? Oder wecken gerade virtuelle Inhalte und Services das Bedürfnis nach Orten, die mit ambitioniert gebauten Bibliotheken sichtbar und spürbar sind? (10) Welche strategischen Ziele empfehlen sich für Bibliotheken in Zeiten großer Veränderungen? Welche Methoden zur Strategieentwicklung erfordert ein zeitgemäßes Bibliotheksmanagement? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, welche Vorkehrungen sind zu treffen, um Forschende, Lehrende und Studierende für die Inanspruchnahme und Nutzung bibliothekarischer Leistungen zu gewinnen? Welche Rolle spielen in diesem Kontext die Chancen von „Open Science“? In den Beiträgen dieses Bandes finden sich Antworten zu diesen und vielen weiteren Fragen, die Bibliotheken im Zuge der digitalen Transformation immer wieder aufs Neue bewegen. Dabei wird deutlich, dass Bibliotheken schon immer Veränderungen ausgesetzt waren, wie die vielfältigen „Schicksale“ in der Geschichte von Büchern und Bibliotheken offenbaren. Schließlich gibt der Blick in vergangene Zeiten zu erkennen, dass die Weiterentwicklung von Bibliotheken ganz wesentlich im Einsatz und Engagement einzelner Personen begründet liegt; auch diese beiden Themen sind mit Beiträgen bedacht. Der vorliegende Band ist Elmar Mittler als Festschrift zu seinem 75. Geburtstag gewidmet. Mit ihren interessanten und facettenreichen Beiträgen wollen die Autorinnen und Autoren ihrem Freund, Kollegen und Wegbegleiter, Elmar Mittler, ihren Dank und ihre Wertschätzung wissen lassen. Dass in der Festschrift das Thema „Bibliothek der Zukunft und die Zukunft der Bibliothek“ im Mittelpunkt steht, liegt nahe, nimmt doch Elmar Mittler als Autor, Forscher, Herausgeber und Lehrer bis auf den heutigen Tag aktiv an den Diskussionen zu dieser Thematik teil und wird, wie wir alle hoffen, noch lange daran beteiligt sein. Als Herausgeber der Festschrift möchte ich allen Autoren und Autorinnen für das gute Gelingen dieser Festschrift ganz herzlich danken. Claudia Heyer danke ich für die verlegerische Betreuung und für die hervorragende Zusammenarbeit, die diese Festschrift entstehen ließ. Für das Korrekturlesen und die umsichtige Fertigstellung des Manuskripts bedanke ich mich bei Annette Golze. Berlin im November 2015
Andreas Degkwitz
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Gabriele Beger Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und wie weiter?
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Achim Bonte Aus Sachsen in die Welt – das sächsische Landesdigitalisierungsprogramm 10 Andreas Degkwitz „I have a dream …“ – Bibliothek der Zukunft
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Malle Ermel Kulturerbe im digitalen Zeitalter – Übersicht über die Aktivitäten der Universitätsbibliothek Tartu 34 Inken Feldsien-Sudhaus und Ulrich Niederer Zukunftstüchtiger Bibliotheksbau – wie können Lessons Learned vor dem eigenen Bauen nutzbar gemacht werden? Die LIBER Architecture Group als Lernort 45 Ulf Göranson War Booties – A Peaceful Polish-Swedish Co-operation Martin Hallik und Tiiu Tarkpea Open science policy – a twisted road and clear aims
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Wolfram Horstmann, Margo Bargheer und Andrea Rapp Monographien und ihr digitales Potenzial in der Forschung des 21. Jahrhunderts 92 Claudia Lux Qatar National Library – will the planned new Building meet the Criteria of Library Buildings? 105 Ann Matheson John Stuart Blackie (1809–1895), Scottish University Reformer: A Sojourn in Göttingen 121
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Inhaltsverzeichnis
Klaus G. Saur Wissenschaftliche Verlage – Versuch einer Zukunftsprognose
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Frank Scholze, Roland Bertelmann, Maxi Kindling, Heinz Pampel und Paul Vierkant Open Access und Forschungsdaten 156 Michael Seadle Fragility and the Future of Library Education
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Peter Vodosek Die Entdeckung der Nachhaltigkeit – Ein bibliothekshistorischer Rückblick 176 Cornelia Vonhof Management von Bibliotheken – Instrumente und Strategien Autorenverzeichnis
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Gabriele Beger
Das Recht der öffentlichen Zugänglich‑ machung und wie weiter? Diese Festschrift zu Ehren Prof. Dr. Elmar Mittlers steht unter dem Thema Zukunft der Bibliotheken. Dieser Beitrag zeichnet die Auswirkungen der Gesetzgebung zum Recht der öffentlichen Zugänglichmachung auf das Dienstleistungsspektrum der Bibliotheken nach und fordert im Ergebnis, sich bei der Reform der EUInformationsrichtlinie im Interesse auch in Zukunft leistungsstarker Bibliotheken zu engagieren und sich in Gesetzgebungsprozesse aktiv einzubringen, so wie es Elmar Mittler stets tat.
1 Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung Zu Beginn der 1990er Jahre war das elektronische Publizieren zu einer wirtschaftlichen Größe auf dem Medienmarkt herangewachsen. Zu dieser Zeit war das E-Book meist noch fest mit der dazugehörigen Hardware verbunden und Datenbanken, Musik und Film waren auf Speichermedien, wie der CD und DVD fixiert. Die Produktion selbst aber war bereits digital und so war es nur noch ein kleiner Schritt zu den originären digitalen Angeboten, die aus dem Netz heruntergeladen werden können. Das geltende Urheberrecht, welches die analogen Werke schützt und als unkörperliche Verwertung die öffentliche Wiedergabe kannte, war auf digitale Verwertungshandlungen zu erweitern. Ausdrückliches Anliegen des WIPO-Urheberrechtsvertrages (WCT)1 war es deshalb, „den Schutz der Rechte der Urheber an ihren Werken … in möglichst wirksamer und gleichmäßiger Weise fortzuentwickeln und aufrechtzuerhalten und im Hinblick auf die tiefgreifenden Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Erschaffung und Nutzung von Werken der Literatur und Kunst.“2 zu erweitern. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung war geboren. Art 8 WCT definiert, dass „Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschließliche Recht (haben), die öffentliche drahtlose oder drahtgebundene Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben, einschließlich der Zugänglichmachung ihrer Werke in
1 WIPO Copyright Treaty vom 20. Dezember 1996. Online verfügbar unter http://www.wipo.int/ treaties/en/ip/wct/ 2 WIPO Präambel. ebenda.
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Gabriele Beger
der Weise, daß sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“. Art 14 WCT fordert zudem die Vertragsparteien auf, den Urhebern Rechtsschutz in Bezug auf wirksame technische Maßnahmen einzuräumen, die ihnen die Möglichkeit geben, von ihnen „nicht erlaubte oder durch Gesetz nicht eingeräumte Nutzungen“ zu kontrollieren. Die Europäische Union ratifizierte das internationale Abkommen durch die sogenannte Informationsrichtlinie (InfoSoc-Richtlinie)3. Die InfoSoc-Richtlinie übernahm das ausschließliche Verwertungsrecht des Urhebers, „zu erlauben oder zu verbieten“, ob sein Werk „Mitgliedern der Öffentlichkeit unabhängig von Zeit und Ort“ öffentlich zugänglich gemacht werden darf (Art. 3 Abs. 1 InfoSoc) und bestimmte in Art. 6 Abs. 4 InfoSoc, dass die Durchsetzbarkeit von Schranken für elektronische Werke i. S. des Art. 3, die mittels eines Lizenzvertrages angeboten werden, keine Geltung hat. Der deutsche Gesetzgeber setzte die Richtlinie durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003 um. Fortan definiert § 19a UrhG das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“: Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
Einher mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ging der Ausschluss des Erschöpfungsgrundsatzes nach § 17 Abs. 2 UrhG, der an das körperliche Verbreitungsrecht anknüpft und somit ausdrücklich Werke, die unkörperlich verwertet werden, nicht einschließt. Somit gilt der Vorrang des Vertrages für den Erwerb und die Nutzung elektronischer Publikationen. Soweit der Abschluss eines Nutzungs(Lizenz)vertrages für den Zugang zu Werken, die unabhängig von Zeiten und Orten zugänglich sind (Netzpublikationen), erforderlich ist, gilt der Vertrag als technische Schutzmaßnahme nach Maßgabe des § 95a UrhG, womit der gesamte Schrankenkatalog (§ 44a ff UrhG) nach § 95b Abs. 3 UrhG als nicht durchsetzbar erklärt wird.
3 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.ABL. EG Nr. L 167/10, 22.06.2011.
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Das Problem In Anbetracht des ständig steigenden Umfangs an elektronischen Publikationen, die über das Netz angeboten werden, hat diese Tatsache gravierende Auswirkungen auf die Dienstleistungen der Bibliotheken. Faktisch wurde den Anbietern von elektronischen Werken mit dem Vorrang des Vertrages ein Monopol an die Hand gegeben, welches geeignet ist, die Erwerbungspolitik, die Verwendung des Erwerbungsbudgets und die Dienstleistungen der Bibliotheken zu beeinflussen. Extreme Beispiele dafür sind, elektronische Zeitschriftenpakete international agierender Wissenschaftsverlage mit langer Vertragslaufzeit, Nichtkündigungsklauseln für den zeitgleichen Bezug der Printausgaben zu permanent steigenden Lizenzgebühren4, die zunehmend verhindern, Printwerke anderer Verlage in ausreichendem Umfang erwerben zu können, oder sogar kommunalen Öffentlichen Bibliotheken erst gar keine Lizenz für die Nutzung von E-Books einräumen5.
2 Die Aufgaben der Bibliotheken Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages definierte den gesellschaftlichen Auftrag wie folgt „Bibliotheken sind in ihrer Funktion als Erinnerungs- und Gedächtnisorte ein wesentlicher Teil unserer Kulturgeschichte. Bibliotheken schlagen Brücken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und sind als Orte des freien Zugangs zu Wissen, Lernen und Forschen unersetzliche Bildungseinrichtungen, die wesentlich zur Synchronisierung von Informationen beitragen.“6 Bibliotheken stehen somit im Dienste von Bildung, Wissenschaft, Forschung und kultureller Teilhabe, um jeder Bürgerin und jedem Bürger ohne Ansehen der Person das verfassungsgemäße Grundrecht auf Informationsfreiheit und Meinungsbildung (Art 5 GG) zu gewährleisten. Zu diesem Zweck erwerben sie publiziertes Wissen systematisch und sorgen für deren Bereitstellung und Überlieferung an künftige Generationen. Zu ihren Dienstleistungen gehört die Bereitstellung von Medien vor Ort und zur Ausleihe außer Haus, einschließlich im
4 Vgl. Lizenzverträge u. a. der Großverlage Elsevier, Springer, Taylor & Francis, Wiley, Royal Society of Chemistry, American Chemical Society mit Preissteigerungen jährlich um 4,6 % und de Gruyter (vor allem E-Books). 5 Vgl. auch Positionspapier des Deutschen Bibliotheksverbandes unter http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/positionen/dbv-Positionspapier_E-Books_Ausleihe_ kurz_2014_02.pdf (zuletzt aufgerufen am 14.10.15). 6 Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Drs. 16/7000, S. 129.
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Gabriele Beger
innerbibliothekarischen nationalen und internationalem Leihverkehr, die Herstellung von Vervielfältigungsstücken für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch ihrer Nutzer, einschließlich des Versands von Kopien auf Bestellung, die Bereitstellung von Infrastrukturen für Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen und die Archivierung des kulturellen Erbes und von Forschungsdaten. Diese Dienstleistungen beruhen bei analogen Medien auf einer rechtsrelevanten Kette von der Erwerbung, der Weiterverbreitung auf der Grundlage des Erschöpfungsgrundsatzes bis hin zur Anwendung einzelner Schrankenregelungen zu einer angemessenen Vergütung der Rechtsinhaber über Verwertungsgesellschaften. So wird für das Ausleihaufkommen die sog. Bibliothekstantieme (§ 27 Abs. 2 UrhG) durch Bund und die Länder als Kompensation jährlich (derzeit 17 Mio. EUR)7 entrichtet. Dieser Weg ist für elektronische Werke versperrt. Für diese Werke müssen Nutzungsverträge geschlossen werden, die je nach Anbieter unterschiedlich in Art und Umfang ihrer Einräumung von Nutzungsarten und der zeitlichen, inhaltlichen und räumlichen Beschränkung sind. Auch ist die jeweilige Marktstellung eines Anbieters ganz entscheidend für die Höhe der Lizenzgebühr, die nunmehr in der Regel nicht mehr einmalig wie beim Kaufpreis anfällt, sondern jährlich wiederkehrend. Neben dem erheblichen Aufwand für die Verwaltung und Organisation der unterschiedlichen Nutzungsverträge sind es vor allem die zum Teil exorbitanten Preise und Preissteigerungen für elektronische wissenschaftliche Journals, die einen ausgewogenen Bestandsaufbau zunehmend gefährden. So binden diese Kosten in wissenschaftlichen Bibliotheken bereits mehr als 50 % des Erwerbungsbudgets und lassen den Etat für den Ankauf von Printmedien und anderen elektronischen Ressourcen schrumpfen. Ein Argument der Verleger gegen gesetzliche Schranken ist stets, dass das Erwerbungsaufkommen durch Bibliotheken ständig abnimmt8. Dabei wird nicht beachtet, dass es einzelne Verlage sind, die durch den Vorrang des Vertrages große Teile des Erwerbungsbudgets für sich beanspruchen. Für Archivbibliotheken schließt sich das Problem der Archivierung von einem durch Lizenz erworbenen Medium an. Zum einen, weil das Nutzungsrecht nicht dauerhaft ist und zum anderen, wenn ein elektronisches Werk dauerhaft überlassen wird, bedürfen die Überlieferung von elektronischen Medien, insb. auch Netzpublikationen,
7 Gesamtvertrag über die Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche nach § 27 UrhG. online abrufbar unter http://www.bibliotheksverband.de/dbv/vereinbarungen-und-vertraege/urheberrecht-gesamtvertraege.html 8 Im Jahr 2014 wurden für insg. 418 Mio. Euro Erwerbungen getätigt. Im Jahr 2010 waren es 393 Mio. Euro. Vgl. Deutsche Bibliotheksstatistik 2015. Online abrufbar unter https://www.hbz-nrw. de/dokumentencenter/produkte/dbs/aktuell/auswertungen/gesamt/gesamt_dt_14.pdf
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der Migration auf andere Betriebssysteme, was im urheberrechtlichen Sinne die Rechte zur Vervielfältigung und Bearbeitung erforderlich macht. Der Vorrang des Vertrages beinhaltet aber noch einen weiteren sehr wichtigen Aspekt, dass der Anbieter entscheiden kann, wem und zu welchen Bedingungen er ein Werk zur Nutzung überlässt. Im Ergebnis seiner Marktmacht in Verbindung mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung entscheiden nunmehr nicht mehr die Bedarfe der Bildung, Wissenschaft und kulturellen Daseinsvorsorge über die Erwerbungen und Bereitstellungen in Bibliotheken, sondern die Anbieter, die in der Regel Verlage sind. Auch die gesetzlichen Schranken (§ 44a ff UrhG), die im Interesse der Allgemeinheit die exklusiven Verwertungsrechte der Urheber beschränken, können nicht durchgesetzt werden, wenn der Anbieter die Nutzung einer Netzpublikation durch eine technische Schutzmaßnahme (§ 95a UrhG) kontrolliert (§ 95b Abs. 3 UrhG). Die Voraussetzungen einer technischen Schutzmaßnahme sind bei Netzpublikationen bereits dann erfüllt, wenn vor dem Zugang ein Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages vorliegt, der erst danach den Zugriff auf die Publikation ermöglicht.
3 Die gesetzlichen Schranken Sinn und Zweck der Schranken des Urheberrechts sind die Beschränkung der exklusiven Rechte des Urhebers in den Fällen, wo das Allgemeinwohl dies verlangt (Dreier 2015). Die Auseinandersetzung mit vorhandenem Wissen ist elementar für die Schaffung neuen Wissens. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass der Zugang zu Wissen über die gesellschaftliche Entwicklung und die Teilhabe eines jeden Menschen entscheidet. Sowohl das älteste Urheberrechtsabkommen, die Berner Übereinkunft, als auch der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) nehmen darauf ausdrücklich Bezug. In der Präambel des WCT heißt es dazu „in Erkenntnis der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten der Urheber und dem umfassenderen öffentlichen Interesse, insbesondere Bildung, Forschung und Zugang zu Informationen, zu wahren, wie dies in der Berner Übereinkunft zum Ausdruck kommt“9 wird auf die Prüfkriterien für urheberrechtliche Schranken der RBÜ verwiesen. Der sog. Drei-Stufen-Test der RBÜ (Art. 9) erlaubt gesetzliche Schranken, wenn sie Sonderfälle abbilden (1), nicht die normale Auswertung
9 Gesetz zu den WIPO-Verträgen vom 20.12.1996 über Urheberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger. BGBL II vom 18.08.2003
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Gabriele Beger
des Werkes beeinträchtigen (2) und nicht die berechtigten Urheberinteressen unzumutbar verletzen (3)10. Art 5 GG gewährleistet deshalb jedermann sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Öffentlich zugängliche Bibliotheken gewährleisten den ungehinderten Zugang zu Wissen für jedermann, sie sind somit Institutionen, die dem Grundrecht auf Informations- und Meinungsbildungsfreiheit nach Art. 5 GG dienen. Weil sie ausnahmslos dem Wohle der Allgemeinheit verpflichtet sind, werden sie aus öffentlichen Mitteln unterhalten. Bei dem Zugang zu Wissen haben sie die Grundsätze der demokratischen Grundordnung und des Pluralismus zu erfüllen. Daraus ergibt sich die Aufgabe den Bestandsaufbau am Bedarf der Gesellschaft nach einem breiten Spektrum an allgemein zugänglichem Wissen auszurichten. Mit dem Mittel der öffentlich zugänglichen Bibliotheken gewährleistet der Staat, dass der Zugang zu Wissen nicht von der gesellschaftlichen Stellung des Einzelnen abhängen kann. Wenn aber die Erwerbungsetats der Bibliotheken vor allem deshalb nicht auskömmlich sind, weil einzelne, vor allem international agierende Wissenschaftsverlage, eine Preispolitik mit Lizenzverträgen betreiben können, dass die Kaufkraft für andere Erwerbungen stark eingeschränkt wird, ist die ausgewogene Wissensvermittlung gefährdet.
4 Die Sozialbindung des Eigentums Das Urheberrecht wird als ein eigentumsähnliches Recht bezeichnet und unterliegt demnach der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Geschützt ist nicht nur das Eigentum an sich, sondern auch die Nutzung. Einschränkungen müssen durch Gesetz bestimmt sein. Die Schranken des Urheberrechts berühren zwei Grundrechte, die Eigentumsgarantie und die Meinungsbildungsfreiheit (Art 5 GG). Daraus ergibt sich eine sog. Grundrechtskonkurrenz. Soweit ein Werk mit Zustimmung des Urhebers in Verkehr gebracht oder sinngemäß der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist davon auszugehen, dass er sich bewusst zur Partizipation der Öffentlichkeit entschieden hat. Diese bewusste Handlung stellte die Grundlage für den Erschöpfungsgrundsatz für analoge Werke dar. Die ausschließlich vertragliche Nutzung eines elektronischen Werkes ist demnach nur rein wirtschaftlichen Interessen vornehmlich der Verwerter zuzuordnen. Es ist
10 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9.9.1886 (BGBl. II S. 1071). Zuletzt geändert durch Änderungsbeschluss vom 2.10.1979 (BGBl. 1985 II S. 81).
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festzustellen, dass das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung in Verbindung mit dem Ausschluss des Erschöpfungsgrundsatzes und der Nichtdurchsetzbarkeit von Schranken geeignet ist, den freien Wissenszugang zu verknappen und letztendlich auch von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen bzw. einer Bibliothek abhängig zu machen. Dieses Herangehen schadet dem freien Wissensfluss und damit der gesellschaftlichen Entwicklung nachhaltig und greift in das Grundrecht der freien Meinungsbildung ein. Deshalb ist zu prüfen, ob der Vorrang des Vertrages beim Erwerb elektronischer Medien in die Sozialbindung des Eigentums nach Art 14 Abs. 2 GG eingreift. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Art 14 GG bestimmt, dass der Gesetzgeber durch materielles Recht eine Inhaltsbestimmung in Gesetzen vornehmen kann. Das Urheberrechtsgesetz bestimmt demnach das Eigentum an Werken. Anders als bei einer Sache, wie einem Auto, ist der Eigentümer an einem urheberrechtlichen Werk von Beginn der Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe an, an einer Partizipation und Auseinandersetzung mit dem Werk durch die Öffentlichkeit interessiert. Es geht also nicht darum, das Eigentumsrecht der Urheber an ihrem Schaffen zu bestreiten, sondern die Dienlichkeit zum Wohle der Allgemeinheit durch konkret benannte Schranken zu gewährleisten. Dem entspricht der Schrankenkatalog im UrhG, indem er das ausschließliche Verwertungsrecht zum Wohle der Allgemeinheit in konkret im Gesetz benannten Sonderfällen beschränkt. Wenn diese Beschränkungen mittels § 95b Abs. 3 UrhG aus rein wirtschaftlichen Interessen untersagt werden, stehen sie im Widerspruch zur verfassungsgemäßen Sozialbindung des Eigentums sowie zur Informations- und Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 und 3 GG.
5 Die Revision des Schrankenkatalogs der Informationsrichtlinie Die EU-Kommission hat die Revision der InfoSoc-Richtlinie auf die Agenda gesetzt. Im Mittelpunkt soll nach einer Evaluierung in den Mitgliedsstaaten, die
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Verbesserung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in der Informationsgesellschaft stehen. War es zum Zeitpunkt der Behandlung der InfoSoc-Richtlinie im Jahr 2001 noch wichtig, den Markt von elektronischen Werken zu stärken, kann nach 14 Jahren Anwendung dieses Ziel als erreicht betrachtet werden. Mit dem Schutz des Marktes gingen jedoch weitreichende Beschränkungen für die Nutzer einher. Der Hauptschwerpunkt des sog. Reda-Reports11 liegt deshalb auf den Ausnahme- und Schrankenbestimmungen. Redas Entwurf enthält die Forderung: „Keine Schlechterstellung von digitaler Nutzung im Vergleich zu analoger Nutzung“. Als Beispiel führt Reda an, dass im Bibliotheksbereich Rahmenverträge für E-Books Schranken aushebeln, die bei analogen Büchern selbstverständlich sind (z. B. das Kopieren, Scannen und Weitergeben von Buchauszügen (Reda 2015). Der Bericht wurde am 16.6.2015 mit nur zwei Gegenstimmen vom Europäischen Parlament angenommen. Reda betont, dass mit „diesem Bericht … das Parlament anerkennt, dass eine Urheberrechtsreform dringend nötig ist – nicht nur zur Verbesserung des Digitalen Binnenmarktes, sondern auch, um den Zugang zu Bildung und Wissen für alle Menschen in Europa zu erleichtern. Der Bericht fordert die Kommission auf, eine Reihe von Maßnahmen zu prüfen, um das Urheberrecht mit der Lebensrealität der Europäer*innen in Einklang zu bringen und den grenzüberschreitenden Zugang zu unserer vielfältigen Kultur zu verbessern“12. Die Auswirkungen des „Vorrangs des Vertrages“ bei gleichzeitiger Nichtdurchsetzbarkeit der gesetzlichen Schranken sind für die Informationsvermittlung durch öffentlich zugängliche Bibliotheken und damit für die gesellschaftliche Befassung mit Wissen gravierend. Sie greifen willkürlich in das Grundrecht auf Meinungsbildungsfreiheit ein und führen durch exorbitante Lizenzgebühren für wissenschaftliche Fachzeitschriften zu einer Kannibalisierung der öffentlichen Erwerbungsetats. Die Anfang des 21. Jahrhunderts sich herausbildende Open-Access-Bewegung ist letztendlich darauf zurückzuführen. Es ist an der Zeit sich die Frage zu stellen, ob einseitige Profitinteressen es wert sind, den demokratischen Zugang zu Wissen nach den Garantien des Grundgesetzes unter dem Mantel des Urheberrechts aufzugeben?
11 Reda, Julia Berichterstatterin Europaparlament. Online aufrufbar unter: https://juliareda.eu/ reda-bericht-erklaert/ 12 Reda-Bericht angenommen. Ein Wendepunkt in der Urheberrechtsdebatte. Online abrufbar unter https://juliareda.eu/2015/06/reda-bericht-angenommen-ein-wendepunkt-in-der-urheberrechtsdebatte/
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und wie weiter?
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Die Lösung Neben einer zwingenden Ausgestaltung und EU-weiten Einführung des Schrankenkatalogs muss Art 6 der InfoSoc-Richtlinie den Mitgliedsstaaten auftragen, dass die Anwendung von Schranken durch den Vorrang des Vertrages auch und insbesondere bei technischen Maßnahmen nicht beeinträchtigt werden darf. Die für Datenbankwerke geltende Bestimmung des § 55a UrhG, nach der die übliche Benutzung durch Berechtigte nicht vertraglich untersagt werden darf und „entgegenstehende vertragliche Vereinbarung als nichtig“ erklärt werden, kann hier als Vorbild herangezogen werden. Die Bibliotheken werden im Gegenzug Vorkehrungen treffen, um missbräuchliche Anwendungen zu unterbinden.
Bibliographie Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2001 BGBl Nr. 46 v. 12.9.2003. 1774–1788 Dreier, Thomas. 2015. Überlegungen zur Revision des Schrankenkatalogs der Richtlinie 2001/29/EG. GRUR int. 7–8. 648–657 Reda, Julia. 2015. DRAFT REPORT on the implementation of Directive 2001/29/EC of the European Parliament and of the Council of 22 May 2001 on the harmonisation of certain aspects of copyright and related rights in the information society (2014/2256(INI)) Committee on Legal Affairs. Online verfügbar unter https://pub.juliareda.eu/copyright_ evaluation_report.pdf
Achim Bonte
Aus Sachsen in die Welt – das sächsische Landesdigitalisierungsprogramm Trotz mancher Zerstörungen durch Kriege und Misswirtschaft ist Sachsen bis heute eine der reichsten deutschen Kulturlandschaften. Durch eine frühe Industrialisierung, einen starken unternehmerischen Mittelstand und viele lebendige Wirtschafts- und Kulturzentren besaß das Königreich Sachsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die größte Industriedichte und das höchste Pro-Kopf-Einkommen im Deutschen Reich. In Sachsen befanden sich zum Beispiel die Wiege des deutschen Maschinenbaus, ein Zentrum der Textilindustrie, die deutsche Druckund Verlagshauptstadt sowie die erste internationale Mustermesse (Karlsch 2006). Den auch außerhalb der Metropolen bewahrten historischen Zeugnissen im digitalen Zeitalter Sichtbarkeit und Reichweite zu verschaffen, ist ein wesentliches Ziel des neuen „Landesdigitalisierungsprogramms für Wissenschaft und Kultur des Freistaates Sachsen“. Ohne zentrale Koordination und tatkräftige fachliche Unterstützung würden die meist personal- und finanzschwachen Gedächtniseinrichtungen in Bautzen, Grimma, Görlitz, Meißen, Plauen oder Zwickau die anspruchsvolle Integration ihrer Objekte in eine nachhaltige digitale Informationsinfrastruktur kaum bewältigen können. Für die wissenschaftliche Forschung und schon gar für die Menschen in der jeweiligen Region sind jedoch nicht nur die Schätze der kulturellen Leuchttürme interessant, sondern gerade auch die wertvollen Objekte in der sogenannten Provinz. Mit seinem flächendeckenden koordinierenden Ansatz schließt das sächsische Landesdigitalisierungsprogramm an ältere, ähnlich gerichtete Bemühungen des Freistaates wie zum Beispiel das sächsische Kulturraumgesetz (1993) an (Winterfeld 2006).
1 Die sächsische Bibliothekslandschaft Der kulturellen Vielfalt des Landes entspricht das enge Bibliotheksnetz Sachsens, das schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert auch überregionale Impulse setzte. Erinnert sei an die Gründung der ersten deutschen Volksbücherei durch Karl Preusker in Großenhain (1828), den Aufbau der ältesten öffentlichen Blindenbücherei Deutschlands (1894), die Gründung der Deutschen Bücherei als deutscher Nationalbibliothek (1912) sowie die Einrichtung der ersten deutschen bibliothekarischen Ausbildungsstätte (1914). Für die 1920er Jahre ist Martin Bollert zu nennen, der als Direktor der Sächsischen Landesbibliothek die 1556 gegründete
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Institution zu einer der damals modernsten wissenschaftlichen Gebrauchsbibliotheken entwickelte. Nach NS-Diktatur und Weltkrieg war es zunächst nicht möglich, an die früheren Erfolge anzuknüpfen. Trotz großen persönlichen Engagements und bewundernswerter Kreativität der sächsischen Bibliothekare führten fehlende Investitionen in Bauten und Ausstattung dazu, dass das Leistungsniveau immer weiter hinter den westdeutschen Standard zurückfiel. Räumliche Provisorien blieben bis zur politischen Wende die Regel und auch die in den 1970er Jahren einsetzende Automatisierung der Geschäftsprozesse wurde in der Ära der DDR nur unzureichend vollzogen. Nach 1990 musste daher zunächst die äußere Neugründung der Bibliotheken im Vordergrund stehen. Mit erheblichen Investitionen in den Aufbau von Büchergrundbeständen sowie in Neubau, Sanierung und Einrichtung von Bibliotheksgebäuden wurden die Voraussetzungen geschaffen, um zeitgemäßen Service anbieten und am Wettstreit der deutschen Bibliotheken um die besten Dienstleistungskonzepte und Betriebsergebnisse wieder aussichtsreich teilnehmen zu können. Im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken gelangen in kurzer Folge die Neubauten der Fachhochschulbibliothek Zwickau (1998), der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB, 2002), der Fachhochschulbibliothek Zittau/Görlitz (2004/2006), der Fachhochschulbibliothek Dresden (2006) sowie die umfassende Rekonstruktion und Erweiterung des Hauptgebäudes der Universitätsbibliothek Leipzig (2002). Die Bibliotheken der Musikhochschule Dresden (2008) und der Fachhochschule Leipzig (2009) sind inzwischen ebenfalls fertig gestellt, für die Universitätsbibliotheken in Chemnitz und Freiberg laufen die Bau- bzw. die Planungsarbeiten. Dem Bauboom unmittelbar vorausgegangen war eine notwendige Strukturbereinigung im Hochschul- und Bibliothekssystem. So wurden etwa in Dresden die Hochschule für Verkehrswesen, die Medizinische Akademie und die Pädagogische Hochschule in die Technische Universität integriert, bald darauf die Bibliothek der TU mit der Sächsischen Landesbibliothek zur SLUB zusammengeführt (1996). Heute umfasst der Kreis der wissenschaftlichen Bibliotheken im Freistaat Sachsen neben der SLUB die drei Universitätsbibliotheken Leipzig, Chemnitz und Freiberg, fünf Fachhochschulbibliotheken sowie fünf Kunst- und Musikhochschulbibliotheken. Zugehörig sind ferner zahlreiche kleinere Spezialbibliotheken, wie zum Beispiel Archiv-, Museums- und Kirchenbibliotheken, die Bibliotheken der „Berufsakademie Sachsen“ sowie städtische wissenschaftliche Bibliotheken wie die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz und die Ratsschulbibliothek in Zwickau. Während die anderen großen sächsischen Hochschulbibliotheken vornehmlich naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtet sind, steht die Bibliothek der 1409 gegründeten Universität Leipzig als eine der ältesten deutschen Universitätsbibliotheken im Zentrum vielfältiger
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geisteswissenschaftlicher Forschungs- und Erschließungsprojekte. Mit ihrem außerordentlich wertvollen Bestand an mittelalterlichen Handschriften, Inkunabeln und Drucken der Frühen Neuzeit, Papyri und Ostraka, Münzen und Autographen ist sie neben der SLUB die zweite herausragende wissenschaftliche Bibliothek des Freistaates Sachsen (Schneider 2009). Für das Landesdigitalisierungsprogramm relevant sind außerdem Öffentliche Bibliotheken mit historischen Kostbarkeiten wie etwa die Stadtbibliotheken in Leipzig und Chemnitz, Bautzen oder Zittau, aber auch Einrichtungen in anderer Trägerschaft, zum Beispiel das Sorbische Institut oder die von der Stadt Glashütte mitgetragene Stiftung „Deutsches Uhrenmuseum Glashütte“. Nach der aufreibenden Phase der Bibliotheksfusionen, Bestandsbereinigungen und Bauvorbereitungen rückte seit Mitte des letzten Jahrzehnts zunehmend die innere Neugründung der Bibliotheksregion Sachsen in den Mittelpunkt, das heißt die Modernisierung der bibliothekarischen Geschäftsgänge und die vertiefte Zusammenarbeit unter den Bibliotheken. Entsprechend verständigten sich die sächsischen wissenschaftlichen Bibliothekare 2007 in einem umfassenden Struktur- und Entwicklungsplan auf die konsequente Vernetzung und Konzentration ihrer Kräfte und vereinbarten für alle Bereiche der modernen Bibliotheksarbeit konkrete Kooperationsprojekte (Bonte und Linek 2008). Angestrebt wurden die Profilschärfung der sächsischen Bibliothekslandschaft, die Verminderung konzeptioneller Doppelarbeit, raschere Entwicklungserfolge und ein steter Innovationsimpuls gerade für kleinere Häuser. Gemäß ihrer besonderen Ressourcen und der Vorgaben der sächsischen Staatsregierung übernahm die SLUB dabei zentrale Koordinierungs- und Dienstleistungsfunktionen, die in den Novellen des sächsischen Hochschul- (2008) sowie des SLUB-Gesetzes (2014) rechtlich bestätigt wurden. Die ersten Verabredungen des Struktur- und Entwicklungsplans betrafen weithin schon fast üblich gewordene Informationsdienstleistungen, die in der Ära der DDR und in den folgenden Jahren der elementaren Wiederaufbaulasten nicht oder nicht hinreichend angepackt werden konnten. Das insgesamt weitaus umfangreichste, aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) unterstützte Teilprojekt zielte auf den möglichst kompletten elektronischen Nachweis der sächsischen Bibliotheksbestände. Während in den wissenschaftlichen Bibliotheken der alten Bundesrepublik bereits um 1980 vergleichbare Maßnahmen eingesetzt hatten, wurde die seit Anfang der 1990er Jahre laufende elektronische Verzeichnung der Neuerwerbungen in Sachsen seit 2008 durch eine groß angelegte Erfassung von Altbeständen ergänzt. Fünf Jahre später waren allein aus der Universitätsbibliothek Leipzig und aus der SLUB rund 2,8 Millionen Titel bearbeitet. Ohne EFRE wäre diese Herausforderung in überschaubarer Zeit nicht zu bewältigen gewesen.
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2 Grundlagen und Ergebnisse der Retro digitalisierung und Langzeitarchivierung in Sachsen bis 2015 Nach der Herstellung möglichst umfassender maschinenlesbarer Bestandsnachweise nun die verzeichneten Objekte selbst zu digitalisieren, wurde um das Jahr 2000 zum nächsten zentralen Entwicklungsziel der deutschen Bibliotheken (Altenhöner u. a. 2014). Zuerst innerhalb ihrer Abteilung „Deutsche Fotothek“ baute auch die SLUB planvoll ein leistungsstarkes Digitalisierungszentrum auf (Bove 2004). Scanroboter und Auflichtscanner für die massenhafte Digitalisierung von Drucken sowie vielfältige Spezialgeräte für besondere Informationsträger und Formate oder besonders sensible Bestände gewährleisten heute, dass nahezu sämtliche Medientypen im Haus hoch professionell bearbeitet werden können. Das Dresdner Digitalisierungszentrum dient dem Bestandsaufbau der SLUB, sollte aber von Beginn an auch speziell für kleinere sächsische Einrichtungen wertvolles Kulturgut bearbeiten sowie als Kompetenz- und Beratungszentrum für alle Fragen der Digitalisierung fungieren. In begrenztem Umfang hatte die SLUB daher bereits vor dem Start eines offiziellen Landesdigitalisierungsprogramms entsprechende Objekte aus Chemnitz, Görlitz oder Glashütte berücksichtigt und mit Provenienzvermerken jeweils innerhalb ihrer Digitalen Sammlungen präsentiert. Im Interesse einer möglichst selbsttragenden Entwicklung entschied sich die Bibliothek beim Aufbau ihres Digitalisierungsworkflows bewusst gegen den anderenorts öfter bevorzugten, „in jeder Hinsicht bequemeren und sichereren Einstieg“ (Syré 2012, S. 179) mit einer kommerziellen Lösung, sondern investierte von Beginn an weniger in Sachleistungen an externe Wissensträger als in den internen technologischen Knowhow-Aufbau. Dabei war auch die Überzeugung leitend, dass angesichts der vielfältigen Herausforderungen der digitalen Informationsinfrastruktur und des damit verbundenen Aufgabenwandels ein entschlossener Umbau des tradierten Personalkörpers und die Heranbildung von Datenformat-, Webdesign- und Content Management-Spezialisten ohnehin unausweichlich sein würden (Bonte 2014). Zur Workflow-Unterstützung und Präsentation der Digitalisate setzt die SLUB seit 2007 deshalb die Softwaresuite „Goobi“ ein, die sie bis heute mit anderen Anwendern kooperativ weiterentwickelt. Goobi ist quelloffen, plattformunabhängig und lizenzkostenfrei und ermöglicht Digitalisierungsprojekte in großen wie kleinen Bibliotheken, Archiven, Museen und Dokumentationszentren. Die Software ist flexibel für sehr unterschiedliche
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Digitalisierungsstrategien und skalierbare Geschäftsmodelle geeignet und wird gegenwärtig bereits in rund fünfzig europäischen Wissenschafts- und Kultureinrichtungen benutzt (Bonte und Kluge 2008; Bonte 2012). Mit der Gründung eines gleichnamigen gemeinnützigen Vereins erhielt die Anwendergemeinschaft von Goobi im September 2012 eine verlässliche Struktur und ein nachhaltiges Release Management. Im Sommer 2015 umfassten die Digitalen Sammlungen der SLUB über 100.000 digitalisierte Handschriften, Notenautografe und Drucke, 20.000 Tonaufnahmen sowie rund 1,6 Millionen grafische Objekte (Fotos, Karten, Zeichnungen). Nach der Bayerischen Staatsbibliothek ist die SLUB unter den deutschen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen damit der zweitgrößte Content Provider für die Deutsche Digitale Bibliothek, die Europeana und andere Aggregatoren. Die medientypologische Vielfalt der präsentierten Objekte ist dank der frühzeitigen Bearbeitung von grafischen Medien und Tonträgern deutschlandweit unübertroffen. Verfügbare digitale Kollektionen wie die „Meilenblätter von Sachsen 1780–1806“, die „Sächsischen Landtagsprotokolle 1831–1952“, die historischen Adressbücher und Stadtpläne Sachsens oder das „Archiv der Stimmen“ der Königlichen Hofoper bilden auch unter inhaltlichem Aspekt eine hervorragende Startmenge für das sächsische Digitalisierungsprogramm und zeigen im Übrigen, dass der gelegentlich konstruierte Gegensatz zwischen „Massendigitalisierung“ und „Qualitätsdigitalisierung“ (Dreis 2012, S. 89) de facto keineswegs bestehen muss. Mit ihrem besonders wertvollen Altbestand engagierte sich die Universitätsbibliothek Leipzig bislang bevorzugt auf dem Gebiet der Digitalisierung von Handschriften und frühen Drucken. Zu nennen sind etwa das internationale Kooperationsprojekt „Codex Sinaiticus“, die Digitalisierung der Leipziger Papyrussammlung oder mehrere Projekte der Bibliothek zur Digitalisierung von mittelalterlichen Handschriften im Rahmen ihrer Funktion als eines von sechs DFGgeförderten deutschen Handschriftenzentren. Die Leipziger entschieden Anfang 2015, künftig ebenfalls mit Goobi zu arbeiten, was die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden größten sächsischen Bibliotheken künftig noch leichter macht. Die Universitätsbibliothek in Freiberg hatte sich bereits 2012 zum selben Schritt entschlossen und ist aktuell mit mehreren Kollektionen zu Bergbau und Hüttenwesen online, darunter zum Beispiel 220 historische Risse sächsischer Grubenanlagen (Löwe 2014). Die Geschichte zuverlässiger Langzeitarchive für digitale Objekte ist noch ein wenig jünger als die der systematischen Retrodigitalisierung. In einigen Regionen scheint sie gar kaum begonnen zu haben. Während eine professionelle redundante Speicherung digitaler Objekte im aktuellen Format (Bitstream Preservation) wohl meist erreicht ist, fehlen weithin Verfahren, die die Interpretierbarkeit
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der Inhalte über längere Zeiträume sicherstellen (Content Preservation). Digitale Langzeitarchivierung im strengen Sinn umfasst indes neben technischen Maßnahmen zum Erhalt der Korrektheit auch bibliothekarische und technische Maßnahmen zur nachhaltigen Interpretierbarkeit digitaler Dokumente. Auf der Grundlage internationaler Forschungsprojekte, Prototypen und Standards wurden in den letzten Jahren erste entsprechende Langzeitarchive etabliert. Produktiv sind inzwischen zum Beispiel die Deutsche Nationalbibliothek, die Bayerische Staatsbibliothek und – seit Ende 2014 – auch die SLUB (Bonte und Berthold 2013). Die retrodigitalen Sammlungen und der Publikationsserver der SLUB umfassen derzeit ein Datenvolumen von rund 200 TB. Nach gründlicher Prüfung der verfügbaren Optionen hat die Bibliothek die Langzeitarchivierungslösung Rosetta der Firma Ex Libris eingeführt. Während sie selbst für Software und Workflowmodellierung verantwortlich zeichnet, wird die IT-Infrastruktur für das Produktivsystem vom Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) der TU Dresden betrieben. Im Zuge des Landesdigitalisierungsprogramms erweiterte die SLUB 2015 ihre lokale Rosetta-Lizenz auf eine Landeslizenz. Da der Betrieb eines echten Langzeitarchivs personell wie sächlich höchst aufwändig ist und wohl auch mittel- und langfristig nur von wenigen Leistungszentren gemeistert werden kann, will die SLUB im Rahmen von Absprachen mit anderen öffentlichrechtlichen Anbietern künftig auch überregional Langzeitarchivierungsdienste anbieten. Angestrebt wird, innerhalb eines Leistungsverbundes Langzeitverfügbarkeit ein abgestimmtes Angebot von passgenauen Dienstepaketen für verschiedene Systeme, Sparten und Fächer zu erbringen – von der Beratung, über die Validierung digitaler Dokumente oder der Einrichtung einer manuellen Übergabe bis hin zur Implementierung einer automatisierten Archivierungslösung. Hinsichtlich der Goobi-Anwendergemeinschaft ist das Ziel bereits greifbar nahe: Das professionelle Zusammenspiel der beteiligten Komponenten Goobi.Production und Goobi.Presentation sowie der Goobi-Workflow im SLUB-Langzeitarchiv wurden erst kürzlich erfolgreich mit dem Data Seal of Approval ausgezeichnet, einem auf internationalen Vereinbarungen beruhenden, grundlegenden Zertifikat im Bereich der digitalen Langzeitarchivierung.
3 Eckpunkte des sächsischen Landesdigitalisierungsprogramms Auch in Sachsen resultierten die Ergebnisfortschritte bis 2015 überwiegend aus erfolgreichen Drittmitteleinwerbungen, namentlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Bürger 2011; Bürger 2013), hinsichtlich der technologi-
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schen Verbesserung der Informationsinfrastruktur zudem aus EFRE-Mitteln. Angesichts von Produktionskosten zwischen ca. 50 Euro und 150 Euro pro Band, je nach Umfang und Erschließungstiefe, sowie einem zu Anfang des Jahrzehnts geschätzten gesamtdeutschen Investitionsbedarf von über 30 Millionen Euro pro Jahr (Gesamtkonzept Informationsinfrastruktur 2011, S. 38) war jedoch früh klar, dass diese Fördermittel kraftvoll flankiert werden müssten, wenn die Transformation der gedruckten Überlieferung in vertretbarer Zeit realisiert werden sollte. Unter Verweis auf die Bedeutung der Aufgabe, das große Engagement der DFG und die notwendige Festigung der überregional beachteten Aufbauerfolge konnte der Generaldirektor der SLUB das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) im Frühjahr 2014 für eine planungssichere Mitfinanzierung aus Landesmitteln gewinnen. Mit der Verabschiedung des Landeshaushalts 2015/16 sowie einer zwischen dem SMWK und der SLUB abgestimmten Verfahrensrichtlinie wird das sogenannte „Landesdigitalisierungsprogramm für Wissenschaft und Kultur des Freistaates Sachsen“ seit Mai 2015 operativ vorangetrieben. Die Fortsetzung des Programms in den Haushaltsjahren 2017/18 ff. ist vorgesehen. Da es in ganz Deutschland bislang kaum gelungen ist, „nachhaltige und vor allem langfristig finanzierte Programme zur Digitalisierung von Kulturgut in Bibliotheken, Archiven und Museen ins Leben zu rufen“ (Altenhöner u. a. 2014, S. 775), ist Sachsen dank dieser politischen Entscheidung eines der ersten Bundesländer mit einer verbindlichen Unterstützung und Koordination von Digitalisierungsprojekten. Mit der „Servicestelle Digitalisierung“ am Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik hatte 2012 schon Berlin diesen Weg eingeschlagen. Während sich die Berliner Initiative durch einen ausdrücklich spartenübergreifenden Ansatz auszeichnet und in einem antragsbasierten jährlichen Förderprogramm mit Fachjury vollzieht, erprobt Sachsen bis auf Weiteres einen sehr pragmatischen Weg und weist der Staatsbibliothek auch stärker projektstimulierende, inhaltlich auswählende und andere aktiv gestaltende Funktionen zu. In konsequenter Verfolgung der Grundidee für das wissenschaftliche Bibliothekswesen (Bonte und Linek 2008) wird obendrein der strukturbildende Aspekt beachtet, der darauf zielt, landesweit künftig möglichst einheitliche Werkzeuge zur Produktion, Präsentation, Langzeitarchivierung und Weiterverarbeitung (Volltexterkennung, Volltextindexierung, Social Tagging u. a.) von Digitalisaten einsetzen zu können. Mit zusätzlichen Haushaltsmitteln in Höhe von jeweils 2,5 Millionen Euro wird der Freistaat 2015 und 2016 in drei Aktionslinien den Wandel zur digitalen Wissensgesellschaft vorantreiben. Erstens soll die kooperative Lizenzierung digitaler Medien gestärkt (Erwerbungskonsortium der sächsischen Hochschulbibliotheken), zweitens die retrospektive Digitalisierung von bedeutenden analo-
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gen Medien ausgebaut, drittens die Langzeitverfügbarkeit der digitalen Objekte gesichert werden. Erklärtes Ziel der Landesregierung ist, mit der signifikanten Steigerung von frei zugänglichen digitalen Volltexten die Bekanntheit des sächsischen Kulturerbes zu mehren, Wissenschaft, Forschung und kulturelle Bildung zu unterstützen sowie die Kooperations- und Drittmittelfähigkeit der sächsischen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen weiter zu verbessern. Im Interesse maximalen Servicenutzens sollen im Bereich der Retrodigitalisierung nicht nur gemeinfreie, sondern auch urheberrechtlich geschützte Objekte bearbeitet werden können. Aus demselben Grund können prinzipiell auch Einrichtungen profitieren, die nicht in Landesträgerschaft stehen. Eine Digitalisierung ist zudem nicht nur für Drucke und Handschriften möglich, sondern zum Beispiel auch für audiovisuelle Medien wie etwa Zelluloidfilme, Glas- oder Schellackplatten. In jedem Fall werden ausreichende Metadaten und hinreichende Digitalisierungsfähigkeit aus konservatorischer Sicht vorausgesetzt. Für die technischen Standards der Projekte gelten die DFG-Praxisregeln „Digitalisierung“ in ihrer jeweils aktuellen Fassung. Neben der Einbindung der Digitalisate in eigene Oberflächen willigt die besitzende Institution in die integrierte Präsentation der Objekte aus dem Landesdigitalisierungsprogramm sowie in die Bereitstellung für die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), Europeana und vergleichbare Aggregatoren ein. Die digitalen Werke werden – soweit möglich – unter einer offenen Lizenz publiziert. Mit der Koordination des Landesdigitalisierungsprogramms ist die SLUB beauftragt, die die Mittel verwaltet und in Absprache mit dem SMWK sowie in engem Kontakt mit Fachgremien wie der Konferenz der sächsischen Bibliotheksdirektorinnen und -direktoren auch deren bedarfsgerechte Verteilung auf die drei Aktionslinien steuert. Die Koordinierungs- und Servicefunktionen entsprechen dem gesetzlichen Auftrag der SLUB und fußen auf den langjährigen Erfahrungen in allen drei Arbeitsbereichen. Die Bibliothek verfügt über skalierbare Digitalisierungs- und Langzeitarchivierungsworkflows, leitet das Erwerbungskonsortium der sächsischen Hochschulbibliotheken und kann mit ihrer bereits 1996 eingerichteten „Landesstelle für Bestandserhaltung“ auch die Beachtung konservatorischer Aspekte sowie im Einzelfall notwendige flankierende Maßnahmen zum Originalerhalt wertvoller Objekte gewährleisten (Schäfer und Vogel 2014). Die Digitalisierung der ausgewählten Objekte wird bevorzugt von Dienstleistern auf der Basis von Goobi durchgeführt. Ausnahmen gelten zum Beispiel für die wertvollen Handschriftenbestände in Leipzig, da die Universitätsbibliothek selbst über das notwendige Spezialgerät verfügt, oder für besonders schwierige Materialien, die in der SLUB digitalisiert werden. Unter den Dienstleistern sind besonders Generalunternehmer gefragt, die neben dem eigentlichen Scanprozess jeweils vor Ort auch an der Projektvorbereitung und Goobi-Workflowmodel-
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lierung mitwirken. Die Belastbarkeit dieser Methode wird gegenwärtig im Wege von Entwicklungspartnerschaften erprobt und soll anschließend als Rahmenvereinbarung offen ausgeschrieben werden.
4 Erste Maßnahmen Bei der Umsetzung des Programms stützt sich die SLUB auf bewährte Hilfsmittel und Strukturen. In Erweiterung der hausinternen Koordinierungsstelle für die Digitale Bibliothek wurde eine Geschäftsstelle eingerichtet, die interessierte Einrichtungen beraten, die Erarbeitung der konkreten Projekte begleiten und bei der Auftragsvergabe und Workflowmodellierung mitwirken kann. Die Geschäftsstelle hat erste informierende Webseiten publiziert sowie eine Checkliste entwickelt, mit der Interessierte die grundsätzliche Eignung des gewünschten Objekts bzw. ihrer Sammlung für das Digitalisierungsprogramm selbst einschätzen können. Auf den Seiten werden künftig auch sämtliche realisierten Projekte aufgelistet und beschrieben. Weitere Vorbereitungen betrafen die Lizenzerweiterung für die Langzeitarchivierungslösung Rosetta für ganz Sachsen, Hardwareinvestitionen im Dresdner Digitalisierungszentrum sowie die Erarbeitung eines Personalkonzepts für die in der SLUB zu beteiligenden Expertenteams (Goobi-Workflow, Strukturmetadaten/OCR u. a.). Während die Möglichkeiten zur Massendigitalisierung von Drucken im Bereich der gemeinfreien Werke für die SLUB bereits weitgehend ausgeschöpft sind, bieten vor allem die Bestände der Universitätsbibliothek Leipzig auf diesem Gebiet noch interessante Chancen. Kurz nach Programmstart richten sich die inhaltlichen Vorbereitungen zur Retrodigitalisierung daneben zum Beispiel auf die extrem gefährdeten Filme des Tanzarchivs Leipzig. Ferner werden die historischen Landtagsakten geprüft, die die bereits digitalisierten Landtagsprotokolle 1831–1933 ergänzen sollen, sowie einige große sächsische Zeitungen, die aus dem Mikrofilmarchiv der SLUB digitalisiert werden können. Darüber hinaus sind bedeutende Musikhandschriften und -drucke angefragt, die sich zum Teil bereits als Depositalbestand in der SLUB befinden, schließlich der Lusatica-Bestand der Oberlausitzischen Akademie der Wissenschaften in Görlitz sowie Materialien der Fachhochschulbibliothek Zwickau zur Geschichte der Textilindustrie. Inwiefern sich alle genannten Projekte noch 2015 zumindest anschieben lassen werden, wird die nähere Zukunft zeigen. Ziel ist freilich, schon Ende des Jahres erste Referenzprojekte zu haben, um den hohen Wert des Landesdigitalisierungsprogramms rasch zu veranschaulichen.
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5 Perspektiven Das sächsische Landesdigitalisierungsprogramm wird in Wissenschaft und Öffentlichkeit wirken, verspricht aber auch für die Gedächtniseinrichtungen selbst drei wesentliche, nachhaltige Erträge: Erstens können der Anteil digital verfügbarer Objekte rascher vermehrt, zweitens die Standardisierung von Datenformaten und Geschäftsprozessen im Land gefestigt bzw. ausgebaut und drittens Interesse und Verständnis für Aufgaben der digitalen Informationsinfrastruktur angeregt werden. Darüber hinaus sind zusätzliche Impulse für verbesserte Verfahren zur Informationsrecherche und -visualisierung vorstellbar. Im Zuge der breiten Bemühungen, aus den Reproduktionen von Texten nicht dauerhaft nur Bilder, sondern leicht prozessierbare Texte herzustellen (Federbusch und Polzin 2013), sollen die Digitalisate so weit wie möglich als Volltexte indexiert bzw. recherchiert werden können. Die SLUB begleitet entsprechend engagiert die Förderinitiative der DFG zur Weiterentwicklung von Verfahren für die Optical-Character-Recognition (OCR) und wird noch 2015 ihr Präsentationsmodell in Goobi voll für die wahlweise Anzeige von Bild- wie Textdateien ausgebaut haben. Die Recherche der Volltexte wird durch laufende Projekte zur quelloffenen Entwicklung von Datenmanagement-Werkzeugen und Discovery-Software unterstützt, die die SLUB und die Universitätsbibliothek Leipzig mit anderen, dezidiert an offenen Systemen interessierten Einrichtungen vorantreiben. Im Wege der Datenintegrations- und modellierungslösung „d:swarm“ und bereits publizierter, nicht kommerzieller Discovery-Oberflächen (VUFind – „finc“ (Leipzig) bzw. TYPO3 – „SLUB-Katalog“) sollen Daten aus unterschiedlichsten Quellsystemen auf einfache Weise und in hoher Qualität miteinander verknüpft und angereichert werden. Ziel ist die Herstellung eines spezifischen Wissensgraphen, der Kataloge und Präsentationssysteme versorgt und zugleich als Linked Open Data zur Nachnutzung bereitsteht (Lohmeier 2015). Das Digitalisierungsprogramm bietet schließlich auch Anreize für den Ausbau von Citizen Science-Konzepten, die speziell für Landesbibliotheken und Wissenschaftliche Stadtbibliotheken neue Horizonte öffnen könnten. Als Citizen Science oder Bürgerwissenschaft werden wissenschaftsrelevante Projekte bezeichnet, die unter Mitwirkung von interessierten Laien vorankommen – sei es durch Sammeln oder Anreichern von Daten (Crowdsourcing), sei es durch qualifizierte Formulierung von Forschungsfragen und Erarbeitung von Methoden (Finke 2014). Beliebte Arbeitsfelder von Citizen Science sind etwa Genealogie und Heimatkunde oder Naturschutz und Denkmalpflege: sämtlich Bereiche, für die das Landesdigitalisierungsprogramm ohne Zweifel neue Materialien verfügbar machen wird. Welche konkreten Herausforderungen aus einzelnen Projekten der Entwicklung von Digitalisierungs- und Präsentationssoftware, Recherchefunkti-
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onen oder Citizen Science-Konzepten im Detail zusätzlichen Schwung verleihen werden, bleibt abzuwarten. Gewiss ist freilich schon heute, dass das neue Programm auch unter dieser Perspektive die historische Chance für einen weiteren, kräftigen Entwicklungsschub für die sächsische Informationsinfrastruktur bietet.
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Abbildungen
Abb. 1: Digitale Sammlungen.
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Abb. 2: Deutsche Fotothek.
Abb. 3: Kartenforum.
Abb. 4: Archiv der Stimmen.
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„I have a dream …“ – Bibliothek der Zukunft 1 Modell „Bibliothek“ Haben Bibliotheken überhaupt eine Zukunft, so dass es sich lohnt, zur Bibliothek der Zukunft weitere Überlegungen anzustellen? Elmar Mittler hat unlängst zwei Beiträge zum Thema „Vernetzung von Bibliotheken“ (Mittler 2012) und „Forschungsbibliotheken“ (Mittler 2014) veröffentlicht und darin eine historische Perspektive für Bibliotheken aufgezeigt, die von der alexandrinischen Bibliothek bis zur Bibliothek als Teil des Internets reicht. Dabei sind durch die Epochen des Wandels von Medien und Technik hinaus die Konstanten des Modells „Bibliothek“ gut erkennbar: Sammlungen begründen und ausbauen, Sammlungen aufbereiten und erschließen, Sammlungen dauerhaft zur Verfügung stellen und archivieren. Mit anderen Worten: Das Modell „Bibliothek“ ist ein Jahrtausende altes „Open-Access-Portal“ für diejenigen, die Bibliotheken brauchen und nutzen, und zugleich eine Institution, die als öffentliches Gedächtnis das Wissen der Menschheit aufbewahrt und zur Verfügung stellt. Auf das Verständnis von „Offenem Zugang“ komme ich später nochmals zurück. Denn zunächst ist notwendig, die Beständigkeit des Modells „Bibliothek“ zu erklären. Die Erfindung der Bibliothek ist nicht weniger epochal wie die des Rades. Rad und Achse steigerten die Beweglichkeit der Menschheit bis zum heutigen Automobil unter Einschluss aller Entwicklungen der mit dem Automobil verbundenen Infrastruktur: Vom geebneten, später mit Kopfstein bepflasterten Weg bis hin zur mehrspurigen Autobahn. Steht das Rad für Beweglichkeit, ist es Beständigkeit, die Bibliotheken in einem doppelten Sinne charakterisiert: Beständigkeit im Sinne von „bestehen“ als verlässlicher Hort schriftlicher Überlieferung und im Sinne von „Bestand“, der diesen Hort mit Sammlungen schriftlicher Wissensgüter füllt. Der Mut zur Beständigkeit, der zugleich der Mut des Bewahrens ist, liegt in der Bereitschaft, nicht permanent im Scheinwerferlicht der Aktualität zu stehen, sondern vielmehr als Gedächtniseinrichtung die Voraussetzungen zu schaffen, die zur Weiterentwicklung des Wissens und der Wissensgesellschaft ebenso konstituierend wie unerlässlich sind. Hin und wieder fällt das Rampenlicht doch auf Bibliotheken und verdeutlicht, dass die Wissensgüter, die heute als Schätze des kulturellen Erbes große Wertschätzung finden, ebenso „Gebrauchsgüter“ waren, wie es die Wissensgüter von heute sind, denen perspektivisch dieselbe Bewunderung zukommen kann, sofern ihrer dauerhaften Aufbewahrung und Nutzung nicht das Bedarfsprinzip und die daran gekoppelte „Wirtschaftlichkeitsmystik“
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entgegenstehen. Denn der Maßstab der Wirtschaftlichkeit ist sicher nicht immer, doch immer wieder und vor allem im Kontext mit Kulturgütern an das Kriterium unmittelbarer Nutzbarmachung gebunden, das – wie unmittelbare Bedarfsorientierung auch – jeden Weitblick verengt, der für die Aufbewahrung und die langfristige Verfügbarkeit von kulturellem Erbe zwingende Voraussetzung ist. Um Bibliotheken und ihre Sammlungen zu bewahren und zu entwickeln, ist deshalb immer wieder aufs Neue Mut erforderlich – „bibliothekarischer“ Mut ist gerade heute wie auch künftig wichtiger denn je!
2 The Multi-User Driven Library Doch ist die Bibliothek der Zukunft wirklich nicht mehr als das Ergebnis einer evolutionär verlaufenden Weiterentwicklung, die mit allen sie begleitenden, technischen Umbrüchen das bestehende Modell „Bibliothek“ gar nicht in Frage stellt? Spätestens mit dem Automobil hat das Rad seinen „eigenen“ Antrieb erhalten, der die ihm zugeführte Energie selbst in Bewegung verwandelt, doch das Rad in seiner Funktion und Wirkung weder in Frage stellt noch verändert hat. Gilt dies auch für Bibliotheken und welche Veränderungen ihres „Antriebs“ stehen Bibliotheken noch bevor? Vielleicht lässt sich der in der Digitalisierung der Medien begründete Transformationsprozess mit technisch geprägten Begriffen besser beschreiben als mit bibliothekarischen Termini. Für das Dienstleistungsspektrum von Bibliotheken, bei dem gedruckte – analoge – Medien im Mittelpunkt stehen, spielt das „Backend“ von Bibliotheken eine entscheidende Rolle. Dort sind Bestands- und Sammlungsentwicklung mit allen Formen der Akquisition lokalisiert, dort finden die Aufbereitung und Zugänglichmachung erworbener Literatur mit Hilfe der Katalogisierung statt, und aus dem Backend der Magazine heraus erfolgt die Nutzung und die langfristige Verfügbarkeit. Die Logistik digitaler Ressourcen stellt sich vollkommen anders dar (Degkwitz 2012 und Ernst 2015). Mit ihrer Freischaltung sind lizenzierte E-Books und E-Journals unmittelbar verfügbar und zugänglich. Ein Backend wie physische Magazine, in die lizenzierte Materialien überführt werden müssen, ist weder für ihre Nutzung noch für ihre Archivierung erforderlich. Elektronische Bücher und Zeitschriften befinden sich meistens schon vor ihrer Lizenzierung – und auch im Kontext ihrer Archivierung – im WEB, sind aber im Regelfall erst auf der Grundlage von Lizenzvereinbarungen und darauf beruhender Freigaben für Nutzerinnen und Nutzer zugänglich. So gesehen, sind es die digitalen Ressourcen, die aufgrund ihrer Spezifika zu einer neuen bibliothekarischen Logistik führen. Denn wie z. B. die seit einigen Jahren eingeführten Beschaffungsverfahren zu „patron
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driven acquisitions“ zeigen, erfolgt bei diesem Modell die Beschaffung nicht mehr im Backend, sondern geht von der Nutzerschnittstelle, dem Frontend, aus. Nutzerinnen und Nutzer recherchieren im Index des Discovery-Systems ihrer Bibliothek, das institutionsseitig noch nicht lizenzierte Inhalte zugänglich macht. Per Nutzer-Mausklick können im nächsten Schritt die Lizenzierung der „Treffer“ und damit deren dauerhafte, institutionsbezogene Zugänglichkeit ausgelöst werden. Das Szenario gibt zu erkennen, dass die Beschaffung digitaler Inhalte vom Backend an das Frontend verlagert wird und zugleich als vernetzte Aktivität der „patrons“ erfolgt. Ein weiteres Beispiel ist das Metadatenmanagement für E-Books, das ganz anders als die traditionelle Katalogisierung erfolgt. So werden die „single items“ großer E-Book-Pakete meistens nicht mehr manuell als monographische Entitäten nach den geltenden Regelwerkstandards erfasst. Sondern die jeweils mitgelieferten Metadaten, die sich auf das „single item“ sowie auf dessen „chapter“ beziehen, werden in die Indices der jeweils eingesetzten Discovery-Systeme eingespielt und sind damit für Recherche und Zugriff verfügbar. Statt feldbezogener Einträge in eine Datenbank, werden vorhandene Metadaten „google-like“ in den Indices aggregiert und in diesen Indices mit Verfahren der Volltextrecherche durchsucht. Zugleich sind bei digitalen Ressourcen mit den Rechercheergebnissen auch die gesuchten „items“ selbst zugänglich. Darüber hinaus können die in die Indices eingespielten Metadaten angereichert, kontextualisiert und zusätzlich aufbereitet werden. Denn mit Hilfe technischer Verfahren, die manuelle Erfassungsarbeiten in Katalogdatenbanken ersetzen, lassen sich Metadaten in entsprechend konfigurierten Indices – weitgehend automatisiert – aggregieren, aufbereiten und anreichern. Die genannten Beispiele zeigen, dass bibliothekarische Aufgaben, die für die Bearbeitung analoger Medien nahezu ausschließlich an der Mitarbeiterschnittstelle im Backend ausgeführt werden, für digitale Ressourcen zunehmend an der Nutzerschnittstelle im Frontend erfolgen. Von daher können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bibliotheken die Bearbeitung digitaler Inhalte bzw. deren Metadaten mehr und mehr an das Frontend verlagern, wo sie mit ihren spezifischen Aufgaben dann wie die Nutzerinnen und Nutzer von Bibliotheken als „patrons“ agieren. Wenn auf diese Weise kooperatives, interaktives und vernetztes Arbeiten von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mit Nutzerinnen und Nutzern auf- und ausgebaut wird, ist eine Integration der bibliothekarischen Infrastruktur in die Arbeitsstrukturen der Nutzergruppen erreicht, die in dieser Intensität nur mit digitalen Materialien möglich ist und die sich von den Kollaborationsmöglichkeiten mit analogen Medien signifikant unterscheidet. Vermutlich sollten die Nutzergruppen des Frontends gar nicht mehr als „patrons“, sondern besser als „multiusers“ bezeichnet werden. Mit dieser Bezeichnung wird verdeutlicht, dass die
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Akteure im Frontend sowohl Ressourcen bearbeiten als auch Ressourcen nutzen. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bibliotheken bearbeiten nicht nur Ressourcen, sondern nutzen sie auch, wenn es z. B. um Maßnahmen zur Identifizierung von Materialien oder um die Bereitstellung von Informationsdiensten – z. B. Alert- oder Push-Services – geht. Zugleich könnten Nutzerinnen und Nutzer künftig auch bibliothekarische Aufgaben übernehmen, indem sie die Metadaten zu digitalen Inhalten wie Artikel, Blogs, Digitalisate, E-Books, E-Journals, Forschungsdaten, Kursmaterialien, Open-Access-Publikationen, Wikis etc. selbst in die Indices der bibliothekarischen „search engines“ einspielen und damit diese Inhalte bzw. die Zugänge zu diesen Inhalten in den Bibliotheksbestand überführen. In weiteren Schritten können diese Metadaten dann angereichert, aufbereitet und in vielerlei Hinsicht kontextualisiert werden. Mit „multi-user driven acquisition“, „multi-user driven collection building“, „multi-user driven indexing“, „multi-user driven funding“, „multi-user driven availability“ können nicht nur viele Aufgaben im Backend der Bibliotheken an ihr Frontend verlagert werden. Darüber hinaus werden vollkommen neue Kollaborations- und Kooperationsmodelle zwischen Bibliotheken und Nutzern möglich, die in dieser Form mit analog verfügbaren Inhalten nicht vorstellbar sind. Doch bevor näher auf die organisatorischen Herausforderungen dieses „Zusammenspiels“ eingegangen wird, soll aufgezeigt werden, was künftig im Backend verbleibt. Das sind zum einen die Hard- und Softwareressourcen, die alle Aktivitäten am Frontend technisch ermöglichen und unterstützen. Zum anderen ist im Backend das Management der Bibliothek lokalisiert, das auf Basis der jeweils geltenden „policies“ die Mitwirkungs- und Nutzungsbedingungen schafft, um (1) die „multi-users“ mit den für sie notwendigen Bearbeitungs- und Nutzungsrechten zu versehen, um (2) die zur Verfügung stehenden „funds“ zu administrieren und um (3) mit der Bereitstellung von Mehrwertdiensten Einnahmen zu generieren. Wie unten aufgezeigt wird, kann es dabei z. B. um die Finanzierung von Anreicherungen im Kontext von Metadaten oder um die Deckung von Kosten für die Aufbereitung langfristig zu archivierender Objekt- oder Textbestände gehen. In einem fortgeschrittenen digitalen Kontext zeichnet sich also für das Backend und Frontend von Bibliotheken eine vollkommen neue Gewichtung ab. Zugleich wird damit eine starke Verzahnung von Bearbeitungs- und Nutzungsprozessen möglich. Wie lässt sich die „multi-user driven library“ organisieren? Welche Anforderungen und Zielsetzungen müssen für ein solches Szenario realisiert werden können? In einer ersten Annäherung kommen folgende Ansätze dafür in Betracht: (1) Akquirieren und Sammeln: Jedem ist mit unterschiedlichen Rechten möglich, Inhalte bzw. Zugänge zu Inhalten – gleich welcher Provenienz – in den Bestand der Bibliothek zu überführen. Dies erfolgt durch Einspielen der Metadaten dieser Inhalte in den Index der „search engine“. Das Spektrum
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der Inhalte umfasst alle Formate und Typen digitaler Sammlungsobjekte bis hin zur Computer-Simulation. (2) Aufbereiten und Erschließen: Jedem ist mit unterschiedlichen Kompetenzen – und von daher auch unterschiedlichen Rechten – möglich, Metadaten aufzubereiten, mit weiteren Referenzen (Master- und Normdaten, Metadaten zu „related objects“) anzureichern und semantisch zu kontextualisieren. Auf diese Weise lassen sich in Zusammenarbeit mit den Nutzerinnen und Nutzern auch fach- oder gruppenspezifische Indices „kundenorientiert“ generieren. (3) Nutzung und langfristige Verfügbarkeit: Jedem ist mit unterschiedlichen Rechten und Rollen möglich, Nutzung, Zugänglichkeit und Verarbeitung akquirierter Ressourcen bis hin zu „time limits“ ihrer Verfügbarkeit zu definieren. Die in diesem Kontext relevante Vergabe von Rechten und Rollen beruht auf den „policies“ der Bibliothek. Grundsätzlich gilt eine Verfügbarkeit nach den Prinzipien des „offenen“ Zugangs. Die Lizenzierung vor allem kommerzieller Inhalte und Objekte erfordert die Finanzierung von Nutzung und Weiterverarbeitung. Für die Langzeitarchivierung gibt es eine von der Bibliothek getragene Grundleistung. Darüber hinausgehende Leistungen verbinden sich mit „service fees“. (4) Finanzierung: Jeder darf als „owner“ unterschiedlich ausgestatteter „funds“ die Beschaffung oder Lizenzierung von Inhalten oder Objekten ermöglichen. Im Unterschied zur bisherigen Praxis muss mit diesen „funds“ allerdings auch die „maintenance“ der beschafften Ressourcen gedeckt werden können (Metadaten, Verfügbarkeitslevel, Archivierung etc.), sofern dies nicht „in Eigenregie“ geschieht. Nur so ist gewährleistet, dass die jeweils geforderten Aufbereitungs- und Verfügbarkeitslevels nachhaltig ausfinanziert sind. Die skizzierte Weiterentwicklung hat zur Folge, dass sich das Metadatenmanagement vollkommen anders als bisher gestaltet und durch Aufbereitung, Referenzierung und semantische Kontextualisierung deutlich erweitert werden kann; mit der traditionellen Katalogisierung haben diese Verfahren nur noch wenig zu tun. Eine weitere Konsequenz dieser Entwicklung ist die enorme Ausdehnung des Spektrums der in den Bestand eingehenden bzw. zugänglichen Objekte, die über Texte hinaus ein breites Spektrum unterschiedlicher Datenbestände umfasst: Audios, Bilder, Digitalisate, Messdaten, Simulationen, Videos etc. Wie schon erwähnt, kommt es zu einer stärkeren Kooperation und Vernetzung zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Nutzerinnen und Nutzern, indem die „multi-users“ am Frontend deutlich stärker als bisher interagieren. Diese Kooperation sowie weitere Kooperationen mit Partnern lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Infrastruktureinrichtungen sind Voraussetzung für die Verfügbarkeit künftiger Services, die sich primär als vernetzte Angebote verstehen.
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Eine unerlässliche Voraussetzung sind nicht zuletzt Qualifizierung und Schulung der „multi-users“, indem vorhandene Expertise durch informationswissenschaftliches Know-how deutlich ergänzt und das Spektrum der Informationskompetenz signifikant erweitert wird. Einen besonders hohen Stellenwert wird die langfristige Verfügbarkeit und Archivierung haben, da jede Form von Nachhaltigkeit nur auf diese Weise gewährleistet werden kann.
3 Enhanced Publications Über die veränderte Logistik digitaler Bibliotheken hinaus hat sich mit der elektronischen Veröffentlichung von Forschungsergebnissen auch die Logistik von Publikationen gewandelt. Diese Entwicklung hat mit der Produktion von E-Books und E-Journals bereits eingesetzt und wird sich künftig noch intensivieren, indem die Potenziale des digitalen Publizierens im Sinne von „enhanced publications“ sehr viel stärker ausgenutzt werden, als dies mit PDF-Publikationen gegenwärtig erfolgt. Text oder Dokument, die das analoge Publikationsparadigma prägen, erweisen sich in digitalisierter Form als Objekte, die Ausgabeformate binär codierter Zeichenfolgen und damit Daten bzw. Datenbestände sind, so dass sich diese Objekte elektronisch verarbeiten und mit weiteren Datenbeständen anreichern lassen. Der Wandel von definierten, abgeschlossenen Texten zu Objekten, die verlinkt und vernetzt werden können, führt zu neuen Formen der Produktion, der Verbreitung, der Rezeption und der langfristigen Verfügbarkeit digitaler Veröffentlichungen. Die Aufbereitung dieser Ressourcen erfolgt auf der Grundlage der schon genannten Verfahren des Metadatenmanagements, die sich bei Materialien, die sich im Besitz der Bibliothek befinden, leichter einsetzen lassen als bei kommerziell lizenzierten Ressourcen. In beiden Fällen wird deutlich, dass die digitalen „items“ stets in Verbindung mit ihren Metadaten der „Nachweis“ sind – eine Trennung zwischen Metadaten und Objekten existiert nicht mehr. Eine große Herausforderung ist in der langfristigen Verfügbarkeit digitaler Objekte zu sehen, die unmittelbar in die Verantwortung von Bibliotheken fällt. Denn dabei geht es nicht nur um den Aspekt der sicheren Aufbewahrung und der Wiederauffindbarkeit, sondern langfristige Verfügbarkeit digitaler Inhalte umfasst auch die Strukturierung und Referenzierung der Materialien. Auf diese Weise wird die Weiterverarbeitung der auf Dauer verfügbaren Inhalte im Kontext von Forschungsvorhaben erleichtert. Durch diese Form der Bereitstellung von digitalen Objekten, die zudem auch semantisch kontextualisiert und verlinkt werden können, wird in Verbindung mit Diensten und Werkzeugen eine Arbeitsumgebung für digitale Forschung geschaffen, wie sie schon jetzt in virtu-
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ellen Forschungsumgebungen wie „TextGrid“ besteht. Mit dem weiteren Auf- und Ausbau solcher Arbeitsumgebungen wird es zu disziplinspezifischen Unterschieden kommen. Entscheidend ist, dass solche Arbeitsumgebungen aufgrund der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit zu den jeweils benötigten und entsprechend aufbereiteten Inhalten am besten in Bibliotheken beheimatet sind und sich deshalb zur zentralen Dienstleistung der Bibliothek der Zukunft entwickeln. Vor diesem Hintergrund wird die Publikation von Forschungsergebnissen nochmals stärker als bisher von den Prinzipien des freien und offenen Zugangs geprägt. Schon heute bieten Bibliotheken als Infrastruktureinrichtungen den offenen Zugang zur Information und erweisen sich damit als Open-Access-Portale, auch wenn die eindeutige Mehrheit der von Bibliotheken zur Verfügung gestellten E-Books und E-Journals nicht als Open-Access-Publikationen verfügbar sind. Doch dies wird sich ändern, weil Forschungsergebnisse, die nach den Prinzipien des Open Access veröffentlicht werden, über den freien Zugang hinaus deutlich bessere Nachnutzungs- und Weiterverarbeitungsoptionen bieten als kommerziell lizenzierte Veröffentlichungen. In wissenschaftlichen Arbeitsszenarien, in denen die Potenziale der Anreicherung, Interoperabilität, Verarbeitbarkeit und Verlinkung von Inhalten und Objekten ausgeschöpft werden sollen, ist Open Access unerlässlich und geradezu zwingend. Ob dabei Bibliotheken und Verlage als Dienstleister für Open-Access-Publizieren weiterhin eine wichtige Rolle spielen, wird von der künftigen Qualität ihrer Beratungs- und Serviceleistungen abhängen. Wie wissenschaftliche Autorinnen und Autoren die künftige Veröffentlichungspraxis von Forschungsergebnissen als „enhanced publications“ sehen, zeigen die Ergebnisse des mit DFG-Mitteln geförderten Projekts „Future Publications in the Humanities“ (Fu-Push). In der ersten Projektphase wurden qualitative Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete der Geisteswissenschaften sowie mit Vertretern der akademischen Infrastruktureinrichtungen geführt, die sich in folgender Weise zusammenfassen lassen: (1) Die PDF-Datei als digitales Nachfolgeformat gedruckter Veröffentlichungen wird nicht als optimale Form für digitales Publizieren betrachtet. Hohe Relevanz haben Kontextualisierung wie Anreicherungen, Verlinkungen, Strukturierungen und die Integration von Forschungsdaten sowie hochgradig granulierte Referenzierbarkeit. (2) In den Geisteswissenschaften werden durchaus Möglichkeiten für die Präsentation von Forschungsergebnissen in Form von „enhanced publications“ gesehen. Doch neben finanziellen, rechtlichen und technischen Problemen bestehen Unsicherheiten in Hinblick auf Standards, Publikationsprozesse und Langzeitarchivierung.
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(3) Die Integration von Forschungsdaten spielt aktuell vor allem für Ergebnispublikationen von Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Digital Humanities eine zentrale Rolle, wobei es noch viele offene Fragen im Kontext der Nutzung von und des Umgangs mit Forschungsdaten gibt. Mit Blick auf das Publizieren werden einzelne Bestandteile oder Komponenten von Veröffentlichungen oft nur noch virtuell zu webbasierten Publikationsformen zusammengeführt. (4) Das Publizieren nach den Prinzipien des Open Access wird neben gesellschaftspolitischen Motivationen vor allem mit epistemischen, wissenschaftsinternen Motivationen im Sinne von Interoperabilität, Nachvollziehbarkeit, Verarbeitbarkeit und Zugänglichkeit begründet. Eingehend zu analysieren und zu prüfen sind in diesem Zusammenhang das Spektrum möglicher Finanzierungen für autoren- bzw. institutionenseitige Open-Access-Veröffentlichungen und Open-Access-Publikationsoptionen, die von Verlagsseite im Angebot sind. (5) Als offene Frage bleibt, welche Einrichtungen der Informationsinfrastruktur mit welchen Angeboten den Autorinnen und Autoren für die Beratung und Unterstützung digitaler Publikationsprozesse zur Seite stehen. Die bisher in diesem Kontext bestehende Rolle kommerziell agierender Verlage wird dabei eher kritisch gesehen. Bei Fragen zu Publikationsstandards und Langzeitarchivierung wird eher akademischen Infrastruktureinrichtungen vertraut. Die zu diesen Themen zusammengefassten Einschätzungen, die in den Naturwissenschaften sicher anders gewichtet werden, doch von den Einschätzungen der Geisteswissenschaften nicht grundsätzlich abweichen dürften, geben klar zu erkennen, dass digitale Kommunikations- und Publikationsstrukturen, die die Potenziale der Informationstechnologie und der neuen Medien nochmals stärker als bisher ausschöpfen, zu neuen Publikationskulturen führen. Anders gesagt, setzen Akzeptanz und Nutzung digitaler Informationsinfrastrukturen tief greifende Veränderungen existierender Publikationskulturen und bestehender Formen der Wissenschaftskommunikation voraus. Die im Wandel befindlichen Publikationskulturen wirken sich direkt und unmittelbar auf die Gestaltung der Serviceportfolios von Bibliotheken als Service- und Gedächtniseinrichtungen aus. Die langfristige Verfügbarkeit publizierter Forschungsergebnisse wird sich dabei als Alleinstellungsmerkmal der Bibliothek der Zukunft erweisen.
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4 Verteilte Sammlungen – Virtuelles Arbeiten Ob Bibliotheken eine Zukunft haben und auch in Zukunft eine Rolle spielen, kann vor dem Hintergrund der hier skizzierten Entwicklungen auf jeden Fall positiv beantwortet werden. Ja, Bibliotheken haben eine Zukunft und es wird eine Bibliothek der Zukunft geben. Denn auf das Modell von „Bibliothek“ kann im oben genannten, doppelten Sinn seiner Beständigkeit nicht verzichtet werden. Dabei ist festzustellen, dass die Zukunft bereits begonnen hat und perspektivisch die Entwicklung einer digitalen, vernetzten Arbeits- und Forschungsumgebung erwarten lässt, wie sie zum Beispiel mit „TextGrid“ kontinuierlich weiterentwickelt wird und nunmehr seit zehn Jahren zur Verfügung steht (Evolution der Informationsinfrastruktur). Dass sich dabei das Sammeln, das Aufbereiten sowie die kurz- und langfristige Bereitstellung neu gestalten, ist mit Sicherheit kein Indiz dafür, dass Bibliotheken ihrem Ende entgegensehen. Vielmehr ist dies der Hinweis darauf, dass sich die Kernprozesse der Bibliotheken neuen Rahmenbedingungen anpassen und verändert werden müssen, dass aber die Bibliothek als Modell für die Aufbewahrung und Vermittlung von Wissensobjekten auch künftig nicht in Frage steht. Insofern ist für die Zukunft der Bibliotheken und die Bibliothek der Zukunft festzuhalten, dass das Modell „Bibliothek“ für digitale Materialien nicht grundsätzlich neu zu entwickeln ist, im Hinblick auf seine Logistik und die daran geknüpften Kernprozesse und Services aber ganz anders als für analoge Materialien organisiert und weiterentwickelt werden muss. Darüber hinaus erfordern „enhanced publications“ als Inhalte künftiger Bibliotheksbestände neue und zusätzliche Serviceprozesse. Weitere Herausforderungen verbinden sich mit der dauerhaften Bereitstellung von Sammlungen digitaler Objekte und Publikationen, die ein breites Spektrum an Informations- und Medientypen umfassen und die in ihrer Multimedialität und Vernetzbarkeit Möglichkeiten der Aggregation und Aufbereitung bieten, die für analoge Sammlungen nicht vorstellbar sind. Angesichts dessen stellt sich allerdings auch die Frage, ob der bisher noch stark lokale Bezug bibliothekarischer Services im Zusammenhang mit der Bibliothek „vor Ort“ weiterhin zukunftsfähig ist. Verbinden sich mit Metadatenmanagement, Collection Development, Enhanced Publishing und Long Term Archiving im digitalen Paradigma nicht Prozesse, die am effektivsten kooperativ und vernetzt realisiert werden sollten? Das ist eindeutig zu bejahen. Denn die Verfügbarkeit dieser Dienste ist nicht mehr an einen Ort gebunden; zugleich dürfte ein ausschließlich ortsbezogener Betrieb dieser Services weder nachhaltig noch wirtschaftlich sein. Kollaboration der Akteure, Integration der Services, verteilte Kompetenz-Zentren und interaktive Vernetzung sind die Voraussetzungen für den Auf- und Ausbau digitaler Infrastrukturen, auf denen die Bibliothek der Zukunft beruht. Auf der
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Grundlage verteilter, digitaler Sammlungen erweist sich das Modell „Bibliothek“ dann als eine virtuelle Arbeitsumgebung, die orts- und zeitunabhängig verfügbar ist und den Zugriff auf vernetzte, web-basierte Daten-Hubs, Informationsplattformen, Medienarchive und Portale ermöglicht. Deutsche Digitale Bibliothek, Europeana, Google Scholar, HathiTrust, Internet Archive, Public Library of Science (PLoS), Wikipedia und viele andere Content-Plattformen weisen in die Richtung, in die sich die Weiterentwicklung der Bibliotheken absehbar bewegt. Denn digitale Medien, die angereichert, interaktiv und vernetzbar sind, erfordern ein Modell „Bibliothek“, dessen Logistik diesen Eigenschaften gerecht werden kann. Bibliotheken, die sich primär an analogen Materialien orientieren, können das nicht. „I have a dream …“ – Bibliothek der Zukunft: Das ist die interaktive, kollaborative, „multi-user driven library“ im WEB.
Bibliographie Degkwitz, Andreas. 2012. Texte, Daten, Bilder – Wissen! Bibliothek, Forschung und Praxis 36, 215–219. Ernst, Wolfgang. 2015. Memorisierung des „Web“ – Von der emphatischen Archivierung zur Zwischenarchivierung der Gegenwart. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 62. 144–152. Mittler, Elmar. 2012. Wissenschaftliche Forschung und Publikation im Netz. Medienkonvergenz – Transdisziplinär, – hg. v. Stephan Füssel, 32–80. Berlin: De Gruyter. Mittler, Elmar. 2014. Nachhaltige Infrastruktur für die Literatur- und Informationsversorgung: im digitalen Zeitalter ein überholtes Paradigma – oder so wichtig wie noch nie? Bibliothek, Forschung und Praxis 38 (3). 344–364. Evolution der Informationsinfrastruktur. Kooperation zwischen Bibliothek und Wissenschaft. Hg. Heike Neuroth, Norbert Lossau, Andrea Rapp. Erschienen im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums der Abteilung Forschung und Entwicklung der SUB Göttingen. Verlag Werner Hülsbusch. 2013. Glückstadt. 368 S. mit Abb. Fu-PusH: http://www.ub.hu-berlin.de/de/ueber-uns/projekte/fu-push-1/dfg-projekt-futurepublications-in-den-humanities-fu-push – https://blogs.hu-berlin.de/fupush/- https:// blogs.hu-berlin.de/fupush/upload_fupush/2015/03/Fu-PusH_Poster_Berlin.pdf
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Kulturerbe im digitalen Zeitalter – Übersicht über die Aktivitäten der Universitätsbibliothek Tartu Der Status als Universitätsstadt hat den Anlass gegeben, von Tartu liebevoll als von dem akademischen Juwel des Baltikums (Garber 2007) und „Embach-Athen“1 zu sprechen. Auch die Universitätsbibliothek hat dabei eine Rolle gespielt. In Anbetracht ihrer alten Buch-, Handschriften-, Karten-, Noten-, Foto- und Kunstbestände ist die Universitätsbibliothek Tartu (UB Tartu) eine bedeutende Kulturschatzkammer nicht nur in Estland, sondern auch im europäischen Kontext.
1 Die historischen Sammlungen im Überblick Die Altbestände der Universitätsbibliothek (UB) Tartu sind systematisch durch die für die Wissenschaftsgeschichte wichtigen Werke aller Fachgebiete ergänzt worden. Es gibt zahlreiche Erstdrucke der zur Klassik der Wissenschaft und Literatur gehörenden Werke und Ausgaben aus Offizinen der berühmten Drucker des 15. bis 17. Jahrhunderts, wie Frobenius, Elzevier, Manutius, Plantin u. a. In den Altbeständen dominieren deutschsprachige Ausgaben und Werke (60–70 Prozent), weil Deutsch bis 1895 die offizielle Unterrichtssprache an der Universität Tartu war. Eine wesentliche Rolle spielte hier zweifellos auch das hohe Niveau der deutschen Wissenschaft, weshalb die Literatur hauptsächlich aus Deutschland beschafft wurde. Bis zur Ausrufung der Estnischen Republik dominierte die deutsche Sprache auch in der Druckproduktion Estlands. Die bis Mitte des 19. Jahrhunderts erschienenen estnischsprachigen Druckschriften, zu denen überwiegend geistliche und volksaufklärende Literatur gehörte, waren vorrangig an sozial und politisch unterdrückte, einfache Leserschichten gerichtet. Der Wandel der jeweils vorherrschenden lingua franca in der wissenschaftlichen Welt spiegelt sich auch in der sprachlichen Zusammensetzung der Altbe-
1 Den Kosenamen Embach-Athen verdankt Tartu der von der Universität ausgehenden akademischen Geistigkeit und der nach dem verwüstenden Brand im Jahre 1775 im klassizistischen Stil neu aufgebauten Stadtmitte. Übersetzung Aili Bernotas
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stände: 15. Jh. – 45 Bücher in Latein, 2 in Deutsch und 1 in Französisch; 16. Jh. – 76 Prozent in Latein, 20 Prozent in Deutsch, 4 Prozent in Französisch, Griechisch u. a. Sprachen, nationalsprachige Erstdrucke; 17. bis 18. Jh. – 75 Prozent auf Deutsch.2 Wie in jeder anderen jahrhundertealten Bibliothek haben Privatbibliotheken einen besonderen Stellenwert in der Bestandsgeschichte der UB Tartu. Gestützt auf Archivquellen kann man mit einiger Sicherheit behaupten, dass durch Kauf, Geschenk oder im Wirbel politischer Veränderungen mehr als 100 Privatbibliotheken – entweder vollständig oder in Teilen – an die UB Tartu gelangt sind (Tankler 1995). Als Beispiele seien hier genannt: Das Geschenk von Gräfin Maria Aurora v. Lestocq aus Kurland (ca. 330 Bde. von erdkundlicher, historischer, aufklärerischer und religiöser Literatur), die Sammlungen des Vizekurators der Universität Baron Johann Friedrich Emanuel von Ungern-Sternberg, des Gutsbesitzers Johann Gustav von Loewenwolde, des Generalsuperintendenten Christian David Lenz, des örtlichen Historikers und Sammlers Johann Friedrich Recke, die Sammlung von Weltkarten und erdkundlicher Literatur des hannoverschen Staatsmannes und Gelehrten Dietrich Heinrich Ludwig von Ompteda, sowie Johann Gottfried Herder3 und dem Polyhistor Konrad Gessner gehörende Bücher. Von den als Geschenk übergebenen Privatbibliotheken werden die Bibliotheken der Professoren der Tartuer Universität Karl Morgenstern und Johann Emanuel Ferdinand Giese sowie die Bibliothek des Kurators Friedrich Maximilian Klinger, die Kollektion der Bibeln und theologischen Literatur von Pastor Gustav Bergmann, die Bibliothek des Naturwissenschaftlers Karl Ernst v. Baer, die Bibliothek des russischen Bibliophilen Alexandr Neustrojew und die von dem Flügeladjutant Pavel Aleksandrov4 gestiftete Büchersammlung als einheit-
2 Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa. Bd. 7.2. Hildesheim et al 1998, S. 103 – 104. 3 Die UB Tartu erwarb auf der Auktion der Bibliothek J. G. Herders 500 Bücher, von denen wegen des Schiffbruchs nur 170 Bände eingetroffen waren. Die Herder gehörenden Bücher wurden nach dem Inhalt in verschiedenen Abteilungen untergebracht. Etwa 100 Werke, die zu identifizieren möglich waren, sind in den Raritätenbestand umgestellt worden. 4 Pavel Alexandrov, außerehelicher Sohn von Großfürsten Konstantin, des Bruders des Zaren Alexander I., schenkte die von seinem Vater geerbte Bibliothek den Universitäten Tartu und Helsinki. Die Sammlung Alexandrovs bestand aus zwei Bibliotheken: aus den Bibliotheken von Johann Albrecht Korff (1697 – 1766; Präsident der Petersburger Akademie der Wissenschaften) und von Grigorij Orlov, Favorit der Kaiserin Katharina II. von Russland. Für Tartu wurden juristische, historische, philosophische und diplomatische Literatur sowie die das Est-, Liv- und Kurland betreffenden Handschriften ausgewählt. Es gibt auch die den Zaren Paul I. und Alexander I. gehörenden Bücher. – N. Vorobjova. 1995. Vom Zarenhof in die Tartuer Bücherschätze. Ausstellung in der Universitätsbibliothek Tartu Dezember 1995 – März 1996: Ausstellung und Katalog. Tartu.
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liche Memorialsammlungen in der UB Tartu aufbewahrt (insgesamt 14 Memorialsammlungen5). In der Handschriftensammlung (ca. 50.000 Einheiten), die überwiegend Nachlässe der Lehrkräfte und Wissenschaftler der Universität Tartu umfasst, finden sich auch westeuropäische und orientalische illuminierte Handschriften und Urkunden, zahlreiche baltische Rechts- und Geschichtsquellen sowie andere kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Manuskripte. Heute befindet sich das älteste bekannte schriftliche Zeugnis der estnischen Gedächtnisinstitutionen in der UB Tartu; das sind einige Seiten der berühmten Alkuin-Bibel aus dem 8./9. Jahrhundert, die sich vor einigen Jahren unter noch nicht bearbeiteten, mittelalterlichen Pergamentfragmenten befanden. Unter den Handschriften befinden sich vorrangig historische Briefsammlungen. Der wechselseitige Briefwechsel von Gelehrten war bis ins 19. Jahrhundert hinein das zentrale Kommunikationsmittel für Darstellung und Erörterung von Forschungsergebnissen und -ideen. Ein Beweis für das steigende Interesse an den Briefnachlässen sind zahlreiche in der Bibliothek eingegangene Nachfragen außerhalb Estlands. Auch an der Tartuer Universität gibt es mehrere Forschungsgruppen, für die diese Briefbestände eine wesentliche Quelle sind. Schätzungsweise gibt es an der UB Tartu vom 16. Jahrhundert bis heute etwa 12.000 Briefe. Die umfangsreichsten Briefbestände sind: – Die Autographensammlung des Archivars der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und Konservators der Ermitage in St. Petersburg Friedrich Ludwig Schardius (1795–1855), die er 1852 der Universität Tartu anlässlich des 50. Jahrestages ihrer Wiedereröffnung geschenkt hat. Die Kollektion blieb zu ihrer Ergänzung, bis zum Tod des Schenkers, in dessen Besitz und kam 1856 nach Tartu. Die Sammlung enthält Briefe, Brieffragmente, Autogramme und in Einzelfällen weitere, handgeschriebene Schriftstücke von 2.920 Personen – darunter Schriftsteller, Musiker, Schauspieler, Staatsmänner, Feldherren aus dem 16. Jahrhundert bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von den Gelehrtenbriefen sind zahlreiche Schreiben an die Präsidenten, Sekretäre und Mitglieder der Akademie der Wissenschaften vorhanden. – Der Briefwechsel von Karl Morgenstern (ca. 5.000 Briefe, Briefentwürfe und Regesten). Seine Korrespondenzen erstrecken sich de facto über ganz Europa (Karl August Böttiger, Johann Wolfgang von Goethe, Johannes Daniel Falk u. v. a.). Über den akademischen Kontext hinaus kommunizierte er intensiv mit der deutsch-baltischen Gesellschaft vor Ort. In seinen Briefwechseln und
5 Memorialsammlungen in der UB Tartu http://www.utlib.ee/index.php?e_id=12&p_id2=212&s_ id=217
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Tagebucheintragungen gibt es Angaben über seine Kontakte zu estnischen Vertretern von Aufklärungsideen wie August Wilhelm Hupel, Karl Gottlob Sonntag, Garlieb Merkel, Otto Wilhelm Masing, Johann Heinrich Rosenplänter, Johann Philipp von Roth u. a. Vom Standpunkt der estnischen Kulturgeschichte sind die Tagebücher aus Morgensterns Tartuer Periode (1802–1852) besonders wichtig, in deren Eintragungen auch das damalige Literatur-, Musik- und Kunstleben seinen Ausdruck findet. – Die Briefsammlung (ca. 3.000 Briefe aus dem 16.–18. Jahrhundert) des Oberpastors der Rigaer Petrikirche Immanuel Justus von Essen (1719–1780), die die Bibliothek 1806 als Geschenk erworben hat. Die Kollektion beinhaltet sowohl Einzelbriefe als auch längere Korrespondenzen von herausragenden, historischen Persönlichkeiten wie Philipp Melanchthon, Martin Schookius, Gottfried Cundisius, Leonhard Euler, Johann Christoph Gottsched, Gottfried Wilhelm Leibniz, Georg Philipp Telemann u. a. – Drei Briefbände und zwei Vorlesungskompendien aus dem Nachlass von Immanuel Kant. Letzteres hat Benjamin Jäsche, Professor für Philosophie und Kant-Schüler, 1802 nach Tartu gebracht. Jäsche war einer der engsten Kollegen des großen Gelehrten geworden, der ihm das Publizieren seiner Vorlesungen über Logik und Methaphysik anvertraute. Durch das Zusammentreffen verschiedener Umstände konnte Jäsche diesen Auftrag jedoch nicht erfüllen. Als er 1806 für längere Zeit nach England reiste, übergab Jäsche Kants Briefe an Morgenstern, in dessen Besitz sie über Jahrzehnte blieben, bis sie zusammen mit seinem handschriftlichen Nachlass in die Bibliothek gelangten. Während der Katalogisierung von Morgensterns Briefsammlungen kam der bisher unbekannte Entwurf eines Antwortbriefs von Kant an seinen Schulfreund David Ruhnken zutage, der vermutlich 1771/1772 in Königsberg verfasst worden war (Rand 2006 und 2007). – Das Familienarchiv der schwedischen Feldherren und Staatsmänner Pontus (1520–1585), Jakob (1583–1652) und Magnus (1622–1682) de la Gardie, das die in ihrem Besitz gebliebene militärische-, diplomatische und administrative Korrespondenzen aus den Jahren 1571–1653 (1695) enthält. Das etwa 3.000 Briefe umfassende Archiv ist eine wertvolle Quelle für die Forschung der schwedisch-russischen Beziehungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts und der politischen Probleme des Dreißigjährigen Krieges. Im 19. Jahrhundert sind zwei Kataloge dieses Tartuer Archivs erschienen (Lossius 1882). Den wertvollsten Teil der Kunstsammlung (ca. 15.000 Einheiten) bildet die mehr als 10.500 Blätter umfassende Graphik- und Zeichnungssammlung aus dem 15.–19. Jahrhundert, in der sowohl die Werke deutscher, niederländischer, italienischer, französischer, englischer als auch deutsch-baltischer Künstler enthalten
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sind. Die ältesten Blätter stammen von Albrecht Dürer und Martin Schongauer. Die Attraktivität der Graphiksammlung bestätigen Originalblätter von Lucas Cranach jun., Heinrich Aldegrever, Lucas van Leyden, Marcantonio Raimondi, Rembrandt u. v. a. namhafter Künstler. Den Schwerpunkt der kleinen Gemäldesammlung (74 Werke) bilden fünf Porträtgemälde des deutschen Künstlers Franz Gerhard von Kügelgen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In der Fotosammlung (ca. 79.000 Einheiten) findet man mit den Vorgängern der Fotokunst, den Daguerrotypen und den von dem Engländer William Henry Fox Talbot gefertigten ersten Papierlichtbildern und Fotogravüren, echte Raritäten. Den Kern der ergänzten und sehr aktiv genutzten Sammlung bilden die Kultur- und Geistesgeschichte Estlands mit Porträtfotos und Aufnahmen zu historischen Ereignissen und Orten, die Leben und Geschichte der Universität Tartu widergeben.
2 Informationen zu den Sammlungen für alle zugänglich Heutzutage sind auch die Geisteswissenschaftler, die den überwiegenden Teil der Nutzer der Bibliotheken mit historischen Beständen bilden, gewohnt, notwendige Informationen für ihre Arbeit im Internet zu recherchieren. Dabei werden nicht nur Informationen zur Verfügbarkeit der benötigten Bücher, Handschriften, Fotos usw. in dem einen oder anderen Bestand erwartet, sondern oftmals auch das Dokument selbst als Digitalisat gesucht. Die Nutzer interessieren sich nicht nur für den freien Zugang zu Informationen, sondern auch für die – rechtlichen – Möglichkeiten eines freien Umgangs mit diesen Materialien im Zusammenhang mit ihren Forschungsvorhaben. Das erfordert von Bibliotheken und Gedächtnisinstitutionen neue Ansätze und Methoden der Bereitstellung und Zugänglichkeit von digitalisierten Sammlungen, um eine bessere Recherche und Verarbeitung dieser Materialien z. B. mit Hilfe von Text- und Data-Mining zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang spricht man aufgrund der Entwicklung der Informationsund Kommunikationstechnologie von einer „Wiederbelebung“ des kulturellen Erbes. Dieses Vorgehen zieht auch die UB Tartu in Betracht, damit ihre Bestände nicht zu versteckten Schätzen werden. Als erster Schritt auf diesem Weg wurde die elektronische Katalogisierung der alten Drucke und historischen Sondersammlungen in Angriff genommen. Die UB Tartu gehört zum Konsortium ELNET (Estonian Library Network Con-
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sortium6) und beteiligt sich seit 1999 an der Entwicklung des Online-Katalogs ESTER7. Die anfänglichen Verzögerungen aufgrund der Unsicherheit, ob das neue Informationssystem die Katalogisierung unterschiedlicher Materialien (Handschriften, Kunstwerke, Fotos etc.) unterstützen wird, haben sich schnell erübrigt. Die Möglichkeiten des Systems berücksichtigend, hat man auf die Zusammenstellung der Sonderkataloge verzichtet, so dass alle Belege in einem einheitlichen elektronischen Katalog beschrieben werden. Beim Übergang zur elektronischen Katalogisierung standen wir vor der prinzipiellen Frage, ob möglichst viele Aufnahmen mit vergleichsweise wenig Angaben (Akzentuierung der Quantität) der wissenschaftlichen Tiefenerschließung (Akzentuierung der Qualität) vorzuziehen sind. Wir haben uns für Letzteres entschieden. Die positiven Rückmeldungen von Forscherinnen und Forschern bestätigen die Richtigkeit dieses Entschlusses. Die Katalogisierung der alten Drucke erfolgt de visu mit dem Buch in der Hand; denn angestrebt wird, nicht nur das Vorhandensein des Druckes zu registrieren, sondern die Druckschriften auch möglichst umfassend zu beschreiben. Bei der Beschreibung werden Eintragungen, Besitznachweise (Stempel, Exlibris), Provenienzen und, wenn möglich, auch Erwerbungsvermerke erfasst und die Einbände beschrieben. Bei der Sacherschließung liegt das Estnische Schlagwortverzeichnis8 (Orts-, Zeit-, Form-, Sach-, Körperschafts- und Personenschlagwörter) zugrunde. Zur Erleichterung der Verwaltung der Bestände im Hinblick auf den zu planenden Umfang von Konservierungsmaßnahmen werden bei den Exemplardaten auch Angaben zum physischen Zustand (für Leser allerdings unsichtbar) eingetragen. Mit den derzeit verfügbaren Kapazitäten und Ressourcen wird die elektronische Katalogisierung der alten Drucke noch viele Jahre dauern. Bis dahin dient der digitalisierte alphabetische Zettelkatalog (Image-Katalog)9 als RechercheInstrument, das die bis 1945 erschienenen Bücher, Dissertationen, Sonderdrucke und Zeitschriften registriert. Während des Scannens blieb die Ordnung der Zettel (nach dem Regelwerk der Preuβischen Instruktionen aufgebaut) unverändert. Der Online-Katalog ESTER und der Image-Katalog enthalten auch Bedienungsanleitungen und ein entsprechendes „icon“, um bei der Titelaufnahme eine digitale Kopie des Buches bestellen zu können. Für das Angebot dieser Dienstleistung hat sich die UB Tartu dem auf Initiative der UB Innsbruck und
6 http://www.elnet.ee/ 7 http://www.ester.ee/ 8 http://ems.elnet.ee/ 9 https://www.utlib.ee/ee/kataloogid/sedelkataloog/
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mit Hilfe des Programms der Europäischen Kommission „Kultur“ geschaffenen Bibliothekennetzwerk „eBooks on Demand“ (EOD) angeschlossen10. Im Online-Katalog ESTER werden über Bücher hinaus auch die Handschriften, Fotos und die Objekte der Kunstsammlungen beschrieben. Die Autographensammlung von Fr. L. Schardius, Briefsammlungen von K. Morgenstern und I. J. Essen sind vollständig beschrieben und den Forschern auch digital zugänglich. Der Link neben der Katalogaufnahme öffnet die digitale Kopie des Briefes im PDFFormat11. Die Materialien in den Archiven der neueren Nachlässe werden gleich nach dem Ordnen sowohl auf der Ebene der Sammlungsaufnahme als auch nach Akten im elektronischen Katalog ESTER erfasst. Bei den älteren Archivbeständen stehen elektronisch publizierte Inventarverzeichnisse zur Unterstützung von Recherchen zur Verfügung, die sowohl über die bibliographische Beschreibung im Online-Katalog ESTER als auch via Homepage zugänglich sind12.
3 Digitale Bestände Bei der Entwicklung der digitalen Bestände stand die UB Tartu vor der Frage, wie sie das Thema am besten aufgreift: Raritäten bekannt machen oder Bedürfnisse der Wissenschaftler fokussieren? Letzteres wurden zur Priorität erklärt, und man begann mit der Digitalisierung von häufig genutzten Materialien der Brief- und Fotosammlungen; auch mussten die damals gegebenen technischen Möglichkeiten berücksichtigt werden. Als Ergebnis der in 2000 begonnenen Arbeit sind für Nutzerinnen und Nutzer neben dem Online-Katalog ESTER weitere drei Datenbanken erreichbar: Die Porträtdatenbank13, die westeuropäische, frühe Graphik14 und „Kunst und Künstler im Tartu des 19. Jahrhunderts“15. Mit der Datenbank „Kunst und Künstler im Tartu des 19 Jahrhunderts“ sind zwei virtuelle Ausstellungen verbunden, die die Schätze der Kunstsammlung der UB Tartu repräsentieren. Die Porträtdatenbank verfügt zur Erleichterung der Suche über eine eigene Benutzeroberfläche. Die Datenbank beinhaltet Porträts von Wissenschaftlern, Literaten, Staatsmännern und weiteren historischen Personen, die sich in der
10 http://books2ebooks.eu/ 11 Briefe an Karl Morgenstern http://dspace.utlib.ee/dspace/handle/10062/4897; Briefsammlung von I. J. v. Essen http://dspace.utlib.ee/dspace/handle/10062/4897 12 http://www.utlib.ee/index.php?mod=old&cat=db&sisu=isikud%e_id=12&p_id2=74 13 http://www.utlib.ee/ee/andmebaasid/portreed/ 14 http://www.utlib.ee/ekollekt/legraafika/ 15 http://www.utlib.ee/ekollekt/bskunst/
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Graphiksammlung, in der Gemäldesammlung und in der Fotosammlung befinden. Etwa 40 Prozent vom Gesamtumfang der Datenbank bilden die Porträts von Personen, die mit der Tartuer Universität in den verschiedenen Phasen ihrer Geschichte in Zusammenhang stehen. Bei der Entwicklung der digitalen Bestände ist die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Wissenschaftlern sehr wichtig. Zum Koordinieren der Digitalisierung, Aufbewahrung und Zugänglichmachen des kulturellen Erbes hat das Kulturministerium in 2004 den „Rat zur Bewahrung des Digitalen Kulturerbes“ eingesetzt. Von diesem Rat ist das „Planungskonzept zur Digitalisierung von Kulturerbe 2015–2020“ fertiggestellt geworden, gemäß dem bis 2020 rund ein Drittel des in Archiven, Museen, Bibliotheken aufbewahrten Kulturgutes in digitale Form überführt und die Beschreibungen der rund 1,3 Mio. Objekte als Open Data zugänglich gemacht werden sollen. Mit praktischen Fragen sind fünf Kompentenzzentren befasst, zu denen auch die UB Tartu gehört. In der Arbeitsverteilung der estnischen Gedächtnisinstitutionen hat die UB Tartu sich auf das Digitalisieren der Universitätspublikationen und der in Estland erschienenen nicht-estnischsprachigen Druckschriften (vor allem Periodika) konzentriert. In Zusammenarbeit mit den Fakultäten wurden zum 375-jährigen Jubiläum der Universität Tartu die Veröffentlichungen von acht namhaften Professoren digitalisiert; dazu gehören der Mineraloge C. von Grewinck, der Physiker Arthur von Oettingen, der Sprachwissenschaftler Jan Kvacsala u. a.16. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften der Universität Tartu wird derzeit am Projekt EEVA „Digitale Textsammlung älterer Literatur Estlands“17 gearbeitet, das die estnisch-, deutsch-, russisch-, lettisch-, französisch-, lateinisch- und griechischsprachigen Texte vom 13. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts umfasst. Originaltexte werden mit Verweisungen auf die Sekundärliteratur und einer Übersicht zum Leben und Werk des jeweiligen Autors ergänzt. Aktuell beinhaltet EEVA mehr als 6.500 Titel von 925 Autoren. Als Ergebnis des durch den Estnischen Wissenschaftsfond unterstützten Forschungsprojekts „Wasserzeichen und Geschichte des Papiers im frühneuzeitlichen Estland“ an der UB Tartu entstand die Datenbank „Frühdrucke Estlands“18, in der die Informationen über das Papier der in estnischen Bibliotheken, Archiven und Museen befindlichen Drucke der Tartuer Universität aus der schwedischen Zeit (allgemeine Qualität, eventuelle Herkunft, Wasserzeichen in jedem konkre-
16 http://dspace.utlib.ee/dspace/handle/10062/2804 17 https://search.books2ebooks.eu/ 18 http://paber.ut.ee/EN/vesimargid/
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ten Exemplar) erfasst sind. Die Aufnahmen sind mit den Datensammlungen des europäischen Bernstein-Projekts „The Memory of Paper“ verbunden.
4 Archivierung des Digitalbestandes Die große Menge von digitalisierten Materialien im PDF-, TIFF- und JPG-Format auf nur ungenügend gesicherten Web- und Fileservern und das Fehlen einer zeitgemäßen Administration und Archivierung der dort gehosteten Files erforderten ein geeignetes Repositorium, um die Digitalisate langfristig zur Verfügung stellen zu können. Weiterhin hat die Bibliothek zur Qualitätsverbesserung und Vergrößerung der Effektivität der Digitalisierung in 2007 einen Aufsichtsscanner (overhead scanner) beschafft. Zusätzlich stehen der Bibliothek zwei Scan-Roboter zur Verfügung. Bei der Planung ihres Repositoriums stand die Bibliothek vor dem Problem, die Software selbst zu entwickeln oder einzukaufen oder Open-Source-Software einzusetzen. Beim Vergleich verschiedener Anwendungen hat man sich für die in der Welt am weitesten verbreitete Open-Source-Software DSpace entschieden. Mit der Einführung des „Digitalen Archivs der Universität Tartu in DSpace“19 (DSpace) wurde zur Vermeidung von Doppelbeschreibung vereinbart, dass die Meta-Daten im Online-Katalog ESTER erfasst sind und das Dspace-Repositorium als Datenspeicher eingesetzt wird. Ein in die Software eingebautes Modul registriert URL-Verweisungen in dem System handle.net, mit dem die persistente Identifizierung von Materialien und Ressourcen im Internet gesichert wird, wie die Beispiele http://dsapce.utlib.ee/dspace/handle/10062/3 und http://hdl.handle. net/10062/5676 zeigen. Das Dspace-Repositorium unterstützt das OAI-Protokoll und kann so über weit verbreitete Suchmaschinen wie Google, BASE, Scientific Commons, DARTEurope recherchiert werden. Die digitalen Bestände der UB Tartu sind weiterhin über das Portal „The European Library“ (TEL) und über OAIster zugänglich. Zur Zeit umfassen die in DSpace archivierten Bestände der UB Tartu rund 29.000 Titel: Alte Drucke und Handschriften, Fotos, Graphiken, Zeichnungen, Gemälde, Exlibris etc. Inzwischen sind alle auf den Web- und File-Servern gehosteten Materialien in das Repositorium überführt worden. Wenngleich die Überführung von Files aus einer alten technischen Umgebung in eine neue Umgebung vergleichsweise leicht durchführbar erscheint, erweist sich die Überführung
19 http://dspace.utlib.ee
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(crosswalk) der Metadaten von MARC21 (ESTER) nach Dublin Core (DSpace) als deutlich aufwändiger. Darüber hinaus bietet DSpace als institutionelles Repositorium der Universität Tartu die Möglichkeit, Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeiten elektronisch zu publizieren (d. h. Hochladen und Beschreibung von Veröffentlichungen). Weiterhin wird DSpace vom Historischen Museum und vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität für die Archivierung digitaler Kopien ihrer Fotosammlungen genutzt. Schließlich werden in DSpace die elektronischen Versionen der an der Tartuer Universität verteidigten Dissertationen publiziert. Immer mehr gewinnt DSpace als Umgebung zum Publizieren von Konferenzmaterialen und elektronischen Lehrstoffen an Beliebtheit und Popularität. Zu einer wesentlichen Entwicklung für Wissenschaftler ist die von der Bibliothek verwaltete Umgebung der langfristigen Aufbewahrung von Forschungsdaten – DataDoi20 – geworden. Alle Datensammlungen werden mit einem Digital Object Identifier (DOI) versehen und sind über das internationale Portal DataCite21 zugänglich, dem sich die Universität Tartu in 2014 angeschlossen hat. Die Universitätsbibliothek Tartu koordiniert zudem die Arbeit des estnischen Konsortiums „DataCite Estonia“22 und berät die Wissenschaftler. Bedauerlicher Weise zeigen die Geisteswissenschaftler bisher noch kein sehr ausgeprägtes Interesse an der Veröffentlichung ihrer Forschungsdaten. Die für sie wichtigen Informationen über das eine Netzportal zu erhalten, dessen Aufbau als zentrale Komponente der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur mit finanziellen Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Estnische Republik unterstützt wird, liegt im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer. Das Portal „E-varamu“ (e-Schatzkammer), dessen Software das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse und Informationssysteme (IAIS) entwickelt, wird Ende des Jahres 2015 frei geschaltet. Im Rahmen dieses Projekts wurde auch in die notwendigen technischen Rahmenbedingungen zur Durchführung von Digitalisierungsmaßnahmen großer estnischer Gedächtnisinstitutionen investiert. Zugleich wird von staatlicher Seite der Ausbau der Archivierung digitaler Objekte als wichtiger Entwicklungsschritt der wissenschaftlichen Infrastruktur unterstützt. Die Bestände der UB Tartu sind fester Bestandteil des kulturellen Erbes Europas und Gegenstand europäischer Forschungsprojekte. Mit der Digitalisierung ihrer historischen Bestände schafft die Bibliothek einen deutlich verbesser-
20 http://datadoi.ut.ee/ 21 http://www.datacite.org 22 http://datacite.ut.ee/en/index.php
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ten Zugang zu diesen Beständen im Hinblick auf deren nationale und internationale Nutzung.
Bibliographie Garber, K. 2007. Baltisches akademisches Juwel. Das alte Dorpat. – K. Garber. Schatzhäuser des Geistes: Alte Bibliotheken und Büchersammlungen im Baltikum. Köln et al. 131–143. Tankler, H. 1995. Privatbibliotheken an der Universität Tartu/Dorpat im 19. Jahrhundert. In: Nordost – Archiv. Neue Folge, Bd. 4, H. 1. 213–239. Rand, M. 2006. Rara rarissima im Bibliotheksbestand: Die Tartuer/Dorpater Kantiana. In: Books and Libraries in the Baltic Sea Region form the 16th to the 18th Century. Tallinn. 93–109 Rand, M. 2007. Karl Morgenstern ja Tartu Kantiana. [Karl Morgenstern und Tartuer Kantiana] In: Tartu Ülikooli Raamatukogu aastaraamat 2004–2005 [Jahrbuch der Universitätsbibliothek Tartu 2004–2005]. Tartu. 156–175. Lossius, J. 1882. Die Urkunden der Grafen de Lagardie in der Universitätsbibliothek zu Dorpat. Dorpat; B. Cordt. 1894. Mittheilungen aus dem Briefwechsel des Grafen Jakob De la Gardie: nebst einem Anhang betreffend Correspondenzen des Grafen Johann Oxenstjerna. Leipzig. Ein Teil des Familienarchivs der Grafen de la Gardie befindet sich in der Universitätsbibliothek Lund und im schwedischen Reichsarchiv.
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Zukunftstüchtiger Bibliotheksbau – wie können Lessons Learned vor dem eigenen Bauen nutzbar gemacht werden? Die LIBER Architecture Group als Lernort Die Beschäftigung mit dem Thema Bibliotheksbau verbindet zumeist baufachliche Fragestellungen mit den bibliothekarischen Anforderungen an das Gebäude und seine technische Ausrüstung. Neue Bibliotheksgebäude und Nutzungskonzepte sind oft eine wesentliche und ergiebige Grundlage für das eigene Planen von Neu- und Umbauten bzw. Sanierungen – Lernen aus Beispielen erlaubt auf besonders anregende Weise, Vorstellungen zu entwickeln, zu präzisieren und zu überprüfen. Zudem bieten Beispiele den planenden Baufachleuten und den Bibliotheksfachleuten gute Möglichkeiten, eine gemeinsame Sprache zu finden und die unterschiedlichen Betrachtungsweisen verstehen zu lernen. Die LIBER Architecture Group (LAG)1, von Elmar Mittler begründet, bietet mit ihren Seminaren eine europäische Plattform zum Austausch für Bibliothekarinnen und Bibliothekare einerseits und Baufachleute andererseits. Impulsvorträge, Erfahrungsberichte und ein Besichtigungsprogramm ziehen stets zwischen 100 und 150 Teilnehmende an. Elmar Mittler organisierte ab 1980 die Seminare im Alleingang, 1996 dann zusammen mit Marie-Françoise Bisbrouck und ab 1998 mit einer rund zehnköpfigen Gruppe, deren Mitglieder aus vielen europäischen Ländern stammen und oft lange Jahre in der Gruppe mitarbeiten. Seit 1996 finden die Seminare regelmäßig alle zwei Jahre statt. Zudem erscheint seit 2000 zu jedem Seminar eine Dokumentation neuer Bibliotheksbauten in Europa.2 Jedes Mal werden mit-
1 Zur Geschichte der LAG vgl. die Geschichte von LIBER, an deren Anfängen bereits Vorläuferaktivitäten der LAG festzustellen sind – die allererste Konferenz, die LIBER – zusammen mit dem IFLA Buildings Committee – organisierte, thematisierte Bibliotheksbauten! Esko Häkli. 2011, Innovation through cooperation: the history of LIBER. Copenhagen: The Royal Library. Die Website der LAG versammelt Informationen über die Seminare (Programme, Vorträge), die die Gruppe seit 1996 in zweijährigem Rhythmus veranstaltet, über die Mitglieder der Gruppe und über die Dokumentationen zu neuen Bibliotheksbauten, die jeweils aus Anlass der Seminare erscheinen: http://147.88.230.242/liber-lag/[08.08.2015]. 2 Vgl. die Seite http://147.88.230.242/liber-lag/lagepub.htm der Website der LAG [08.08.2015]. Alle neueren Publikationen sind elektronisch als open-access-Publikationen zugänglich, einige können in gedruckten Ausgaben noch bestellt werden, und seit 2012 entstehen die Dokumentationen aus einer eigentlichen Datenbank, die von der Technischen Nationalbibliothek der Tschechischen Republik gehostet wird: http://liber-lag.techlib.cz/[08.08.15].
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hilfe eines standardisierten Fragebogens zwischen zwanzig und dreißig neue, umgebaute, renovierte Bibliotheken vorgestellt: rund 200 seit Beginn! Die Vorbereitung der Seminare führt die Mitglieder der Gruppe selbst regelmäßig in Städte, in denen neue Bibliotheken zu besuchen sind. So kommen sie neben der Arbeit auch zu Anschauungsunterricht zu den Themen, die für die Seminare aufbereitet werden. Auch diese Tradition hat Elmar Mittler begründet – er legte immer Wert darauf, nicht nur theoretische Programme in trockenen Sitzungen zu entwickeln, sondern neue Projekte konkret und detailliert kennen zu lernen und sie, wenn immer möglich, auch zu besichtigen. Auf diesem Hintergrund werden wir im Folgenden streiflichtartig einige Themen aus der Landschaft neuerer Bibliotheksbautätigkeit aufgreifen – schon diese Streiflichter vermögen wohl zu zeigen, wie wichtig und fruchtbar die Auseinandersetzung mit konkreten Beispielen ist!
Abb. 1: Website der LIBER Architecture Group LAG.
1 Leuchtturm versus Funktionsbau Bibliotheken erfüllen unterschiedliche Aufgaben, die durch ihre Träger vorgegeben sind. Aber gibt es deshalb den Gebäudetypus „Bibliothek“? Zum Beispiel assoziieren Architekten häufig den Ort „Bibliothek“ mit dem zentralen Lesesaal – bekannt ist beispielhaft die Stadtbibliothek Stockholm3 mit ihrer zentra-
3 Vgl. Fotos http://www.archdaily.com/92320/ad-classics-stockholm-public-library-gunnar-asplund [11.08.2015].
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len Rotunde (erbaut 1928 vom Architekten Gunnar Asplund). Ein Beispiel für die Moderne in Deutschland ist die Stadtbibliothek im Kulturzentrum Wolfsburg4, ein Bau von Alvar Aalto (eröffnet 1962), über dessen Sanierung und neuem Nutzungskonzept sehr lange diskutiert wurde. Im Oktober 2012 wurde dann die Verlagerung der Stadtbibliothek in einen Neubau vom Rat der Stadt Wolfsburg beschlossen, das Wettbewerbsergebnis liegt jetzt dazu vor.5 Das Gegenbeispiel dazu ist die Leselandschaft des Architekten Scharoun im Haus Potsdamer Straße der Staatsbibliothek zu Berlin. Neueste Beispiele lieferten etwa das Jacob-und-Wilhelm-GrimmZentrum der Humboldt-Universität zu Berlin (A. Dudler, 2011), allerdings hat auch dieses Gebäude neben dem ikonenhaften zentralen Lesesaal dezentral verteilte Leseplätze), gegen das Kaisa House, die neue Hauptbibliothek der Universität Helsinki im Stadtzentrum (Anttinen Oiva Architects; 2012), wo die Leseplätze bewusst über das ganze Haus verteilt und unterschiedlich ausgestattet sind.
Abb. 2: Kaisa House/Universitätsbibliothek Helsinki (Architekten Anttinen Oiva Architects) (Foto: Ulrich Niederer).
4 Das Kulturzentrum (zum 100. Geburtstag von Alvar Aalto 1998 umbenannt in Alvar-AaltoKulturhaus) umfasste damals die Stadtbibliothek, die Volkshochschule und Jugendfreizeitheim sowie eine Ladenzeile. 5 Das geplante Bildungshaus soll Volkshochschule, Stadtbibliothek, Medienzentrum und Sekundarstufe II der Neuen Schule Wolfsburg umfassen.
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Aber auch der Entwurf von Gebäuden unterliegt den sozialen Realitäten und den Gestaltungsvorlieben der Gesellschaft sowie dem daraus resultierenden Anspruch, sich als Institution verstärkt nach Außen darzustellen. Viele Bibliotheksgebäude sollen heute nicht nur den Funktionen genügen, sondern durch eine besondere Gestaltung als positive Symbolträger auch die Institution repräsentieren. Dabei entstanden gerade in den letzten Jahren aufsehenerregende Gebäude, die den Weg in die internationalen Architekturzeitschriften schafften und damit architektonisch das Bild der Bibliothek prägen. Als Beispiele seien hier aus Deutschland das IKMZ in Cottbus genannt. Hier schufen die Architekten Herzog & de Meuron aus Basel einen Identifikationspunkt (Eröffnung 2004). Beim Bau des neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien wurde der Ausbau der anderen Gebäude bewusst sparsamer geplant, damit der gewünschte Leuchtturm realisiert werden konnte: das Library and Learning Center der Architektin Zaha Hadid, London (Schlotthauer 2014). Schnell wurde das Gebäude, das im Oktober 2013 eröffnet wurde, ein Symbol für die Universität und Wien, z. B. wurde das Gebäude vom Fernsehen sogar beim Eurovision Song Contest 2015 als repräsentativer Ort für Österreich und Wien eingeblendet. Das damit verbundene Image nutzt die staatlich finanzierte Universität in der Konkurrenz um finanzielle Mittel und gute Köpfe. Mögliche Nachteile können dafür für die nutzende Einrichtung sein, dass beim eigentlichen Funktionskonzept Kompromisse zugunsten der gewählten architektonischen Form und Materialien zu machen sind. Es ist dabei auch kritisch abzuwägen, wie sich erhöhter Aufwand im Betrieb und Unterhalt im Verhältnis zum Imagegewinn darstellt. Andere spektakuläre, aktuelle Beispiele sind die Stadtbibliotheken in Seattle (USA)6 und in Birmingham (UK) (Brinkmann 2013) sowie, noch vor seiner Fertigstellung, der Urban Media Space Aarhus (DK) (Tinaztepe 2014).
2 Archivierung, verteilt oder zentralisiert, hilft der Benutzung Die Digitalisierung von Beständen fördert nachhaltig den Prozess, vor Ort in Innenstadtlagen oder auf dem begrenzten Universitätscampus sich neue Spei-
6 Rem Koolhaas ist der Architekt der Public Library in Seattle; sie wurde 2004 eröffnet. Die Architektur des Gebäudes steht für die Mission der Bibliothek, Leute, Informationen und Ideen zusammenzubringen. Sie war Vorbild für viele weitere Planungen. Vgl. die Website: https://en.wikipedia.org/wiki/Seattle_Public_Library für den Wikipedia-Eintrag [08.08. 2015].
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cherkonzepte zu erarbeiten und möglichst nur noch wirklich genutzte Bestände vorzuhalten. Durch veränderte technische Nutzungsmöglichkeiten kann mit einigen Jahrzehnten Verspätung vielleicht doch noch das alte Magazingutachten des Wissenschaftsrates in veränderter Form umgesetzt werden, wenn nicht die deutsche Urheberrechtsgesetzgebung hier zu große Hindernisse bei der Digitalisierung aufbaut. Europaweit lassen sich in diesem Prozess zwei Entwicklungsbestrebungen feststellen: zum einen Projekte zur verteilten Aufbewahrung von (vor allem gedruckten) Beständen, zum anderen die Verlagerung der älteren, weniger häufig genutzten Bestände in Außenlager außerhalb der teuren Stadtzentren. Die Projekte zur verteilten Aufbewahrung bezwecken aufs Kürzeste zusammengefasst die Sicherung des ‚letzten Print-Exemplars‘ von Zeitschriften durch Verteilung der Verantwortung für definierte Titel auf die teilnehmenden Bibliotheken. Auf diese Weise erlauben sie den am Projekt teilnehmenden Bibliotheken die sorgenfreie Entsorgung der selten gebrauchten Print-Bestände, für die sie nicht verantwortlich sind – nicht zuletzt, weil immer häufiger über back-files-Einkäufe auch die älteren Jahrgänge von Zeitschriften elektronisch zur Verfügung stehen. Projekte dieser Art finden sich in England (UK Research Reserve, UKRR)7, Holland, Österreich8, Frankreich9, Spanien10 und der Schweiz11. Die zweite Entwicklung, die Nutzung von Außenlagern, die nicht mehr in den innerstädtischen Zentren stehen, hat in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen, sowohl für einzelne Bibliotheken als auch in Konzentrierung für mehrere Bibliotheken gemeinsam.
7 Vgl. http://www.ukrr.ac.uk/[08.08.2015]. Auf der Website wird darauf hingewiesen, dass durch das Projekt bereits 11 km Regalböden freigemacht werden konnten. 8 Vgl. http://www.ubifo.at/sharedarchiving.html [08.08.2015]. Vgl. auch den folgenden Artikel, der einige der europäischen Initiativen sowie entsprechende Projekte in Australien und Neuseeland vorstellt: Shorley, Deborah, Daryl Yang, Brigitte Kromp und Wolfgang Mayer. 2015. Collections earning their keep: an overview of international archiving initiatives. 027.7 Zeitschrift für Bibliothekskultur. 3 (1): 30 – 46. http://www.0277.ch [08.08.2015]. 9 Vgl. https://www.ctles.fr/fr [08.08.2015]. 10 Vgl. http://www.csuc.cat/en/libraries-cbuc/cooperative-repository-gepa [08.08.2015]. 11 Vgl. http://www.kub-cbu.ch/projekte-projets/kooperative-print-archivierung-cooperationarchivage-des-per-imp/[08.08.2015] für die grundlegenden Dokumente.
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Abb. 3: Neubau der Kooperativen Speicherbibliothek Schweiz in Büron (Foto: Ulrich Niederer).
Mit beiden Maßnahmen können weite Flächen in Magazinbereichen entweder für bessere Freihandbestände oder auch für zusätzliche Flächen für Benutzende umgewidmet werden. Beispiele finden sich leicht, vor allem für die Platzgewinnung durch Außenlager, etwa in der Schweiz: die Universitätsbibliothek Bern, deren Zentralbibliothek momentan einer gründlichen Renovation unterzogen wird – die Magazinbestände sind in die großen Untergeschosse der (ebenfalls neuen) vonRoll-Bibliothek ausgelagert, an Ort stehen nur noch Lese- und Arbeitsmöglichkeiten mit einem umfangreichen Referenzbestand zur Verfügung (Lüthi 2014). Ähnlich in Luzern: die Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern wird demnächst ein Sanierungsprojekt ihres Hauptgebäudes starten, in dessen Verlauf alle sechs Geschosse des ehemaligen Magazintrakts in einen Publikumsbereich mit Freihandbeständen, Sondersammlungs-Ausstellungsflächen sowie Einzel- und Gruppenraum-Arbeitsmöglichkeiten umgewandelt werden. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Projekte, allen voran natürlich das neue Speichermagazin Friedrichshagen der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, das die räumliche und betriebliche Weiterentwicklung beider Standorte mit Fokus auf die Benutzerorientierung erlaubt (Lülfing 2015). Vergleichbar sind die bekannten Außenlager der Bodleian Libraries der University of Oxford, das 2010 in Betrieb genommen wurde, und der British Library in Boston Spa. Beide sind Hochregallager, aber während das Außenlager der Bodleian Libraries im – man ist schon
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versucht zu sagen: traditionellen – Stil des Harvard type-Lagers12 konstruiert ist, ist das ‚Additional Storage Building‘ der British Library automatisiert: Regalbediengeräte holen die Behälter, die das bestellte Buch enthalten, und bringen es an einen Kommissionierplatz außerhalb des eigentlichen Lagerbereichs, an dem das Magazinpersonal die bestellten Bücher entnimmt. Das erlaubt, im automatisierten, personenfreien Lagerbereich den Sauerstoffgehalt zu senken, so dass kein Feuer mehr entstehen oder sich ausbreiten kann – eine sehr effiziente und kostengünstige Art der Brandverhütung. In der Schweiz, im Kanton Luzern entsteht die Kooperative Speicherbibliothek nach den gleichen Konstruktionsprinzipien; sie wird vorerst fünf Bibliotheken13 als Außenlager dienen; das erste Modul kann drei Mio. Bände aufnehmen und damit die beteiligten Bibliotheken um 100 km Tablare entlasten. Die beteiligten Bibliotheken können auf diese Weise entweder Magazinneubauten vor Ort verhindern oder den gewonnenen Platz in Publikumsbereiche umnutzen.
3 Hochschullehre verändert sich – und damit die Lernräume! Hochschulen in Deutschland beschäftigen sich heute nach der Bologna-Umstellung auf die Bachelor-/Master-Abschlüsse zunehmend mit der Verbesserung der Lehre. Es gibt Programmförderlinien,14 die zusätzlich zu den Sondermitteln des Bundes hier mit erheblichen Mitteln neue Akzente setzen. Dabei stehen die Studienanfänger im Fokus, um die Abbrecherquoten gerade zum Studienanfang zu verringern. Zu Beginn des 17. Seminars der LIBER Architecture Group berichtete
12 Die Harvard University eröffnete 1989 nach detaillierter Planung für ‘high density storage’ das erste Hochregallager für Bibliotheksmaterial. Dieser Typ Lager hat Schule gemacht – inzwischen stehen wohl über 100 solcher Lager allein in den USA: in Industriegestellen von rund 10–14 m Höhe werden Bücher in Boxen von 45cm Länge und variabler Breite und Höhe gelagert; Magazinpersonal holt die bestellten Bücher mithilfe eines sog. ‘order pickers’, einem Fahrgerät, das zwischen den Gestellen zirkuliert, direkt aus den Behältern. 13 Die Öff. Bibliothek der Universität Basel, die Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, die Zentralbibliothek Solothurn, die Zentralbibliothek Zürich, und die Bibliotheken der Universität Zürich. – Die Kooperative Speicherbibliothek kann um drei Module gleicher Grösse erweitert werden und steht weiteren Partnern offen. 14 So warb die TUHH vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Rahmen des Förderprogrammes „Innovative Studieneingangsphase” Mittel für das Programm „mytrack” ein: in dem um zwei Semester verlängerten Bachelorstudium „Track 8” werden zusätzliche Lernangebote in Form von Tutorien und Projekten für Studierende angeboten.
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Prof. Kirsti Lonka, Pädagogin an der Universität Helsinki, über das „Innovative interdisciplinary design for learning spaces”. Zu Beginn stellte sie die interdisziplinäre „Teachers Academy“ der Universität vor, die sich speziell um die Fortbildung der Lehrenden kümmert. Die Mitglieder werden nach akademischen Regeln berufen. Sie erhalten dadurch eine bedeutende Anerkennung ihrer Verdienste in der Lehre. Als Anreiz erhalten die jeweils alle zwei Jahre neu berufenen Mitglieder ein zweijähriges Stipendium und ihr Institut jeweils zusätzliche leistungsbezogene Mittel. Ergänzt werden diese Anreize mit der Einrichtung eines multifunktionellen Raumes für die Lehre (Minerva Plaza), der unterschiedliche Möblierungsformen zulässt und mit der Software Flinga15 per WLAN verbunden ist.
Abb. 4: Learning HUB Greenhouse/Aalto University, Espoo, Finnland (Foto: Inken Feldsien-Sudhaus).
15 http://www.nordtouch.fi/„Flinga is a Finnish application that diversifies the interaction between a teacher and students in a classroom. By using Flinga students can easily produce content together directly via browser. The application provides an easy to use and versatile visualization tool for discussions, note-taking, as well as the general ideas.”
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Die Software ermöglicht es den Veranstaltungsteilnehmern, mit ihren eigenen Geräten wie auch mit zur Verfügung gestellten Tablet-PCs während des Vortrages anonym Einfluss auf das Vorgetragene zu nehmen, Fragen zu stellen, die dann optimalerweise von einer zweiten Person für den Vortragenden etwas sortiert bzw. aufbereitet werden und über die Projektion an die Wand allen zugänglich sind. Das Living Lab Minerva Plaza (Vaara 2015) wird besonders bei der Lehrerausbildung eingesetzt und liegt unmittelbar neben der Fakultätsbibliothek im Minerva Building. Insgesamt wird der Schwerpunkt mehr beim Blended Learning gesetzt und nicht beim E-Learning.
Abb. 5: Living Lab Minerva Plaza, Universität Helsinki (Foto: Ulrich Niederer).
4 Wann muss ich das Gebäude ertüchtigen? Wurde früher mehr auf die in der Bauphase entstehenden Investitionskosten geschaut, werden heute zunehmend auch die Betriebskosten sowie die Nachhaltigkeit der Materialien und der Konstruktion untersucht. Die sog. Lebenszykluskosten (Hellerforth 2006a) eines Bauwerkes berücksichtigen die Kosten der Bedarfs-Planung, der Erstellung des Bauwerks sowie der Inbetriebnahme und der Nutzungsphase. Es hat sich bei dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise heraus-
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gestellt, dass für öffentliche Gebäude wie auch Produktionsgebäude spätestens nach zehn Nutzungsjahren die Baufolgekosten die eigentlichen Herstellungskosten (Hellerforth 2006b) übersteigen. Der schnelle technologische Wandel prägt nicht nur die Gesellschaft und die Hochschulen. Auch bei der Technischen Gebäudeausrüstung TGA und dem Innenausbau einschließlich der Möblierung ist die Nutzungsdauer (Hellerforth 2006c) heute sehr begrenzt: – Nutzungsdauer ca. 50 Jahre: Tragwerk, Rohbau, Treppen, Installationsschächte, Aufzüge – Nutzungsdauer 15 – 20 Jahre: Gebäudetechnik, Innenausbau, Gebäudeautomation – Nutzungsdauer 3 – 6 Jahre: Zonierung/innere Aufteilung des Gebäudes, veränderte räumliche Anforderungen, Innenausbau, Möblierung
Abb. 6: Arbeiten in der Medizinischen Lesehalle, Universitätsbibliothek LMU München (Foto: Inken Feldsien-Sudhaus).
Als Beispiel für diese Entwicklung kann die Bibliothek der TU Delft gelten, die vom Architektenbüro Mecanoo geplant und im Jahr 1998 eröffnet wurde. Beim 15. LAG-Seminar im Jahre 2010 berichtete Wilma van Wezenbeek vom Umbau zum Library Learning Center. Die ursprüngliche Bibliotheksplanung hatte gut 10 Jahre Bibliotheksalltag bestanden, ab 2008 wurde neu geplant und umgesetzt. Die Bibliothek nutzte die Chance, frühzeitig in die generellen Überlegungen der
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Universität zur Schaffung von Lernräumen mit einbezogen worden zu sein und konnte sich in diesem Prozess gut positionieren. Im Fokus stand dabei zunächst der große gläserne Computer-Arbeitsraum und Gruppenarbeitsräume. In der Gesamtplanung waren dann viele Bereiche betroffen, auch organisatorische Regelungen z. B. für die Prüfungszeiten: – Möblierung: Stühle, Couches, Tische, etc. – Projekt- und Gruppenräume – Ausleih- und Infotheken – Bodenbeläge – Ausstellungen im Zentralbereich – Haus- und Benutzungsregelungen Gedrucktes Material wanderte in die Magazine, die zentrale Ausleih- und Infotheke wurde verkleinert, das Mobiliar ausgetauscht, eine Kaffee-Ecke neu im zentralen Bibliotheksraum geschaffen. Gruppenarbeitsräume erhielten thematisch unterschiedliche Motive auf die Wand gemalt. Die für das Gebäude charakteristische Bücherwand blieb ebenso erhalten wie der Kegel im Raum, der als Symbol für die Technik steht. Die Architekten von Mecanoo waren bei diesen Veränderungen beteiligt; sie haben das Ergebnis in einem Video (Mecanoo 2013) festgehalten. Dieses Beispiel zeigt anschaulich, dass Investitionen in Hochschulgebäuden generell nicht nur von der Gebäudekonstruktion und der technischen Gebäudeausrüstung abhängig sind, sondern veränderte Nutzungskonzepte – bedingt durch veränderte Lehrmethoden und den technologischen Wandel in kürzeren Zeitintervallen Veränderungen und damit Geld benötigen.
5 Planung der Zukunft – Szenarien als Hilfsinstrument Da Bauplanungen der öffentlichen Hand häufig eine lange Planungszeit haben, fällt es vielen Einrichtungen schwer, eine Prognose für die Bedarfe der Zukunft abzugeben, was bei dem schnellen technologischen und gesellschaftlichen Wandel verständlich ist. Gleiches gilt aber auch aktuell für die Personalplanung in Bibliotheken: welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt das Bibliothekspersonal in 10 oder gar 20 Jahren?
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Abb. 7: Arbeiten und Chillen in der Faculty Library of Social Sciences/KUB, Kopenhagen (Foto: Inken Feldsien-Sudhaus).
Unter dem Titel „Scenarios beyond 2020 Report“ (Curtis 2011a) versuchen die britischen Bibliotheken anhand von drei Szenarien die Zukunft für die unterschiedlichsten Bibliothekstypen zu beschreiben: – Wild West scenario – Beehive scenario – Walled Garden scenario Die Idee dabei ist, dass die einzelnen Einrichtungen diese drei Szenarien an ihre spezifische Situation anpassen, die Ergebnisse vergleichen und sich dann entscheiden, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen. Dabei sind die Universitätsleitung wie auch die Wissenschaftler und Studierendenschaft natürlich im Projektteam vertreten. Ausgangspunkt können größere Renovierungsprojekte oder Umstrukturierungen bzw. Zusammenlegungen sein, wie es z. B. die Fallstudie der University of Westshire (Curtis 2011b) zeigt. Wenn ein schlüssiges Konzept verabschiedet ist, haben alle Beteiligten eine gemeinsame Bedarfsgrundlage für die Ausarbeitung eines Konzeptes mit Funktions- und Raumprogramm. Auch die American Library Association ALA beschäftigt sich, unterstützt durch The Institute of Museum and Library Services, im Center for the Future of Libraries mit aktuellen Trends in der Gesellschaft und ihren Auswirkungen auf
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Bibliotheken und ihre Nutzergruppen. Aktuell sind 21 Trends beschrieben und dabei sieben Kategorien (Gesellschaft, Technologie, Bildung, Umwelt, Politik, Wirtschaft und Demographie) zugeordnet. Als Beispiel sei hier genannt der Trend „Die alternde Gesellschaft“ („Aging Advances“): unter der Rubrik „How it’s developing“ wird die Entwicklung in den USA beschrieben. Z. B. steigt in den USA voraussichtlich die Lebenserwartung von aktuell 79 Jahre auf 88 Jahre im Jahr 2050. Unter dem Titel „Why it matters“ = „Was bewirkt es?“ werden dann konkret Bezüge auch zu den Bibliotheken hergestellt, in diesem Fall darauf verwiesen, dass bei längerer Lebensarbeitszeit sich auch das Profil der Bibliotheksnutzer bei den Wissenschaftlichen Bibliotheken verändern wird. Auswirkungen wird diese Entwicklung auch bei der Verteilung von verfügbaren Mitteln innerhalb der staatlichen Verwaltung haben. Ergänzend zu den Thesen zur „Library of the Future“ wurde ein Blog zur weiteren inhaltlichen Ergänzung der bisher vorliegenden Thesen und zum inhaltlichen Austausch darüber eingerichtet. Hier finden Interessierte auch Hinweise auf neu erschienene Trendreports anderer Institutionen. Schon jetzt ist absehbar, dass die Zukunft und damit die Entwicklung von Bibliotheken unterschiedlich ausgeprägt verlaufen werden, es wird nicht nur den einen Weg geben! Ein anderes Planungsinstrument ist die Entwicklung von „Personas“, die stellvertretend für verschiedene Nutzergruppen und ihre Bedürfnisse stehen. In ihrem Beitrag „Library/University Staff Working Areas, Theory and Practice“ berichtete Anna-Maija Lukkari 2014 in Helsinki über ihre Erfahrungen im Umgang mit dem Flächenmanagement innerhalb der Universität Helsinki. Für die Universität wurden vier verschiedene Arbeitsszenarien (Lukkari 2014) angenommen. Dabei ist gerade der Faktor Mobilität und Kommunikation in einer Universität von großer Bedeutung und bedarf besonderer Zonen zum Austausch und Arbeiten in einer angenehmen, inspirierenden Umgebung.
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Abb. 8: Arbeiten im Kaisa House – Szenario 1/Universitätsbibliothek Helsinki (Architekten Anttinen Oiva Architects) (Foto: Ulrich Niederer).
Abb. 9: Arbeiten im Kaisa House – Szenario 2/Universitätsbibliothek Helsinki (Architekten Anttinen Oiva Architects) (Foto: Ulrich Niederer).
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Eigentlich geht es bei solchen Überlegungen um das, was im englischen Sprachraum treffend ‚future-proofing‘ genannt wird; man könnte es frei mit ‚zukunftstüchtig machen‘ übersetzen. Auch die TU Delft hat bei der „Aktualisierung“ ihrer Bibliothek, die im vorhergehenden Abschnitt erwähnt worden ist, Personas entwickelt und als konkretisierendes Hilfsmittel eingesetzt; die Direktorin Wilma van Wezenbeek hat während des Seminars der LIBER Architecture Group 2014 überzeugend präsentiert, wie die Personas bei der Planung der Bibliothekslandschaft bis hin zur Ausstattung eingesetzt wurden. (Wezenbeek, 2014)
6 Bibliothek ohne Bücher – eine Zukunft? Die oben beschriebenen Beispiele zeigen beispielhaft Transformationen vorhandener Gebäude. Es wird vielfältig zum Thema „Arbeit“ (Jesemann 2004) und auch zur „Industrie 4.0“ geforscht. Studierende sollen an der Hochschule auch auf die Arbeitswelt vorbereitet werden. Im Frühjahr 2015 beschreiben Wissensarbeiter in einer „Blogparade“ (Wilkat 2015) ihre individuellen Sichten und praktischen Erfahrungen moderner Arbeitsformen. Gemeinsam ist ihnen, dass jeder anders arbeitet, aber dennoch übereinstimmend die Interaktion zwischen Konzentration und Kommunikation hervorgehoben wird. Der Vernetzung – digital und real – kommt besondere Bedeutung zu, bietet Inspiration, sicherlich ein Aspekt des Erfolgs von „Coworker“-Spaces. Denn auch der Schreibtisch ist in bestimmten Situationen nicht „out“. Der Raum ist weniger im Fokus der Beiträge, stärker wird eine „Vertrauensarbeitszeit“ gefordert, die Mobilität ermöglicht. Die an die individuellen Bedürfnisse angepasste Gestaltung des physischen Raumes wie auch die digitale Arbeitsplatzausstattung sind ein Zeichen der Wertschätzung der Mitarbeiter und werden von diesen auch so wahrgenommen. Nicht das Gehalt, sondern eher die Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeit, flache Hierarchien verbunden mit Flexibilität und Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Freizeit bzw. Familienleben, bestimmen zunehmend die Auswahl des Arbeitsplatzes von Wissensarbeitern. Räume, in denen man sich wohl fühlt, unterstützen Kreativität, Konzentration und damit den erwünschten Output. „Für mich zählen zum Beispiel die Leseräume von Bibliotheken dazu. Die betriebsame Stille bringt mich in einen Workflow, in dem ich effizient und effektiv arbeiten kann.“ (Wilkat 2015, S. 21) Die gedruckten Bücher der Hybriden Bibliothek sowie unterschiedlichste Formen von Arbeitsplätzen – von der Konzentration über das Team bis hin zur Entspannung – werden auch zukünftig den Gebäudetypus Bibliothek prägen. Das ist der Großraum, aber auch der Gruppenraum oder ein Einzelzimmer bzw. Carrel.
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Abb. 10: Umgebaute Laborräume im Learning Hub/Aalto University, Espoo, Finnland (Foto: Ulrich Niederer).
Das gedruckte Buch ist in bestimmten Fächern weiterhin im Lesesaal präsent, einzelne Bibliotheken werden dazu die Archivfunktion übernehmen. Der Bibliotheksraum ist ein öffentlicher Raum, der Zugang zum Wissen und Informationen bietet, zugleich auch die Hochschule repräsentiert. Bibliotheken bieten zur kommerziellen Eventkultur eine Alternative, die zugleich persönliche Weiterentwicklung für die Bibliotheksbesucher bedeuten kann. Dazu ist bei Neubauten eher zu erwarten, dass weitere Serviceeinrichtungen dort angesiedelt werden. So verschiedenartig die Menschen arbeiten und lernen, genauso unterschiedlich werden die lokalen Konzepte und daraus resultierend die Architektursprache sein. Diese sehr unterschiedlichen Beispiele belegen, dass die Bibliotheken sich in ihrer Gestalt vielfältigst verändern mögen – sie bleiben Orte der „Interaktion zwischen Konzentration und Kommunikation“. Gerade diese Varietät machen den fachlichen Austausch und die bei Besichtigungen gewonnene eigene konkrete Anschauung besonders wichtig für die gute Planung von zukunftsträchtigen Neubauten oder des ‚futureproofing‘ von bestehenden Gebäuden. Beides, Austausch und eigene Anschauung, bleibt, ganz in der Tradition Elmar Mittlers, auch für die Zukunft zentrales Anliegen für die LIBER Architecture Group.
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War Booties – A Peaceful Polish-Swedish Co-operation 1 Introduction It is well known in library history circles that Elmar Mittler for a long time has taken a special interest in the Bibliotheca Palatina, the rich library of the Palatinate Electors, kept in Heidelberg Castle and in the early years of the Thirty Years War taken by Field Marshall Tilly and presented to Pope Gregory XV to be incorporated in the Bibliotheca Apostolica Vaticana. I hope a few lines in his Festschrift on a rather successful co-operation regarding a war booty of almost 3,000 books, taken in the same 1620s in northern Europe and centuries later finally described and catalogued, will be of interest to the eminent librarian and book historian. In the early seventeenth century Sweden broke out of its borders and engaged herself in a number of wars with neighboring states and on the European continent, initially with some success but after the turn of the century with continuous losses. The causes of the Swedish policy and its results will not be described here. Suffice it to say that among the clauses in the many peace treatises between Sweden and other countries regularly appeared provisions on the war booties taken by the winning party. Today everybody knows – or should know – that taking or destroying cultural heritage objects in military conflicts constitutes a serious crime under international law. This is a rather recent development in the law of war, first formulated at the Congress of Vienna in 1815 as a result of Napoleon’s quite uninhibited practices of bringing objects of art and literature from defeated countries to France.1 This, however, was not the view in the seventeenth century. Public international law was given its first ‘modern’ analysis in the very foundation stone of the subject, De jure belli ac pacis by Hugo Grotius, the eminent Dutch scholar living in exile in France where the first edition of the widely spread book appeared in
1 A recent book in Swedish, Bring 2015, gives numerous references to literature in more widely read languages on the subject of war booties, e. g. O’Keefe, Roger. 2006. The protection of cultural property in armed conflict. Cambridge: Cambridge University Press, and Sandholtz, Wayne. Prohibiting plunder: How norms change. Oxford/New York: Oxford Universit Press. See also, from a Swedish point of view, Göranson 1997 and 1998, Munkhammar 2007, Norberg 2007.
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1625.2 Grotius’s view on war booties allowed the conqueror to take also cultural heritage material under the general provision of showing modesty towards the unfortunate counterpart. There were, however, some important further rules to make this type of booty acceptable. The objects had either to belong to the belligerent state including its closely related institutions or to be abandoned if owned by a private person; a valid booty must be physically taken to an area safely controlled by the conqueror.3 The Swedish armies in the seventeenth century taking libraries in Poland and Germany did it under these principles.
2 Warfare, Library Booties and Uppsala University Political and religious tensions characterize the complicated conditions between Sweden and the Polish-Lithuanian Commonwealth from the late sixteenth century to the early eighteenth century. Sweden aimed at encircling the eastern part of the Baltic and occupying important base areas on the southern shores. With such territorial gains, Sweden could control the trade on the many rivers and levy duty on the goods shipped from important harbours. The new territories were also considered to protect the Swedish heart land from oversea invasion. The religious division in Europe also played a decisive role, often in modern history wrongly labeled as a mere pretext for war mongering rulers. The reason for the Protestant Swedes to take the Catholic Braniewo Library in 1626 had a clear religious background as an act to prevent what was considered hostile Jesuit activities. Sweden, of which Finland then was an integral part, took already in the 1560s control over Estonia in the competition for the spoils of the Teutonic Order. In the 1610s Finland and Estonia were linked together geographically by the conquest from Russia of land east of the Finnish Gulf. Poland-Lithuania had great interests in Livonia, present day Latvia, but the Swedish arms were stronger and the important city of Riga was invaded in 1621. There the Swedes took the first important libraries from religious institutions, a policy that would continue into the 1650s. War booties in general could be used to enforce the standing army, if they were guns, other weapons, horses or food and fodder. They could also be exchanged for other merchandise or sold to enlarge the always critically poor army-chest. As
2 Grotius was eventually, in 1634, made Sweden’s ambassador to the French Court, and his work and conclusions were well known by the Swedish war leaders. 3 Grotius 1625, 3.6.
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to libraries, King Gustav Adolf, who personally commanded the troops, decided that they should all go to Uppsala University to enrich its by then not very large library. The University was originally founded in 1477, close to the seat of the Swedish archbishop and with the prime purpose to educate the clergy. The Reformation and the lack of interest in higher education by most of the Swedish sixteenth century leaders took a severe toll on the University, which was reorganized only in 1595. By then, the idea of a general and common library for a university, a Bibliotheca publica, had developed all over Europe, partly due to the rapidly enlarged volume of available texts from the printing presses. Uppsala University Library was established by Royal command in 1620.
3 The Library of the Jesuit College in Braniewo The Swedish seizure of Livonia did not finalize the ongoing war with Poland, but no armed conflict took place for a few years. Sweden was not yet engaged in the Thirty Years War but realized the risks of Imperial plans to establish a naval domination in the Baltic Sea. The primitive intelligence of the time indicated preparations of a Polish invasion. Sweden struck first. In June 1626 the Swedes landed in Pillau, the present day Russian naval base Baltysk. The Poles seem to have been taken by surprise, and no organized defence stopped the Swedes to march westwards with the hope to take some important cities controlling the river trade. Soon they arrived in Braniewo (Germ. Braunsberg), not only of interest for its commercial activities but also for it being the seat of a Jesuit College.4 One day later the nearby ecclesiastical capital Frombork (Germ. Frauenburg) was taken with its valuable Chapel Library.5 The area where the Swedes now entered and would remain until 1635 was like Livonia a former part of the realm of the Teutonic Order. It was shared by the Polish Kingdom (Royal Prussia) and the practically independent Duchy of Prussia, then a fief held by the Elector of Brandenburg and later to be known as East Prussia, a large part of which is now the Russian enclave Kaliningrad with the city formerly known as Königsberg. The area around the cities of Braniewo
4 On the history of the Jesuit College Library and the Swedish action, see Walde 1916, 53–72, Lichański 2007, 41–50,Tottie 2012, 369. 5 The great astronomer Copernicus (d. 1543) was a canon at the Frombork Cathedral, and the Uppsala Library holds a large number of books which belonged to him, many with marginal notes by his hand, my personal favourite being his copy of Ratdolt’s editio prima of Euclide’s Elementa (Venice 1482).
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and Frombork constituted the diocese of Warmia (Germ. Ermland). The Lutheran Reformation had taken a firm grip over the predominantly German population in the Duchy of Prussia, and in neighbouring parts of Polen, the Catholic structures were under considerable stress. The Bishop of Frombork, Cardinal Stanislaus Hosius, was a leading force in the Counter-Reformation, active at the final sessions of the Council of Trent (1545–63) and with good relations to the reigning popes. He was commissioned by Pius IV to lead the struggle against reformation tendencies in Poland and beyond. One of Hosius’s means was the founding of a Jesuit College in Braniewo in 1565 with not only the purpose to educate priests for the Polish region but also to be an active centre for missionaries in Germany and the Nordic and Eastern countries. In order to strengthen these efforts a papal seminar was added to the College in 1578. A very rich library was the cherished tool for the activities of the learned Societas Jesu Braunsbergensis, housed in the spacious fourteenth century buildings of a closed Franciscan monastery.
4 The Braniewo Library to Uppsala The libraries taken in Braniewo and Frombork were shipped to Stockholm and given a brief repertorium by the King’s librarian before they were forwarded to Uppsala. Together with the books was also a manuscript catalogue taken in Braniewo. Even if the King had ordered the University to build a “big and beautiful room” for the books, when he founded the library in 1620, little had been done. Instead, a rather dilapidated small two story house with narrow rooms in the circle of medieval buildings surrounding the Cathedral had been assigned to the University for the purpose. The only trace of this major acquisition in the Uppsala archives is a laconic note in the financial book-keeping: “In June [1627] arrived books from Prussia, 36 chests and 3 barrels, placed in a harbour shed until the ground floor of the library was refurbished”, stating the costs for transportation and rent.6 Continuous efforts in the seventeenth and early eighteenth centuries to create a proper catalogue of the Uppsala collection stranded in unfinished drafts. There are, however, indications that the Braniewo classification and shelving systems to some extent guided the Uppsala practice.7 Neither the Braniewo library nor
6 Uppsala Library Archives E1. 7 Hornwall 1969, 182–202.
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other war booties or the numerous substantial gifts, which enlarged the Uppsala library through the centuries, were kept as separate units. They were mixed with other books in some form of a rather primitive subject shelving. In the late eighteenth century, the library finally had a leader with enough bibliographic competence to fulfil a reliable catalogue of the printed works up to 1796. His catalogue is in two parts, one manuscript Inventory according to the shelving call-numbers with detailed description of the work and one printed alphabetic catalogue with only a brief short title of the authors’ works.8 The Inventory often records the Braniewo provenance, which was quite easily done since the books with few exceptions have a very clear manuscript ex-libris. When the majestic library building Carolina Rediviva was ready in 1841, a rather haphazard division of the collection was made. Material which was considered slightly outdated remained in the shelving format the books had had in the former building, Gustavianum, while more modern or still asked for material was given a new, eventually very detailed, subject shelving. This division was one of the problems making the reconstruction of the Braniewo library difficult and time consuming.
5 Polish Reconstruction Efforts The dissolution of the sovereign Polish state in the late eighteenth century was in itself no extinction of Polish culture and historic research, even if the support of the Russian, Austrian and Prussian authorities was less enthusiastic than had the Poles remained masters of their own country. One of the many projects to record former Polish identity was research in dispersed collections. Polish delegations were formed to investigate the position and status of material taken by various conquerors in centuries passed. No immediate demands on restitutions were combined with this research. Due to the many wars between the countries, Sweden was a prime object for the Polish activities. The fact that at Uppsala was housed the library of Copernicus added to the interest. The research was started
8 The printed condense catalogue, Aurivillius 1804–14, states printing place, year and format; for the same work in various translations, only the language but not the title in that language is given. For the full title, the Inventory had to be consulted under its proper call number, which however was not given in the printed catalogue. The only help was and still is a manuscript concordance.
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in 1872 by Franz Hipler and continued by several other at the turn of the century 1900. 9 The active Polish research in lost collections awakened an interest in provenance research also in Sweden. From a rather different nationalistic angle, the Swedish war booties became a rediscovered sign of past successes in Swedish history. The Polish initiative was an injection to the bibliographic research of Otto Walde, a Swedish librarian, which resulted in two massive volumes describing with scholarly objectiveness what he had discovered in the libraries of Uppsala, Stockholm and many other places to which books from European collections had found their way.10 Poland, having gained independence after the First World War, was soon again to be an area of war suffering and even genocide. A Polish scholar and refugee in Sweden, Józef Trypućko, was fortunately a foreign lecturer at Helsinki University when the war broke out. He moved to Uppsala and was welcomed as a teacher at the Department of Slavonic languages, finally in possession of its professorial chair for ten years before his retirement in 1977. In conjunction with his philological expertise he had a deeply founded interest in the cultural history of his native Poland, now under a communist regime he could not accept. Trypućko had already in 1958 published a catalogue of old Polish material held by the University Library, Polonica vetera Upsaliensia.11 Trypućko planned to devote his retirement years to a complete catalogue of the Braniewo collection in Uppsala. When he died in 1983, he had in a typed draft recorded some 1,900 printed titles with a Braniewo provenance. Trypućko was clearly aware that the work was not yet complete and sent, from his death bed, a letter to a young colleague at the Slavonic Department, Andrzej Uggla, also of Polish origin, asking him to continue the Braniewo project.12 It was, however, not possible for him personally to undertake the task, and there was, in the early 1980s, none of the Library staff who was prepared to do it.
9 Lichański 2007, 46–49, gives a good overview of the studies, and they are frequently referred to by Walde 1916. 10 Walde 1916 and 1920, and several separate studies of his hand. 11 The efforts of Prof. Trypućko and the following development up to the completed printed and digital catalogue is in detail described by Tottie 2012, based on archival material and personal recollections during his directorate (1978–96). 12 The letter is printed in Trypućko 2017, vol. 1, 13–16.
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6 Co-operation between the Polish National Library and Uppsala In spite of the lack of staff for the Braniewo project, the then Director of the Uppsala Library, Dr. Thomas Tottie, was eager to promote its continuation. Trypućko’s interest was more of a patriotic than linguistic nature, since the collection contains only 31 books printed in Polish.13 The idea of a co-operation with Polish library specialists seemed a practical way to bring the project forward. Representatives of the Uppsala Slavonic Department had, at the same time, good contact with Dr. Jakub Z. Lichański, then at the Biblioteka Narodowa, the National Library in Warsaw, and later professor of literature at the University of the capital. After two short visits, Lichański spent a longer period at Uppsala in 1985. There was, however, no formal agreement between the libraries on the catalogue project until 1989. Then it was agreed that the Catalogue should be printed in Poland but included also in the Uppsala Library’s monograph series and bear the author name Józef Trypućko. Financially, Uppsala would give some contribution to the printing costs and travel expenses of Polish specialists visiting the library. The written contract did not forward the work on the Catalogue. Dr. Lichański’s bibliographical views were not in concert with the policy of the National Library, and he left the project and the institution. At a later stage a form of reconciliation emerged and Lichański contributed with an historical overview in the printed Catalogue.14 Both libraries had formed editorial committees, which met in Warsaw in 1990 and 1992. New Polish editors were suggested and accepted. It was expected that the Catalogue could be printed in 1995. Uppsala sent new copies of Trypućko’s manuscripts and numerous copies in paper and microfilm of title pages of Braniewo books. The new editors, Drs. Michał Spandowski and Sławomir Szyller, the latter primarily taking on the manuscripts, spent a month in the spring of 1996 in Uppsala for further investigation of the books and manuscripts. However, they concentrated on the titles noted in Trypućko’s manuscript and the 105 new titles Lichański had discovered at his visits. Early in 1997, Uppsala was informed that the work in Warsaw on the Catalogue was almost completed. I had recently succeeded Thomas Tottie as Director and had, as a former member of the Library Board, basic knowledge of the Braniewo project and its slow progress. The message was, however, promising
13 Index of languages, Trypućko 2017, vol. 3, 122. 14 Lichański 2007.
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and not being in any way a bibliographical expert I only briefly glanced at the catalogue manuscript sent from Warsaw. It struck me that it lacked one of the treasures with Braniewo provenance in the Uppsala Library, Copernicus’s De revolutionibus (1543). Warsaw was asked for the reason not to include it. We then understood that neither Polish nor Uppsala specialists had gone further than Trypućko and Lichański in stack searching. It was also shown that Trypućko in his draft had not had time to include all the Braniewo findings he had made for his early catalogue Polonica vetera Upsaliensia. It was obvious that further investigation of the stacks at Uppsala had to be made in order to try to make the Braniewo catalogue as complete as possible. Very little happened the next few years, until in 2002 there was a request that Dr. Spandowski should visit the Library. We were very happy for this development. Uppsala had by then a more clearly organized Department of old and rare books. Its Head, Ms. Harriet Wallman, was the obvious counterpart to work together with Michał Spandowski. Together they browsed kilometres of shelves and localized no less than 667 ‘new’ Braniewo books, thirteen of them incunabula. Further and sometimes quite intense correspondence on bibliographical details took place the following years, made easier for the Polish scholars by our Polish speaking member of staff, Ms. Mirka Bialecka, who herself or through other specialists could answer their questions.
7 Catalogue in Printed Form and as a Database In 2007 the printing process in Poland was under way, but no exact date of publication was yet released. In late June, I attended the LIBER Annual Conference, jointly hosted by the National Library and the University Library in Warsaw. One day I was asked to visit the National Librarian, Prof. Tomasz Makowski, in his office and there, on his coffee table, lay the first of three catalogue volumes. In January 2008 was held an elegant release party with good media coverage in the seat of the National Library’s heritage collections, the beautifully restored Pałac Rzeczypospolitej (the Palace of the Commonwealth). Prof. Makowski underlined the importance, not of a physical restitution of former war booties but of modern co-operation among experts and specialists concerning the cultural heritage of concerned countries. A workshop was held in Uppsala in April. The bibliographic quality of the Catalogue is excellent and the meticulous work of Dr. Spandowski and his colleagues has produced the necessary uniform-
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ity of the records under defined rules.15 The final result contains in vol 1: 58 manuscript records (8 codices, 7 catalogues and administrative documents, and 43 texts bound together with printed books), 336 incunabula (+ 12 duplicates), and in vol. 2: 2,255 works printed in 1501–1626 (+ 84 duplicates). Some of the printed works are in more than one volume, and many short texts are bound together. The exact number of volumes has not been counted. Very useful are the many indexes in vol. 3, giving, i. a., lists of names, printers and former owners. Not only the analogue restitution of the Braniewo Library in the form of the splendid printed catalogue was predicted. On both sides we found it crucial also to publish the results of decades of search and research in a freely available database, a matter raised already in 2002 but put aside in favour of the bibliographical work. The text of the printed catalogue was written in a digital format, specially constructed for the use of the Biblioteka Narodowa, which also offered to produce the on-line records. It was estimated to take at least three months full time work to convert the information into MARC 21, then and still used in Sweden for its research libraries union catalogue but in itself not a very suitable format for detailed information on old books and provenance. With Uppsala financial support and technical co-operation, the Braniewo catalogue is since 2012 integrated in the Swedish union catalogue LIBRIS and possible to search, also as a subsection of its own.16 The ultimate success of the Braniewo project has raised a great interest also from other parts of Poland to make similar reconstructions of libraries, taken by Sweden in later wars. Particularly scholars from Poznań (Germ. Posen) wish for a reconstruction of what remains of their important Jesuit College Library which was taken in 1655.17
8 Content of the Braniewo Collection And Its Use in Uppsala It is a well know fact that the Jesuit Colleges were centres of scholarship not only in religious subjects. They were seats of learning, often more qualified than many
15 Spandowski and Szyller 2007, 21–22. 16 http://libris.kb.se/form_extended.jsp?f=ext. 17 Cf. Walde 1920, 94–144.
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of the contemporary universities. A rich library played an essential role in the educational and missionary efforts.18 The Braniewo library – or rather what is now known about it – contained material from various sources.19 Remains of the library of the closed Franciscan monastery, where the College was housed, had before its closure received a valuable donation from Thomas Werner, cannon in Frombork and professor in Leipzig, with no less than 35 incunabula. When Cardinal Hosius founded the College, it is probable that he sent from the Cathedral Library in Frombork, where he was bishop, several very important works considered of greater importance for the College than for the cannons at the cathedral, where the library seems to have ceased to aquire books at that time. The impressive Complutense Polyglott was initially owned by Hosius’s episcopal predecessor Ioannes Dantiscus.20 Also some of the books, which had belonged to or used by Copernicus, found their way to Braniewo, but most of them remained in Frombork until the Swedes took them to Uppsala. Interesting is also that the copy of Copernicus’s De revolutionibus, which the ‘publisher’ Rheticus sent to his cannon colleague and close associate Georgius Donner in Frombork was transferred to Braniewo.21 A third category of books in the Braniewo collection, probably the largest bulk, are the many gifts of numerous individual donors. There are a few large libraries bequested to the Jesuits, the richest with evidenced provenance that of Michael Neumann/Neander, the bishop’s notary, with some one hundred books.22 There are donors from all walks of life: nobility, clergy, burghers, and former students. Sometimes the former owner did not made a mark in a book, in which case the Jesuit librarian gave no indication of a donation but just, as usual, wrote the manuscript ex-libris on the title page. A very special part of the Braniewo library came from a short lived Jesuit College in Stockholm, allowed to act in the late 1570s when there was a period
18 Lichański 2007, 41–45, empasizes these facts, to some extant criticizing nowadays outdated old historians’ general negative attitude towards the Jesuits. 19 Walde 1916, 55–72, Lichański 2007, 56–63 , Trypućko 2007, vol. 3, 123–136 Index of provenances. The text in this section also builds on some personal observations of the collection. 20 The provenance index notes 5 works which had belonged to Dantiscus and 23 to Hosius, Trypućko 2007, vol. 3, 125, 128. 21 There is no surviving presentation copy of De revolutionibus dedicated to Copernicus himself, which in my view speaks for the fact that he was already dead when the printing in Nuremberg was completed. – In the Donner (Rheticus misspelled his name and wrote Donder) copy, Osiander’s famous preface is crossed over with red chalk. 22 Trypućko 2007, vol. 3, 131.
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of religious instability with hopes in many Swedish circles of a return to Rome.23 When it was closed and Jesuits expelled from Sweden, some of its books were sent to Braniewo.24 Finally, the preserved financial reports of the Braniewo College show that there were sometimes ample means available for book purchases.25 Emphasis was on the needs of the students, who were given extensive reading lists, which also was of an excluding nature. Only the teachers had free access to the whole library, the students being prohibited from what was considered inappropriate or dangerous literature.26 For obvious reasons the religious literature dominates the library content. As can be seen from the original Braniewo manuscript catalogue, there was a subject oriented division of the works, but there are no signs of shelf-marks indicating if the books were placed accordingly. Most probably, the students had their own collection and perhaps the papal seminar had literature in a special room. The Braniewo catalogue division of the collection followed general rules for the Jesuit institutions but was also a good example for other libraries. The similarities with the subject division practiced in Uppsala are obvious. However, there is no known shelving system, evidenced by shelf-marks, here until after the mid-eighteenth century.27 Among the many subjects, the Biblia were the first to be entered into the catalogue. The Complutense Polyglot (1514–20) with bishop Dantisci bold supralibros, bound together in three volumes, is again worth mentioning.28 We have no
23 The Queen was Catholic and the daughter of the Polish king, the King was engaged in lithurgical reforms of the rather dismal Protestant rite. Their son Sigismund was raised a Catholic and in 1587 elected King of Poland. He inherited the Swedish Crown at the death of his father in 1592 but was deposed by his uncle Carl (IX) allied to the majority of the Swedish nobility after a civil war in the late 1590s. His restitution demands were one of the causes of Swedish-Polish hostilities of the early 1600s. 24 23 works according to the provenance index, Trypućko 2007, vol. 3, 134. The history of the Jesuit College in Suetia attracted much historic interest in the early 1900s, see Walde 1916, 67–72. 25 Lichański 2007, 53–56. 26 Ibid. 52–53. 27 Cf. Hornwall 1969, 182–202. – Strangely enough there are very few marks of an Uppsala ownership in books acquired before the late eighteenth century when the first rubber stamp came into use. Newly bound books, however, received an elegant supralibros from the early eighteenth century on. Clear shelf-marking came into practice with the Aurivillius major catalogue work in the late eighteenth century. 28 Lichański 2007, 57, notes also a copy of the Plantin Antwerp Polyglot (1569–71) belonging to the Braniewo collection. However, the Antwerp polyglot now preserved in the Uppsala Library comes from another source, an indication among many that exchanges and duplicate sales have taken place.
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records of its use at Uppsala other than that studies in Greek and Hebrew were current at the University. No less than 39 Bible texts are preserved, six of them incunabula. There are some ten divisions of theology, among which the Fathers of the Church take a specially cherished position with original texts and sermons. The rich flow of documents relating to the Council of Trent are, not surprisingly, very frequent in the Braniewo libray.29 Anti-Lutheran and anti-Calvinist literature is amply to be found but unexpectedly extremely few texts of the Reformers themselves. An exception is a Catechism by Luther, actually printed in Braniewo in 1590 and bound together with four anti-Luther pamphlets. Classical authorities and authors were used as much by the students in Braniewo as elsewhere in Europe. Aristotle, Cicero, Virgil, Horace, Ovid, Plutarch, and Pliny, to name a few, are richly represented. The Library also contained works in medicine, astronomy and mathematics. The medical works were primarily oriented towards the use of herbs and lack what was considered more scientific works of the old masters Hippocrates and Galen. There are a few books by the then ‘modern’ Paracelsus. Astronomy was represented, as we have seen, by Copernicus’ masterpiece but also by, e. g. his copy of Ioannes de Sacrobosco’s Sphaera mundi. Several editions of Euclid’s Elementa are there, but for some reason Coprnicus’s own edition prima copy remained in Frombork. The book-bindings of the Braniewo collection have been given separate studies,30 but at an early stage it was decided not to include binding descriptions in the modern Catalogue, even if Trypućko in his manuscript had included several descriptions. A broad variety of bindings can be found from luxury folio volumes to simple parchment covers for the everyday use of standard works. To assess the use and value of the Braniewo collection after its arrival to Uppsala is difficult. There are no complete registers of loans from the early days of the Uppsala Library and very few comments on the use of individual books. How many of the initially received copies are still extant in Uppsala is also impossible to state. There have been duplicate sales, most certainly also of Braniewo books, and exchanges with other libraries or private persons have taken place without noting specifically that Braniewo copies left the Library. The Catalogue includes 23 works found in other Swedish libraries.31 The relatively few Braniewo dupli-
29 Spandowski lists 75 items in a special subject index, Trypoćko 2007, vol. 3, 175. 30 See Lichański 2007, 62–63. 31 Trypoćko 2007, vol. 3, 174.
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cates still on the Uppsala shelves indicate that some copies have disappeared in other directions. An interesting fact is that no weeding took place of ‘dangerous’ literature. The Swedish Protestant Church was as hostile and scared of Catholic influences as were the counterparts of Protestant material. Nevertheless, no Index was established and no similar measures seem to have been taken to prevent the reading of any of the books. But we do not know if the early librarians applied concealing practices at a time when there were no public records or catalogues of the Uppsala collection. From time to time, a rather liberal permission was given users to browse the shelves themselves, even if the opening hours were very ungenerously scheduled for centuries. In short, we can only be happy that so much was preserved of material to some degree taken in order to hinder one of the enemy’s purposes.
9 Conclusions I titled this contribution a ‘peaceful co-operation’ in order to show that hostilities in the past can, with the good will of both sides, be changed into common efforts without chagrin or bad feelings. The words of the Polish National Librarian Makowski in the introduction to the Catalogue and also in his statements published in Polish media at the time of the book release festivities in Warsaw are very clear.32 It is of greater value for the protection of cultural heritage to co-operate on its description and make it available to the world at large in printed and digitised form than demanding restitution. From the Swedish point of view, I expressed my gratitude for the expertise with which our learned Polish colleagues had completed the work after decades of preparations.33 We both contemplated over the risks the Braniewo collection would have sustained, had it remained in Polen in an area which up to the mid twentieth century had seen so much violence and destruction by warmongers.
32 Makowski 2007. Makowski’s media statements are cited in translation by Tottie 2012, 382. 33 Göranson 2007, 9–10.
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Open science policy – a twisted road and clear aims Since some decades open science influenced the scientific world to some extent, but the entire change started just a few years ago. Open access itself was defined in three influential public statements: the Budapest Open Access Initiative (February 2002), the Bethesda Statement on Open Access Publishing (June 2003) and the Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the sciences and Humanities (October 2003)1. The issues of open access publishing and open data made the breakthrough on the governmental level and have started some kind of race between different countries. The main goals of open access have been pretty clear, but the progress and steps achieving them were quite complicated. This article will pick up a number of questions relevant to understand the “anatomy” of open science from the perspectives of governments, universities and single researchers. What incentives, stakeholders and barriers are influencing open science policies on the government level? Are open science initiatives driven by bottom up or top down approaches? Who is in charge of setting up the incentives for researchers? What happened during the last years to promote open science? Open science has a solid ground in the patterns of open access journals. The dissemination of research data is not common yet for the research communities. However the understanding is spreading more and more, that many complex problems could be solved much more easily by combining information from several data collections. Mostly these could be interdisciplinary problems, or longitudinal data analysis. Archeologists can get novel results by using digital humanities data combined to data from materials science for example. And vice versa, digital humanities data can serve as a resource of research for other disciplines like productive interaction between the arts and sciences in John Rylands Research Institute at the University of Manchester, UK: Some of our collections are born digital – for example, we hold the e-mail archives of local literary publishing house Carcanet – and future researchers will undoubtedly approach these differently from how they look at hand-written correspondence. We have begun to collaborate with computational linguists at Manchester’s National Centre for Text Mining, as well as colleagues at
1 Suber, Peter. 2012. Open Access. Massachusetts Institute of Technology. 7.
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the nearby Centre for Translation and Intercultural Studies, who have vast experience with large sets of multilingual texts. And with palaeography – the study of ancient handwritings, their dating and their classification – artificial intelligence might offer research avenues that the institute is keen to explore. By training software to recognize certain hands and writing styles, one might be able to query vast virtual collections of manuscripts in unprecedented ways2. Open data can roughly be divided in two distinctive parts: first the data, which can be labelled as governmental information, and second the data, which are produced in research projects. The incentives for the dissemination are different and as well the goals, which influence and support the opening of data. From the governments’ perspectives public data are not only a source of knowledge or information, but have also a huge value. To that end in late 2011 the government of the United Kingdom announced the formation of the Open Data Institute (ODI). Its mandate is to demonstrate the commercial value of public data and to nurture innovative, data driven business areas using open data.3 The motivations and reasons for the foundation of the ODI are explained in the following way: 1. Developing public transparency (citizen access to government data), 2. Developing services by third parties for the benefit of the citizens and companies (typically smart city approach) and 3. Developing new services stimulating the economy.4 The services based on open data are listed on the open data portal of the United Kingdom as well as it’s done in the open data portal of Singapore. In 2013 the portal of United Kingdom’s government data listed 301 applications the Singapore open data portal covered around 110 applications. The British portal includes in particular the following domains: economy (property prizes, job market), environment (use of renewable energies), transparency (availability of governmental financial data with the famous application “Where does my money go?”), society (map of crimes), local services (best surgery services “next to me”, postal
2 Pormann, P. E. 2015. Interdisciplinarity: Inside Manchester’s ‘arts lab’. Nature 525, 318–319. doi:10.1038/525318a. 3 Evelyn Ruppert. 2015. Doing the Transparent State: open government data as performance indicators. In A World of Indicators: The making of governmental knowledge through quantification. R. Rottenburg, S. E. Merry, S.-J. Park and J. Mugler, Cambridge: Cambridge University Press. 9. 4 Mehdi Snene, Michel Leonard (Eds.) Exploring Services Science. 5th International Conference, IESS 2014 Geneva, Switzerland, February 5–7, 2014 Proceedings//Muriel Foulonneau, Sébastien Martin, and Slim Turki. How open data are turned into services. 31.
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codes, fuel stations), education (geological layers “where I stand”), and citizen life (results of elections, “UK arms export licence browser”). The applications of the portal of Singapore concern mainly navigation and mobility (traffic, maps), tourism, environment, security (emergency contacts points), religion (places of worship), business (companies registered in Singapore) and open jobs in the public administration.5 In 2010 the cabinet office of the United Kingdom government introduced the Transparency Agenda (TA), which contributes to greater efficiency and plays a crucial role for the reform program for more participation of the general public concerning decision making and political influence6. This attitude is quite common in democratic ruled countries. However in countries, which are ruled by just one party, open science might be promoted, but open data about the country itself normally doesn’t exist. In China for example it is expected, that open access provisions will be part of the grant agreement of the ministry of science and technology in the period of the next five years (2016–20).7 The governments’ data sites are destined to move ahead journalism by the dissemination and evaluation of open data (Filloux 2009). Instead of relying on academic or political experts and reporting their studies ‘data journalists’ do their own investigations and provide in-depth analyses of immigration, crime, finance data etc.8, in order to evaluate the performance and the status of countries easier9. The importance of these developments is clearly visible in OECD reports. Current political initiatives in Greece regarding open data are focusing the open administrative data, which is a topic relating both to national obligations for the transposition of European Union law and to Greek commitments in the framework of the open government partnership. There are also references to open access policies and obligations in the draft research and innovation law that ought to be discussed in the parliament10. The attempts to solve the specific problems of open government data together with the general issues of open science can be regarded as waste of political efforts. There is no immediate equivalence between the quantity of data sets and their reuse. During data sets of transportation are heavily reused, the data sets of education are attracting less re-users
5 Muriel Foulonneau. et al. How open data are turned into services. 36. 6 Evelyn Ruppert. 1. 7 OECD Open Science Annex – Country Notes edited-for steering gruop.docx//DSTI/STP/TIP 2014. 9/ANN/REV2. 14. 8 Evelyn Ruppert. 9. 9 Evelyn Ruppert. 5. 10 OECD Open Science Annex. 4.
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proportioned to their quantity11. If the value of governmental data sets can be measured in the number of downloads or hits, the success of academic data sets can be measured quantitatively as well as qualitatively. A rarely used or disremembered dataset might trigger a new and brilliant academic outcome. The following topics are often related to open research and open science: The efficiency of scientific work will be improved. Because open science can increase the effectiveness and the productivity of the research system in the following way: 1. Reducing the duplication and the costs of creating, transferring and re-using data, 2. Enabling more research from the same data, 3. Enlarging the opportunities for national and international participation to research processes. 4. Increasing the transparency and quality of the replication and validation of research results12. A number of journals require already access to open data for years. Journal editors have realised that the plausibility of articles can be improved by added data, that they become more prominent. Even Nature as the most cited interdisciplinary scientific journal in 2010 has established Nature Scientific Data for publishing data. These activities are supporting open science very well. That research and education are funded by taxpayers’ money, is a very strong and valid argument for the public audience and for politicians. It is principally not fair to pay twice for the results of the research process and for the efforts of publishing. But the crucial changes of open science will be successful, if researchers and authors can be convinced. Potentially they have more to gain than to lose. A joint effort of a number of stakeholders is needed and must include the decision makers and stakeholders of governments, research agencies and universities. All the players have to cooperate closely and work together. Success stories about open data in research and education might give additional arguments. First of all it is important to remember that there is no market for data. The only market for data in economics is between institutions and researchers but not between researchers. Thus there is no monetary incentive to share the data and an efficient allocation of efforts is not achievable.13 Stand-alone value of aca-
11 Muriel Foulonneau Et. al. 37. 12 OECD, DSTI/STP/TIP. 2013. 13. unpublished. 13 Frank Mueller-Langer, Patrick Andreoli-Versbach. Open Access to Research Data: Strategic Delay and the Ambiguous Welfare Effects of Mandatory Data Disclosure.//Max Planck Institute for Innovation and Competition Research Paper No. 14 – 09. 8.
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demic data is still very low and a potential danger (like losing the advantages of using the collected data for future publications, misuse of data etc.) for researchers regarding voluntary sharing of their data without external incentives or compulsion is high. A deep change needs strong agreements between the players and stakeholders of the different levels. On the 17th of July 2012 the European Commission published the communication to the European Parliament and the European Council “Towards better access to scientific information: Boosting the benefits of public investments in research”14. This political initiative boosted many European countries to go ahead with open scientific information. The federal funding agencies are the most powerful players to disseminate the countries’ attitudes of their research policy. On the 23rd of June 2014 the Danish government published a national strategy for open access and aimed to make available 80 per cent of all peer-reviewed articles published by Danish institutions on open access repositories until 2017. The goal for 2022 is 100 per cent of all Danish publications15. In Great Britain the government appointed an enquiry, the so called Finch Report. The report was published in 2012 and recommended to support open access publishing.16 The Research Council of the United Kingdom (RCUK) declared the aim is that, by the end of the five year transition period, 75 % of Open Access papers from the research we fund will be delivered through immediate, unrestricted, on‐line access with maximum opportunities for re‐use (‘gold’) by 201817. With an annual budget of GBP 3.47 billion the seven research councils, which comprise RCUK, obtain more than the half of the Government’s science budget in the United Kingdom. All the research results, which have been funded by the council, have to be published as open access publications18. The Higher Education Funding Council for England (HEFCE) published an open access policy in March 2014 that will be implemented in the evaluations of the British higher education institutions. The policy intends to urge the researchers to open access publishing latest 201619. According to the UK Publishers Association, within one
14 http://ec.europa.eu/research/science-society/document_library/pdf_06/era-communication-towards-better-access-to-scientific-information_en.pdf 15 Jenny Maukola. A short, sharp transition to open access. http://www.researchresearch.com/ index.php?option=com_news&template=rr_2col&view=article&articleId=1345368 16 http://www.researchinfonet.org/wp-content/uploads/2012/06/Finch-Group-report-executive-summary-FINAL-VERSION.pdf 17 http://www.rcuk.ac.uk/RCUK-prod/assets/documents/documents/RCUKOpenAccessPolicy. pdf .9. 18 OECD Open Science Annex. 87. 19 http://www.hefce.ac.uk/pubs/year/2014/201407/
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year of the announcement of current RCUK policy, 70 % of journals now publish gold or include a gold option20. The Swedish research council aims, that all the research data produced entirely or partly by public funds have to be made open accessible as soon as possible.21 Finland is one of the leading countries in regard of investments in research and development concerning the percentage of the GDP. Finland’s aim is obviously to become a leading country for openness in science and research until 201722.This intention is underpinned in detail by a roadmap program. This rather unique, but very useful approach includes the issue of generations: To accelerate the transition to open data and open access the older researchers should become more aware of the importance of open science23. The Open Science and Research Initiative (ATT) was established in 2014 by the Finnish Ministry of Education and Culture to integrate open science and research into the entire research process. The activities of this initiative promote open access publications, open research data, open research methods and tools. Information literacy, training and support services are offered as well24. The Finnish open science roadmap moves the country at the front. The Netherlands are intending to make 60 % of all scientific publications (33.000 articles yearly) as open access publications available within five years and 100 % of the articles within ten years25. In January 2014 the Ministry of Education, Universities and Research (MIUR) of Italy (www.istruzione.it/) promoted and funded the program Scientific Independence of young Researchers (SIR) supporting young researchers in the early stage of their own research activities. The program contains a clause that obligates the researchers to open access in concern of both research publications and research data (http://attiministeriali. miur.it/anno-2014/gennaio/dd-23012014.aspx/)26. New initiatives and procedures
20 United Kingdom – Open Science country note. https://www.innovationpolicyplatform.org P.4. 21 https://publikationer.vr.se/en/product/proposal-for-national-guidelines-for-open-access-to-scientific-information/17. 22 Open science and research leads to surprising discoveries and creative insights Open science and research roadmap 2014–2017 Reports of the Ministry of Education and Culture, Finland 2014. http://openscience.fi/documents/14273/0/Open+Science+and+Research+Roadmap+2014-2017/ e8eb7704-8ea7-48bb-92e6-c6c954d4a2f2 P. 5. 23 http://openscience.fi/documents/14273/0/Open+Science+and+Research+Roadmap+2014-2017/e8eb7704-8ea7-48bb-92e6-c6c954d4a2f2 . 20. 24 OECD Open Science Annex. 23. 25 OECD Open Science Annex. 68. 26 OECD Open Science Annex. 53.
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are easier to implement among young academics. This attitude is different from the Finnish approach to pay special attention to established and older researchers introducing open science principles. The recently published document (3rd of September 2015) of the “National strategy of open access to scientific publications and research data in Slovenia 2015–2020“ determines, that every scholar has to ensure to publish all the peer-reviewed scientific publications refering to the results from the nationally funded research in the period from 2015 until 2020 as open access publications. Before the adoption of the open data mandate a national program of open access to research data will be carried out as a pilot27. Foundation of Science and Technology (FCT, IP), the only scientific public funding body in Portugal, is not establishing a mandatory policy for open access of research data for now. Because this is regarded as a difficult due to the need of developing metadata and standards appropriate to the different types of research areas and research data. More considerations are necessary, in order to decide, why data should or should not be made available. FCT, IP also wants to make sure, that the RCAAP infrastructure is well-prepared to host data repositories with a defined quality levels and to be able to pick up the data management needs from all the different research areas, before a policy is forcing it. Therefore the country is going on cautiously28. Portugal has a very successful example to introduce an open science policy at Minho University. Open science is very successfully promoted and supported on the university level without any support of the government. The Dutch Research Council (NWO) has taken open access publishing as one of the flagship policies of the council (www.nwo.nl/en/news-and-events/ dossiers/open+access). Nationally and internationally NWO aims, that authors pay for the publications of their research results by article processing charges, in order to make them free available. Researchers are obliged to publish according the principles of open access, if they are funded by NWO, which spend money for publication funds. The council is the co-owner of data of public funded research activities29. One of the most prominent funding agencies in the USA – the National Institute of Health (NIH) – has a number of policies regulating data availability for the public.30 NIH – like many other public funded research institutions – is guided
27 National strategy of open access to scientific publications and research data in Slovenia 2015 – 2020 (3 September 2015). 4. 28 OECD Open Science Annex. 78. 29 OECD Open Science Annex. 68. 30 http://www.nlm.nih.gov/NIHbmic/nih_data_sharing_policies.html
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by the memorandum of the White House Office of Science and Technology Policy (OSTP), which is advising federal science agencies spending more than USD 100 million per year in research and development to develop plans for the increase of public access to the results of public funded research, i. e. peer-reviewed scientific publications and digital scientific data. The memorandum was issued in February 2013.31 Taking into account the positions of the different countries mentioned above you can draw the conclusion, that progress of open science approaches are correlating with the countries expenditures for science per capita (Figure 1): Average total expenditure for R&D per capita ($) 3000 2000
Average total expenditure on R&D per capita ($)
1000 0
EE DK
FI
IT
NL PT
SI SE
Figure 1: Average total expenditure for R&D per capita ($).32
This conclusion is confirmed by the facts concerning the cost of open science. Open means free for (re-)users, but combined with costs for the authors. A lot of discussions have been held about transparent costs in open science, especially in the open data context. As far as the costs can be estimated the infrastructure and an effective system of data sharing might cost about 5 per cent of the total research budgets a year33. This assumption is making clear the barrier which the European countries with a lower GDP may have. Researchers of these countries might have only reduced benefits of open science. Without a comprehensive solution for all the European countries researchers of quite a number of countries do not have any funds to publish their research results according to open science. There is still the option to ask for resources from the users to cover the expenses of open science. Public research funders have different attitudes toward this option.
31 OECD Open Science Annex. 93. 32 Eurostat GBAORD. 2015. 33 The Data Harvest. How sharing research data can yield knowledge, jobs and growth. A Special report by RDA Europe. December 2014. Editors: Richard L. Hudson and Nuala Moran. EU, 2014. 33.
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In a letter to Parliament in November 2013 the State Secretary for Education, Culture and Science of the Netherlands set up a policy of open access for scientific publications. The results of publicly funded research should be made available without reservation34. The Norwegian Research Council’s policy is succeeding open principles regarding the access to research data. Research data should preferably be made accessible without charges. The price of access to research data should never be higher than the costs of their availability.35 NSF allows applications for funds concerning the ”costs of documenting, preparing, publishing or otherwise making available to others the findings and products of the work conducted under the grant. This generally includes the following types of activities: reports, reprints, page charges or other journal costs (except costs for prior or early publication); necessary illustrations, clean up, documentation, storage and indexing of data and databases, development, documentation and debugging of software and storage, preservation, documentation, indexing, etc. of physical specimens, collections or fabricated items” (see Grant Proposal Guide, Chapter II.C.2.g.vi.(b)).36 This statement addresses the problem called “unfunded mandate” given by the funding organization or by the government. There is the question yet, whether the funds are part of the available budget or additional resources. Researchers’ silent reluctance to charge for storage and preservation of open data without additional funding is predictable, because the regular budget will be cut up to 5 %. This is a possible threat for every researcher to get 5 % less funding or to lose the chance to get funding at all, because the total budget of the funder will be 5 % smaller due to the data curation and storage. This threat may unite researchers to oppose obligation for open data. According to the required implementation of open data researchers are ought to deliver data management plans. Data Management Plans are required by a number of public institutions and funding agencies like NIH (2003) and NSF (2011). The current NSF requirement, which is the implementation of the foundation’s long-standing data-sharing policy in 2011, specifies that the proposals must
34 www.government.nl/ministries/ocw/documents-and-publications/parliamentary-documents/2014/01/21/open-access-to-publications.html. 35 Norwegian Research Council. The Research Council’s Policy on Open Access to Research Data September 2014. http://www.forskningsradet.no/servlet/Satellite?blobcol=urldata&blobheader=application/pdf&blobheadername1=Content-Disposition:&blobheadervalue1=+attachment;+filename%3D%22ADMÅpentilgangpolicyengCBE20141009.pdf%22&blobkey=id&blobtable=MungoBlobs&blobwhere=1274505508501&ssbinary=true 3, 5. 36 http://www.nsf.gov/pubs/2015/nsf15052/nsf15052.pdf. 7.
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include a supplementary document of no more than two pages labelled as “data management plan.” 37 In Horizon 2020 a limited pilot activity on open access to research data has been implemented.38 The participating projects will be required to develop a data management plan, which should specify the access to the open available data39. This issue specified in the pilot project has a crucial impact on the scholarly community and the funding organisations of the member states of the European Union in particular the smaller countries, where open data policies aren’t completed yet. Moreover, according to the European Commission’s recommendations the EU member states should enforce the same mandates for the national funding agencies. In this way open access for the results of publicly funded research will become more and more a standard in Europe and will promote the further development of open science 40. The introduction of data management plans as a compulsory component gives an excellent justification to establish it as a standardised part of every application for public grants. Estonia for example is planning to introduce mandatory data management plans. The funding requirements of the European union give the member states a strong leverage for requesting additional paperwork from researchers and allocating funds to support open data initiative. The DMP standard questions about data curation and preservation cannot be answered properly, if the organisation demanding the DMP does not offer funds for the data preservation infrastructure and data curation training. These activities will support all the research, not only the data generated in the Horizon 2020 pilot projects. The Research Council of Norway (RCN) has currently established a policy for research data resulting from public funded projects. The RCN is also considering mandatory data management plans (DMP) for all projects in order to advance open data principles. In October 2014 the applications for funding of research infrastructures supporting open data were a priority under the National Infrastructure Scheme of the RCN41. What is the attitude of researchers towards the open science policy? A number of surveys have been made on this topic. 488 randomly selected empirical researchers affiliated with the top 100 economics departments and top 50
37 http://www.nsf.gov/pubs/2015/nsf15052/nsf15052.pdf. 5. 38 http://ec.europa.eu/research/participants/data/ref/h2020/grants_manual/hi/oa_pilot/ h2020-hi-oa-pilot-guide_en.pdf 39 Guidelines on Data Management in Horizon 2020 Version 16 December 2013. 40 National strategy of open access to scientific publications and research data in Slovenia 2015 – 2020. 2015. 3. 41 OECD Open Science Annex. 71.
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business schools answered a questionnaire. The large majority, 394 (80.74 %), neither share data nor provide any indication of whether or where the data are available42. A subject field-based comprehensive survey in Norway gives a slightly more positive attitude to open science, especially to open data. A total of 1,474 researchers completed the survey. This constitutes 21.8 % of the selected survey population. 604 researchers actively indicated that they did not want to participate in the survey. In total, that is a response rate of 30.6 per cent. An analysis of respondents indicates, that institution of different types and subject matters are very well represented. Only 10 per cent of the researchers had not used research data generated by other researchers over the past three years and did not wish to use data generated by others. Although most researchers agree on the benefits of sharing data, many researches are also undecided about whether publicly funded research data should be considered public property.43 If the individual academic value of data increases, i. e. due to data journals and more valuable data citations, some researchers may have an incentive to specialise in the creation of data, if they expect to have a competitive advantage, i. e. they have the necessary (financial) resources, knowledge and experience in the creation of data. This may have a positive effect on the overall quality of data availability.44 The assessment of the researcher’s individual work, not the journal impact factor is crucial in generating a policy change. As long as research funders assess merely well-known journals according to their impact factor, the hybrid solution will be dominant. This makes research partly, but not entirely available to the public. In total it is the most expensive solution summarising all the expenses for the scholars and the society. Additional threat exists for scholars from developing countries with less financial resources of getting less contact with the audience due to staying behind the pay-wall because they cannot afford publishing open access articles. The same happens with research data, if it is gathered and distributed by a private company.
42 Patrick Andreoli-Versbach, Frank Mueller-Langer. Open access to data: An ideal professed but not practiced. Research Policy 43. 2014. 1621. 43 http://www.forskningsradet.no/servlet/Satellite?blobcol=urldata&blobheader=application%2Fpdf&blobheadername1=Content-Disposition%3A&blobheadervalue1=+attachment%3B+filename%3D%22Endeligrapport-SharingresearchdatapreparedbyDAMVAD%284 %29. pdf%22&blobkey=id&blobtable=MungoBlobs&blobwhere=1274505424255&ssbinary=true .6 – 7. 44 Frank Mueller-Langer, Et. al.P. 18.
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Voluntary data-sharing is systematically associated with three factors: personal incentives, institutional reasons and personal attitudes towards “open science”. Our empirical results confirm these theoretical predictions and show that the likelihood of voluntary data-sharing increases with (a) academic tenure, (b) the quality of researchers, (c) the share of published articles that are subject to a mandatory data-disclosure policy of journals, and (d) personal attitudes towards open science.45 Universities have the freedom to take account open access published articles and open data availability as well as the citations of the data and the quotations of open access articles. These changes can give researchers enough incentives for better perspectives tracking their academic careers.
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Wolfram Horstmann, Margo Bargheer und Andrea Rapp
Monographien und ihr digitales Potenzial in der Forschung des 21. Jahrhunderts 1 Einleitung Will man Wandlungsprozesse im wissenschaftlichen Publikationswesen verstehen und steuern, ist der Blick auf die Funktionen des Publizierens nützlich, um herausarbeiten zu können, welche Funktionen in bestimmten Kontexten wie zum Tragen kommen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Diesen Ansatz wollen wir auf die Fragestellung anwenden, wie die Monographie als bedeutsames Publikationsmedium für die Geistes-, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften im digitalen Wandel ihr volles Potenzial entfalten können. Denn dass sie sich in einem krisenhaften Zustand befindet, lässt sich nicht nur aus polemischen FeuilletonBeiträgen herauslesen1, sondern aus vielen Aspekten schlussfolgern, die wir im Laufe des Artikels näher ausführen. 1997 benannten Roosendaal und Geurts (siehe dort 1997) für die wissenschaftliche Publikation die vier Grundfunktionen „registration, certification, awareness and archiving“, also den a) Registrierungsaspekt wie Entdeckungspriorität und Zuschreibung der Urheberschaft, b) die Zertifizierung im Sinne der Anerkennung als wissenschaftliche Information durch Selektion und Qualitätssicherung, c) die Verbreitung, damit Information in den Aufmerksamkeitskegel der wissenschaftlichen Gemeinschaft treten kann sowie d) die Archivierung für die langfristige Überprüfbarkeit im dialogischen Prozess der Wissenschaft. Die Funktionen stehen dabei nicht losgelöst voneinander, sondern wirken häufig in einem rückgekoppelten Spannungsverhältnis. Im derzeitigen Evaluierungs- und Belohnungssystem der Wissenschaft etwa wird der Zertifizierung
1 Siehe die versuchte Neuauflage des „Heidelberger Appell“ von 2009 im FAZ-Feuilleton mit der Polemik von 13.10.2015 „Eine Kriegserklärung an das Buch“, außerdem der lesenswerte Beitrag von Scott Sherman „University Presses under Fire“ http://www.thenation.com/article/university-presses-under-fire/[letzter Zugriff 23.10.2015]. Der Begriff „Monographie“ wird entsprechend der bibliographischen Definition verwendet, die in Abgrenzung zu Periodika ohne Stücktitel wie Jahrbücher oder zeitschriftenähnliche Bücher verwendet wird. Darunter fallen demnach Sammelbände mit Stücktitel, Publikationen von Einzelautoren – die im allg. Sprachgebrauch und entsprechend der griechischen Wurzel γράψει μόνος des Wortes eine Monographie wären – und Werke mit Mehrautorenschaft.
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durch Selektion ein hoher Wert beigemessen, in seiner problematischen Ausformung durch den Impact-Faktor symbolisiert. Für Autoren2 wissenschaftlicher Information, die Leistungsnachweise zu erbringen haben, ergibt sich also die Notwendigkeit, ein Publikationsorgan zu wählen, in dem diese Funktion möglichst stark ausgeprägt ist. Damit wird die Reputation des Publikationsorgans zu einem symbolischen Kapital mit hoher Anziehungskraft für Autoren, wobei die Autorenschaft im Wissenschaftssystem weitgehend deckungsgleich mit der Leserschaft ist und damit hohe Attraktivität bei der Leserschaft entsteht. Mit dieser Anziehungskraft können Anbieter dieser Information, also Verlage als Intermediäre, das symbolische Kapital der Reputation in reales Kapital umwandeln und bestmöglich kommerzialisieren. Erreichen die Anbieter wissenschaftlicher Information eine hohe Verbreitung des Gutes, gewinnen sie gegenüber den Abnehmern der Information wiederum an Reputation, was die weite Verbreitung gewährleistet und die ökonomische Position der Anbieter weiter stärkt. Im digitalen Wandel mit seiner flankierenden Begleiterscheinung von Open Access hat sich vor allem die Verbreitungsfunktion3 von Publikationen radikal verändert. Dies zeigt sich an der Mächtigkeit von kommerziellen Nachweissystemen wie dem Verzeichnis lieferbarer Bücher, Anbietern wie Amazon, und – auf unsere Fragestellung angewandt – der Publikationskultur in den Natur- und Lebenswissenschaften (science, technology and medicine, kurz STM) mit ihrem Leitmedium, dem Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften, der neben den Journals auch anderen Plattformen wie arXiv.org, Google Scholar, ResearchGate, Academia.edu oder ScienceOpen überhaupt erst zu ihrer Bedeutung verholfen hat.
Digitale Verfügbarkeit in den Naturwissenschaften Digitale Prozesse und das Internet erlauben die 24/7 Verfügbarkeit der genannten Artikel, die damit selbstverständlicher4 Teil des wissenschaftlichen Arbeitens geworden sind, entweder von Bibliotheken kostenintensiv bereitgestellt, von Verlagen überteuert als Einzelzugriff angeboten (und von Wissenschaftlern mit dem
2 Wir verstehen alle Personenbezeichnungen als genderneutral, obwohl im Bereich der Wissenschaftskommunikation keine ausgeglichenen Genderverhältnisse herrschen. Die Verwendung der maskulinen Form ist lediglich der vereinfachten Lesbarkeit geschuldet. 3 Auch der Zertifizierungsprozess befindet sich im Wandel, siehe neuere Verfahren wie Open Peer Review, Review-Plattformen wie Publons oder The Winnower. 4 Siehe dazu die Nutzerbefragung 2014 an der SUB Göttingen, http://www.sub.uni-goettingen. de/wir-ueber-uns/nutzerbefragung-2014/[letzter Zugriff 23.10.2015].
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Hashtag #icanhazpdf kreativ unterlaufen), auf den o. g. Plattformen mehr oder minder zuverlässig erreichbar oder auf der Produktionsseite finanziert und dann verlässlich Open Access bereitgestellt. Die digitale Verfügbarkeit hat zu erheblichen Mehrwerten für die Konsumierenden wissenschaftlicher Information geführt, sowohl bei den Funktionalitäten des Mediums selbst (digitale Referenzierungen, Zugriff auf Primärdaten, Integration dynamischer Elemente) als auch bei der Verbreitung. Für die Funktion Verbreitung steht neben der generellen digitalen Bereitstellung eine wachsende Zahl von Open-Access-Publikationsangeboten für die wissenschaftlichen Autoren in den STM-Feldern bereit. Etablierte sowie neugegründete Zeitschriften offerieren Open-Access-Publikationsmöglichkeiten, und den Autoren stehen gesicherte Finanzierungs- und Förder- sowie Lizenzmodelle zur Verfügung. Ebenso haben Aktivitäten der Forschungsförderer, etwa die Einrichtung von Open-Access-Publikationsfonds zusammen mit der DFG oder die Open-AccessLeitlinien der Europäischen Kommission, an einigen Einrichtungen die Sichtbarkeit, Durchsetzung und Akzeptanz von OA-Publikationen gefördert. Auch die jahrelangen Anstrengungen der Förderorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen zum Aufbau einer flächendeckenden Repositorien-Infrastruktur haben dazu beigetragen, womit der Anteil der bereitgestellten Literatur im Open Access langsam, aber stetig wächst. So lässt sich für die STM-Felder beobachten, dass die Messlatte der Zertifizierung nicht entlang digitaler vs. nicht-digitaler oder Open Access vs. Closed-Access-Bereitstellung verläuft, sondern entlang der erreichten Höhe von Zertifizierungspotenzial, dem „impact“, gebildet aus Reputation und Verbreitung.
Die Situation in den Geistes-, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften Für die deutschsprachigen Geistes-, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften mit ihrer Buchorientierung ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Die Monographie im Sinne des „langen Arguments“, der umfangreiche Text als Verschränkung von Forschungssituation, Kontextualisierung und Forschungsergebnis hat in der wissenschaftlichen Kommunikation nach wie vor eine dominante Stellung, auch bei der Entwicklung einer wissenschaftlichen Karriere. Während Forschende in den Naturwissenschaften zur karrierefördernden Veröffentlichung ihrer Ergebnisse ausschließlich auf digitale Zeitschriftenbeiträge setzen und kumulativ promovieren können, ist zum Beispiel die Verlagsveröffentlichung der Promotionsarbeit als gedruckte Monographie in großen Teilen der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften ein Qualitätsmerkmal wissenschaftlicher Arbeiten und wird nach
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wie vor auch in Promotionsordnungen sowie von Promotionsausschüssen propagiert und in Berufungs- und Einstellungsverfahren vorausgesetzt. In den Geistes- und Sozialwissenschaften ist zudem zu vermerken, dass Sprache hier zwar analog zu den STM-Disziplinen als deskriptiver Träger von Informationen, aber darüber hinaus als Forschungsgegenstand und analytisches, interpretierendes Instrument fungiert, einhergehend mit den kulturellen Setzungen und Kontextualisierungen. Die unbekümmerte Verwendung einer Lingua Franca wie dem Englischen in den Naturwissenschaften stellt damit für die deutschsprachigen Wissenschaften selten eine Option dar, womit sich die potentiellen Absatzmärkte für Verlage als drastisch kleiner darstellen als in den STM-Feldern. Betrachten wir dann noch die geringere Verbreitungsdichte von Autoren und Verlagen in den jeweiligen Disziplinen, wird deutlich, weshalb die Passung von wissenschaftlichen Ergebnissen – vor allem in ihrer ausformulierten Langform als Monographie – mit dem optimalen Verbreitungsorganen eine Herausforderung darstellt. Diese Herausforderung nehmen im deutschsprachigen Raum vornehmlich die ca. 320 national agierenden kleinen und mittelständischen Verlage an, die häufig auf enge Fachsegmente spezialisiert sind und dementsprechend geringes (ökonomisches) Potenzial aufweisen, in neue Zugangsmodelle oder Publikationsinnovationen zu investieren. Ihnen gegenüber stehen die wenigen großen Marktführer, die vor allem über Zukäufe von kleineren Mitbewerbern5 weiter wachsen. Unter den Top 100 Verlagen in der ersten Hälfte 2015 sah die Spitze laut „Buchreport“ wie folgt aus: 1 Springer Science + Business Media, Berlin 2 Klett-Gruppe, Stuttgart 3 Random House, München 4 Cornelsen Bildungsgruppe, Berlin 5 Westermann Verlagsgruppe, Braunschweig 6 Haufe Gruppe, Freiburg 7 Wolters Kluwer Deutschland, Köln 8 Weka Holding, Kissing 9 C. H. Beck, München 10 dfv-Gruppe Deutscher Fachverlag, Frankfurt a. M. Insgesamt wächst weiterhin die Anzahl der wissenschaftlichen Neuerscheinungen (vgl. Geschäftsberichte der DNB 2013, 2014 und 2015), während die Verkaufs-
5 Z. B. in 2015 Lucius&Lucius zu de Gruyter, J. B. Metzler zur aus Springer SBM und der Nature Publishing Group fusionierten Holding SpringerNature.
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preise der Titel steigen und die Auflagenhöhen sinken (vgl. Greco und Wharton 2008). Die angespannte Etatsituation von wissenschaftlichen Einrichtungen und Förderern verschärft den bereits bestehenden Auflagen- und Absatzrückgang noch weiter, sodass sich die laufende Literaturversorgung durch Bibliotheken für Publikationen aus diesen Disziplinen spürbar verschlechtert hat. Für Autoren bedeutet die skizzierte Situation, dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass ihr Werk von Verlagen ins Programm genommen, von Bibliotheken erschlossen und von Kollegen rezipiert werden kann. Ein Großteil der wissenschaftlichen Bücher, die sich vornehmlich an die Fachkollegen richten, muss außerdem autorenseitig finanziert werden, weil die Erschließung neuer Absatzmärkte für Verlage kaum möglich ist und Verkaufseinnahmen die Kosten der Produktion nicht decken.
Spurensuche einer verzögerten Entwicklung Auf der Nutzungsseite würde die etatbedingte Unterversorgung durch eine vermehrte Open-Access-Bereitstellung abgefedert werden können. Tatsächlich aber ist in diesen Wissenschaftsbereichen weder eine angemessene Literaturversorgung im Open Access noch eine schlagkräftige Entwicklung zu mehr OpenAccess-Angeboten an Autoren und Herausgeber zu verzeichnen, obwohl laut der SOAP-Studie6 schon 2011 90 % der befragten Sozialwissenschaftler konstatierten, dass ihre Disziplinen von mehr Open Access profitieren würden. Es verwundert daher nicht, dass erst Ende Januar 2013 die sich immer noch im konsolidierenden Projektstadium befindende „Open Library for Humanities7“ als Pendant zur seit 2003 erfolgreichen „Public Library of Science“ gegründet wurde. Wollte man dies als Beispiel für einen 1:1-Vergleich heranziehen, müssten wir beim Durchdringungsgrad von Open Access zwischen den Naturwissenschaften und den Geistes- und Sozialwissenschaften eine Entwicklungsverzögerung von gut zehn Jahren feststellen. Die Gründe für diese Verzögerung sind vielschichtig und beziehen sich nicht nur auf die Bereitstellung, sondern auch auf die digitale Natur an sich. Der gewichtigste Grund ist unserer Meinung nach, dass der Wechsel des Verbreitungsmediums von Print zu Online für das Kommunikationsmedium Zeitschrift und seiner unselbständigen Einheit „Artikel“ mit weniger technischen und konzeptuellen Brüchen verlief, als dies bei Büchern der Fall ist, etwa beim Leseverhalten, dem Reputationsgewinn oder den Speicherkonzepten. Sind die Marktakteure
6 Siehe Abschnitt 2.3 in Dallmeier-Tiessen et al 2011. 7 https://www.openlibhums.org/
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zudem noch wenig beweglich – sei es aus ökonomischen oder identifikatorischen Gründen – wird auf der Angebotsseite wenig Wandel stattfinden. Wo es wenig anerkannte Literatur in der Onlinebereitstellung gibt, wird dementsprechend die Akzeptanz für das Neue und Ungewohnte gering bleiben. Paradoxerweise sind die meisten Autoren und Herausgeber in den Geistes- und Sozialwissenschaften gewohnt, dass sie den Verlagen publikationsreife „camera-ready“ Manuskripte abzuliefern haben8 und über Druckkostenzuschüsse erhebliche Beiträge zur Finanzierung ihrer Buchprojekte leisten müssen. Die Erfahrungen aus dem OAPEN-Projekt9 legen nahe, dass diese Zuschüsse das ökonomische Risiko von Verlagen vor allem bei spezialisierter Literatur für die wissenschaftliche Kommunikation vollständig auf die Urheber verlagern. Dennoch bleibt es bei den meisten Buchprojekten in kommerziellen Verlagen dabei, dass der Verlag die ausschließlichen Nutzungsrechte erhält, allenfalls zögerlich kommerzielle E-Book-Angebote umsetzt und vorwiegend auf den Vertrieb als kostenpflichtige Druckversion setzt. Zudem sind in diesen Fachgebieten von Autoren, Herausgebern und Verlagen teils erhebliche und ideologisch begründete Vorbehalte gegenüber innovativen Ansätzen wie Open Access zu verzeichnen, auch wenn man die Vorteile für die Leserschaft anerkennt.10
Monographien und digitale Forschungsmethoden Nicht nur unter dem Begriff der „Digital Humanities“ werden in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften zunehmend digitale Methoden und Daten verwendet – ‚Digitalität‘ ist zu einem zentralen Bestandteil von Kultur und Gesellschaft geworden. Hierzu gehören zum Beispiel digitale kulturelle Objekte und Kunstwerke, digitale Vokabularien, digitale Editionen, Quellenstudien auf Basis hochauflösender Retrodigitalisate, umfangreiche Corpora, georeferenzierte Visualisierungen (Gazeteers), 3-D-Modelle, durchsuchbare Interviews, visualisierte soziale Netzwerke, die entsprechenden Infrastrukturen und Forschungsumgebungen sowie die Software für die genannten Methoden und statistische Daten. Von ihrer technischen Komplexität her lassen sich diese Objekte und Methoden
8 Auch wir haben diesen Beitrag mit einer Formatvorlage des Verlags selbst gesetzt. 9 Hierzu eine Befragung von Wissenschaftlern im Frühjahr 2012 im Rahmen des OAPEN-UKPilots: http://oapen-uk.jiscebooks.org/research-findings/researchersurvey/. 10 Siehe dazu zum Beispiel die Vortragsaufzeichnung des Historikers Olaf Blaschke auf dem Historikertag 2014 in Göttingen, Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=OrswNLKQwW0 [letzter Zugriff 23.10.2015].
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nicht en passant in beliebige Forschungsprojekte und Publikationen einbinden, sondern verlangen eine entsprechende Formulierung der Forschungsfragen, deren Operationalisierung, Bearbeitung und Auswertung, die hohe Kompetenz erfordern. Nicht immer können die auf diese Weise Forschenden alle Kompetenzen selbst mitbringen, sondern sind auf Kompetenzen und vor allem Ressourcen Dritter angewiesen – ein Spannungsfeld, das sich für die Autoren einer im Druck erscheinenden Monographie so nicht ergibt. Die Bandbreite der digitalen Möglichkeiten wiederum bringt die Forschenden in das Dilemma, dass eigentlich alles denkbare auf digitaler Ebene umgesetzt werden könnte, aber besonders im Zustand der Abhängigkeit von Ressourcen Dritter nur unter Vernachlässigung einer der Aspekte „unaufwändig“, „schnell“ oder „sorgfältig“11.
Abb. 1: Dilemma der Forschenden.
Theoretisch ließen sich die genannten digitalen Funktionalitäten auch in einer verlagsverantworteten Version veröffentlichen, die als Datenträger oder OnlineMedium vertrieben würde. In der Realität ist jedoch die Überführung in die volle digitale Funktionalität im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation weiterhin die Ausnahme. Die Konvertierung in XML, HTML oder epub kann so gut wie nie rein automatisiert erfolgen, wodurch sich für Produkte mit geringer Absatzchance zum einen die Herausforderung der Gegenfinanzierung für die manuellen Aufwände ergibt. Zum anderen können die entsprechenden komplexen und ausdiversifizierten Kompetenzen beim Umgang mit digitalen Forschungsressourcen gerade in kleineren Verlagen kaum vorgehalten werden, so dass eine neue Kooperationskultur zwischen Verlagen und Wissenschaft im Hinblick auf digitale Publikationsformen entwickelt werden müsste. Deshalb bleibt es bislang in
11 Adaptiert vom „fast, cheap or good“ Dilemma des Projektmanagements, das zum Beispiel Cuban 2014 erläutert.
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der Regel bei der PDF-Erstellung und beim Gros der deutschsprachigen Verlage für die Geisteswissenschaften bei der Verbreitung als gedrucktes Werk. Die auf digitalen Methoden und Daten basierenden Erkenntnisse und Forschungsergebnisse werden damit (nicht nur im Hinblick auf Umfänge) auf druckbare Text- und Bildformate begrenzt, die sich in den zwei Dimensionen eines PDFs oder Blattes Papier darstellen lassen. Dies schränkt die direkte Nachvollziehbarkeit der Forschung ein, verhindert eine dem Wissen angemessene Mediennutzung und verschenkt ihr Potenzial der digital vermittelten Weitergabe und Aneignung. Letztlich kann diese eingeschränkte Publikationskultur dem Phänomen ‚Digitalität‘ nicht gerecht werden, so dass das Potenzial geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung für Wissenschaft und Gesellschaft nicht ausreichend sichtbar wird und nicht ausgeschöpft werden kann.
Forschungsleistung jenseits des Textes Zugleich müssen auch die Formulierung von Forschungsansätzen unter dem Digital-Humanities-Paradigma, die Erstellung von Forschungsprimär- und die Kuratierung von Sekundärdaten sowie die Entwicklung von Werkzeugen und ihre Optimierung im Fortgang der Forschung als wichtiger Teil des publizierfähigen Forschungsergebnisses angemessen gewürdigt werden, die bislang in der Monographie nicht offiziell referenziert werden können. Technische Ansätze, wie man aus der Monographie – gleich ob als gedruckt oder digital vorliegend – auf die ihr zugrunde liegenden digitalen Ressourcen verweisen kann, wären etwa persistente Identifikationsnummern (z. B. DataCite DOIs), QR-Codes zur Schließung von Medienbrüchen, aber vor allem mehrdimensionale und plattformunabhängige Publikationsformen, die ihrer Anerkennung aus den genannten Gründen noch harren. Für engagierte Nachwuchsforscher in den Digital Humanities ergibt sich außerdem die Herausforderung, dass die Qualifizierungsarbeit in den meisten Geistes-, Sozial- und Gesellschaftswissenschaften konventionellen Erwartungen unterworfen ist und aufgrund ihrer Bedeutung für den Karrierebeginn in der Wissenschaftswelt nicht gerade prädestiniert ist für Experimente. Neben der Entwicklung verlässlicher technischer Grundlagen für innovative digitale (oder hybride) Publikationsformen ist demnach ein entsprechender Kulturwandel vonnöten, der durch etablierte und prestigeträchtige Institutionen gestaltet und wirksam befördert werden könnte.12
12 Zu denken ist an etablierte Verlage mit prestigeträchtigen Reihen ebenso wie an Bibliotheken, unterstützt auch durch Fachgesellschaften.
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2 Freie Zugänglichkeit der Forschungsergebnisse Als die DFG 2013 als Ergebnis des Göttinger Workshops „Open Access für wissenschaftliche Monographien“ von 2012 (Chatzoudis 2012) eine Ausschreibung zur Förderung von innovativen Open-Access-Projekten zur Monographie auf den Weg brachte, wurde eine erheblich größere Zahl von Projekten eingereicht, als man aus der Förderung von nur zwei Monographie-Projekten schließen könnte, dem Projekt OA Monographien: Language Science Publications: A publication model for open-access books in linguistics13 und dem Projekt OA Monographien: Entwicklung eines Geschäftsmodells für Open-Access-Monographien anhand des Pilotprojektes Heidelberg Studies in Transculturality14. Beide Projekte beinhalten innovative Elemente des eigentlichen Mediums selbst, der zentrale Fördergedanke scheint hingegen die Entwicklung von Geschäftsmodellen zu sein. Im kommerziellen Bereich sind in den letzten Jahren Verlage wie Walter de Gruyter oder Palgrave MacMillan mit dezidierten OA-Publikationsmodellen auch für Bücher hervorgetreten15. Doch ist darunter kein Akteur gewesen, der vorwiegend die Interessen der Wissenschaft und der Forschungsförderer vertritt. So scheinen es nur die wissenschaftsgesteuerten Universitätsverlage zu sein (die in der AG Univerlage organisiert sind)16, die das Verlegen von Büchern im Open-AccessModell seit vielen Jahren als Routine und im Interesse der wissenschaftlichen Einrichtungen betreiben. Bei den kommerziellen Anbietern scheint es an erprobten Geschäfts- und Erlösmodellen sowie Erfahrungen zu mangeln, auf die sich die gesamten Akteure der Wertschöpfungskette im wissenschaftlichen Publizieren stützen könnten.
Lösungsansätze In Fachbereichen, in denen die prestigeträchtigsten Verlage im Ausland sitzen und ausreichend Innovationspotenzial hätten, etwa die großen anglo-amerikanischen Universitätsverlage oder Verlage wie Brill und Routledge, ist die Einflussnahme deutscher Autoren und Förderer in Hinblick auf mehr Open Access bisher
13 http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/244036188 [letzter Zugriff 23.10.2015] 14 http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/243780697 [letzter Zugriff 23.10.2015] 15 De Gruyter: http://www.degruyter.com/applib/newsitem/56/die-maxplanckgesellschaftund-de-gruyter-schlieen-rahmenvertrag-zur-publikation-von-open-accessbchern; sowie z. B. Palgrave Macmillan Open: http://www.palgrave.com/open/faq.asp#section 2; O’Reilly Open book: http://oreilly.com/openbook/ 16 Webseite der AG Univerlage: http://blog.bibliothek.kit.edu/ag_univerlage/
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gering ausgeprägt und daher stark ausbaufähig. Auch die Kosten in rezenten kommerziellen Angeboten wie Springer Open17 oder Palgrave Macmillan18 zeigen, dass die Publikationsversorgung im Open-Access-Modell nicht komplett den Kräften des Marktes überlassen werden sollte. Die Förderung von Open-AccessMonographien des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF19 ist ein Beispiel für einen solchen gesteuerten Ansatz, der in Zusammenarbeit mit kommerziellen Verlagen20 umgesetzt wurde. Angesichts der erheblichen Autorenleistungen für Erstellung der Inhalte ist jedoch fraglich, ob bei diesen Summen die Krise der Monographie durch die Open-Access-Bereitstellung gelöst werden kann. Für die bessere Ausschöpfung der digitalen Potenziale bestünde selbstverständlich die Möglichkeit, die Empfehlung auszusprechen, nicht mehr zu drucken, sondern nur digitale Monographien zu erstellen, in denen InternetReferenzen zu digitalen Ressourcen wie im elektronischen Zeitschriftenartikel effektiv integriert werden können. Dies würde jedoch dem noch vielfach etablierten Leseverhalten von Monographien in Druckform widersprechen – und vor allem das zuvor angesprochene Dilemma für Autoren nicht lösen, das in der hohen Zertifizierungsfunktion der gedruckten Monographien begründet ist. Die Frage ist also, welche Formen der stärkeren Integration zwischen gedruckten Monographien und digitalen Ressourcen gefunden werden können. Wir schlagen daher vor, in enger Zusammenarbeit von Forschenden, Infrastruktureinrichtungen und Förderern Förderformate für ergebnisoffene und experimentelle Vorhaben zur Schaffung einer Monographienkultur zu entwickeln, die das volle Potenzial der digitalen Bereitstellung ausschöpft, ohne die Vorteile der konventionellen Bereitstellung zu verschenken. Folgende Felder sollten in Anträgen berücksichtigt werden können: – Technische, organisatorische und kulturelle Ansätze zum Schließen von Medienbrüchen zwischen digitalen Ressourcen bzw. Primärdaten und den entsprechenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen
17 http://www.springeropen.com/books Es wird eine Seitenanzahl-basierte Gebühr angeboten, die in Vorträgen von Verlagsvertretern mit Summen von rund 15.000 € angegeben werden. 18 http://www.palgrave.com/open/faq.asp#section 2 Es sind Kostenrahmen bis 14.000 € vorgesehen. 19 http://www.fwf.ac.at/de/projects/selbststaendige_publikationen.html 20 Die Fördersummen im genannten Programm liegen bei 14.000 – 20.000 € für eine hybride Publikation. Dies wird für das Gros der Verlage eine Open-Access-Publikation ohne nennenswertes Risiko ermöglichen. Ob die öffentlich geförderte Risikoabfederung für privatwirtschaftliche und in weiten Teilen auch gewinnorientierte Akteure ein erwünschter oder zu vermeidender Effekt ist, konnte im Projektverlauf nicht in der nötigen Tiefe analysiert werden. Diesen Aspekten wäre in dezidierten Forschungsprojekten nachzugehen.
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– Unterstützung paralleler Druck- und Digitalausgaben von Monographien durch die Umsetzung entsprechender Erlös- und Geschäftsmodelle – Technisch-organisatorische Entwicklungen wie Publikationsplattformen für digitale Produkte und Daten der geisteswissenschaftlichen Forschung – Nutzerfreundliche technische Verfahren zum schnellen Verweis von gedruckter Literatur auf digitale Ressourcen – Leitlinien zur guten Praxis der Daten-Zitation in den Geistes- und Sozialwissenschaften – Ansätze für innovative Methoden von Begutachtung, Bewertung, ImpactMessung und Partizipation Wir sehen in der bestehenden Forschungs- und Publikationslandschaft vielversprechende Ansätze, um den skizzierten Herausforderungen in den buchorientierten Disziplinen zu begegnen. Inzwischen gibt es 15 Studiengänge allein in Deutschland, die dem Begriff Digital Humanities zuzuordnen sind und über 160 Forschende, die sich im Verband „Digital Humanities im deutschsprachigen Raum“ (DHd) organisieren21. Diesen in Forschung und Lehre aktiven Wissenschaftlern stehen inzwischen etablierte Plattformen und Werkzeuge zur Verfügung, darunter TextGrid mit seiner aktiven Anwendercommunity, lebendige Netzwerke wie DHd, Infrastrukturen wie DARIAH oder CLARIN. Dass in neuen Forschungszusammenhängen sich die entsprechenden Publikationswege gleichermaßen entwickeln, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Denn betrachten wir die vier Funktionen des Publizierens, a) die Registrierung, b) die Zertifizierung, c) die Verbreitung und d) die Archivierung, wird deutlich, dass die digitalen Potenziale der Monographie nicht leichter Hand mit konventionellen Ansätzen umgesetzt werden können. Auf welches Objekt mit welchen persistenten Identifikatoren beziehen wir uns beim Zitieren, wie wird Reputation geschaffen, welche Verbreitungswege können neuartige Monographien gehen und wie ist die dauerhafte Verfügbarkeit zu organisieren, wären zu lösende Fragen, die in experimentellen Ansätzen22 gestreift werden. Bilden sich in den vier genannten Publikationsfunktionen die Möglichkeiten sich neu entwickelnder Forschungsfelder nicht ab, greifen entweder die Funktionen zu kurz, wie wir es bei den Anforderungen an Qualifizierungsarbeiten für die Karrierebildung herausgearbeitet haben oder bleiben unnötig flach, wenn zum Beispiel in
21 Siehe dazu die Webseite des Verbands http://www.dig-hum.de/ueber-dhd. 22 Dazu z. B. das Datenmodell „Shared Canvas“ http://iiif.io/model/shared-canvas/1.0/index. html [letzter Zugriff 30.10.2015], das einige der aufgeworfenen Fragen der Registrierungsfunktion zu lösen sucht.
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einer Publikation der Durchgriff auf digitale Primärdaten nicht ermöglicht wird. Solange der Zertifzierung mittels Verlagsveröffentlichungen hoher Wert beigemessen wird, müssen deshalb die genannten Funktionen in Zusammenarbeit mit Verlagen neu gedacht werden, und zwar Verlagen in einem partnerschaftlichen Verhältnis zur Wissenschaft. Denn bereits die genannten Autorengebühren für Open-Access-Monographien von kommerziellen Verlagen im schlichten PDF-Format zeigen auf, dass eine flächendeckende Versorgung mit Publikationsmöglichkeiten für die Digital Humanities von den gewinnorientieren Akteuren nicht zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, weshalb im Februar 2015 die Andrew Mellon Foundation amerikanische Universitätsverlage erfolgreich23 aufforderte, Projektanträge für innovative Publikationsformen aus Digital-Humanities-Zusammenhängen einzureichen (Straumsheim 2015). Im deutschsprachigen Raum wären als Partner die inzwischen über 20 wissenschaftsgesteuerten Universitätsverlage zu nennen, die zum Großteil als Serviceeinrichtungen an den jeweiligen Universitäten selbst organisiert sind, etwa an den Bibliotheken. Kommerzielle Verlage, die sich bereits auf Open Access eingelassen und zusammen mit den wissenschaftlichen Autoren umgesetzt haben, sollten in der Fortentwicklung der digitalen Potenziale der Monographie ebenfalls eine Rolle spielen. Im Rahmen einer entsprechenden Förderpolitik könnten diese Verlage im Rahmen von Digital-Humanities-Projekten entlang den Anforderungen von Forschung und Gesellschaft solche Bereitstellungs- und Geschäftsmodelle entwickeln, die die Potenziale des digitalen Arbeitens ausschöpfen und dabei alle vier genannten Funktionen des Publizierens gerecht werden. Wir danken Daniel Beucke, Stefan Buddenbohm und Birgit Schmidt, deren Ideen und Beiträge in diesen Text eingeflossen sind.
Bibliographie Chatzoudis, Georgios. 2012. Open Access für wissenschaftliche Monographien. Dokumentation des DFG-Workshops vom 09.05.2012, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. In. L.I.S.A Das Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung: http://www.lisa. gerda-henkel-stiftung.de/beitraege?what=tag&search_tag=DFG+Workshop
23 http://library.stanford.edu/news/2015/01/stanford-university-press-awarded-12-million-publishing-interactive-scholarly-works oder https://www.upress.umn.edu/press/press-releases/ manifold-scholarship
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Cuban, Larry. 2015. School Reform and Classroom Practice: The Dilemma of Fast, Cheap, and Good: You Can Only Pick Two. National Education Policy Center. http://nepc.colorado.edu/ blog/dilemma-fast-cheap Dallmeier-Tiessen, Sünje und Anja Lengenfelder. 2011. Open Access in der deutschen Wissenschaft – Ergebnisse des EU-Projekts „Study of Open Access Publishing“ (SOAP), in GMS Med Bibl Inf 2011.11. 1–2:Doc03.doi: 10.3205/mbi000218 Greco, A. N. and R. M. Wharton. 2008. Should University Presses Adopt an Open Access [electronic Publishing] Business Model for All of Their Scholarly Books? in Chan, L. and Mornati, S. (Hg) Proceedings of the 12th International Conference on Electronic Publishing, ‘ELPUB2008, Toronto. Open Scholarship: Authority, Community, and Sustainability in the Age of Web 2.0’. 149–164. http://elpub.scix.net/data/works/att/149_elpub2008.content. pdf Roosendaal, H. E. and P. A. Th. Geurts. 1997. Forces and functions in scientific communication: an analysis of their interplay. in Karttunen, M., Holmlund, K., Hilf, E. R. (eds.) CRISP 97 Cooperative Research Information Systems in Physics. http://www.physik.uni-oldenburg. de/conferences/crisp97/roosendaal.html Straumsheim, Carl. 2015. Piecing Together Publishing. In Inside Higer Ed, Feb. 2015. https:// www.insidehighered.com/news/2015/02/25/researchers-university-press-directorsemboldened-mellon-foundation-interest
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Qatar National Library – will the planned new Building meet the Criteria of Library Buildings? 1 Introduction Libraries have one special development characteristic that has not changed in the digital age: over the years they need more space, more staff and more money the longer they exist. This seems true for all national libraries and many others and therefore space is an ongoing topic for libraries and a regular update on this matter is needed. Library buildings are special in their functions. When services develop to a new stage, the requirements for library buildings, the use of space in the library, and the use of equipment must change too. The International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) developed information about buildings, especially on library space in buildings or digital space needed on servers. One of the best sources to follow the international trend is the Library Building and Equipment Section of IFLA.1 They developed standards for new library building design since the seventies of the last century. Today the members of the IFLA section for Library Building and Equipment discuss topics like “the library as a space” and “post-occupancy evaluation of library buildings” as much as they develop new international library building guidelines.2 Since 1990 a wave of new library buildings – national libraries, university libraries and public libraries was followed by a huge increase in publications about library buildings in general, and especially their architecture or interior design. Since the early nineties of the last century Elmar Mittler, to whom this article is dedicated, is one of those librarians, who wrote about library buildings by looking into their changing functions (Mittler 1993). Even though he could not completely foresee the real changes of the digital revolution that happened in libraries a few years later (Naumann 2015), his influence on libraries in Germany and in Europe
1 About the Library Buildings and Equipment Section see www.ifla.org (Accessed 12 August 2015). 2 IFLA Library and Building Guidelines: Development&Reflections, by Karen Latimer and Hellen Niegard (Eds), Munich: K. G. Saur, 2007. All pictures are renderings from the first design stage.
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through LIBER in the discussion and construction of new libraries is evident. His basic concept of evaluation of a library building (Mittler 2015) is an inspiration for more discussions about good library buildings. Mittler’s evaluation is based on the ten rules of Faulkner-Brown (Faulkner-Brown 2015) and the new eleven rules of the LIBER Architecture Group by Andrew McDonald (McDonald 2006). The following article will describe the new Qatar National Library and will discuss some of the aspects raised by Elmar Mittler or Andrew McDonald.
2 Qatar National Library – the Project 2.1 The Project Qatar National Library was announced as a new project of Qatar Foundation in the State of Qatar on November 19 in 2012. The library was planned by Qatar Foundation as a central university library for Education City, a Campus in the East of Doha, founded in 1995. Here, different foreign universities have settled with some of their best faculties, providing excellent education opportunities for Qatari and other students from the region. Besides smaller faculty libraries a 44,500 square meter central library was planned to accommodate the need of the education city campus. Since the size of the building is enormous for the number of 5000 students, faculty members and staff, and since the design by Rem Koolhaas is an icon, the idea came up to integrate the National Library functions with the university library. In addition, because it is not acceptable for Qatar Foundation that such a big building not be open to the general public, the task of a Metropolitan public library was added. In consequence the design of the central library had to be changed from a university campus library to a full fledge academic and research library with national library functions such as legal deposit, and special spaces for kids and young adults had to be designed. Some additional services had to be added for the metropolitan public library functions. As the building in itself is very flexible it was easy to accommodate the additional requests and now the library is expected to open in 2017. In the meantime the library management prepared all the libraries’ functions, selected staff, wrote procedures and started to develop the digital library with digital services. The Qatar National Library team also acquired books that will be placed on the shelves before the opening of the library can happen. The vision of the QNL is to use knowledge about Qatar’s and the Arab and the Islamic World’s heritage as a bridge that reflects the physical bridge inside of the new building and the heritage collection in its center. The
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mission of the Qatar National Library is to spread knowledge, nurture imagination, cultivate creativity, and preserve the nation’s heritage for the future.
2.2 The Location Qatar National Library’s building is located inside of Qatar Foundation’s Education City constructed in the desert west of Doha. There are eight foreign and one local higher education institute under the roof of Hamad Bin Khalifa University and all of them offer university degrees like Bachelor, Master or PhD. Most of these degrees are from internationally recognized top universities. Next to the construction site of Qatar National Library Weill Cornell University Qatar offers medical degrees, Georgetown University Qatar trains Qatari in international law, Northwestern University Qatar develops young journalists etc. The place of the national library is just in the middle of all these faculties and next to the student center. Inside of Education City, the Qatar National Library will be reached by a tram, which is already in construction, and by e-bikes which are available for all Qatar Foundation staff and students in designated areas. For those coming from the city by metro, a metro station “Qatar National Library” will be directly located aside of the building with an air conditioned underground connection to the main entrance.
3 Qatar National Library – the Building 3.1 The Outside Shape The building has the shape of a diamond or a kind of irregular rhombus. On Youtube, the film shown at the announcement ceremony on 19 November 2012 starts with Rem Koolhaas folding a square paper.3
3 Qatar National Library – 50 years Anniversary Film (Part 2 of 2) in https://www.youtube.com/ watch?v=J44rWRVimc0
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Picture 1: A square sheet of paper folded by Rem Koolhaas showing the structure of the main floor of QNL.
Two edges folded in towards the middle of a square paper and one long side folded towards the middle. When he opened it again it became the tiers for the book collection. He then cut a small opening under one edge to showcase the main entrance. Entering by the main entrance a visitor will see the whole collection displayed on the shelves of the tiers and in addition the impressive shelves of the heritage collection – as a symbol for the knowledge of the world, as Rem Koolhaas says. When another paper of the same shape is placed upside down on the first, it creates the roof of the library. In reality, each side of the building is about 160 meter long. The sides are covered by special curved glass which gives the building an impressive character. Just some windows, where the top offices are placed, are not curved but clear. Another clear window is also at the opposite southern side of the building. Therefore, from the bridge inside the building you have a free and clear view on Education City. On the southern side both corners are elevated, like a paper, to open a main entrance and a direct entrance to the heritage collection. White concrete columns, typical for the building, hold up these elevations. The entrance for the heritage collection can be used for regular or for special occasions of exhibitions and groups of visitors. The building is surrounded by a garden area with green plants. The plants are placed into circles, surrounded by low stone walls to remind you to Qatar’s nature in the stone desert.
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Picture 2: Qatar National Library building design with landscape architecture.
There are five main areas of the building, the basement or ground floor, the first floor, the tiers, the bridge and the northern area behind the long tiers.
3.2 The Basement On the ground floor with altogether 14,323 square meters, the heritage collection is the most significant area with very high glass covered shelves and beautiful display cases. Stairs near the main entrance lead to the heritage library exhibition space, where people can see in detail the most precious items of the heritage collection in special vitrines that form a row in the middle of the heritage area. The place is designed as six distinct areas that contain showcases of different size and content. In this way the need of the various materials that will be displayed is met. Some vitrines are for the map collection, others are for the manuscript collection or for posters, letters, travel books, or incunabula. All display cases are lit by LED lamps and are temperature and humidity controlled. All walls in the heritage collection area are coated by a grey-white terrazzo-like material, which gives the impression of the color of the stone desert of Qatar.
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Picture 3: QNL’s Heritage Collection design in the basement with walk-on terraces to watch from above.
In the basement, next to the heritage collection, there is a special reading room for heritage and archival material and an additional lecture room that can be used to give more detailed information to visitors or groups of students. In the southern and eastern part of this area offices for the heritage collection team and the digitization team are located and nearby there is a big area where the digitization will take place. Qatar National Library has already acquired new digitization equipment and has developed a digitization workflow for its manuscripts and maps of the Heritage Collection. Those are already displayed in the World Digital Library. Next to the heritage collection, a big area for digitization allows the full workflow for all digitization projects. Since the tiers can only accommodate about 400, 000 volumes, an area of 3,214 square meters with approximately 30,000 meters length of compact shelving were placed in the western part of the ground floor. This should accommodate about additional 800,000 items from Qatar’s legal deposit and future collections. Nearby there is a long row of study carrels for those who need to consult specialized literature from the compact shelves, and for individual long term studies for faculty, Ph. D. students and others. In the basement there are also spaces for the book mover, a central sorting station and the access team office area. Also in the basement is the center of book distribution. All books are tagged with RFID tags. When a person puts a book into the return machines, the book will be taken to the central sorting station and from there it will be carried on conveyers to their designed area and original location in the tiers. Only then will library staff have to file the book on the shelves. Using RFID, borrowing books
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is automated and lending machines are all around the place. The northern part of the basement has many technical rooms. There is also a loading area of about 328 square meters, which is directly connected by a slope to the processing room. There are also staff offices for technical services including acquisitions, the cataloging and access team, the library IT team and an area for the preservation and conservation lab with their specialized machines. Here a new lab will be developed to address the various preservation problems. On both sides of the loading area slope there is a small courtyard that is accessible from the staff areas to relax in the fresh air with a view of greenery hanging from the walls.
3.3 The Main Floor A slope at the main entrance leads to the first and main floor of the library with 13459 square meters. The moment a person enters the building through this corner, he has full sight of the library collection, including the heritage collection area and the bridge. This will become one of the most impressive spots to stand. Here library guests are received at an information desk for all kinds of enquiries and help in using the library. Screens will inform people about the activities of the Qatar National Library, about topics of interest from the collection and will provide way-finding and some entertainment. Guests of the library can use the media walls for information, for entertainment and for way-finding in the area behind the coffee shop. On the right side from the main entrance the visitor can go to the user service desk, to pick up online reserved material at a special circle desk. In general, most of the material in the open collection can be borrowed by using the check-out machines at various locations in the library. In addition to return machines in the building there, is one outside on the street next to the main entrance, so people do not need to enter the building to return books. The main reference desk is in front of the main collection at the long side tiers. A coffee-shop sits under the bridge near the gaming space for young adults. Behind the coffee-shop an open theatre stage can be used for all kinds of activities and entertainment. Its stairs reach up to the level of the bridge and a carefully designed curtain will surround it when needed to keep noise out or inside. In the middle of the open library space the heritage collection is in the basement, open from the top so that it can be seen from the entrance and from the bridge above. One of the attractive features of this area on the ground floor is the view from the terraces.
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Picture 4: QNL Bookshelves design.
There are two terraces above the heritage library surrounded by glass rails, where people can look from above toward the precious books below inside the glass of the vitrines shelves of the heritage collection. This is designed as the heart of the building and it is a clear statement about how Qatar National Library is based on the heritage of the country and the region. With the Special Collection and Archives it is developing in size and value. Not only the library but the heritage collection can be compared to other national libraries world-wide. It makes a special impact on the Gulf region and the Arab and Islamic world.
3.4 The Tiers The tiers are the most visible elements of this building, which is filled with the world’s printed knowledge in English and Arabic and a few other languages spoken in Qatar. While still empty, the building looks more like glass, steel and marble, but when the books are on the shelves in the near future, their multiple colors will reflect the building’s content.
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Picture 5: QNL tiers design with QNL bookshelves on three sides of the open space in the building.
The books are filed according to the LoC classification. The classification starts at one side of the triangle tier above the main entrance in the east-south. Then the order of the collections runs through until the end of the northern rectangle tier, where the Arabic and English non-fiction collection ends. There is enough space for a significant fiction collection, too. In these areas the book mover stations are installed to take the books back on the tiers, after readers have returned the books. At all the book mover stations, the books will be transported in special movable book bins. Then staff will file the books directly on the shelves. The shelves have a beautiful light on the top, which is mirrored in the white shiny ceiling high above. In the middle of the northern tiers a few distinct areas will be reserved to highlight certain topics in the collection like the FIFA world cup 2022, and other hot topics in Qatar and the region. In the higher parts of the northern tiers a few open terraces are designed as reading areas and will provide a breathtaking view across the landscape of QNL. The third tier in the east of the building will be used by the music section, the young adult section and will be used for newspapers and magazines, since this area is close to the coffee-shop under the bridge. All tiers together have a usable area of 5,177 square meters. One can walk up the stairs to the top of the tiers and there are also small ramps for the use of book trolleys. A special feature in the building is a people mover. The people mover runs along three sides of the building up and down along the tiers with stops at all levels to enter the collection areas. It will transport
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people up to all levels of the tiers as a convenient way to use the library. And it is wheelchair accessible.
3.5 The Bridge
Picture 6: QNL bridge design with reading and working spaces.
The big open area space of the building between the different tiers is divided by a bridge, which is about 120 meter long and 19 meter wide running from the north to the south. The reading room of the America Memorial Library in Berlin has the same width, but the bridge in the new building of Qatar National Library is longer and this comparison showcases the dimension of the open space of the new Qatar National Library. The bridge is an area for reading and discussion, for study and for work. There are different reading chairs and study seats, also rooms for multimedia, for group study and a conference room with 100 seats. Altogether the library will have more than 1,000 meeting and study seats to meet the need for the growing education city students. The bridge functions not only as a meeting and study place, but in addition it gives good view of the whole building. In the middle of the bridge there is a special spot, from which one can see the full landscape of the library including the heritage collection.
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Picture 7: QNL heritage area design from above.
From above, this heritage area looks like an ancient archeological excavation. A model for this could be the UNESCO world heritage city of Zubara4 or other archaeological sites covered by the sand in Qatar. Above the bridge inside of the white ceiling, natural light comes from a long and narrow opening that runs from the East to the West, covered with glass on the top of the building. Together with the curved glass in its four dimensions the building takes in light from outside, and the light is reflected by the white ceiling. The architect wanted to have daylight in as many areas as possible in the building. Therefore, every space in the open areas participates in this distributed daylight. During the night the white ceiling reflects the lighting-system above the shelves and distributes a diffuse bright light all over the place.
4 Image from Zubara Excavation IN Coreo: Qatar get its first World Heritage site http:// www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fi2.cdn.turner.com%2Fcnn%2Fdam%2Fassets%2F130705145717-aj-zubarah-horizontal-gallery.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fmycoreo. com%2Fqatar-gets-its-first-world-heritage-site%2F&h=360&w=640&tbnid=OoOh67nBpUCG6M%3A&docid=FWbRz8NJtZWzdM&ei=OpM1VqiVMofeUbX_ubAF&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=1653&page=2&start=40&ndsp=47&ved=0CIQCEK0DMEpqFQoTCKiase6v7sgCFQdvFAodtX8OVg (Accessed 12 August 2015).
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3.6 The Northern Area The three floors behind the northern tiers have very different layouts and features. The basement is filled with technical rooms and staff rooms, some of which benefit from the small garden area along the basement, where people can sit outside for a break. On the first floor there are three important but very different areas for the library guests: the restaurant, the children library, and the 24-hour study area. The plan is to have a very good restaurant with excellent food in a modern style area with different seats in this part of the library. The 80 seat restaurant will offer a good selection of international signature food as it is the style in Qatar. The restaurant will be next door to a beautifully designed 650 square meter children’s area that is inviting for activities and reading alike. For older kids, parents might relax in the restaurant and stay for lunch or dinner, while their children listen to the story time organized by the children’s library or read their own books for pleasure. A story telling section is built in the children library’s area. Specially designed places offered for the little ones and their picture books, such as for a first grade child, who is just starting reading. The children’s library is for all children up to 12 years. From here the area further down to the western part of this floor is the 24 hour study room, where students and faculty can work in carrels or at the study tables all day and night to finish their projects or to do last minute studies for their exams. The area on the second floor of the northern part of the building is dedicated to administrative offices, including the top management of the library. A special VIP area and meeting room will offer hightech equipment for small conferences and board meetings. Their offices look out onto Al Luqta Street and the future Metro Station “Qatar National Library” which is still under construction. On the other side of the road, the Sidra Medical and Research Center on the right side and the Qatar National Convention Center on the left are showcases for the great ambitions of Education City.
4 Qatar National Library – does the Building reflect the 11 Recommendations and other good Library Standards for Buildings? 4.1 Eleven commandments discussed for QNL In the first quarter of 2016 the library building is approaching its final stage, but moving the staff and the collection into the building will need more time. As the
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collections reaches over 400,000 items by end of 2015, the move and the filing of all this material into the new building will take about a year. All the functions planned for the library user need to be tested under realistic conditions and the staff must be well trained for the opening day. A soft opening can support all these preparations a few months before the grand opening. Nevertheless it is time to check, whether the building will meet the 11 commandments listed by Andrew McDonald (McDonald 2006) for library buildings as mentioned above. First, the library has to be functional. For sure the new building looks more like “function follows form” than “form follows function”. But in a location that is surrounded by world architecture in Qatar and especially in Education City, it is very important to meet number eleven from McDonalds’ list, the “oomph”, and certainly the building is outstanding with a big “wow” effect inside. For the user it looks as if it will function well, as they will have immediate access to hundreds of thousands of titles on their own and can do all checkout processes by themselves. For the library team, the few challenges that are caused by the one big room and the long distances inside the building have to be handled well. The second rule is the building need to be adaptable, which was already shown, when the first building changes were done and in general the building is adaptable. Number three is accessibility, which is solved inside by many different slopes and elevators, including the special people mover alongside the tiers. The building is planned as fully ADA compliant, and the library will have an assistive technology room for the blind and other people with special needs. From outside the area will be easily accessible as soon as the metro station is built and the metro is running. For accessibility by car, a designated library parking garage would solve this problem. Certainly the building meets commandment number four, since it is well varied, which makes the interior a real landscape with different areas for different interests and activities. In addition, the building is interactive with the study and discussion area on the bridge, the theater and other parts near the children’s library, and digitally on the interactive screens. Interactive check-out/ check-in technology with RFID is also available. The Qatar National Library will be a serviceable building, commandment number six, since the building nurtures the imagination and cultivates creativity through the atmosphere it creates as well as through the writing center, the children library, the music department, and it will support the spread of knowledge via its fully accessible vast collection and the heritage collection special items. Commandment number seven is environmental suitability. This can be seen from different angles. The environment inside the library will be suitable for books and human beings alike. Climate, temperature and humidity will be controlled and the outside heat will not be let in. As all buildings with climate control the energy requirement will be high, but through the special glass and the design of the light this will be well controlled
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to bring it down to a reasonable level. The building is safe and secure, as commandment number eight expects a library building to be, and this goes well with the overall culture and good experience in Qatar. Will the building be efficient, as is requested by commandment number nine? This is difficult to say before staff move in and service begins. All challenges discovered during the time of the construction were addressed as much as possible. Nevertheless, the library team needs to find ways to manage all tasks with efficiency in the new building. As with comparable buildings of this size, the size alone is a certain challenge to the efficiency, nevertheless with the book mover system and the people mover, a lot was done to make it more efficient. We need to evaluate the results about three years after the opening, to see whether things are working well or if more adjustments need to be made. Last but not least commandment number ten requires the building to be suitable for ICT, and as from now, this can be answered with a clear “yes”, though it took some time to get the right solution for the WIFI in the building. To summarize, the building meets all the eleven commandments, and especially the “Wow” or “Oomph” effect. Some functionality and efficiency need to be checked in the years after the opening, and the librarians of Qatar National Library have to adjust to this situation and find good solutions. Rem Koolhaas has built two other libraries previously, and one could see his experience in the new Qatar National Library building.
4.2 Comparison to University Libraries in Germany Referring to the survey of the new university library buildings in Germany (Mittler 2008), Mittler focused on three aspects: a) availability of literature, b) availability of seats, c) opening hours. QNL has started the first survey in early 2015, but as the building was not open, the results are not related to the building. QNL has planned for all these three aspects, however, when it comes to number “c) opening hours”, the real opening hours are not yet decided for the Qatar National Library. Qatar Foundation leadership expressed the wish to have long opening hours and a 7/24 schedule is in discussion. This might not begin on the first day, because of the number of staff that needs to be hired. But the chances are good that enough security will be available for the building. In addition the architecture of the building includes a 7/24 study area that is designed to meet this requirement, so a part of the library will always be accessible through an additional special entrance. Criteria number b) is the availability of seats. Qatar National Library has more than 1000 study and meeting seats and more than additional 500 soft seats for guests and in the auditorium. This seems to be sufficient, but only after the opening of the building this can be confirmed. QNL has
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three library functions and also serves the general public therefore the number of seats are planned on a realistic base. Criteria number a), the availability of literature, is the biggest challenge. Qatar National Library is a complete new library and except for the heritage collection from a private collector, it had no collection when the idea was born. The library has started to acquire its initial collection in the last four years. It will need more time and a good acquisition budget to build a sufficient collection. As the library is 50 % digital, the digital back files are easy to get and to add to the catalog. The Arabic collection is more challenging and very expensive to acquire, as the region has not developed the needed library services. Qatar National Library will acquire duplicate copies from the old Dar Al Kutub library in Doha to add to its own Arabic collection. For the library the sustainability of the acquisition budget is the most important, to meet well the criteria a), availability of literature.
5 Sustainability Qatar National Library has built on experiences and collections inside of Qatar. However, QNL is a completely newly structured and professional library in ways not yet seen in the country or in the region. QNL is already a library that is well known in the region and is serving clients digitally well before the building is open. It is a modern, flexible and service oriented institution, and it will follow this path and develop further in the new building. If the Qatar Foundation leadership and the library team continue to focus on sustainability in the building, the workflow and the structure, the Qatar National Library will become one of the outstanding cultural institutions in the region and the Arab World.
References Mittler, Elmar. 1993. Bibliotheksbau für die Zukunft: Möglichkeiten und Konzepte. IN: Bibliothek. Forschung und Praxis 17. 334–339. Naumann, Ulrich. Bibliotheksbauten für die Zukunft. – UB der FU Berlin in www.ub.fu-beFurlin. de/~naumann/Bibliotheksbauten-Zukunft.pdf (Accessed 12 August 2015) Mittler, Elmar. Bibliotheksbauten auf dem Prüfstand: zur Evaluierung von Bibliotheksgebäuden Wissenschaftlicher Bibliotheken in Deutschland (aus dem Englischen von Yvonne Wirkus) edoc.hu-berlin.de/miscellanies/bibliotheksbau-30189/366/PDF/366.pdf (Accessed 12 August 2015) Faulkner-Brown, H. and others. The open plan and flexibility. http://www.unesco.org/ webworld/ramp/html/r8722e/r8722e18.htm (Accessed 12 August 2015)
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McDonald, Andrew. 2006. The ten commandments revisited: the qualities of good library space. IN Liber Quarterly, Vol 16. No 2. http://liber.library.uu.nl/index.php/lq/article/ view/7840/8010 (Accessed 12 August 2015) Mittler, Elmar. The German Experience: Evaluation of German library buildings from the last decades. IN: LIBER QUATERLY, 18 (2) September 2008. p 170–198 https://liber.library. uu.nl/index.php/lq/article/download/7920/8171 (Accessed 12 August 2015)
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John Stuart Blackie (1809–1895), Scottish University Reformer: A Sojourn in Göttingen 1 Introduction John Stuart Blackie was a leading figure of his generation in 19th-century Scotland, and he was equally well known outside Scotland as most people’s idea of the archetypal Scotsman of the time. His first biographer, John G. Duncan, indeed, lauded him as ‘the most distinguished Scotsman of the day’1. Today, however, Blackie has faded into obscurity from the household name he once was, and his reforming influence on the Scotland of his day – and, by extension, on the Scotland of today – is not nearly as widely recognised as it ought to be. Classicist, intellectual, university reformer, translator of Faust, proponent of Scottish Gaelic, he has rightly been likened by his most recent biographer, Stuart Wallace, to Diogenes Teufelsdröch, Professor of ‘Things in General’ in Weissnichtwo University, as depicted in Thomas Carlyle’s Sartor Resartus.2 Blackie was born in Glasgow in 1809, the second son of Alexander Blackie, a banker, and Helen Stodart. Brought up in Aberdeen, where his father had become the Aberdeen agent for his bank, John Stuart Blackie attended the private Merson’s Academy and then advanced to Marischal College, Aberdeen, where he followed the Master of Arts course, studying Greek and Latin, Civil History with Natural History, Mathematics and Natural Philosophy, and Logic and Moral Philosophy3. Blackie did not complete the Arts course in Aberdeen but transferred to Edinburgh in his fourth year4 with the intention of studying thereafter for the ministry of the Church of Scotland. Alone among Scottish universities, the Arts course at Edinburgh contained an additional subject which was important for an aspiring Presbyterian minister: Rhetoric and Belles-Lettres, the Regius Chair having been first established there in 1762. Having completed the Arts course at
1 Duncan, John Garrow. [1895]. The Life of John Stuart Blackie, the Most Distinguished Scotsman of the Day. Glasgow: J. J. Rae. 2 Thomas Carlyle published Sartor Resartus in serial form in Fraser’s Magazine in 1833–34. It was first published in book form in Boston in 1836. Blackie and Carlyle knew one another and corresponded for over forty years, the former living in Edinburgh and the latter in London. 3 Later on, the two Colleges, King’s and Marischal, merged in 1860 to form the University of Aberdeen. 4 The four year Arts course is a defining characteristic of the four ‘Ancient’ Scottish universities.
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Edinburgh, Blackie returned to Aberdeen and embarked upon the Divinity course at Marischal College (1826–29). At this early stage of his life, he felt driven by a form of Evangelical zeal which contributed to an unsettling of this young, rather delicate and sensitive young man, and overshadowed his natural youthful impetuosity and exuberance with a deep seriousness and self-restraint. Evangelical fervour was not unusual at the time: a few years earlier, writing in the early 1820s, Robert Wilson noted that of the 155 divinity students at Aberdeen (sufficient to supply all the vacancies in the Church of Scotland), the majority were increasingly of an Evangelical disposition.5 While engaged on the divinity course, however, Blackie was, in fact, much less influenced by his Professors of Divinity, Dr Duncan Mearns and Dr William Laurence Brown, than he was by Dr Patrick Forbes, Professor of Chemistry and Humanity. For all his youthful zeal, Blackie was not impressed with the Evangelicals he found at Aberdeen, finding that ‘none of them had any savour of philosophy, of poetry, or intellectual culture’. Patrick Forbes, on the other hand, who was parish minister of Old Machar, and had also been appointed Professor of Humanity (in succession to William Ogilvie) and Lecturer in Chemistry and Natural Philosophy in 1817, guided him in the direction of the Greek New Testament and away from the Evangelical literature which was common in the Scotland of the time, and which had been the young Blackie’s unremitting childhood companion. Ironically, the consequence for Blackie, however, was that by the end of his studies, he was even more confused in his own mind about what profession he should follow and where his future lay.
2 The Circumstances of the German Tour It was Patrick Forbes, who was also an intimate friend of Alexander Blackie, who first suggested that John Stuart Blackie should accompany his own two sons, Francis and John, and spend some time on the Continent of Europe. Blackie senior readily acceded to the suggestion for it relieved his son of the need to find a pastoral charge on finishing his divinity course, since by 1829 there were more new ministers for the Church of Scotland than there were vacancies. Blackie himself was also conscious of the need for a wider perspective when he wrote in retrospect: ‘Scotland is a small country and apt to be somewhat narrow and rigid
5 Wilson Richard. 1822. An Historical Account and Delineation of Aberdeen. Aberdeen: James Johnston, 157.
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in its type of thought. My jacket specially required a little widening, and so I was sent abroad to see the cities, and to know the minds of many men.’6 The Forbes brothers, Francis and John, were bound for the University of Göttingen, and it was soon agreed that John Stuart Blackie should accompany them. In the middle of April 1829, the young Aberdonian trio travelled from Aberdeen to Edinburgh in order to catch a vessel to take them from Leith to Hamburg. Delayed in Edinburgh on account of stormy weather, Blackie confided to his father, in a letter on 20 April 1829, that he had visited Henry Glassford Bell, editor of the Edinburgh Literary Journal, and that while Bell had no continental connections himself, he had introduced him to a Mr Weir, a WS in Edinburgh, who had spent a number of years in the University of Göttingen, and had given him seven letters of introduction.7 After a stormy journey, the trio eventually landed in Hamburg and made their way to Göttingen, arriving there on the evening of Saturday 9 May 1829. On 9 June 1829, a month later, in his first letter to his father from Göttingen, Blackie attempted to persuade him that, unlike Aberdeen, expenditure on beer and tobacco was essential in Göttingen, these two constituting ‘the earthly paradise of a German student’. Justifying himself, he went on: ‘This is their summum bonum – their highest pitch of corporeal felicity. In so far, therefore, we must conform with their manners if we wish to have the benefit of their society …’8 The tradition of Scots students undertaking studies on the Continent was long standing: young Scots had travelled there from the 13th century onwards, to Paris and then to Padua, Geneva, Leiden and Utrecht to study medicine, law and divinity. Scots appear in German university records from as early as the 15th century but the main movement came in the 19th century, a period when German universities were noted for their excellence. As a leading university in Germany, Göttingen had a particular connection with Great Britain since as Elector of Hanover, George II had founded the University, and the sons of George III were also sent there for their education: the Library in Göttingen was founded in 1734, and the University began admitting students in 1737. The University of Göttingen was a particularly popular choice with Scottish students in the 19th century. From 1837 to 1914, Scots
6 Walker, A. Stodart, Ed. 1910. Notes of a Life by John Stuart Blackie. Edinburgh and London: William Blackwood and Sons, 37–38. 7 Walker, A. Stodart. Ed. 1909. Letters of John Stuart Blackie to his Wife, with a Few Earlier Ones to his Parents. Edinburgh and London: William Blackwood and Sons. p. 27. Thomas Weir, W S, is listed in A History of the Society of Writers to Her Majesty’s Signet. Edinburgh: T & A Constable, 1890, p. 213. The Society was formally established in 1594, although the Signet was the private seal of the early Scottish Kings, and the Writers to the Signet were those authorised to supervise its use and act as clerks to the Courts, the earliest recorded use of the seal being in 1369. 8 Letters, 29.
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students made up 53.3 % of all students in Göttingen who gave a British or Irish address, by comparison with 25.5 % in Heidelberg and 13.9 % in Bonn.9 In 1832, when his future brother-in-law was leaving for Germany, Blackie advised him to make for Göttingen rather than Heidelberg or Bonn, which he considered had the disadvantage of being much patronised by the English. In the Anglophobic Blackie’s eyes, the ‘Southrons’, as they were termed, in these universities were ‘not mainly the studious, but the unsettled, lounging, and for various reasons … a dangerous companionship for a certain class of young men, and not particularly desirable for any’.10
3 The University of Göttingen – Academic Life and Professors When John Stuart Blackie arrived in Göttingen in 1829, he found a university that was different in many ways from the universities he had left behind in Scotland. Göttingen had more professors although they were less well paid, more courses, fewer students and was more generously endowed than the University of Edinburgh. Stuart Wallace notes that in 1824 the University of Göttingen had forty-five full professors, and the same number of lecturers to teach a total of 1,500 students. By comparison, its Edinburgh equivalent had twenty-nine professors to teach 2,000 students.11 Blackie immediately observed that the academic session in Göttingen lasted for ten months by comparison with the shorter session of five or six months in a Scottish university. He was singularly impressed with the hard work and application of both teachers and students. He thought that the great enjoyment in a German professor’s life was to ‘labour in his particular science’, and in a letter to his father on 30 June 1829, Blackie wrote: ‘No students, so far as I can see, are as diligent as those of Germany, and as I said before, their information makes them desirable acquaintances’.12 He also pointed out that, ‘here at Göttingen Walter Scott and Shakespeare are almost as well, sometimes better known than in Scotland’.13
9 Maier, Bernhard. 2009. William Robertson Smith: His Life, His Work and His Times. Forschungen zum Alten Testament. 67: 91. 10 Wallace, Stuart. 2006. John Stuart Blackie: Scottish Scholar and Patriot, Edinburgh: Edinburgh University Press, 244. 11 Wallace, 46. 12 Letters, 31. 13 Letters, 30.
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Blackie matriculated as a student in the ‘Philosophical Faculty’ immediately on his arrival and commenced attending lectures. He had no knowledge of German at the start but by dint of using the lecturer’s ‘handbook’, and with the aid of private lessons from Professor Bode, who had spent four years in America earlier in his career, within a matter of months Blackie felt able to read, write and converse reasonably in German. Although he does not specifically refer to using the Library, by the 1820s the University of Göttingen had a substantial library of 200,000 volumes (cf. 60,000 in 1763). The Edinburgh Advocate, John Russell, noted that as a result of funds to develop the collections, ‘professors in other universities always set down the library as one great recommendations of a Gottingen chair’.14 In the Edinburgh Blackie had left behind, rebuilding of the University there had restarted in 1817 but construction of a new Library to the design of William Henry Playfair had taken up most of the 1820s and had only recently been completed in 1827. Blackie was also profoundly struck by the collegiate sense of learning he found in Göttingen. The students worked hard but they also amused themselves by smoking, drinking and singing songs in the numerous student clubs scattered across the town.15 In his view, by comparison, the 2,000 students in the University of Edinburgh were ‘left to make what they would of their university education, and this was seen as a virtue and a test of character’.16
4 The University of Göttingen’s Influence on Blackie As a nineteen-year-old, the young Blackie’s experiences in the University of Göttingen were, as he described them himself, ‘in respect of training-power, certainly the most important in my life’.17 Principally, he attended the lectures of Arnold Hermann Ludwig Heeren, Professor of History, whom the young student described as, ‘a very pleasant, fluent-talking old gentleman, somewhat in the
14 Russell, John. 1828. A Tour in Germany, and Some of the Southern Provinces of the Austrian Empire in 1820, 1821 and 1822. 2 vol. (Reprinted in the Constable’s Miscellany series) Edinburgh: Constable and Son, 253. 15 Blackie subsequently published an anthology of these student songs under the title Musa Burschicosa: a Book of Songs for Students and University Men. Edinburgh: Edmonston and Douglas, 1869. 16 Horn, D. B. 1967. A Short History of the University of Edinburgh 1556–1889. Edinburgh: Edinburgh University Press, 121. 17 Notes of a Life, 37.
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style of Lord Palmerston’, who lectured on the political system of Europe from the Reformation to the present.18 Heeren commented of the Library at Göttingen, that ‘better show-collections may be found elsewhere; but the great recommendation of ours is, that they have been made for use, not for show’.19 Besides Heeren’s lectures, Blackie also dipped occasionally into lectures by other professors, as was permissible in Göttingen through the principle of ‘hospitising’, which was open to all students of the University. Among those whose lectures he attended during his stay were Johan Friedrich Blumenbach, Professor of Medicine and Anatomy, Professor Friedrich Saalfield, Professor of Political Economy and History, and Professor Christoph Wilhelm Mitscherlich, Professor of Classical Philology. However, the teacher who made the deepest impression on the young Blackie was Karl Otfried Müller, Professor of Ancient Literature, then a young man of thirty, who was both an archaeologist and a classical philologist. Müller, who lectured in Göttingen on archaeology and the history of ancient art, was described by Blackie as having of all the German classicists the most ‘rich, graceful, and various sweep of erudition’.20 Müller’s life and future academic promise were, however, cut short a few years later when on a trip to Greece he contracted a fever and died in Athens in 1839. Blackie’s discussions with professors and his observations in classes in the University of Göttingen convinced him that the German university system was infinitely more advanced and more advantageous to students’ learning than the one with which he was familiar in Scotland. He responded readily to the greater emphasis on critical analysis in lectures, and throve in the atmosphere of intellectual freedom and the close contacts between professors and students. He summed it up in the following words: With reference to our Scottish system of education, the scales fell from my eyes very soon after I arrived at Göttingen. I perceived that at Marischal College they had degraded the university pretty much into a school; that they drilled boys when they ought to have been stimulating young men; that our academical system was prominently puerile, and our standard of attainment lamentably low. I burned with indignation when I thought of these things, and from that moment became a University Reformer.21
18 Letters, 33–35. 19 Russell, 251. 20 Notes on a Life, 41–42. 21 Notes of a Life, 40–41.
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5 The University Reformer On his return to Scotland22, Blackie’s interests turned towards law and, assisted by his father’s generosity, he completed his law studies at the University of Edinburgh, and entered the Faculty of Advocates in 1834. However, not finding the practice of law very congenial, he returned to his earlier love of the classics and literature and was appointed Professor of Humanity at Marischal College, Aberdeen, his alma mater, in 1841. In 1852, after holding this post for eleven years, he returned to Edinburgh as Professor of Greek at the University of Edinburgh. During all these years, Blackie retained the zeal for university reform that had been sparked off by his time in Göttingen. During the 1830s and 1840s, he wrote newspaper articles and lobbied professors at Scottish universities on the need for higher quality of university teaching, the need for a uniform structure of entrance examinations to universities, and so on. In 1855 he published On the Advancement of Learning in Scotland, a highly critical open letter in which he very unfavourably compared the state of university education in Scotland with that in Germany, commenting of Scotland that ‘the Faculty of Arts in the Universities has been dragged down to the level of school-teaching; and the Professors have been forced systematically to denude themselves of all their highest professional and academical functions’.23 Blackie’s remedy for Scotland’s university ills was to adopt the German approach to university education and to emulate the German university model. His cause was assisted by the support of James Lorimer, an Edinburgh Advocate and Professor of Public Law at Edinburgh University, and the German-born Leonard Schmitz, Rector of the Edinburgh High School, founders of the Association for the Extension of the Scottish Universities in 185324. There was growing agitation for improvement from university alumni as well. The majority of graduates of Scottish universities still lived locally close to where they received their university education, and they began to clamour for a greater say in the life and future prosperity of their Universities. One such champion was Dr Alexander Kilgour, an Aberdeen physician and writer, who subsequently spent eleven
22 Blackie continued on from Göttingen to Berlin, which also exercised a strong influence on him, and then to Italy before returning home in November 1831. This article concentrates on Blackie’s time in Göttingen. 23 Blackie, John Stuart. 1855. On the Advancement of Learning in Scotland. Edinburgh: Sutherland and Knox, 1855, p. 21. 24 The Association, which was founded in 1853, in the same year as the National Association for the Vindication of Scottish Rights, changed its title shortly afterwards to the Association for the Improvement and Extension of the Scottish Universities.
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years as a General Assessor on the University Court in Aberdeen, and wished to see serious university reform. In a pamphlet on reform, he boldly stated: ‘If we are not to belie … our former reputation of being an educated people – if we are to regain our standing in the learned world – … we must unite our energies as a nation in behalf of our highest educational institutions’.25 What united these three men was that they had all studied at German universities and had come under the influence of the education system advocated by Wilhelm von Humboldt, the German philosopher, which stressed intellectual freedom and became the preferred model across much of Northern Europe. In their respective ways, and by co-operating on a common goal, they actively and tirelessly campaigned for intellectual standards in Scottish universities to be raised. The keystone of their demands was that there should be a clear separation between what should be taught in schools and what should be taught in universities in Scotland. Not everyone in Scotland was convinced that the German model was the best one for Scotland to follow but, indubitably, the case for reform of the universities had been made.
6 University Reform in Scotland After decades of lobbying, and after numerous ebbs and flows in its fortunes along the way, a reforming bill for improvements in Scottish universities was taken through the parliamentary process in 1858 by John Inglis, Lord Advocate. Finally, the Universities (Scotland) Act of 1858 was added to the statute book on 2 August 1858. Under the 1858 Act, a tripartite structure consisting of a University Court, the supreme authority in the university, a Senatus Academicus, the supreme academic body, and a General Council, which comprised the academic staff and the graduates, was set up in the four ‘Ancient’ Scottish Universities.26 The principal offices were those of the Chancellor, elected by the General Council, the Principal, who ran the University, and the Rector, elected by the students, who chaired the University Court. The foundation was set for the further reforms that followed the 1858 Act.27
25 Kilgour, Alexander. 1857. The Scottish Universities and What to Reform in Them. Edinburgh: Sutherland and Knox, 1857, v. 26 The four ‘Ancient’ Universities are St Andrews, Glasgow, Aberdeen and Edinburgh. 27 The 1858 Act was followed thirty years later by the 1889 Act for the Better Administration and Endowment of the Universities of Scotland.
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With the 1858 Act accomplished, and the revitalization of universities in Scotland in train, Blackie continued on with his reforming zeal, taking up university causes such as higher education for women, as well as other issues of relevance to society, including reform of the House of Lords. He became well-known as a university reformer on the Continent as well as in Great Britain. He continued to visit Germany throughout his life, returning to Göttingen in 1871, on his way to Berlin, in the summer of 1873, and in June 1879 to visit the German historian, Reinhold Pauli, his last visit to the University and the town that had exercised so much influence over him. Throughout his years teaching in Scottish universities, he always advised his students to study in Germany for at least a session ‘so that they may know what scholarship is’.28 Blackie’s summer sojourn in Göttingen in 1829 had opened his eyes to the superiority of German universities over those in Scotland in the early part of the 19th century, following the decline from the glorious days of the Scottish Enlightenment in the 18th century. It had spurred him on to improve university education in his own country and he had returned to Scotland with this mission in mind. Decades later, and aided by the efforts of many others, Blackie’s vision, inspired from by his German visit in 1829, culminated in Scotland’s most profound university reforms of the 19th century. Are there lessons that we can draw from this 19th-century episode in history to guide and influence us in our 21st-century universities and research libraries? I would suggest that there are three main points of note. First, we must always remain open to new ideas outside our own, and to the weight of other opinions on how to tackle issues in research libraries, while distilling, shaping and adapting them to fit our own situation. Scholarship is universal and global but we must also remember that we have strong individual cultural histories and traditions in our respective countries and continents, which influence us. Second, we can use the experience we gain from elsewhere to assist us to lobby and press for improvements at national level within our own countries and within our own research libraries. Third, we must continue to underline the importance of working collaboratively with others with similar values and common purpose to identify and implement new research solutions. This is critical in enabling scholars and academic and student researchers to benefit from the resources our research libraries collectively hold, and to make the most of the new digital means we have available to improve accessibility to knowledge and facilitate greater scope for scholarship across disciplines and into as yet unexplored areas. For example, the
28 On the Advancement of Learning, 16–17.
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transmission of ideas from country to country within Europe, and across other continents, is as yet little investigated. We have a great deal to learn from one another in our research libraries and universities in Europe in accelerating the progress of knowledge and scholarship and, specifically in research libraries, from exchanging our experiences and collaborating on advances. This is just as true today as it was in the 1820s, and, furthermore, we now have very much better tools to assist researchers and librarians. John Stuart Blackie relied on correspondence and occasional visits in absorbing ideas from outside his country but, today, we have the power of the web, easy travel, rapid communications and a range of digital tools, including text and data mining, to assist us. We should be able to achieve so much more than our 19th-century predecessors. A postscript: the Universities of Göttingen and Edinburgh have worked together collaboratively on both research and teaching for a number of years.29 The two Universities, whose histories were linked by the path trodden by Scots students to Göttingen in the 19th century in Germany, have continued this tradition at the present day. Over the last two decades, the Universities have worked together in the fields of geology, physics, medicine, East Asian history and English studies. In September 2015, in Göttingen, the two Universities signed a co-operation agreement on collaborating more closely in the humanities, social and natural sciences. On the same occasion, an interdisciplinary workshop on ‘The Digital University – The Future of Digital Research Infrastructures’, organised by Dr Wolfram Horstmann, Director of Göttingen State and University Library, was held in Göttingen, aimed at embedding the way in which the two Universities will shape their bilateral exchange of staff and future joint projects by highlighting the potential of areas of academic policy for the expansion of future collaboration. It is beyond doubt that Professor John Stuart Blackie would thoroughly approve of this present-day testament to the influence of his wanderjahre in Germany and the time he spent in Göttingen in the 1820s, and the realisation that the seeds sown during his sojourn there are still bearing fruit in the Universities of Edinburgh and Göttingen in the 21st century.
29 In Edinburgh in summer 2015, Professor Ulrike Beisiegel, President of the University of Göttingen, was awarded the honorary degree of Doctor of Science by the University of Edinburgh for her outstanding contribution to higher education.
John Stuart Blackie (1809–1895), Scottish University Reformer
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References Act for the Better Administration and Endowment of the Universities of Scotland. 1889. A History of the Society of Writers to Her Majesty’s Signet. 1890. Edinburgh: T & A Constable. Blackie, John Stuart. 1869. Musa Burschicosa: a Book of Songs for Students and University Men. Edinburgh: Edmonston and Douglas. Blackie, John Stuart. 1855. On the Advancement of Learning in Scotland: A Letter to the Right Honourable the Lord Provost and Town Council of Edinburgh, Patrons of the University. Edinburgh: Sutherland and Knox Carlyle, Thomas. 1836. Sartor Resartus. Boston. Duncan, John Garrow, ed. 1895. The Life of Professor John Stuart Blackie, the Most Distinguished Scotsman of the Day. Glasgow: John J. Rae. Fraser’s Magazine for Town and Country. London: [various editors], 1830–1882. Horn, David Baynes. 1967. A Short History of the University of Edinburgh 1556–1889. Edinburgh: Edinburgh University Press. Kilgour, Alexander. 1857. The Scottish Universities and What to Reform in Them. Edinburgh: Sutherland and Knox. Maier, Bernhard. William Robertson Smith. 2009. His Life, His Work and His Times. (Forschungen zum Alten Testament). Tübingen: Mohr Siebeck Gmbh & Co. Russell, John. 1824. A Tour in Germany, and Some of the Southern Provinces of the Austrian Empire in 1820, 1821 and 1822. 2 vol. (Reprinted in the Constable’s Miscellany series in 1828) Edinburgh: Constable and Son. Stoddart, Anna M. John Stuart Blackie. 1895. A Biography. Edinburgh: William Blackwood and Sons. Universities (Scotland) Act 1858. University Reform: Eight Articles Represented from The Scotsman Newspaper. Edinburgh: Sutherland and Knox, 1848. Wallace, Stuart. 2006. John Stuart Blackie: Scottish Scholar and Patriot, Edinburgh: Edinburgh University Press. Walker, A. Stodart, ed. 1901. The Day-Book of John Stuart Blackie. London: Grant Richards. Walker, A. Stodart, ed. 1909. Letters of John Stuart Blackie to his Wife, with a Few Earlier Ones to his Parents. Edinburgh and London: William Blackwood and Sons. Walker, A. Stodart, ed. 1910. Notes of a Life by John Stuart Blackie. Edinburgh and London: William Blackwood and Sons. Wilson, Richard. 1822. An Historical Account and Delineation of Aberdeen. Aberdeen: James Johnston.
Klaus G. Saur
Wissenschaftliche Verlage – Versuch einer Zukunftsprognose 1 Der wissenschaftliche Verlag und seine Zukunft? 1993 führte die Technische Universität München eine große Konferenz über die Zukunft der Information mit 700 Teilnehmern aus den Bereichen Mathematik, Information, Chemie und Physik durch. Präsident der Veranstaltung war Professor Martin Grötschel, heute Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Ich war eingeladen worden, einen Vortrag zu halten. Herr Grötschel eröffnete den Kongress und kündigte an, dass ich nun als erster Redner auftreten würde und merkte an: „Herr Saur ist Verleger und Verlage spielen eine wichtige Rolle im Informationsprozess.“ Nach einer kurzen Gedankenpause sagte er: „Noch, allerdings nicht mehr lange.“ Ich ging ans Mikrophon und erklärte, dass ich zutiefst gerührt sei, dass ich überhaupt noch an dieser Veranstaltung teilnehmen dürfe, und dass ich den Untertitel meines Referates „Die Information der Zukunft – Papier oder Online“ geändert hätte in „Sein oder Nichtsein“. Ich müsse ihn aber enttäuschen, denn nicht nur bis zu meiner, sondern auch bis zu seiner Pensionierung würde er noch unendlich viel mit Verlagen zu tun haben. Ich traf Herrn Grötschel zehn Jahre später wieder auf der berühmten OpenAccess-Konferenz, die in Berlin von der Max-Planck-Gesellschaft und der BerlinBrandburgischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt wurde. Ich war der einzige Verleger-Vertreter auf dieser Konferenz, ging auf Herrn Grötschel zu und sagte ihm, ich sei immer noch da. Er strahlte mich an und sagte: „Stimmt!“ Ende 2008 schied ich aus der aktiven Verlagstätigkeit aus. 1963 hatte ich nach buchhändlerischer und verlegerischer Ausbildung den winzigen Betrieb meines Vaters, der damals Dokumentationen der Technik hieß, übernommen und konnte aus diesem Unternehmen, das damals 127.000 DM Umsatz erreichte und 2.000 DM Verlust verursachte, in vergleichsweise kurzer Zeit ein größeres Unternehmen aufbauen, das eine führende Stellung auf dem Bibliotheksmarkt einnahm. Die Umsätze stiegen von 127.000 DM im Jahr 1963 auf 25 Millionen DM im Jahr 1987. In diesen 24 Jahren hatte ich ein einziges Jahr – es war das Jahr 1981 – keine Umsatzsteigerung erreicht. 1987 verkaufte ich diesen Verlag an einen britisch-amerikanischen Verlagskonzern, zu dem auch die Verlage Bowker und Butterworth gehör-
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ten, blieb weiter Geschäftsführer und Leiter des K. G. Saur Verlages und wurde Board Member in diversen anderen Bereichen des Konzerns. Ich konnte den Verlag in München intensiv weiter entwickeln und brachte ihn im Jahr 2003 auf über 40 Millionen DM Umsatz, schied dann aus Altersgründen aus und wurde im darauffolgenden Jahr zunächst Aufsichtsrat, später Vorsitzender der Geschäftsführung und Geschäftsführender Gesellschafter des Verlages Walter de Gruyter. Dieser Verlag hatte im Jahr 2004 24 Millionen Euro Gesamtumsatz und innerhalb von vier Jahren konnte ich hier den Umsatz auf 36 Millionen Euro erhöhen. Das heißt, ich konnte 45 Jahre lang als Verleger operieren und permanent Umsätze, zum großen Teil auch Gewinne, entsprechend erhöhen. Die entscheidenden Voraussetzungen dazu waren, dass sich der internationale Markt erheblich entwickelt hat und ich von Anfang an sehr stark englischsprachige Bücher verlegt habe und damit den Export erheblich ausweiten konnte. Außerdem stiegen in dieser Phase die Bibliotheksetats immer noch sehr beachtlich. Der Gesamtmarkt hatte allerdings schon folgende Entwicklung genommen: Bis zum Jahr 2000 waren die Umsätze der deutschen Verlage im jeweiligen 10-Jahres-Schnitt immer gestiegen und zwar seit den ersten nachweisbaren Zahlen von 1870. In jeder Dekade war am Schluss mehr Umsatz der Verlage erreicht worden als davor. Diese Entwicklung wurde zum ersten Mal im Jahr 2000 unterbrochen, bzw. ist seit 2000 rückläufig. Die Umsätze von 2000 bis 2010 sanken durchschnittlich um 9 % und es sieht auch so aus, dass sie von 2010 bis 2020 in einem gleichen Maße rückläufig sein werden.
2 Ein Rückblick Die ersten Wissenschaftsverlage wurden um 1500 gegründet. Die Oxford University Press, die Cambridge University Press, der Verlag E. J. Brill in Leyden, Benno Schwabe in Basel und Elzevier in Amsterdam entstanden aus Druckereien bzw. aus den universitätseigenen Druckereien und verlegten von Anfang an Bücher, Serien und enzyklopädische Werke sowie Handbücher und monographische Publikationen in Papierform. Die wirtschaftliche Basis bei Oxford University Press und Cambridge University Press war damals das Bibel-Monopol, das ihnen übertragen wurde. Alle diese Verlage existieren heute noch, Elsevier – inzwischen mit „s“ geschrieben – ist heute der weltweit größte Wissenschaftsverlag. Die Programme dieser Verlage sind im Prinzip vergleichbar – sowohl die wissenschaftlichen Gebiete als auch die Form Buch – Zeitschrift – Serie und zwar digital wie gedruckt.
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Die geniale Jahrtausend-Erfindung Johannes Gutenbergs, das Drucken mit der beweglichen Letter, war die Voraussetzung für diese Entwicklung. Bis 1933 gab es wissenschaftliche Verlage, die internationale Publikationen herausbrachten, nahezu ausschließlich in Deutschland, Großbritannien und Holland. Die Emigration deutscher Lektoren und Verleger ab dem Jahr 1933 ermöglichte es, dass in den USA wissenschaftliche Privatverlage gegründet wurden. Vor 1940 gab es in den USA eine Unmenge von sogenannten University-Presses, die aber nicht wie die Oxford University Press und die Cambridge University Press im großen Maßstab internationale wissenschaftliche Literatur verlegten und verbreiteten, sondern die University Presses waren – wie der Name sagt: Drucker der Universität. Sie hatten die Aufgabe, die Bücher der an der Universität ansässigen Professoren zu verlegen. In der Praxis war es so: Viele Professoren versuchten ihre Bücher in Großbritannien, den Niederlanden oder in Deutschland zu verlegen. Wenn sie Absagen bekamen, war die hauseigene Druckerei immer noch gut genug, um das Buch herauszubringen. Die University Presses in den USA waren immer Zuschussbetriebe, aber durch die Emigration entstanden u. a. in den USA die Verlage Academic Press, der heute weitgehend zu Elsevier gehört, Interscience, der heute zu John Wiley gehört und die Grundlage für die Wissenschaften bei dem bis dato nur als Schulbuchverlag tätigen Verlag John Wiley bedeutete. Viele mittlere und kleinere Verlage kamen auf diesem Wege dazu. In Großbritannien gründete Robert Maxwell, Emigrant und Flüchtling vor den Deutschen aus Rumänien, den Verlag Pergamon Press, der heute ebenfalls zu Elsevier gehört.
3 Die Entwicklung des Lichtsatzes und seine Konsequenzen Die Arbeit der Verlage mit der Herstellung von Büchern und Zeitschriften basierte rund 450 Jahre ausschließlich auf dem Prinzip von Gutenberg. Es kamen bessere Verfahren hinzu, der sogenannte Hochdruck oder Flachdruck, es kamen neue und preiswertere Bindeverfahren dazu, aber das Gesamtsystem beruhte immer noch auf Gutenberg. Eine entscheidende Veränderung ergab sich, als 1955 der Lichtsatz in den USA erfunden wurde. Das neue Prinzip war, dass Texte in elektrisch betriebene Schreibmaschinen eingegeben wurden, die dann direkt übertragen wurden, um von diesen Vorlagen dann zu drucken. Bei der Produktion der Bücher änderte sich, zumindest für den Benutzer, kaum etwas. Es gab die gleichen Buch- und Zeitschriftenausgaben wie bisher, nur die erste Konsequenz dieser neuen Entwicklung war, dass etwa 30.000 Setzer, die
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noch in den 60er Jahren in Deutschland beschäftigt waren, auf Dauer arbeitslos wurden oder ihren Beruf wechseln mussten. Die Einführung des Lichtsatzes war aber auch die Voraussetzung dafür, dass ein Internet geschaffen werden konnte, dass CD-ROM-Ausgaben, DVD-Ausgaben und Online-Daten-Banken hergestellt werden konnten. 1959 wurde die XEROX-Trockenkopie erfunden. Bis zu diesem Zeitpunkt kostete eine Fotokopie im Agfa-Nassverfahren eine DM. Ein Betrag, der heute in etwa drei Euro entsprechen würde. Das bedeutete, dass es viel teurer war, 20 Seiten aus einem Buch zu kopieren als das Buch zu kaufen. Durch die Erfindung der XEROX-Kopie gingen innerhalb kurzer Zeit die Kopierkosten pro Seite auf unter einen Pfennig herunter. Dies bedeutete für die Verlage den massivsten Rückgang bei den von ihnen verlegten Lehrbüchern. Es war inzwischen preiswerter, ganze Bücher zu kopieren oder zumindest Teile, einzelne Kapitel, die der Student oder die Studentin jeweils benötigten.
4 Mikroeditionen 1928 wurde im Schweizerischen Buchhandelsort Olten der Mikrofilm erfunden. Er wurde als Rollfilm entwickelt in der 18-oder 36-mm-Fassung und das System wurde vor allem eingesetzt, um umfassende Datensammlungen oder Textsammlungen zu verfilmen, und um sie auf diese Weise sicher zu erhalten. 1936 wurde der Mikrofiche im Postkartenformat entwickelt, der entweder 96 oder bis zu 420 Seiten auf einer Karte vereinigen konnte. Eine relativ starke Entwicklung nahm die Mikrofilm-Technik im 2. Weltkrieg, da die Mikrofilme in großem Maße bei Spionagezwecken eingesetzt wurden. Beginnend in den USA, aber in der Entwicklung dann auch bei vielen weiteren westlichen Ländern, wurde der Mikrofilm primär eingesetzt, um umfangreiche Zeitungsbestände zu verfilmen. So wurde in Deutschland beispielsweise beim Institut für Zeitungsforschung in Dortmund das Mikrofilm-Archiv der Deutschen Presse gegründet. In den 60er Jahren gingen mehr und mehr Fachverlage dazu über diese Technik auch für kommerzielle Produkte einzusetzen. Große Datensammlungen wurden so verfilmt und kommerziell dem Bibliotheksmarkt angeboten. In den allermeisten Fällen handelte es sich um reine Wiedergaben vorhandener Textsammlungen oder Archivbestände. 1975 begann die Universität Marburg mit ihrem Fotoarchiv Marburg die Verfilmung des sog. Marburger Index, eine Bildsammlung zur Kunst- und Architekturgeschichte mit rund 3 Millionen Aufnahmen, die in Marburg gesammelt worden waren. Hier wurden die Bilder nach geographischen Einheiten zusammengestellt und entsprechend veröffentlicht und durch den K. G. Saur Verlag weltweit ver-
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trieben. Der gleiche Verlag begann 1980 mit dem „Deutschen Biographischen Archiv“ die Verfilmung von biographischen Artikeln aus Lexika, in denen aber mit dem Prinzip, Buch für Buch zu verfilmen, gebrochen wurde, sondern es wurde die Reprokumulation angewandt, das heißt; das erste „Deutsche Biographische Archiv“ enthielt 450.000 Artikel zu Persönlichkeiten aus dem deutschen Kultur- und Sprachraum bis 1900 zu etwa 220.000 Personen. Ausgewertet und reprografisch übernommen wurden alle Vorlagen aus insgesamt 360 Lexikonund Enzyklopädie-Editionen. Dieses System bewährte sich und es wurde weiter entwickelt zum „Weltbiographischen Informationssystem“. Einige weitere Verlage in Deutschland, den Niederlanden sowie in Großbritannien und in den USA verfilmten und editierten weitere Editionen auf Mikrofiche. In den 70er bis 80er Jahren verursachten diese Produkte einen kommerziellen Umsatz auf dem Markt von jährlich rund 20 Millionen DM. Dies entsprach immerhin rund 2 % des damaligen Buchmarktes. Mit der elektronischen Entwicklung der CD-ROM-Versionen, der DVD-Versionen und insbesondere wegen der massiven Erweiterungen der Internet-Datenbanken verloren die MikroficheEditionen weitgehend ihre Bedeutung und stellen heute keinen nennenswerten Umsatzfaktor mehr dar. Das heißt, für rund 20 Jahre waren sie auf dem Markt eine durchaus ernst zu nehmende Größe, die eine Reihe von Editionen ermöglichte, die auf anderem Wege nicht realisierbar gewesen wäre, und die auch eine wirtschaftliche Bedeutung erreichte.
5 Das Internet 1968 startete das Internet. Das System sah vor, gewissermaßen alle frei zugänglichen Datenbanken miteinander zu vernetzen und stellte damit gleichsam die erste Stufe von Open Access vor. Die ersten Jahre wurden immer noch mehr oder weniger als Spielerei angesehen, als Möglichkeit geglaubt – und vieles andere mehr – nur noch nicht als konkretes Informationsprodukt. Dies sollte sich schon im Laufe der späten 70er und der 80er Jahre massiv ändern. 1985 kam die erste CD-ROM heraus, die vergleichsweise große Datenmengen auf geringem Raum speichern konnte und die zunächst den Mikrofilm und den Mikrofiche, die bis dato die besten Lösungen dafür gewesen waren, verdrängte. Aber je neuer die Medien wurden, um so kürzer wurde ihre Lebenszeit. Denn schon 1991 kam die erste DVD heraus, die etwa die zehnfache Speicherkapazität bot und bessere Ergänzungsmöglichkeit zur Verfügung stellte. Aufgrund der technischen Entwicklungen war nun die Basis geschaffen, dass sämtliche Zeitschriften parallel sowohl in Papierform wie in Online-Form verlegt werden konnten. Es blieb in
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den 80er und 90er Jahren auch vorwiegend so, dass der gleiche Verlag sowohl die Papierausgabe wie die Online-Ausgabe betrieb und sie beide anbot. Inzwischen sind wohl 98 % der wissenschaftlichen Zeitschriften elektronisch verfügbar, rund 5 % ausschließlich elektronisch. Aufgrund dieser technischen Entwicklung wurde es weiterhin möglich, mit Open Access neue Produkte zu schaffen oder Produkte auf diesem Wege anzubieten. Diese Entwicklung wurde dadurch entscheidend beeinflusst, dass die wissenschaftlichen Verlage die Preise für ihre Zeitschriften seit den 50er Jahren bis 1995 in vielen Fällen um etwa 2–4.000 % erhöht hatten. Die Bücherpreise waren im gleichen Zeitraum vielleicht um 100–250 % gestiegen, aber die Zeitschriftenpreise stiegen derart exorbitant, dass sie so gut wie jeden Bibliotheksetat sprengten. Inzwischen erscheinen rund 10.600 Zeitschriften als Open-Access-Veröffentlichungen. Das heißt, der Herausgeber bezahlt oder schafft die finanziellen Voraussetzungen, um die Dateneingabe zu finanzieren und die Veröffentlichungen dann seinem Publikum kostenlos online zur Verfügung zu stellen. Es gibt eine Reihe von Versuchen, die bisher gescheitert sind, doch Zug um Zug etabliert sich dieser Bereich, so dass mehr und mehr Informationen auf diesem Wege verbreitet werden.
6 Open Access 1993 wurde nach einer Konferenz in Budapest zum ersten Mal der Begriff „Open Access“ neu eingeführt. Unter dem Begriff versteht man im Prinzip den kostenlosen Zugang für Benutzer auf elektronisch gespeicherte Daten und Texte. Insgesamt gilt der Begriff aber für noch weitere Bereiche. Er bedeutet im Grunde genommen kostenlose Information für Benutzer unabhängig davon, ob in elektronischer Form oder als Buch- oder Zeitschriftenlieferung. Wikipedia ist heute das größte Projekt weltweit, das unter diesen Begriff fällt. Die Basis von Wikipedia ist, dass weltweit Daten von – wie auch immer – freien Mitarbeitern erstellt oder aus Datenbanken kostenlos übernommen werden, so dass sie der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten, die damit für den Vertreiber verbunden sind, werden durch finanzielle Zuschüsse von Seiten der Großforschungsbereiche, der Ministerien oder Stiftungen sowie in einem erheblichen Maße auch von den Benutzern von Wikipedia zur Verfügung gestellt. Das größte und erfolgreichste Open-Access-Produkt in Papierform ist die Apotheken-Umschau, die in einem Verlag in der Nähe Münchens alle 14 Tage neu erscheint und über die Apotheken kostenlos an alle Interessenten verteilt wird. Der alle zwei Wochen erfolgende Vertrieb liegt bei über 10 Millionen Exempla-
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ren und wird finanziert, indem die Apotheken für die Abgabe je 90 Cent pro Heft an den Verlag bezahlen; rund ein Drittel der Einnahmen erfolgt durch Anzeigen aus der Industrie, die in dieser Zeitschrift fast exklusiv inserieren. Die Ursache für die Open-Access-Diskussion, die 1993 begann, war die Tatsache, dass die wissenschaftlichen Verlage, insbesondere die Großverlage Elsevier, Springer, Wiley, die Abonnementkosten innerhalb der letzten 50 Jahre um teilweise über 4.000 % erhöht hatten und ihre Monopolstellung bei Zeitschrifteninhalten erheblich ausnutzten. Der frühere Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss, argumentierte, dass die Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft, die etwa 3 % der Zahl der deutschen Wissenschaftler ausmachen würden, rund 30 % der Artikel lieferten, die in internationalen Referateorganen und Diensten zitiert seien. Die Mitarbeiter der Max-Planck-Gesellschaft würden die entsprechenden Aufsätze mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft erstellen und diese an Verlage übertragen. Sie übernähmen dabei in den allermeisten Fällen auch die Herstellung des Satzes und würden die Daten komplett elektronisch übertragen. Die Verlage übernähmen dann diese Texte und würden sie in den meisten Fällen in Zeitschriftenbeiträgen drucken oder in Online-Ausgaben verbreiten. 1993 hatte die Entwicklung einen Stand erreicht, dass rund 95 % der naturwissenschaftlichen Zeitschriften schon parallel in gedruckter und in OnlineForm angeboten wurden. Bei den Geisteswissenschaften handelte es sich um rund 50 % Anteile. Peter Gruss äußerte deutlich, dass es nicht zumutbar sei, dass die Max-Planck-Gesellschaft die Aufwendungen für alle diese wissenschaftlichen Beiträge leisten und dafür dann noch extrem hohe Abonnementgebühren von häufig über 5.000 € pro Abonnement an die entsprechenden Verlage bezahlen müsse. Er empfahl dringend, dass Datenbanken aufgebaut werden, die gemeinnützig betrieben und die diese Aufsätze alle in Online-Form kostenlos verbreiten würden. Er könne sich vorstellen, dass, Aufsätze, die weiterhin in Fachzeitschriften – sowohl Papier wie Online – erschienen, spätestens sechs Monate nach dem originären Erscheinen in den Datenbanken kostenlos verfügbar seien. Die Entwicklung nach 1993 begann außerordentlich zögerlich. Es wurden in den USA eine Reihe von solchen Datenbanken aufgebaut, die von Großforschungsanlagen finanziell unterstützt wurden und die Artikel überwiegend aus den Bereichen Medizin und Biologie auf diese Weise verbreiteten. 2003 fand die Berliner Open-Access-Konferenz statt, in der alle diese Ziele noch einmal deutlich formuliert und zahlreiche Anregungen für die Realisierung diskutiert wurden. 2004 standen dann rund 1.000 Fachzeitschriften zur Verfügung, die so verbreitet wurden. Bis 2010 erhöhte sich die Zahl auf 4.000 Fachzeitschriften, heute stehen mehr als 10.600 Zeitschriften online als Open-AccessVeröffentlichungen kostenlos für die Benutzer zur Verfügung. Man rechnet
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damit, dass es weltweit ungefähr 40.000 wissenschaftliche Zeitschriften gibt, die bisher kommerziell vertrieben wurden, und dass davon 97 % entweder Papier und Online oder einige auch nur noch Online angeboten werden. Man kann die Zahl 10.600 Open-Access-Zeitschriften noch nicht in eine direkte Beziehung zu den vorhandenen kommerziellen Zeitschriften setzen, da zahlreiche kommerzielle Zeitschriften ein größeres Angebot an Seiten bieten als die rasch als Spezialorgane erscheinenden Open-Access-Zeitschriften. Auf jeden Fall sind aber die Open-Access-Produkte wesentlich schneller auf dem Markt und für die Wissenschaft zugänglich als die bei den kommerziellen Verlagen erscheinenden Artikel. Fest steht, dass ein erheblicher Teil der Rückgänge der Umsätze wissenschaftlicher Verlage in den letzten fünf Jahren entscheidend darauf zurück zu führen ist, dass immer mehr Themen kostenlos über „Open Access“ angeboten werden. Da die Zahl der Open-Access-Journale permanent ansteigt, wird es nur noch wenige Jahre benötigen, um etwa 50 % der bisher kommerziell betriebenen Zeitschriftenbeiträge durch „Open Access“ zu ersetzen. Aus der Entwicklung der Adressbuchverlage und der Wörterbuch- und Lexikon-Verlage wissen wir, dass die massive Gefahr für den Rückgang von Verkäufen dieser Produkte sowohl in Buch- wie in elektronischer Form vor allem dann einsetzte, wenn 50 % der Inhalte in den kostenlos zugänglichen Datenbanken zur Verfügung standen. Bei dem weltweit führenden Klinischen Wörterbuch von Willibald Pschyrembel, das bei De Gruyter in Berlin erscheint, war die Situation so, dass in den ersten fünf Jahren nach 2005, als dieses Wörterbuch komplett elektronisch angeboten wurde und man es in CD-ROM, DVD oder auch als Intranet-Lösung kaufen konnte, der Umsatz der elektronischen Umsätze stärker nach oben ging als die Umsatzrückgänge im Papierbereich. 2008 hatte insbesondere Wikipedia die Qualität seiner Daten auf dem Sektor Medizin derart erhöht, dass die Konkurrenz zum Pschyrembel immer deutlicher wurde. Dann begann der massive Rückgang des Verkaufes sowohl als Buch-, als auch in elektronischer Form. Die Stanford-University hat unlängst die sog. Stanford-Encyclopedia of Philosophy freigeschaltet. Dieses Produkt geht weit über den Titel dieser Ankündigung hinaus. Es stellt eine enzyklopädische Gesamtinformation zu allen Humanwissenschaften dar und ist von einer ungewöhnlichen Qualität, die noch weit über die Qualität der Angaben bei Wikipedia hinausgeht, wesentlich gründlicher ist und umfassender informiert. Wären die Brockhaus-Enzyklopädie und die Encyclopedia Britannica nicht schon seit längerer Zeit eingestellt, hätte es für diese Produkte das definitive Aus bedeutet. In immer kürzeren Abständen werden weitere Nachrichten publik, dass an der und der Stelle von den und den Organisationen weitere Texte aufgenommen werden, die vorhandene Buch- und Zeitschriftentitel ersetzen oder zumindest reduzieren werden.
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7 Amazon Amazon wurde im Jahr 2002 in den USA gegründet und verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit weltweit. Es ist heute das größte Versandhandelsunternehmen, das es überhaupt gibt. Schwerpunkt der Arbeit liegt unter anderem im Buchversand sowie in weiteren Medien, die verschickt werden. Amazon hat eine gigantische Macht erworben und steigerte seine Umsätze in ganz massiver Weise. Auf der einen Seite bedeutet dies einen starken Einbruch für die Buchhandlungen, da immer mehr Bestellungen von Privatkunden über Amazon abgewickelt werden und nicht mehr von Buchhandlungen ausgeführt werden. Amazon hat mehrere Versuche unternommen, auch verlegerisch tätig zu werden. Aufgrund der Angebotstechnik müsste es möglich sein, Buchprodukte zu schaffen, die dann mehr oder weniger exklusiv über Amazon angeboten werden. Bis jetzt sind diese Versuche gescheitert. Man muss davon ausgehen, dass Amazon sich erheblich weiter entwickelt und gewaltige Finanzbeträge in diese Entwicklungen steckt. Es ist auf jeden Fall zu erwarten, dass Amazon in Zukunft Bücher sowohl in gedruckter wie in elektronischer Form vertreiben wird. Man muss auch davon ausgehen, dass sich dies nicht auf die Belletristik beschränkt, sondern es bereits Pläne gibt, hier massiv auch in den wissenschaftlichen Informationsbereich einzugreifen. Es ist absolut offen, wann diese Projekte realisiert werden. Man muss nur davon ausgehen, dass im Laufe der nächsten 10–15 Jahre ein erheblicher Anteil der Verlagsprodukte durch Amazon-Angebote entweder reduziert oder verdrängt wird. Amazon ist heute in vielen Fällen der wichtigste Kunde der Verlage oder zumindest bei den größten Abnehmern vertreten. Zahlreiche Verlage erzielen schon mehr als 10 % ihres Umsatzes mit Amazon. Der Druck auf die Handelsspannen von Amazon ist sehr hoch und die meisten Lieferungen an Amazon werden nur mit einem Rabatt realisiert, der 10–20 % über den üblichen Handelsrabatten liegt. Das bedeutet für die Verlage im Prinzip eine Verschlechterung ihres Betriebsergebnisses um mindestens ein volles Prozent.
8 Wikipedia Wikipedia, 1998 in den USA gegründet, erweiterte seine Plattform auf den deutschsprachigen und französischsprachigen Bereich ab 2001 und ist inzwischen weltweit verbreitet. Der Chef von Wikipedia Deutschland kam im Jahr 2003 nach Mannheim, stellte sich hinter die Büste von Friedrich Arnold Brockhaus, dem Gründer des Verlages Brockhaus und dem ersten großen Lexikon-
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Verleger, und erhob seine Hände zum Victory-Zeichen. Ich bekam ein Foto von dieser Situation und empfand es zunächst als Unverschämtheit, und für mehr als völlig illusionär zu glauben, dass Wikipedia Brockhaus besiegen könne. F. A. Brockhaus, früher Leipzig – jetzt Mannheim, hatte in den 80er Jahren mit der 18. Auflage der Brockhaus-Enzyklopädie den wirtschaftlich größten Erfolg in der Geschichte des Verlages erreicht. Brockhaus galt neben der Encyclopedia Britannica schon seit vielen Jahren als die weltweit beste Enzyklopädie der neueren Zeit. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren die Daten, die Wikipedia geboten hat, in vielen Fällen nicht nur schlechter, sondern auch in manchen Fällen weniger aktuell. Dies änderte sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch und führte dazu, dass Brockhaus 2005, im Jahre des 200jährigen Jubiläums, das noch ungewöhnlich aufwändig gefeiert worden war, seinem Untergang deutlich entgegen ging. 2006 wurde Brockhaus noch an Bertelsmann verkauft, wobei Bertelsmann dies mehr auf Wunsch des Inhabers Reinhard Mohn tat als aus wirtschaftlichen Gründen; es stellte sich bald heraus, dass die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten war. 2009 wurde Brockhaus bei Bertelsmann endgültig geschlossen. Dies war nun der erste Fall, dass durch die Daten, die von Wikipedia verbreitet werden und die kostenlos für die Benutzer sind, eine so etablierte Verlagsmarke wie Brockhaus vom Markt verschwand. Die Entwicklung ging weiter. Der Duden wurde ebenfalls vom alten Inhaberverlag an Cornelsen verkauft und erlebte dort einen massiven Rückgang und hat heute nur noch einen Bruchteil der Umsätze, die vor 10 Jahren galten. Der Verlag Langenscheidt, der bis in die 90er Jahre der weltweit größte Verlag für zweisprachige Wörterbücher war, ist inzwischen auch komplett verkauft worden. Eine Hamburger Lottofamilie erhält ihn weiter und erreicht heute noch knapp 20 % der Umsätze, die es vor 10 Jahren erlangte. Wir müssen davon ausgehen, dass sowohl Wikipedia seine Daten permanent verbessert, was u. a. schon jetzt dazu geführt hat, dass der berühmte „Pschyrembel“, der in mehr als 270 Auflagen erschien und das erfolgreichste medizinische Wörterbuch der Welt war, nicht mehr gehalten werden kann, weil die Angaben in Wikipedia inzwischen wohl nur noch 5 % schlechter sind als die Angaben im „Pschyrembel“, jedoch kostenlos zugänglich sind, so dass die Kunden des „Pschyrembel“ mehr und mehr zur Nutzung von Wikipedia übergehen.
9 E-Books Inzwischen geben die meisten Verlage, ihre belletristischen wie ihre wissenschaftlichen Buchproduktionen parallel heraus. Einmal in Papierform, einmal in
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E-Book-Form. Der Anteil der E-Books am Gesamtumsatz ist in Deutschland im vergangenen Jahr von 3,8 auf 4,5 % gestiegen, das heißt, er macht nach wie vor einen vergleichsweise geringen Anteil aus. In vielen Fällen wäre es in der Praxis so, dass, mit dem Verzicht auf die E-Book-Ausgabe, die Gesamtkosten der Verlage entsprechend niedriger und rentabler wären, wenn ausschließlich gedruckte Bücher verlegt würden. Doch es gibt keinen Autor mehr, der darauf verzichtet, bei einem neuen Verlagsvertrag daran festzuhalten, dass seine Publikation auch als E-Book erscheint. Die Zukunft des E-Books ist noch völlig offen. Es kann bei den bisherigen Formen wie Kindle bei der Verbreitung bleiben, es wird aber völlig neue Formen geben, von denen wir heute noch sehr wenig wissen. Denn auch über Telefone, über Uhren und über andere Datenträger können Informationen verbreitet oder gespeichert werden. Faktum ist: Der Anteil der elektronisch erzeugten Daten und die Verbreitung werden erheblich zunehmen und dies in den meisten Fällen zu Lasten papiergebundener Ausgabeformen.
10 Google oder Alphabet Google ist im Augenblick im Begriff, sich in Alphabet umzubenennen, um seinen Gesamtanspruch auf die komplette Informationswelt deutlich zu machen. Schon heute vermittelt Google eine Unzahl von Daten, die für die Endabnehmer kostenlos zugänglich sind. Die Finanzierung erfolgt über Anzeigenerträge, die sich bei Google immer stärker entwickeln. Ein Ergebnis dieser Tätigkeiten ist, dass eine Reihe von bisher in gedruckter oder auch in elektronischer Form erscheinender Adressbücher bei kommerziellen Verlagen eingestellt werden musste. Es stellt sich immer mehr heraus, dass man umfassende Informationen zu Adressen, aber auch zu weiteren Daten bei Google kostenlos abrufen kann, ohne dass dafür noch irgendwelche Aufträge gegen Rechnung erteilt werden müssen.
11 Urheberrecht und VG WORT Das Urheberrecht entwickelt sich ebenfalls in weiten Bereichen als nachteilig für Verlage und Inhaber von Urheberrechten. Auf der einen Seite gibt es heute durch die neue Rechtsprechung wesentlich mehr Möglichkeiten, dass Bibliotheken Texte von prinzipiell geschützten Werken aufnehmen und kostenlos verbreiten. Auf der anderen Seite ist das Urheberrecht in der heutigen Form nicht in der Lage, Rechtsbrüche hier zu verhindern. Es wird immer schwieriger zu ermitteln, wo welche Datenbanken oder Datenbestände illegal heruntergeladen oder entspre-
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chend weiter verbreitet werden. In den meisten Fällen sind die Kosten für derartige Untersuchungen für den Urheber, wenn er sie in Auftrag gibt, wesentlich komplizierter und teurer als das, was er je als Schadensersatzsummen bekommen könnte. Es sind derzeit noch juristische Entscheidungen abzuwarten, ob Zahlungen an Verlage von Seiten der VG Wort zulässig sind oder beträchtlich reduziert werden müssen. Auch dies stellt einen erheblichen Risikofaktor für Verlage dar, denn die Zahlungen der VG Wort stellten in vielen Fällen noch den einzig möglichen Gewinn für ein Verlagsunternehmen dar.
12 Books on Demand Bis 1995 hat die Druckmaschinenindustrie immer mehr Maschinen, Anlagen und Systeme entwickelt, die Bücher in höchsten Auflagen von über 10.000 immer schneller und immer preiswerter herstellen konnten. Sie hatte aber dabei außer Acht gelassen, dass 98 % aller Bücher in Auflagen von weniger als 10.000 erscheinen, und dass immer mehr Bücher herauskommen, die weder 1.000 noch 500 als Verkaufsauflage erreichen können. Aus diesem Grund wurden Systeme entwickelt, die es ermöglichen, dass heute beispielsweise ein Buch in einer Auflage von 100 Exemplaren pro Stück preiswerter hergestellt werden kann als vor 10 Jahren noch eine 500er Auflage. Daraus entstand die Idee „Books on Demand“, die heute in Deutschland noch führend in einer Firma gleichen Namens realisiert wird. Es gibt weitere Anbieter, aber absoluter Marktführer ist die Firma „Books on Demand“, Norderstedt. 2013 hat diese Firma rund 150.000 Titel neu angekündigt. „Books on Demand“-Bücher unterscheiden zwischen drei Bereichen. Der erste Bereich sind Privatdrucke, der zweite wissenschaftliche oder auch Fachbücher in kleinsten Auflagen, der dritte Bereich ist die Bereitstellung von Büchern, die bei den Verlagen – insbesondere bei den wissenschaftlichen Verlagen – in den letzten 250 Jahren erschienen sind. Die erste Gruppe betrifft private Kunden, die zunächst einmal davon ausgehen, dass lyrische Bemühungen unzufriedener Hausfrauen oder Hausmänner unbedingt gedruckt werden müssen und zu einem Geburtstag an alle Gäste verteilt werden. Hier kann die Autorin, der Ehemann oder die Kinder der Autorinnen oder Autoren einen Auftrag nach Norderstedt geben, dass sie beispielsweise 100 Exemplare in Schmuckausstattung von dem Text bestellen. „Books on Demand“ in Norderstedt bietet an, dass diese Titel dann auch auf dem Markt angeboten werden. Je nach Interesse des Autors oder des Empfängers kann dies umgesetzt werden. Es gibt auch Fälle, in denen beispielsweise Kriminalromane, die von klassischen Verlagen abgelehnt wurden,
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die auf diese Weise erschienen und auf einmal bekannt wurden, so dass Auflagen von 10.000 Exemplaren und mehr erreicht wurden. Der zweite Bereich setzt sich aus wissenschaftlichen Publikationen zusammen, die sehr speziell sind. Die bisherige Praxis war dabei so, dass der Herausgeber, das Institut oder die wissenschaftlichen Gesellschafter zum Verlag gegangen sind und erklärt haben: „Wir haben hier zwei neue Texte von je 250 Seiten, sehr bedeutend, und wir möchten sie gerne verlegt haben.“ Der Verlag sagt: „Wunderbar, können wir gerne machen. Wir benötigen pro Band einen Druckkostenzuschuss von 4.000 Euro.“ Dann erklärt der potenzielle Auftraggeber, dass er nicht verstehen könne, dass bei Books on Demand das zweimal 900 Euro kostet und, wenn mehr als 50 Exemplare verkauft würden, bekomme er das Geld sogar ganz – oder noch mehr – zurück. Dann erklärt der Verlag: „Ja, dort fehle die verlegerische Betreuung.“ Doch bei derartigen Spezialtiteln, die in kleinsten Auflagen erscheinen, bietet auch der klassische Verlag keine große verlegerische Betreuung. Das heißt, dass mehr und mehr Autoren und Institutionen dazu übergehen, solche Spezialtitel bei „Books on Demand“ zunächst auf eigene Rechnung herstellen zu lassen. Doch dieser Betrag bleibt gering und kann auch in vielen Fällen zurück erstattet werden. Es gibt auch Fälle, wo Verlage selber erkennen und sagen: „Von diesem Buch können wir nicht mehr als 80 Stück verkaufen, also bestellen wir jetzt eine „Books-on-Demand“-Auflage in Höhe von 40 und lassen sofort weitere herstellen, wenn diese 40 verkauft sind.“ Dies kann und wird ein Geschäft der Verlage bleiben, aber mit sehr begrenzten Umsätzen. Der dritte Bereich betrifft die Verlage sehr intensiv. Wenn ein Verlag, unabhängig davon, ob vor 10, 20 oder 50 Jahren, eine Publikation verlegt hat und nicht bereit ist oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, dass er eine Neuauflage macht, fallen im Prinzip die Rechte an den Autor zurück. Um dies zu umgehen, kann der Verlag nun bei „Books on Demand“ einen Titel bestellen, beispielsweise eine bedeutende Monographie aus dem Jahr 1920, die bei „Books on Demand“ angenommen wird, und sobald eine Bestellung eingeht, digitalisiert und ein Exemplar hergestellt wird. Damit bleiben die Rechte beim Verlag. Das hat dazu geführt, dass in 2013 die Zahl von 150.000 Titeln erreicht wurde, weil eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Verlagen diesen Weg ging, um sich so das Urheberrecht an den Titeln zu erhalten. Von diesen 150.000 Titeln sind bis heute etwa 20.000 Titel körperlich hergestellt worden, weil für etwa 20.000 Titel dann auch Bestellungen eingegangen sind. Von „Books on Demand“ oder auch von den Verlagen können diese Titel dann wieder bekannt gegeben werden und dies als Information dem internationalen Buchhandel und den Bibliotheken zugeleitet werden.
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Die Konsequenz für die Zukunft der Verlage ist hier, dass auf der einen Seite Verlage dieses System benutzen können, um sich damit Rechte zu wahren und Projekte zu verkaufen, die sich seit vielen Jahren nicht mehr verkaufen lassen. Auf der anderen Seite wird dieses System dazu führen, dass eine Reihe von Publikationen, die bisher verbunden mit hohen Zuschüssen an Verlage gegeben wurden, nicht mehr einer Verlagsmitwirkung bedürfen.
13 Export von Publikationen Der Export deutscher wissenschaftlicher Publikationen ist in den letzten zehn Jahren stärker zurückgegangen als die Umsätze in der Bundesrepublik selbst. Der Grund liegt vor allem darin, dass die großen Wissenschaftsmärkte USA und Japan erheblich weniger Bestellungen aufgeben, als dies noch vor 10 Jahren der Fall war. Es liegt natürlich auch an der immer geringer werdenden Verbreitung der deutschen Sprache bzw. dem Bedarf ausländischer Bibliotheken, auch Bücher in deutscher Sprache zu kaufen.
14 Anzeigenerlöse für Verlage In den 70er Jahren machten die Anzeigenerlöse in den Fachzeitschriften der Verlage noch einen erheblichen Umsatzanteil aus. Bei Verlagen wie Hanser, VDI, Georg Thieme, auch Springer betrugen diese Umsätze in vielen Fällen mehr als 10 % der Gesamterlöse und sie trugen zum Gewinnergebnis noch überproportional bei. Heute gibt es kaum noch Industrieanzeigen. Die Werbung läuft wesentlich stärker über das Fernsehen oder über Zeitschriften, die das Endpublikum, wie die „Apotheken-Umschau“ erreichen. Das heißt, die Anzeigenerlöse sind um mehr als 70 % gesunken und stellen heute keinen wesentlichen Beitrag mehr für die Erträge dar. Das gilt auch für den Deutschen Apotheker-Verlag in Stuttgart, zu dem früher die Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, der Franz Steiner Verlag und der S. Hürzel Verlag gehört haben. Inzwischen wurden vier weitere Verlage hinzugekauft, die die Basis des Verlages erweitert haben, und der Gesamtumsatz der Gruppe ist in den letzten 10 Jahren um etwa 30 % gestiegen. Aber auch hier gilt, dass die Summe der Umsätze der bisher zugehörigen Verlage plus der neuen vor 10 Jahren insgesamt höher war als sie der Verlag jetzt erreicht.
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15 Umsatzentwicklungen und Erträge Im Jahr 2006 erschienen 94.716 neue Titel. In 2007 wurde die höchste Zahl bisher mit 96.479 Titeln erreicht, dann ging es auf 94.276, 93.124, dann wieder auf 95.838, 96.273 und im Jahr 2012 auf 91.100 Titel. 2013 wurden 93.600 Titel erreicht. 2014 wurden die Zahlen, die 2000 erreicht wurden, zum ersten Mal unterschritten. Es wurden noch 76.134 Titel erreicht. Dies war ein Rückgang zum Vorjahr von 6,9 % und ein Rückgang gegenüber 2006 von 8 %. Die Umsätze des Buchhandels sanken in Deutschland im Jahr 2014 um 2,2 %, in der Schweiz um 4,9 % in Österreich um 3,4 %. In den Jahren 2010–2014 sanken die Umsätze im Buchhandel in Deutschland um insgesamt 4,4 %. Das Hörbuch erreichte 2013 4,1 % und ging dann zum ersten Mal wieder nach unten auf 3,9 %. Die E-Books erhöhten ihren Anteil am Buchhandelsumsatz in diesem Zeitraum von 3,9 % auf 4,5 %. Die Zahl der Verlage ist in den letzten 10 Jahren im Prinzip unverändert geblieben. 2009 gab es 2.193 umsatzsteuertechnisch gemeldete Verlage. 2014 ging die Zahl um 23 nach unten und sank damit um 1 %. Doch die Zahl ging weiter nach unten; denn es kam zu noch weitergehenden Konzentrationen. Allerdings werden bei Käufen von Verlagen häufig die bisherigen Verlage als eigene Rechtsform weitergeführt. Die Ertragslage im Sortimentsbuchhandel ist nach wie vor extrem angespannt. Im Jahr 2011 erreichte der Gesamtbuchhandel ein negatives Ergebnis von 0,2 %, im Jahr 2012 ein negatives von 0,6 %, 2010 ein positives von 0,1 %. Die Ertragslage bei den Verlagen ist ebenfalls sehr angespannt. Der durchschnittliche Ertrag aller Verlage in der Bundesrepublik Deutschland beträgt 0,9 %. Man muss davon ausgehen, dass mindestens 40–50 % der Verlage mit einem negativen Betriebsergebnis arbeiten. Es gibt nur noch wenige Verlage, die Renditen von über 5 % aufweisen. Sicher an einer Hand abzuzählen sind die Verlage, die noch eine Rendite von über 10 % haben. Das bedeutet, dass die Verlage insgesamt viel zu geringe Erträge haben, um in der Lage zu sein, Investitionen für die Zukunft zu tätigen, andere Verlage aufzukaufen oder sonstige Entwicklungen zu finanzieren. Die Ergebnisse sind im Prinzip häufig noch schlechter als ausgewiesen; denn in vielen Fällen beziehen die Inhaber von Buchhandlungen ein so niedriges Gehalt, das sie als Angestellte in anderen Firmen nicht akzeptieren würden. Dass sich die Buchhandlungen überhaupt als Betrieb halten können, liegt ebenfalls in zahlreichen Fällen daran, dass die Buchhandlungen in eigenen Häusern geführt werden, so dass keine Mietkosten anfallen. Der Auslandsabsatz deutscher Bücher und Zeitschriften hat sich in den letzten Jahren erheblich reduziert. Die Hauptabsatzmärkte sind nach wie vor die Schweiz und Österreich, gefolgt von den USA, Italien, Niederlande, Spanien,
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Polen, Tschechien und Frankreich. In der Liste der 10 wichtigsten Länder wird z. B. Japan nicht mehr aufgeführt, da die Umsätze nach Japan beträchtlich gefallen sind.
16 Die Umsatzentwicklung der wissenschaft lichen Großverlage Es gibt heute nach den zahlreichen Konzentrationen und Zukäufen nur noch vier wissenschaftliche Großverlage, die Umsätze von insgesamt über einer Milliarde Euro erzielen, wobei der Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York diesen Betrag auch nur dadurch erzielt, dass er mit den wissenschaftlichen Verlagen von Holtzbrinck zusammengelegt wurde und dadurch Nature als eine der weltweit wichtigsten Zeitschriften zu Springer gekommen ist. Der Springer-Verlag hatte im Jahr 2013 einen Umsatzrückgang von 1,8 %. Der Gesamtrückgang der Verlagsprodukte Buch und Zeitschriften in Papier und Online ist noch stärker; denn es wurden diverse Projekte aufgekauft, die in dem Umsatz enthalten sind. Reed-Elsevier hatte im Jahr 2013 zum ersten Mal seit 1949 einen Umsatzrückgang von 4 %. Bei den einzelnen Sparten sind die Entwicklungen unterschiedlich. Bei Risk and Business Information 3 % Rückgang, bei Legal 11 % Rückgang, bei STM 4 % Rückgang. Lediglich bei Ausstellungen und Messen stieg der Umsatz um 3 %. Das heißt, dass die Umsätze Buch und Zeitschrift sowie Gesamtinformation überall rückläufig sind und durch andere Produkte wie in diesem Fall Messen und Ausstellungen teilweise noch ausgeglichen werden können. Bei Wolters Kluwer stiegen die Umsätze von 3.565.000 auf 3.660.000 minimal an, aber auch hier ist der Anstieg nur auf Zukäufe zurückzuführen und nicht auf vorhandene Verlagsprojekte. Bei John Wiley wird vermutet, dass der Umsatzrückgang im Jahr 2014 rund 5 % beträgt. Es wurde jetzt eine Arbeitsplatzreduzierung von 800 Mitarbeitern eingeleitet.
17 Innovative Produkte Die einzige Innovation der letzten Jahrzehnte, die vor allem belletristischen Verlagen und dem Buchhandel insgesamt neue Umsätze und Erträge verschafften, ist das Hörbuch.
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1997 wurde der Hörverlag München gegründet. Claudia Baumhöver, die Initiatorin des Verlags, entwickelte ein Konzept für einen Hörverlag nach dem Vorbild des Deutschen Taschenbuch-Verlags, der 1960 gegründet wurde. Zunächst erfand sie das Hörbuch neu. Denn schon seit über 100 Jahren gab es Kassetten und Tonbänder, die Texte aufgenommen hatten, die aber primär von blinden, alten und kranken Personenkreisen genutzt wurden und eine vergleichsweise geringe Verbreitung fanden. Am stärksten entwickelt war die Situation in Marburg bei der Deutschen Blindenanstalt, die derartige Programme für viele blinde Kunden entwickelte. Claudia Baumhöver entwickelte ein völlig neues Konzept, das auf Porsche-Fahrer und Rolex-Träger orientiert war. Sie brachte zunächst einmal neun Verlage zusammen, darunter Suhrkamp, Hanser, Kiepenheuer&Witsch und andere, um die Rechte dieser Verlage für erfolgreiche Buchausgaben nun in Hörbücher zu multiplizieren und zu erweitern. Dieses Konzept ging auf. Nach Gründung des Verlags in 1997 wurde 2010 ein Umsatz von 25 Millionen Euro mit einem außerordentlich hohen Gewinnergebnis erreicht. Die Umsätze der Hörbücher erreichten bis zu 4,2 % Anteil am Buchhandelsumsatz und lagen bis zum vergangenen Jahr höher als der Anteil der E-Books. Folge der Entwicklung des Hörverlags war, dass auch andere Verlage auf diese Idee kamen und selbst Hörbücher produzierten und damit weniger Rechte an den Hörverlag abgaben. Dadurch ging der Umsatz des Hörverlags zurück, der Gewinn ging ebenfalls zurück und vor drei Jahren wurde dieser Verlag an Bertelsmann verkauft und mit Random-Hörbücher, die jetzt gemeinsam der Marktführer sind, zusammengelegt. Weitere innovative Entwicklungen ergaben sich bei wissenschaftlichen Verlagen, indem beispielsweise ein großer medizinischer Verlag Abrechnungssysteme für Ärzte, Abrechnungstabellen und ähnliche Hilfsmittel für Ärzte entwickelte. Hinzu kamen große Veranstaltungen, Seminare, Kongresse und Kolloquien. Selbst ein vergleichsweise kleiner Verlag wie der Meiner-Verlag in Hamburg mit der berühmten Philosophischen Bibliothek bietet inzwischen philosophische Seminare und Kongresse an, die gut besucht werden. Dies alles führt zu neuen Erträgen bei den Verlagen, aber gleicht nur einen Teil der Reduktionen auf dem klassischen Markt aus. Denn im Grundsatz gilt: Ein wissenschaftlicher Verlag hat heute einen Rückgang von 4–5 % im Jahr zu verkraften und ist in einigen Fällen in der Lage, durch neue Systeme und Produkte etwa die Hälfte davon auszugleichen, so dass der Rückgang nur 2–3 % beträgt. Für viele Verlage bleibt es bei Rückgängen, und ein Verlag bezeichnet sich heute schon als erfolgreich, wenn er über mehrere Jahre seinen Umsatz in etwa halten kann.
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18 Wachstum für Verlage Gibt es heute überhaupt noch ein Wachstum? Es verteilt sich auf ganz wenige Verlagsformen, Der Verlag Wort&Bild in Baierbrunn bringt seit den frühen 90er Jahren die „Apotheken-Umschau“ und inzwischen neun weitere Zeitschriften heraus, die im Prinzip nach dem Open-Access-System laufen. Von der „ApothekenUmschau“ werden alle zwei Wochen 9,5 Millionen Exemplare an die Apotheken in Deutschland, Österreich und Schweiz geliefert, die Apotheken zahlen dafür 90 Cent pro Heft und geben es kostenlos an ihre Kunden ab. Durch die massive Fernsehwerbung des Verlages wird permanent darauf hingewiesen: „Neu – in Ihrer Apotheke, kostenlos!“ Keine Apotheke kann es sich leisten, die Zeitschrift nicht zu halten und nicht kostenlos abzugeben, aber die Apotheker gehen auch davon aus, dass die Kunden, die wegen der Zeitschrift in die Apotheke kommen, in den meisten Fällen auch Produkte kaufen, so dass es für sie doch eine vergleichsweise gut eingesetzte Werbeaktion ist. Der Landwirtschaftsverlag in Hiltrup in der Nähe Münsters hat vor einigen Jahren eine Zeitschrift „Landlust“ gegründet. Er eröffnete damit ein neues Feld, das zu Millionenerfolgen führte. Inzwischen gibt es eine Reihe weiterer Zeitschriften, die mehr Auflagenzuwachs haben, als der Rückgang von SPIEGEL, Stern oder Focus ausmachen. Das heißt, der Umsatz mit den Unterhaltungszeitschriften im Handel ist nicht gesunken, sondern er verändert sich massiv. Das, was weniger an Focus oder SPIEGEL verkauft wird, gleicht sich durch „Landlust“, „Landliebe“ und ähnliche Publikationen aus. Im Prinzip ist heute Wachstum nur noch durch Zukauf möglich. Der Verlag de Gruyter in Berlin macht aktuell einen Umsatz von etwas über 50 Millionen Euro und hat damit gegenüber 2004 seinen Umsatz in etwa verdoppelt. Um dies zu erreichen, wurden die Verlage K.G Saur mit den angeschlossenen Verlagen Niemeyer, Francke und Zeller sowie dem Akademie-Verlag und dem Oldenbourg-Verlag gekauft. Addiert man die Umsätze dieser Verlage, die 2005 noch selbstständig waren, kommt man auf einen Betrag von rund 58 Millionen Euro. Das heißt, dass die Gesamtsumme der Umsätze dieser Verlage von 58 auf etwa 50–51 Millionen Euro gesunken ist. Die Einheit de Gruyter ist zwar größer geworden, doch der Gesamtumsatz in der Branche hat entsprechend abgenommen. Der Springer-Verlag hat seinen Umsatz in den letzten Jahren in etwa gehalten, aber auch dies nur, indem er eine Reihe von kleineren und mittleren Verlagen hinzu gekauft hat und die elektronischen Angebote des Unternehmens ganz erheblich erweitert hat. Das Gleiche gilt für den Deutschen Apotheker-Verlag in Stuttgart, zu dem früher schon die Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, der Franz-Steiner-Verlag und der S.-Hirzel-Verlag gehört haben. Inzwischen wurden
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drei oder vier weitere Verlage hinzugekauft, die die Basis des Verlages erweitert haben, doch ist dabei kein größerer Umsatz für den Markt entstanden.
19 Ausfuhr von Büchern und Zeitschriften aus Deutschland von 2001 bis 2013 in Milliarden Euro 2001
2.114
2002
2.194
2003
2.056
2004
2.082
2005
2.114
2006
2.375
2007
2.413
2008
2.295
2009
2.044
2010
2.078
2011
2.044
2013
1.991
2007 war das Jahr des höchsten Exportes von Büchern und Zeitschriften aus der Bundesrepublik insgesamt. Das heißt, der Rückgang gegenüber 2007 beträgt im Jahr 2013 17,5 %. Der Rückgang gegenüber dem Jahr 2001 beträgt dagegen nur 5,8 %. In beiden Berichtszeiträumen ist diese Zahl niedriger als der Rückgang der Verlagsumsätze, was bedeutet, dass der Rückgang der Umsätze in der Bundesrepublik Deutschland selbst noch höher ist als aus der Gesamtstatistik hervorgeht.
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20 Umsatz der Verlage in Deutschland einschließlich Export für Bücher und Zeitschriften von 2001 bis 2013 in Millionen Euro 2001
13.274
2002
11.502
2003
10.804
2004
10.301
2005
10.706
2006
11.395
2007
11.005
2008
11.211
2009
9.590
2010
8.848
2011
8.945
2012
8.754
2013
8.581
In den 12 Jahren nach 2001 ist der Rückgang aller Verlagsumsätze rund 35 %. Auch hier ist die Situation so, dass 2001 der höchste Umsatz in der Geschichte erreicht worden war, und dass 2013 jetzt der niedrigste Umsatz seit 15 Jahren besteht.
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21 Neuerscheinungen und Neuauflagen in der Bundesrepublik Deutschland von 1977 bis 2014 1977
48.736
1978
53.137
1979
62.082
1980
67.176
1981
59.168
1982
58.592
1983
60.498
1984
51.733
1985
57.623
1986
63.679
1987
65.680
1988
68.611
1989
65.980
1990
61.015
1991
67.890
1992
67.277
1993
67.206
1994
70.643
1995
74.174
1996
71.515
1997
77.898
1998
78.042
1999
80.779
2000
82.936
2001
64.618
2002
59.916
Wissenschaftliche Verlage – Versuch einer Zukunftsprognose
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Tab. (fortgesetzt) 2003
61.538
2004
74.074
2005
78.082
2006
94.716
2007
96.479
2008
94.276
2009
93.124
2010
95.838
2011
96.273
2012
91.100
2013
93.600
2014
87.134
Angaben aus Buch und Buchhandel in Zahlen
Die Titelproduktion in Deutschland hat sich von 1977 bis 2011 kontinuierlich weiter entwickelt. Gab es einmal ein Jahr mit Rückgang der Titelzahl, wurde dies im nächsten oder übernächsten Jahr wieder überholt. Die Titelproduktion von 1977 bis 2013 hat sich von 48.736 auf 93.600 fast verdoppelt. 2014 ging die Produktion zum ersten Mal seit 8 Jahren deutlich nach unten, das heißt um rund 15 %.
22 Versuch einer Prognose für die nächsten 10 Jahre Prognosen haben leider fast immer die Eigenschaft, falsch zu sein. Es ist nicht möglich, präzise Vorhersagen abzugeben, ob und in welcher Form neue Produkte geschaffen werden. Es war zum Beispiel nicht vorhersehbar, dass 2001 bzw. 1998 in den USA, 2001 in Deutschland, Wikipedia gegründet wird und innerhalb weniger Jahre ein Datenpotenzial anbietet, das eine Reihe der etabliertesten Verlage, insbesondere auf dem Sektor Lexikon, Wörterbuch, Enzyklopädie, zunächst erheblich reduzierte und dann mehr oder weniger ersetzte. Es war ebenso unvorhersehbar, dass aus den ersten Ansätzen und Überlegungen zum Thema Open Access ab 1993 tatsächlich eine so folgenreiche neue Entwicklung
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kommen werde. Die massive Kostensenkung für kleine Auflagen, die seit etwa 2005 in der Praxis Anwendung gefunden hatte, war ebenfalls von den meisten Experten in keiner Weise in diesem Umfang vorhergesehen worden. Folgende Entwicklungen kann man aber mit großer Wahrscheinlichkeit näher beziffern oder benennen. 1. Fest steht, dass die Open-Access-Entwicklung massiv voranschreitet, und dass in den nächsten 10 Jahren in jedem Falle mehr als 50 % der wissenschaftlichen Inhalte von Zeitschriften durch Open Access entweder ersetzt oder zumindest in Konkurrenz gebracht wird. 2. Die Erwerbungsetats sowohl der wissenschaftlichen wie der öffentlichen Bibliotheken bleiben vor allem deshalb weiter unter erheblichem Druck, weil die Erwerbungsmittel immer mehr für elektronische, online zugängliche Materialien verausgabt werden und sich von daher die Beträge für den Ankauf von analogen Büchern und Zeitschriften reduzieren. 3. Der Absatz deutscher Bücher wird im Ausland weiter abnehmen. 4. Die Bereitschaft öffentlicher Institutionen, elektronische Informationen verlagsunabhängig zu fördern und durch Verlage hergestellte Produkte nicht mehr oder nur noch in wesentlich geringerem Maße zu unterstützen, nimmt zu. 5. Die Verlagskonzentration wird weiter zunehmen. In den nächsten Jahren werden einige Verlage zu dem Ergebnis kommen, dass sie unabhängig voneinander nicht mehr operieren können und sie sich einem größeren Verbund anschließen müssen. Ebenso wird die Zahl der Liquidationen von Verlagsunternehmen zunehmen, da die dann noch vorhandene Basis nicht mehr ausreicht, um für eine Übernahme interessant zu werden. 6. Die weltweite Entwicklung des Urheberrechts läuft im Prinzip gegen die Interessen der Verlage und erleichtert den Benutzern immer mehr, Daten elektronisch zu übernehmen, ohne dass eine Gebühr dafür bezahlt wird. Auch die Problematik, Rechtsverstöße zu ahnden, bedeutet extreme Schwierigkeiten und vor allem Aufwendungen, die in keinem Verhältnis zu dem dann möglichen Nutzen von Entschädigungen stehen. 7. Es wird weiterhin einen Markt für gedruckte Publikationen geben. Wir erleben im Augenblick wieder eine Zunahme der Ausleihe von Büchern bei Bibliotheken sowohl in Deutschland wie in den USA; wir erleben, dass die größte britische Buchhandelskette alle Kindle-Geräte aus ihren Lagern entfernt und durch gut verkäufliche Bücher ersetzt, und wir haben nach wie vor eine große Zahl von interessierten Lesern, die ihre Bücher immer noch in gedruckter Form haben möchten und nur so konsumieren. Wissenschaftliche Literatur kann weiter existieren, wenn sie extrem originäre Werte enthält. Ein Pschyrembel-Wörterbuch hat kommerziell keine Zukunfts-
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chance, denn die Begriffe, die im Pschyrembel gebracht werden, können weitgehend von kostenlos zugänglichen Datenbanken ebenso aufgegriffen und verbreitet werden. Eine andere Situation ist beim Palandt-Kommentar zum BGB gegeben. Der Palandt veröffentlicht die Gerichtsurteile und die Gesetzestexte sowie den entsprechenden Kommentar. Die Gerichtsurteile und die Gesetzestexte kann jede Datenbank übernehmen. Der wissenschaftliche Kommentar, der auf allerhöchster wissenschaftlicher Ebene entsteht, ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht übernommen werden. Die Absatzzahlen, die für den Palandt heute gelten, machen deutlich, dass es sich hier um ein derart gutes Produkt handelt, dass es auch weiterhin seinen kommerziellen Markt haben wird. Das Gleiche gilt für die Daten im Beilstein-Handbuch der organischen Chemie, das bei Elsevier verlegt wird und immer noch ein kommerzielles Erfolgsprodukt ist, weil die Informationen, die hier vermittelt sind, absolut originär entwickelt werden und entsprechend urheberrechtlich geschützt sind. Die entscheidende Frage ist, wieviel solcher inhaltlichen Werte erhalten oder neu geschöpft werden können, um das kommerzielle Modell weiter zu bedienen und auszulasten. Eine noch so vorsichtige Hochrechnung über die weitere Entwicklung macht deutlich, dass der Umsatzrückgang für die wissenschaftlichen Verlage in den nächsten Jahren eher 15 % erreicht, als dass er unter 15 % bleibt. Ein Rückgang von 15 % stellt die Verlage vor extreme Probleme. Das heißt, dass der Verlag auf allen Ebenen mit Gewinneinbußen oder Margen-Verschlechterungen rechnen muss. Es gibt Produkte, die auch heute noch einen Gewinn von 30 % erreichen; diese Gewinne werden sich aber bei den Produkten innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 10 oder 15 % reduzieren. Produkte, die heute noch 3 oder 5 % Gewinn erzielen, werden in wenigen Jahren nur noch mit Ergebnissen im negativen Bereich arbeiten können. Da die Verlage heute schon mit sehr niedrigen Gewinnmargen arbeiten, bedeutet dies in den meisten Fällen, dass eine Entwicklung um 3–5 % Reduktion der Gewinnmarge oftmals schon einen Verlust darstellt. Damit wird sich für zahlreiche Unternehmungen die Existenzfrage stellen. Auf der einen Seite wird diese Frage dadurch beantwortet, dass das Unternehmen an einen größeren Verlag verkauft wird. In anderen Fällen wird es aber zur Liquidation führen. Eine ganz entscheidende Frage für die Zukunft ist: Gelingt es den Verlagen, neue Produkte zu schaffen, von denen wir heute noch garnichts wissen, die sie aber auf ihrem Markt verkaufen können? Einige Verlage haben seit vielen Jahren bereits damit begonnen, Kongresse, Fortbildungsveranstaltungen und Symposien für ihre Klientel zu organisieren, die teilweise durchaus gewinnträchtig sind. Es gibt kommerziell verwertbare Projekte, wie das Beispiel der Apotheken-Umschau zeigt, die die Verlage erfolgreich am Markt platzieren.
Frank Scholze, Roland Bertelmann, Maxi Kindling, Heinz Pampel und Paul Vierkant
Open Access und Forschungsdaten
Die Digitalisierung hat der Wissenschaft neue Möglichkeiten des Umgangs mit Information und Wissen eröffnet. Das Potenzial der vernetzten Forschung wurde bereits in der „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“ festgehalten.1 Nicht nur qualitätsgesicherte Aufsätze, sondern auch „raw data and metadata, source materials, digital representations of pictorial and graphical materials and scholarly multimedia material“ sollen über das Internet offen zugänglich und nachnutzbar gemacht werden – ein Anliegen, das heute vermehrt unter dem Begriff „Open Science“ diskutiert wird.2 Die beiden zentralen Argumente für den offenen Zugang zu digitalen Forschungsdaten sind zum einen die Möglichkeit der Nachnutzung der Daten in neuen Zusammenhängen und zum anderen die Nachvollziehbarkeit bzw. Reproduzierbarkeit der Daten zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis. Die Forderung nach offenen Forschungsdaten wirkt auf den einzelnen Forschenden und dessen Umgang mit den digitalen Daten, die je nach Disziplin in vielfältigen Formen und Formaten vorliegen. The Royal Society empfiehlt in ihrer lesenswerten Denkschrift Science as an open enterprise: „Where data justify it, scientists should make them available in an appropriate data repository.“3 Forschende erkennen zwar mehrheitlich die Potenziale des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Daten, stehen dem „data sharing“ der eigenen Daten dennoch häufig zurückhaltend gegenüber. Auf Basis der Erhebungen von Kuipers 2009 und Tenopir 2011 lassen sich rechtliche, technische und kulturelle Barrieren für einen freien Austausch von Forschungsdaten benennen.4 Die genann-
1 Berlin Declaration. 2003. 2 Grundlegend hierzu Nielsen 2012. Vgl. auch Bartling 2014. 3 The Royal Society. 2012. 4 Kuipers 2009 sowie Tenopir 2011 nennen „legal issues”, „misuse of data”, „incompatible data types” sowie „insufficient time” und „lack of funding”. Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine aktualisierte und gekürzte Fassung von: Pampel, H., Bertelmann, R., Scholze, F., Kindling, M., Vierkant, P. (2015): Stand und Perspektive des globalen Verzeichnisses von Forschungsdaten-Repositorien re3data.org. In: Müller, P., Neumair, B., Reiser, H., Rodosek, G. D. (Eds.), 8. DFN-Forum Kommunikationstechnologien: Beiträge der Fachtagung 08.06-09.06.2015 in Lübeck, (GI-Edition: lecture notes in informatics; 243), Bonn: Gesellschaft für Informatik, 13–22.
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ten Barrieren machen deutlich, dass die Veröffentlichung von Forschungsdaten eines definierten Rahmens bedarf. Die Konzeption und Umsetzung dieses Rahmens wird unter dem Begriff „Research Data Management” diskutiert. Ziel des Forschungsdatenmanagements (FDM) ist es, durch organisatorische, technische, rechtliche und finanzielle Maßnahmen die dauerhafte Nachnutzung der Daten auf Basis von vertrauenswürdigen Infrastrukturen zu gewährleisten. Im Fokus steht dabei der Betrieb von digitalen Informationsinfrastrukturen wie Forschungsdaten-Repositorien (FDR), mit Hilfe derer die dauerhafte Zugänglichmachung der Daten möglich ist. Die Diskussion über den Umgang mit Forschungsdaten und die damit verbundenen Implikationen für digitale Informationsinfrastrukturen sind längst im wissenschaftspolitischen Raum angekommen: Auf europäischer Ebene sind die Mitgliedsstaaten und deren wissenschaftliche Einrichtungen seit 2012 durch die Europäische Kommission dazu aufgefordert, die dauerhafte Zugänglichkeit von digitalen Forschungsdaten sicherzustellen.5 Insbesondere durch die Verankerung des Themas im aktuellen EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 wird die Diskussion gefördert. In mehreren Förderlinien müssen Mittelempfänger im Rahmen des „Open Research Data Pilot” den möglichst offenen Zugang zu den entstehenden Daten sicherstellen.6 Die deutsche Bundesregierung „misst dem Thema des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Informationen eine hohe Bedeutung bei“ und hat angekündigt, das Thema im Rahmen der bereits im Koalitionsvertrag angekündigten „Open-Access-Strategie“ aufzugreifen und im Rahmen der „Digitalen Agenda“ umzusetzen.7 Ähnliche Entwicklungen finden auch in anderen europäischen Ländern statt.8
5 European Commission. 2012. 6 European Commission. 2013. 7 Bundesregierung. 2014. Darüber hinaus haben einzelne Bundesländer begonnen, sich mit dem Themenfeld zu befassen. Das Land Berlin hat 2014 die Entwicklung einer „Open-AccessStrategie für Berlin“ angekündigt, welche auch die Zugänglichmachung und Nachnutzung von Forschungsdaten beinhalten soll. Das Land Baden-Württemberg hat 2014 ein „Fachkonzept zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Infrastruktur“ vorgelegt und eine „ForschungsdatenStrategie“ angekündigt. Seit November 2014 arbeitet der von Bund und Länder eingesetzte Rat für Informationsinfrastrukturen an „disziplin- und institutionsübergreifender Empfehlungen für die weitere Entwicklung und den Ausbau der digitalen Infrastrukturen”. Wissenschaftliche Einrichtungen haben auf diese Entwicklung reagiert und institutionelle Richtlinien erlassen, so z. B. die Universität Bielefeld und die Humboldt-Universität zu Berlin. Vgl. auch die Dokumentation im Wiki Forschungsdaten.org: http://www.forschungsdaten.org/index.php/ Data_Policies#Institutionelle_Policies. 8 Nicol 2013.
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In den USA wurden die öffentlich finanzierten Förderorganisationen 2013 per Regierungsdirektive dazu aufgefordert, die Zugänglichkeit von Forschungsdaten zu verbessern, die im Rahmen von öffentlich geförderten Projekten entstehen. Mittelempfänger müssen in sogenannten „Data Management Plans“ ihre Maßnahmen zur Sicherung der dauerhaften Zugänglichkeit der digitalen Daten beschreiben.9 In Deutschland erwartet die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2010 von Antragstellenden Aussagen hinsichtlich des Umgangs mit Forschungsdaten, die im Rahmen eines beantragten Projekts entstehen.10 Dieses Anliegen wird vermehrt auch über „Data Policies“ von wissenschaftlichen Zeitschriften verfolgt. In der entsprechenden Richtlinie der Nature Publishing Group (NPG) heißt es: „authors are required to make materials, data and associated protocols promptly available to readers without undue qualifications“.11 Angeregt wird die Zugänglichmachung der Daten über öffentliche Repositorien. Einen Schritt weiter geht die Public Library Of Science (PLOS). Publizierende bei PLOS müssen seit 2014 bei der Einreichung ein „Data Availability Statement“ abgeben. In diesem muss angegeben werden, an welchem „Ort“ die Daten, die Grundlage der eingereichten Publikation sind, zugänglich gemacht sind oder zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zugänglich sein werden.12
1 Forschungsdaten-Repositorien Um Forschende beim „data sharing“ zu unterstützen, bedarf es digitaler Informationsinfrastrukturen, mittels derer Forschungsdaten zugänglich und nachnutzbar gemacht werden können. Diese Infrastrukturen werden vermehrt unter dem Begriff Forschungsdaten-Repositorien (FDR) zusammengefasst. Anliegen dieser Infrastrukturen, die sich in ihren Funktionalitäten teils stark unterscheiden, ist es, Forschungsdaten möglichst dauerhaft zugänglich zu machen. Die Landschaft
9 Office of Science and Technology Policy. 2013. Diese Praxis wird bereits seit 2003 am National Institute of Health (NIH) umgesetzt. Antragsteller, die eine Zuwendung ab 500.000 US-Dollar beantragen, sind dort aufgefordert, Aussagen zum „data sharing“ zu machen. Seit 2011 verfügt auch die National Science Foundation (NSF) über eine entsprechende Regelung. Auch dort müssen Antragsteller Maßnahmen zur Umsetzung der Regelung in einem „Data Management Plan” spezifizieren. 10 Deutsche Forschungsgemeinschaft. 2014. 11 Nature Publishing Group. 2013. 12 Public Library of Science. 2013.
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dieser FDR ist noch heterogen und unübersichtlich. Die Europäische Kommission stellte 2009 in ihrem Positionspapier ICT infrastructures for e-science fest: „The landscape of data repositories across Europe is fairly heterogeneous, but there is a solid basis to develop a coherent strategy to overcome the fragmentation and enable research communities to better manage, use, share and preserve data.“13 Bisher haben sich nur wenige Untersuchungen einer Zustandsbeschreibung der FDR weltweit und fachübergreifend angenommen.14 Erhellend ist allerdings der Blick auf disziplinäre Untersuchungen. Eine eindrucksvolle FDR-Landschaft bietet beispielsweise die Biomedizin. Die Ausgabe 2014 der Molecular Biology Database Collection des biomedizinischen Journals Nucleic Acids Research weist alleine über 1.550 Infrastrukturen nach, auf denen biomedizinische Forschungsdaten gespeichert werden können.15
2 re3data.org – Registry of Research Data Repositories Das Ziel von re3data.org – Registry of Research Data ist es, Forschenden eine Orientierung über bestehende FDR zu bieten, um das „data sharing“ in der Wissenschaft zu fördern.16 Der Dienst kann darüber hinaus von Förderorganisationen, Informationsinfrastruktur-Einrichtungen und Verlagen bei der Identifikation geeigneter Infrastrukturen zur Speicherung und zur Suche von Forschungsdaten genutzt werden. Das web-basierte Verzeichnis weist im August 2015 über 1.300 FDR nach. Der Aufbau des Dienstes wird von 2012 bis 2015 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Projektpartner sind die Abteilung Bibliothek und Informationsdienste (LIS) des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) der HumboldtUniversität zu Berlin sowie die Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Vernetzungspartner ist die Deutsche Initiative für Netzwerkinformation (DINI), in deren Kontext die drei Projektpartner seit längerem beim Betrieb von Repositorien zusammenarbeiten.
13 European Commission. 2009. 14 Marcial 2010 sowie Pampel 2013. 15 Fernández-Suárez 2014. 16 http://www.re3data.org/
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Seit 2014 kooperiert re3data.org mit den Purdue University Libraries in West Lafayette, Indiana, USA und dem dort entwickelten Dienst Databib.17 Zunächst wurden die Daten ausgetauscht und eine Roadmap für die weitere Integration bis Ende 2015 entwickelt. Im Mai 2015 beschloss die Mitgliederversammlung von DataCite, dass der fusionierte Dienst unter dem Namen re3data.org langfristig im Rahmen dieser internationalen Organisation betrieben werden soll.18 Hierzu wird eine re3data.org-Arbeitsgruppe bei DataCite etabliert, die die bisherigen Projektpartner und Vertreter von DataCite umfasst. Diese wird die künftige Entwicklung des Dienstes vorantreiben. Der Fokus der Weiterentwicklung liegt neben der Optimierung der Arbeitsabläufe auf der Verbesserung der Nachnutzung der Metadaten mithilfe einer Programmierschnittstelle (API).19 Damit soll die Einbindung von re3data.org in diverse Dienste des Forschungsdatenmanagements erleichtert werden.20 Zur Beschreibung der FDR wurde im intensiven Dialog mit verschiedenen Fachdisziplinen ein Schema entwickelt. Seit April 2015 liegt das Schema in der Version 2.2 vor.21 Mit der Entwicklung des Schemas wurde der Grundstein für einen Standard zur Beschreibung von FDR gelegt. Sechs intuitiv gestaltete Icons visualisieren das Metadaten-Schema und helfen insbesondere Forschenden bei der Identifikation eines geeigneten FDR zur Speicherung ihrer Daten. So ist auf einen Blick sichtbar, unter welchen Zugangsbedingungen Forschungsdaten zugänglich und nachnutzbar gemacht werden (vgl. Tab. 1) oder ob ein FDR persistente Identifikatoren vergibt. FDR-Betreibern bietet das Icon-System eine Unterstützung bei der Weiterentwicklung ihrer Infrastrukturen.
17 https://www.datacite.org/news/merger-databib-and-re3dataorg-first-version-api-available. html 18 https://www.datacite.org/news/datacite-manage-and-develop-re3dataorg.html 19 Eine erste Version der Programmierschnittstelle (API) ging im März 2015 online. Eine Dokumentation findet sich unter: http://www.re3data.org/api/doc 20 Beispielsweise in Werkzeuge zur Erstellung von „Data Management Plans”, wie sie die Europäische Kommission im Rahmen ihres „Open Research Data Pilots” verlangt. 21 Vierkant 2014. Das Schema umfasst 39 Eigenschaften (Properties).
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Tab. 1: re3data.org Icons zur Visualisierung des Zugriffs auf FDR. Icon Access (property)
Open Access
Restricted Access
Closed Access
Access to Repository
open
open or restricted
closed
Access to Data
open (embargoed, restricted, closed)
restricted (embargoed, closed)
closed
Data Upload
open or restricted
open or restricted
–
closed
closed
Das Verzeichnis wurde bereits im November 2014 von über 5.000 einzelnen Nutzenden (Unique Visitors, ohne Roboter) pro Monat besucht. Die erstellten Metadaten sind unter der Creative-Commons-Deed Zero (CC0) offen nachnutzbar und werden z. B. von dem EU-Projekt OpenAIRE nachgenutzt. Mehrere Förderorganisationen, so z. B. die Europäische Kommission, empfehlen in ihren Leit- und Richtlinien zum Umgang mit Forschungsdaten die Nutzung von re3data.org. Auch verweisen viele wissenschaftliche Zeitschriften in ihren Autorenrichtlinien auf den Dienst. Beispiele hierfür sind Zeitschriften der Verlage Copernicus Publications, NPG, PeerJ und Springer.
3 Ausblick Wie oben beschrieben sind in den letzten Jahren bereits zahlreiche Initiativen entstanden, um das kollaborative Arbeiten mit Forschungsdaten zu unterstützen. In vielen Disziplinen wird dem Zögern der Forschenden durch neue Strategien begegnet, um Anreize zu schaffen. Viele dieser Strategien erfordern ein kontinuierliches Zusammenspiel aller Akteure. Sie werden nur dann zum Erfolg führen, wenn auch Fachgesellschaften und wichtige Vertreter der Disziplinen sich beteiligen. Eine möglichst alle Disziplinen umfassende Professionalisierung des Forschungsdatenmanagements, das Forschende in der Weitergabe ihrer Daten unterstützt, ist notwendig. In diesem Zusammenhang besitzt die Strukturierung und Vernetzung von FDR und deren langfristige Finanzierung Vorrang. Mit dem Nachweis und der damit verbundenen Analyse von FDR leistet re3data. org einen zentralen Beitrag, diesbezüglich Transparenz herzustellen und einen Wissenstransfer aus Disziplinen zu ermöglichen, die bereits über gut funktionierende Infrastrukturen und entsprechende Mechanismen der dauerhaften
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Zugänglichkeit wissenschaftlicher Forschungsdaten verfügen. Diese gilt es, auf Fächer zu übertragen, die bislang wenige oder nicht nachhaltige Strukturen des Forschungsdatenmanagements aufgebaut haben. Wichtig ist dabei, Open Access im Sinne des freien Zugriffs auf Publikationen nicht deckungsgleich auf Forschungsdaten anzuwenden, sondern, im Sinne der eingangs zitierten Open Science-Konzeption der Royal Society, für die einzelnen Disziplinen passende Lösungen „intelligenter Offenheit“ zu finden, d. h. den Zugang zu und die Nachnutzung von Forschungsdaten so frei wie möglich und so eingeschränkt wie nötig zu gestalten. Dies ist nichts Geringeres als ein Kulturwandel der Wissenschaft – auf den Ebenen von Offenheit und Kollaboration. Denn auch und gerade für die Fächer, die noch nicht über etablierte Strukturen des Forschungsdatenmanagements verfügen, stellt sich die Frage, wie viele Parallelstrukturen und Dienste aufgebaut werden sollen. Benötigt jede größere Universität etwa ein „Digital Humanities Center“? Ja in dem Sinne, dass es eine lokale Unterstützungs- und Beratungsstruktur des Kulturwandels geben sollte. Nein, in dem Sinne, dass nicht überall technische Speicherstrukturen und FDR aufgebaut werden müssen. Dies stellt einen weiteren Aspekt des Kulturwandels in Punkto Kollaboration dar, bezogen auf die wissenschaftsnahen Infrastruktureinrichtungen. Die genannten Einsichten können nicht verordnet werden, dazu sind zu viele Ressourcen dezentral im Wissenschaftssystem vorhanden. Vielmehr nötig ist die Einsicht in die Komplexität der Bezüge und in das schiere Unvermögen alles selbst leisten zu können, die Hochschulen und ihre Infrastruktureinrichtungen von der Basis her zum Wandel befähigt. Dies muss gegenläufig zur großflächigen strategischen Planung verlaufen, um das Gesamtsystem zum Erfolg zu führen und im Interesse der Wissenschaft das kollaborative Arbeiten mit Forschungsdaten zu unterstützen. Strategisch wird die Hochschulrektorenkonferenz das Thema Forschungsdaten einem Positionspapier adressieren, das für November 2015 angekündigt ist.22 Auch der Rat für Informationsinfrastrukturen23 wird sich des Themas annehmen. Bleibt zu hoffen, dass die Gegenläufigkeit auch „bottom up“ realisiert wird.
22 Eine erste Empfehlung zum Umgang mit Forschungsdaten erfolgte bereits im Mai 2014 vgl. http://www.hrk.de/positionen/gesamtliste-beschluesse/position/convention/managementvon-forschungsdaten-eine-zentrale-strategische-herausforderung-fuer-hochschulleitungen/ 23 http://www.gwk-bonn.de/themen/uebergreifende-wissenschafts-und-forschungspolitischethemen/informationsinfrastruktur/
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Bibliographie Bartling, Sönke und Sascha Friesike, Hg. 2014. Opening Science: The Evolving Guide on How the Internet is Changing Research, Collaboration and Scholarly Publishing. Heidelberg: Springer. http://doi.org/10.1007/978-3-319-00026-8 Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities. 2003. Berlin. http://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung Bundesregierung. 2014. Strategie der Bundesregierung zum Europäischen Forschungsraum (EFR): Leitlinien und nationale Roadmap. Berlin. http://www.bmbf.de/pubRD/ EFR-Strategie_deutsch.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). 2014. Leitfaden für die Antragstellung – Projektanträge. Bonn. http://www.dfg.de/formulare/54_01/ European Commission. 2009. ICT infrastructures for e-science. Luxemburg. http://eur-lex. europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0108:FIN:EN:PDF European Commission. 2012. Commission Recommendation on access to and preservation of scientific information. Luxemburg. http://ec.europa.eu/research/science-society/ document_library/pdf_06/recommendation-access-and-preservation-scientificinformation_en.pdf European Commission. 2013. Guidelines on Open Access to Scientific Publications and Re-search Data in Horizon 2020. Luxemburg. http://ec.europa.eu/research/participants/ data/ref/h2020/grants_manual/hi/oa_pilot/h2020-hi-oa-pilot-guide_en.pdf Fernández-Suárez, Xose M., Daniel J. Rigden und Michael Y. Galperin. 2014. The 2014 Nucleic Acids Research Database Issue and an updated NAR online Molecular Biology Database Collection. Nucleic Acids Research, 42 (Database issue), D1–6. http://doi.org/10.1093/ nar/gkt1282 Kuipers, Tom und Jeffrey van der Hoeven. 2009. Insight into digital preservation of research output in Europe. Survey Report. http://www.parse-insight.eu/downloads/PARSE-Insight_ D3-4_SurveyReport_final_hq.pdf Marcial, Laura Haak und Bradley M. Hemminger. 2010. Scientific data repositories on the Web: An initial survey. Journal of the American Society for Information Science and Technology, 61(10), 2029–2048. http://doi.org/10.1002/asi.21339 Nature Publishing Group. 2013. Guide to Publication Policies of the Nature Journals. http:// www.nature.com/authors/gta.pdf Nicol, Aurore, Julie Caruso und Eric Archambault. 2013. Open data access policies and strategies in the European Research Area and beyond. Montréal. http://www. science-metrix.com/pdf/SM_EC_OA_Data.pdf Nielsen, Michael. 2012. Reinventing Discovery. Princeton: Princeton University Press. Office of Science and Technology Policy. 2013. Increasing Access to the Results of Federally Funded Scientific Research. http://www.whitehouse.gov/sites/default/files/microsites/ ostp/ostp_public_access_memo_2013.pdf Pampel, Heinz et al. 2013. Making Research Data Repositories Visible: The re3data.org Registry. PLOS ONE 8 (11): e78080, 2013. http://doi.org/10.1371/journal.pone.0078080 Public Library of Science. 2013. Data Access for the Open Access Literature: PLOS’s Data Policy. http://www.plos.org/data-access-for-the-open-access-literature-ploss-data-policy/ The Royal Society. 2012 Science as an open enterprise. London. https://royalsociety.org/~/ media/policy/projects/sape/2012-06-20-saoe.pdf
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Tenopir, Carol et al. 2011. Data sharing by scientists: practices and perceptions. PLOS ONE 6 (6): e21101. http://doi.org/10.1371/journal.pone.0021101 Vierkant, Paul et al. 2014. Schema for the description of research data repositories. Version 2.2. http://doi.org/10.2312/re3.006.
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Fragility and the Future of Library Education 1 Introduction This article was written explicitly as part of the Festschrift for Prof. Dr. Elmar Mittler, whom I have known since the late 1990s. He was one of those responsible for my coming to Humboldt-Universität zu Berlin in 2006 as a professor at the Berlin School of Library and Information Science (in German, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft). My mission then, together with my friend Prof. Dr. Peter Schirmbacher and many others, was to make the Berlin School the equal of the best schools internationally. Formal recognition of this status was our admission to the iSchool Caucus in March 2009. Nonetheless no school can remain among the best without new plans and regular change, and the purpose of this paper is to consider what developments are desirable and why.
2 Introducing Fragility The core question for this paper is whether our current system for training future librarians can address existing external changes. The term fragility reflects the degree to which a system fails when it encounters the unexpected. A computing system may, for example, work perfectly until it hits unexpected data or comes under an unexpected attack. Those who test computing systems look for conditions that reveal how fragile or how robust the system is. Sometimes the situations are obvious, often they are almost invisible. Fragility can take many forms. In computing, a system is considered “brittle” when it reaches a point at which it breaks down completely, even if it has remained robust up to that breaking point. David Rosenthal uses the example of stranded versus solid cables on a suspension bridge. (Rosenthal, 2015) The solid cables hold until they break and when they break, there is no warning. The stranded cables fail loudly and slowly strand by strand, which gives people on the bridge some warning. The good news is that library education systems are not noticeably brittle according to Rosenthal’s criteria: they have a high degree of replication (there are many programs), they include rate limits on change (which are part of the academic process), and they offer a certain amount of randomization in the nature of the content. A system that is not brittle may nonetheless become more and more fragile in the sense of its vulnerability increasing over time.
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Fragility might be described by analogy to a modern smartphone, which will often continue to function when dropped on its face, even when the glass cracks but does not shatter. People drop their phones often. The market offers a number of protections against fragility. It is possible, for example, to get cases to protect them, some newer models are water-resistant, and there is a flourishing insurance market for smartphones because they are expensive and slip easily out of one’s hand. A phone with a cracked face may well have a limited life and likely will not be kept long. The educational equivalent to cracked glass on a smartphone is the decline of jobs for graduates – which reduces the attractiveness of programs and encourages universities to discard them more readily. This form of fragility has a long history. There was a time when programs in classical languages experienced a sharp decline. They were not brittle and did not vanish, but their attractiveness for students visibly declined as more and more employers decided against their graduates. In other words, the programs became so fragile that few are left today and most are very small.
3 General Evidence University libraries especially have long been major employers on campus. In my lecture at Humboldt-Universität zu Berlin “The Work that Vanished”, I described the room of the cataloging department at the University of Chicago Library in the later 1970s where “most of the librarians sat almost cheek by jowl in small cubicles”. (Seadle, 2008) I also described “the row after solid row of cabinets for catalog cards”. (Seadle, 2008) Cataloging and filing cards were labor-intensive tasks requiring training and a significant degree of accuracy. Card catalog maintenance is long since gone, and the bulk of the cataloging information comes in digital formats from publishers, consortia or other shared resources. These jobs offered large scale employment at one time for library science students and graduates, and the numbers are drastically down. Another large pool of jobs in libraries has included stacks maintenance, which industrial-style storage and retrieval systems have partly automated. In North America reference desk/bibliographic instruction staffing replaced cataloging for a time as the major job category, but the tendency of readers to search on their own has grown as the specialized tools for librarians have become less important. The need for book selection has diminished, both because many fields, especially in the natural sciences, have essentially abandoned the monograph as a scholarly publication, and because vendors increasingly offer selection packages so that librarians do not have to look at individual titles. The selec-
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tion process for journals has become more important, but whole-database-sized “big deals” and consortial licensing have changed the focus to a few people who negotiate with large amounts of money. The one consistent growth area for library staff has been in the area of computing and technology. Today libraries must have staff who can install and do maintenance on automation systems, online catalogs, specialized databases, and who can service and replace the hundreds of computers in a large library that serve both staff and readers. Network and wireless connections need maintenance too. Many of these jobs get outsourced to computer center staff. Other new tasks include managing the more professional kinds of video communication (one of the excellent services at the Grimm Zentrum of Humboldt-Universität zu Berlin is its videoconferencing room). Large research libraries often have their own digitization projects, generally ones involving scanning public domain works that can then be made available via library websites free of charge. These digital libraries have their own sets of maintenance costs, which some libraries outsource and others keep in house. This growth area contributes to fragility because they tend not to be traditional librarian jobs. Those who have jobs in libraries face demands that are increasingly foreign to traditional library work. Electronic resources today represent a major part of any research library’s acquisitions budget and electronic downloads are a significant part of the resource use. This varies radically across disciplines with far more emphasis on electronic resources in the natural sciences and an ongoing reliance on printed materials in the humanities. The sociologist Andrew Abbott (2006, p.5) wrote about the natural science library at the University of Chicago: “That Crerar is no longer used as a physical facility by natural scientists means that its collections should now be mainly conceived as materials for humanistic and social scientific study of science and medicine…”. The reliance on digital content has changed the population of libraries, in some cases by allowing people to use the same materials without coming in the doors, but also by bringing in more people who want to use the connectivity and positive work environment that a library provides. When these readers ask for help, it may as likely be a technical question about software or access as a more traditional question about information retrieval. The fact is that today some regular readers may only rarely be physically present in the library building, or perhaps never, and this has consequences. What Greifeneder (2012) wrote about digital libraries is true also for the digital resources of physical ones: “worldwide access to digital libraries has led to a greater variety of users with a broad spread of cultural backgrounds.” (p. 8) This means that readers may ask questions in a variety of languages and may not share assumptions about how content is structured or how it may be found.
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Although research libraries generally license materials only for registered students and staff, unlicensed materials have a public that is limited only by their access to the internet. While the physical library may have limited opening times, electronic resources are normally available all day and night. This means that reference librarians are increasingly oriented toward email or chat or other interactive online media. For public libraries the employment situation is certainly not better than for research libraries. Their funding comes from local communities, and when the communities feel a financial pinch, the libraries tend to suffer. The public perception is that information is widely available digitally. It is easy to get classics from sources like Project Gutenberg, and reference information is available in increasing quantities from Wikipedia. One of the changes for public library staff has been the growth in the demand for (and the need for) free access to internet resources, and the people who want this access often need more help with the technology than most users of research libraries do. These technology skills were generally absent from the job descriptions of librarians before the year 2000. The issue is often described in terms of paper versus electronic resources. Many librarians continue to say that they expect print on paper to be around for a long time – it is what they prefer and what they grew up with, since grade schools and high schools still rely heavily on paper. This is doubtful. An executive publisher of a major producer of library science journals wrote recently in a private message (29 July 2015) that “we have certainly seen print demand decrease over recent years…” But paper-based versus electronic publication is not the whole issue and is at most a contributing cause for the fragility of library school programs.
4 Closed Programs Fragility has been evident in library programs during the past twenty-five years. In the US, two of the oldest and most famous programs closed, one at the University of Chicago in 1989 and the other at Columbia University in 1990. Chicago had offered the first doctoral degree in library science, which symbolized the field’s claim to offering genuine scholarship. (Buckland, 1996) Columbia was the academic home of Melville Dewey, who created the widely used Dewey Decimal System. There is no single simple reason why these programs closed. They certainly continued to get students and to place their graduates, but their home institutions lost belief in the future of library programs as elements of an intellectually ambitious university. The cost of maintaining the programs was certainly a factor.
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For private universities, which these both are, alumni support was important, and librarians never earned enough to make them good prospects for large gifts. In addition, the cost of the programs increased as the curriculum put a stronger emphasis on technology. A phase of silent atrophy for library programs began shortly after Chicago and Columbia closed. Syracuse University had already dropped the word “library” from its name in 1974. In 1996, Dan Atkins persuaded the University of Michigan’s School of Information and Library Studies to drop “Library Studies” from its name. The change was symbolic, because the library science programs continued, but other schools joined the trend. Library-specific programs at these schools tended to become smaller and more tangential. Equally important was the fact that graduates began taking a wide range of jobs at institutions other than traditional libraries. The shift from library schools to information schools can be seen as evidence that the programs were not brittle. Instead of these schools vanishing, as did Chicago and Columbia, they became embedded in more robust entities that gave them protection against accusations of being old-fashioned and irrelevant. The new information schools were often highly successful in building on the technical skills that employers demanded, while combining those skills with design, analysis and human interaction that made them more adaptable and flexible in a labor market that was itself only just discovering a demand for those skills. Some aspects of the old library science training played well in this environment: searching became information retrieval, for example, and cataloging became organizing information. Other traditional library courses fit less well, including classes on book selection or reference. Programs at elite research universities began to emphasize research methods and research skills, which were traditional elements of the librarian skill-set, but which had previously focused on text-based sources. The programs also introduced more general skills including statistics and social science training, occasionally including economics. Law received more emphasis as well. The library programs survived, but many felt they were being eaten from within. Blaise Cronin, the former dean of the program at Indiana University, wrote on the slide of a recent (June, 2015) talk: “If LIS programs are successful they will be taken over and disappear; if LIS programs are not successful they will be eliminated.”
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5 Empirical Data To combat fragility it would be helpful to be able to predict how the future might regard libraries. Predictions are hard and tend to be wrong, sometimes laughably so. Nonetheless without risking some degree of future-casting, programs cannot prepare their graduates for leadership positions decades in the future. People often make predictions based on what they hope for, or what they fear. Many library students – and librarians – predict that paper will not go away. They could be right, but it is safer to base predictions on data, and the trick is to choose the right data and the right time frames to detect irregularities and points where conditions change. There are two reasonable time frames for looking at changes in libraries. One is 1945 to 2015, because these 70 years encompass the full range of social and economic changes for the post-World War Two world. The other is the period from 1990 to 2015 because these 25 years include the whole period in which the World Wide Web transformed how people created and used digital information. While there is a common assumption that the latter period probably affected libraries more, the former provides a broader context that is independent of assumptions about how networked information has affected libraries. Reliable and publicly accessible sources of information about public perceptions of libraries are hard to find. Surveys do not really help, since they reflect what people think they should say about libraries, which is generally blandly positive. A source that reflects actual references to libraries and library concepts should be more reliable. One such broad-based source of data is the Google Ngram Viewer. This source is far from perfect, in part because it is not clear exactly what works are part of the search, and in part because much context information is missing. Nonetheless the Google Ngram Viewer is probably the most efficient tool for looking across millions of works. Its results are expressed as a percentage of all Ngrams (contiguous sequences of N items, such as words) in the database. Google explains that numbers reflect the percentage “of all the bigrams contained in our sample of books” (Google, 2013). It is possible to search in both English and German. A search in the Ngram Viewer’s English language database for the word “library” from 1945 to 2008 (the most recent date the Ngram Viewer offers) begins at 0.0032535802 %, peaks in 1974 at 0.0047794176 %, then declines to 0.0034741080 % in 2008. What this means is a 6.78 % increase in the number of times the word library appears between 1945 and 2008, and a 27.31 % decrease since 1974. The difference from 1990 to 2008 is 22.52 %, which suggests a steady decrease. The graph shows no dramatic shift after the World Wide Web takes off. This suggests that a change in where people found information may have started
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with the expansion of computing resources generally. The Dialog information system dates from the late 1960s. (Proquest, 2008) Many library training programs included it in their training well before the World Wide Web. The same search for “Bibliothek” in the German database gives a different picture. With some modest swings back and forth, the occurrences of the word “Bibliothek” remained relatively steady from 1958 to the present. A search for “(library collection + Library collection + Library Collection)” shows a 52.44 % decline from its high point in 1978 until 2008. A search for “Bibliotheksbestand” shows a 51.82 % decline from a high point in 1993 to 2008. In other words, references to library collections have dropped by half, which suggests a shift in perception away from contents. A search for “Public Library” (which is more common than in lower case) shows a decline of 34.8 % between 1945 and 2008 and a 50.25 % decline from the high point in 1977 to 2008. A search for “University Library” shows a 29.67 % decline between 1945 and 2008, and a 60.27 % decline from the high point in 1977 to 2008. From 1990 to 2008, there is a simple downward trend for both forms of library. A search for the word “cataloger” shows a 5.23 % increase between 1945 and 2008, but a 72.87 % drop from 1984 (the high point) to 2008. The change since 1990 is, as earlier, just a reflection of a general downward trend. A search of the German Ngram database again shows a similar picture. References to “öffentliche Bibliothek” (public library) vary widely with peaks in 1953 and 1973, but sink in 2008 to their lowest level since 1950. References to “Universitätsbibliothek” (university library) also peak in 1953 and again in 1986, only to fall in 2008 to a point slightly lower than in 1945. “Sacherschliessung” (subject cataloging) falls 69.49 % from its high in 1995. Note that in Germany the immediate post-war period is non-typical in the extreme, so dates later than 1945 have been used as the starting point for comparisons. What is interesting about all of these results is that the decline begins in each case before the advent of the World Wide Web, which suggests no correlation and probably no causal relationship. This does not mean that the digital developments of the last decades are irrelevant to a changing consciousness about libraries, but it does suggest that the causes are complex. At the same time as references to academic libraries have declined, the US university libraries have generally reported an increase in the number of people entering the building, and in Germany the Grimm-Zentrum at Humboldt-Universität zu Berlin is routinely filled during the semesters. The fact that people are routinely coming to libraries could mean that their purpose in coming there has changed. Traditionally, the primary purpose for coming to a library was to use the collection, and libraries have long relied on their catalogs to identify holdings. Today, the online catalog is a chief feature of most library websites. Without the
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catalog, the physical library becomes essentially a place to study, not a source of information. The Ngram viewer shows a 36.18 % decline in references to the “library catalog” from a high point in 1995. Online catalogs did not exist before NOTIS in 1970s, and references to online catalogs reached a highpoint according to the Ngram Viewer in the period from 1985 to 2001, then fell 41.93 % from 2001 to 2008. It is dangerous to overinterpret numbers like these, especially since the contents of the Ngram Viewer database itself is known only to be immensely large, but especially the large decline in references to the collection suggest a public change in how libraries are perceived. The Ngram Viewer shows that the term “electronic resources” first shows up in 1950, but is insignificantly small until the later 1980s, when references begin to rise steeply to a high point in 2002, at which time it is 26.69 % higher than the online catalog. A 16.90 % decline sets in for references to “electronic resources” between 2001 and 2008, significantly less than the decline in references to the “online catalog”. In 2008 “electronic resources” are 40.99 % higher than “online catalog”. The results for the German phrases “(elektronische Ressourcen + elektronischen Ressourcen)” and “(elektronischer Katalog + elektronischen Katalog)” show a similar pattern. It is worth remembering that not everyone is aware that electronic resources are part of a library’s collection. Data from the Google Ngram Viewer need to be regarded with caution. The database changes over time, so that results are not necessarily always reproducible, and a different choice of terms could give different results. The Proquest Library and Information Science Abstracts (LISA) database is another source of empirical data that is much smaller and is focused on the fields of library and information science. Like the Google Ngram Viewer, it is imperfectly clear exactly what content is in the database and how current the data are. Nonetheless it is source for comparison for publications within the library profession. A search for “online catalog” in all publications in the LISA database shows a fairly high level from 1990 to 2006, after which the number of references falls from 250 to 103 (58.8 %). The same search using “electronic databases” shows a drop from 2001 (475 hits) to 2003 (236), a rise in 2006 (238) and a fall to 71 hits in 2014. A search for “cataloger” gives relatively steady results (55 in 1993, 39 in 2013) as to be expected in the professional literature. Likewise references to “library” or “libraries” are relatively steady in this period, as are references to public libraries. References to university libraries jump from 1949 hits in 2004 to 7137 in 2012 – more than two and a half times. Searching for the German word “Sacherschliessung” shows very few hits and a variable downward pattern (3 in 2002, 1 in 2010, none more recently). The numbers are too small to be representative. The same is true for references to “elektronische? Ressource?” and for “elektronische? Kata-
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loge?”. There is too little German literature in the LISA database to make it a reliable source. In general this database gives similar results to those of the Google Ngram Viewer, which could imply that the profession’s consciousness does not deviate greatly from the broader public. Some conclusions are possible from these data. The first is that the decline of references to libraries in the English language literature began before the advent of the World Wide Web, which did not even seem to accelerate it. This result was not identical for German language literature, even though it reflected similar declines for particular types of libraries. The second and more important conclusion is that the decline appears to coincide with a decline in references to both the library collections and the online catalog. This is true for both English and German. Other widely known information substantiates these conclusions. Anyone who has worked with libraries in recent decades knows that growth of electronic resources, especially electronic journals, has changed the need for people to go physically to the library. Libraries are responsible for providing JSTOR and DigiZeitschriften, but the library is almost irrelevant for using them. People want information and may care very little today where it comes from. The decline in references to a library-specific job title like “cataloger” in the Google Ngram Viewer, and its continuing presence in the Proquest LISA database, suggests that the profession persists in valuing an activity that is vanishing from public consciousness.
6 Curriculum This analysis suggests that the public perception of libraries has changed over time and that library programs need a curriculum that shifts away from a focus on collections and on the traditional ways of providing access via a catalog. In Berlin we have done some thinking about the core elements of a future program and have decided on the following three aspects. The first aspect is “information behavior”, because a good understanding of the people who use – or may wish to use – library services is the essential starting point for maintaining relevance. Information behavior is not primarily about helping people use collections, but about understanding how they think about the problems they face and how they understand the information that may help to solve the problems. This is the business equivalent of understanding what the customers want. For businesses it is clear: no customers, no future. Librarians need to adapt their priorities to those of the reader.
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The second aspect is “information retrieval”. In so far as libraries continue to sell themselves as places to find information, retrieval is a core service. Retrieval is largely a computer-based application, since even finding materials in the physical collection requires database services in the form of an online catalog. Clearly retrieval needs to go beyond content owned by or licensed by the library, since readers want information to solve their need or problem, regardless of where the solution can be found. The days when it sufficed for a librarian to know their local collection thoroughly are past, except possibly for a very unique and very valuable set of materials that have not yet been digitized. The third aspect has a less clearly established name, but has to do with how information is managed and analyzed. This is a strongly computer-science oriented aspect that involves the computing and networking infrastructure that is at the heart of contemporary information systems. Even when libraries rely on outsourcing key elements of their infrastructure, they need to be able to judge the effectiveness of the systems, to install them, to handle maintenance issues, and to be able to modify them to fit local needs. Increasingly libraries hire people with computer science backgrounds, and must then train them to understand library needs. It makes sense to have the computer training as part of a serious library program.
7 Conclusion There is no guarantee that programs involving these three aspects will eliminate the danger of fragility. The risk of programs becoming fragile is always there as long as the external perception of libraries is imperfectly synchronized with what libraries actually offer. Ideas about information are changing, and librarian training programs may wish to adapt more aggressively to what readers – the ultimate customers – want, in order to avoid becoming so fragile that they are discarded like a cracked phone for a newer model.
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Die Entdeckung der Nachhaltigkeit – Ein bibliothekshistorischer Rückblick 1 Einleitung Es ist noch kein Jahrzehnt her, dass der Begriff Nachhaltigkeit Eingang in die bibliothekarische Fachdiskussion gefunden hat. Er wurde und wird meist mit dem Konzept einer „Grünen Bibliothek“ verknüpft. Dabei geht es um eine Verringerung des „ökologischen Fußabdrucks im Alltag der Bibliothek“. Die Forderung nach Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang mit dem Appell an die „soziale Verantwortung von Bibliotheken in ihrer Rolle als gesellschaftliche Multiplikatoren“ verbunden (Hauke 2013 und Flannery 2014). Mit dieser Interpretation kommt man seiner ursprünglichen Definition sehr nahe, nämlich als längere Zeit anhaltende Wirkung, will im engeren Sinn heißen, dass nicht mehr verbraucht wird als nachwächst. Inzwischen hat er sich aber zu einem Allerweltsbegriff entwickelt, behaftet mit einem manchmal bereits zweifelhaften Ruf. Als „Gummiwort“ sei er „in allen gesellschaftlichen Bereichen kommunizierbar“ geworden (Willenweber 2000). So ist es nicht verwunderlich, dass der Mütterrente und der abschlagsfreien Rente mit 63 keine „Nachhaltigkeit“ sondern sogar eine „Minusnachhaltigkeit“ bescheinigt wurde (Sonntag aktuell 2014) und der werbewirksame Slogan „Wir haben verstanden“ Firmen bezüglich ihrer Produkte einen Persilschein ausstellt. Ungeachtet dieser kritischen Eingangsbemerkungen soll dieser Beitrag prüfen, ob Bibliotheken hinsichtlich Nachhaltigkeit nicht doch mehr als „Grüne Bibliotheken“ sind und das schon vom Anfang ihrer Existenz an. Seit den gesellschaftlichen Veränderungen der 1970er Jahre hat sich ein extensiver wenn nicht sogar exzessiv gebrauchter Kulturbegriff durchgesetzt. Er rekurriert auf „allgemeine lebensweltliche Zusammenhänge“ von Religion, Bildung, materiellen und immateriellen Produkten bis hin zu Umweltproblemen (Kultur-Kulturbegriff). Meines Erachtens spricht nichts dagegen, im Falle der Bibliotheken nicht nur einen „erweiterten Kulturbegriff“, sondern auch einen „erweiterten Nachhaltigkeitsbegriff“ zugrunde zu legen. Von ihm sollen die nachfolgenden Überlegungen ausgehen. Ausgelöst wurden sie durch einen Anstoß von unerwarteter Seite, der aufs Erste eher befremdlich erscheinen mag.
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2 Ein Berliner Expertengespräch Am 13. März 2014 fand in Berlin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ein Workshop mit dem Thema „Pfade nachhaltigen Handelns in den Mainstream: Faktoren, Dynamiken und Schemata“ statt. Es handelte sich um eine Veranstaltung innerhalb des vom Umweltbundesamt (UBA) geförderten Forschungsprojekts „Von der Nische in den Mainstream – Wie gute Beispiele nachhaltigen Handelns in einem breiten gesellschaftlichen Kontext verankert werden können“, das vom Norbert-Elias-Center der Universität Flensburg bearbeitet wird. Im Rahmen des Projekts wurden unter anderem literaturbasiert sieben Fallbeispiele rekonstruiert. Diese „sozio-historischen Rekonstruktionen“ sollten von den eingeladenen Experten validiert werden. Den Beispielen wurde die Hypothese zugrunde gelegt, dass sie bereits im Mainstream angelangt seien oder sich inmitten eines entsprechenden Prozesses befänden. Dabei handelte es sich um 1. Bahnfahren, 2. Fahrradfahren in den Städten Münster, Freiburg i. Br., Offenburg, 3. Car-Sharing, 4. Bezug von Ökostrom, 5. Kauf von Bio-Lebensmitteln, 6. Gemeinschaftsgärten (urban gardening) und – das ist die Überraschung – 7. Öffentliche Bibliotheken. Auch wenn „die Institution der Öffentlichen Bibliothek […] klassischerweise nicht in diesem Zusammenhang thematisiert wird“, sollte sie „aus dieser etwas ungewöhnlichen Perspektive“ diskutiert werden, denn im Hinblick auf sie „sind neben der ökologischen Dimension auch die wirtschaftliche und soziale Dimension des Nachhaltigkeitskonzeptes relevant“.1 Grundlage für das Expertengespräch waren kurze Zusammenfassungen dieser sieben sozio-historischen Konstruktionen. Aus dem die Öffentlichen Bibliotheken betreffenden, vier Seiten umfassenden Text seien die folgenden Annahmen auszugsweise zitiert: Die Nutzung öffentlicher Bibliotheken wird gewöhnlich nicht im Kontext der Nachhaltigkeit thematisiert. Dabei verringert das Teilen von Büchern Produktions- und Materialaufwand, Lagerfläche und Abfall. Leihbüchereien [!] sind zudem offene Orte sozialen Austauschs und kultureller Bildung. Durch Bibliotheken ist der gemeinschaftliche Besitz und Gebrauch von Büchern und anderen Medien institutionalisiert; die soziale Praktik der geteilten Nutzung wird hier vermittelt bzw. eingeübt. Damit können sie gewissermaßen als Urinstitutionen der heute viel zitierten „Share Economy“ gesehen werden. Im gesellschaftlichen Mainstream verankert sind sie in jedem Fall. Laut repräsentativen Bevölkerungsumfragen hat mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung schon einmal eine Leihbücherei genutzt (infas 2004; S. 2).
1 Brief des Projektleiters Bernd Sommer an den Autor vom 10.02.2014. – Da sich das Projekt auf die Öffentlichen Bibliotheken beruft, sind die folgenden Überlegungen überwiegend diesem Bibliothekstyp gewidmet.
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[…] Die Etablierung der öffentlichen Bibliotheken in Deutschland zeigt, dass sich ein ‚gutes Beispiel’ nachhaltigen Handelns völlig unabhängig von ökologischen Motiven durchsetzen kann. Die ökologische Motivation war und ist auch heute noch vermutlich für die wenigsten Nutzer zentraler Grund, Bibliotheken aufzusuchen. Die Advokaten des Bibliothekswesens gründeten ihr Engagement in jeder Phase vielmehr auf sozialpolitischen oder pädagogischen Motiven.
3 Blick in die Historie Der Text begründet die Thesen historisch-politisch-statistisch, ist aber in seinem überwiegenden Teil für diesen Beitrag nicht weiter relevant. Dort aber, wo die Argumentation auf die Geschichte zurückgreift, verführt sie dazu, die Spuren des Themas Nachhaltigkeit weiter zurück in die Vergangenheit zu verfolgen. Sie führen sehr weit zurück, letztlich bis in die Anfänge der Schriftlichkeit. Da aber die schriftliche Fixierung von Fakten, Ereignissen und Gedanken nur Sinn macht, wenn man ihre Bewahrung und Weitergabe mitdenkt, kommen diejenigen Institutionen mit ins Spiel, die sich dieser Aufgabe annehmen. Bemerkenswerter Weise steht am Anfang ein, wenn man so will, kulturkritischer Diskurs, der zwar die Notwendigkeit der Überlieferung anerkennt, aber an der Sinnhaftigkeit ihrer schriftlichen Fixierung zweifelt. Erinnert sei hier an Platon (427–342 v. Chr.), der in seinem berühmten Dialog „Phaidros“ ein Gespräch mit Sokrates wiedergibt. Sokrates nennt Geschriebenes tot, weil es auf jede Frage dieselbe Antwort gebe, eine dialektische Entwicklung der Gedanken aber nur im Gespräch möglich sei. Er sagt: Denn diese Erfindung [der Buchstaben] wird den Seelen der Lernenden vielmehr Vergessenheit einflößen aus Vernachlässigung der Erinnerung, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. […] von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst.
Phaidros präzisiert: Du meinst die lebende und beseelte Rede des wahrhaft Wissenden, von der man die geschriebene mit Recht wie ein Schattenbild ansehen könnte (Platon 1989).
Paradoxerweise können wir uns heute mit den Zweifeln des Sokrates nur auseinandersetzen, weil sie schriftlich und damit nachhaltig festgehalten wurden. Man könnte resümieren Nachhaltigkeit ja, aber nur durch mündliche Tradition. Beenden wir unseren philosophisch-literarischen Exkurs über Nachhaltigkeit mit
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Versen aus Friedrich Schillers philosophischem Gedicht „Der Spaziergang“, ohne ihn gleich zum Verkünder von Nachhaltigkeit zu stilisieren: Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken, durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.
4 Bibliotheken als kollektive Wissensorte Wenn wir uns von den Höhen dieser Überlegungen wieder auf den Boden des nüchternen Alltags begeben, ist es unbestritten, dass Bibliotheken als Wissensspeicher und kulturelles Gedächtnis eo ipso nachhaltig sind. Was sie an Ererbtem bewahren und für künftige Generationen zu erhalten haben, bedarf hinsichtlich Konservierung, Restaurierung und Erschließung der jeweils fortschrittlichsten Methoden. Mikroverfilmung, Digitalisierung und Netzversionen sind nicht mehr zu hinterfragende Instrumente, um die Nachhaltigkeit materiell zu gewährleisten. Das sind beinahe schon Platitüden. Bibliotheken sind aber auch als Institutionen und Orte nicht obsolet geworden. Als solche sind sie geradezu Symbole einer Kommunikationskultur, die in welcher medialen Form auch immer die Vielfalt kultureller Überlieferung weitergeben. Odo Marquard hat 1997 treffend formuliert, je schneller die Zukunft werde, desto mehr Kontinuität müsse der Mensch in die Zukunft mitnehmen (Marquard 2007). Unter diesem Aspekt lässt sich Kontinuität durchaus mit Nachhaltigkeit gleichsetzen. Dazu gehört jedoch auch, dass sie sich nicht „mit dem Nebeneinander und dem beliebigen Auftürmen von Information, Auftürmen von Wissen“, womöglich ausschließlich in digitaler Form, begnügen, sondern ihren Beitrag zum Erkennen und Verstehen leisten. Als kollektiver Wissensort dürfen sie letztlich „einen grenzenlosen Anspruch hinsichtlich der Erreichbarkeit und Verbreitung von Wissen“ erheben (Oechslin und Erben 2011). Auch das ist Nachhaltigkeit.
5 Das kulturelle Gedächtnis Spricht man von kulturellem Gedächtnis – und davon wird reichlich Gebrauch gemacht, insbesondere bei feierlichen Anlässen –, ist die Gefahr groß, ins Pathetische abzugleiten, im schlimmsten Fall sogar ins Chauvinistische. Am 10. Januar 1927 hielt Hugo von Hofmannsthal im Auditorium maximum der LudwigMaximilian-Universität München seine Rede „Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation“, die bei den Zuhörern nicht nur einen Begeisterungssturm auslöste,
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sondern auch als ein Höhepunkt deutscher Essayistik gilt (Hofmannsthal 1986). Sein Plädoyer für eine konservative Revolution mag heute skeptisch stimmen. Doch ist mit seinem Begriff des Traditionalismus die Wunschvorstellung verbunden, dass das Schrifttum, von Epoche zu Epoche weitergetragen, die Nation „durch ein unzerreißbares Gewebe des Sprachlich-Geistigen“ zusammenhalte. Der Leser mag sich fragen, ob der Rekurs auf Hofmannsthal nicht zu weit hergeholt und damit des Guten zu viel sei. Die Frage wäre berechtigt, hätte nicht Walter Hofmann (1879–1952), der Leipziger Bibliothekar und nicht unumstrittene Vordenker und Vorkämpfer des deutschen Volksbüchereiwesens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, solche Überlegungen (im doppelten Wortsinn) weitergesponnen. Er hat sie zugegebenermaßen trivialisiert, sowohl polemisch als auch politisch. 1932 – das Erscheinungsjahr sagt einiges aus – veröffentlichte er bei Eugen Diederichs in Jena die Broschüre „Das Gedächtnis der Nation. Ein Wort zur Schrifttumspflege in Deutschland“. In einer Captatio benevolentiae im Vorwort schreibt er: Einen Fehler hat diese Schrift bestimmt! Nämlich den, daß ihr Urheber selbst der öffentlichen Bücherei angehört. […] Wie ganz anders wäre es, wenn das, was heute über die Pflege des Gedächtnisses der Nation zu sagen ist, von einem gesagt würde, der nicht im Dienste der Institution steht, der diese Pflege anvertraut werden soll.[…] Und nichts könnte mich bestimmen, auch nur mit einem Wort für die öffentliche Bücherei einzutreten, würde ich zu der Überzeugung gelangt sein, daß sie im Heute und Morgen des deutschen Lebens nicht zu dem Notwendigsten gehört.
Es wäre nicht angebracht, im Rahmen unseres Themas noch weiter die Gedankengänge Hofmanns zu referieren. Einige Kernsätze, in denen in nuce der Gedanke an Nachhaltigkeit anklingt, sind aber als Textproben wohl erhellend. […] die öffentliche Bücherei ist eine Institution, die dem Selbsterhaltungs- und dem Selbstentfaltungswillen der Nation dient. Dem Selbsterhaltungswillen a l t e r Kulturnationen, die in den ungeheuren Strudel und Umsturz der neuen Zeit hineingestellt sind; […]. Die Funktion der öffentlichen Bücherei kann nur begriffen werden von der Funktion der Schrift aus, Gedächtnis zu sein. […] die gültige Erfahrung, das gültige Erlebnis, das gültige Wissen, der gültige Wert – alles das ist nur seiend, wenn es in dem übergreifenden Gedächtnis des überindividuellen Gebildes aufbewahrt und von den Einzelnen reproduziert wird […]. […] der dem Dienst am Schrifttum Verpflichtete steht […] in diesem Dienst ja nicht um des Schrifttums willen, sondern sein Dienst gilt letztlich der lebendigen Kraft der Nation selbst (Hofmann 1932).
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Man tritt einem in Vielem verdienten Vorgänger nicht zu nahe, wenn man solche Auslassungen liest und bei aller Einfühlung in die Zeitumstände und den (Un) Geist der Zeit nur als Schwulst empfinden kann. Umso wohltuender ist es, wenn man in die heute doch wesentlich nüchterneren „Maximen und Reflexionen“ der Gegenwart zurückkehrt. Rudolf Joerden hat schon Anfang der 1970er Jahre festgestellt, dass „Prägungen wie ‚Gedächtnis der Nation‘ schon durch das Pathos der Gehobenheit unseren Ohren unerträglich geworden sind“ (Joerden 1973).
6 Öffentliche Bibliotheken: Nachhaltigkeit und Bildung Wenn wir unseren bibliothekshistorischen Spaziergang in Richtung Gegenwart fortsetzen, liegt es nahe auf Texte zurückzugreifen, in denen der Terminus Nachhaltigkeit zwar noch nicht expressis verbis aufscheint, die aber Vorstellungen entwickeln, die zumindest auf die Sache zielen. Sie stehen in Zusammenhang mit Überlegungen hinsichtlich der Funktionszuschreibung für Bibliotheken. Als Schlagwörter bieten sich Überlieferung, Gedächtnis, Wissen, Bildung an. Es liegt nahe, zunächst ein in seiner Zeit viel diskutiertes bildungspolitisches Dokument zu konsultieren, das am 29. Januar 1960 verabschiedete Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“. In diesem Papier beschäftigt sich ein Abschnitt mit „Struktur und Aufgabe der Volksbüchereien“. Überlieferung meint hier, „den Zusammenhang zu erkennen, festzuhalten, neu zu gewinnen und zu stärken, der zwischen der Würde des Menschen und der technischen Zivilisation besteht“. Obwohl betont wird, dass heute nicht als selbstverständlich gelten könne, was Bildung bedeutet, wird von den Büchereien gefordert, „daß dem Bestand und der Ausleihe eine klare und entschiedene Vorstellung von Bildung zugrunde liegt“ (Deutscher Ausschuss 1960).2 Franz Schriewer, sowohl vor als auch nach 1945 einer der Wortführer des Volksbüchereiwesens, sah diese Forderung mit Skepsis, wenn er das „bildungspolitische Klima“ beurteilte, „das als extreme, zeitbedingte Wetterlage sich über Deutschland ausgebreitet hat. Es ist der Totalverlust des Glaubens an Bildung […]. Die finstere Wolke eines literarischen und modischen Pessimismus hat hier die simple Tatsache verdunkelt, daß alle Erziehungs-, Bildungs- und Kulturarbeit ohne einen Glauben an den Men-
2 Der Deutsche Ausschuss war ein von Bund und Ländern initiiertes unabhängiges Gremium, das von 1953–1965 politikberatend Empfehlungen und Gutachten erarbeitete.
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schen ihren Sinn verliert, formalistisch wird und zur Betriebsamkeit entartet“ (Schriewer 1958). Auf die Überlieferung kommt auch Wilhelm Schuster zu sprechen, der wie Schriewer in der Weimarer Republik und im Dritten Reich bibliothekarisch sozialisiert worden ist und in herausgehobenen Postionen tätig war. Im Kapitel „Wesen und Aufgabe der Volksbücherei“ im „Handbuch des Büchereiwesens“ erklärt er: „Der erste Dienst, den die Gesellschaft von der Bücherei fordert, ist deshalb ihre Beihilfe zur Sicherung, neuen Deutung und zeitgerechten Darstellung der Überlieferung […]“ (Schuster, Wilhelm 1973).
7 Nachhaltigkeit versus Wandel? Dass immer wieder versucht wird, dem sich ständig Wandelnden ein zu Bewahrendes, nicht entgegen, sondern zur Seite zu setzen, belegt auch der Literaturhistoriker Gerhard Stocker. Er erklärt die Bibliothek zur Institution, in der sich Schrift, Wissen und Gedächtnis überlagern. Ihm zufolge lässt sich die fundamentale Leistung, Wissen über lange Zeiträume hinweg zu bewahren, in der Bibliothek in konzentrierter Form finden (Stocker 1997). Seit einem knappen Jahrzehnt sind solche Aussagen als Mantra in die bibliothekspolitischen Statements zur Nachhaltigkeit eingegangen. Als „BID–Bibliothek & Information Deutschland“ im Jahr 2009 „21 gute Gründe für gute Bibliotheken“ veröffentlichte, betonte der 20. Grund, dass die Aufgabe, kollektives Wissen zu bewahren, weiter bestehe, denn auch digitale Medien hätten eine begrenzte Lebensdauer. „Bibliotheken arbeiten intensiv daran, das digitale Wissen über Jahrhunderte hinweg sicher zugänglich zu machen“. Das ist eine mechanistische, aber akzeptable Interpretation der Funktion einer Bibliothek. Die „Charta der Schweizer Bibliotheken“ vom Mai 2010 wird verdienstvollerweise konkreter. Unter der Überschrift „Kulturelles Erbe im Internetzeitalter“ ist zu lesen: Die Bibliotheken sind Teil des Internets und ergänzen es gleichzeitig. Sie sammeln und vermitteln überprüftes und anerkanntes Wissen und damit einen wichtigen Teil unseres kulturellen Erbes. Die Flüchtigkeit des Webs gibt den Bibliotheken neue Bedeutung als solide Institutionen, die dieses Wissen und unser kulturelles Erbe zuverlässig und langfristig bereithalten. Sie sind deshalb für das Verständnis von Vergangenheit und Gegenwart und für die Entwürfe der Zukunft unverzichtbar (Charta Schweiz).
Aber was ist „anerkanntes Wissen“, was „kulturelles Erbe“? Damit begibt man sich schnell aufs Glatteis. Dass Nachhaltigkeit nicht nur die Bereitstellung von schnellerer Information auch über Vergangenes bedeuten kann, sondern auch
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die Bewahrung eines Kanons, wirft weitere Fragen auf, die dringend einer kulturkritischen Vertiefung bedürften. Nur mehr gestreift werden kann hier, dass die eingangs eher in ironischer Absicht zitierte „Minusnachhaltigkeit“ politisch immer auch schon als Waffe eingesetzt worden ist. Dass die Vernichtung von Büchern und Bibliotheken, die Zerstörung der kulturellen Überlieferung und damit des Gedächtnisses ein Mittel ist, die Erinnerung und damit Völker auszulöschen, hat nicht erst Hitler erkannt. Man braucht sich nur des – umstrittenen – Brandes der Alexandrina, der Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten oder der fiktionalen Szenarien in George Orwells „1984“ (1949, dt. 1950) oder Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ (1953, dt. 1955) zu erinnern.
8 Ausblick Mit dem Blick in eine hoffentlich bessere Zukunft soll diese historische Betrachtung zu ihrem Abschluss kommen. Am Ende seiner Amtszeit (1997–2013) hat der Oberbürgermeister von Stuttgart, Wolfgang Schuster, ein Buch mit dem Titel „Nachhaltige Städte – Lebensräume der Zukunft“ veröffentlicht (Schuster, Wolfgang 2013). Die Publikation soll hier angesprochen werden, da Schusters Initiative der spektakuläre Neubau der Stadtbibliothek Stuttgart zu verdanken ist, die im Jahr 2013 als „Bibliothek des Jahres 2013“ ausgezeichnet worden ist. Schuster geht von den 27 Grundsätzen der Rio-Erklärung von 1992 und von dem Abschlussdokument der Rio+20 Konferenz im Jahr 2012 aus. Er definiert 21 kommunale Aufgabenfelder für eine nachhaltige Entwicklung. Im Einzelnen soll hier davon nicht die Rede sein. Bemerkenswert aber ist, dass er auf dem Weg von einer Stadtgesellschaft zu einer nachhaltigen Bürgergesellschaft die Kultur zur „notwendigen vierten Dimension für eine nachhaltige Entwicklung“ erklärt. Folgerichtig schreibt er in diesem Prozess den Bibliotheken eine besondere Rolle zu. Er weiß, wovon er spricht, denn das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) hat beim Kultur-Städteranking 2014 wie schon 2012 unter den 30 größten Städten Deutschlands Stuttgart auf Platz 1 gesetzt, da die Stadt die beste Kulturinfrastruktur und die höchste Kulturnachfrage habe. Jan Wedemeier, Mitautor der Studie, antwortete auf die Frage, welche kulturpolitische Strategie einer Stadt am nachhaltigsten nütze, dass man bezweifeln könne, ob es für die Kommunalpolitik sinnvoll sei, in sogenannte Leuchtturm-Projekte zu investieren. Es erscheine zielführender, „dass man über die Teilhabe an Kultur für eine möglichste breite Zahl an Einwohnern nachdenkt und dies durch eher kleinere aber stetige (damit auch nachhaltigere, Anm. d. Verf.) Schritte fördert.“ Nicht zufällig erreicht Stuttgart
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auch bei den laufenden Ausgaben für Bibliotheken pro Einwohner einen Spitzenwert, wobei die Investition für den Neubau der Stadtbibliothek am Mailänder Platz in Höhe von nahezu 80 Millionen nicht einmal eingerechnet ist (Lutzeyer 2015). Dementsprechend hat der Schriftsteller Joachim Kalka in seiner Laudatio anlässlich der Überreichung der Auszeichnung als „Bibliothek des Jahres 2013“ formuliert: „Die Schönheit einer Bibliothek wie dieser liegt in ihrer Verbindung aus den historischen und gegenwärtigen Möglichkeiten des Lesens zu einem überreichen Potential“ – die zukünftigen dürfen mitgedacht werden. Ebenso konsequent heißt es in den dem Gemeinderat vorgelegten „Perspektiven 2014–2019“, dass sich die Stadtbibliothek der Innovation wie auch der Tradition verpflichtet sieht: So sind einerseits die Pflege der Buchkultur, der Literatur und der Künste, das Zugänglichmachen von Information und die Aufgabe als Wissensspeicher und kulturelles Gedächtnis ein sehr wesentlicher Bestandteil der Bibliotheksarbeit. Gleichermaßen stehen andererseits aber auch die Implementierung der dynamischen Medienentwicklung und der digitalen Welt in ihrer Vernetzung […] im Fokus.
So schließt sich der Kreis. Stand am Anfang dieses Beitrags der Berliner Workshop des Bundesumweltamts mit seiner zunächst nicht evidenten Zuordnung der Bibliotheken unter anderem zu Car-Sharing und Gemeinschaftsgärten, kann nun resümierend als erwiesen gelten, dass sie als „gute Beispiele nachhaltigen Handelns in einem breiten gesellschaftlichen Kontext verankert werden können“ und sich seit langem auf einem guten Weg „Von der Nische in den Mainstream“ befinden. Sie passen sich in eine Definition ein, die eine Gesellschaft für nachhaltig erklärt, „wenn sie für alle Menschen – die heutigen und die zukünftigen Generationen – ein erfülltes Leben frei von materieller Not in Frieden miteinander und mit der Natur“ gewährleistet. Bibliotheken erweitern den Werttransfer von heute zu einem Wertetransfer in die Zukunft (Herlyn und Radermacher 2014).
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Die Entdeckung der Nachhaltigkeit
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Hauke, Petra, Karen Latimer und Klaus Ulrich Werner, Hg. 2013. IFLA-Publications 161. The green library – Die grüne Bibliothek. The challenge of environmental sustainability – Ökologische Nachhaltigkeit in der Praxis. Berlin, München: De Gruyter Saur. Herlyn, Estelle L. A. und Franz Josef Radermacher. 2014. Nachhaltig wirtschaften. Eine weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft als Zukunftsstrategie. Schwäbische Gesellschaft Schriftenreihe 75. 7, 9. Stuttgart: Schwäbische Gesellschaft. Hofmann, Walter.1932. Das Gedächtnis der Nation. Ein Wort zur Schrifttumspflege in Deutschland. 5–6, 13, 15, 18. Jena: Diederichs. Hofmannsthal, Hugo von. 1986. Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation. Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze. Teil 3. 1925–1929. 24–41. Frankfurt a. M.: S. Fischer. Joerden, Rudolf. 1973. Einführung. Handbuch des Büchereiwesens, Teil 1, hg. v. Johannes Langfeldt, 12. Wiesbaden: Harrassowitz. Kultur – Kulturbegriff/Annäherung und Definition an den Kulturbegriff. http://www.ikud.de/ Kultur.html. Aufruf vom 24.04.2015. Lutzeyer, Julia.2015. Viel Kulturpotenz im Kessel. Stuttgarter Zeitung/Kulturreport. 21.04.2015. Marquard, Odo. 2007. Kleine Apologie der Zeit. Reclams Literaturkalender 2008. 114–117. Stuttgart: Reclam. Oechslin, Werner. 2011. Die Bibliothek, die Architektur und die Architektonik. Die Weisheit baut sich ein Haus, hg. v. Winfried Nerdinger, 84. München: Prestel. Platon. 1989. Phaidros. Sämtliche Werke Bd. 4. Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft; Griechische Philosophie Bd. 5. 55–56. Hamburg: Rowohlt. Schriewer, Franz. 1958. Müssen wir unsere Vorstellungen von der Volksbücherei revidieren? Berliner Arbeitsblätter für die Volkshochschule 6: 7. Schuster, Wilhelm. 1973. Wesen und Aufgabe der Bücherei. Handbuch des Büchereiwesens, Teil 1, hg. v. Johannes Langfeldt. 52. Wiesbaden: Harrassowitz. Schuster, Wolfgang. 2013. Nachhaltige Städte – Lebensräume der Zukunft. Kompendium für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt Stuttgart. 10, 50, 93., München: oekom verlag. Sonntag aktuell vom 09.11.2014. Stuttgart. Stocker, Günther. 1997. Schrift, Wissen und Gedächtnis. Das Motiv der Bibliothek als Spiegel des Medienwandels im 20. Jahrhundert. Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft 210. 73, 76. Würzburg: Königshausen & Neumann. Willenweber, Karin. 2000. Wortfang. Was die Sprache über Nachhaltigkeit verrät. Politische Ökologie 63/64: 23–24.
Cornelia Vonhof
Management von Bibliotheken – Instrumente und Strategien 1 Management von Bibliotheken Dass Bibliotheken wie andere Betriebe auch gemanagt werden müssen, ist heute unstrittig. Bereits Ende der 1970er Jahre hat der Bibliothekswissenschaftler Rolf Kluth festgestellt: „Die Frage, ob eine Bibliothek verwaltet oder betrieben wird, ist inzwischen zugunsten des Betriebs beantwortet. Die Forderung nach Wirtschaftlichkeit, nach Betriebswirtschaft, nach wissenschaftlicher Betriebsführung (‚scientific management‘) wird gestellt“ (Kluth 1979, 127). Mit Blick auf die Situation Ende der siebziger Jahre konstatierte er allerdings: „In der Bibliothekspraxis hat sich das betriebswirtschaftliche Denken noch nicht durchgesetzt“ (Kluth 1979, 127). Seither hat sich das Selbstverständnis von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, v. a. derer in Führungspositionen, jedoch spürbar verändert. Spätestens seit Mitte der achtziger Jahre Marketing als eines der ersten Managementkonzepte im Rahmen von Pilotprojekten in öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken Einzug gehalten hat, lässt sich ein zunehmender Einsatz von Managementinstrumenten beobachten (Vonhof 2012, 267–268). Wesentlicher Impulsgeber für die forcierte Auseinandersetzung mit betriebswirtschaftlichem Denken war dabei aber in der Regel weniger das Erkennen eines Bedarfs an Managementinstrumenten oder Managementkompetenzen, z. B. um als Bibliothek bessere Leistungen zu erbringen, sondern die Tatsache, dass Handeln und Entwickeln von Bibliotheken von einer engen Abhängigkeit von deren Trägerinstitutionen bestimmt wird. D. h., in Bibliotheken werden besonders häufig diejenigen Instrumente eingesetzt, die bereits beim Träger eingeführt sind (Mundt und Vonhof 2007). Da die überwiegende Zahl der Bibliotheken in Deutschland von der öffentlichen Hand getragen wird, lässt sich die Managerialisierung von Bibliotheken parallel zu Entwicklungen des gesamten öffentlichen Sektors verfolgen (Vonhof 2012, 269). Dessen Modernisierungsbemühungen nach dem Konzept des New Public Management wiederum wurden seit den 1990er Jahren getrieben einerseits durch eine tiefgreifende Finanzkrise und andererseits durch die zunehmend sichtbar werdenden Modernisierungs- und Leistungslücken (Budäus 1995, 11). Diese Ausgangsbedingungen bestimmten, welche Instrumente aus dem Unternehmensbereich vorzugsweise in den Verwaltungen adaptiert und eingesetzt wurden. So standen v. a. die Steuerung der Finanzen und die Flexibilisierung des Haushaltsmanagements im Mittelpunkt. Daneben trat die
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Umsetzung des neuen Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) mit seiner Möglichkeit, leistungsorientierte Entgeltbestandteile einzuführen und damit Personalführungsinstrumente wie Zielvereinbarungen zu unterfüttern und neu auszurichten. Aufgrund der oben dargestellten Abhängigkeit vom Träger nimmt es nicht Wunder, dass genau diese Instrumente besonders häufig in Bibliotheken zu finden sind.
2 Managementinstrumente in Bibliotheken Festgestellt werden kann also zweierlei: Eine Reihe von Managementinstrumenten werden in Bibliotheken heute routinemäßig eingesetzt. Häufig ist der Einsatz jedoch nicht die Folge einer abwägenden und bewussten eigenen Auswahl, sondern der Verpflichtung zur Anwendung von Praktiken des Trägers geschuldet. Die Arbeit mit den Instrumenten wird bibliotheksintern oft mit geringstmöglichem Aufwand abgewickelt. Diese Haltung führt dazu, dass nicht nur bei der Auswahl und dem operativen Einsatz der Instrumente, sondern auch bei der Frage, welche Strategie mit dem Einsatz verfolgt wird, eher der Weg des geringsten Widerstandes gegenüber dem Träger gewählt wird. Viel weniger wird der Nutzen für das eigene Haus – zum Beispiel im Sinne von mehr Transparenz oder mehr Steuerungsfähigkeit – in den Vordergrund gestellt. Gleichwohl ist auch eine deutliche Entwicklung feststellbar: Während ein Teil der Bibliotheken die oben skizzierte Haltung einnimmt, ist in anderen Häusern ein zunehmender und gezielter Einsatz von Managementinstrumenten zu beobachten. Beispielhaft seien die unterschiedlichen Projekte zur Implementierung eines umfassenden Qualitätsmanagements genannt (Jaksch 2014), die zahlreichen Strategieentwicklungsprozesse der letzten Jahre sowohl in großen wie auch in vielen mittleren und kleinen Bibliotheken1 sowie Personal- und Organisationsentwicklungsprojekte2. Man kann also konstatieren, dass Leitungspersonen
1 Beispielhaft angeführt seien hier die Deutsche Nationalbibliothek, die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, die ZB MED, oder die Stadtbibliothek Köln (Bibliothek des Jahres 2015). Für den Bereich der öffentlichen Bibliotheken gibt die Publikation „Bibliotheken strategisch steuern“ (Mittrowann, Motzko und Hauke 2011) einen guten Einblick in die Vielfalt der Konzept- und Profilentwicklungsprojekte. 2 Genannt werden kann hier als ein Beispiel die von A. Degkwitz herausgegebene Fallsammlung zu Personal- und Organisationsentwicklungsprojekten in Bibliotheken (Degkwitz 2013) oder die Fallstudien, die sich im Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing finden (Georgy und Schade 2012).
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in Bibliotheken zunehmend betriebswirtschaftliche Instrumente und Konzepte nutzen, um ihre Häuser bzw. Betriebe zu managen. Sie tun dies in der Breite jedoch noch nicht lange und sie tun es nach wie vor häufig vor dem Hintergrund eines eher traditionellen Managementverständnisses des öffentlichen Sektors. Der Diskurs über und die Entwicklung von Managementkonzepten und Managementinstrumenten weist eine hohe Dynamik aus. Dabei gibt es neben der oft zitierten Aussage, es handele sich überwiegend um „alten Wein in neuen Schläuchen“, sehr interessante und diskussionswürdige Ansätze und Konzepte. Der vorliegende Beitrag will einen ersten, noch vorläufigen Blick darauf werfen, welche Entwicklungen sich gegenwärtig in der Managementpraxis des privaten Sektors und in der Forschung abzeichnen und fragen, ob bzw. wie diese neuen Entwicklungen auch für das Management von Bibliotheken lohnende Impulse geben könnten. Dies soll anhand weniger ausgewählter Managementinstrumente und -konzepte erfolgen.
Das Paradigma einer zielorientierten Steuerung Wer keine Ziele hat, weiß nicht, wo er hin will und wird deshalb auch niemals irgendwo ankommen – so lautet das Paradigma einer zielorientierten Steuerung. Nur wenn man konkrete Ziele hat bzw. setzt, kann man ihre Erreichung, also den Erfolg, auch messen. Diese Ergebnisse kann man anschließend gegenüber Stakeholdern nachweisen und bestimmte weitere Maßnahmen, wie etwa leistungsorientierte Vergütungen, daran knüpfen. Gute Ziele in diesem Sinne sind SMARTe Ziele: Sie müssen spezifisch, messbar, aktiv beeinflussbar, realistisch und terminiert sein. Dies war und ist einer der zentralen Glaubenssätze des New Public Management. Statt über Input-Orientierung soll über Output-Orientierung gesteuert werden. Konkrete mit Indikatoren versehene Ziele sollen sowohl politischen Gremien als auch dem Ausführungsorgan Verwaltung (bzw. als Teil davon der Bibliothek) sowie interessierten Stakeholdern (Bürgerinnen und Bürger in der Kommune, Forschende und Lehrende in einer Hochschule) Klarheit über die Verwendung der Haushaltsmittel und die damit erreichten Ergebnisse verschaffen (Schedler; Proeller, 2003). Auch wenn viele Ansätze des Neuen Steuerungsmodells heute nicht mehr in der gleichen Intensität wie noch in den neunziger Jahren diskutiert werden – gerade in der zielorientierten Steuerung wird nach wie vor ein Hebel für die Verwaltungsmodernisierung gesehen. Dies zeigt zum Beispiel der auf Forderung des Bundesrechnungshofs entwickelte „Masterplan Zielorientierte Steuerung“ (Hirsch et al. 2014). In Bibliotheken ist dieses Steuerungsinstrument in vielfältiger Weise präsent: Die Einführung der leistungsorientierten Vergütung, die zumindest im Tarifbe-
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reich der Kommunen und des Bundes noch besteht, hat Zielvereinbarungen und Zielvereinbarungsgespräche zu einem mehr oder weniger beliebten Bestandteil des Personalmanagements gemacht. Die Einführung von Produkthaushalten und Produktbudgets – gerade auch im Kontext der Umstellung vom kameralen auf das doppische Haushalts- und Rechnungswesen – hat das Thema messbare Ziele und Kontraktmanagement mit der politischen Ebene forciert. Ein weiterer Grund für den Bedeutungszuwachs von Zielplanung in Bibliotheken sind die erwähnten zahlreichen aktuellen Strategieentwicklungsprozesse in Bibliotheken. Strategien, Konzepte und Profile werden idealtypisch verknüpft mit einem Zielsystem, das auf der Arbeitsebene SMARTe Ziele benennt, für deren Erreichung Mitarbeitende, Teams oder Abteilungen verantwortlich sind. Diese sich gerade zu einer gewissen Routine entwickelnde Praxis in Bibliotheken wird nun konterkariert – man könnte auch sagen, „rechts überholt“ – von einer Diskussion, die die Sinnhaftigkeit einer strikten Steuerung über messbare Ziele infrage stellt. Die Ansatzpunkte der Kritik sind vielfältig3. So wird argumentiert, dass vorgegebene, v. a. quantitativ fixierte Ziele Handeln und Verhalten so konditionieren, dass sich die Konzentration allein auf die Einhaltung der Vorgaben richtet, Aufmerksamkeit und Ressourcen entsprechend gelenkt werden und damit die Gefahr entsteht, einen Tunnelblick zu erzeugen. Es wird infrage gestellt, ob Ziele und Zielwerte, die aus Erfahrungen und damit aus der Vergangenheit abgeleitet sind, für die Zukunft taugen. Weitere Kritikpunkte richten sich darauf, dass die Kaskadierung von Zielen und die damit einhergehende Zuweisung von Verantwortung an Abteilungen, Teams oder Personen dazu führt, dass auch hier ein Tunnelblick entsteht, der nur auf das eigene Ziel gerichtet ist und den Blick fürs Ganze verliert. Die Befürchtung von negativen Effekten auf Führung und Motivation steht hinter der Feststellung, dass Eigenverantwortung und Eigenmotivation verloren gehen, weil vorgegebene Ziele – ganz im Sinne eines tayloristischen Managementverständnisses – ein Ausdruck dafür sind, dass eine Trennung von Denken und Entscheiden einerseits und Ausführung andererseits, also die Trennung zwischen „Kopf und Hand“ (Taylor 2004) vorgenommen wird. Trotz aller Kritik: Anerkannt wird durchaus, dass gesetzte Ziele auf diese Weise erreicht werden. War nicht genau das der Plan? Ja, aber – lautet die Antwort. In einer Umwelt, die stabil ist und sich vorherseh- und planbar entwickelt, die nicht von unterschiedlichsten Akteuren, deren Rationalitäten und Einflussnahmen abhängig ist, ist das Paradigma einer direkten zielorientierten Steuerung fraglos erfolgreich und passend. Die Kritiker vertreten jedoch die These, dass die
3 Zur Kritik am klassischen Steuerungsparadigma: Pfläging (2003), Pfläging (2011), Faschingbauer, Baierl und Grichnik (2013), Dark Horse Innovation (2014).
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Welt genau so nicht mehr sei und daher andere Ansätze der Steuerung gefunden werden müssten. Umgang mit Ungewissheit und Nicht-Planbarkeit ist denn auch der Ausgangspunkt für einen Ansatz, der dem klassischen Management nach der „Kurzformel Prognose – Planung – Handlung“ (Faschingbauer, Baierl und Grichnik 2013, 4) diametral entgegengesetzt ist. Die Methode „Effectuation“4 basiert auf Studien zu Problemlösungs- und Entscheidungsstrategien erfolgreicher Unternehmensgründer in Situationen mit hoher Unsicherheit. Als deren prägende Denkhaltung kristallisierte sich heraus, dass sie keiner kausalen Logik folgen, in der nach Mitteln und Wegen gesucht wird, um ein vorgegebenes oder gesetztes Ziel zu erreichen. Vielmehr gestalten erfahrene Entrepreneure die Zukunft, indem sie von vorhandenen Ressourcen ausgehen, diese gezielt nutzen und weiterentwickeln. Hierbei konzentrieren sie sich auf ihre eigenen Interessen, ihr aktuelles Wissen und ihre Kompetenzen sowie ihre Netzwerke. Sie gehen also davon aus, dass Zukunft zwar nur sehr begrenzt prognostizierbar ist, dass sie aber – als Ergebnis von Co-Kreation und durch Vereinbarungen mit Partnern – gestaltet werden kann (Sarasvathy 2001, 245 ff.). Es wird nicht angestrebt, Unwägbarkeiten und Zufälle durch detaillierte Planung zu vermeiden, sondern diese gewinnbringend zu nutzen und flexibel auf sie zu reagieren. Zur Risikoabwägung wird gerade in unsicheren Situationen gar nicht erst versucht, eine exakte, womöglich messbare Antwort auf die Frage zu geben, „Was wird es bringen?“ Die Entscheidungsregel für oder gegen ein Vorhaben ist also „Was können wir im schlimmsten Fall verlieren?“ Je nach der Ausgangslage lässt sich dieser leistbare Verlust in Kapital, Zeit, Aufmerksamkeit, Engagement, aber auch in Opportunitätskosten („Was könnten wir stattdessen nicht tun?“) oder leistbarem Gesichtsverlust („Wie stehen wir da, wenn es schief geht?“) definieren. Damit wird sowohl ein Handlungsspielraum („Bis dorthin …“) als auch ein Abbruchkriterium („… und nicht weiter.“) für unternehmerische Vorhaben festgelegt. Das Entscheidungskriterium des leistbaren Verlusts führt direkt ins erkundende Handeln in kleinen Schleifen (Faschingbauer, Baierl und Grichnik 2013, 10).
Dieses „erkundende Handeln in kleinen Schleifen“ findet sich auch in einem weiteren, im Moment sehr intensiv diskutierten Ansatz. Auch er orientiert sich pragmatisch an der Realität und an vorhandenen Möglichkeiten statt an einem strikt planungsbasierten und linearen Vorgehen. Die Wurzeln von „Design Thinking“ werden der University of Stanford zugeschrieben, wo Professoren der
4 Die Namensfindung gründet darin, dass „to effectuate“ am treffendsten mit „etwas bewirken“ übersetzt werden kann (Faschingbauer 2013, 8). Eine Anwendung dieser Methode im Bibliotheks- und Informationssektor konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
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ingenieurwissenschaftlichen Fakultät in den neunziger Jahren begannen, ihre Erfahrungen aus Innovationsprojekten zu einem Framework zusammenzuführen und sie schließlich in der heute weltweit aktiven Innovationsagentur IDEO weiterzuentwickeln (IDEO 2015). Design Thinking ist eine Methode, um komplexe Probleme zu lösen und innovative Ideen zu entwickeln. Beide Wortteile führen oft in die Irre: So besteht das Framework aus den sechs systematischen Schritten: Verstehen, Beobachten, Synthese, Ideen generieren, Prototypen entwickeln und Testen. Es geht also keineswegs um „Thinking“ im Sinne eines frei flottierenden Nachdenkens. „Design“ hat auch nichts mit „hübsch machen“ oder der ästhetischen Gestaltung einer äußeren Form zu tun, sondern überträgt die Denkweise v. a. des User Centered Design (Norman 1989) auf die Entwicklung von Produkten und Services. Das erkundende Handeln erfolgt bei Design Thinking durch Methoden der intensiven Recherche und v. a. der direkten Interaktion, des Dialogs und der Beobachtung mit und von potenziellen Nutzern der zu entwickelnden Services. Auf Basis der ersten vier Schritte werden möglichst schnell Prototypen entwickelt, die wiederum den potenziellen Nutzern vorgestellt und mit ihnen diskutiert werden. Durch dieses „Form geben“ einer Idee oder eines Services wird eine Validierung konkreter und damit die Generierung von weiteren Ideen zur Verbesserung wahrscheinlicher. Hiermit beginnt ein iterativer Entwicklungsprozess von hoher Dynamik. Auch der letzte Schritt, das Testen, dient dazu, Feedback einzuholen, um daraus zu lernen. Design Thinking lebt von Ergebnisoffenheit und einer Kultur der Fehler: So heißt denn auch ein Kernsatz „fail early, fail often“ (Grots und Pratschke 2009). Die Anwendbarkeit von Design Thinking in Bibliotheken steht außer Frage5 und erfreulicherweise wurde Anfang 2015 mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation von der Designagentur IDEO zusammen mit den Bibliotheken in Chicago und Aarhus ein Toolkit für Bibliotheken entwickelt, die mit der Methode Design Thinking arbeiten wollen6. Ein weiterer Impuls zu einer neuen Form der Steuerung kommt aus der Softwareentwicklung und dem Projektmanagement. Auch hier war der Treiber, um Alternativen zur traditionellen „Wasserfall-Methode“ der siebziger Jahre zu suchen, die Erkenntnis, dass bei zunehmender Unsicherheit und komplexer werdenden Anforderungen weder Software-, noch andere Projekte bis ins letzte Detail planbar und im Rahmen eines ausgefeilten Projektplans mit sequenzi-
5 Vereinzelt wird über die Arbeit mit dem Design-Thinking-Ansatz in Bibliotheken publiziert. So berichten Fingerle und Mazoch 2012 über die Anwendung in der Bibliothek der MacromediaHochschule; daneben finden sich Berichte aus den Bibliotheken in Chicago und Aarhus, die im Toolkit mündeten sowie aus der Bibliothek der TH Wildau. 6 Design Thinking Toolkit for Libraries: http://www.designthinkingforlibraries.com/
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ell abzuarbeitenden Arbeitspaketen steuerbar sind. Agile Methoden gehen hier anders vor: Kurze Feedbackzyklen, Lernen aus Erfahrung, ein hohes Maß an Transparenz, ein offener Umgang mit Änderungen und Fehlern und ein spezielles Wertesystem zeichnen agile Methoden aus (Manifest für Agile Softwareentwicklung 2011). Wichtigster Vertreter der agilen Methoden ist „Scrum“7. Ein typisches Scrum-Projekt besteht aus einer Reihe von Entwicklungsiterationen, den Sprints. Für jeden Sprint werden überschaubare, klare Ziele und eine Dauer (i. d. R. ein bis vier Wochen) festgelegt. Das möglichst interdisziplinär zusammengesetzte Scrum-Team plant die erforderlichen Arbeitsschritte und setzt sie um. Das konkrete Ergebnis am Ende des Sprints wird mit dem Auftraggeber abgestimmt und ist zugleich die Basis der Zielformulierung des nächsten Sprints. Während eines Sprints werden keine Änderungen an den Zielen und Arbeitsaufträgen vorgenommen, so dass das Scrum-Team konzentriert und fokussiert arbeiten kann (Schwaber und Sutherland 2013, 3). Auch Scrum versteht sich als Denkhaltung und Rahmenwerk. Stephan Denning formulierte 2010 sieben Prinzipien von Scrum, die dies zeigen: 1. Focus on customer delight 2. Work through self-organizing teams 3. Do work in client driven iterations 4. Deliver value to clients in every iteration 5. Be totally open about impediments and issues 6. Create context for continuous self-improvement by the teams 7. Communicate: stories, questions, issues (Denning 2010 zitiert nach: Glogger 2013, 26) Mittlerweile hat Scrum den Kontext der Softwareprojekte verlassen und wird zunehmend auch in Organisationsentwicklungsprozessen eingesetzt8. So unterschiedlich die Entstehungsgeschichten der drei skizzierten Methoden und ihre Haupteinsatzbereiche sind: Effectuation, Design Thinking und Scrum vertreten gemeinsame Denkhaltungen und Ideen. Da ist zu allererst die Grundannahme, dass ein dynamisches Umfeld einer Organisation diese zu neuen
7 Der Begriff (engl. „Gedränge“) stammt aus dem Rugby: Zwei Mannschaften stehen sich in einer kreisförmigen Aufstellung, dem Gedränge, gegenüber und versuchen gemeinschaftlich, den Gegner daran zu hindern, Raum zu gewinnen. 8 Für den deutschsprachigen Bereich ist bislang nur ein Anwendungsfall von Scrum in Bibliotheken publiziert (Strobel 2015, 713). An der Hochschule der Medien wird hingegen in Projektseminaren mit Scrum zur Steuerung von studentischen Projekten experimentiert.
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Vorgehensweisen zwingt, wenn sie sich entwickeln will. Eine Planbarkeit, die zu exakten und von vornherein festlegbaren Schritten und messbaren Zielen führt, wird zunehmend zur Schimäre. Deshalb verfolgen die Methoden – in jeweils unterschiedlicher Intensität – folgende Gedanken: Zyklisches und iteratives Arbeiten in Intervallen: um reaktionsfähig zu bleiben, Zwischenziele als Motivation oder Sollbruchstelle zu nutzen und risikobewusst auf Sicht zu steuern Einbezug der Kunden und Partner: um deren Bedarfe zu ermitteln, immer wieder zu reflektieren, mit ihnen gemeinsam (weiter)zu entwickeln, aus Feedbackschleifen zu lernen und um ihr Knowhow für die Entwicklung zu nutzen Lernen und Reflektieren im Prozess: um sehr frühzeitig Fehler und Fehlentwicklung festzustellen, rechtzeitig neue Wege einschlagen zu können sowie permanentes Lernen und Entwickeln auf organisationaler und individueller Ebene zu gewährleisten Gemischte, selbstverantwortlich arbeitende Teams: um verschiedene Perspektiven sicherzustellen, vorhandene Kompetenzen zu nutzen und Kommunikation über gemeinsame Arbeit zu organisieren und zu pflegen.
Will man also Arbeits- und Denkweisen wie Effectuation, Design Thinking oder Scrum einsetzen, dann passen diese nicht mehr zu einer klassischen Steuerung über fixierte, messbare Ziele. Dann sind flexible oder relative Ziele erforderlich, so wie sie Niels Pfläging vorstellt (Pfläging 2011). Diese lassen sich mit den vorgestellten Methoden kombinieren und könnten auch für Bibliotheken ein Weg sein, um auf sich ändernde Herausforderungen und Situationen zu reagieren und diese nicht nur als lästige oder beängstigende Störung wahrzunehmen.
Vom Prozessmanagement zur agilen Prozessentwicklung Neben der Steuerung über Ziele ist Prozessmanagement ein weiteres Managementgebiet, das derzeit im Bibliotheks- und Informationssektor große Bedeutung hat. Die Motive der anwendenden Bibliotheken sind aus der Projekterfahrung der Autorin vielfältig und nicht immer klar abgrenzbar. Als häufigste Anlässe, sich mit Prozessmanagement auseinanderzusetzen, lassen sich die Einführung eines Qualitätsmanagements, ein Organisationsentwicklungsprojekt, das Bemühen um Organisationsoptimierung bzw. Rationalisierungen oder die Verbesserung des Wissensmanagements benennen. Damit implementieren Bibliotheken mit einem erheblichen zeitlichen Versatz ein Instrument, das bereits Anfang der neunziger Jahre als neuer Organisationsansatz in Unternehmen Einzug hielt. (Hammer und Champy 1994).
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Produkte und Dienstleistungen werden in Prozessen erstellt, insofern arbeiten alle Bibliotheken täglich mit und in ihren Prozessen – egal, ob sie diese bewusst managen oder nicht. Ein Denken in Prozessen geht jedoch darüber hinaus und lenkt den Blick weg von organisatorischen Strukturen und hin auf den Kunden als letztlichem Empfänger der Produkte und Dienstleistungen, die in Prozessen entstehen. Der Kunde ist auch der, der aus seiner Kundensicht die Qualität eines Prozesses beurteilt – er tut dies anhand des für ihn sichtbaren und erlebbaren Ergebnisses. Eine konsequente Kundenorientierung durch Prozessoptimierung soll erreicht werden, indem verbindliche Prozessabläufe festgelegt werden, die Blindleistungen und Stützleistungen minimieren sowie Schnittstellen und damit potenzielle Reibungspunkte in Prozessen reduzieren. Die damit einhergehende Standardisierung hat in der Regel eine Transparenzsteigerung und eine Komplexitätsreduzierung und damit einen Gewinn an Steuerbarkeit und Effizienz zur Folge (Tomys 1995). Für Bibliotheken, die als Branche gerade ins Thema Prozessmanagement einsteigen, steht der positive Effekt der Standardisierung im Vordergrund. Es werden Potenziale frei, die vor dem Hintergrund knapper personeller Ressourcen im besten Fall für eine Verbesserung oder den Ausbau von Dienstleistungen genutzt werden können. Standardisierung birgt jedoch naturgemäß Risiken und so ist es nicht verwunderlich, dass sowohl aus der Unternehmenspraxis wie aus der betriebswirtschaftlichen Forschung kritische Töne zu hören sind. Dort hat man mehr Erfahrung mit Prozessmanagement als im Bibliothekssektor und richtet deshalb den Blick auch auf die Kehrseite der Medaille. Gerade weil die Standardisierung wünschenswerte Effekte zeige, habe man es zu weit getrieben, dokumentiere zu viele Details, habe den Blick auf Zusammenhänge verloren und den Ist-Zustand eines Prozesses zum unveränderlichen Referenzmodell erklärt (Friedrichsen 2010). Hier lässt wieder Taylor grüßen, wenn es um strikte Regelbindung bei der Arbeits- und Organisationsgestaltung geht. Eine zweite Kritiklinie nimmt Überlegungen auf, die schon zuvor für die Auseinandersetzung mit zielorientierter Steuerung eine zentrale Rolle gespielt haben, nämlich die wachsende Dynamik des Umfelds einer Organisation, die instabilen Kundenanforderungen und die sich schnell entwickelnden technikgetriebenen Arbeitsumgebungen. Vor diesem Hintergrund wurde in den letzten Jahren in der Betriebswirtschaft ein intensiver Diskurs über die Weiterentwicklung und die Differenzierung von Prozessmanagement geführt. Neben stark strukturierten Prozessen, die häufig in hoher Fallzahl und stark technisch unterstützt abgewickelt werden, gibt es wissensbasierte, kreative und entscheidungstragende Prozesse, die anderen, v. a. aber weniger Regeln folgen. Solche schwach strukturierten Prozesse sind mit dem klassischen Workflow-Management nicht sinnvoll zu greifen. Hier setzt „Adaptive Case Management“ an. Dieser noch ganz neue Ansatz aus dem Jahr 2009 versteht sich als Gegenentwurf und Ergänzung
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zum klassischen Geschäftsprozessmanagement. Keith Swenson beschreibt Case Management so: „The case becomes the focal point for assessing the situation, initiating activities and processes, as well as keeping a history record of what has transpired“ (Swenson 2013, 2). Adaptive Case Management nutzt also fallbezogene Daten und das Wissen der Bearbeiter, um um diese herum einen Prozess zu organisieren. Dazu werden keine ausgefeilten Prozessbeschreibungen entwickelt, sondern Templates genutzt, die typischerweise benötigte hilfreiche Strukturen und Inhalte zugänglich machen und die zwar einen Rahmen für den Ablauf setzen, aber keinen detaillierten Ablauf vorgeben. Der eigentliche Fallverlauf, also der adaptive Prozess, entsteht bei der (ersten) Durchführung, wird evaluiert und für weitere Fälle in eine Template-Bibliothek übernommen. Das heißt, bei aller Offenheit und Adaptabilität geht es nicht um ein (individuelles) Durchwursteln, sondern einen reflektierten Prozess, der dokumentiert wird und damit in die Wissensbasis einer Organisation eingeht. Prozesse in Bibliotheken, die für dieses Verständnis von Prozessmanagement geeignet wären, sind weniger die Kernprozesse wie Medienbereitstellung und Benutzungsdienst, als v. a. die Managementprozesse einer Bibliothek, also planerische, konzeptionierende Prozesse oder auch Prozesse, in deren Mittelpunkt eine individuelle fallbezogene Beratung von Menschen steht9.
3 Strategien des Einsatzes von Managementinstrumenten „Eine Strategie [ist] ein Plan (…) oder etwas in der Art – eine Richtung, eine Leitlinie oder eine zukünftig zu ergreifende Handlung, ein Weg von hier nach dort“ (Mintzberg, Ahlstrand und Lampel 2012, 26), so jedenfalls definieren die drei Autoren den schillernden Begriff Strategie. Welchen Weg „von hier nach da“, also welche Strategie soll man Bibliotheken empfehlen, wenn es um den Einsatz von Managementinstrumenten geht? Ist es gut und empfehlenswert, den begonnenen Weg weiterzugehen, d. h., überhaupt Instrumente bewusst und aktiv einzusetzen (und nicht nur zu erleiden), damit eigene Erfahrungen zu machen, um dann in einem nächsten Schritt die eher rigiden Strukturen z. B. eines klassischen Prozessmanagements oder einer zielorientierten Steuerung mit fixierten Zielen aufzubrechen und agile
9 Experimentiert wird mit dem Einsatz von ACM derzeit an der Bibliothek der Dualen Hochschule Heidenheim (Haller 2015).
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Methoden auszuprobieren? Das hieße, den Weg zu gehen, den auch viele Unternehmen gegangen sind. Denn die Beispiele zur Entwicklung agiler Methoden haben gezeigt, dass erst der längerfristige, routinierte Einsatz von Managementinstrumenten dazu geführt hat, dass deren Schwachstellen sichtbar wurden, dass die Gefahr stieg, an sich sinnvolle und praktikable Instrumente zu überreizen und damit negative Effekte auszulösen. Die Gretchenfrage lautet: Muss man diesen Umweg gehen? Könnten Bibliotheken ihn nicht überspringen und direkt und unerschrocken in die Anwendung agiler Methoden einsteigen? Denn klar ist auch, dass eine wesentliche Begründung für den Einsatz agiler Methoden für Bibliotheken zweifelsohne gilt: Sie bewegen sich in einem Umfeld, das nicht mehr stabil und sicher prognostizierbar ist und in dem ihre Mitbewerber und Stakeholder nur noch begrenzt berechenbar sind. Soweit Bibliotheken ihr Umfeld nicht gänzlich anders einschätzen, wäre die Antwort naheliegend. Dennoch bleibt die Unsicherheit, ob ein Sprint von Null auf Hundert eine gute Idee wäre? Vielleicht gilt wie immer: Der goldene Mittelweg hat einiges für sich. Man beginne also mit eher bewährten, strukturierten, begrenzenden und damit auch Sicherheit gebenden Instrumenten, sei sich aber immer deren Grenzen bewusst und integriere rechtzeitig, besser frühzeitig, agile Elemente, die die Chance bieten, auch auf diesem Weg eine lernende, kundenorientierte und agile Organisation zu entwickeln. Grundlegend für eine solche Haltung ist, Managementinstrumente und Managementkonzepte als Hilfsmittel zu verstehen, die eingesetzt werden, um ein bestimmtes Ziel schneller oder besser zu erreichen, als es ohne sie möglich wäre – und nicht als Heilslehre. Als logische Konsequenz muss man diese Tools laufend kritisch auf ihre Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit prüfen. Managementinstrumente sind nicht statisch, sondern müssen entwickelt und – um als Hilfsmittel tauglich zu bleiben – immer wieder an neue Rahmenbedingungen angepasst werden.
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Management von Bibliotheken
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Margo Bargheer Leitung Elektronisches Publizieren in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek der Georg-August-Universität Göttingen Platz der Göttinger Sieben 1 D – 37070 Göttingen [email protected] Prof. Dr. Gabriele Beger Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky Von-Melle-Park 3 D – 20146 Hamburg [email protected] Roland Bertelmann Leiter der Bibliothek und Informationsdienste (LIS) des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ Telegrafenberg D – 14473 Potsdam [email protected] Dr. Achim Bonte Stellv. des Generaldirektors der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) D – 01045 Dresden [email protected] Prof. Dr. Andreas Degkwitz Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin Geschwister-Scholl-Str. 1/3 D – 10117 Berlin [email protected] Malle Ermel Leiterin der Abteilung der Handschriften und seltener Bücher der Universitätsbibliothek Tartu W. Struve Str. 1 50091 Tartu Estnische Republik [email protected] Dipl. Ing. Inken Feldsien-Sudhaus Direktorin der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Hamburg-Harburg Denickestr. 22 D – 21073 Hamburg [email protected]
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Prof. Dr. Ulf Göranson Former Director Uppsala University Library P.O. Box 510 SE-751 20 Uppsala, Sweden [email protected] Martin Hallik, PhD Direktor der Universitätsbibliothek Tartu W. Struve Str. 1 50091 Tartu Estnische Republik [email protected] Dr. Wolfram Horstmann Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek der Georg-AugustUniversität Göttingen Platz der Göttinger Sieben 1 D – 37070 Göttingen [email protected] Maxi Kindling, M. A. Mitarbeiterin des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HumboldtUniversität zu Berlin Dorotheenstr. 26 D – 10099 Berlin [email protected] Prof. Dr. Claudia Lux Project Director der Nationalbibliothek in Katar (QNL) Al Hitmi Doha, Katar [email protected] Dr. Ann Matheson Secretary-General, Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche (LIBER) formerly National Library of Scotland Edinburgh Scotland, UK [email protected] Dr. Ulrich Niederer Direktor der Zentral- & Hochschulbibliothek Luzern Sempacherstrasse 10 Postfach 4469 CH – 6002 Luzern [email protected]
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Heinz Pampel Projektmanager in der Bibliothek und Informationsdienste (LIS) des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ Telegrafenberg D – 14473 Potsdam [email protected] Prof. Dr. Andrea Rapp Stellv. Geschäftsführende Direktorin des Institutes für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt Landwehrstraße 50A Gebäude S4|23 D – 64293 Darmstadt [email protected] Prof. Dr. h.c. mult. Klaus Gerhard Saur Lehrbeauftragter am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin Vorsitzender der historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels Dorotheenstr. 26 D – 10099 Berlin [email protected] Frank Scholze Direktor der KIT-Bibliothek am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Straße am Forum 2 D – 76131 Karlsruhe [email protected] Prof. Michael Seadle, PhD Direktor des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin Dorotheenstr. 26 D – 10099 Berlin [email protected] Tiiu Tarkpea Data Librarian Universitätsbibliothek Tartu W. Struve Str. 1 50091 Tartu Estnische Republik [email protected]
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Paul Vierkant, M. A. Projektmanager in der Bibliothek und Informationsdienste (LIS) des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ Telegrafenberg D – 14473 Potsdam [email protected] Prof. em. Dr. Peter Vodosek Seestraße 89 D – 70174 Stuttgart [email protected] Prof. Cornelia Vonhof Professorin für Public Management an der Hochschule der Medien Stuttgart, Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement Nobelstr. 10 D – 70569 Stuttgart [email protected]
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