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German Pages 152 Year 2016
Olaf Lahayne
Beschimpft Österreich! Der Skandal um die Staatspreisrede Thomas Bernhards im März 1968
Mit 8 Abbildungen
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0489-6 ISBN 978-3-8470-0489-9 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0489-3 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de T 2016, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: T Gerhard Carl Moser, Holzschnitt, Quelle: stiftfits.at Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, D-96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Gewidmet meinen Eltern, die meiner Neugierde stets freie Bahn ließen.
Inhalt
Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Staatspreis . . . . . . . . . . . . . . Bernhard und der Staatspreis für Lyrik . Bernhards Beurteilung des Staatspreises
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15 17 19 20
Teil I: Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum »Frost« statt »Verstörung«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufung und Zusammensetzung der Jury . . . . . . . . . . . . . . Die Juroren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Bernhards erster Wien-Besuch . . . . . . . . . . . . . . . Die Arbeit der Staatspreis-Jury . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einreichung von »Frost« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Preisträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Hans Lebert und Thomas Bernhard . . . . . . . . . . . . Exkurs: Bernhards Förderung durch das Unterrichtsministerium
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23 23 24 26 31 34 37 40 41 45
Teil II: Der Festakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ablauf des Festaktes nach Thomas Bernhard Exkurs: Thomas Bernhard und die Musik . . . Die Laudatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhards ›Dankesworte‹ . . . . . . . . . . . . . Die verschiedenen Berichte Bernhards . . . . . . Die Aussage der ›Dankesworte‹ . . . . . . . . . .
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49 50 53 56 59 65 72
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Inhalt
Teil III: Das Nachspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Presseecho – Die ersten Tage . . . . . . . . . . Das Presseecho – Der »Wiener Montag« . . . . . . Das internationale Presseecho . . . . . . . . . . . . Der Anton Wildgans-Preis . . . . . . . . . . . . . . Inland und Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . Parlamentarisches Nachspiel . . . . . . . . . . . . Die weitere Genese der Darstellung des Geschehens
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Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verlauf des Geschehens am 4. März … … und was daraus bei Bernhard wurde . . Interpretationen: Bernhard als Opfer … . … und als Täter . . . . . . . . . . . . . .
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Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang A: Analyse der Staatspreis-Szene aus »Wittgensteins Neffe« . .
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Anhang B: Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anmerkungen & Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zitate
Wenn wir der Wahrheit auf der Spur sind, ohne zu wissen, was diese Wahrheit ist, die mit der Wirklichkeit nichts als die Wahrheit, die wir nicht kennen, gemein hat, so ist es das Scheitern, es ist der Tod, dem wir auf der Spur sind … Thomas Bernhard, 19681 Ohnehin war es nie Bernhards Ehrgeiz, eine nachprüfbare Realität wiederzugeben, sondern eine Realität zu schaffen, die suggestiv genug wäre, um ihre Überprüfung entbehrlich zu machen. Marcel Reich-Ranicki, 19782 Da die Wahrheit mitzuteilen und also zu zeigen, nicht möglich ist, haben wir uns damit zufriedengestellt, die Wahrheit schreiben und beschreiben zu wollen, wie die Wahrheit zu sagen, auch wenn wir wissen, daß die Wahrheit niemals gesagt werden kann. Die Wahrheit, die wir kennen, ist logisch die Lu¨ ge, die, indem wir um sie nicht herumkommen, die Wahrheit ist. Thomas Bernhard, 19763 Wieweit ist das, was er sagt, richtig, wahr und, wo er über sich selbst berichtet, »authentisch«? Thomas Bernhard schreibt nicht nur für das Schauspiel, sondern er ist, auch als Prosaautor, selbst ein Schauspieler durch und durch. Thomas Anz, 19824 Das Wort, das am Papier steht, ist ja auch längst tot, das ist im Grund auch nichts wert. Aber nur das können sie meistens verkaufen, weil die Welt betrogen sein will, nich’? Am Papier ist meistens nur Betrug. Thomas Bernhard, 19815 Sich selbst durchschauen lassen will er nicht und baut noch immer an einem Memoirengebäude, in dem Wahrheit und Täuschung, auch Selbsttäuschung, eine ganz und gar unerträgliche Mischung bilden, und das eines Tages, wenn Bernhard soweit ist, nicht nur andere, sondern auch sich selbst schonungslos analysieren zu können, zusammenkrachen muß. Achim Ayren, 19786 Skandal ist schon recht, aber ausnützen muss man ihn können. Thomas Bernhard, 19727
Geleitwort
Bei wenigen Autoren durchdringen einander biographisches Erleben und literarische Fiktion so sehr wie bei Thomas Bernhard. Dass dieser Autor es außerdem verstand, sein öffentliches Erscheinungsbild mit theatralischer Kunstfertigkeit zu stilisieren, gehört zu den grundlegenden Erkenntnissen der germanistischen Forschung. Vor allem versuchte er durch eine Reihe autobiographischer Texte gewissermaßen die Deutungshoheit über sein Leben zu erringen – durch seine fünf zwischen 1975 und 1982 erschienenen Bände Die Ursache, Der Keller, Der Atem, Die Kälte und Ein Kind, aber auch durch die Erzählung Wittgensteins Neffe (1982) und die postum gedruckte Textsammlung Meine Preise (2008). So konnte er die Art und Weise, wie er von seinem Publikum gesehen wurde, zunehmend mitbestimmen, und die Öffentlichkeit ist ihm seither auch willig gefolgt – liest man etwa die Rezensionen nach Erscheinen von Meine Preise, so lässt sich feststellen, dass die Literaturkritik bisweilen bis ins Detail die Darstellungen des Autors mit der Realität gleichgesetzt hat. Zu den wirkungsmächtigsten Bildern der öffentlichen Figur Thomas Bernhard gehört sein Auftreten als Staatsfeind und Österreich-Kritiker ; nach wie vor prägt es vor allem in seinem Herkunftsland die öffentliche Wahrnehmung. Noch immer wird er genau deshalb von manchen Menschen abgelehnt, während er von einem mittlerweile überwiegenden Teil des Publikums als mutiger Kritiker der herrschenden Zustände geschätzt wird. Nicht selten ist die Opferrolle eines vom Staat und seinen Organen existentiell verfolgten Schriftstellers der strukturelle Rahmen einer solchen Einschätzung; es ist ein Modell, an dessen Etablierung Bernhard, wie man inzwischen weiß, aufgrund seiner Schilderung der von ihm ausgelösten Skandale durchaus beteiligt war. Kaum eine öffentliche Aufregung eignet sich zur Illustration dieser komplizierten Zusammenhänge besser als die Verleihung des österreichischen Staatspreises für Roman mit dem folgenden Skandal um Bernhards Dankesrede. Der Autor des vorliegenden Bandes hat sich der Aufgabe unterzogen, die im literaturgeschichtlichen Diskurs kursierenden Darstellungen des Vorfalls und seiner Folgen mit den heute zugänglichen Dokumenten zu vergleichen. Schon Bern-
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Geleitwort
hards eigene Wiedergabe der Ereignisse weist signifikante Widersprüche auf; es gibt mehrere Versionen, die der Initiator der damaligen Aufregungen in die Welt gesetzt hat, und sie stimmen weder in allen Details miteinander überein, noch halten sie einem Vergleich mit den Überlieferungen anderer sowie den schriftlichen Zeugnissen von »offiziellen« Seite stand. Bemerkenswert ist aber auch, wie sich Bernhards Behauptungen bezüglich der von ihm als feindselig und bedrohlich wahrgenommenen Reaktionen der Öffentlichkeit bei einem genaueren Blick auf die tatsächlich stattgefundene mediale Rezeption relativieren. Der Wert der hier vorgenommenen Rekonstruktion liegt darin, dass sich mit ihrer Hilfe eine Zusammenstellung von Dokumenten studieren lässt, wie sie bisher – trotz der verdienstvollen Forschungen etwa von Maria Fialik und Louis Huguet – noch nicht in diesem Umfang an einem Ort versammelt war. Nüchtern und mit erkennbarer Skepsis gegenüber seinem Forschungsobjekt Thomas Bernhard gibt ihr Autor zur Beurteilung frei, was bei eingehender Recherche heute noch aufzufinden ist. Seine Nachzeichnung der schriftlichen Zeugnisse zum einstigen Staatspreis-Skandal, der sich in manchen Einzelheiten selbst zu einer Art literarischem Mythos verselbständigt hat, ersetzt nicht die notwendige Analyse der Funktion, die Bernhards Vorgangsweise im Kontext seiner literarischen Karriere – und vor allem innerhalb seines charakteristischen Provokationsprogramms – hatte. Aber sie gibt künftigen biographischen und werkgeschichtlichen Arbeiten zu dieser Episode aus Bernhards Leben durch die Ausführlichkeit, mit der sie viele dieser Dokumente erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht, eine solide Grundlage. Manfred Mittermayer
Vorwort
Um keine falschen Erwartungen zu wecken, möchte ich an dieser Stelle erklären, worum es in diesem Buch geht und worum nicht: Mein Thema ist die Verleihung des Staatspreises an Thomas Bernhard, also der Verlauf des Festaktes am 4. März 1968 selbst sowie die zugehörige Vor- und Nachgeschichte(n). Zu letzterer gehört auch die Verleihung des Anton Wildgans-Preises noch im gleichen Monat, weshalb ich auch diese Auszeichnung thematisiere. Auf die Werke von Thomas Bernhard wird nur eingegangen, soweit es der Zusammenhang erfordert; es treten nur Personen auf, die in dieser Angelegenheit eine Rolle spielten; zeitgeschichtliche und literaturhistorische Fragen werden nur thematisiert, soweit sie in diesen Kontext gehören. Es soll auch nicht erörtert werden, inwiefern die Verleihung des Staatspreises an Bernhard in künstlerischer Hinsicht gerechtfertigt war ; es soll weder eine Bewertung des Werkes von Bernhard vorgenommen noch eine psychologische Deutung vorgelegt werden – so verlockend all dies sein mag. Bei dem vorliegenden Büchlein handelt es sich also um eine (literatur-)historische Untersuchung, die jenen bald ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Vorfall so gründlich als möglich durchleuchten soll. Jene Episode wird zwar in den meisten biographischen Werken über Bernhard erwähnt; eine Arbeit, die sich ausschließlich diesem Thema widmet, existierte aber (meines Wissens nach) bisher noch nicht.8 Eine Reihe von Texten hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten unter anderem mit dem sogenannten Staatspreis-Skandal beschäftigt, und auch meine Untersuchungen baut zum Teil auf diesen Materialien auf. Dies war oftmals notwendig, da inzwischen die meisten Zeitzeugen verstorben sind und deren Zeugnisse nur noch in schriftlicher Form vorliegen. Umso wichtiger war es mir, auch Auskünfte von noch lebenden Zeugen heran zu ziehen. Außerdem habe ich Unterlagen aus diversen Archiven gesichtet, wofür ich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Österreichischen Staatsarchives, der Österreichischen Nationalbibliothek, des Österreichischen Literaturarchives, der Österreichi-
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Vorwort
schen Gesellschaft für Literatur sowie des Thomas-Bernhard-Archives für ihre Hilfestellungen zu Dank verpflichtet bin. Abschließend noch ein kurzes Wort zur Motivation dieser meiner Arbeit: Ich lebe erst seit 1997 in Österreich, und als gelernter Naturwissenschaftler habe ich hauptberuflich nichts mit dem Thema Literaturgeschichte zu tun. All dies mag dazu beigetragen haben, dass mir die bisherigen Darstellungen des sogenannten Staatspreis-Skandals von Anfang an in einer vagen Art und Weise seltsam und unwahrscheinlich erschienen. Dies begann mit einer ominösen Glastür, auf die noch zurückzukommen sein wird, und je mehr ich nachforschte, desto interessanter wurde die Sache, und es ergaben sich einige überraschende Erkenntnisse und Einblicke. Ich hoffe, somit die bisherigen Dar- und Vorstellungen über Thomas Bernhard durch meine Arbeit ergänzen und stellenweise auch korrigieren zu können. Dies mag nur einen kleinen Ausschnitt aus seiner Biographie betreffen, doch geht es hier um keine unwesentliche Episode aus dem Leben jenes Autors, wie die folgende Einleitung skizzieren soll.
Einleitung
Gut 25 Jahre nach seinem Tod ist das Werk des Schriftsteller Thomas Bernhard (1931–1989) zu einem Teil des Literaturkanons Österreichs, wenn nicht Europas und der Welt geworden. Daher spare ich mir einen Überblick über sein Leben sowie sein Œuvre, zumal dazu bereits reichlich Literatur zur Verfügung steht.9 Zugleich wird der Autor nach wie vor mit dem Epitheton »Skandalautor« versehen,10 und oft assoziiert man mit seiner Person weniger seine Bücher als eben jene (vorgeblichen) Skandale, die sich an einigen seiner Werke entzündeten. Zum 25. Todestag des Autors wurden beispielsweise von Radio Österreich 1 zwei Sendereihen produziert: Eine widmete sich den Gedichten von Bernhard; die andere stand unter der Überschrift »Der Skandalmacher.«11 Schluss- und Höhepunkt (oder auch Tiefpunkt) dieser Kette von mehr oder minder aufsehenerregenden Vorfällen waren die Vorgänge rund um die Uraufführung des Stückes »Heldenplatz« im Jahre 1988. Am Anfang aber stand der Vorfall bei der Staatspreis-Verleihung zwanzig Jahre davor.12 In Bernhards posthum veröffentlichter Schrift »Meine Preise« steht die von der StaatspreisVerleihung inspirierte Erzählung zwar nicht an erster Stelle (weder chronologisch noch im Text), aber in der Mitte der neun Preis-Episoden; zudem bildet sie das längste Kapitel, wenn nicht »das Herzstück des Bandes«13. Außerdem hat Bernhard den Vorfall in »Wittgensteins Neffe« (1982) literarisch verarbeitet. Auf diese beiden Quellen, ihren Gattungscharakter und ihre Chronologie werde ich ausführlich eingehen. Aber während zu »Heldenplatz« sowie zum Prosawerk »Holzfällen – Eine Erregung«, »das 1984 Thomas Bernhards Ruf als Skandalautor endgültig festigte«14, reichlich Literatur vorliegt, ist die erwähnte Vernachlässigung der Ereignisse vom 4. März 1968 recht bemerkenswert – vor allem angesichts der Bedeutung, die diesem Vorfall heute beigemessen wird. Seinerzeit berichteten etwa die »Salzburger Nachrichten« am 5. März 1968 lediglich in einer knappen, nüchternen Meldung von der Überreichung der Staatspreise:
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Einleitung
»Der Schriftsteller Thomas Bernhard, die Bildhauer Alfred Hrdlicka und Josef Pillhofer, die Medailleurin Elfriede Rohr sowie die Komponisten Gerhard Wimberger und Josef Friedrich Doppelbauer (beide Lehrer an der Salzburger Akademie Mozarteum) erhielten am Montag im Rahmen einer Feierstunde im Audienzsaal des Unterrichtsministeriums die ihnen verliehenen Österreichischen Staatspreise 1967. Die Auszeichnungen überreichte Minister Dr. Piffl- Percˇevic´. Der aus Salzburg gebürtige Autor Thomas Bernhard, der den Preis für seinen Roman ›Frost‹ erhalten hatte, sprach im Namen der übrigen Laureaten die Dankesworte. In derselben Feier überreichte der Unterrichtsminister dem Schriftsteller Hans Lebert die Adalbert-Stifter-Medaille.«15
Das ist auch schon der ganze Artikel. Die meisten österreichischen Tageszeitungen brachten überhaupt keine diesbezügliche Meldung. Die Fernsehnacha richten vermeldeten ebenfalls nur knapp die Verleihung der Preise; in einem Radiobeitrag konzentrierte man sich auf die bei der gleichen Veranstaltung b verliehene Stifter-Medaille. Liest man aber Publikationen jüngeren Datums, so scheint es bei der Preisverleihung nicht nur hoch her gegangen zu sein; es sei auch (Literatur-)Geschichte geschrieben worden: »Begonnen hatte die Kette regelmäßiger Ärgernisse durch Bernhards öffentliche Auftritte 1968, als der Roman Frost ihm den Kleinen Österreichischen Staatspreis für Literatur einbrachte.«16 »Es ist bekannt, dass Thomas Bernhard 1968 durch seine Ansprache bei der Verleihung des Österreichischen Staatspreises einen großen Skandal ausgelöst hat, weil er unter anderem den Staat als ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern verurteilt ist, beschrieben und dem österreichischen Volk Ahnungslosigkeit attestiert hat.«17 »Der Eklat, der dann folgte, ist Literaturgeschichte. Der Minister verlässt nach den Dankesworten des Preisträgers zornbebend und türenschlagend den Saal, Fäuste werden drohend geschüttelt, Beleidigungen gebrüllt, und am nächsten Tag schreibt eine Wiener Zeitung, der Schriftsteller Thomas Bernhard sei ›eine Wanze, die man vertilgen müsse‹. Damit war ein Ton angeschlagen, der bis zum späten Theaterskandal um Bernhards »Heldenplatz« nicht mehr verklingen sollte.«18 »Nachdem Bernhard mit seinem Roman ›Frost‹ Einzug in die literarische Öffentlichkeit gehalten hatte, war er mit dieser Rede nun aber auch einem nicht nur primär literarisch interessierten Publikum ein Begriff geworden.«19 »Wenn es denn eines prägnanten Datums bedarf, das den Anbruch einer Epoche sinnfällig macht, dann könnte dies der 4. März 1968 sein, der Tag der Verleihung des Österreichischen Staatspreises an Thomas Bernhard […] Der Schriftsteller hatte sich (und seinesgleichen) selbstbewußt als eine kritische Instanz der Öffentlichkeit präsentiert, mit der künftig zu rechnen war. In der Rückschau will es scheinen, als sei mit a b
Siehe S. 78. Siehe S. 42f.
Der Staatspreis
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dem Eklat ein Riß in der heilen Kulturwelt Österreichs entstanden.«20 Kurz, »der Eklat war ungeheuerlich.«21
Die Reihe dieser Zitate ließe sich noch um einiges verlängern. In einer Wiener Ausstellung des Jahres 2013 mit dem Titel »Meldungen, die Österreich bewegten«22 war Thomas Bernhard eine eigene Vitrine gewidmet, und dabei stand der sogenannte Staatspreis-Skandal im Zentrum. Für alle anderen Kunst-Skandale der zweiten Republik musste eine weitere Vitrine ausreichen. Was genau ist am 4. März 1968 im Unterrichtsministerium am Wiener Minoritenplatz geschehen? Wie kam es zu diesem Geschehen, und warum hat dieser Vorfall anscheinend so hohe Wellen geschlagen, die bis heute noch nicht verebbt sind? Wie wurde ein Vorfall, den selbst viele Anwesende kaum zur Kenntnis nahmen, zum »Anbruch einer Epoche«? Warum ist dieses Thema heute noch von Interesse? Und worum genau geht es eigentlich? Sinnvollerweise will ich die letzte Frage gleich in dieser Einleitung beantworten. Im ersten Teil dieses Buches rolle ich – soweit das heute noch möglich ist – die Vorgeschichte jenes Vorfalles auf. Im zweiten Teil geht es dann um das Geschehen während der Preisverleihung selber. Im dritten Teil gehe ich auf die Nachgeschichte ein, um im Fazit die Quintessenz meiner Untersuchung zu ziehen. Im Nachwort werde ich mich um eine abschließende Bewertung bemühen.
Der Staatspreis Streng genommen ist es inkorrekt, in diesem Zusammenhang von dem (Österreichischen) Staatspreis zu sprechen; ebenso ist es zumindest irreführend, wenn Bernhard den ihm verliehenen Preis wiederholt (offenbar im pejorativen Sinne) als »Kleinen Staatspreis« bezeichnet. Tatsächlich vergab (und vergibt) die Republik Österreich eine Reihe von Auszeichnungen, die als »Staatspreis« bezeichnet werden. (Zu Details siehe zum Beispiel die Homepage des Bundeskanzleramtes.23) Eine dieser Auszeichnungen wird in der Tat als »Großer Österreichischer Staatspreis« bezeichnet, während der Bernhard verliehene Preis zeitweise als Förderungspreis bezeichnet wurde, niemals aber offiziell als »Kleiner Staatspreis«. Auch in den Quellen kommt jene Bezeichnung fast nur vor, wenn auf Bernhard Bezug genommen wird. In einem Radiointerview erklärt der Ministerialrat Friedrich Kleinwächter den Unterschied wie folgt: »… und zwar unterscheiden wir zwei Arten von Staatspreisen: Den sogenannten Großen Österreichischen Staatspreis; der wird vorgeschlagen vom Österreichischen Kunstsenat und gilt der Würdigung des Lebenswerkes eines Künstlers, während die
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Einleitung
Österreichischen Staatspreise selbst die Anerkennung eines bestimmten Werkes eines Künstlers sein sollen.«24
Jedenfalls wurde dieser ›kleine‹ Staatspreis im März 1968 (für das Jahr 1967) in fünf Kategorien aus den Gebieten der Literatur, der bildenden Kunst und der Musik verliehen. In den Unterlagen des dafür zuständigen Unterrichtsministeriums war die Preisvergabe detailliert geregelt: »Ausschreibung Der Staatspreise 1967 für Roman, für Plastik, für Medailleurkunst, für Orchesterwerke sowie für Messen und Oratorien. 1) Es werden hiermit Staatspreise für Roman, für Plastik, für Medailleurkunst, für Orchesterwerke sowie für Messen und Oratorien ausgeschrieben, die aufgrund persönlicher Bewerbung verliehen werden. Sie sind mit je S[chilling] 25.000,– dotiert. 2) Die Staatspreise (die früher ›Staatliche Kunstförderungspreise‹ genannt wurden) können österr. Staatsbürgern zuerkannt werden. Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr besitzen, aber vor dem 12. 11. 1918 in dem Gebiet der österreich-ungarischen Monarchie oder nach diesem Datum in der Republik Österreich geboren wurden, sind in diesem Falle den österreichischen Staatsbürgern gleichzuhalten. 3) Wer den Bedingungen des Punktes 2) entspricht, kann sich um die Staatspreise mit Werken, die innerhalb der letzten 5 Jahre entstanden sind, bewerben. 4) Der Bundesminister für Unterricht ernennt für jede der drei Kunstgattungen ein Preisrichterkollegium, das ihm Vorschläge für die Vergebung der Preise zu erstatten hat. Sollten sich die Juroren außerstande erklären, für die Verleihung einzelner Preise Anträge zu stellen, kann von deren Vergebung Abstand genommen werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß auf Grund von Anträgen der Jury für dieselbe Kunstsparte mehrere Staatspreise verliehen werden. Alle Juroren werden hinsichtlich ihrer Beratungen und Bewertungen der absoluten Schweigepflicht unterworfen. 5a) Der Wettbewerb auf dem Gebiet der Literatur wird für Romane ausgeschrieben. Die Bewerbung um den Staatspreis für Roman erfolgt durch die Vorlage eines Romanes in Maschinenschrift oder Druck. [In 5b) bis 5d) folgen entsprechende Regelungen für die anderen Sparten.] 6) Träger der seit 1950 verliehenen Staatspreise (Förderungspreise) sind von einer Bewerbung um den Staatspreis 1967 derselben Kunstgattung ausgenommen. 7) Für die Bewerbung um den Staatspreis 1967 für Romane ist es ohne Belang, ob die eingereichte Arbeit bereits veröffentlicht wurde. [Es folgen analoge Bestimmungen für die anderen Gattungen.] 8) Die Einreichung der literarischen und musikalischen Arbeiten hat bis zum 31. 3. 1967 bei der Einlaufstelle des Bundesministeriums für Unterricht, Wien I., Minoritenplatz 5 oder im Postwege bei der Abteilung II-5 des genannten Bundesministeriums zu erfolgen. Die Einreichungen sind mit der Aufschrift ›Staatspreis 1967‹ zu versehen. Die Manuskripte, Druckwerke und Partituren haben (ausgenommen die in Pkt. 9 genannten Fälle) die Angabe des Namens in Blockschrift, des Berufes und der Anschrift des Preiswerbers zu tragen. Außerdem ist eine schriftliche Erklärung des Inhaltes beizulegen, daß der Autor den Bestimmungen des Punktes 2 entspricht und daß er sich den übrigen Bedingungen der Ausschreibung unterwirft. Nicht in Österreich lebende Bewerber haben ihre Be-
Bernhard und der Staatspreis für Lyrik
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rechtigung zur Teilnahme am Wettbewerb (siehe Pkt.2) durch amtliche Dokumente nachzuweisen. 9) Die Einreichung von Manuskripten und Partituren unter Kennwort und von unter Pseudonym erschienen Druckwerken ist zulässig, in diesem Fall ist ein mit Kennwort versehenes, verschlossenes Kuvert beizulegen, das den Namen (Blockschrift), den Beruf und die Anschrift des Preiswerbers sowie dessen, wie oben in Pkt. 8 erwähnte, Erklärung enthält. [In 10) und 11) folgen detaillierte Bestimmungen für die anderen Gattungen.] 12) Den Preisträgern bleibt die Verwertung des Urheberrechtes gewahrt, doch behält sich das Bundesministerium für Unterricht vor, die preisgekrönten Werke im Zusammenhang mit der Preisverleihung ganz oder teilweise öffentlich oder im Rundfunk vorführen zu lassen oder öffentlich auszustellen. 13) Nach Abschluß der Wettbewerbe werden die eingereichten literarischen und musikalischen Arbeiten den Wettbewerbsteilnehmern im Postwege zugeleitet. In Wien ansässige Bewerber um den Staatspreis für Medailleurkunst wollen nach der Preisverleihung ihre Einreichungen persönlich im Bundesministerium für Unterricht abholen, den auswärtigen Bewerbern um diesen Preis werden die Einreichungen im Postwege rekommandiert zurückgesandt. 14) Die Wettbewerbsergebnisse werden gegen Jahresende verlautbart. 15) Das Bundesministerium für Unterricht beabsichtigt im Jahre 1968 Staatspreise für kürzere erzählende Werke, für Architektur und für Kompositionen für Soloinstrumente auszuschreiben. Wien, am 31. Jänner 1967 Der Bundesminister : Dr. Piffl«25
Punkt 15 ist auf eine Besonderheit dieses Preises zurückzuführen, die ebenfalls in den Unterlagen des Ministeriums dargelegt wird: »Da die Ausschreibungen nach einem 5jährigen Turnus, der seit Wiedererrichtung des Staatspreises im Jahre 1950 beobachtet wird, erfolgen, wäre nun (d. h. für das Jahr 1967) die Ausschreibung für Roman, für Plastik, für Medailleurkunst, für Orchesterwerke sowie für Messen u. Oratorien vorzunehmen.« Entsprechend dieses Turnus war für das Jahr 1966 ein Staatspreis für Lyrik ausgeschrieben worden, und an dieser Ausschreibung hat sich auch Thomas Bernhard beteiligt.
Bernhard und der Staatspreis für Lyrik Dass sich Thomas Bernhard bereits im Jahre 1966 an der Ausschreibung des Staatspreises in der Sparte Literatur beteiligt hat, mag in mehrfacher Hinsicht überraschen: Erstens schien sein Schaffen als Lyriker mit der Ablehnung seines Gedicht-Zyklus »Frost« (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Roman)
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Einleitung
durch den Verlag Otto Müller im Jahre 1960/61 de facto beendet zu sein;26 bis zur Publikation des Romans »Frost« erschienen nur noch einzelne Gedichte in Sammelbänden oder Zeitschriften. Zweitens ist eine solche Teilnahme kaum bekannt; meines Wissens nach hat bisher nur Maria Fialik dieses Thema behandelt.27 Auch Bernhard selber hat sich (jedenfalls öffentlich) nie dazu geäußert. Drittens hat er (zumindest in späteren Jahren) aus seiner Verachtung für Auszeichnungen, Auszeichnende und Ausgezeichnete nie einen Hehl gemacht – vor allem, wenn dabei der österreichische Staat eine Rolle spielte. a Bernhards Teilnahme geht aus den erhaltenen Dokumenten aber eindeutig hervor.28 Um welche der Gedichte Bernhards es sich handelt, habe ich nicht weiter untersucht, ebenso wenig, ob er sich eventuell in den Jahren zuvor bereits an den Ausschreibungen des Staatspreises beteiligt hat. Im Jahre 1966 wurden jedenfalls seine Gedichte positiv beurteilt und in den beiden wiedergegebenen Urteilen mit sehr gut benotet. Der Preis ging aber an Michael Guttenbrunner,29 bis dahin ein guter Bekannter von Bernhard, mit dem er sogar auf Reisen ging.30 Die Bedeutung dieser Tatsachen wird in späteren Abschnitten diskutiert werden.
Bernhards Beurteilung des Staatspreises Insbesondere in »Meine Preise« hat sich Thomas Bernhard auf abfällige Weise über den Staatspreis geäußert: »… ich muß sofort sagen, daß es sich um den sogenannten Kleinen Staatspreis handelte, den ein Schriftsteller nur für eine bestimmte Arbeit bekommt und für den er sich selbst zu bewerben hat, indem man eine seiner Arbeiten bei dem zuständigen Ministerium für Kultur und Kunst einreicht und den ich in einem Alter bekommen habe, in welchem man ihn normalerweise gar nicht mehr bekommt, nämlich wie ich in den fortgeschrittenen Dreißigerjahren, wo es üblich geworden ist, diesen Preis schon den Zwanzigjährigen zu geben, was absolut richtig ist, also daß es sich um den sogenannten Kleinen Staatspreis handelte und nicht um den sogenannten Großen, der für ein sogenanntes Lebenswerk gegeben wird.«31
Ob sich diese Beurteilung infolge der vergeblichen Bewerbung um den Staatspreis für 1966 herausgebildet hat, muss Spekulation bleiben. Allerdings findet sich kein vergleichbares Urteil über die Preise in den Stellungnahmen Bernhards, die er 1968 verfasste. Korrekt ist die Verwendung des Wortes »sogenannt« hier nur in Bezug auf den ›kleinen‹ Staatspreis: Wie gesagt, wurde der Bernhard verliehene Preis niemals offiziell als Kleiner Staatspreis bezeichnet. Inkorrekt ist a
Siehe zwei der Beurteilungen der Gedichte Bernhards durch die Juroren in Abbildung 1 im Anhang.
Bernhards Beurteilung des Staatspreises
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die Verwendung von »sogenannt« in Bezug auf den Großen Staatspreis, da dieser tatsächlich diese Bezeichnung trug. Korrekt wiederum ist die geschilderte Form der Bewerbung mit einem einzelnen Werk.32 Inkorrekt ist, wenn Bernhard vom »Ministerium für Kultur und Kunst« spricht: Bis 1970 hieß die Einrichtung »Bundesministerium für Unterricht«, bis 1985 (also zum Zeitpunkt der Niederschrift von »Meine Preise«) dann »Bundesministerium für Unterricht und Kunst«, und erst seit 2000 steht auch der Begriff »Kultur« in der Bezeichnung des Ministeriums.33 Die von Bernhard verwendete Bezeichnung war in dieser Form nie gebräuchlich. Was ist des Weiteren von Bernhards Angabe zu halten, dass der »Kleine« Staatspreis eine Art Nachwuchs-Preis sei, den viele bereits mit Ende Zwanzig erhielten hätten? Im Ausschreibungstext steht nichts von einer eventuellen Altersgrenze oder auch nur von einer gezielten Förderung des Nachwuchses. Offenbar war davon auch den Bewerbern um den Staatspreis für 1967 nichts bekannt; das höchste von mir feststellbare Alter einer Bewerberin lag bei 77 Jahren. Gerhard Ruiss34 hat außerdem in einer Statistik zu den Staatspreisträgern errechnet, dass deren Durchschnittsalter zwischen 1950 und 1969 bei 39,5 Jahren lag. Damit lag es knapp über Bernhards Alter im März 1968 (37). Das Durchschnittsalter der Empfänger des Großen Staatspreises zwischen 1950 und 1970 lag im Vergleich dazu bei 67 Jahren. Die jüngste Autorin, die je den Großen Staatspreis erhielt (und zwar am 20. November 196835), war die seinerzeit 42jährige Ingeborg Bachmann. Die »vielen zwanzigjährigen und zweiundzwanzigjährigen und fünfundzwanzigjährigen modisch gekleideten Hörspielschreiber«, die nach Bernhard »alle Staatspreisträger«36 gewesen seien, gab es nicht. Höchstens trifft diese Beschreibung auf Oskar Zemme zu, der den ›Kleinen‹ Staatspreis mit 23 Jahren erhielt. Das war allerdings bereits im Jahr 1954. Von 30 Bewerbern um den Staatspreis für Roman für das Jahr 1967 (aus 50 nicht-anonymen Einreichungen) konnte ich die Geburtsdaten bestimmen. Es lag zwischen 1891 und 1943, d. h. das Alter lag (zur Zeit der Preisverleihung) zwischen 25 und 77. Der Durchschnitt lag bei gut 52 Jahren und damit 15 Jahre über dem von Bernhard. Das führt Bernhards Begründung für die ablehnende Haltung gegenüber dem ›Kleinen‹ Staatspreis ad absurdum. Er fährt wie folgt fort: »Insgeheim dachte ich, daß die Jury sich mir gegenüber eine Unverschämtheit erlaube, mir den Kleinen Staatspreis zu geben, wo ich mich doch, wenn überhaupt, was auch damals schon die Frage gewesen war, selbstverständlich nur absolut für den Großen Staatspreis präpariert fühlte und nicht für den Kleinen, daß es meinen literarischen Feinden in dieser Jury also ein teuflisches Vergnügen sei, mich mit dem von ihnen mir an den Kopf geworfenen Kleinen Preis von meinem Podest zu stürzen. Wollten sie, so dachte ich, allen Ernstes glauben, ich persönlich hätte mich um den Kleinen Preis beworben, mich wissentlich und mit offenen Augen ihrem Geschmacksdilletantismus
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Einleitung
ausgeliefert? Möglich ist, daß sie dachten, ich selbst habe den Frost an der Portiersloge des Ministeriums abgegeben. Wahrscheinlich ist es so, sie waren ja so und sie konnten nicht anders denken.«37
Zur Erinnerung: 1968 hatte Bernhard (abgesehen von seiner frühen Lyrik) gerade erst zwei Romane und einige schmale Erzählungen publiziert; das »Podest«, von dem man ihn hätte stürzen können, war dementsprechend niedrig. Denn erst »[d]as Jahr 1970 bringt für den nunmehr fast vierzigjährigen Thomas Bernhard die endgültige Anerkennung innerhalb der literarischen Szene.«38 Auf den Gedanken, ihm den Großen Staatspreis zu verleihen, dürfte 1968 niemand gekommen sein – einschließlich des Autors selbst, wie noch zu zeigen sein wird; dieser Preis »wäre für Bernhard gar nicht möglich gewesen.«39 Dennoch dürfte hinter dieser Aussage mehr stecken als retrospektive Anmaßung. Eher nachvollziehbare Motive für Bernhards negative Einstellung gegenüber dem Staatspreis werden in Teil I aufgezeigt, und ebenso seine Motivation für die letztendliche Annahme der Auszeichnung. »Ich habe schon lange vor, einmal einen Preis abzulehnen, aber bis jetzt wäre das nicht klug gewesen.«40 meinte Bernhard einige Jahre später. Naturgemäß kann man Auszeichnungen nur akzeptieren (oder eben ablehnen), wenn man erstens auf die Liste der Kandidaten gelangt und zweitens von dieser Liste als Preisträger ausgewählt wird. Wie dieser Vorgang in Bernhards Fall ablief, wird im ersten Teil dieses Buches skizziert. Zwei Aspekte, die im letzten Zitat bereits angesprochen wurden, sind dabei besonders wichtig: Die Art der Einreichung, durch die Bernhards Roman »Frost« gewissermaßen preisverdächtig wurde, sowie die Zusammensetzung der Jury.
Teil I: Vorgeschichte
Warum »Frost« statt »Verstörung«? Bernhard legte Wert darauf, dass er sich (zumindest im Jahre 1967) nicht selber um den Staatspreis beworben habe: »Niemand war mehr über die Tatsache verwundert, daß ich den Kleinen Staatspreis verliehen bekommen habe, als ich selbst, denn ich hatte überhaupt keine meiner Arbeiten eingereicht, ich hätte das niemals getan, ich hatte davon nichts gewußt, daß mein Bruder, wie er mir später gestanden hatte, am letzten Tag der Einreichungsfrist [dem 31. März 1967] meinen Frost an der Pforte des Ministeriums für Kunst und Kultur auf dem Minoritenplatz abgegeben hatte.«41
Demnach hätte also Thomas Bernhards (Halb-)Bruder Peter Fabjan am 31. März ein Exemplar von »Frost« persönlich am Unterrichtsministerium abgegeben – und zwar ohne Wissen seines Bruders. Der stellt dies im Jahr 2012 in einem Interview aber anders dar : »Das war doch so gelaufen: Er [Thomas Bernhard] hat mir das Manuskript in die Hand gedrückt und mich angewiesen, das dort beim Portier abzugeben.«42 Auf diesen Widerspruch werde ich noch zurückkommen. »Frost« erschien jedenfalls im Jahr 1963; damit war die 5-Jahres-Frist für prämierbare Romane noch nicht überschritten. Allerdings erschien just in jenen Tagen (offiziell am 15. März) Bernhards zweiter Roman »Verstörung.«43 Aus diesem las er am 14. März in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur im Palais Palffy in der Wiener Innenstadt, nur einen Steinwurf entfernt vom Unterrichtsministerium.44 Daher stellte sich mir die Frage, warum Fabjan (bzw. Bernhard) nicht den neuen Roman abgegeben hat, zumal einige Kritiker und einer der Juroren (siehe dazu die Jury-Urteile im Anhang) »Verstörung« noch höher einschätzten als »Frost«. Allerdings beklagt sich Bernhard in einem Brief an Hilde Spiel am 23. März darüber, seine Autorenexemplare noch nicht vom Insel-Verlag erhalten zu haben.45 Erst am 24. April kann er Wolfgang Kraus ein Exemplar von »Verstörung« zuschicken: »Warum Sie erst heute diese Zeilen bekommen erklärt sich
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Teil I: Vorgeschichte
aus dem äusserst mangelhaften Vertrieb meines Verlages, der mir meine Freiexemplare erst jetzt zugeschickt hat und ich wollte Ihnen mein neues Buch schicken.«46 (Auf diesen Brief komme ich im Folgenden noch zu sprechen.) Auf meine diesbezügliche Nachfrage bestätigte Peter Fabjan (per e-mail), dass ihm seinerzeit »Verstörung« noch nicht vorlag. Damit wäre es seinerzeit offenbar rein praktisch nicht möglich gewesen, ein Exemplar von »Verstörung« termingerecht einzureichen. Dies wird durch einen Zeitungsbericht über die Lesung vom 14. März bestätigt: »Angekündigt hatte die Gesellschaft für Literatur im [Palais] Palffy ein Gespräch Gerhard Fritschs mit Thomas Bernhard über dessen neuen Roman ›Verstörung‹, dazu die ›Premiere‹ des Buches selbst. Beides fand nicht statt; mit der etwas fadenscheinigen Begründung, das Erscheinen habe sich beim Insel-Verlag verzögert und Fritsch infolgedessen das Buch noch nicht lesen können. Jedoch hätte Bernhard seinem CoReferenten ja getrost jene Korrekturfahnen überlassen können, aus denen er selbst dann seinen zahlreich erschienenen Anhängern eine gute Stunde lang die Schlusspassage der ›Verstörung‹ vorlas.«47
Dafür, dass »Frost« vom Preis-Kandidaten zum Favoriten und letztlich zum Sieger wurde, ist natürlich die Jury verantwortlich, die gemäß Punkt 4) der Ausschreibung über die Preisvergabe zu entscheiden hatte. Theoretisch hätte die Einreichung der Arbeiten abgeschlossen sein sollen, ehe die Jury überhaupt berufen wurde. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, lief im Jahre 1967 dieser Prozess etwas anders ab.
Berufung und Zusammensetzung der Jury Für das Jahr 1966 ist eine Liste mit potentiellen Juroren erhalten, bei deren Erstellung ein gewisses Proporzdenken eine Rolle spielte: »Um eine Ausgewogenheit der Jury nach allen Richtungen hin zu gewährleisten, wurde sowohl ein Vertreter der modernsten Literatur wie auch ein weibl. Jurymitglied nominiert.«48 Die Zusammensetzung der Jury für 1967 legt die Vermutung nahe, dass damals ähnliche Überlegungen angestellt wurden. Welche Kriterien ansonsten noch eine Rolle gespielt haben dürften, verrät der ministeriumsinterne JuryVorschlag an den Minister vom 15. März. Er stammt von den MinisteriumsBeamten Hermann Lein und Hans Brunmayr, die uns noch mehrfach begegnen werden: »Mit 31. März 1967 läuft die Einsendefrist für den Staatspreis für Literatur, der dieses Jahr dem Gebiet d. Romans gewidmet ist, ab. Zur Begutachtung der zu erwartenden Einsendungen wäre schon jetzt eine Jury zu berufen, die im Hinblick auf die vorjährigen Erfahrungen aus 3 Personen bestehen sollte.
Berufung und Zusammensetzung der Jury
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Begreiflicherweise erfordert gerade die Species Roman ein großes Quantum an Arbeitszeit, so daß eine größere Jury nicht rechtzeitig alle Arbeiten begutachten könnte. Der Hr.BM [Bundesminister] wird gebeten, der Berufung folgender Persönlichkeiten in die Jury zuzustimmen: 1. Prof.Dr. Werner RIEMERSCHMID, Mödling, Schriftsteller und literarischer Mitarbeiter d. Ö. Rundfunks, Träger d. Staatspreises f. Literatur. Der Gen. hat schon mehrmals zur vollsten Zufriedenheit dem ho. Min. seine umfassenden Kenntnisse und seine ausgeprägte Urteilsfähigkeit als Juror zur Verfügung gestellt. 2. Dr. Wolfgang KRAUS, Wien, Schriftsteller u. Journalist, Leiter der Ö. Gesellschaft f. Literatur. Gerade seine Tätigkeit bei der letztgen. Institution hat Dr. KRAUS umfassende Kenntnisse und ausgezeichneten Einblick vor allem in die modernen Strömungen der Literatur verschafft. Auch Dr. KRAUS hat schon mehrmals als Juror zur Zufriedenheit des ho. Min. fungiert. 3. Dr. Alfred HOLZINGER, Graz, Literaturhistoriker und Sachbearbeiter f. Literatur beim Ö. Rundfunk, Sender Graz. Der Gen. gilt als kenntnisreicher Germanist, der sich durch seine Erfahrungen beim Rundfunk empfiehlt.«49 Die Bemerkung zu Riemerschmid und Kraus zeigen, dass man also auch Wert auf Kontinuität bzw. Verlässlichkeit legte. Da ersterer aber am 16. April verstarb, wurde im Mai Hilde Spiel nachnominiert: »Prof. Hilde Spiel hat besonders durch ihre journalistische Tätigkeit reiche Kenntnis und Erfahrung auf dem Gebiete des Romans gesammelt. Sie ist Generalsekretärin des Österr. PEN-Clubs, wodurch sie auch die Optik der Zusammensetzung der Jury als günstig erweisen würde.«50
Nur für einen Juror liegt der Entwurf einer Benachrichtigung vor : »Der Hr.BM hat dem Vorschlag der ho.GA., Dr. Alfred HOLZINGER vom Grazer Rundfunk als Juror für den Staatspreis 1967 zu berufen, zugestimmt.«51 Für den 19. Mai wurde eine dementsprechende Einladung an Alfred Holzinger durch Ministerialrat Dr. Brunmayr formuliert: »Im Auftrage des Hrn. Bundesministers darf ich an Sie die Frage richten, ob Sie bereit sind, in die Jury für den Staatspreis 1967 eingeladen zu werden. Der heurige Wettbewerb ist für das Gebiet des Romans ausgeschrieben. Die Zahl der Einreichungen ist nicht sehr groß. Wenn in den nächsten Tagen von Ihnen keine Absage eintrifft, werde ich mir erlauben, Ihnen einen ersten Teil der eingereichten Arbeiten zuzuleiten. Mit den besten Empfehlungen.«52 (Der Entwurf erfolgte z. T. handschriftlich und ist nicht ganz sicher zu entziffern.)
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Teil I: Vorgeschichte
Es ist anzunehmen, dass die anderen zwei Juroren entsprechende Schreiben erhielten. Da alle drei die Einladung annahmen, setzte sich die Jury also wie folgt zusammen (in alphabetischer Reihenfolge): 1. Alfred HOLZINGER 2. Wolfgang KRAUS 3. Hilde SPIEL Wer sich mit der österreichischen Literaturlandschaft der Nachkriegszeit auch nur oberflächlich befasst hat, dem werden diese Namen ein Begriff sein. In der anschließenden Vorstellung dieser drei Personen wird daher der Schwerpunkt auf die Beziehung der Juroren zu Thomas Bernhard gelegt, denn dieser war für alle drei kein Unbekannter mehr.
Die Juroren Alfred Holzinger (1918–1979): Holzinger war seinerzeit beim ORF Steiermark der Leiter der Literatur- und Hörspielabteilung. Als solcher verfasste er vermutlich auch eine Kritik zu »Frost«, die von Studio Graz am 13. Dezember 1963 ausgestrahlt wurde.53 »Der Junggermanist Alfred Holzinger […] wurde später als ORF-Literaturmann in Graz der maßgebliche Förderer der ›manuskripte‹-Autoren (Kolleritsch, Frischmuth, Bauer, Eisendle, Handke, Roth etc.).«54 Vor allem im Zusammenhang mit den frühen Jahren in der Laufbahn des Autors Peter Handke (* 1942) ist Alfred Holzinger heute noch ein Begriff. Für einen Materialien-Band über Handke verfasste Holzinger etwa einen Text über die literarischen Anfänge des Autors in Graz. Dort geht er auch auf das »Forum Stadtpark« ein, das nicht nur für Handke wichtig wurde: »Das ›Forum‹ war ein Ort reger Auseinandersetzung. Hier wurde das neue geistige Graz formiert, und sporadische, zum Großteil an die Bühne gebundene Versuche, zeitgenössische Kunst – vor allem durch den Krieg versäumte – ins Bewusstsein aufgeschlossener Grazer zu tragen, fanden hier durch ein ständiges, künstlerisch und didaktisch vielfältiges Programm auf den verschiedenen Gebieten der Künste ihre Ausdrucksmöglichkeiten.«55 »Holzinger sorgt für die Verbreitung der Arbeiten junger Autoren im Radio, zeichnet Lesungen und Interviews mit den Autorinnen/Autoren auf und vermittelt Verdienstmöglichkeiten beim Österreichischen Rundfunk.«56
Aus dem »Forum Stadtpark« ging 1973 die Grazer Autorenversammlung (GAV) hervor.
Die Juroren
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Wolfgang Kraus (1924–1998): Kraus war »Kultur-Essayist und einer der einflussreichsten ›networker‹ im österreichischen Literaturbetrieb seiner Zeit. Nach dem Studium der Germanistik, Publizistik und Musikwissenschaft an der Universität Wien und der Promotion zum Dr. phil. war Kraus 1947/48 zunächst Lektor des Ullstein-Verlags, von 1949 bis 1956 Lektor, Pressechef und schließlich Vertriebsleiter des Paul Zsolnay-Verlags. 1961 gründete Kraus die ›Österreichische Gesellschaft für Literatur‹, als deren Vorsitzender bzw. Ehrenvorsitzender er von 1994 bis zu seinem Tod wirkte.«57 Als zentrale Aufgaben der ÖGL betrachtete man »die Präsentation von Neuerscheinungen der zeitgenössischen österreichischen Literatur, die Schaffung einer zumindest temporären Heimat für Emigrantinnen und Emigranten, die das offizielle Österreich bis dato nicht zurück geholt hatte, und schließlich der Kontakt zu Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern aus den Ländern jenseits des Eisernen Vorhanges.«58 Hilde Spiel (1911–1990): »Bedeutung erlangte Spiel sowohl als Essayistin, Romanautorin und Übersetzerin als auch durch ihre langjährige Tätigkeit als Österreich-Korrespondentin für die ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹. Seit 1937 war sie engagiertes P.E.N.-Club-Mitglied, dem sie in London beitrat, wo sie von 1936 bis 1963 mit kurzen Unterbrechungen lebte […]«59 »Wenn sie später auf den Fehler zu sprechen kam, ›den Wiener mit dem Londoner P.E.N. verwechselt zu haben‹, ändert das nichts an der Tatkraft, mit der sie von 1966 bis 1971 das Amt des Generalsekretärs und bis zum Winter 1972 das einer Vizepräsidentin in die Hand nahm; hinzu kamen ihre Arbeit für das internationale Committee Writers in Prison und die Gründung der Interessensgemeinschaft österreichischer Autoren, eines Pendants zum deutschen VS, dem Verband deutscher Autoren.«60
Zu Wolfgang Kraus und Hilde Spiel liegt reichlich Material vor, so dass deren Vorstellung hier entsprechend knapp ausfallen kann; Alfred Holzinger wirkte eher hinter den Kulissen. Angesichts dieser Besetzung der Jury drängt sich tatsächlich der Eindruck auf, dass hier ein ausgeprägtes Proporzdenken eine Rolle spielte: Mit Hilde Spiel ist eine Frau vertreten, und da der Wiener P.E.N. damals (zumindest in der Sicht mancher Kritiker) als eher konservativ galt, erwartete man sich von ihr mutmaßlich eine eher traditionsverbundene Herangehensweise. Alfred Holzinger andererseits hätte die »österreichische Avantgarde« der Literatur und zugleich das »provinzielle, jedoch innovative Graz« repräsentieren können als »Gegenpol zum konservativen Wiener P.E.N. – Club.«61 Wolfgang Kraus hätte dementsprechend für die nicht dem »Forum Stadtpark« zuzurechnenden Nachwuchs-Autoren Partei ergreifen können sowie für frühere ExilAutoren.
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Teil I: Vorgeschichte
Kurz gesagt: Bei den Juroren handelte es sich um drei einflussreiche und umtriebige Vertreter des österreichischen Kulturbetriebes. Wenn sich demgegenüber Bernhard über den österreichischen und speziell den Wiener Kulturbetrieb äußerte, dann praktisch immer auf negative, abwertende Weise. Auch für »Vereinsmeierei«62 hatte er wenig übrig: Mitgliedschaften in den diversen kulturellen Vereinigungen lehnte er zumeist ab, wie etwa im Falle des P.E.N.: »Von Thomas Bernhard mußten wir uns die Mitgliedschaft, die wir ihm antrugen, ins Gesicht schmeißen lassen,«63 denn: »Wie in keinem anderen Verein der Welt, wollte ich natürlich auch nicht im PEN-Club Mitglied sein.«64 1972 akzeptierte er aber die Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung: »Thomas will sich nichts verderben mit einer Ablehnung, er will aber auch mit der Annahme keine Verpflichtungen eingehen. […] Mit dem neuen Präsidenten [Karl Krolow, ebenfalls ein Suhrkamp-Autor] darf ich es mir nicht vertun, sagte Thomas, und deswegen habe ich sofort zurückgeschrieben, daß ich [die Mitgliedschaft] annehme […] Auf meinem weiteren Weg brauche ich das. Man muß auf seinem Weg über Leichen gehen können […].«65
1979 hatten sich diese Gründe offenbar erledigt, so dass er öffentlichkeitswirksam seinen Austritt erklärte.66 Allerdings verfolgte Bernhard sehr intensiv die Berichterstattung über ihn und seine Werke in Presse, Funk und Fernsehen,67 und wenn es ihm opportun erschien, beteiligte er sich auch am besagten Kulturbetrieb. Daniel Kehlmann bezeichnet Bernhard als »versierten kulturpolitischen Fädenzieher«.68 Das erklärt nicht nur Bernhards Kontakte zur Presse, auf die in Teil III eingegangen wird, sondern auch die Tatsache, dass er bereits geraume Zeit vor 1968 mit allen drei Juroren in Kontakt kam. Er war etwa mehrfach auf Veranstaltungen des »Forum Stadtpark« zu Gast: Am 24. April 1964 las er dort (gemeinsam mit Rudolf Bayr) aus »eigenen Werken«.69 Dabei dürfte es sich dabei um Auszüge aus »Frost« oder »Amras« gehandelt haben. Bei dieser Gelegenheit könnte Bernhard auch Alfred Holzinger kennengelernt haben; die Einführung übernahm seinerzeit allerdings Hermann Stuppäck, während Holzinger bei der vorhergehenden Veranstaltung die Einführung zu einer Lesung von Marlen Haushofer übernahm. Eine weitere Lesung von Thomas Bernhard beim »Forum« fand am 24. Februar 1968 statt, wenige Tage vor der Preisverleihung in Wien. »Das Preisrichterkollegium, das Thomas Bernhard vor wenigen Tagen den österreichischen Staatspreis für Roman zuerkannte, hat diesen höchst beachtenswerten Autor einen ›selbstständigen Dichter‹ genannt, der nicht in einem ›konformistischen Häuflein‹ zu finden sei. Bei der Lesung dieses literarischen Einzelgängers füllte am Faschingssamstag ein aufmerksames Publikum das ›Forum Stadtpark‹ bis auf den letzten Sitzplatz. Dr. Alfred Holzinger, der den in Graz beinahe unbekannten Autor vorstellte,
Die Juroren
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bezeichnete Bernhards bisher vorliegendes Gesamtwerk als ein ›monologisches Weitersprechen‹ aus einem sich immer aufs neue äußernden Weltgefühl heraus.«70
Ob Holzinger bei dieser Gelegenheit auch verriet, dass er selber einer der besagten Preisrichter war, geht aus dem Bericht leider nicht hervor. Dafür wird angedeutet, dass Holzinger von Bernhard nicht nur »Frost« kannte; wie im Folgenden gezeigt wird, hatte er bereits 1967 auch »Verstörung« gelesen. Ein Typoskript von besagter Rundfunk-Kritik zu »Frost« vom 13. Dezember 1963, die von Alfred Holzinger stammen dürfte, findet sich im Nachlass von Hilde Spiel. Mit ihr stand Bernhard ebenfalls bereits vor der Preisverleihung in Kontakt.71 Spiel schätzte »Frost« offenbar sehr, da sie jede Kritik zu jenem Buch aufhob, die sie finden konnte. Wie erwähnt, trug sie ihm bereits 1966 die Mitgliedschaft im P.E.N. an, also zu einem Zeitpunkt, da Bernhard (abgesehen von den erwähnten Gedichten) erst »Frost« und einige Erzählungen wie »Amras« und »Der Italiener« veröffentlicht hatte.72 Eine engere persönliche Bekanntschaft mit wiederholten gegenseitigen Besuchen entwickelte sich erst nach der Preisverleihung: »Immerhin begann damals [1968] meine Freundschaft mit Thomas Bernhard, las er auf meine Bitte wenige Wochen danach aus seinen Werken im P.E.N.«73 Offenbar hat der Autor der Jurorin den ihm »an den Kopf geworfenen Kleinen Preis« damals nicht übel genommen. Wolfgang Kraus kannte Bernhard zu jenem Zeitpunkt sogar schon gut zwanzig Jahre. In einer Notiz anlässlich des Todes des Autors blickt Kraus auf die gemeinsame Geschichte zurück: »Er kam als Achtzehnjähriger zu mir zu Zsolnay, ich sehe ihn noch vor mir. Schien ein Stück meiner früheren Existenz, mit Herbert Zand, Gerhard Fritsch. Die vielen Gespräche im Caf8 Haag, eines im Zögernitz, eines im Caf8 Bazar in Salzburg. Zuletzt im Sommer 87, zufällig, im Restaurant Altenberg […] Im Bräunerhof saßen wir – vor langem – oft. Er kam von seinen Gedichten und entfernte sich sehr weit von ihnen – ich hoffte stets, er werde in seinem Leben noch dorthin zurückkehren. Diese Wut, dieser Hass, dieser Zynismus, so war er damals nicht.«74
In einem Brief an Peter Fabjan bezeichnete Kraus seine »Beziehung zu Thomas Bernhard [als] Teil meiner ungeschriebenen Biographie.«75 Nach der Gründung der Österreichischen Gesellschaft für Literatur las Bernhard mehrmals dort:76 Am 15. Mai 1963 gab es eine Pressekonferenz anlässlich des Erscheinens von »Frost«; am 14. Mai 1964 hatte er (zusammen mit vier weiteren Autoren) eine Lesung anlässlich der Auszeichnung mit einem Stipendium des a Unterrichtsministeriums; am 25. Februar 1965 las er aus neuen Arbeiten, und, wie erwähnt, am 14. März 1967 aus »Verstörung«. Weitere Lesungen folgten am a
Siehe S. 46.
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Teil I: Vorgeschichte
1. März 1968,77 am 6. November 1969 sowie am 7. November 1970. Danach verweigerte Bernhard sich fürs erste weiteren Lesungen, wofür Kraus Verständnis zeigte: »Von den Pressestimmen zu Ihrer Lesung sollen Sie sich wirklich nicht berühren lassen, wie immer sie gewesen sein mögen. Das Publikum, das kann ich Ihnen kompetent sagen, war tief ergriffen, das Publikum hat schon etwas mit Ihnen anzufangen gewußt, das müssen Sie mir glauben. Aber ich kann Sie gut verstehen, daß Sie in Zukunft die Öffentlichkeit meiden. Warum auch nicht? Sie können es sich heute leisten. Sie sparen Zeit und Kraft.«78
Dennoch folgten am 18. Oktober 1973 und am 12. April 1978 weitere Lesungen.79 Da Bernhard nach 1970 kaum noch öffentlich las, deutet dies auf ein ungewöhnlich gutes Verhältnis zwischen Bernhard und Kraus hin. In einem Schreiben vom 18. August 1967 – also während der Entscheidungsfindung zur Staatspreis-Verleihung – hat sich Kraus zudem bei Dr. Brunmayr für die finanzielle Unterstützung Bernhards eingesetzt: »Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß der Schriftsteller Thomas Bernhard, dessen Romane, Erzählungen und Gedichte zum Besten zählen, was die jüngere Generation in Österreich hervorgebracht hat, von einem schweren Schicksalsschlag getroffen wurde: seit Mitte Juni liegt er nach einer schweren Operation (gutartiger Tumor in der Bronchiengegend) im Spital Baumgartner Höhe und muß mit täglichen Infusionen noch bis Ende September dort bleiben. Herr Bernhard, den ich besucht habe, ist in einer äußerst schwierigen Situation, da er seine Krankenkasse erst im Herbst bekommen hätte, und er daher jetzt ohne eine solche ist. Eine Ehrengabe der Deutschen Industrie hält ihn derzeit über Wasser. Die Kosten der Behandlung sind beträchtlich. In Anbetracht dieser Situation möchte ich bitten, Herrn Bernhard nach Möglichkeit eine finanzielle Hilfe in der Höhe von S 6.000 – zu gewähren.«80
Das Ministerium gab dem Antrag nur sechs Tage später statt. Inwieweit Kraus Einblick hatte in Bernhards finanzielle Verhältnisse, ist mir nicht bekannt; mittellos war der Autor damals jedenfalls nicht mehr : Gut zwei Jahre zuvor gibt er in einem Brief an seinen Nachbar und Makler Karl Hennetmair an, für seinen Vierkanthof in Ohlsdorf 200.000 Schilling bezahlt und nochmals 250.000 Schilling investiert zu haben.81 Auch hierfür erhielt er finanzielle Unterstützung seitens des Unterrichtsministeriums.82 Auch in seiner Funktion als Autor wurde Bernhard mehrfach und über viele Jahre vom Unterrichtsministerium unterstützt, wie noch im Detail ausgeführt wird.
Exkurs: Bernhards erster Wien-Besuch
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Exkurs: Bernhards erster Wien-Besuch Die Memoiren von Wolfgang Kraus kamen leider über erste Skizzen nicht hinaus; somit brachte er auch seine Erinnerungen an jene erste Begegnung mit Thomas Bernhard nicht in ausgearbeiteter Form zu Papier. Bei der Lesung mit Bernhard vom 12. April 1978 bestätigt er aber jene Angaben von 1989: »Ich kenne Thomas Bernhard seit 29 Jahren, haben wir eben festgestellt; er ist mit 18 Jahren damals zu mir zu Zsolnay gekommen, damals als der Enkel von Freumbichler, jenes Großvaters, der eben in seinem letzten Buch [›Der Atem‹] eine so bedeutende Rolle spielt.«83
Im Interview mit Maria Fialik im Jahr 1990 äußert er sich etwas detaillierter zu Bernhards Besuch: »Ich habe Thomas Bernhard das erste Mal gesehen, etwa im Jahr 1950 im Paul ZsolnayVerlag. […] Und es kam ein sehr junger schlanker, blondhaariger, blauäugiger, etwas linkischer junger Mensch zu mir, ein sehr langer, großgewachsener Mensch zu mir. Und er setzte sich auf den Sessel und das Gespräch bestand seinerseits hauptsächlich aus Pausen. Nach diesem ersten Besuch kam ein zweiter Besuch, wo er sich einfach anmeldete und ein Manuskript brachte, an das ich mich aber nicht erinnere.«84
Wenn seine Erinnerung chronologisch korrekt ist, so suchte Thomas Bernhard also im Jahre 1949 oder 1950 Wolfgang Kraus an dessen Arbeitsplatz beim Wiener Zsolnay Verlag auf. Kraus trat seine Stelle als Cheflektor am 1. Februar 1949 an,85 also wenige Tage vor Bernhards 18. Geburtstag am 9. Februar. Am 27. Juli wurde Bernhard wegen seiner Lungenkrankheit in die Lungenheilanstalt Grafenhof eingewiesen,86 so dass dieser Besuch nur im ersten Halbjahr erfolgt sein könnte. Bernhards Biographie weist in diesem Zeitraum einige Unklarheiten auf. Nach dessen eigenen Angaben sei er im Januar 1949 wegen einer Rippenfellentzündung in das Landeskrankenhaus Salzburg eingeliefert worden.87 Von dort wäre er im März in das als Tbc-Sanatorium dienende ehemalige Hotel Vötterl in Großgmain gekommen. Dort sei er an Lungentuberkulose erkrankt, worauf er, wie gesagt, im Juli nach Grafenhof verlegt wurde. Dazwischen wäre er ab Ende April wieder bei seiner Familie in Salzburg gewesen.88 Von Mai bis Juli hätte er seine Lehre als Kaufmannsgehilfe abgeschlossen; in diese Zeit könnte auch der Wien-Besuch fallen. Freilich ist Bernhards sogenannte Autobiographie bezüglich der Fakten nicht immer verlässlich, wie Louis Huguet in seiner »Chronologie« aufgezeigt hat, beispielsweise in Bezug auf den Tod seines Großvaters Johannes Freumbichlers im Jahre 1949.89 »Die fünf autobiographischen Werke inszenieren die Person ›Thomas Bernhard‹, indem Bernhard seine ersten neunzehn Lebensjahre auf Basis seiner subjektiven Erinnerungen unter gleichzeitigem Beimengen von fiktiven Elementen (re)konstruiert.«90 (Zum
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Teil I: Vorgeschichte
Thema der Selbstinszenierung siehe auch das Nachwort.) Jahreszahlen nennt Bernard in seinen Erinnerungen sowieso kaum; Tagebuchaufzeichnungen oder Brief-Kopien als Gedächtnisstütze standen ihm nicht zur Verfügung. Aber auch gegenüber seinem Nachbarn Hennetmair erwähnte Bernhard eine Reise nach Wien: »Als Thea Leitner [im Fernsehen] ein Buch bespricht, erzählt Thomas, daß er dieser Thea Leitner gleich nach dem Krieg zwei Geschichterln verkaufen wollte. Thea Leitner führte damals in Wien ein literarisches Büro und war bei der Weltpresse, als diese noch den Amerikanern gehörte. Da Thomas nicht weiterspricht, frage ich: Na, was war mit den zwei Geschichterln? Da sagt Thomas, naja, als ich sagte, ich möchte Geld dafür, hat sie mir gesagt, sie habe einen großen Keller in der … Straße, der ist schon seit zwei Jahren nicht mehr aufgeräumt worden. Dort soll ich hingehen und Ordnung schaffen, und dafür darf ich mir beim Bäcker daneben für soundsoviel was auf ihren Namen kaufen. Das habe ich gemacht.«91
Zu diesem Punkt konnte mir dankenswerterweise Thea Leitner selbst Auskunft erteilen; demnach enthält diese Passage eine Reihe von Fehlern. So gehörte die Weltpresse den Engländern, nicht den Amerikanern. Bei dieser arbeitete Thea Leitner als Lokalchefin, doch die Sache mit den »Geschichterln« kann sich nur bei der »Welt am Montag« zugetragen haben, und zwar Anfang der 50er Jahre. »Wir leisteten uns [bei der ›Welt am Montag‹] eine Kulturseite, auf der Hans Weigel unter dem Titel ›Dichtung-Theater-Kunst-Musik-Glosse‹ blitzende Solitäre seiner Formulierungskunst lieferte. Es gab wöchentlich ein Feuilleton mit so bedeutenden Autoren wie Milo Dor, Reinhard Federmann, Karl Heinrich Waggerl, Johannes Mario Simmel, Peter Weißer, und regelmäßig schrieb Professor Max Graf, den man den Marcel Prawy jener Tage nennen könnte.«92
Die »Welt am Montag« erschien von 1946 bis 1967 und veröffentlichte in seinem Feuilleton auch Kurzgeschichten. Die Autoren hätten damals Schlange gestanden, da die Zeitung relativ gut zahlte; daher hat Thea Leitner auch keine persönliche Erinnerung an Bernhard. Dass ein solcher Fall vorgekommen sei, wo jemand nur gegen Essen einen Keller aufgeräumt hatte, schließt sie aber aus. Zudem ist ihr auch von einem »Literarischen Büro« nichts bekannt. Als verantwortlicher Redakteur ist Thea Leitner zwischen den Ausgaben vom 09. 10. 1950 und 12. 11. 1951 im Impressum aufgeführt.93 Da Hennetmair seine Aufzeichnungen zumeist am gleichen Tag niederschrieb, dürften die Fehler eher auf Bernhards denn auf Hennetmairs Seite liegen. Aber auch Bernhards Stiefvater Fabjan wusste von einer Reise Bernhards nach Wien um 1950 zu berichten: »Nach Emil Fabjans Darstellung fuhr er nach Wien, nachdem er sich heimlich den Smoking seines Großvaters Johannes Freumbichler ausgeborgt hatte. Die Reise dauerte
Exkurs: Bernhards erster Wien-Besuch
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nur einen Tag. Der längere Wienaufenthalt im Jahr 1951 dürfte eher ins Reich des Mythos gehören.«94 Diesen Aufenthalt schildert Bernhard selber im Jahre 1953 wie folgt: »1951 kam ich nach Wien, um dort in der Akademie, die mir einen Freiplatz gewährte, Musik zu studieren. Aber was tat ich? In quälendem Hunger räumte ich Misthaufen vornehmer Leute weg, zerkleinerte Beton auf dem Gelände des Arsenals, hauste in Waggons, trug Koffer auf dem Westbahnhof […].«95 »In Wirklichkeit fährt Thomas Bernhard auf gut Glück nach Wien […] Als er keinen Freiplatz [an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst] bekommt, kehrt er zum Kaufmann Podlaha zurück. Diese Eskapade fand freilich lange vor 1951 statt.«96
Andererseits erwähnt Bernhards Großmutter Anna Freumbichler in einem Brief vom 26. Juli 1951 an die Frau von Carl Zuckmayer einen Wien-Aufenthalt Bernhards: »Was den Thomas betrifft ist schwer darüber zu sprechen, denn er ist wieder einmal ausgeflogen. Emil [Fabjan, Thomas’ Stiefvater] ermahnte ihn immer wieder, fleißig für die Kaufmannsprüfung zu arbeiten die im Herbst stattfindet, aber er hat nur die Musik im Kopf, und um den täglichen Ermahnungen zu entkommen fuhr er nach Wien. Er erhielt eine Empfehlung zum Präsiten der Musikakademie Suttner dem er vorsingen durfte und der ihm einen Freiplatz zusicherte. Er wohnt in einem Studentenheim in der Porzellangasse und muß 48 S im Monat bezahlen. Den Unterhalt will er sich mit Schreibmaschinenarbeiten verdienen. Die Maschine hat ihm der Großvater geschenkt.«97
Dies passt zeitlich somit zu den Angaben von Thea Leitner und Bernhard selber. Da Anna Freumbichler »wieder einmal« schreibt, ist nicht ausgeschlossen, dass Bernhard schon vorher ein- oder mehrmals in Wien sein Glück versucht hatte. Besagte »Geschichterln« hat Bernhard womöglich auch nur schriftlich an die »Welt am Montag« geschickt, da die Zeitung seine Leser dazu explizit ermutigte. Eventuell gehört eine Liste mit Titeln unveröffentlichter Texte Bernhards aus dem Jahre 1960 in diesen Zusammenhang.98 Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass hier Bernhards Erinnerung ihm einen Streich spielt. In Karl Hennetmairs Aufzeichnungen finden sich einige Beispiele für Bernhards nicht immer zuverlässiges Langzeit- wie Kurzzeit-Gedächtnis;99 auch dem Autor selber war das offenbar bewusst, wie ein launiger Kommentar zu einem Interview nahelegt: »›Ich kann nicht glauben, daß ich all das gesagt habe, was Sie geschrieben haben‹, schrieb Thomas Bernhard, ›aber ich kann auch nicht beschwören, daß diese Sätze nicht von mir sind …‹«.100 Dass unser Gedächtnis uns manchen Streich spielen kann, ist nicht nur für die Beurteilung von Zeugenaussagen vor Gericht von Bedeutung: »Erinnerte Wirklichkeit wird immer wieder neu gedacht, und je häufiger sich ein Zeuge den Sachverhalt vorstellt, je detailgetreuer er oder sie den Vorgang beschreibt, umso realer wird das Geschehen in der Vorstellung – auch dann, wenn diese immer mehr von dem realen Geschehen abweicht.«101
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Falls Bernhard tatsächlich bei Verlag und Zeitung vorsprach, entsteht der Eindruck, dass er schlichtweg auf Jobsuche war. Auch eine Bemerkung gegenüber Kurt Hofmann legt dies nahe: »Als junger Mensch wollen S’ ja überall hinein. Da schreibt man und schreibt man und rennt den Verlegern die Tür ein und will bei jeder Zeitung hinein.«102 Ohne Schulabschluss, ohne Berufserfahrung, ohne Beziehungen und angesichts der wirtschaftlich schwierigen Zeiten hatte Bernhard allerdings schlechte Karten. Falls er wirklich erste Erzählungen an dem Mann (bzw. die Frau) bringen wollte, so ist von schriftstellerischen Versuchen Bernhards aus jener Zeit nichts überliefert. Die ersten verlässlichen Belege einer schriftstellerischen Tätigkeit stammen aus dem Jahr 1950.103 Auf jeden Fall kam es zu keiner Anstellung oder Immatrikulation. Da somit jene Reise(n) wenig erfolgreich verlief(en), ist es nachvollziehbar, wenn Bernhard später davon nichts oder nur Legendenhaftes verlauten ließ, aber dafür über die österreichische Presse, die Verlage und den Kulturbetrieb im Allgemeinen schimpfte. »Mein Freund war nicht nur empfindlich wie eine Mimose, er konnte auch ihm einmal zugefügte Kränkungen nicht vergessen.«104 Ob sie nun 1949 oder ›erst‹ 1951 begann: Die lange Bekanntschaft von Wolfgang Kraus mit Bernhard blieb nicht ohne Einfluss auf die Beratungen der Jury, wie im nächsten Abschnitt zu zeigen sein wird.
Die Arbeit der Staatspreis-Jury Die Arbeit der drei Juroren bestand naturgemäß hauptsächlich in der Lektüre der für den Staatspreis eingereichten Romane. Wie zitiert, dürfte das Ministerium ihnen Ende Mai die ersten Arbeiten zugesandt haben. »Die Wahl unter hundert vorgelegten Prosawerken war keine leichte«,105 schreibt Hilde Spiel in ihren Erinnerungen. Die tatsächliche Zahl der Einreichungen lag bei 60:50 namentlich gezeichnete Bücher bzw. Manuskripte plus 10 anonyme Einreichungen.106 Unter den Autoren finden sich einige Namen, die später recht bekannt werden sollten oder es bereits waren. Auch dies spricht gegen Bernhards Darstellung, der ›kleine‹ Staatspreis sei eine Art Nachwuchspreis gewesen. Teilnehmerinnen waren u. a. Jeannie Ebner (1918–2004), Marlen Haushofer (1920–1970) und Gertrud Fussenegger (1912–2009): alle erheblich älter und seinerzeit auch bekannter und erfolgreicher als Bernhard. Gemäß den Unterlagen im Staatsarchiv wurde nur ein Manuskript nachträglich vom Wettbewerb ausgeschlossen. Bei den übrigen Texten wurde wie folgt verfahren: Während der Juror Wolfgang Kraus alle Werke (an)las und beurteilte, teilten sich Hilde Spiel und Alfred Holzinger gewissermaßen die Arbeit: In einem ersten Durchgang las erstere 20 Texte und zweiterer die übrigen 39 Texte. Somit wurde jedes Manuskript von mindestens zwei Juroren gelesen,
Die Arbeit der Staatspreis-Jury
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und der Arbeitsaufwand Kraus : Holzinger : Spiel lag gewissermaßen bei 3 : 2 : 1. Daran anschließend, verfassten alle drei Juroren jeweils Kurzbeurteilungen der a Werke von zwei Zeilen bis zu einer halben Seite Länge. Die Bewertung erfolgte mit Schulnoten zwischen 1 und 5. Bei Wolfgang Kraus war dieser Vorgang offenbar bereits am 16. Juli 1967 abgeschlossen. Die Listen von Holzinger und Spiel tragen kein Datum, sind aber komplett erhalten. Bei ihnen dauerte die Arbeit länger, weshalb sie Ende September 1967 durch die Beamten des Unterrichtsministeriums ermahnt werden mussten: »Der Hr. BM beabsichtigt, nach Möglichkeit die Staatspreise f. Literatur spätestens im Dezember d.J. [1967] zu überreichen. Ich bin mir völlig im Klaren darüber, daß die Beurteilung der eingereichten Arbeiten sehr schwierig und äußerst zeitraubend ist. Im Interesse der termingerechten Überreichung der Preise darf ich Sie jedoch bitten, mich über den Stand Ihrer Begutachtungsarbeiten zu unterrichten.«107 Schriftliche Antworten von Spiel bzw. Holzinger sind mir nicht bekannt. Da die Überreichung aber erst im März 1968 erfolgte statt im Dezember 1967, kann man davon ausgehen, dass diese beiden Juroren nicht termingerecht fertig wurden. Ein Hinweis darauf, warum Wolfgang Kraus zuerst fertig wurde, obwohl er die meisten Arbeiten zu begutachten hatte, findet sich in einer Aussage aus dem Jahr 1990: »[…] das ist ja wie bis heute auch, diese Staatspreise werden aus der Kenntnis der Jury gemacht. Die gehen ja nie auf Einreichung, sind nie gegangen!«108 Wie die teils recht detaillierten Beurteilungen zeigen, ist diese Aussage (auch aufgrund des Zeitabstandes von gut 23 Jahren) wohl überspitzt, doch dürfte sie einiges Wahres enthalten. Falls dann Kraus einerseits und Spiel oder Holzinger andererseits jeweils mindestens eine 2 vergaben, nahm sich in einer zweiten Runde auch der dritte Juror diesen Text vor. Die Noten wurden in eine Tabelle eingetragen, in der die b Teilnehmer an der ›zweiten Runde‹ markiert wurden. In die engere Wahl für den Staatspreis kamen zwölf Autoren. Darunter war Thomas Bernhard, der von Kraus eine 1 erhalten hatte und von Holzinger eine 1–2. Bemerkenswert ist dabei die enthusiastische und ausführliche Beurteilung durch Kraus (es ist die mit Abstand längste in seiner Liste) sowie die Anmerkung von Holzinger, dass er »Verstörung« sogar noch höher einschätze. Zu den weiteren Autoren, die in die engere Wahl kamen, zählten Gertrud Fussenegger, Marlen Haushofer, Andreas Okopenko, Peter Marginter sowie György Sebestyen. Da Hilde Spiel für »Frost« auch eine glatte 1 vergab, ging Thomas Bernhard als Notenbester aus der Beurteilung durch die Jury hervor. Es a b
Siehe die Beispiele in Abbildung 2 und Abbildung 3 im Anhang. Siehe Abbildung 4 und Abbildung 5.
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hätte, wie erwähnt, auch die Möglichkeit bestanden, den Preis zu teilen oder ihn gar nicht zu vergeben. Angesichts der Arbeit, die die Juroren in die Urteilsfindung gesteckt haben, kann man nicht behaupten, dass Bernhard von vornherein als Preisträger feststand. Es fällt allerdings auf, dass die schriftlichen Beurteilungen nur in wenigen Fällen auf eine Kenntnis des (übrigen) Werkes der Bewerber hindeuten; dies ist bei Gertrud Fussenegger der Fall, bei Lorenz Mack, Jeannie Ebner, Hermann Jandl sowie Andreas Okopenko. Umso bemerkenswerter ist, dass alle drei Juroren nicht nur »Frost« kannten, sondern auch bereits »Verstörung«109 – zumal es sich bei beiden Büchern nicht um Bestseller handelte: »Ein Publikumsschriftsteller wurde Thomas Bernhard nie.«110 Von »Frost« wurden (beim Insel Verlag) 1963 2000 Exemplare gedruckt und 1964 nochmals 2000. 1965 folgte eine Lizenz-Ausgabe bei Droemer Knaur. Eine Taschenbuchausgabe bei Suhrkamp (der den Insel Verlag 1963 übernommen hatte) folgte erst 1972.111 Wenn man berücksichtigt, dass zur gleichen Zeit Autoren wie Max Frisch und Hermann Hesse bei Suhrkamp fünf- bis sechsstellige Auflagenhöhen erzielten, so ist nachvollziehbar, dass Bernhard gegenüber Siegfried Unseld immer wieder über die angebliche Vernachlässigung seiner Bücher seitens des Verlages beklagte. 1969 fragte er etwa, »ob der Verlag nicht den toten ›Frost‹ wiederauferstehen lassen könnte in einer nützlichen Form. Das Buch ist jahrelang eine Leiche, die es nicht verdient, etc.«112 Mit ihrer Wertschätzung der Werke Bernhards folgten die drei Juroren also keineswegs einer Mode; vielmehr lag ihnen offensichtlich eine Förderung des Autors und seines Werkes am Herzen. Wolfgang Kraus hatte womöglich noch einen weiteren Grund, dafür zu sorgen, dass Bernhard den Preis bekam: »Aber eines wollte ich noch sagen, eine kleine Geschichte, wie er dieses Haus kaufen wollte, in Obernathal, da kam er zu mir, hier in die Literaturgesellschaft. Und er sagte, er hat ein Anliegen. Er ist mit der Lunge so schlecht beisammen und er sollte auf dem Land leben. Und er hat einen Bauernhof, das ist eine Ruine, ein ganz billiges, schäbiges, aber großes Anwesen. Und er hat schon ein bissel Geld beisammen, aber er würde noch etwas brauchen. Ob ich ihm helfen kann. Und da griff ich zum Telephon und habe den damaligen allmächtigen Sektionschef Alfred Weikert angerufen. […] Und er sagte: ›Ja, bitte, ich würde ihn auch gerne kennenlernen. Kommt’s zu mir, einmal.‹ […] Und er hat sich das angehört und hat dann gesagt: ›Ich kann Ihnen ein zinsfreies Darlehen geben.‹ Damals war das noch nicht so mit den Subventionen, das war ja alles noch ganz am Anfang. ›Wir werden sehen, ob wir das mit einem Preis oder irgendwie dann unterbringen.‹ – ›Sie werden es schon nicht zurückzahlen müssen!‹, das war so unausgesprochen dahinter. Und der Bernhard war sehr glücklich. Er hat sich sehr bedankt, und das war eigentlich sehr freundlich, und er hat das Geld bekommen.«113
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Das Ministerium und Kraus könnten also die Erwartung gehegt haben, dass Bernhard das Preisgeld zumindest teilweise dazu nutzen würde, jenes Darlehen zurückzuzahlen. Immerhin betrug das Preisgeld 25.000 Schilling, während sich das Darlehen auf 30.000 Schilling belief. Auf jeden Fall ist es verständlich, wenn alle Beteiligten sich erstens Bernhards Teilnahme an diesem Wettbewerb wünschten und zweitens ein erfolgreiches Abschneiden. Wie genau kam es nun dazu, dass »Frost« in die Liste der Wettbewerbsteilnehmer gelangte?
Die Einreichung von »Frost« Wie erwähnt, hat Bernhard behauptet, sich selber nicht um den Staatspreis beworben zu haben. Dies sah auch Wolfgang Kraus so: »Das glaube ich nicht, daß er eingereicht hat. Auch damals, wo er den Staatspreis bekommen hat, hat er natürlich nicht eingereicht. Er hat nie eingereicht! […] Bitte, vielleicht hat er es doch getan.«114
Jene Relativierung im letzten Satz ist darauf zurückzuführen, dass sich Wolfgang Kraus in diesem Interview durch Maria Fialik verbessern lassen musste, was Bernhards Teilnahme an der Staatspreis-Ausschreibung für 1966 betrifft. Denn wenn – in Bezug auf eine Einreichung – auch Bernhard selber sagt, »ich hätte das niemals getan«, so ist das angesichts seiner Bewerbung im Vorjahr aktenkundig a unrichtig. Wie erwähnt, erklärte Peter Fabjan, dass auch 1967 die Initiative zur Bewerbung von Bernhard selber ausging. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Schilderung relevant, die von Hermann Lein stammt; er war, wie erwähnt, in dieser Sache einer der zuständigen Beamten im Ministerium. Gut zwanzig Jahre vor dem Erscheinen von »Meine Preise« gab auch er Maria Fialik ein ausführliches Interview, in dem er auch auf die Vergabe des Staatspreises einging: »Und das ist eine Situation, die nur ich weiß: Der Thomas Bernhard hat geglaubt, er kriegt einen Preis, weil einige gefunden haben, er ist so gut. Er hat aber nie eingereicht um diesen Preis, und er hat eigentlich die Voraussetzungen nicht erfüllt, sondern nur einer der Juroren, ich verschweige den Namen, ich weiß genau, wer es war […] Einer der Juroren hat einfach den Band ›Frost‹ – es ging ja damals um Romane, der Förderungspreis wird ja nach Sparten vergeben –, er hat den Roman ›Frost‹ einfach zu den Einreichungen dazugegeben. Und hat natürlich dann auch dafür plädiert, daß Thomas Bernhard den Preis bekommt. Und Thomas Bernhard hat den Preis bekommen.«115 a
Siehe S. 23.
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Diese Darstellung steht im Widerspruch zu Bernhards wie auch Fabjans Version(en). Die Schlüsselrolle kommt bei Lein einem namentlich nicht genannten Juror zu. Dabei dürfte es sich um Wolfgang Kraus gehandelt haben: Er hat sich, wie erwähnt, bereits lange vor 1968 sehr engagiert für Bernhard eingesetzt. Alfred Holzinger andererseits hätte »Verstörung« gegenüber »Frost« den Vorzug gegeben, und Hilde Spiel hätte sicher auch in der ersten Runde eine Beurteilung zu »Frost« verfasst, falls die Initiative von ihr ausgegangen wäre. Auch spricht die geradezu hymnische Beurteilung des Romans durch Kraus auf jeden Fall für eine Zustimmung zu der Einreichung, wenn nicht dafür, dass diese durch ihn selbst erfolgte. Es ist nun natürlich möglich, dass Peter Fabjan auf Veranlassung von Kraus und/oder Bernhard pro forma ein Exemplar von »Frost« einreichte – was eigentlich überflüssig war, da die drei Juroren den Roman ja bereits kannten. Es ist theoretisch auch denkbar, dass all dies gewissermaßen hinter dem Rücken des Autors geschah, wie dieser selber behauptet – wenn auch gewiss nicht, weil es seinen »literarischen Feinden in dieser Jury also ein teuflisches Vergnügen [war], mich mit dem von ihnen mir an den Kopf geworfenen Kleinen Preis von meinem Podest zu stürzen.« Bernhard hatte in der Jury keinen Feind, und im Jahre 1968 stand er, wie gesagt, noch auf einem sehr niedrigen Podest. Auch angesichts der relativ häufigen Kontakte des Autors speziell zu Wolfgang Kraus erscheint es unwahrscheinlich, dass Bernhard die Preisverleihung völlig überraschend ereilte. Seine sachlich korrekte Darstellung des Bewerbungsverfahrens in »Meine Preise« sowie seine (fast erfolgreiche) Einreichung seiner Gedichte im Vorjahr beweisen zudem, dass Bernhard eher nicht »geglaubt [hat], er kriegt einen Preis, weil einige gefunden haben, er ist so gut,« wie Lein meinte. Offenbar wusste Lein nicht, dass Bernhard gewissermaßen ein Wiederholungstäter war, und er dürfte auch nicht von all dem Kenntnis gehabt haben, was sich hinter den Kulissen tat. Denn in einem Postskriptum des bereits zitierten Briefes vom 24. April 1967 macht Bernhard gegenüber Kraus eine aufschlussreiche Bemerkung: »P.S. Zu unserem Landtmanngespräch: es ist mir unmöglich, mich um den neuen Romanstaatspreis zu bewerben, jedenfalls nicht persönlich, das geht nicht mehr.«116 Diese Bemerkung deutet darauf hin, dass Kraus und Bernhard im Wiener Caf8 Landtmann darüber diskutiert haben, ob sich der Autor um jene Auszeichnung bewerben solle oder nicht. Zumindest die Option stand also im Raum, und offenbar hat Bernhard nicht gleich im Caf8 Landtmann klipp und klar gesagt, dass solch eine Bewerbung für ihn nicht in Frage kommt. Diese Unterredung müsste vor dem Ablauf der Bewerbungsfrist am 31. März stattgefunden haben – es sei denn, dass Kraus seinerzeit bereits (offiziell oder inoffiziell) wusste, dass er in jenem Jahr als Juror fungieren sollte. Erhalten ist, wie erwähnt, nur das Einladungsschreiben an Holzinger, und das ging Ende Mai ab.
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Andererseits weist Kraus’ Kalender für Samstag, den 15. April für 8:30 die Eintragung »Piffl« auf.117 Eventuell hat der Unterrichtsminister Theodor PifflPercˇevic´ vor der offiziellen Anfrage bei Wolfgang Kraus vorgefühlt, ob dieser willens ist, als Juror zu fungieren. Falls das »Landtmanngespräch« vor dem 31. März stattgefunden hatte, könnte dies bei Bernhard den Anstoß gegeben haben, sein Buch eben »nicht persönlich«, sondern über seinen Bruder beim Ministerium einzureichen. Allerdings wäre es dann verwunderlich, dass er dies Kraus verschwieg; in dem Fall vertraute er offenbar auf das Stillschweigen seines Bruders, um so auch gegenüber seinem Förderer den Schein wahren zu können. Andererseits erscheint es unwahrscheinlich, dass Kraus gegenüber Bernhard aus seiner Juror-Tätigkeit ein Geheimnis machte: Kraus’ Terminkalender weist mehrfach den Eintrag »Bernhard« auf: Für Dienstag, den 29. August 1967 um 16 Uhr, für Donnerstag, den 12. Oktober sogar von 12 bis 17 Uhr, für Freitag, den 1. März 1968 um 16 Uhr (wohl wegen besagter Lesung), und für Donnerstag, den 21. März um 17:30. Selbst falls bei diesen Gelegenheiten im Jahre 1967 der Staatspreis nicht erwähnt wurde, so hätte Bernhard spätestens nach der Preisverleihung von Kraus’ Juror-Tätigkeit erfahren müssen: Denn in einer Verordnung von 1966 hat »der Herr BM bestimmt, daß in Hinkunft bei der Verleihung von Staatspreisen des ho.Min. die Namen der Juroren nach der Zuerkennung der Preise zu veröffentlichen sind. Da in vielen Fällen bisher die Namen der Jury-Mitglieder absolut geheim blieben, wären die Juroren gleich bei der Übernahme ihres Auftrages auf a diese Tatsache aufmerksam zu machen.«118, Kraus musste also klar sein, dass Bernhard auf jeden Fall erfahren würde, wer für die Preisvergabe verantwortlich war. Dies lässt es noch unwahrscheinlicher erscheinen, dass er Bernhard seine Juroren-Tätigkeit verschwiegen hätte, da er den schwierigen Charakter des Autors kannte. Gemäß jenem Postskriptum hätte ihn dann auch das Ergebnis nicht mehr überraschen können; schließlich hätte Kraus kaum auf eine Teilnahme Bernhards gedrängt, wenn er nicht dessen Erfolgsaussichten positiv eingeschätzt hätte. Wie gezeigt, kannte Bernhard die Ausschreibungs-Bedingungen gut, und somit wusste er auch, dass die Preise nur »aufgrund persönlicher Bewerbung verliehen werden« sollten. So entsteht der Eindruck, dass der Autor sich mit jenem Postskriptum ein Hintertürchen offen lässt: Er würde sich zwar nicht selber bewerben, aber es dulden, dass jemand anders für ihn die Einreichung vornimmt. Solch ein vorschriftswidriges Vorgehen ist eigentlich nur denkbar, wenn man weiß, dass man (mindestens) einen ›Komplizen‹ in der Jury sitzen hat. Vier Jahre später zeigte sich Bernhard bei einem ähnlichen Fall wohlinfora
Tatsächlich wurden die Juroren am 4. März 1968 dann namentlich genannt; siehe S. 58.
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miert über die Vorgänge hinter den Kulissen: »Beim Grillparzer-Preis waren alle in der Jury gegen mich, aber Klingenberg hat gesagt, ich muß den Preis bekommen, weil er das Stück im Burgtheater bringen wird.«119 Wann und wie genau Bernhard von seiner ›Bewerbung wider Willen‹ um den Staatspreis bzw. von seiner Auszeichnung mit diesem erfuhr, wird sich bis ins letzte Detail kaum noch klären lassen. Offiziell ließ ihm Hans Brunmayr eine diesbezügliche Mitteilung am 13. Februar zukommen.120 Die formelle Bekanntgabe der Preisträger sowie deren Einladung zur Verleihung am 4. März erfolgte jedenfalls erst am 21. bzw. 22. Februar.121 Bemerkenswerterweise erschien aber schon am 14. Februar eine diesbezügliche Meldung in der »Kärntner Tageszeitung«122 sowie den »Oberösterreichischen Nachrichten«: »Thomas Bernhard, der in Holland geborene Salzburger Lyriker und Romancier, wurde für seinen letzten Roman ›Frost‹ mit dem Staatspreis ausgezeichnet. Vorher ist schon seine Erzählung ›Verwirrnisse‹ mit großem Interesse aufgenommen worden. Bernhard, der vor wenigen Tagen seinen 37. Geburtstag feierte, gilt als eine der größten Hoffnungen der jungen österreichischen Generation der Romanautoren.«123 An dieser Meldung überrascht nicht nur, dass es von Bernhard meines Wissens nach kein Werk mit dem Titel »Verwirrnisse« gibt; sie suggeriert zudem, dass er allein ausgezeichnet wurde.
Die Preisträger Auch wenn man Bernhards Darstellung der Preisverleihung in »Wittgensteins Neffe« liest (siehe dazu Teil II), so entsteht der Eindruck, dass seinerzeit einzig und allein Thomas Bernhard einen Preis erhielt. Daher sei hier wiederholt, dass für 1967 insgesamt fünf »Staatspreise für Roman, für Plastik, für Medailleurkunst, für Orchesterwerke sowie für Messen und Oratorien ausgeschrieben« wurden. Der Preis für Plastik wurde geteilt, so dass für den 4. März 1968 sechs Preisträger einzuladen waren. Sie sind in den Unterlagen des Ministeriums wie folgt aufgelistet: »Mit aa. Vzl. hat der Herr Bundesminister dem Antrag der Juroren auf Verleihung der Staatspreise 1967 für Plastik an Josef Pillhofer und Alfred Hrdlicka Medailleurkunst an Elfriede Rohr Roman an Thomas Bernhard Orchesterwerke an Professor Gerhard Wimberger Messen und Oratorien an Josef Friedrich Doppelbauer stattgegeben.
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Die Überreichung der Preise wird am Montag, den 4. März d.J., um 11 Uhr, im Audienzsaal des ho.Min. stattfinden. Die Preisträger wären hierzu einzuladen. U.e. wäre der Schriftsteller Hans Lebert zu der Entgegennahme der ihm verliehenen Adalbert-Stifter-Medaille aufzufordern.«124 Es folgt die Auflistung der sieben Preisträger mit Anschrift und angemessener Anrede. Mit dem Staatspreis ausgezeichnet wurden also: - Josef Pillhofer (1921–2010) und Alfred Hrdlicka (1928–2009) (Preisteilung) in der Sparte Plastik, - Elfriede Rohr in der Sparte Medailleurkunst, - Thomas Bernhard (1931–1989) in der Sparte Literatur, - Gerhard Wimberger in der Sparte Orchesterwerk, - und Josef Friedrich Doppelbauer (1918–1989) in der Sparte Messen und Oratorien. Am 4. März sollten also nicht nur diese eine Frau und sechs Männer geehrt werden, sondern auch gleich der neue Träger der Adalbert-Stifter-Medaille. (Diese Auszeichnung wurde ebenfalls vom Unterrichtsministerium vergeben und ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen deutschen Preis, den die Sudetendeutsche Landsmannschaft vergibt.) Dabei handelte es sich also um den Autor Hans Lebert (1919–1993). Da seine Auszeichnung eventuell nicht ohne Folgen blieb auf Bernhards Reaktion auf seine eigene Auszeichnung mit dem »Kleinen« Staatspreis, soll hier kurz auf jenen Autor eingegangen werden.
Exkurs: Hans Lebert und Thomas Bernhard Es gab bereits einige Versuche, Bernhards eigentümliche Reaktion auf seine Auszeichnung mit dem ›Kleinen‹ Staatspreis zu erklären. Dass seine eigene Begründung nicht stichhaltig ist, wurde bereits dargelegt. Im Verlaufe meiner Recherchen fanden sich im wesentlichen vier potentielle Gründe für Bernhards Groll: 1. Verbitterung über die erfolglose Bewerbung um den Staatspreis für Lyrik im Jahre 1966. 2. Verbitterung über die Verweigerung eines Künstler-Stipendiums durch das Unterrichtsministerium im Jahre 1970. 3. Missgunst gegenüber Elias Canetti. 4. Missgunst gegenüber Hans Lebert. Dazu ist anzumerken, dass sich diese Gründe einander nicht ausschließen. Der erste Punkt wurde bereits angesprochen; auf den dritten geht ausführlich Brigitte Prutti ein.125 Im Jahr 1968 war Canetti (1905–1994) bei weitem bekannter
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und erfolgreicher als Bernhard. Dieser war lange um ein gutes Verhältnis zu dem älteren Kollegen bemüht; als Canetti 1976 jedoch in einer Rede einige kritische Anspielung auf Bernhards Werk machte, reagierte dieser selbst für seine Verhältnisse recht rüde.126 Den Nobelpreis, den sich Bernhard als Krönung seiner Auszeichnungen wünschte127 (und sei es nur, um ihn spektakulär abzulehnen128 – wozu es bekanntlich nicht kam), erhielt Canetti zwar erst Ende 1981, also einige Monate nach den Briefen an Gerhard Ruiss, in denen Bernhard sich knapp zu jenen Vorfällen im Jahre 1968 äußert.129 »Meine Preise« wird in der editorischen Notiz von Raimund Fellinger auf das Jahr 1980 datiert.130 Vieles spricht dafür ; eindeutig ist aber nur, dass der Text nach seinem Austritt aus der »sogenannten Darmstädter Akademie«131 Ende 1979 verfasst wurde. Möglich ist auch, dass ihn die Arbeit an »Wittgensteins Neffe« erst zum Verfassen von »Meine Preise« angeregt hat oder das letzterer Text erst unmittelbar vor ersterem entstand. Auffallend ist jedenfalls, dass die Niederschrift von »Wittgensteins Neffe« im Januar 1982 begann,132, 133also wenige Wochen nach der Nobelpreis-Verleihung an Canetti. Bernhards Verleger Unseld erwähnt den Text zum ersten Mal am 9. Februar.134 Der zweite Punkt wurde bereits ausführlich von Maria Fialik behandelt.135 Rationell betrachtet erscheint auch dieser Grund kaum nachvollziehbar, denn bei vielen anderen Gelegenheiten erfuhr Bernhard eine durchaus generöse Unterstützung seitens des Unterrichtsministeriums. »Fest steht, daß Thomas Bernhard einer der meistgeförderten Autoren in Österreich war.«136 Darauf gehe ich in einem weiteren Exkurs am Ende dieses Abschnittes ein. Zunächst soll dargelegt werden, warum ich den vierten Punkt für den nächstliegenden Grund für Bernhards Groll halte: Denn am 4. März war Bernhard nicht nur nicht der einzige auszuzeichnende Staatspreisträger ; er war nicht einmal der einzige geehrte Schriftsteller. Mehr noch: Hans Lebert hatte den ›kleinen‹ Staatspreis bereits einige Jahre vorher erhalten; er erhielt den Großen Staatspreis im Jahre 1980 (also wahrscheinlich vor der Niederschrift von »Meine Preise«), und ihm ward eine hervorgehobene Rolle in der Zeremonie zugedacht: Den sechs Staatspreisträgern stand nur ein Empfänger der Adalbert-StifterMedaille gegenüber. Wie das Programm der Veranstaltung verrät (siehe dazu Teil II), erfolgte zu Beginn sogar eine Lesung aus einem Werk Leberts durch einen Burgschauspieler,137 nämlich Klausjürgen Wussow. Im Programm ist Lebert namentlich genannt, nicht aber Bernhard! (Eine ähnliche Verfehlung ärgert Bernhard auch vier Jahre später anläßlich der Verleihung des Grillparzer-Preises.138) Auch im bereits zitierten Radiobericht vom 4. März wurde jene Medaille besonders hervorgehoben und detailliert erläutert: PETER NIDETZKY (Ö1): »Herr Ministerialrat Dr. Brunmayr, anläßlich des 100. Todestages von Adalbert Stifter überreichte Minister Dr. Piffl-Percevic die Adalbert
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Stifter-Medaille, und zwar heute an Hans Lebert für dessen Romanschaffen. Wie ist es dazu gekommen?« HANS BRUNMAYR: »Im Jahre 1955 hat der Herr Bundesminister für Unterricht – damals aus Anlaß des 150. Geburtstages von Adalbert Stifter – diese Adalbert StifterMedaille geschaffen. Sie ist mit einem Geldpreis verbunden und ist zur Auszeichnung besonders auszeichnungswürdiger und hervorragender literarischer Leistungen gedacht. Sie wurde bisher verhältnismäßig selten verliehen; der erste Empfänger im Jahre 1955 war Felix Braun; dann wurde Max Mell mit dieser Auszeichnung bedacht, Karl Heinrich Waggerl und Franz Nabl. Und jetzt haben wir von der Generation der Großen Alten einmal den Sprung in die mittlere Generation gemacht und jetzt, zu diesem besonders markanten Zeitpunkt anläßlich des 100. Todestages hat der Herr Bundesminister für Unterricht die Stifter-Medaille eben an Hans Lebert verliehen.«139
Bei der Stifter-Medaille handelte es sich also um eine recht exklusive Auszeichnung; zudem war sie mit 30.000 Schilling140 höher dotiert als der Staatspreis (25.000 S). Thomas Bernhard wurde dagegen nur summarisch unter den übrigen Staatspreisträgern (allerdings an erster Stelle) genannt. In der ursprünglichen Planung bezog sich selbst die musikalische Untermalung auf die Person Leberts: Es sollten zwei Sätze für Streichquartett von Alban Berg (1885–1935), dem Onkel des Autors, gespielt werden. Nach dem endgültigen Programm sowie der Darstellung von Hans Rochelt wurde aber a Musik von Joseph Marx gespielt. Aus welchem Werk Leberts gelesen wurde, geht aus den Quellen nicht hervor. Es dürfte sich um »Der Feuerkreis« gehandelt haben, da im Programm von der b »Introduktion zu einem neuen Roman« die Rede ist. Womöglich handelte es sich um denselben Ausschnitt aus dem im Entstehen begriffenen Buch, der wenige Wochen später in »Literatur und Kritik« erschien.141 Eventuell wurde aber auch aus Leberts bekanntestem Werk gelesen, dem Roman »Die Wolfshaut« von 1960. Dies könnte Bernhards Unwillen noch gesteigert haben: Denn er hat stets Wert darauf gelegt, mit »Frost« etwas noch nie Dagewesenes in der österreichischen Literatur geschaffen zu haben. Dies relativiert sich, wenn man das Werk Leberts studiert. »Politisch präziser als Thomas Bernhards Litaneien und in seiner Verzweiflung weniger selbstverliebt als jene, führt ›Die Wolfshaut‹ in ein abgründiges Österreich, in dem über den Gräben von gestern längst wieder Wohlstand und Wiederaufbau, Heimatverein und Fremdenverkehr blühen. Der Erfolg des politisch gleichermaßen radikalen wie sprachlich kühnen Romans war außerordentlich; von Heimito von Doderer, dem konservativen Anarchisten, zu Ernst Fischer, den häretischen Marxisten, rühmten die Kritiker ›Die Wolfshaut‹ als grandiose a b
Siehe dazu der Exkurs über Bernhard und die Musik. Siehe S. 50.
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Parabel von Schuld und Sühne, als phantastische Studie über das Fortwirken des Faschismus im zwangsdemokratisch gewendeten Österreich.«142
Zudem »taucht bei näherem Hinsehen eine erstaunliche inhaltliche wie motivgeschichtliche Nähe [von Frost] zu Hans Leberts drei Jahre zuvor veröffentlichten Roman Die Wolfshaut auf: Beide Romane spielen in der österreichischen Provinz und schildern in einer ähnlich schonungslos realistischen Darstellungsweise das Leben in einem Dorf der Nachkriegszeit. Personenbeschreibung und Naturdarstellung erzeugen in beiden Romantexten einen Kosmos bedrohlicher Negativität; auch die provokant metaphorische Namensgebung für die beschriebenen Dörfer zeigt die thematische Ähnlichkeit der beiden Texte auf: ›Schweigen‹ in Wolfshaut, ›(W)eng‹ in Frost. Die wichtigste Parallele jedoch besteht in der zentralen Thematik beider Romane: dem Verschweigen wie Verdrängen der Verbrechen und Traumata des Nationalsozialismus.«143 »Der Index des Schreibens ist das nicht vergehende Nach-dem-Krieg als ein Nach-derVernichtung. Unter Mördern und Irren, der Bachmann-Titel aus einer Erzählung, 1961 erschienen, fiel Marcel Reich-Ranicki bei seiner ersten Bernhard-Lektüre ein. Dieser Titel könnte, genauso wie ›Politik und Physis‹, über Hans Leberts Die Wolfshaut (1960) stehen und genauso über den dann folgenden Werken der ›Kinder der Toten‹ (Elfriede Jelinek), die in den Sechziger- und Siebzigerjahren zu schreiben beginnen.«144 »Bernhard hat nie bestätigt, Die Wolfshaut rezipiert zu haben. Er erklärt sogar, dass es vor Frost nichts Vergleichbares in der Literatur gegeben habe.145 Die signifikanten inhaltlichen und motivischen Überschneidungen zwischen Leberts Roman und Frost lassen aber Gegenteiliges vermuten.146 Jürgen Egyptien sieht folgerichtig in Leberts Darstellung der ländlichen Gesellschaft das ›Präludium zu den Haßtiraden Thomas Bernhards‹147, und Joachim Hoell glaubt mit Die Wolfshaut ein Modell verwirklicht, das Bernhard erfolgreich auf Frost überträgt.148 Wie bereits während seiner journalistischen Tätigkeit beim Demokratischen Volksblatt und während seiner Versuche als Avantgardekünstler am ›Tonhof‹, so muss auch in Bezug auf Bernhards Debütroman Frost konstatiert werden, dass sich der Autor rasch und pragmatisch neuen Entwicklungen und Tendenzen im literarischen Feld anzupassen versteht.«149
Josef Mautner verweist in seinem Buch noch auf weitere Parallelen zu »Wolfshaut« in »Frost« und in dem 1963 entstandenen Text »Der Italiener«. Unabhängig von der Frage, ob Bernhard sich von Leberts Roman anregen ließ oder nicht: Wenn Hans Lebert geehrt wurde, so erfuhr damit natürlich zuallererst dessen Werk Anerkennung, und dies schien wiederum die Bedeutung von Bernhards Werk zu mindern. All dies könnte jedenfalls unschwer den Ärger des Autors von »Frost« erklären. Auch die Biographie Leberts könnte Bernhards Widerwillen provoziert haben: Denn was letzterer vergeblich zu erreichen versucht hatte, das war ersterem gelungen: Lebert war ein renommierter Opernsänger, der zudem mit Alban Berg einen der prominentesten Komponisten seiner Zeit zum Onkel hatte.
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»Den Höhepunkt und Abschluß von Leberts Karriere als Sänger bildete dann [1949] seine Mitwirkung an der österreichischen und italienischen Uraufführung von Alban Bergs Oper Lulu, wobei er jeweils die Partie des Alwa sang.«150 Dem hatte Bernhard nur Flunkereien über seine Musik-Studien und einige a Amateur-Aufführungen entgegen zu setzen. Und dann erhielt Lebert auch noch ausgerechnet eine Auszeichnung, die nach einem Autor benannt ist, mit dem sich Bernhard besonders verbunden fühlte! »Thomas erhofft sich nämlich schon von Jahr zu Jahr den Stifter-Preis. Dieser wäre ihm der liebste, denn er passt zu Stifter.«151 Mehr noch: Zwei Jahre später bekam Hans Lebert ein Stipendium des Unterrichtsministeriums, Bernhard – obwohl er sich diesmal korrekt und persönlich beworben hatte und auf der b gleichen Anwärter-Liste stand – aber nicht! Dies könnte erklären, warum Bernhard noch Jahre später verächtlich über Leberts »Feuerkreis« herzog – und zwar just in der Zeitschrift des Stifter-Institutes.152 Lebert andererseits hat sich nach meinem Wissen nie öffentlich über das Geschehen am 4. März geäußert. In seiner Dankesrede zur Verleihung des Grillparzer-Preises im Jahr 1992 macht der Autor zwar seinen eigenen Standort klar, nennt aber Bernhard nicht namentlich: »Wie schon gesagt, ich bin Patriot, ein sehr kritischer Patriot, und gerade als solcher kehre ich zunächst vor der eigenen Tür. Jedoch ich distanziere mich auf das allerschärfste von jenen österreichischen Autoren, die ihr Vaterland beschimpfen und lächerlich machen, um im Ausland dafür Applaus zu ernten.«153
Exkurs: Bernhards Förderung durch das Unterrichtsministerium Wie erwähnt, vergibt die österreichische Regierung eine Reihe von Förderungen. Neben den Staatspreisen waren bzw. sind das zahlreiche andere Preise, Stipendien und Unterstützungen. Aufgrund ihrer Zahl und ihres Umfanges wurden diese Förderungen auch verschiedentlich kritisiert oder verspottet – nicht zuletzt von Bernhard selbst: »Künstlertum heißt in Österreich für die meißten, sich dem Staat, gleich welchem, gefügig zu machen und sich aushalten zu lassen lebenslänglich. Das österreichische Künstlertum ist ein gemeiner und verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit Stipendien und Preisen gepflastert und mit Orden und Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet.«154
a b
Siehe dazu den Exkurs in Teil II. Siehe Punkt 2 und S. 47.
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Dem ließen sich manch ähnliche Äußerungen aus Bernhards Werken und Interviews hinzufügen. Zu Lebzeiten nicht gedruckt wurde sein halbherziges Geständnis in »Meine Preise«: »Ich hatte in jungen Jahren dieses [Unterrichts-]Ministerium öfter betreten, um einen sogenannten Auslandsreisenzuschuß zu bekommen, in der Mitte meiner Zwanzigerjahre, denn ich wollte viel und beinahe ununterbrochen herumreisen und hatte dazu kein Geld, das Ministerium hat mir zwei- oder dreimal einen solchen Zuschuß gegeben, ihm verdanke ich mit Sicherheit zwei Italienreisen.«155
Das ist nicht die ganze Wahrheit. Tatsächlich war Bernhard, wie erwähnt, einer der meistgeförderten Autoren Österreichs. »Der über alle Parteilichkeit und Staatssubventionen erhabene Schriftsteller Bernhard ist also ein Mythos, der von dem Autor lebenslang forciert und von seiner Leserschaft und seinen Interpreten gläubig hingenommen worden ist.«156
Vor allem das geschmähte Unterrichtsministerium erwies sich dabei als generös. Bernhard kann das auch kaum vergessen haben, da sich viele diesbezügliche Bestätigungen in seinem Nachlass finden. Bereits am 10. April 1956 bekommt der Autor – damals ein weitgehend unbekannter Lyriker – Post vom Wiener Minoritenplatz: »Zur Förderung Ihrer literarischen Tätigkeit gewährt Ihnen das Bundesministerium für Unterricht ein einmaliges Stipendium von S 2.000.«157 »Einmalig« im strengen Sinne blieb dieses Stipendium nicht; weitere Bewilligungen folgten: 18. 12. 1956: 23. 06. 1960: 21. 04. 1961: 20. 02. 1962: 09. 05. 1963: 10. 01. 1964: 1966: 24. 08. 1967:
Arbeitsstipendium, Reise- und Arbeitsstipendium, Arbeitsstipendium, Arbeitsstipendium, Arbeitsstipendium, Stipendium auf Antrag der ÖGL Arbeitsstipendium Beihilfe auf Antrag der ÖGL
S. 3.000 S. 6.000 S. 5.000 S. 4.000 S. 3.500 S. 8.000158 S. 6.000159 S. 6.000160
Außerdem unterstütze das Ministerium, wie erwähnt, Bernhards Kauf des Vierkanthofes in Ohlsdorf mit einem zinslosen Kredit über 30.000 Schilling.161 Wie Maria Fialik detailliert darstellt,162 verweigerte Bernhard viele Jahre die Rückzahlung dieses Kredites. Am 02. 09. 1966 wurde die Rückzahlung vorerst bis zum 01. 01. 1967 gestundet, aber noch am 14. 05. 1976 musste die Rückzahlung angemahnt werden.163 Dennoch bewarb sich Bernhard im Februar 1970 um ein Jahresstipendium. Diese Bewerbung erfolgte offenbar auf die Initiative von Wolfgang Kraus und Hans Rochelt hin: »[…] das Unterrichtsministerium möchte nicht nur Autoren mit Stipendien bedenken, die ordnungsgemäß darum ansuchen. Man würde es aber als eine freundliche Geste
Exkurs: Bernhards Förderung durch das Unterrichtsministerium
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ansehen, wenn ein gewisser Thomas Bernhard […] einen kurzen Brief an Brunmayr richten würde, in dem bloß vom Projekt des nächsten Buches die Rede zu sein braucht (es handelt sich um die 5.000 .– monatlich für ein Jahr). […] Nur damit es nicht heißt, der Thomas Bernhard, der immer nur schimpft, dem schiebt man das Geld hinein … Und auf lange Zeit ist dann wieder alles blockiert.«164
Tatsächlich richtete Bernhard schon drei Tage später ein entsprechendes, sehr knappes Schreiben an besagten Ministerialrat: »Sehr geehrte Herren, wie ich erfahre, hat das Bundesministerium für Unterricht Jahresstipendien für österreichische Schriftsteller ausgeschrieben. Ich arbeite gegenwärtig an einem Roman, dessen Fertigstellung binnen Jahresfrist mir durch die Zuerkennung eines solchen Stipendiums erleichtert werden würde. Ich ersuche Sie, meine Bewerbung zur Kenntnis zu nehmen.«165
Zwar kam Bernhard nach den erhaltenen Unterlagen in die engere Auswahl, doch erhielt er letztendlich keines der fünf Stipendien. Dabei war die Zahl der Einreichungen mit 19 überschaubar,166 doch profitierten diesmal wohl andere a von einer Praxis, wie sie Wolfgang Kraus beschrieben hat: Von den Stipendiaten hatten nur Alfred Kolleritsch und Peter Henisch Bewerbungen eingereicht. Die Zuerkennung der Stipendien an Barbara Frischmuth, Michael Scharang und Hans Lebert erfolgte offenbar »aus der Kenntnis der Jury« heraus. Am 25. 05. 1970 schrieb somit Brunmayr an Bernhard: »Unter Bezugnahme auf Ihre Einreichung zur Erlangung eines österreichischen Staatsstipendiums für Literatur 1970 teilt das Bundesministerium für Unterricht mit, daß die Jury für Sie leider keinen stattgebenden Antrag gestellt hat. Es wird Ihnen jedoch anheimgestellt, sich nächstes Jahr wieder zu bewerben.«167
Es ist müßig, über die Gründe für diese Entscheidung zu spekulieren. Eventuell hatte Bernhard nicht genügend Fürsprecher in dieser Jury ; dieser gehörten neben Hilde Spiel diesmal Hans Hiesel (es dürfte Franz Hiesel gemeint sein), Peter Marginter und Hans Weigel an.168 Womöglich ist dem Autor Peter Marginter (1934–2008) zu Ohren gekommen, dass ohne Bernhard vermutlich er am 4. März 1968 den Staatspreis erhalten hätte (sein Werk hatte die zweitbesten Noten); womöglich wollte man in jenem Jahr gezielt Autoren des Grazer »Forum Stadtpark« fördern, denen Frischmuth, Scharang und Kolleritsch zugeordnet werden. Angesichts der bis dahin sehr generösen Haltung des Ministeriums dürfte diese Entscheidung Bernhard überrascht, wenn nicht brüskiert haben, um einen seiner Lieblings-Ausdrücke zu verwenden. Dies könnte somit, wie erwähnt, einer der Gründe für Bernhards Groll gewesen sein – zumal ihm u. a. niemand a
Siehe S. 35.
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Teil I: Vorgeschichte
anders als Hans Lebert vorgezogen wurde. Tatsächlich ist Bernhards Ärger noch unschwer aus einem Brief herauszulesen, den er einige Monate später an die Autorin Jeannie Ebner (wie erwähnt, ebenfalls Bewerberin um den Staatspreis 1968) schickte: »ich werde den Fernsehfilm nicht machen; es ist ja auch absurd, einen Film über eine Person drehen zu wollen von Seiten des Staates, dessen Arbeit nicht einmal für ein sogenanntes Staatsstipendium entspricht. Dazu folgendes: die Stipendienjury hat mich durch die Literaturgesellschaft aufgefordert, zu dem Stipendium einzureichen, was ich aus eigenem niemals getan hätte und hat mich einen vorgeschriebenen Ansuchenstext unterschreiben lassen. Dieselbe Jury hat es zugelassen, dass mir vom Ministerium ein abgezogener Wisch, wie ihn wahrscheinlich Kreti und Pleti zugeschickt bekommen haben, zugeschickt worden ist, in welchem mir mitgeteilt wird, dass meine Leistung für ein Staatsstipendium nicht entspricht, es mir aber ›freistehe, mich im nächsten Jahr wieder zu bewerben‹ etcetera. Erspare mir dazu bitte jeden weiteren Kommentar. Drei Tage nach der Ablehnung, die ich tatsächlich als ungeheuerliche Diffamierung empfunden habe, habe ich vom Büchnerpreis gehört und mit dieser Summe ist es mir möglich, den Spitalskostenbeitrag von vierzigtausend Schilling, den ich seit 5 Jahren schuldig bin, zu bezahlen. Ich bin aber kein Offenleger meiner schlechten finanziellen Verhältnisse. Meine Bücher erreichen eine Auflage von höchstens dreitausend Exema plaren. Du weißt, was das bedeutet, für ein Jahr Arbeit ungefähr 15.000 Schilling, dafür schrubbt keine Bedienerin. Aber unsere Feuilletonisten, die über mich Gericht gesessen sind, haben eben keine Ahnung von ›guter‹ oder sogenannter ›Höherer Literatur.‹ Mir ist jetzt alles bestätigt und noch mehr klar. Ich existiere völlig mit mir abgeschlossen, wahrscheinlich das anspruchloseste Literatenleben auf dem Land, das ich kenne. Aber kein Kommentar. Meine Entwicklung ist mir klar. Schließlich bist du Poetin, dadurch unterscheidest du Dich für mich nach wie vor von den schauerlichen witzigen Feuilletonisten in Wien, die ich tatsächlich verabscheue, und denen mich (als Jury) auszuliefern sich ein Ministerium getraut.«169 b
Abgesehen davon, dass Bernhard nicht korrekt zitiert, ist dazu hier nur anzumerken, dass das besagte Filmportrait doch gemacht wurde und Bernhard noch vor der Fertigstellung am 3.10.71 beim Ministerium um die Überweisung des Honorars ansuchte.170 Ansonsten fällt auf, dass Bernhard die Schuld weniger bei Hans Rochelt und Wolfgang Kraus sucht, von denen nach den zitierten Unterlagen die Initiative offenbar ausging, sondern bei den Juroren und hier v. a. wohl bei Hans Weigel, dem »witzigen Feuilletonisten in Wien«. Welche Gründe auch immer ausschlaggebend gewesen sein mögen für Bernhards Groll: Mit dem Beschluss der Jury, ihm den Staatspreis zu verleihen, sowie der Bekanntgabe dieses Urteils war gewissermaßen die Lunte zu der Ladung entzündet, die dann am 4. März hochgehen sollte. a b
Siehe dazu auch S. 36. Siehe S. 47.
Teil II: Der Festakt
Der Ablauf der Preisverleihung am 4. März war in den erwähnten Unterlagen mit dem Datum vom 23. Februar stichwortartig geregelt: »Der Herr Bundesminister hat entschieden, dass die Überreichung der Staatspreise 1967 am Montag, den 4. März d.J., um 11 Uhr im Audienzsaal stattfindet. Für den Ablauf des Festaktes erlaubt sich die GA folgendes Programm vorzulegen: 1. Musikalische Einstimmung (Prof. Jaro Schmied mit seinem Quartett spielt einen 1. Satz, maxim. 7 Min., von Alban Berg) 2. Lesung aus einem Werk des mit der Adalbert Stifter-Medaille ausgezeichneten Schriftstellers Hans Lebert 3. Rede des Herrn Bundesministers und anschliessende Überreichung der Preise 4. Dankesworte eines Ausgezeichneten 5. Musikalischer Ausklang (ev. einen 2. Satz wie vor) Für die Teilnahme an dem Festakt werden die auf den beiliegenden Listen 1–9 verzeichneten Personen vorgeschlagen. Der Text wird separat vorgelegt. Anschließend an den Festakt wären, der sehr späten Vormittagsstunde Rechnung tragend, einfache Erfrischungen zu reichen. Die Kosten hierfür wären von den Abtlgn II/4 und II/5 zu übernehmen. Das Pressereferat und die Abtlg. II/3 dürfen mit dem Ersuchen begrüsst werden, Rundfunk, Fernsehen und die Wochenschau zur Übernahme und Ausstrahlung des Festaktes einzuladen. […]«171
Die Listen mit den Geladenen sind leider nicht erhalten.172 Ein etwas detaillierteres Programm findet sich im Nachlass von Thomas Bernhard. Dieses dürfte den Teilnehmern am Festakt zugegangen und die endgültige Version sein: »ADALBERT STIFTER-MEDAILLE ÖSTERREICHISCHER STAATSPREIS 1967 FÜR PLASTIK, MEDAILLEURKUNST, ROMANE, ORCHESTERWERKE, MESSEN UND ORATORIEN Festakt anläßlich der Überreichung am 4. März PROGRAMM Joseph Marx: Streichquartett in modo classico
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Teil II: Der Festakt
1. Satz – Allegro con brio ›Wiener Streichquartett‹ unter Leitung von Prof. Jaro Schmied Hans Lebert: Introduktion zu einem neuen Roman Klaus Jürgen Wussow (Burgtheater) Ansprache des Herrn Bundesminister R. Theodor Piffl-Percˇevic´ und Überreichung der Preise Dankesworte eines Ausgezeichneten Joseph Marx: Streichquartett in modo classico 4. Satz – Poco presto ›Wiener Streichquartett‹ unter Leitung von Prof. Jaro Schmied«173
Auf die Unterschiede zum ersten Entwurf wird im Folgenden noch eingegangen. Bevor ich im Detail den Ablauf der Veranstaltung skizziere, ist es sinnvoll, ausführlich auf die Darstellung des Festaktes bei Thomas Bernhard einzugehen.
Der Ablauf des Festaktes nach Thomas Bernhard Die Beschreibung des Festaktes in »Meine Preise« ist ausführlicher als diejenige in »Wittgensteins Neffe.« Dies dürfte auf die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der beiden Werke zurückzuführen sein, weniger auf ihren jeweiligen Gattungscharakter. »Meine Preise« ist im Typoskript mit keinerlei Gattungsbezeichnung versehen,174 und darauf, ob bzw. inwieweit es sich bei »Wittgensteins Neffe« um einen Roman handelt, gehe ich im Nachwort näher ein. Jedenfalls erschien »Wittgensteins Neffe« bereits 1982 und stellte bald drei Jahrzehnte die Hauptquelle für alle Darstellungen jenes Vorfalles dar ; daher soll sie hier am Anfang stehen. Nur kurz zum Titel: Mit »Wittgenstein« ist der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889–1951) gemeint, dessen Neffe (zweiten Grades) Paul Wittgenstein (1907–1979) von Bernhard als einer seiner wenigen engen Freunde und als eine Art Original-Genie angesehen wurde. Paul Wittgenstein selber scheint den aufstrebenden Autor etwas anders gesehen zu haben: »Hat nicht der Thomas Bernhard sogar einmal einer Dichterin die Fußsohlen gekrault, ehe er erfolgreich geworden ist? Gediegener Konjunkturstil, sogar die Mittelklasse versteht ihn noch.«175 Dennoch begleitete er Bernhard offenbar zur Verleihung des ›Kleinen‹ Staatspreises: »Ein anderer, nicht weniger deutlicher Beweis für die Charakterstärke des Paul: die sogenannte Verleihung des Staatspreises für Literatur […] an mich, die, wie die Zeitungen damals schrieben, mit einem Skandal geendet hat. Der im Audienzsaal des
Der Ablauf des Festaktes nach Thomas Bernhard
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Ministeriums eine sogenannte Laudatio auf mich haltende Minister hat in dieser Laudatio nichts als Unsinn über mich gesagt, weil er nur das von einem Blatt heruntergelesen hat, was ihm einer seiner für die Literatur zuständigen Beamten aufgeschrieben gehabt hat, zum Beispiel, daß ich einen Roman geschrieben hätte über die Südsee, was ich natürlich niemals getan habe. Obwohl ich immer Österreicher gewesen bin, behauptete der Minister, daß ich Holländer sei. Obwohl ich davon keine Ahnung hatte, behauptete der Minister, daß ich auf Abenteuerromane spezialisiert sei. Mehrere Male behauptete er in seiner Ansprache, ich sei Ausländer und in Österreich zu Gast. Mich regten die von dem Minister von dem Blatt heruntergelesenen Unsinnigkeiten aber gar nicht auf, denn ich wußte genau, der dumme Mensch aus der Steiermark, der, bevor er Minister geworden war, dort in Graz Sekretär der Landwirtschaftskammer und vor allem für Tierzucht zuständig gewesen war, kann nichts dafür. […] Nachdem ich aber dann, sozusagen als Dank für den Preis, ein paar Sätze, die ich erst kurz vor der Preisverleihung in höchster Eile und mit dem größten Widerwillen auf ein Blatt Papier geschrieben hatte, eine kleine philosophische Abschweifung sozusagen vorgetragen hatte, in welcher ich nichts anderes zu sagen gehabt habe, als daß der Mensch armselig und ihm der Tod sicher sei, alles in allem hatte mein Vortrag nicht länger als drei Minuten gedauert, war der Minister, der überhaupt nicht verstanden hatte, was ich gesagt hatte, empört von seinem Sitz aufgesprungen und hatte mir die geballte Faust ins Gesicht geschleudert. Wutschnaubend hat er mich vor allen Anwesenden auch noch einen Hund genannt und hat den Saal verlassen nicht ohne hinter sich die Glastür mit einer solchen Gewalt zuzuschlagen, daß sie in tausende Scherben zersplittert ist. Alle im Audienzsaal waren aufgesprungen und hatten dem hinausgestürzten Minister verblüfft nachgeschaut. Einen Augenblick herrscht, wie gesagt wird, vollkommene Ruhe. Darauf geschah das Merkwürdige: die ganze Gesellschaft, die ich doch nur als Opportunistenmeute bezeichnen kann, ist dem Minister nachgerannt, nicht ohne vorher noch gegen mich vorzugehen nicht nur mit Schimpfwörtern, sondern auch mit geballten Fäusten, ich erinnere mich genau an die geballten Fäuste, die der Präsident des Kunstsenats, Herr Henz, mir entgegengeschleudert hat, wie an alle anderen gegen mich vorgebrachten Ehrenbezeigungen in diesem Augenblick. Die ganze Gesellschaft, ein paar hundert Kunstpfründner, vornehmlich aber Schriftsteller, also Kollegen, wie gesagt wird, und deren Gefolge, sind dem Minister nachgerannt und ich weigere mich, alle diese Namen aufzuzählen, die dem Minister durch die von ihm zerschlagene Glastür nachgerannt sind, weil ich keine Lust habe, wegen einer solchen Lächerlichkeit vor Gericht zu kommen, aber es waren die bekanntesten und berühmtesten und angesehensten, die aus dem Audienzsaal hinaus und die Treppe hinuntergestürzt sind, dem Minister nach und die mich mit meinem Lebensmenschen im Audienzsaal stehengelassen haben. Wie einen Aussätzigen. Keiner war bei mir und meinem Lebensmenschen geblieben, alle waren sie, an dem für sie aufgestellten Buffet vorbei, hinausgestürzt und dem Minister nach und hinunter bis auf Paul. Er war der einzige, der bei mir und meiner Lebensgefährtin, meinem Lebensmenschen, stehengeblieben war, entsetzt und amüsiert gleichzeitig von dem Zwischenfall. […] Am darauffolgenden Tag ist in den österreichischen Zeitungen von dem Nestbeschmutzer Bernhard die Rede gewesen, der den Minister brüskiert hat, während es doch genau umgekehrt gewesen war, der Minister Piffl-Percˇevic´ hat den Schriftsteller Bernhard brüskiert.«176
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Teil II: Der Festakt
Später erwähnt Bernhard beiläufig, dass sich noch weitere Gäste zu ihm gesellt hätten. Damit gemahnt das Geschehen an eine Szenerie, wie sie generell nach vergleichbaren Veranstaltungen zu beobachten ist: Es kommt zur GrüppchenBildung unter den Anwesenden, wobei naturgemäß einander bereits bekannte Personen zusammen stehen. Ein ähnliches Grüppchen hat sich offenbar auch während des anschließenden Buffets um den Roman-Preisträger gesammelt. Im übrigen entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn Bernhard dem Minister Fehler in der Laudatio vorhält: Tatsächlich enthält diese lediglich einen a Irrtum. Bernhards eigene Darstellung enthält dagegen – nach meiner Zählung – einundzwanzig zu beanstandende Punkte; Wiederholungen nicht mitgezählt. Dies wird noch im Detail zu belegen sein. Widersprüche ergeben sich schon dann, wenn man obige Schilderung mit Bernhards anderen Versionen des Geschehens vergleicht. Auch darauf werde ich ausführlich eingehen. Wenn man Bernhard Darstellung(en) liest, so drängt sich die Frage auf, warum der Autor einen solchen, ihn angeblich brüskierenden Preis überhaupt annahm. Seine Antwort darauf ist kurz und bündig: »Ich bin nicht gewillt, fünfundzwanzigtausend Schilling abzulehnen, sagte ich, ich bin geldgierig, ich bin charakterlos, ich bin selbst ein Schwein.«177 Vermutlich erging bereits mit der Einladung an Bernhard die Bitte, die oben unter Punkt 4 erwähnten »Dankesworte« zu verfassen und vorzutragen. Es lag nahe, dass einer der ausgezeichneten Autoren diese Aufgabe übernahm, und da Hans Lebert bereits mit der Lesung repräsentiert war, bekam Bernhard gewissermaßen auch die Gelegenheit, sich beim Festakt zu Wort zu melden. Dass diese Idee auf wenig Gegenliebe stieß, dürften die Verantwortlichen kaum geahnt haben: »Auch bei dieser Gelegenheit sollte ich eine Rede halten, aber ich bin kein Redner und ich kann überhaupt keine Rede halten, ich habe nie eine Rede gehalten, weil ich gar nicht fähig bin, eine Rede zu halten. […] Schon war meine Tante zum Fortgehen bereit, sie sah wieder sehr elegant aus und ich bewunderte sie. Wenn ich nur abgesagt hätte und jetzt nicht in das Ministerium gehen müßte! Sagte ich. Und da, auf dem Höhepunkt meiner Verzweiflung, setzte ich mich an den Fensterschreibtisch in meinem Kabinett und tippte ein paar Sätze in die Maschine. Wieder war es keine Rede, wie von mir verlangt, wieder waren es bloß ein paar Sätze, die ich in der Hand hatte. Nur ein paar Sätze sagte ich zu meiner Tante und ich geniere mich, ihr diese gerade entstandenen Sätze vorzulesen. Dazu hätte ich auch gar keine Zeit mehr gehabt, denn wir mußten weg, wir erwischten ein Taxi an der Ecke Obkirchergasse/Grinzinger Allee und fuhren in die Stadt hinein.«178
Auch diese Schilderung ist in einigen Punkten inkorrekt, wie noch zu zeigen sein wird. Zuerst aber zur Darstellung des Auftaktes des Festaktes in »Meine Preise«: a
Siehe Anhang A.
Exkurs: Thomas Bernhard und die Musik
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»Der Minister hatte in der ersten Reihe Platz genommen, in welcher die Preisanwärter saßen, fünf oder sechs außer mir. Auch diese Preisverleihung begann mit einem Musikstück, es war ein Streicherstück und der Minister hörte es sich mit nach links geneigtem Kopf an. Die Musiker waren nicht gut in Form und sie patzten an vielen Stellen, aber bei solchen Gelegenheiten ist nicht einmal auf korrektes Spiel Wert gelegt worden. Mich schmerzte es, daß die Musiker ausgerechnet an den besten Stellen des Musikstückes patzten.«179
Angesichts dieser Darstellung ist es angebracht, einen weiteren Exkurs einzuschieben.
Exkurs: Thomas Bernhard und die Musik Wie in der Ablauf-Skizze unter Punkt 1 erwähnt, sollten bei dem Festakt ursprünglich Auszüge aus einem Werk für Streichquartett von Alban Berg aufgeführt werden, dem Onkel von Hans Lebert. Gespielt wurden dann gemäß dem Programm und den Angaben von Hans Rochelt zwei Streichquartett-Sätze von Joseph Marx (1882–1964). Dass Bernhard sehr unspezifisch von einem »Streicherstück« spricht, muss nicht heißen, dass ihm die Gattungsbezeichnung »Streichquartett« unbekannt war. Immerhin spielt ein Klavierquintett gewissermaßen die Hauptrolle in einem von Bernhards späteren Theaterstücken.180 Auch schreibt Bernhard in seiner »Autobiographie«, dass er in den 1940er Jahren Geigenunterricht erhalten habe. In dem Film-Portrait »Drei Tage« geht er noch weiter : »Ich hab’ Musik studiert, und es ist mir sehr leicht gefallen, Instrumente zu spielen, Musik zu machen, das heißt zu komponieren. Ich hab’ eine Zeit gehabt, wo ich gedacht hab’, ich werd’ unbedingt ein Kapellmeister werden. Ich hab’ Musikästhetik und ein Instrument nach dem andern studiert, und weil es mir aber zu leicht gefallen ist, hab’ ich das alles aufgegeben.«181
Niemand hat aber jemals gesehen und bezeugt, dass Bernhard irgendein Musikinstrument gespielt und beherrscht hätte – vom Komponieren ganz zu schweigen. Rudolf Brändle mutmaßt zwar, dass er Bernhards Übungen auf der Violine gehört habe, doch sah er ihn nie spielen.182 Bernhards Nachbar »Karl Hennetmair bemerkt, daß im Stück Die Macht der Gewohnheit Garibaldi die Saiten des Instruments und nicht den Bogen mit Kolophonium einreibt, und schließt daraus, daß Bernhard keine Ahnung vom Geigenspiel hatte.«183 Gegenüber ihm machte der Autor offenbar auch kein Geheimnis aus seinem schlechten musikalischem Gedächtnis: »Als ich dann sagte: Heut ist ›Erkennen Sie die Melodie‹, sagte Thomas: Oije, da bin ich sehr schlecht, da versag ich immer.«184
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Teil II: Der Festakt
Aber auch, wenn Bernhard kein praktizierender Musiker war, so ist es natürlich trotzdem denkbar, dass er sich auf dem Gebiet der Kammermusik gut genug auskannte, um sich besagtes Urteil erlauben zu können. Hans Rochelt schreibt in einem Zeitungsartikel185 zu dem Vorfall, dass »ein a Streichquartett von Joseph Marx« gespielt wurde. Dies passt zu den Angaben des Programms, wonach der erste und vierte Satz aus Marx’ »Quartetto in modo classico« gespielt wurden. Mit einer Spieldauer von 5 bis 7 Minuten passen diese gut zu der ursprünglichen zeitlichen Vorgabe. In den wenigen Tagen zwischen dem 23. Februar (an dem, wie erwähnt, im Ministerium der Ablauf-Plan abgesegnet wurde) und der Preisverleihung am 4. März wurde also das musikalische Programm geändert. Auch wenn dazu keine Unterlagen auffindbar waren, so dürfte die Initiative dafür von den Interpreten ausgegangen sein. Dabei handelte es sich um ein Quartett mit Jaro Schmied (1906–2006)186 an der ersten Geige. Schmied war seit 1967 Professor und Leiter einer Meisterklasse am Wiener Konservatorium für Musik und dramatische Kunst (dem heutigen Prayner Konservatorium). Der Schwerpunkt seines Wirkens war die Musik der Wiener Klassik, der Romantik und das Schaffen von Johann Strauß Sohn. Das Werk Bergs zählte offenbar nicht zu seinem Repertoire, und innerhalb weniger Tage konnte es kaum einstudiert werden. Die Quartette von Marx dagegen dürften ihm schon allein deshalb näher gelegen sein, weil dieser ebenfalls viele Jahre in Wien unterrichtet hat; vermutlich kannte man einander. Das im Programm auf S. 50 als »Wiener Streichquartett« bezeichnete Ensemble ist übrigens nicht mit jenem Quartett zu verwechseln, welches unter eben diesem Namen weltweit bekannt ist.187 Selbst dies schließt freilich nicht aus, dass die Musiker gewissermaßen einen schlechten Tag hatten und tatsächlich »an den besten Stellen des Musikstückes patzten.« Bernhards unspezifische Ausdrucksweise stimmt allerdings skeptisch. Zwar hat der Autor, wie erwähnt, nie selber Musik studiert, und abgesehen von einigen halb-privaten Auftritten als Sänger188 war er auch nie als ausführender Musiker aktiv. Er war allerdings bekennender Musikfreund, besaß eine umfangreiche Plattensammlung und auch einige Partituren. In einem Interview mit Janko von Musulin betont Bernhard wiederum sein angebliches Musikstudium: »Ich hab’ in Salzburg studiert damals, am Mozarteum, in Wien, jahrelang also Musik, theoretische, praktische Musik, mehr theoretisch allerdings, mich sehr für moderne Musik interessiert, wie das selbstverständlich ist bei jungen Menschen …«189
Ganz anders klingt dies in Rudolf Brändles Beschreibung der Präferenzen »Bernhards, dessen eher konservatives Musikverständnis nie über die Klassik hinausgekommen ist.«190 a
Zum Artikel und Autor im Detail siehe S. 79f.
Exkurs: Thomas Bernhard und die Musik
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Dies spiegelt sich auch in der Platten- und Notenkollektion Bernhards wider : »Was sehr verwundert: es fehlt – mit B8la Bartjk als einziger Ausnahme – die Moderne. In einem Spiegel-Interview kurz vor seinem Tod hatte Bernhard behauptet, Wittgenstein (Ludwig, nicht Paul) sei unmusikalisch gewesen. Eine unsinnige Bemerkung, denkt man an die in allen Schriften des Philosophen bezeugte Affinität zur Musik und an seine Vorliebe, sprachphilosophische Untersuchungen durch Musikanalogien zu beurteilen. Eine zutreffende Bemerkung allerdings, denkt man an seine hartnäckige Weigerung, die Musik der Moderne überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Bereits Wagners Tristan war ihm unerträglich gewesen! Bernhards Protagonisten – auch diejenigen, die der Autor mit eindeutigen Zügen aus der Vita Wittgensteins ausgestattet hat – zeigen dagegen ein hohes Maß an Vertrautheit mit der Musik des 20. Jahrhunderts, sie kennen und lieben Schönberg, Webern, Satie. Im Plattenregal des Autors statt dessen: Beethoven und immer wieder Beethoven. Vor allem das gängige sinfonische Repertoire der sogenannten Wiener Klassik ist es, was sich – oft in mehreren Aufnahmen des gleichen Werkes – findet; daneben barocke Meister, Bach, Händel, Schubert, Schumann, Brahms, Dvorak und Bruckner. Eine Platte mit experimenteller Musik (vielleicht ein Geschenk?) steht noch ungeöffnet im Regal!«191
Der einzige Komponist des 20. Jahrhunderts in dieser Kollektion ist, wie erwähnt, B8la Bartjk. Von ihm stammt auch eine der Platten mit StreichquartettAufnahmen; weitere drei Platten enthalten Quartette von Haydn und Schubert. Sogar die Streichquartette Beethovens fehlen komplett. Unter den wenigen Partituren in der Sammlung finden sich überhaupt keine Streichquartette. Die Komponisten der sogenannten Zweiten Wiener Schule (also Schönberg, Webern, Berg usw.) wurden von Bernhard zwar in einer Form von Namedropping erwähnt, aber offenbar nicht gehört, studiert oder gar geschätzt.192 »Einmal nahm ich ihn in die Generalprobe von [Alban Bergs] »Wozzeck« mit, der die Sensation des Festspielsommers 1951 war, und ich erinnere mich, daß Thomas mehr von [Georg] Büchner als von Alban Berg beeindruckt war, dessen Musik für sein auf Bach und Mozart eingestelltes Ohr befremdlich klang, was allerdings auf die Mehrzahl des Salzburger Publikums zutraf.«193
Bernhards Geschmack hat sich offenbar auch nicht dadurch geändert, dass er zwischen 1957 und 1960 bei seinen Aufenthalten auf dem »Tonhof« des Komponisten Gerhard Lampersberg mit dessen zeitgenössischer Musik konfrontiert wurde; dies streifte der Autor spätestens mit der literarischen Aufarbeitung in »Holzfällen« (1984) ab. Bernhard »hat so manches Innovative zur Kategorie »Bierschwefel« [also eine Art Studentenjux] gezählt.«194 Für die Musik der längst schon als »klassisch« bezeichneten Moderne, zu der auch Alban Bergs Œuvre zählt, hatte Bernhard also wenig übrig. Joseph Marx gehört zwar zur gleichen Generation wie Berg, doch ist er eher der Spätromantik zuzurechnen denn der Moderne. Dennoch gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass
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Teil II: Der Festakt
Bernhard diesen Komponisten auch nur dem Namen nach kannte. Er besaß von ihm keinerlei Aufnahmen und keine Partitur, und es ist auch nicht bekannt, dass er jemals eine Aufführung von Marx’ Quartetten besucht hätte. Wenn man, wie von Brändle erwähnt, an die Tonsprache von Mozart und Bach gewöhnt ist, dann können selbst bei Marx manche Passagen und Akkorde den Eindruck erwecken, dass die Musiker »gepatzt« hätten – selbst wenn dies gar nicht der Fall war. So oder so dürfte Bernhard kaum die Sachkenntnis besessen haben, um die Qualität der Interpretation jenes Stückes beurteilen zu können. Marcel ReichRanicki geht in seiner Beurteilung noch weiter : »Ich habe mit ihm [Bernhard] über Musik gesprochen: Sehr merkwürdig! Ich habe bei dem Gespräch von einem bestimmten Augenblick an – mit seiner Zustimmung – ein Tonband laufen lassen, um das zu publizieren. Ich habe dann das Tonband nach dem Gespräch gelöscht. […] Es stellte sich heraus, dass er keine Ahnung hatte. […] Er wusste darüber Bescheid, was er in seiner Jugend kennengelernt hatte, und da in Salzburg, da war er aufgewachsen, da war er mit Mozart sehr gefüttert worden und hat sich auch verächtlich – natürlich! – über Mozart geäußert. Das macht nichts; das nahm man hin.«195
Die Laudatio Nach der musikalischen Einstimmung folgte im Programm die erwähnte Lesung des Stifter-Preisträgers Hans Lebert durch Klausjürgen Wussow. Bernhard ignoriert diesen Programmteil in allen seinen Darstellungen komplett. Umso ausführlicher geht er dafür in »Meine Preise« auf den nächsten Programmpunkt ein: die Laudatio des Ministers Theodor Piffl-Percˇevic´. »Ich weiß den Inhalt der Rede nicht mehr, es wurden in ihr alle Preisträger vorgestellt, es wurden einige ihrer biografischen Daten verlesen und einige ihrer Werke genannt. Ich konnte natürlich nicht wissen, ob das, was der Minister über meine Mitgefeierten verlesen hatte, stimmte, was er über mich sagte, war beinahe alles falsch und auf das grobschlächtigste aus der Luft gegriffen. Er erwähnte zum Beispiel, daß ich einen Roman verfasst habe, der auf einer Südseeinsel spielt, worüber ich in dem Augenblick, in welchem der Minister diese Mitteilung machte, zum erstenmal hörte. Alles war falsch gewesen, was der Minister sagte, und offensichtlich hatte mich sein Sekretär mit einem anderen verwechselt, aber es hatte mich nicht weiter aufgeregt, denn ich bin es gewohnt, daß Politiker bei solchen Gelegenheiten immer nur Unsinn und aus der Luft Gegriffenes zum Besten geben, warum sollte es bei dem Herrn Piffl-Percˇevic´ anders sein. Was mich aber zutiefst verletzen mußte, war doch die Mitteilung des Ministers, daß ich, und das habe ich noch wörtlich im Ohr, ein in Holland geborener Ausländer sei, der aber jetzt schon einige Zeit unter uns (also unter den Österreichern, zu welchen der Herr Minister Percˇevic´ mich nicht zählte) lebe.«196
Die Laudatio
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Dieser Abschnitt in Bernhards Beschreibung erschien mir von Anfang an besonders unglaubwürdig. Naturgemäß kann niemand erwarten, dass irgendwer die Biographie und das Œuvre von allen 60 Bewerbern um den Staatspreis bis ins Detail kennt. Im Jahre 1968 war Bernhard, wie gesagt, nicht der unbekannteste, aber ebenso wenig der prominenteste Bewerber um den Staatspreis. (Die oben genannten Namen könnten noch um einige kaum weniger prominente Beispiele aus der Liste der Bewerber ergänzt werden.) Bernhard war im übrigen offenbar klar, dass die Laudatio nicht vom Minister verfasst wurde; dennoch richtete sich sein Ärger vor allem gegen Theodor Piffl-Percˇevic´. Nimmt man Bernhard beim Wort, so scheint man ihn für eine österreichische Spielart von R.L. Stevenson gehalten zu haben. Es ist anzunehmen, dass die Informationen für die Laudatio hauptsächlich von den Juroren kamen, und diese kannten Bernhard – wie erwähnt – ja persönlich. Zwar diskutierte der Autor höchst ungern über seine Bücher, aber auch diese kannten Kraus, Spiel und Holzinger ja sehr gut. Wie es zu jenem (angeblichen) »Unsinn« gekommen sein soll – auch angesichts der erwähnten Mitwisserschaft des zuständigen Sektionsrates –, ist nicht nachzuvollziehen. Ironischerweise sind Bernhards eigene Angaben über den Minister alles andere als faktensicher : Theodor Piffl-Percˇevic´ war keineswegs Bauer, wie Bernhards Beschreibung in »Wittgensteins Neffe« suggeriert, sondern promovierter Jurist. 1945 trat er in den Dienst der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft Steiermark; dort wurde er 1946 Leiter der Rechtsabteilung, 1949 Leiter der Rechts- und Personalabteilung und ein Jahr später Kammeramtsdirektor-Stellvertreter.197 Dies bestätigt der Minister auch in seinen Erinnerungen.198 Von Tierzucht ist keine Rede. Auch war Piffl-Percˇevic´, ehe er 1964 Minister wurde, bereits seit vier Jahren Abgeordneter im Nationalrat. (Als fleißiger Zeitungsleser hätte Bernhard es besser wissen können; daher ist auch nicht auszuschließen, dass er wider besseres Wissen den Minister als Provinzler zeichnete, der »keinen einzigen Satz korrekt zuende sprechen« kann.199) Wenn man es also dem Minister fairerweise kaum zum Vorwurf machen kann, das Werk des neuen Staatspreisträgers seinerzeit nicht gekannt zu haben, so konnte man eines durchaus von dem gelernten Juristen erwarten: Er dürfte gewusst haben, dass der Staatspreis nur »österreichischen Staatsbürgern zuerkannt werden« kann, wie im Ausschreibungstext vorgeschrieben. Hätte in der Laudatio gestanden, dass Bernhard »ein in Holland geborener Ausländer sei«, so wäre Piffl-Percˇevic´ dieser Widerspruch sicher aufgefallen. Falls sich solch ein Irrtum tatsächlich in die Rede eingeschlichen und der Minister trotz allem gedankenlos darüber hinweggelesen hätte, so wäre Bernhards Ärger zumindest nachvollziehbar. Im Staatsarchiv war die Laudatio nicht mehr auffindbar, aber in der Arbeit
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Teil II: Der Festakt
von Maria Fialik findet sich zumindest der Abschnitt, der sich auf Bernhard bezieht: »Den Roman-Preis errang Thomas Bernhard, der aus österreichischer Familie stammende gebürtige Holländer, der – nun 37-jährig – in jüngster Zeit immer stärker werdende Beachtung und Anerkennung gefunden hat. Zunächst war es seine Lyrik, die in angesehenen deutschen Verlagen herausgegeben, durch starke Eigenpersönlichkeit auffiel. Dann kamen Erzählungen, die ihn von einer neuen Seite zeigen und durch die sprachliche Bändigung aufhorchen ließen. Und nun wird ihm für seinen im InselVerlag erschienenen ersten Roman ›Frost‹ der Staatspreis zuteil. Auch sein Werk hat durch scheinbare Umwege seines Werdeganges, die ihn über kaufmännische Anfänge, und weite Reisen zum Musikstudium und erst dann zur Dichtung führte, nur gewonnen. Es ist physisch und geistig ein weiter Boden, aus dem seine Wurzeln ihre Kraft saugen. […] Bevor ich nun die Urkunden und Preise überreiche, habe ich die freudig einbekannte Pflicht, den Juroren für ihre Mühewaltung herzlich zu danken. Wie schwierig und verantwortungsvoll die Beurteilung künstlerischer Werke ist, habe ich eingangs angedeutet. Darum weiß ich die geleistete Arbeit und die dabei bewährte Gesinnung hoch zu würdigen. Als Juroren fungierten für den Roman: Die Herren Alfred Holzinger, Dr. Wolfgang Kraus, Frau Prof. Dr. Hilde Spiel.«200
Nach der Angabe von Dr. Lein stamme dieser Redeentwurf von Wilhelm Waldstein (1897–1974), einem der Vorgänger von Brunmayr und Lein als Leiter der Kunstsektion im Unterrichtsministerium; die Informationen dürften zumindest teilweise von den Juroren stammen. Die Darstellung von Bernhards Werdegang ist weitgehend korrekt. Dass sogar die Gedichtbände erwähnt werden, könnte auf Wolfgang Kraus zurückgehen, der diese besonders schätzte. Der Irrtum mit dem angeblichen Musikstudium geht offenbar auf Bernhards eigene Behauptungen zurück. Der einzige ›echte‹ Fehler besteht somit darin, dass Bernhard als »gebürtige[r] Holländer« bezeichnet wird. Der Zusammenhang legt nahe, dass es sich um einen sprachlichen Lapsus handelt und eigentlich »geboren in Holland« gemeint war. Allerdings wäre auch dies ein Irrtum, da Bernhards Geburtsort Heerlen weder in Nord- noch Südholland liegt, sondern in der niederländischen Provinz Limburg. Dies ist ein peinlicher Patzer. Bernhard war aber selber nur vage über seine frühen Jahre informiert, und seine eigenen Darstellungen jener Zeit sind – vorsichtig formuliert – anfechtbar.201 Zu den »spärlichen biographischen Angaben in den Literaturlexika« meinte Bernhard selber : »Sie sind spärlich, und zum Teil stimmen sie auch gar nicht. Aus eigenem oder fremden Verschulden.«202 Und weil die der Laudatio zugrundeliegenden Informationen direkt oder indirekt auf Bernhard selbst zurückgehen dürften, kann man jenen Fehler kaum Waldstein bzw. dem Minister oder den Juroren zum Vorwurf machen. Als »Ausländer« wird Bernhard je-
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denfalls nicht bezeichnet. Auch von den anderen vermeintlichen Brüskierungen findet sich nichts in jenem Redeentwurf, v. a. nicht die angeblichen Südsee- oder Abenteuer-Romane. Dass diese vom Minister nachträglich in den Redeentwurf eingefügt wurden, kann man getrost ausschließen. Zudem taucht diese SüdseeGeschichte bei Bernhard nicht vor 1980 auf; in seinen ersten Berichten von 1968 a findet sie sich nicht. Woher stammen dann jene vermeintlichen Erinnerungen Bernhards? Sind es Erfindungen, Verwechslungen, Unterstellungen? Das muss (vorerst) Vermutung bleiben; siehe dazu das abschließende Fazit. Eines aber kann man als sicher annehmen: Bernhard dürfte von der Auseinandersetzung gewusst haben, zu der es 1964 zwischen dem Minister und dem damaligen künstlerischen Leiter der Wiener Staatsoper, Herbert von Karajan (1908–1989), gekommen war ; schließlich wurde diese nicht zuletzt über die Presse ausgetragen.203 »Es gab ja damals auf der stillen Welt tatsächlich nichts Bedeutsameres als die ›Opernkrise‹. Es gab Schlag- und Titelzeilen, geschliffene Kommentare, Behauptungen, Vermutungen, Drohungen, Verdächtigungen und schließlich Beleidigungen und Kränkungen nach vielen Seiten hin.«204
Bernhard wusste also, dass Piffl-Percˇevic´ auch eine öffentliche, publicityträchtige Auseinandersetzung mit prominenten Künstlern nicht scheuen würde, wenn er es für angemessen hielt. Ob der Autor es bewusst darauf angelegt hat, muss Spekulation bleiben. Was nach der Laudatio folgte, ist jedenfalls unumstritten: Nämlich die eigentliche Überreichung der Preise. Bei dieser kam es zu keinerlei Zwischenfällen, und dieser Vorgang ist auch am besten dokumentiert: Denn die Verleihung der Staatspreise wurde vom ORF für die »Zeit im Bild«-Nachrichten aufgenommen. Offenbar aber (siehe dazu Teil III) wurden die Kameras schon nach der Preisübergabe abgeschaltet, da der Bericht noch am gleichen Tag ausgestrahlt werden sollte. Das eigentliche Skandalon – die Rede Bernhards und die Reaktion des Ministers – wurde also leider nicht mehr gefilmt.
Bernhards ›Dankesworte‹ »Als ich im Jahre 1967 im Festsaal des Bundesministeriums für Unterricht Thomas Bernhard den Österreichischen Förderungspreis für Literatur, der in einer Urkunde und einer in ein weißes Kuvert verpackten, nicht unbedeutenden Summe zum Ausdruck kam, überreicht hatte, trat der so Gewürdigte an das Rednerpult und begann Österreich zu schmähen.«205 a
Siehe S. 65.
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Worin bestanden nun genau jene Äußerungen, die Theodor Piffl-Percˇevic´ als Österreich-Schmähungen, der Autor aber als »philosophische Meditation« begriff ? Anders als die Laudatio des Ministers ist Bernhards Rede sehr gut dokumentiert; siehe dazu Teil III. Jüngst wurde sie auch in »Meine Preise« abgedruckt, das erste Mal komplett bereits am 21. bzw. 22. März in der FAZ206 sowie der »Weltwoche«207, dann noch mehrfach in der Presse, und zusammen mit einer weiteren Rede im Mai 1968 im »Neuen Forum«.208 Im Folgenden der Text des Typoskriptes, welches sich im Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Literatur findet; alle Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichensetzungs-Fehler stammen somit von Bernhard selber : »Verehrter Herr Minister! verehrte Anwesende, es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt. Man geht durch das Leben, beeindruckt, unbeeindruckt, durch die Szene, alles ist austauschbar, im Riquisitenstaat besser oder schlechter geschult: ein Irrtum! Man begreift: ein ahnungsloses Volk, ein schönes Land – es sind tote oder gewissenhaft gewissenlose Väter, Menschen mit der Einfachheit und der Niedertracht, mit der Armut ihrer Bedürfnisse. Es ist alles eine zuhöchst philosophische und unerträgliche Vorgeschichte. Die Zeitalter sind schwachsinnig, das Dämonische in uns ein immerwährender vaterländischer Kerker, in dem die Elemente der Dummheit und der Rücksichtslosigkeit zur tatäglichen Notdurft geworden sind. Der Staat ist ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern, das Volk ein solches, das ununterbrochen zur Infamie und zur Geistesschwäche verurteilt ist. Das Leben Hoffnungslosigkeit, an die sich die Philosophien anlehnen, in welcher alles letzenende verrückt werden muss. Wir sind Österreicher, wir sind apathisch; wir sind das Leben als das gemeine Desinteresse am Leben, wir sind in dem Prozess der Natur der Größenwahn-Sinn der Zukunft. Wir haben nichts zu berichten, als dass wir erbärmlich sind, durch Einbildungskraft einer philosophisch-ökonomisch-mechanischen Monotonie verfallen. Mittel zum Zweck des Niedergangs, Geschöpfe der Agonie, erklärt sich uns alles, verstehen wir nichts. Wir bevölkern ein Trauma, wir fürchten uns, wir haben ein Recht, uns zu fürchten, wir sehen schon, wenn auch undeutlich, im Hintergrund: die Riesen der Angst. Was wir denken, ist nachgedacht, was wir empfinden, ist chaotisch, was wir sind, ist unklar. Wir brauchen uns nicht zu schämen, aber wir sind auch nichts und verdienen nichts als das Chaos. Ich danke in meinem und im Namen der hier mit mir Ausgezeichneten, dieser Jury, ganz ausdrücklich allen Anwesenden.«209
Erst im letzten Satz geht Bernhard also darauf ein, dass bei dieser Gelegenheit nicht nur er ausgezeichnet wurde. Offenbar war ihm also durchaus bewusst, dass
Bernhards ›Dankesworte‹
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er im Namen aller Preisträger hätte sprechen sollen. Inhaltlich ist ihr dies nicht zu entnehmen. Wie sahen das die übrigen Preisträger? Soweit mir bekannt, hat sich von diesen keiner je öffentlich zu Bernhards Verhalten geäußert. Befragen konnte ich persönlich nur noch Gerhard Wimberger und Elfriede Rohr. Ersterer hielt sich zum Zeitpunkt der Preisverleihung in Berlin auf und konnte den Staatspreis also nicht persönlich entgegennehmen. Elfriede Rohr hat dankenswerterweise einige meiner Fragen schriftlich beantwortet: »Die Dankesrede von Thomas Bernhard – nach Übergabe von Urkunden und Preisgeld – hatte möglicherweise ›Künstler sein in Österreich‹ zum Thema. Ich erinnere nichts Konkretes. Im Freundeskreis hörte ich später, dass der Text nicht zum Anlaß der Preisvergabe konzipiert gewesen sein soll.«210
Die letzte Bemerkung steht im Widerspruch zu Bernhards eigenen Aussagen; wie im Folgenden zu zeigen, sind diese aber alles andere denn verlässlich, ja, sie widersprechen einander teilweise. Tatsächlich könnte jenes von Elfriede Rohr a erwähnte Gerücht auf Fakten beruhen. Bevor ich also auf die Rede an sich eingehe sowie auf ihre Wirkung, zuerst einige Worte zur Entstehung. In »Meine Preise« gibt Bernhard etwas detaillierter wieder, was er in »Wittgensteins Neffe« knapp so zusammenfasst: Er habe die Rede »kurz vor der Preisverleihung in höchster Eile und mit dem größten Widerwillen auf ein Blatt Papier geschrieben«. Was ist von dieser Behauptung zu halten? Von der Länge her ist dies durchaus denkbar ; auch war Bernhard als schneller Schreiber bekannt, der seine Werke gerne in einem Zug und kurz vor Toresschluss herunter schrieb. »Unglaublich und rätselhaft kurz ist manchmal die Entstehungszeit seiner Werke. Der größte Roman, Auslöschung, dürfte in wenigen Wochen im Frühjahr 1982 geschrieben worden sein.«211 Auch Wieland Schmied unterstreicht dies: »Die eigenen Dinge hat Thomas Bernhard in unglaublich kurzer Zeit geschrieben […] Vom Fenster vor seinem Wiener Schreibtisch aus konnte er beobachten, wie in etwa vier Wochen ein mehrstöckiges Haus in die Höhe gezogen wurde. Das gleiche sollte doch auch für einen Roman möglich sein. Es dauerte dann zwar nicht vier, sondern sieben oder acht Wochen, ehe er kurz vor der Buchmesse bei mir in Frankfurt aufkreuzte und das Manuskript des ›Frost‹ auf den Tisch legte.«212
Bernhard bestätigt dies, als ihn Karl Hennetmair nach dem Zeitbedarf für die Niederschrift eines Romans fragte: »Vierzehn Tage, allerhöchstens drei Wochen, länger überhaupt nicht. Es muß schnell gehen, sonst sitzt es nicht.«213 Bezüglich der Rede bestätigt Hennetmair Bernhards Angaben zumindest teilweise: »Er hat a
Siehe S. 75.
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übrigens diese Rede damals zwischen dem Frühstück um 9 Uhr und der Ehrung um 11 Uhr flüchtig zu Papier gebracht und hat sie dann noch seiner Tante Hede Stavianicek vorgelesen. Diese hat ihm abgeraten, aber er blieb beim Text.«214 Auch hier ist von einer Niederschrift der Ansprache kurz vor der Preisverleihung die Rede. Ein entscheidender Unterschied ist allerdings, dass hier Bernhard seiner ›Tante‹ den Text vorgelesen habe – bei einer späteren Rede trug er diese Hennetmair selber vor – und sie ihm explizit abgeraten habe. Dies bestätigte später auch Kraus’ Mitarbeiter Kurt Benesch: »Und ein oder zwei Tage vor der Preisverleihung war er bei uns […] Und an dem Abend hat er uns dann gesagt: ›Ich hab da so eine Rede aufgesetzt für die Preisverleihung, blöd, ich wollte sie eigentlich mitbringen, weil meine ›Tante‹ hat gesagt: ›Das kannst du nicht sagen, das ist ja furchtbar, das wird ja ein Skandal!‹ ›Aber ich habe die Rede vergessen!‹«215
Offenbar erschien Hede Stavianicek der Text zu provokativ. Nach außen hin sah dies Bernhard anders; er sah seine Rede nur als »kleine philosophische Abschweifung«; so wäre es nach dem Eklat dann er, der missverstanden und brüskiert wurde. Ist eine solche naive Haltung glaubhaft, speziell bei einem Autor wie Thomas Bernhard? Ist ihm der Staatspreis-›Skandal‹ einfach nur ›passiert‹, oder hat er ihn bewusst provoziert? Der Schauspieler Horst Eder, der Bernhard vom Mozarteum her kannte, hatte den ersteren Eindruck: »Nach seiner Piffl-Percevic-Geschichte habe ich ihn ein paar Tage später im ›Caf8 Museum‹ getroffen, und ich hatte den Eindruck, daß es keine kalkulierte Provokation war, um Presse zu machen, sondern er war ehrlich erschrocken über die Reaktion.«216
Oliver Bentz vertritt zweitere Ansicht: »Die skandalösen Ereignisse, die von Bernhard mit großem Geschick und viel Leidenschaft inszeniert wurden und die Eckart Henscheid […] dazu veranlaßten, Bernhard als ›den gnadenlosesten Schimpfer und Raunzer gegenwärtiger deutscher Zunge‹217zu bezeichnen, gehen auf vielfältige Anlässe zurück: Prosaveröffentlichungen, Theateraufführungen, Leserbriefe und Interviews, Zeitungsbeiträge, Protestschreiben und Reden bei Preisverleihungen boten Bernhard die Gelegenheit, seine Invektiven gegen Österreich und dessen gesellschaftliche Mißstände zu richten und somit jene ›Katastrophen‹ zu erzeugen, um die man sich, so äußerte sich Bernhard, die wesentlichen Wesenszüge seiner Werke offenlegend, gegenüber Kurt Hofmann, ›eigentlich eh nicht zu sorgen [braucht], die kommen schon. Aber vielleicht muß man sie heraufbeschwören, zeitweise, weil von selbst dauert’s zu lang.‹218 Bernhard erwies sich als ein Meister der Kunst, die zornerregenden Anlässe in eine radikale und dabei kunstvoll gestaltete Sprache zu bringen, die so dominierte, daß in ihr der Wahrheitsgehalt der Lüge in den Hintergrund trat.«219
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Hier ist nicht der Ort, um auf die diversen (mutmaßlichen) Versuche Bernhards einzugehen, vor 1968 Skandale zu »inszenieren« bzw. »heraufzubeschwören«.220 Der werbewirksame Effekt solcher Affären konnte ihm freilich nicht verborgen bleiben; auch sein Verleger Siegfried Unseld wies Bernhard darauf hin: Am 9. Mai 1966 pries er den längst legendären Auftritt von Peter Handke in Princeton: »Peter Handke hat sich glänzend geschlagen und sich noch einen Namen gemacht.«221 Auch später war Bernhard wohl nicht immer böse über ähnliche Vorfalle: »Als ich ein paar Minuten später bei Thomas in Nathal eintraf, rief ich ihm vom Hof aus zu. Es ist was Großartiges passiert, es gibt einen neuen Skandal. Thomas war ebenfalls begeistert von dieser Nachricht.«222 1984 beantwortete »ein blendend gelaunter Thomas Bernhard«223 Fragen zum Skandal um »Holzfällen«. Und aus dem Jahr 1988 berichtet Wieland Schmied, einer der wenigen engen Freunde Bernhards: »Was den ›Heldenplatz‹ angeht, sei er [Bernhard] auf einigen Wirbel gefaßt. Er schien sich auf den Skandal, den eine Arbeit von ihm hervorrufen könnte, direkt zu freuen.«224 Auch der bei der Staatspreis-Verleihung anwesende Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia (1897–1976) wusste potentielle Vorbilder für Bernhards Auftritt zu nennen: »Es sei eine leider in der Bundesrepublik Deutschland aufgekommene Unart, daß Preisempfänger mit Anklagen und Beleidigungen antworten. So hatte Peter Handke 1967 die Verleihung der höchsten Berliner Kunstauszeichnung, des Fontane-Preises, mit einer ›Publikumsbeschimpfung‹ an die Adresse der Jury beantwortet. Günter Grass soll es im Jahr darauf unter seiner Würde, den Fontane-Preis persönlich in Empfang zu nehmen, gefunden und einen Bekannten zum Inkasso geschickt haben. Heinrich Böll aber hatte die Gelegenheit der Entgegennahme eines öffentlichen Preises zu nutzen gewußt, von der Bundesrepublik ›als stinkendem und verfallendem Staat‹ zu sprechen. Bernhard hatte also nicht einmal originell gehandelt, sondern war einer längst von anderen eingeführten Unart nachgetrollt.«225
Gerhard Aichinger nennt in einem Zeitungsartikel die gleichen Namen und kommt zu ähnlichen Folgerungen: »Mit einem Wort, jeder Dichter in der Bundesrepublik muß, wenn er mit der Mode konform gehen will, bei staatlichen Ehrungen die Verleiher des Preises beschimpfen. Nun ist diese Mode eben auch nach Österreich gekommen […]«226
Ein zeitlich und räumlich näherliegendes mögliches Vorbild nennt Bernhard selber ; demnach habe ein Zwischenrufer »Hundertwasser« gerufen.227 Dies bezieht sich offenbar auf einen Vorfall vom 25. Januar 1968, eine Wiener »Nacktrede« des Malers Friedensreich Hundertwasser (1928–2000), bei der er sich »anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung seiner Bilder in Anwesenheit von Frau Stadtrat Gertrude Sandner auszog.«228 Dieses Geschehnis war am 4. März also noch in (un)guter Erinnerung, und es
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hat dem Maler jede Menge Schlagzeilen eingebracht: »Hundertwasser ist nicht zuletzt durch seine provokativen Auftritte bekannt geworden, mit denen es ihm gelang, die breite Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.« Auf jeden Fall rechnete Bernhard mit einer gewissen Nachfrage nach dem Text seiner Rede: Im Bernhard-Archiv finden sich zwei Typoskripte (oder Durchschläge) seiner Rede, datiert auf den 4. März; in beiden wurden handschriftlich zahlreiche Betonungen eingetragen.229 Dies geschah mit sichtlicher Sorgfalt und offensichtlich nicht »in höchster Eile«. Zwei weitere Exemplare finden sich allein im Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Literatur. Letztere tragen das a Datum »3. März«. Das legt die Vermutung nahe, dass Bernhard den Text erstens einen Tag vor der Preisverleihung schrieb und zweitens noch genügend Zeit hatte, diesen zu überarbeiten und mehrere Exemplare abzutippen bzw. per Durchschlagpapier anzufertigen. Gemäß Beneschs Erinnerungen wurde die Rede sogar noch früher verfasst. Dies widerspricht zwar der Aussage Hennetmairs, doch stammt dessen Information mutmaßlich von Bernhard selber, da dieser am 3. März bereits in Wien war, Hennetmair aber in Ohlsdorf. Bernhard dürfte also gründlicher und länger an seiner Rede gearbeitet haben, als er es später behauptet hat. Man könnte sogar den Eindruck bekommen, dass er sich in b jenen Tagen zu einem geradezu begeisterten Redenschreiber entwickelte. c Am ›Tatort‹ erhielten dann Paul Kruntorad und Hans Rochelt jeweils eine weitere Kopie; weitere Exemplare wurden später versandt. Eines ging offenbar an Wolfgang Schaffler, den Leiter des Residenz-Verlages.230 Bernhard ist also davon ausgegangen, dass seine Rede ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erregen würde. Ob er Reaktion(en) von jener Art, wie er sie dann erfahren hat, antizipiert oder bewusst provoziert hat, ob er sie in Kauf nahm oder ob ihm all dies ›einfach passiert‹ ist, kann hier, wie gesagt, nicht abschließend entschieden werden. Bis zu einem gewissen Grade kann aber untersucht werden, inwieweit Bernhards Darstellung mit den Versionen anderer Zeugen übereinstimmt. Dabei muss allerdings zuerst betont werden, dass schon von Bernhard selbst mehrere Schilderungen zu jenem Vorfall vorliegen: Erstens die bereits zitierte Fassung aus »Wittgensteins Neffe«, zweitens die ebenfalls bereits in Auszügen angeführte aus »Meine Preise«, drittens diejenige aus einem Schreiben an Siegfried Unseld. Daneben spricht Bernhard jene Geschichte bei anderen Gelegenheiten noch mehrfach an. Diese Versionen sollen im nächsten Abschnitt miteinander verglichen werden.
a b c
Siehe Abbildung 6 im Anhang. Siehe dazu S. 93f. Siehe S. 71.
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Die verschiedenen Berichte Bernhards Am 16. März berichtet Bernhard brieflich seinem Verleger Siegfried Unseld von dem Geschehen am 4. März. Diese »detaillierte, nicht immer gelenke Beschreibung der Vorgänge bei der Verleihung des Kleinen Österreichischen Staatspreises«231 entstand also (höchstens) 12 Tage nach der Preisverleihung, nicht gut 12 Jahre wie die Fassungen in »Meine Preise« und »Wittgensteins Neffe«. Bernhard schreibt: »Lieber Dr. Unseld, ich bitte Sie ausdrücklich, folgende, für mein Land charakteristische Tatsache publik zu machen, d. h., dort zu veröffentlichen, durch ihr Pressebüro zu veröffentlichen, wo Sie es für richtig halten: am 4., mittags, hat im Wiener Unterrichts- bzw. Kulturministerium die Verleihung der Staatspreise stattgefunden. Als einziger Schriftsteller, bin ich mehrmals aufgefordert worden, eine sogenannte Dankesrede zu halten, die ich dann schliesslich abfasste und auch hielt. (Sie liegt in diesem Brief.) Kaum war ich mit dieser Rede fertig und wollte mich auf meinen Platz setzen, hörte ich hinter mir, einen alten Mann ›masslose Frechheit!‹ ausrufen, worauf sofort, wie bei einem sinkenden Luxusdampfer der Hamburg-Amerikalinie, die Musikkapelle wie üblich öde Musik zu spielen anfing. Sofort nach dem letzten Ton sprang der Minister auf, ballte die Fäuste (tatsächlich) und stürzte auf mich zu und rief: ›Wir haben Sie nicht gerufen!‹ und ›Wir sind trotzdem stolze Österreicher!‹, nachdem er mich in seiner vorherigen ›Laudatio‹ als einen ›in Österreich lebenden Holländer, also Ausländer‹ bezeichnet und auch sonst nur Stumpfsinn geredet hatte, er stürzte zur Tür hinaus und schlug diese zu, dass die Fenster in dem Audienzsaal des Ministeriums, in dem die Feier stattfand, klirrten. Der Hausherr bekam schallenden Applaus. Niemand hatte, was ich gesagt hatte, verstanden. Eine denkwürdige, lächerliche Szene. Nun gut. (Eine Annäherungsschilderung einer hiesigen Zeitung liegt bei.) Das riesige Silberschüsselbuffet blieb leer, vier befrackte Oberkellner blieben arbeitslos, man rief ›Dutschke!‹ und ›Hundertwasser!‹, und ich fragte mich, verblüfft in der Audienzsaalecke stehend, was ich damit zu tun habe. Eine Provinzprominenz führte sich so auf, wie ich sie ja, indirekt, aus philosophischer Natur heraus, gerade beschrieben hatte, lächerlich, chaotisch. Das beinahe unangetastete Buffet wanderte, wie alle derartige Überbleibsel, ins Armenhaus oder Altersheim Lainz.«232
Die Version in »Meine Preise« ist ausführlicher : »Aber ich war noch nicht zuende mit meinem Text, als der Saal unruhig wurde, ich wußte gar nicht warum […]. Ich war mit meinem Text noch nicht zuende gekommen, da war der Minister mit hochrotem Kopf aufgesprungen und auf mich zugerannt und hatte mir irgendein mir unverständliches Schimpfwort an den Kopf geworfen. In höchster Erregung stand er vor mir und bedrohte mich, ja, erging mit vor Wut erhobener Hand auf mich zu. Dann machte er zwei oder drei Schritt auf mich zu, darauf eine abrupte Kehrtwendung und verließ den Saal. Zuerst war er ganz ohne Begleiter zur Glastür des Audienzsaals gestürmt und hatte die Tür mit einem lauten Knall zuge-
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worfen. Dies alles geschah in Sekundenschnelle. Kaum hatte der Minister eigenhändig und über alles erbost die Tür seines Audienzsaales hinter sich zugeworfen, war das Chaos im Saal. Das heißt, zuerst, nachdem der Minister die Tür zugeworfen hatte, herrschte einen Augenblick betretene Stille. Dann war ein Chaos ausgebrochen. Ich selbst verstand überhaupt nicht, was geschehen war. Ich hatte hier eine Demütigung nach der anderen über mich ergehen lassen müssen und dann meinen, wie ich glaubte, harmlosen Text vorgelesen und daraufhin erboste sich der Minister und verließ wütend den Saal und seine Vasallen gingen auf mich los. Die ganze Meute im Saal, alles Leute, die von dem Minister abhängig waren, Subventions- und Pensionsempfänger und allen voran der sogenannte Kunstsenat, der wahrscheinlich bei jeder Staatspreisverleihung anwesend ist, stürzten hinter dem Minister her, aus dem Audienzsaal hinaus und die breite Freitreppe hinunter. Alle diese hinter dem Minister herstürzenden Leute stürzten aber nicht hinter dem Minister her, ohne nicht vorher wenigstens einen bösen Blick auf mich geworfen zu haben, der ich anscheinend die Ursache dieser peinlichen Szene und dieser abrupten Festzertrümmerung gewesen war. Sie warfen mir ihre bösen Blicke zu und stürzten dem Minister nach und sehr viele beließen es nicht nur bei bösen Blicken, sie drohten mir auch mit Fäusten, allen voran, wie ich mich genau erinnere, der Präsident des Kunstsenats, Herr Rudolf Henz, ein Mann damals zwischen siebzig und achtzig, er stürzte zu mir und bedrohte mich mit der Faust und jagte dann mit den andern dem Minister nach. Was habe ich getan? fragte ich mich, plötzlich stehengelassen in dem Ministeraudienzsaal und bald mit meiner Tante und zwei oder drei Freunden allein. Ich war mir keiner Schuld bewußt. Der Minister hatte meine Sätze nicht verstanden und weil ich nicht in einem untertänigen, sondern in einem zuhöchst kritischen Zusammenhang das Wort Staat gebraucht hatte, war er aufgesprungen und hatte mich attackiert und war aus dem Audienzsaal hinausgelaufen und die Freitreppe hinunter. Und alle anderen, mit den schon erwähnten spärlichen Ausnahmen, waren hinter ihm her gestürzt. Wie der Minister die Audienzsaaltür ins Schloß warf, das höre ich noch heute, so kräftig habe ich noch niemals eine Tür zuschlagen gehört. Da stand ich nun und wußte nicht, was ich sagen sollte. Die Freunde, drei oder vier, nicht mehr und meine Tante, waren zu mir gerückt und hatten auch keine Antwort gewußt. Die ganze Gruppe drehte sich nach dem Buffet um, das noch von zwei wahrscheinlich vom Sacher oder vom Bristol abkommandierten, in höchster Erregung starren Kellnern flankiert gewesen war und fragte sich, was jetzt mit dem völlig unberührten Buffet geschehen wird. Es kommt in ein Altersheim, dachte ich.«233
Die Version in »Wittgensteins Neffe« wurde oben bereits zitiert. Die zwei späteren Versionen hat bereits Mario Schlembach verglichen: »In Wittgensteins Neffe findet sich eine zugespitztere Version der Darstellung. Hier zerspringt die Tür [des Audienzsaales], wurden die Fäuste gegen den Autor gewendet, wobei in Meine Preise all dies nur den Operationen der Denkmöglichkeiten unterliegt. Bernhard konstruiert sich hier die für seine Sprache im Buch jeweils notwendige Wirklichkeit, um die innere Stringenz zu wahren. Der Autor erzählt hier nicht völlig frei erfundene Episoden, sondern deutet Erlebnisse, die der Sprachnotwendigkeit seiner Bücher unterworfen sind.«234
Auch Adam Soboczynski konstatiert:
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»Bereits in Wittgensteins Neffe räsoniert Bernhard beinahe wortgleich [wie in »Meine Preise«] über die Verleihung des Österreichischen Staatspreises und des Grillparzerpreises, allerdings mit einigen entlarvenden Unterschieden hinsichtlich des Personals und der Umstände.«235
Dies kann unter Einbeziehung des oben zitierten Briefes noch ergänzt werden: Dort waren es nur die Fenster, die klirrten; von einer Glastür ist nicht mehr die Rede, und selbst in den 1950er oder 1960er Jahren wird kaum jemand auf die Idee gekommen sein, die im Empire-Stil eingerichteten Repräsentationssäle des Ministeriums mit Glastüren zu versehen. Eine Überprüfung von Fotos im österreichischen Bundesdenkmalamt bestätigte dies: Sowohl in den 1960er Jahren wie auch nach einer Renovierung im Jahre 1981 besaß der Saal die gleichen, stilistisch passenden Holztüren wie heute; vermutlich sind es sogar a dieselben Türen. Dies mag man als Kleinigkeit ansehen, als unbedeutendes Detail. Aber es finden sich eine Reihe solcher Details in den drei Berichten. Neben der erwähnten Zuspitzung findet sich in »Wittgensteins Neffe« aber auch eine besonders auffällige Auslassung bzw. einen »entlarvenden Unterschied(en) hinsichtlich des Personals«: Während Bernhard in »Meine Preise« noch gegen seine »literarischen Feinde(n) in dieser Jury« wettert, kommen die Juroren in der 1982 veröffentlichten Version gar nicht vor. Dennoch beklagte b sich Hilde Spiel bei Bernhard, dass ihre Rolle unzutreffend dargestellt worden sei. Sicher hätte sie die Darstellung in »Meine Preise« noch weniger goutiert, und gleiches kann man wohl von den Mit-Juroren Kraus und Holzinger annehmen. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, warum Bernhard zu Lebzeiten auf eine Publikation von »Meine Preise« verzichtet hat; wenn er es als opportun ansah, c konnte sich Bernhard auch zurückhaltend zeigen. Der Übersichtlichkeit halber seien im Folgenden die verschiedenen Abfolgen der Ereignisse tabellarisch aufgelistet: Unseld-Brief Bernhard setzt sich
»Meine Preise« »Wittgensteins Neffe« Bernhard trägt seine ›Dankesrede‹ vor P.P. springt auf und unterP.P. springt auf bricht, beschimpft und bedroht Bernhard
Die ›Musikkapelle‹ spielt
a b c
Siehe Abbildung 8 im Anhang. Siehe S. 70. Siehe auch S. 28.
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(Fortsetzung) Unseld-Brief P.P. tritt mit geballten Fäusten auf Bernhard zu und beschimpft ihn P.P. verlässt (allein?) den Saal türenschlagend Die Fenster klirren
»Meine Preise« P.P. geht mit erhobener Hand auf Bernhard zu
»Wittgensteins Neffe« P.P. schlägt und beschimpft Bernhard
P.P. verlässt den Saal türenschlagend
P.P. verlässt den Saal türenschlagend
Die Glastür scheint zu zerspringen, bleibt aber heil (S. 85) Das Publikum reagiert Das Publikum eilt dem Minismit Applaus und Zwi- ter nach schenrufen Viele aus dem Publikum bedrohen vorher Bernhard
Bernhard steht in einer Bernhard steht in einer Ecke Ecke (allein?) mit seiner ›Tante‹ und »zwei oder drei« bzw. »drei oder vier« Freunden Das Buffet bleibt »bei- Das Buffet bleibt »völlig unnahe unangetastet« berührt (P.P. steht für den Minister Piffl-Percˇevic´.)
Die Glastür zerspringt »in tausende Scherben« Das Publikum reagiert zuerst mit Schweigen, eilt dann dem Minister »an dem für sie aufgestellten Buffet vorbei« nach Man bedroht und beschimpft Bernhard, wird gar handgreiflich Bernhard bleibt allein zurück, nur mit seiner ›Tante‹ und Paul Wittgenstein s.o.
Bernhards Schilderung gegenüber Gerhard Ruiss fügt dem noch weitere Facetten hinzu; dort spricht er etwa von »über hundert [Pfründenempfängern]«236 im Publikum, während es in »Wittgensteins Neffe« gleich »ein paar hundert Kunstpfründner« sind. Eigentlich stimmen die Versionen nur in wenigen Punkten überein: - In der Laudatio wird suggeriert, dass Bernhard einmal eine nichtösterreichische Staatsbürgerschaft gehabt habe oder immer noch habe; - Bernhard hält seine Rede; - der Minister verlässt vorzeitig den Saal verlässt und schlägt dabei eine Tür hinter sich zu. Letzteres dürfte für alle Anwesenden unerwartet gekommen sein, so auch für die Mit-Preisträgerin Elfriede Rohr : »Was unmittelbar zur Reaktion des Ministers Anlaß gab, erinnere ich nicht. Sehr wohl in Erinnerung ist mir, dass ich und Freunde, die mit dabei waren, über das »ICH BIN STOLZ ÖSTERREICHER ZU SEIN« und den Abgang des Ministers sehr überrascht waren.«237 Die Darstellung des Ministers Piffl-Percˇevic´ erschien bereits im Jahre 1977; somit konnte er seinerzeit keine der zitierten Versionen Bernhards kennen.
69
Die verschiedenen Berichte Bernhards a
»Ich wartete jeden Augenblick, daß er [Bernhard] mir den prallen Briefumschlag vor die Füße schleudern würde. Er tat es nicht. Sodann nahm ich an, daß er den zahlreichen Festgästen verkünden werde, die Summe seinem kranken, einer künstlichen Niere bedürfenden Dichterkollegen Herbert Zand oder irgendeinem anderen Hilfeheischenden zukommen lassen zu wollen. Er tat es nicht. Jetzt aber, als er mit den Worten ›Wir sind auch nichts und verdienen nichts als das Chaos‹ geschlossen hatte, war ich gewiß, daß er mir, vom Rednerpult wegtretend, mit der Geste eines Grandseigneurs das volle Kuvert zurückreichen werde. Er tat es nicht. Vielmehr setzte er sich, von einem spärlichen Beifall jener Gäste begleitet, die seine Worte wahrscheinlich nicht verstanden hatten oder sich gar nicht trauten, sie nicht für gescheit oder honorig zu halten, ruhig neben mich. Ich war, gleich der Mehrzahl der Gäste – wie sich dies herausstellen sollte – betroffen. So betroffen, daß ich zunächst nicht anders reagierte, als den Musikern die ungeduldig bittende Geste zuzuwinken, sie mögen ihren Schlußpart liefern. Mein Zorn über die dargebotene neue Auffassung von Ehre und Gesittung ließ es nicht zu, den Tönen zu folgen. Entgegen sonstigem Zeremoniell trat ich nochmals an das Rednerpult und sagte mit grimmig unterkühlter Stimme: ›Trotzdem bin ich stolz, ein Österreicher zu sein! Ich begrüße Sie nochmals, meine Damen und Herren, und schließe die Feier.‹ Ein länger andauernder, demonstrativer Beifall setzte ein. Ohne – ganz gegen den Brauch – den Geehrten zu Verweil, Trunk und Imbiß zu bitten, verließ ich den Saal.«238
Dieser Darstellung steht unter Bernhards Versionen noch die früheste Fassung am nächsten, doch auch hier lassen sich Unterschiede ausmachen: Piffl-Percˇevic´ wendet sich nach der Rede (bzw. der Musik) gar nicht an Bernhard; statt auf ihn zuzutreten – was auch schwierig wäre, wenn er neben ihm sitzt – tritt er ans Rednerpult. Auch der bewusste Stolz-Ausruf hat eine andere Form, und es folgen ihm noch einige knappe Schlussworte. Vom Türenschlagen ist keine Rede. So kurz jener bewusste Satz sein mag, so viele Versionen von ihm sind im Umlauf: Bernhard, Spiel: »Wir sind trotzdem stolze Österreicher!«239 Piffl-Percˇevic´ : »Trotzdem bin ich stolz, ein Österreicher zu sein!« b Henz: »Ich bin trotzdem stolz ein Österreicher zu sein.« Rohr : »Ich bin stolz, Österreicher zu sein.« Weltwoche: »Wir sind trotzdem stolz, Österreicher zu sein!«240 Hans Rochelt: … dass er trotzdem stolz sei, Österreicher zu sein.241
Ein weiterer Zeuge war der Architekt Friedrich Kurrent. Bei ihm findet sich (in einer Darstellung von 2009) allerdings ein deutlich anderer Wortlaut: »Ich lasse die Republik Österreich nicht beleidigen.«242 Dem folgte »Ich wünsche den Gästen noch einen angenehmen Aufenthalt.« Letzteres passt halbwegs zum ab-
a b
Siehe S. 59. Siehe S. 71.
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schließenden Satz des Ministers in seiner eigenen Darstellung. Als erstes nennt Kurrent jedoch den Satz »Wir haben niemanden gezwungen, einzureichen.« Daraus könnte bei Bernhard »Wir haben Sie (ja) nicht gerufen« geworden sein. Jedenfalls macht Kurrents Version mehr Sinn, da Piffl-Percˇevic´ davon ausgehen musste, dass Bernhard seinen Roman auf eigene Initiative für den Preis eingereicht hatte. Alle anderen Versionen dürften nicht von Augen- bzw. Ohrenzeugen stammen und auf die hier zitierten Fassungen zurückgehen. Wie weiter unten zu zeigen ist, dürfte auch die Version in der »Weltwoche« direkt auf Bernhard zurückgehen, obwohl sie sich leicht von seiner anderen Version unterscheidet. Bemerkenswerterweise ist der ominöse Österreich-Stolz-Satz für »Meine Preise« und »Wittgensteins Neffe« gestrichen worden. Womöglich zitiert auch Hilde Spiel Bernhard: Zwar war sie auf der Feier anwesend, doch ihre Erinnerungen wurden erst 1990 veröffentlicht. Ansonsten aber legt sie Wert auf einen Unterschied zu Bernhards Schilderung: »Die Wahl unter hundert vorgelegten Prosawerken war keine leichte, doch schließlich hatten die Befürworter Thomas Bernhards, unterstützt von zwei konservativen, aber künstlerisch aufgeschlossenen Beamten des Ministeriums [Brunmayr und Lein?], diese erste österreichische Ehrung für den hier noch wenig bekannten Autor und sein Buch Frost durchgesetzt. Im folgenden März hat er sie dann erhalten, doch den amtierenden Minister durch eine existentielle Trauerrede so empört, daß dieser zornesrot ausrief: ›Wir sind trotzdem stolze Österreicher‹ und den Audienzsaal türenschlagend in Richtung Nebenraum und Buffet verließ. Ihm folgte die gesamte, ebenso aufgebrachte Gilde der Wiener Dichter und Denker. Nur ein kleines Häuflein, darunter ein Ministerialrat, zu seinem Lobe sei’s vermerkt, eilte zu dem Preisträger, der sich als ›Aussätziger‹ fühlte, und bekannte sich zu ihm. Daß Bernhard in seinem Buch Wittgensteins Neffe allein diesen, Paul Wittgenstein, und seinen ›Lebensmenschen‹ Hede an seiner Seite gesehen haben wollte, warf ich, die ich natürlich auch dabei gewesen war, ihm später vor. Dichtung und Leben, sagte er reuelos, deckten sich eben nicht. Ich hatte auch einen Brief an den Minister geschrieben und ihm die Rede zu erklären versucht, bekam aber keine Antwort.«243
Offenbar vermochte Hilde Spiel diese Widersprüche nicht so gelassen zu sehen wie Bernhard selber und wie auch Wieland Schmied, mit dem sie sich später darüber austauschte: »Dichtung und Wahrheit! Diese Kennzeichnung des eigenen Tuns stammt von Bernhard selbst – im Anschluß an Goethe, und in Anspielung auf den von diesem verwendeten Titel. Er verwendete sie gegenüber Hilde Spiel, als sie in ›Wittgensteins Neffe‹ gelesen hatte, daß sie bei der Preisveranstaltung im Unterrichtsministerium angeblich nicht bei Bernhard gestanden hätte. ›Aber ich bin doch, als alle hinter dem Untera
Siehe S. 69.
Die verschiedenen Berichte Bernhards
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richtsminister herliefen, Henz voran, sichtbar bei dir gestanden‹, gab Hilde Spiel das Gespräch mit Thomas Bernhard wieder. Ähnliches berichtete mir Otto Breicha.«244
Im übrigen mag es penibel erscheinen, auf diesem einzelnen Satz derart ausführlich herumzureiten. Allerdings ist – neben der erwähnten Phrase vom »gebürtige[n] Holländer« – dieser Satz der einzige, weitgehend unumstrittene ›Tatbestand‹, auf den Bernhard seinen Vorwurf der Brüskierung gründen kann. Und in diesem Zusammenhang ist es interessant, dass jener Satz in den Erinnerungen des Ministers in fast identischer Form noch ein zweitesmal vorkommt, und zwar in einem Schreiben, das Piffl-Percˇevic´ im Zusammenhang mit der Karajan-Auseinandersetzung erreichte: »Ich bin stolz, Österreicher und Grazer zu sein, in aufrichtiger Verehrung Robert Stolz [!].«245 Womöglich zitierte PifflPercˇevic´ also unbewusst – oder auch bewusst – den Ausspruch des Komponisten. Zu deuteln oder misszuverstehen gibt es an dieser Aussage jedenfalls nichts – ganz anders als bei Bernhards Rede selber. Bevor ich auf diese eingehe, noch ein kurzer Abstecher zum Buffet: Dieses blieb bei Bernhard »beinahe unangetastet« oder sogar »völlig unberührt«. Aber gemäß Paul Kruntorad,246 dem anwesenden Mit-Herausgeber des »Neuen Forums«, kam es durchaus zu einem »an den Preisverleihungsakt anschließenden Empfang«.247 Gemäß der Darstellung von Rudolf Henz war dabei sogar Bernhard selber anwesend: »Zur Erklärung: Bei der Verleihung des Förderungspreises des Bundesministeriums für Unterricht […] saß ich hinter Thomas Bernhard. Er, der Schriftsteller, sollte für die anderen danken, hielt es aber stattdessen für angebracht, eine Österreichbeschimpfung von der Tonart: Österreich, das dümmste Land, die Österreicher, das dümmste Volk der Erde, loszulassen. Ich rief damals, daß dies eine Gemeinheit sei, und der Minister verließ mit der Bemerkung: ›Ich bin trotzdem stolz ein Österreicher zu sein‹, den Saal. Bei Wein und Brötchen stellte ich Bernhard zur Rede. Er tat verwundert, so, als verstünde er meine Aufregung nicht und erklärte mir, daß er zwei Wochen zuvor genau das Gleiche in Bremen gesagt hätte, wo kein Mensch darüber empört gewesen wäre. Damals haben alle Empfänger von Preisen und Ehrenzeichen in der Bundesrepublik den Spender beschimpft. Hätten sie nur Danke gesagt, hätte kein Medienhahn nach ihnen gekräht. Eine Beschimpfung trug ihnen zumindest eine halbe Seite Werbung ein.«248
Demnach hätte auch Bernhard am Buffet teilgenommen. Henz sprach also von einer »Gemeinheit«; im übrigen werden persönliche Beschimpfungen, womöglich gar Attacken gegenüber Bernhard nur in dessen eigenen Darstellungen erwähnt. Wenn er glaubt, von Henz als »Schwein« bezeichnet worden zu sein,249 so könnte sich Bernhard schlicht verhört haben. Die Zwischenbemerkung »masslose [sic!] Frechheit«, die Bernhard gegenüber Unseld nennt, dürfte von Lernet-Holenia gekommen sein. Allerdings hat Friedrich
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Kurrent nur »Frechheit« gehört.250 Auch er bestätigt, dass Bernhard am Buffet teilgenommen hat: »Die gegenüberliegende Tür öffnete sich zum Buffet, und die ganze Gesellschaft begab sich zu belegten Brötchen und Getränken. […] Als ich Thomas Bernhard fragte – ich kannte ihn schon einige Jahre: ›Warum haben Sie den Preis angenommen?‹ sagte er mit charakteristischem Tonfall: ›Sie san auch manchmal bös zu ihrer Mut-ta [sic!], und dann san’s wieder guat.‹«
Zu Rudolf Henz (1897–1987) ist noch anzumerken, dass er von 1967 bis 1980 Präsident des Kunstsenats war, der über die Verleihung des Großen Staatspreises entscheidet. Diesen hätte Bernhard, wie erwähnt, viel lieber erhalten als den ›Kleinen‹ Staatspreis, doch bekam er ihn nie. Dies mag der Grund sein, warum der Autor den vermeintlich Verantwortlichen Henz in seinen Darstellungen besonders schlecht wegkommen lässt. Die Rede, die Bernhard in Bremen gehalten hat (und dies im übrigen gut drei Jahre, nicht zwei Wochen vorher), ist in »Meine Preise« ebenfalls abgedruckt. Man könnte ihr die Überschrift »Märchen und Wissenschaft« verpassen, und ihr bekanntester Satz lautet »Mit der Klarheit nimmt die Kälte zu.«251 Mit der Staatspreis-Rede hat sie wenig gemein; ganz gewiss enthält sie nicht »genau das Gleiche«, wie von Bernhard behauptet. a Dennoch bemüht er wenige Tage später erneut diesen Vergleich. Die Bremer Rede braucht uns hier aber höchstens insofern zu interessieren, als dass sie b widerlegt, dass Bernhard »nie eine Rede gehalten« habe. Stattdessen soll nun näher auf die Staatspreis-Rede eingegangen werden.
Die Aussage der ›Dankesworte‹ Was wollte uns der Dichter sagen mit seinen Text? Er selbst bezeichnet ihn als »philosophische Abschweifung sozusagen«. Der Autor der Weltwoche spricht von »jene(n), die in der Nachfolge von Karl Kraus stehen, die ihre eigene Situation als Österreicher zu formulieren versuchen, sich selbst auch miteinbeziehen, wenn sie in einer Rede ›wir‹ sagen: man versteht sie nicht, zeiht sie des Undanks. Man will sie nicht sehen, wie Thomas Bernhard sagt: ›undeutlich im Hintergrund: die Riesen der Angst.‹«252 Hans Rochelt meint: »In seiner philosophisch geprägten Meditation, in der vom ›immerwährenden vaterländischen Kerker‹, vom Staat, der zum Scheitern verurteilt ist und von der apathischen Verfassung der Österreicher die Rede war, wurde klar die Situation umrissen, in der sich Thomas Bernhard schreibend zu behaupten hat. Er nahm sich dabei a b
Siehe S. 93f. Siehe S. 52.
Die Aussage der ›Dankesworte‹
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keineswegs von der allgemeinen Erbärmlichkeit, Lächerlichkeit und der ›unerträglichen Vorgeschichte‹ aus und unterstrich überdies – auch dies war auf seine Person zu beziehen –, dass alles austauschbar ist.«253 Hilde Spiel versteht Bernhards Worte als »existentielle Trauerrede«. Elfriede Rohr hat »Künstler sein in Österreich« als Thema in Erinnerung behalten. Ina Hartwig wiederum beurteilt Bernhards »Dankreden [als] eine einzige, katastrophale Gattungsverfehlung. Plumpe Behauptungen von existentialistischem Pomp, gespickt mit indirekten und direkten Beleidigungen der Preisgeber und des Publikums. Mögen die anwesenden Honoratioren noch so grobschlächtig auftreten und schamlos schnarchen: Man ahnt, dass deren Empörung nicht ganz aus der Luft gegriffen war.«254 Andreas Wirthenson wiederum liest Bernhards Rede(n) »als ziemlich unsinniges Geplapper – als Erfüllung einer lästigen Pflicht, um endlich den ersehnten Scheck in Händen zu halten.«255 Kurioserweise sind sich der Minister und der Redner in einem Punkt einig: Sie mutmaßen, dass die meisten Anwesenden die Rede nicht verstanden hätten, und die zitierten Interpretationen zeigen, dass man allerlei in sie hineinlesen a bzw. -hören konnte und kann. Hier soll zumindest versucht werden, einige der Aussagen Bernhards zu interpretieren. Zuerst ist davon die Rede, dass der Tod den Wert alles Irdischen relativiert. Alles erscheint gleich unwichtig, ist also austauschbar wie Requisiten auf der Bühne. (Gemeint waren vermutlich eher Kulissen.) Das Volk habe davon keine Ahnung. (Eine überraschende Behauptung angesichts der Tatsache, dass speziell im österreichischen Volksliedgut der Tod eine große Rolle spielt.) Die Konsequenz einer solchen Einsicht in die Nichtigkeit alles Irdischen müsste eigentlich Religiosität sein oder Zynismus. Zu beiden passt nur bedingt, wenn Bernhard dann von »gewissenhaft gewissenlose[n] Väter[n]« spricht. Welche weltanschaulichen Maßstäbe er ansetzt, wenn er im Folgenden von »Niedertracht« spricht oder von einer »unerträgliche[n] Vorgeschichte«, bleibt unklar. Die Vermutung, dass sich dies auf die Zeit von Diktatur und Besatzung zwischen 1934 und 1945 bezieht, liegt nahe, wird aber durch keine konkreten Angaben gestützt. Es ist nicht einmal klar, dass mit dem »Riquisitenstaat« Österreich gemeint ist. Wenn anschließend vom »Dämonische[n] in uns« die Rede ist, so könnte Bernhard damit einen Zusammenhang herstellen zwischen der psychologischen Veranlagung der (österreichischen?) Staatsbürger als Individuen und als Masse sowie der Zustände im »immerwährende[n] vaterländische[n] Kerker«. Dieser »Kerker« brauche zum schieren Überleben (»Notdurft«) offenbar »die Elemente der Dummheit und der Rücksichtslosigkeit«, d. h. nur mit entsprechend dummen Bürgern könne der Staat überleben. Dennoch – oder deswegen? – sei der a
Zu der Frage, ob diese Vieldeutigkeit beabsichtigt war, siehe S. 95f.
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Staat (oder ein Regierungssystem?) »fortwährend zum Scheitern […] verurteilt«, und mit ihm die Bürger. Das soll wohl besagen, dass sich Volk und Staat einander zugrunde richten; daher die Konstatierung der Hoffnungslosigkeit und des Wahnsinns als letzte Zufluchten – oder, im Falle der Österreicher, der Apathie. In den nächsten Sätzen scheint Bernhard eine Widersprüchlichkeit des Österreichers zu konstatieren, doch erschweren die eigenwilligen Satz-Konstruktionen das Textverständnis. So bleibt unklar, wie »Größenwahn-Sinn als Zukunft«, Monotonie und Agonie gleichzeitig herrschen sollen. Das bevölkerte Trauma könnte wieder ein Bezug auf die jüngere Vergangenheit sein. Ob die »Riesen der Angst« eher aus dieser Vergangenheit oder aus der Zukunft kommen, bleibt kryptisch. Dass sich die Österreicher nicht zu schämen brauchen (womöglich sogar stolz sein können?), würde wiederum dem Gedanken der Traumatisierung und generell dem vorher Gesagten widersprechen. Eine chaotische (Gefühls-)Welt ist nach Bernhard jedenfalls wohl ein logischer und angemessener (End-)Zustand. Er würde zumindest zur Struktur seiner Rede passen. Bernhards Rede ist nicht nur gedanklich und grammatikalisch bemerkenswert wirr, sondern sie vermeidet auch jede konkrete Aussage. So konnte jeder Zuhörer oder Leser in sie hineininterpretieren, was er wollte bzw. erwartete. Bernhard meinte zwar (mehrfach), er sei falsch verstanden worden, doch hat er sich nie dazu herabgelassen, zu erklären, wie seine »philosophische Abschweia fung« denn richtig zu verstehen sei – jedenfalls nicht öffentlich. Dass Bernhard es durchaus besser konnte, beweisen die erwähnte Bremer Rede sowie eine Reihe weiterer Ansprachen. Die Staatspreis-Rede wurde, wie erwähnt, in voller ›Länge‹ unter anderem im Mai 1968 im »Neuen Forum« veröffentlicht. Dort steht sie hinter der Rede für die Verleihung des Anton WildgansPreises (siehe den zugehörigen Abschnitt in Teil III). Diese hätte am 21. März stattfinden sollen, also 17 Tage nach der Staatspreis-Verleihung. Die Mitteilung, dass Bernhard dieser Preis zuerkannt wurde, stammt bereits vom 14. Dezember b 1967; die für den Staatspreis aber wurde erst am 14. Februar 1968 verschickt. Daher hatte Bernhard viel mehr Zeit, die Rede für den 21. März zu konzipieren, als diejenige für den 4. März. Somit ist es nicht verwunderlich, dass erstere nicht nur um ein Vielfaches länger ist als die Staatspreis-Rede, sondern auch merklich kohärenter und sorgfältiger komponiert ist. Eines fällt außerdem auf: Die Wildgans-Preis-Rede endet wie folgt: »und ich erinnere Sie noch einmal nachdrücklich an den Tod, daran, daß alles mit dem
a b
Siehe dazu S. 93f. Siehe S. 93.
Die Aussage der ›Dankesworte‹
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Tod zu tun hat, vergessen Sie den Tod nicht … vergessen Sie ihn nicht, vergessen Sie ihn nicht …«256 Daran könnte unmittelbar der Anfang der Staatspreis-Rede anschließen: »Es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.« Womöglich war die Staatspreis-Rede also ursprünglich Teil der WildgansPreis-Rede, und aus Gründen der Zeitersparnis und Einfachheit hat Bernhard sie sozusagen aus dem Zusammenhang gerissen, um sie für den 4. März zu verwenden. Dies würde auch erklären, was Elfriede Rohr seinerzeit über die Rede a gehört hat. Da dies aber nicht durch Unterlagen zu belegen ist, muss dies Spekulation bleiben. Jedenfalls begann gleich nach dem Festakt eine publizistische Offensive, mittels derer der vorgeblich brüskierte Autor verteidigt werden sollte. Der Abmarsch des Ministers durch die (nicht existente) Glastür eröffnete somit das Nachspiel des Festaktes, das im dritten Teil dokumentiert werden soll.
a
Siehe S. 61.
Teil III: Das Nachspiel
Das Presseecho – Die ersten Tage Die erste schriftliche Reaktion auf den Vorfall bei der Staatspreisverleihung stammt von Hilde Spiel. Ihren Brief an den Minister datiert sie zwar auf den 3. März; wie aus dem Inhalt hervorgeht, wurde er aber am 4. März verfasst, also noch am Tag der Preisverleihung. Es dürfte dieser Brief sein, den sie in ihren Erinnerungen erwähnt: »Hochverehrter Herr Bundesminister! Darf ich als Mitglied der Jury, die Thomas Bernhard als Romanpreisträger vorgeschlagen hat, die von uns getroffene Wahl noch einmal zu rechtfertigen versuchen. Seit dem Erscheinen seines Romans ›Frost‹, der bekanntlich von Carl Zuckmayer entdeckt, gefördert und dem Insel-Verlag empfohlen wurde, gilt Thomas Bernhard im gesamten deutschen Sprachraum als eine der wichtigsten Erscheinungen der neuen Schriftsteller-Generation. Seine tieftraurigen, aber ungemein zwingenden Visionen sind mit jenen Franz Kafkas verglichen worden. Ein häufig schwerkranker Mann, der elternlos aufwuchs und in seine eigene Wirklichkeit versponnen war, hat er seinem hermetischen Weltbild in allen seinen Hervorbringungen Ausdruck verliehen – so auch in der höchst bedauerlichen Rede, zu der er sich heute veranlasst sah. Ich möchte betonen, hochverehrter Herr Bundesminister, dass ich diesen abwegigen und närrischen Fauxpas nicht verteidigen will. Aber ich bitte als kleinen Milderungsgrund zu betrachten, dass Thomas Bernhards Worte gewiss nicht als Provokation oder als irgendeine konkrete Kritik am Staate beabsichtigt waren. Sie bezogen sich auf eine Realität, die nur in seinem Werk existiert. Gleich anderen Dichtern, die von apokalyptischen Ängsten erfüllt sind, versagt Thomas Bernhard offenbar gerade dort, wo ihm eine echte Gunst, eine wirkliche Wohltat erwiesen wird. Im Namen der vielen Schriftsteller, denen die Munifizenz des Bundesministeriums für Unterricht zuteil geworden ist und hoffentlich noch zuteil wird, appelliere ich an Sie, hochverehrter Herr Bundesminister, den Vorfall nicht zum Anlass zu nehmen, ihnen allen Ihr Wohlwollen zu entziehen. Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung, Ihre ergebene Prof. Dr. Hilde Spiel«257
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Teil III: Das Nachspiel
Es soll hier nicht darum gehen, Spiels Irrtümer bezüglich der Biographie Bernhards zu korrigieren; dies unterstreicht nur die schlechte Informationslage speziell über die frühen Jahre des Autors. Eine Antwort auf den Brief ist jedenfalls nicht aktenkundig, und veröffentlicht hat Hilde Spiel ihr Schreiben auch nicht; vermutlich hielt sie dies weder für sinnvoll noch notwendig. »Das Ereignis [am 4. März] erregte zunächst kein öffentliches Ärgernis und war räumlich auf die Preisvergabe begrenzt.«258 Den Mit-Preisträgern Gerhard Wimberger und Elfriede Rohr ist jedenfalls kein ›Aufschrei der Öffentlichkeit‹ in Erinnerung geblieben. Auch durch das Fernsehen erfuhr die Öffentlichkeit nichts von jenem Vorfall: Der Festakt im Audienzsaal wurde zwar vom ORF aufgezeichnet, aber offenbar nur bis zur Preisübergabe. Der Grund dafür dürfte sein, dass der Bericht am gleichen Tag in den »Zeit im Bild«-Nachrichten um 19:30 ausgestrahlt werden sollte. Das geschah nach den Angaben des Sendearchives des ORF auch.259 Der Radiobericht auf Ö1 erfolgte unmittelbar nach der Feier (gegen 12:15), aber auch dort wurden keine Details von der Verleihung mitgeteilt.260 Vom eigentlichen Vorfall war somit im Rundfunk nichts zu hören oder sehen, wie am 6. März ein Kolumnist in den »Oberösterreichischen Nachrichten« beklagte: »Wie bin ich auf den Luftsprung des Unterrichtsministers neugierig gewesen, den er nach der Verleihung der Staatspreise getan hat, nachdem die Dankansprache des Dichters Thomas Bernhard zu Ende war. Ich bin bis zu den Spätnachrichten aufgeblieben, denn ich dachte mir, wenn der Höchstverantwortliche für Kultur in Österreich sich turnerisch auszeichnet und dazu zorngeschwellt sich noch seiner geistigen Herkunft rühmt, indem er sich auf seinen Homo Austriacus beruft, das müsste ein Festessen für das Fernsehen sein. Aber die Kamera begnügte sich mit dem schlichten Akt der Überreichung: tausend ähnliche Aufnahmen schon gehabt, eine Feierstunde wie alle Jahre, Pflichtübung, wie Verwaltetes übergeben wird.«261
Unklar bleibt, was der Kommentator unter einem »Luftsprung« versteht; nicht einmal Bernhard erwähnt etwas Vergleichbares. Jedenfalls hat der Kolumnist von alledem offenbar nur mündlich erfahren: »Was der Autor gesagt hat, entnahm ich etliche Stunden vorher dem Bericht des OÖN-Korrespondenten. Genau werde ich es noch lesen, wenn ich das Originalmanuskript der Rede in Händen halte. Ich kann mir nicht denken, dass die Wahrheit, um die es dem Staatspreisträger für Literatur zu tun war, so etwas Furchtbares sein konnte und die deshalb nicht ausgesprochen werden sollte.« Besagter Korrespondent dürfte der bereits erwähnte Hans Rochelt gewesen
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sein: »Bei der Verleihung des Staatspreises hat er [Bernhard] mir den Durcha schlag seiner Rede in die Hand gedrückt.«262 Auch Josef Laßl kommt in Frage. Eine Konsequenz jenes Vorgehens seitens des ORF dürfte gewesen sein, dass Bernhard und Rochelt bei der Verleihung des Grillparzer-Preises vier Jahre später anders verfuhren: »Bei der Preisverleihung am Freitag hat Hansi (Rochelt) mit dem Fernsehteam vereinbart, daß […] alles weggeschnitten wird und nur der Verleihungsakt und ein Interview mit Thomas gebracht wird. So war es auch tatsächlich in ›Kultur Aktuell‹ am Freitag abend zu sehen.«263 Wie erwähnt, hat Bernhard zur Staatspreisverleihung mehrere Abschriften bzw. Durchschläge seines Redetextes mitgebracht. Ein Exemplar erhielt also Hans Rochelt; womöglich gleich zwei gingen an Wolfgang Kraus, eines an Wolfgang Schaffler, und ein weiteres an den oben bereits erwähnten Paul Kruntorad. In seinem Brief an Siegfried Unseld vom 16. März (dem eine weitere Kopie beilag) fährt Bernhard, direkt anschließend an die oben zitierte Passage und bezugnehmend auf Kruntorad, wie folgt fort: »Der Herausgeber des ›Forum‹, der besten kulturpolitischen Zeitschrift, die wir haben, erbat sich die Rede und druckt sie als Ausgangspunkt, kommentierend, zu einer da beginnenden Artikel- und Aufsatzserie ›50 Jahre Republik Österreich‹ im Maiheft ab.« Dies war für Bernhard nur der Beginn »eine[r] fast kindlich anmutende[n] Suche nach Verbündeten, um mit den erlittenen Kränkungen fertigzuwerden.«264 Dazu bemühte er sich sehr aktiv darum, seinen Redetext einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, wie Karl Hennetmair zu berichten weiß. b Nach seiner Darstellung bezüglich der Niederschrift der Rede fährt er wie folgt fort: »Mit diesem zerknitterten Entwurf [der Staatspreis-Rede – obwohl bei Bernhard nie von einem »Entwurf« die Rede ist] kam er am nächsten Tag [den 5. März] zu mir, um diese Rede auf ein besseres Papier abzuschreiben, damit er sie zur Veröffentlichung im Ganzen wegschicken könne. Sonst würden einzelne Sätze gebracht, die ein anderes Bild gäben. Außerdem wollte er wissen, was ich dazu sage. Nachdem ich monatelang gehetzt hatte, gerade er, der gehört wird, müsse auf die wunden Stellen u. a.m. hinweisen, war ich von der Rede begeistert. Ich habe zu den Aussagen der Rede im einzelnen Stellung genommen und ihm erklärt, daß der Unterrichtsminister nicht aufnahmefähig genug war. Wenn er die Rede begriffen hätte, dann wäre er sicher nicht davongelaufen. Aber gerade seine Reaktion hat ja diese Rede nur bestätigt.«265 Leider führt Hennetmair nicht aus, auf welche »wunden Stellen« genau Bernhard hingewiesen habe. Hans Rochelt veröffentlichte bereits am Tag nach der Preisverleihung die erste öffentliche Stellungnahme, in der die Rede ausschnittsweise zitiert wurde. a b
Siehe S. 103. Siehe S. 61f.
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(Womöglich ist diese ausschnittsweise Wiedergabe ein Grund für Bernhard gewesen, den kompletten, ohnehin relativ kurzen Text seiner Rede in Umlauf zu bringen.) Dass Rochelt als Augen- und Ohrenzeuge bei der Preisverleihung dabei war, dürfte weniger seiner Tätigkeit als Mitarbeiter der »Oberösterreichischen Nachrichten« geschuldet sein als der Tatsache, dass er ein Freund Bernhards war : Dieser nannte ihn »Hansi«, und er gehörte zu den wenigen, die Bernhard auf seinem Hof in Ohlsdorf bereitwillig ›empfing‹ und sogar Besuch mitbringen durften.266 Zu jener Zeit bearbeitete er gerade Bernhards Erzählung »Amras« als Ballett; die Uraufführung fand am 6. Juni 1968 in Linz statt.267 Von alldem erwähnt Rochelt in seinem Artikel nichts. Gegenüber Maria Fialik äußerte er sich wie folgt über jenen Vorfall: »Die Reaktion von Piffl-Percevic war völlig absurd. Es waren nicht viele Leute dort, aber ich war dabei, der Piffl saß in der ersten Reihe. Der Thomas hielt seine Rede, und am Ende der Rede ist der Piffl aufgesprungen und hat den berühmten Satz gebrüllt: ›Ich bin trotzdem stolz, Österreicher zu sein!‹ – Er ist hinausgestürmt und der Henz mit ihm, und das war es eigentlich.«268 Diese Aussage erfolgte im Jahre 1997. Hier hat Rochelt – obwohl Augenzeuge! – Bernhards Darstellung übernommen, wonach die Reaktion des Ministers unmittelbar nach der ›Dankesrede‹ erfolgte. Dies widerspricht erstens der Version von Bernhard in seinem Unseld-Brief, zweitens der des Ministers, drittens auch Rochelts eigener Darstellung fast dreißig Jahre vorher. Es widerspricht auch den Angaben von Rudolf Henz, der nach seiner Aussage von 1984 beim Buffet durchaus noch dabei war. In seinem Artikel vom 5. März prägte Rochelt mit der Überschrift »Zerstörte Idylle« eine später vielzitierte Charakterisierung des Schaffens von Bernhard. Nach dem Untertitel »Missverstandene Dankesrede des Staatspreisträgers Thomas Bernhard« folgt dieser Text: »Montag vormittag wurden im Unterrichtsministerium die diesjährigen Staatspreise [genaugenommen diejenigen für 1967] überreicht und zugleich die Adalbert-StifterMedaille an Hans Lebert; Josef Friedrich Doppelbauer und Gerhard Wimberger wurden für eine Messe beziehungsweise ein Orchesterkonzert, Alfred Hrdlicka und Josef Pillhofer für ihr bildhauerisches Werk und Elfriede Rohr als Medailleurin ausgezeichnet. Dankesworte hatte Thomas Bernhard, dessen Roman ›Frost‹ preisgekrönt worden war, zu sprechen. Ihnen folgte kurzer Applaus und ein Streichquartett von Joseph Marx. Dann sprang Minister Piffl-Percevic auf und sagte, dass er trotzdem stolz sei, Österreicher zu sein. Die Idylle war zerstört worden, und Thomas Bernhard wurde seine kurze Rede als Affront angelastet, deren Schlüsselsatz lautete: ›Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.‹ In seiner philosophisch geprägten Meditation, in der vom ›immerwährenden vaterländischen Kerker‹, vom Staat, der zum Scheitern verurteilt ist und von der apathischen Verfassung der Österreicher die Rede war, wurde klar die Situation umrissen, in der sich Thomas Bernhard schreibend zu behaupten hat. Er nahm sich dabei keineswegs von der allgemeinen Erbärmlichkeit, Lächerlichkeit und der ›unerträgli-
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chen Vorgeschichte‹ aus und unterstrich überdies – auch dies war auf seine Person zu beziehen –, dass alles austauschbar ist. Bernhard Rede wurde für jene zum Skandal, die seine Bücher nicht gelesen hatten, sie wurde auch zum Skandal für alle Kunstproduzenten, die in erster Linie von der öffentlichen Hand leben und sich unabhängige Äußerungen nicht gestatten dürfen. Bernhard sprach gerade dann aus einer tiefer verankerten österreichischen Tradition, als sie manchem patriotischen Lippenbekenner zu Diensten steht, heraus, wenn er uns Österreicher ›Geschöpfe der Agonie‹ nannte. ›Was wir empfinden, ist chaotisch.‹ Dieser Befund musste den geregelten Verlauf einer Staatsfeier empfindlich stören, doch war von einem Autor von Bernhards Rang, der übrigens der fehler- und lückenhaften Laudatio nicht zu entnehmen war, keine landläufige Danksagung zu erwarten. Die Rede war ohne destruktive Absicht, wurde jedoch vor den kulturellen Repräsentanten eines ›ahnungslosen Volkes‹ gehalten.«269
Die Hauptursache für jenen »Skandal« sieht Rochelt also letztendlich darin, dass ein Teil des Publikums dessen Werk nicht kannte. Streng genommen, kann man dies nur auf den Minister beziehen, der mit jener Aussage außerhalb des Programmes als einziger eine spontane Reaktion zeigte. Zumindest die drei Juroren kannten, wie erwähnt, Bernhards Werk sehr gut. Von Reaktionen des übrigen Publikums ist hier keine Rede. Ihm unterstellt Rochelt pauschal, von der »öffentlichen Hand« gewissermaßen gekauft worden zu sein, was an (spätere) Polemiken Bernhards erinnert. Ansonsten berichtete in der Woche der Preisverleihung keine Zeitung über jenen Vorfall; auch evozierte Rochelts Artikel keine (publizierten) Leser-Zuschriften. Daran änderte auch die bereits zitierte Kolumne vom 6. März270 nichts; deren Autor hatte nach eigener Aussage ja nur durch Rochelt (oder Laßl) vom Geschehen erfahren. Ob Hans Rochelt jene Kolumne veranlasst (oder gleich selbst verfasst) hat, ist mir nicht bekannt. Seinen Bericht in »Meine Preise« schließt Bernhard wie folgt: »Die Zeitungen schrieben am nächsten Tag von einem Skandal, den der Schriftsteller Bernhard provoziert habe. Eine Wiener Zeitung, die sich Wiener Montag nannte, schrieb auf der ersten Seite, ich sei eine Wanze, die man vertilgen müsse.«271 Wie gezeigt, sprach mit den Oberösterreichischen Nachrichten genau eine Zeitung von einem Skandal. Hierbei wurde jedoch Bernhard als Opfer und nicht als Täter gesehen. Auf den Artikel in der namentlich genannten Zeitung gehe ich im nächsten Abschnitt ein.
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Das Presseecho – Der »Wiener Montag« Der »Wiener Montag« bezeichnete sich als »Unparteiische Morgenzeitung«. Weltanschaulich stand diese Wochenzeitung auf der rechten Seite des politischen Spektrums, und stilistisch erinnert sie auffallend an die »Kronenzeitung«. Allerdings war der »Wiener Montag« offenbar weniger erfolgreich, da er nur bis 1969 erschien, und zwar, wie der Name sagt, montäglich. Somit konnte die Zeitung frühestens am 11. März auf besagten Vorfall reagieren. Dann allerdings berichtete man gleich auf der Titelseite, und mit einer Überschrift im »Bild«a Format: »So ›dankt‹ ein Staatspreisträger : Beschimpft Österreich!« (NB: Der Zusammenhang zeigt, dass »Beschimpft Österreich!« hier als Indikativ Singular zu verstehen ist, obwohl es sich von der Form her eigentlich um einen Imperativ Plural handelt.) Davor steht noch der ›Tatbestand‹ »Unterrichtsminister Dr. Piffl wurde brüskiert«, und die Bildunterschrift zu den Portraits der Hauptbeteiligten schlägt in die gleiche Kerbe: »Brüskiert wurde Dr. Piffl-Percevic (rechts) durch den Schriftsteller Thomas Bernhard (links)«. Es folgt ein relativ ausführlicher Artikel zum Thema: b
»Das Beispiel Hundertwasser macht Schule, die Kette skandalöser Brüskierungen der Öffentlichkeit durch wohlsubventionierte Künstler scheint gar nicht mehr abreißen zu wollen. Der jüngste Zwischenfall dieser Art, von der freiwillig gleichgeschalteten österreichischen Presse seltsamerweise großzügig ignoriert, ereignete sich, wie der ›MONTAG‹ erfährt, in der vergangenen Woche im Audienzsaal des Unterrichtsministeriums am Wiener Minoritenplatz. Die von dem Affront Betroffenen waren diesmal Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic und – letztlich – der österreichische Steuerzahler, der, ohne gefragt zu werden, die übermütigen Skandalmacher mit seinen schwer entbehrten Steuerschillingen großzügig unterstützt … [Ende des Fettdruckes] Es war am Montag, dem 4. März, bei der Verleihung der Staatspreise im Bundesministerium für Unterricht. Die Liste der Preisträger enthielt die Namen der Bildhauer Josef Pillhofer und Alfred Hrdlicka (letzterer unter anderem bekannt als Schöpfer des umstrittenen Karl-Renner-Denkmals im Wiener Rathauspark), der Medailleurin Elfriede Rohr, der Komponisten Gerhard Wimberger und Josef Friedrich Doppelbauer und – des Schriftstellers Thomas Bernhard. Bei der ›Dankesrede‹ des 37jährigen Oberösterreichers Thomas Bernhard, der den (immerhin mit 25.000 Schilling Steuergeld dotierten) ›Staatspreis für Roman‹ erhielt, kam es dann zum Affront: Statt, wie es der Anstand erfordert, für die ihm zuteil gewordene öffentliche Auszeichnung zu danken, richtete Bernhard schwerste Anklagen gegen seine Heimat Österreich. Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic, der sich so wie alle anderen Teilnehmer selbstverständlich ein Wort des Dankes erwartet hatte, erhob sich nach dieser verletzenden Rede mit den Worten ›Ich bin trotzdem stolz, ein a b
Siehe Abbildung 7 im Anhang. Siehe S. 63.
Das Presseecho – Der »Wiener Montag«
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Österreicher zu sein!‹ und verließ den Saal. Nach dem ›Strip-Tease‹ Fritz Hundertwassers vor der Wiener Kulturstadträtin Gertrude Sandner ist dies nun binnen kurzer Zeit der zweite Fall einer öffentlichen Brüskierung von Spitzenfunktionären des österreichischen Kulturwesens. Der ›MONTAG‹ meint dazu: Es steht selbstverständlich jedem Künstler – auch einem Herrn Bernhard – frei, sich über das Land, dem er angehört und in dem er lebt, seine eigene – und sei es eine auch noch so schlechte – Meinung zu bilden. Es steht ihm außerdem frei, diese Meinung auch zu äußern, wann und wo er will. Nur sollte er sich – wenn er auch nur eine Spur Konsequenz besitzt – von diesem Land nicht beschenken lassen, sondern die Einladung des Unterrichtsministers zur Staatspreisverleihung ablehnen und das Preisdiplom samt Geldbetrag zurückschicken. Soviel zur Person Thomas Bernhards. Was hingegen den österreichischen Staatsbürger betrifft, so hat er ein Recht darauf, vor der grotesken Situation geschützt zu werden, daß man ihn für seine Steuergelder obendrein noch brüskiert. Wenn die Beispiele Hundertwasser und Bernhard Schule machen, wird man sich daher überlegen müssen, ob es nicht sinnvoller ist, in Zukunft das ganze System kostspieliger Auszeichnungen, Staatspreise und Subventionen überhaupt abzubauen und würdigeren Zwecken zukommen zu lassen.«272
Namentlich gezeichnet ist dieser Artikel nicht. Ansonsten sind mehrere Aspekte an dem Artikel besonders auffällig: - Von einem »Skandal« ist auf der Titelseite zwar die Rede, doch bezieht sich dies auf die Tötung einiger Krähen in Schönbrunn. Jener Vorfall wird nur als »Affront« bezeichnet, obschon von Skandalmachern und skandalösen Brüskierungen die Rede ist. - Auf der Titelseite kommt fünfmal das Wort »Brüskierung« (in verschiedenen Formen) vor. Auch Bernhard verwendet es später in diesem Zusammenhang – wobei es aus seiner Sicht naturgemäß er war, der brüskiert wurde. - Der (namenlose) Autor des Artikels dürfte nicht selbst vor Ort gewesen sein und auch den Redetext nicht besessen haben; jedenfalls wird kein Wort zitiert. Offenbar erhielt er seine Informationen von einem Zeugen. Die Bewertung des Vorfalls gemahnt an die Erinnerungen des Ministers; daher ist denkbar, dass die Informationen zu dem Artikel aus dem Ministerium kamen. Andererseits erscheint dies als unwahrscheinlich, da dem Minister kaum an einer Eskalation jener Affäre gelegen sein konnte. a - Von einer »Wanze, die man vertilgen müsse« oder einem »Nestbeschmutzer« ist im Artikel nicht die Rede. Dieser bemüht sich vielmehr (wenn auch eher pro forma) um eine gewisse Sachlichkeit. Woher Bernhard diese Fehl-Zitate hat, bleibt rätselhaft, zumal sich der Artikel in seinem Nachlass findet und er hätte nachschlagen können.
a
Siehe S. 51.
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Jedenfalls blieb auch dieser Artikel ohne wahrnehmbares Echo. Ein einziger Leserbriefschreiber fühlte sich bemüßigt, sich dazu zu äußern. Seine Anmerkungen beziehen sich aber nicht einmal primär auf den Vorfall am 4. März: »Zu ihrem vorwöchigen Artikel ›So dankt ein Staatspreisträger‹ möchte ich Sie auf eine Sendung des österreichischen Rundfunks aufmerksam machen, die am 22. Februar um 17.15 unter dem Titel ›Österreichs Literatur heute‹ über ›Österreich I‹ zu hören war. Der Grazer Schauspieler Harald Hart las in dieser Sendung aus dem Roman ›Verstörung‹ vor, einem Opus des Staatspreisträgers Thomas Bernhard. Leider schalteten wir zu spät das Tonband ein, um der staunenden Nachwelt diesen konzentrierten Unsinn im Wortlaut zu erhalten. Aber wem’s nichts ausmacht, der kann sich ja dieses staatspreisgekrönte Meisterwerk besorgen. – Das ist uns Steuerzahlern 25.000 Schilling wert! Ich finde, der ›Dank‹ des Herrn Bernhard war – irgendwie – zu Recht abgestattet. Uns, die wir zu so etwas schweigen, gebührt ja nichts anderes!«273 Offensichtlich war dem anonymen Briefeschreiber nicht bekannt, dass Bernhard den Staatspreis eben nicht für »Verstörung« erhalten hatte, sondern für »Frost«. Diese Zuschrift blieb vorerst die einzige (veröffentlichte) LeserReaktion auf den Artikel im »Wiener Montag.« Am 14. März druckte die »Rieder Volkszeitung« (aus Oberösterreich) einen Artikel, der teilweise wörtlich auf dem Bericht im »Wiener Montag« beruht.274 Am gleichen Tag erschien ein relativ detaillierter Bericht im »Vöcklabrucker Wochenspiegel«: »Im Anschluß an die Verleihung des österreichischen Staatspreises für Literatur (30.000 S) an den in Ohlsdorf bei Gmunden angesiedelten Schriftsteller Thomas Bernhard für seinen Roman ›Frost‹ las der Autor in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur aus eigenen Werken. Unter den vorgetragenen, bisher unveröffentlichten Stücken fiel besonders die Prosa ›Ungenach‹ auf, deren Schauplatz ein Dorf in der Nähe von Vöcklabruck ist. […] Thomas Bernhard hatte vorher im Namen der Staatspreisträger im Unterrichtsministerium eine Dankrede gehalten, in der er von Österreich als einem ›immerwährenden vaterländischen Kerker‹, in dem ›Lächerlichkeit, Erbärmlichkeit‹ und eine ›unerträgliche Vorgeschichte‹ herrschen, sprach. ›Was wir empfinden, ist chaotisch!‹ rief der gequälte Dichter aus. Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic sprang bei diesen Worten, die auch von den Ehrengästen als skandalös empfunden wurden, spontan von seinem Sitz auf und beendete die unerfreuliche Szene. Er zog es danach vor, den Abend lieber im Kreise der aus Grenoble heimgekehrten österreichischen Olympioniken bei den ›Drei Spitzbuben‹ in Nußdorf zu verbringen.«275
Dass dieser Artikel nachlässig recherchiert ist, beweist allein schon die falsche Höhe des Preisgeldes. Außerdem wird suggeriert, dass am 4. März nach der Verleihung der Staatspreise eine Lesung mit Bernhard stattfand. Dafür finden sich keinerlei Belege. Mutmaßlich bezieht sich der Autor hier auf die Lesung vom 1. März, bei der Bernhard aus diversen Veröffentlichungen las,276 u. a. aus
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»Verstörung« und »Amras«.277 Die Zitate aus Bernhards Rede stammen offena sichtlich aus Hans Rochelts Artikel vom 5. März. Die gegenüber Rochelt konträre Deutung der Rede bestätigt jedenfalls Bernhards Skepsis gegenüber unvollständigen, aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten. Die abschließende Bemerkung bezieht sich auf eine damals populäre Kabarett-Truppe. Allerdings macht auch dies wenig Sinn, da der Empfang im Unterrichtsministerium zur »späten Vormittagsstunde« stattfand. Jedenfalls schien damit das Presseecho zum Vorfall am 4. März in einigen Provinz-Blättern zu verklingen. Die nächsten Artikel in den »Oberösterreichischen Nachrichten« bezogen sich gewissermaßen schon auf den nächsten Eskalations-Schritt.
Das internationale Presseecho Am Samstag, den 16. März, konnten die »Oberösterreichischen Nachrichten« Neuigkeiten in der Causa Bernhard verkünden: »Zugegeben: Es mag am 4. März eine recht unerwartete Dankrede gewesen sein, die der Dichter nach dem Empfang des Staatspreises im Festsaal des Unterrichtsministerium gehalten hat, aber das Benehmen des Hausherrn war es dann nicht minder. Doch darüber haben wir bereits berichtet. Die Vereinigung österreichischer Industrieller hat im Schreiben vom 14. Dezember 1967 auf Vorschlag einer Jury dem Staatspreisträger Thomas Bernhard den Anton-Wildgans-Preis in Höhe von 30.000 Schilling zugesprochen und davon 20.000 Schilling als Weihnachtsgabe ausbezahlt. Der Rest sollte bei einer Feier am 21. März 1968 überreicht werden. Nun bekam Thomas Bernhard einen Absagebrief vom 13. März, worin ihm bekanntgemacht wurde, dass keine öffentliche Ehrung, an der der Unterrichtsminister und andere Ehrengäste teilgenommen hätten, aus zureichendem Grund stattfinde. Das Schönste aber am Boykott des österreichischen Dichters Thomas Bernhard ist, dass der genaue Wortlaut der angefeindeten Rede gar nicht bekannt ist. Auch der Unterrichtsminister hatte die Danksagung, weil er kein Buch des Dichters kannte, nur missverstanden. Kultur zählt zu den Geisteswissenschaften. Dort ist nicht das Erklären die richtige Methode, sondern nur das Verstehen maßgebend.«278
Auf die Verleihung des Wildgans-Preises komme ich noch zurück. Namentlich gezeichnet ist dieser Bericht nicht. Der Stil passt aber zum Bericht vom 5. März, und die detaillierten Informationen dürften von Bernhard selber stammen; somit war vermutlich auch für diesen Artikel Hans Rochelt verantwortlich – und ebenso für den nächsten Bericht am Mittwoch, den 20. März: »Thomas Bernhard, der österreichische Autor, allerdings im Auslande mehr geltend als in a
Siehe S. 80.
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seiner Heimat, hält am 24. April an der Universität in Saarbrücken die gleiche Rede, mit der er als Dankender bei der Überreichung der Staatspreise in Wien den Unmut des Unterrichtsministers und im Gefolge den Boykott der Vereinigung österreichischer Industrieller hervorgerufen hatte. Es ist zu erwarten, dass man dort Thomas Bernhard besser verstehen wird, weil man seine Werke genauer kennen dürfte. Aber wie hieß der wichtigste interpretierende Satz des Dichters? Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.«279 Das Motiv, dass Bernhard im Ausland eher geschätzt werde als in Österreich, findet sich oft in der Berichterstattung, und es wird auch vom Autor selber aufgegriffen. Daher seien hier die ersten fünf Auszeichnungen aufgelistet, die Bernhard verliehen wurden: - 1964: Julius Campe-Preis (Hamburg) - 1965: Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen - 1967: Literarische Ehrengabe des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (Regensburg) - 1968: Österreichischer Staatspreis für Roman - 1968: Anton Wildgans-Preis (Wien) Das macht drei Preise aus Deutschland und zwei aus Österreich. Angesichts der unterschiedlichen Größe der Länder kann sich Bernhard demnach über mangelnde Beachtung in seiner Heimat nicht beklagen. Zudem füllte Bernhard Ende der 1960er Jahre bei Lesungen in Wien oder Graz ganze Säle, während er in Deutschland mehrfach nur vor zwanzig Leuten las.280 Auch die Berichterstattung zu jenem Vorfall ging von Österreich aus, um dann gewissermaßen auf das Ausland überzugreifen. Den meines Wissens nach ersten Artikel zu dem Thema in einer nichtösterreichischen Zeitung veröffentlichte am 19. März in der »Frankfurter Rundschau«281 der Autor Dietmar Grieser – also ein geborener Deutscher, der damals schon seit Jahren in Wien lebte. Auch für die nächsten Artikel in der ausländischen Presse ging die Initiative von Österreich aus, und der lange Artikel in der Schweizer »Weltwoche« vom Freitag, den 22. März wurde von Bernhard selbst a angeregt: »Vorspiel Auf den 4. März hatte der österreichische Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic die Bildhauer Josef Pillhofer und Alfred Hrdlicka, die Medailleurin Elfriede Rohr, die Komponisten Gerhard Wimberger und Josef Doppelbauer und den Schriftsteller Thomas Bernhard in sein Ministerium geladen; Österreich hatte diesen Künstlern je einen Staatspreis zuerkannt. Der Unterrichtsminister persönlich wollte die Preise in angemessenem Rahmen übergeben. Den Schriftsteller Thomas Bernhard hatte man a
Siehe S. 89.
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gebeten, eine kurze Dankesrede zuhalten. Thomas Bernhard ist 37 Jahre alt; eigenwillig ist das Talent dieses Österreichers, der in Holland geboren wurde. ›Frost‹ heisst sein erster Roman, ›Verstörung‹ sein zweiter, erschienen vor einem Jahr im Insel-Verlag. Erzählungen (›Amras‹, ›Prosa‹) hat er veröffentlicht. Ohne Zweifel, im Unterrichtsministerium hatte man richtig gewählt, den ›Staatspreis für Roman‹ Thomas Bernhard zuzuerkennen. Nicht unbekannt auch ist dieser österreichische Schriftsteller ; kritische Äußerungen zu seinem Werk betonen dessen sprachliche Eindringlichkeit, die packende Darstellung menschlicher Not und Verzweiflung, die lähmende Angst. Thomas Bernhard also, ein stiller, im Wesen zurückhaltender Mann, grüblerisch sogar könnte man ihn nennen, setzte an zu seiner Dankesrede, im Besitz des Preises, in der Laudatio des Ministers als ›geborener Holländer‹ angesprochen. Die Rede [Es folgt der komplette, oben zitierte Redetext] Erstes Nachspiel Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic erhob sich brüsk nach dieser Rede und sagte, zum Autor gerichtet: ›Wir haben Sie ja nicht gerufen.‹ Zum Publikum gewendet dann: ›Meine Damen und Herren, wir sind trotzdem stolz, Österreicher zu sein.‹ Am folgenden Tag erhielt Thomas Bernhard aus dem Ministerium einen Telephonanruf. Man legte ihm nahe, die Rede nicht zu veröffentlichen. Kleine Notizen erschienen in den österreichischen Zeitungen, dass die Staatspreise übergeben wurden. Über den Zwischenfall schwieg man sich beinahe ganz aus. Nur der ›Wiener Montag‹, eine ›unparteiische Morgenzeitung‹, wie es im Untertitel heisst, fand die Schlagzeile: ›So dankt ein Staatspreisträger : beschimpft Österreich.‹ Und dann folgen die Anmerkungen in beleidigter Tonart vom düpierten Steuerzahler und: ›Wenn solche Beispiele Schule machen, wird man sich daher überlegen müssen, ob es nicht sinnvoller ist, in Zukunft das ganze System kostspieliger Auszeichnungen, Staatspreise und Subventionen überhaupt abzubauen und würdigeren Zwecken zukommen zu lassen.‹ Auf der nächsten Seite derselben Zeitung finden sich in einem Kommentar zum 11. März 1938 (Machtübernahme der Nazis in Österreich) folgende Sätze: ›An jenem 11. März 1938 kamen – wie wir heute wissen – auch in Österreich Machträuber und Machtmissbraucher hoch. Aber es stand damals auch ein grosser Teil der Österreicher bereit, die ehrlichen Glaubens ihr Land Österreich in einem grossen und starken Rahmen anerkannt wissen wollten und die eine unerhörte Bereitschaft zu Arbeit und Leistung, zu Opfer, Ordnung und Disziplin in sich trugen. Das gute Wollen, das diese gläubigen Menschen seinerzeit erfüllte, war von mitreissender Kraft.‹ Sätze dieser Art sind heute in Österreich möglich, Karl Kraus ist tot. Er wäre in Wut geraten. Und jene, die in der Nachfolge von Karl Kraus stehen, die ihre eigene Situation als Österreicher zu formulieren versuchen, sich selbst auch miteinbeziehen, wenn sie in einer Rede ›wir‹ sagen: man versteht sie nicht, zeiht sie des Undanks. Man will sie nicht sehen, wie Thomas Bernhard sagt: ›undeutlich im Hintergrund: die Riesen der Angst.‹ Zweites Nachspiel Thomas Bernhard erhielt auch den ›Wildgans-Preis‹. Diesen Preis stiftet die ›Vereinigung Österreichischer Industrieller‹. Auf den 21. März war die Übergabe vorgese-
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hen, wiederum in angemessenem Rahmen: Bankett, Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft. Am Freitag der vergangenen Woche brachte die Post Thomas Bernhard einen Brief mit dem Absender ›Vereinigung Österreichischer Industrieller‹. Man kündigte ihm darin an, dass ihm die Preissumme per Post zugeleitet werde dass die Übergabefeier jedoch nicht stattfinde. Man hat sie wieder ausgeladen, die Persönlichkeiten. Der Minister und die Spender: sie wollen dem Kritiker nicht begegnen, dem Schriftsteller nicht, der Dank nicht als Kniefall auffasst, sondern als Ehrlichkeit, die eigene Situation in einem Land darzustellen, in dem er lebt, arbeitet, hofft, und auch von Angst befallen wird. Wie sagt Thomas Bernhard? ›Es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich.‹«282
Unklar bleibt, wie Bernhard angerufen werden konnte, obwohl er aus Prinzip kein eigenes Telefon besaß. In seinem Brief an Unseld schreibt der Autor (Hervorhebung in diesem Fall von mir): »Am Abend des gleichen Tages bekam ich einen Anruf von seiten des Ministeriums, eine Warnung, meine Rede ja nicht zu veröffentlichen.«283 Nach Hennetmairs Erinnerungen befand sich Bernhard am 5. März wieder in Ohlsdorf. Falls jener Anruf – wann und wo auch immer – tatsächlich erfolgte, dürfte es sich eher um einen wohlmeinenden Rat der Beamten Brunmayr oder Lein gehandelt haben, den Bernhard in den falschen Hals bekam. Wenn der Autor jenen Absage-Brief von der Industriellenvereinigung erst am 15. März erhielt, so ist die Schnelle jener Pressereaktionen bemerkenswert. Sie verträgt sich auch kaum mit dem Bild von Bernhard als einem Autor, der als Einsiedler auf seinem oberösterreichischen Hof nur für seine Arbeit lebe, ohne sich um die Außenwelt zu scheren. »Ein Einzelgänger, ein Alleingänger, der unbeirrt von allen Menschen und Institutionen seinen Weg geht, ohne irgendeinen Konflikt zu scheuen, war Bernhard, zumindest in seinen Anfängen, nicht. Mögen die literarischen Selbstfindungsversuche Bernhards die Werke der Vorgänger oder Zeitgenossen hinter sich gelassen haben, sie waren eingebettet in ein Geflecht von persönlichen und strukturellen Beziehungen, auf das seine Literatur angewiesen blieb.«284 Den 15. März nennt auch (indirekt) Bernhard selber in seinem bereits zitierten Brief an Siegfried Unseld vom 16. März: »Aber jetzt zu dem, was ich unbedingt sofort durch Ihr Büro publiziert haben will; publiziert haben muss und zwar, ich bitte Sie, an hervorragender Stelle: gestern vormittag bekam ich einen eingeschriebenen Expressbrief der ›Österreichischen Industriellenvereinigung‹, die mir, noch im Geheimen, auf Vorschlag einer Jury, schon im Dezember, ihren ›Anton-Wildgans-Preis der österreichischen Industrie‹ zugesprochen hatte. Nicht, ohne mir noch vor Weihnachten 20.000.– anzuweisen, und in diesem Brief steht: ›Sehr geehrter Herr Bernhard, wir bedauern sehr, dass uns Anlass gegeben wurde, die für den 21. März vorgesehene feierliche Überreichung des Anton WildgansPreises abzusagen. Wir haben in diesem Sinne den Herrn Bundesminister für Unterricht, die von uns eingeladenen Ehrengäste und unsere Präsidial- und Vorstandsmit-
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glieder verständigt. Wir werden uns gestatten, Ihnen in den nächsten Tagen den auf die Preissumme noch ausstehenden Betrag von S 10.000.– zu überweisen und die Urkunde übersenden. Mit vorzüglicher Hochachtung, Vereinigung österreichischer Industrieller.‹ Also keine Feier, kein Fest! Basta! Man will den Preis jetzt, der sonst so viel Wirbel macht, vertuschen. Ich spreche, völlig korrekt, ruhig, vorzüglich und unauffällig gekleidet, ohne geringste Erregung meine philosophische Meditation, um die man mich ausdrücklich gebeten, ja beschworen hatte, worauf ein Skandal folgt … Worauf die Industriellengesellschaft den Festakt, den sie vorgegeben hatte, mir zu geben, weil ein Minister stumpfsinnig ist, absagt, auf einen Text, den alle diese Leute missverstanden und nie wieder gesehen haben, den heute ausser mir, Ihnen und Herrn Kruntorad vom ›Forum‹ niemand, kein Hirn kennt … Grotesk! Grotesk! (Sie wissen, woher das kommt.) Ich bitte Sie ausdrücklich, diesen Vorschlag an hervorragender Stelle (weil hier alles hoffnungslos ist) zu veröffentlichen. Die ›Dankrede‹, die die Industriellen vor Wochen bei mir bestellt haben und für die ich 14 Tage verschwendet habe, werde ich am 24. April in der Universität von Saarbrücken sprechen, wohin ich schon früher eingeladen worden bin, es handelt sich ja wieder um Philosophisches, das ich hier nicht sprechen kann, wie ich, wie wir sehen. Grotesk.«285
Es sei betont, dass Bernhard der Anton Wildgans-Preis keineswegs aberkannt wurde; auch die Preissumme erhielt er in voller Höhe. Wenn es dem Autor – wie er des öfteren betont – bei der Annahme der diversen Preise hauptsächlich ums Geld ging, während ihm die öffentlichen Zeremonien zuwider waren, so hätte er sich über die Absage eigentlich freuen müssen. Im übrigen ist es nach jenem Brief die Dankesrede für den Anton Wildgans-Preis, die Bernhard in Saarbrücken halten will, nicht die für den Staatspreis, wie es in den »Oberösterreichischen Nachrichten« hieß. (Dieser vermeintliche Widerspruch würde sich freilich auflösen, falls, wie erwähnt, die Staatspreis-Rede einst ein Teil der WildgansRede war.) Außerdem hatte Bernhard, wie gesagt, zu jenem Zeitpunkt seinen Redetext bereits bedeutend mehr Leuten zur Kenntnis gebracht – selbst wenn man das Publikum bei der Staatspreis-Verleihung außen vor lässt. Siegfried Unseld antwortete bereits am 18. März: »Frau Botond hat mich am vergangenen Wochenende [also am 16. oder 17.] angerufen und mir von dem Wiener Skandal berichtet. […] Ich möchte nämlich dafür plädieren, daß wir zunächst überhaupt keine Notiz von der Sache nehmen. Wenn Sie können, ziehen Sie am besten auch noch den Abdruck in der ›Weltwoche‹ zurück.«286 Der Artikel in der »Weltwoche« geht demnach auch auf Bernhards direkte Initiative zurück. Offenbar erfuhr Unseld davon über seine Mitarbeiterin Anneliese Botond, die für Bernhard u. a. »Frost« lektoriert hat. Von den Artikeln in den »Oberösterreichischen Nachrichten« ist keine Rede, obwohl sie Bernhard kaum unbekannt geblieben sein dürften. Auch Unseld handelte nicht gemäß seiner Anregung, von jenem Vorfall keine Notiz zu nehmen. Entweder änderte er
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schlichtweg seine Meinung, oder ihm war schon damals »bewusst, dass ihre Korrespondenz über das rein Geschäftliche hinaus auch von der Nachwelt gelesen würde.«287 Wie auch immer : In den Anmerkungen des Briefwechsels wird ausgeführt,288 dass Unseld offenbar nicht nur Bernhards Redetext, sondern auch dessen Brief an Karl Heinz Bohrer weiterleitete. »Karl Heinz Bohrer wurde 1932 in Köln geboren. Von 1968 bis 1973 war er Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.«289 Diese Zeitung und der in der gleichen Stadt residierende Verlag standen sich nicht nur geographisch nahe; auch personelle Verflechtungen waren zahlreich: Marcel Reich-Ranicki war ebenso ein Suhrkamp-Autor wie Karl Heinz Bohrer, sein Vorgänger als FAZ-Literaturchef. Passenderweise erschien später auf Initiative von Siegfried Unseld hin290 »Wittgensteins Neffe« zuerst (vom 28.10. bis 22.11.) in Fortsetzungen in der FAZ.291 So geschah es sicher mit Billigung, wenn nicht auf Wunsch von Siegfried Unseld, dass sich Bohrer zu jenem Vorfall vom 4. März publizistisch äußerte. Am 21. März erschien ein zweispaltiger Artikel in der FAZ unter dem Titel »Des Dichters Fluch – Staatspreisträger Thomas Bernhard und eine inkriminierte Rede«: »Thomas Bernhard, sieht man einmal von den Wiener Surrealisten ab, ist der interessanteste Einzelgänger der österreichischen Literatur und einer der begabtesten Schriftsteller deutscher Sprache dazu. [Es folgt eine vollständige Liste von Bernhards bisherigen Auszeichnungen292 und Veröffentlichungen und eine knappe Eloge.] Die Überreichung des Staatspreises an Thomas Bernhard wurde zu einem Skandal, für den die empörten Teilnehmer der Szene den Autor verantwortlich machen. Dieses ist geschehen. Der Autor Thomas Bernhard hielt keine konventionelle Dankrede, sondern sprach ein Stück polemischer und trauriger Prosa, die man in den Büchern abgedruckt finden könnte, für die er nun öffentlich ausgezeichnet worden ist. Seine inkriminierte Ansprache hatte folgenden Wortlaut: [Es folgt wiederum der komplette Redetext.] Das waren Bernhards Worte, gerichtet an den österreichischen Unterrichtsminister, der nach der Rede wütend den Saal verließ und ausrief: ›Wir sind trotzdem stolze Österreicher.‹ Applaus des Publikums. Kein kaltes Buffet. Der Preisträger wurde mit ›Dutschke‹ und ›Hundertwasser‹ tituliert. Inzwischen hat Bernhard, dem ebenfalls der Anton-Wildgans-Preis zugesprochen worden ist (30.000 Schilling), erfahren, daß die feierliche Überreichung im ›Haus der Industrie‹ nicht stattfinden wird. Der Unterrichtsminister hat nach der eben abgedruckten Rede abgesagt und Bernhard erhielt von der ›Vereinigung österreichischer Industrieller‹ einen Absagebrief. Der noch ausstehende Betrag von 10.000 Schilling und die Urkunde werden ihm mit der Post zugesandt. Es steht hier nicht an, die Reaktionen zu monieren. Es steht jedoch zu, das Allgemeine des Falles zu vermerken. Wie weit – so stellt sich die Frage – ist dem Poeten die vielzitierte Narrenfreiheit gestattet? Wann wird sie unerlaubt? Wenn er sich als das zeigt, was er ist? Als ein Dichter? Was ist die Wahrhaftigkeit einer Gesellschaft wert, die glaubt, ungestraft einen Schriftsteller zu küren, dessen Werk andererseits nichts an-
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deres ist als eine Lauge über diese Gesellschaft? In diesem besonderen Falle wird die Reaktion umso widersprüchlicher, als Bernhard keine eigentlich politische Rede gehalten hat, sondern eher sein existentielles Manifest, seine österreichische Trauer, seinen Umgang mit dem Tode Zuhörern zumutete, die sich offensichtlich auf das Buffet freuten. Hatten sie seine Bücher nicht gelesen? Jede Antwort wäre aufschlussreich.«293
Damit erscholl das Presseecho nach Österreich nun auch in der Schweiz und in Deutschland. Wenn aus den zitierten Quellen nicht ohnehin hervorgehen würde, dass die in der »Weltwoche« und der FAZ gegebenen Schilderungen direkt oder indirekt auf Bernhard zurückgehen, so würde ein Vergleich mit Bernhards Schilderung gegenüber Unseld diese Folgerung nahelegen. Inwieweit die Charakterisierung von Bernhard als etabliertem Autor und als »eine(m) der begabtesten Schriftsteller deutscher Sprache«, dem jene Preise »ohne Zweifel« zustanden, auch auf diesen selbst zurückgeht, muss Spekulation bleiben. Allerdings verfasste Bernhard schon einige Jahre vorher ein ungezeichnetes wie unbescheidenes Autoren-Porträt offenbar selbst.294 Jedenfalls verlief sich das Presseecho danach fürs erste, doch ist infolgedessen eine breite Öffentlichkeit auf jenen Vorfall – und damit auf Bernhard – aufmerksam geworden. So drucken die »Salzburger Nachrichten« am 17. April unter der Überschrift »Staatspreisträger Bernhard« den einzigen Leserbrief zu diesem Thema ab (der oben zitierte Brief bezog sich, wie gesagt, auf »Verstörung«): »Als bekannt wurde, dass Thomas Bernhard den Österreichischen Staatspreis für seinen Roman ›Frost‹ erhält, war ich – gelinde gesagt – mehr als betroffen. Nun leistete sich der Herr Staatspreisträger anläßlich der Überreichung von 25.000 S laut einer Wiener Zeitung eine Brüskierung des Unterrichtsministers und des österreichischen Steuerzahlers, indem er bei der Übernahme des Preises in einer ›Dankesrede‹ schwerste Anklagen gegen seine Heimat Österreich aussprach. Das zitierte Blatt äußerte dazu unter anderem, dass Bernhard konsequent sein müsste, sich von Österreich nicht beschenken lassen sollte und eigentlich das ›Preisdiplom samt Geldbetrag zurückschicken‹ müsste. Bis hierher ganz richtig! Die aber dann angedeutete, und auf Bernhard bezogen, auch verständliche Ansicht, dass der Fall eintreten könnte, wo man sich überlegen müsste, ›ob es nicht sinnvoller ist, in Zukunft das ganze System kostspieliger Auszeichnungen, Staatspreise und Subventionen überhaupt abzubauen und würdigeren Zwecken zukommen zu lassen‹, dürfte sich erübrigen, wenn man in Österreich so weit käme, zu bedenken, dass es sich um ›Österreichische‹ Staatspreise handelt! Der Aufschrei gegen eine Brüskierung des Unterrichtsministers und des österreichischen Steuerzahlers hätte sich nämlich erübrigt, hätte man – wie es in einem demokratischen Staatswesen eigentlich selbstverständlich sein müsste – den Roman ›Frost‹ von allem Anfang an, eines Österreichischen Staatspreises für unwürdig erklärt, da er sozusagen den höchsten Souverän, das Volk selbst, brüskiert. Oder ist es etwas anderes, wenn sich Bernhard in seiner Arroganz zu schreiben erlaubt über eine Salzburger ›Ortschaft, die von ganz kleinen, ausgewachsenen Menschen bevölkert ist, die man ruhig schwachsinnig nennen kann. Nicht größer als ein Meter
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vierzig im Durchschnitt, torkeln sie zwischen Mauerritzen und Gängen, in Rausch erzeugt. – Alle haben sie da versoffene, bis zum hohen C hinaufgeschliffene Kinderstimmen, mit denen sie, wenn man an ihnen vorbeigeht, in einen hineinstechen.‹ Dazu schreibt er, der Ort liege in einer ›Landschaft, die weil von solcher Hässlichkeit, Charakter hat.‹ Weiters heißt es noch auf der gleichen Seite: ›Ich kann mir vorstellen, dass auf die Dauer Menschen verrückt werden, die ununterbrochen Wahrnehmungen machen, wie ich sie jetzt auf dem Weg nach Weng herauf und in Weng gemacht habe, wenn sie sich nicht durch Arbeit oder Vergnügen oder andere dementsprechende Tätigkeiten ablenken, wie Huren oder Beten oder Saufen oder alle diese Tätigkeiten gleichzeitig.‹ Es ließen sich noch ärgere Beleidigungen unseres Bergvolkes aus dem Buche zitieren. Stellte man Herrn Bernhard, statt ihm einen Staatspreis zu verleihen, den Bewohnern Wengs gegenüber, so würden sie wahrscheinlich nicht mit einem hohen C in ihm hineinstechen, genauso wenig wie die Arbeiter und Arbeiterinnen, Schneeschaufler aus der Gegend von Sulzau, die Bernhard auf den ersten Seiten seines Romans darstellt, als wären sie Tiere, so dass er sich in ihren Ausdünstungen so warm wie in einem ›Kuhbauch‹ gefühlt habe. Man sollte Thomas Bernhard, obwohl er schreibt, ›die Lehrer sind hinterhältig, verachtet wie überall‹, noch einmal in die Schulbank setzen und ihm die Rede zu lesen geben, die Albert Camus 1957 bei Überreichung des Nobelpreises gehalten hat. Wie bescheiden waren doch seine Worte, die dann in dem Versprechen ausklangen: ›Dann bleibt mir nur, Ihnen aus tiefstem Herzen zu danken und Ihnen zum Zeichen meiner Dankbarkeit in aller Öffentlichkeit das alte, sich stets gleichbleibende Versprechen der Treue abzugeben, dass jeder wahre Künstler sich jeden Tag in der Stille selbst abgibt.‹ Hans Müller, Oberschulrat, Salzburg«295
Mehrfach wurde in diesem Zusammenhang bereits der Anton Wildgans-Preis angesprochen. Zwar soll diese Schrift hauptsächlich der Staatspreis-Verleihung gewidmet sein, doch da jene andere Auszeichnung eng mit der StaatspreisVerleihung zusammenhängt, soll sie hier in einem gesonderten Abschnitt angesprochen werden.
Der Anton Wildgans-Preis Der nach dem Wiener Dichter Anton Wildgans (1881–1932) benannte Preis wird jährlich von der Vereinigung Österreichischer Industrieller (VÖI) verliehen. (Heute nennt sich die Organisation Industriellenvereinigung – IV – und der Preis »Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans«.) Auch im Jahre 1967 wurde von einer Jury ein Vorschlag erarbeitet, der mit einem Schreiben vom 13. Dezember vom Präsidium der VÖI akzeptiert wurde.296 Empfänger dieses Schreibens war niemand anderer als Wolfgang Kraus, der auch hier Mitglied der Jury war. Mit-Juroren waren Gerhard Fritsch (1924–
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a
1969), der Bernhard vermutlich bereits seit 1954 persönlich kannte und sehr engagiert gefördert hatte,297 sowie Piero Rismondo (1905–1989): »[…] Piero Rismondo, der einzige, der unter den kritischen Journalisten Wiens für meine Theaterstücke etwas übrig gehabt hat ,«298 wie Bernhard noch in »Meine Preise« vermerkt. So gesehen, ist es nicht überraschend (wenn auch bemerkenswert), dass auch hier Bernhard als Preisträger ausgewählt wurde. Bereits am 14. Dezember 1967 erging somit folgende Mitteilung an den Autor : »Sehr geehrter Herr Bernhard! Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass das Präsidium der Vereinigung Österreichischer Industrieller in seiner gestrigen Sitzung beschlossen hat, Ihnen auf Vorschlag der Jury, der die Herren Professor Piero Rismondo, Dr. Wolfgang Kraus und Dr. Gerhard Fritsch angehörten, den im Jahre 1962 gestifteten ›Anton Wildgans-Preis der österreichischen Industrie‹ zuzuerkennen.«299
Gemäß seinen oben zitierten Aussagen widerstrebte es Bernhard, Reden zu halten oder auch nur zu schreiben. Das macht es umso bemerkenswerter, dass für die geplante Verleihung des Wildgans-Preises von Bernhard gleich zwei Rede-Entwürfe vorliegen. Der erste, bereits erwähnte Entwurf wurde später zusammen mit der Staatspreis-Rede im »Forum« veröffentlicht.300 Er dürfte, wie a gesagt, noch vor der Staatspreis-Rede entstanden sein. Nach dem 4. März, aber noch vor dem Empfang der Absage der für den 21. März geplanten Zeremonie – also zwischen dem 4. und dem 15. dieses Monats – verfasste Bernhard dann einen gänzlich neuen Entwurf mit der Überschrift »Staat [sic!] einer Rede für den Anton Wildgans-Preis 1968 der Österreichischen Industriellenvereinigung«, der meines Wissens nach noch nie publiziert worden ist: »Verehrte Damen und Herren, ich habe, weil das vor langer Zeit schon erwünscht gewesen ist, eine Rede vorbereitet, aber ich werde diese Rede heute und vor Ihnen nicht sprechen, sie aber, weil mir das doch wichtig erscheint, in nächster Zeit einmal veröffentlichen … Nach der Erfahrung, die ich vor vierzehn Tagen aus Anlass der Verleihung der Staatspreise gemacht habe, als ich, nach Wien eingeladen und zum Reden, wie ich jetzt weiss, nicht um meine Meinung, meine Wahrheit über durchaus Zuständiges, wenn auch Abenteuerliches zu erfahren, aufgefordert, eine kurze, klare, allerdings kritische und aus dem Philosophischen ins Philosophische zielende Meditation gesprochen habe, vom Tode und von der Unzurechnungsfähigkeit der Menschenexistenz, über das Metaphysische, ohne Platen ausdrücklich zu zitieren, vom Scheitern der Staaten, von der Natur, von der Irreparabilität der Völker, mehr oder weniger, wie ich das schon 1966 in meiner dort mit grosser Aufmerksamkeit aufgenommenen Bremer Rede formuliert habe, von der Idee des Scheitern, diese Skizze vom Scheitern überhaupt und vom [gestrichen: a a
Siehe S. 24. Siehe S. 74f.
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Cahos] Chaos, nach dieser Erfahrung, die ich in dem hiesigen Kulturministerium gemacht habe, kann ich meine vorbereitete Rede heute nicht sprechen … Aber ich möchte Sie doch, aus einem sehr ernsten Verantwortungsgefühl heraus, auf diese von mir vor vierzehn Tagen, zu einem wie ich jetzt weiss, fehlbesetzten Publikum gesprochene Meditation hinweisen, schon aus dem Grund, dass Sie sehen und wissen, was ich dort gesagt habe und worauf, auf die hundert oder hundertfünfzig Wörter philosophischer Natur, der Minister die selbstverständliche Beherrschung und den Kopf verloren hat, worauf der Minister für Kultur wohlgemerkt plötzlich, abrupt, ja völlig unsinnig von seinem Sitz aufgesprungen und, nicht ohne in vielerlei Hinsicht grob seine Hausherrenpflicht zu verletzen, aus dem Festsaal hinausgestürmt ist, dadurch nicht nur mich, sondern, wie mir scheint, viele andere ehrliche und zuhöchst in aller Welt für dieses unser merkwürdiges, armes Österreich Angestrengte brüskierend … Und auf der Seite des Ministers eine ganze lächerliche, aber doch wohl besorgniserregende Rechte beanspruchende Gesellschaft, lächerliche Kulturleute, hauptsächlich Provinzlinge, die doch wohl aus Dummheit, dem hinausstürzenden Minister Beifall klatschten … Eine denkwürdige Szene … Ein Missverständnis? Eine Erfahrung, die, nun wieder einmal gemacht, und es ist der richtige Zeitpunkt für diese wiedergemachte Erfahrung, in mir ein Denken, eine Klarheit in Gang gesetzt haben, die mich fesseln, zweifellos für die Zukunft fesseln … Aber ich will so nicht weitersprechen … ich darf nicht … und das ist fatal, gleichzeitig ganz in Ordnung, dass ich es hier nicht will und darf … hier, wo ich diesen Preis, diese Auszeichnung bekommen habe, die erste, die allererste Auszeichnung in meinem Heimatland, denn ich bin nicht, wie der Minister im Ministerium unter anderen Peinlichkeiten und unter meinen Augen beiläufig gesagt hat, Ausländer, ich bin, das wissen alle, die mich kennen, solange ich lebe, Österreicher, wie alle meine Vorfahren Österreicher gewesen sind … also hier, wo ich diesen Preis, den Anton Wildgans-Preis bekommen habe, nach zwanzig Jahren Kerkerhaft – wir sind eingekerkert, meine Person und ich, meine Arbeit und ich in der Natur (wir sind alle in der Natur!), in der Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts, in dem wunderbaren und fürchterlichen Mahlstrom der Geschichte unserer Zeit –, hier also, wo ich diese erste Auszeichnung in meinem Heimatland bekommen habe, denn dieser Preis ist mir vor dem Staatspreis, vor diesem ganzen grotesken ministeriellen Missverständnis gegeben worden, hier also will und darf ich nicht weitersprechen … Verehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, ich danke Ihnen dafür, dass Sie Ihre Beherrschung nicht verloren haben, dass Sie Ihren Kopf nicht verloren haben … Ich danke Ihnen.«301
Zuerst seien hier einige Irrtümer korrigiert, die Bernhard unterliefen: - Die Bremer Rede hielt Bernhard am 26. Januar 1965302 im dortigen Rathaus und nicht 1966; - Seine Staatspreis-Rede zählt genau 285, nicht »hundert oder hundertfünfzig Wörter«; - Bernhard wurde in der Laudation nicht als »Ausländer« bezeichnet, sondern als »gebürtige(r) Holländer«.
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Im übrigen ist dieser Text schon allein deshalb bemerkenswert, weil Bernhard nirgendwo sonst inhaltlich auf seine Staatspreis-Rede eingeht. Der Name Platen dürfte sich auf den Dichter August von Platen-Hallermund (1796–1835) beziehen. Daneben beruft er sich auf seine Bremer Rede. Dies passt zu der Darstellung von Rudolf Henz, inhaltlich aber, wie gesagt, weniger. Ansonsten bezeichnet Bernhard seine Rede als »ins Philosophische zielende Meditation«. Womöglich hat er diesen Ausdruck aus Hans Rochelts Artikel vom 5. März übernommen; es fällt jedenfalls auf, dass Bernhard und Rochelt den Vorfall sehr ähnlich beurteilen. Ansonsten muss man bei der Lektüre dieses Entwurfes bedenken, dass Bernhard wusste, dass auch bei dieser Preisverleihung Minister Piffl-Percˇevic´ hätte anwesend sein sollen – eben jener Minister also, der seine Hausherrenpflicht verletzt und ihn, Bernhard, brüskiert haben soll: »Auch der Herr Bundesminister für Unterricht wird jeweils eingeladen,«303 hieß es in einem weiteren Schreiben vom 29. Februar von der VÖI an Bernhard. Der Autor bestätigt dies in »Meine Preise«: »Ein paar Tage, bevor die Staatspreisverleihung im Ministerium auf dem Minoritenplatz stattgefunden hat, war die Einleitung zu dem Festakt in der Industriellenvereinigung bei mir angekommen […], auf welchem als besonderer Ehrengast der Minister Piffl-Percˇevic´ angegeben war.«304 Andererseits behauptet Bernhard, die Benachrichtigung zu jenem Preis habe ihn erst »eine Woche, bevor ich den Österreichischen Staatspreis bekommen sollte,« erreicht. Wie erwähnt, erfolgte diese Benachrichtigung aber bereits Mitte Dezember 1967 und nicht Ende Februar 1968. Bernhard unterschlägt somit, dass ihm genug Zeit blieb, um nicht nur eine, sondern dann eben auch noch eine zweite Rede für diesen Anlass zu verfassen. Was erwartete sich Bernhard von jener neuen Rede? Eine öffentliche Entschuldigung seitens des Ministers? Dafür ist sein gleichermaßen beleidigter wie beleidigender Ton wenig geeignet. Eher wäre von dieser Rede – wäre sie gehalten worden – eine weitere publicityträchtige Eskalation zu erwarten gewesen. Im Übrigen ähnelt seine Beurteilung des Vorfalles und des »fehlbesetzten Publikum[s]« der in seinem Brief an Siegfried Unseld. Mit dieser Rede wollte Bernhard also offensichtlich speziell den Minister vor den Kopf stoßen. Rhetorisch geschickt versucht er sich gleichzeitig beim übrigen Publikum einzuschmeicheln, das seine »Beherrschung nicht verloren« habe und das er damit gegen die »lächerliche […] Gesellschaft« bei der Staatspreis-Verleihung ausspielt. Dieser recht kohärente Entwurf wirft somit auch ein neues Licht auf die Staatspreis-Rede: Womöglich waren der wirre Eindruck, den die Rede macht, und auch das von Bernhard angesprochene »Missverständnis« gewollt. Womöglich war die Rede einerseits bewusst verfänglich genug formuliert, um zumindest bei einem Teil des Publikums Anstoß zu erregen, aber andererseits auch
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wieder unverfänglich genug, um hinterher behaupten zu können, missverstanden und seinerseits brüskiert worden zu sein. Wie auch immer : Hätte Bernhard jene zweite, nun recht unmissverständliche Ansprache tatsächlich gehalten, dürfte sie ein stärkeres Echo in der Öffentlichkeit und bei der Presse hervorgerufen haben als die Staatspreis-Rede. Am 13. März wurde der Festakt dann aber formell abgesagt, wie schon auf Seite 88 vom Preisträger zitiert: »Wir bedauern sehr …«305 Wie erwähnt, erhielt Bernhard dieses Schreiben am 15. März. Zugleich dürften auch die anderen Geladenen benachrichtigt worden sein, darunter die Juroren. Zwei von ihnen – Wolfgang Kraus und Gerhard Fritsch – wandten sich am 18. brieflich an Josef Mayer-Gunthof, den Präsidenten der VÖI: »Sehr geehrter Herr Präsident, Zu unserem Erstaunen erhielten wir die plötzliche Absage des für den 21. März vorgesehenen Festakts zur Überreichung des Anton-Wildgans-Preises an Thomas Bernhard. Wir als Mitglieder der Jury würden es sehr bedauern, sollte dieser Schritt der Vereinigung österreichischer Industrieller in Befürchtung eines etwaigen Eklats beim Festakt getan worden sein. Die Jury hat Thomas Bernhard für den Anton-Wildgans-Preis vorgeschlagen, weil sie von der überragenden künstlerischen Qualität seines Werks überzeugt ist und ihn für einen der wichtigsten lebenden österreichischen Autoren hält. Seine Erklärung bei der Verleihung des Staatspreises ist Ausdruck seiner tragischen Weltsicht und keine gezielte Polemik gewesen. Wir glauben, dass im Zusammenhang mit dieser Erklärung Missverständnisse entstanden sind, die bei der Verleihung des Anton-Wildgans-Preises absolut vermeidbar wären, und dass die kurzfristige Absage des Festakts für den Autor wie für die Öffentlichkeit zum Anlass neuer Missverständnisse werden kann. Mit der Bitte um Erwägung und Verständnis Ihre sehr ergebenen (Gerhard Fritsch) (Dr. Wolfgang Kraus)«306
Wie man sieht, ahnten die Juroren recht gut, warum der Festakt abgesagt wurde. Am 25. März bestätigte dies Mayer-Gunthof in seiner ausführlichen, wenn auch etwas verklausulierten Antwort: »Sehr geehrte Herren! Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18. März. Ich bitte Sie, die Verzögerung in der Beantwortung entschuldigen zu wollen. Ich danke Ihnen für Ihre offenen Worte und möchte dazu erklärend folgendes bemerken: Die Absage der Feier ist vom Präsidium der Vereinigung beschlossen worden, weil wir die Veranstaltung nicht durch Mißtöne beeinträchtigt sehen wollten. Es war nämlich auch der Herr Bundesminister für Unterricht als Ehrengast zu dieser Veranstaltung geladen worden. Da er sich durch die Rede des Herrn Thomas Bernhard verletzt gefühlt hatte, wollten wir ihm die Wiederholung eines solchen Vorfalles ersparen. Ich verstehe die Motivierung der Gedanken Thomas Bernhards sehr wohl, muß aber andererseits
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doch auch gegenüber meinen Kollegen im Präsidium und den Gästen unseres Hauses darauf Bedacht nehmen, daß alle Möglichkeiten von Zwischenfällen ausgeschlossen werden. Die Mißverständnisse, die deswegen um die Verleihung des Preises entstanden sind, bedauere ich selbst sehr, umsomehr, als von verschiedenen Blättern – auch im Ausland – nicht immer tatsachengemäß berichtet wurde. An der Würdigung der Person des Preisträgers ändert sich deswegen nichts, und ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir den Beschluß des Präsidiums über die Verleihung des Anton-Wildgans-Preises an Thomas Bernhard zusammen mit einer ausführlichen Würdigung in der jüngsten Nummer der ›Industrie‹, von der ich ein Exemplar beilege, publiziert haben. Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Kraus und sehr geehrter Herr Fritsch, möchte ich aufrichtig für Ihre Mitarbeit in der Jury danken und Sie bitten, uns Ihre wertvollen Erfahrungen auch in Hinkunft zur Verfügung zu stellen. Für unseren Standpunkt, was die Absage der Feier betrifft, bitte ich um Verständnis.«
Da Piffl-Percˇevic´ sich seinerzeit (meines Wissens nach) nicht öffentlich zu jenem Vorfall äußerte, in diesem Brief aber der Eindruck des Ministers wiedergegeben wird, legt dies die Folgerung nahe, dass die Absage des Festaktes in Absprache mit dem Unterrichtsministerium erfolgte. Während aber Bernhard seinen Standpunkt publizistisch verbreiten ließ, wurde jener Briefwechsel nicht veröffentlicht. Stattdessen erschien im Organ der VÖI, wie erwähnt, eine ausführliche Würdigung des Preisträgers: »Er [Thomas Bernhard] hat, wie die meisten in Österreich, als Außenseiter begonnen, der keine Kompromisse machen will. Im Gegensatz zu den meißten hat er wirklich keine gemacht. Weder mit dem, was man im Literaturbetrieb (mit seinen zahlreichen ›Chancen‹ in Rundfunk und Television) nennt, noch mit dem sogenannten bürgerlichen Leben und dessen ›sicherer‹ Existenz. […] Sein bisheriges Werk, zwischen 1957 und 1967 publiziert, kann ganz simpel als gewaltiger, stets um dasselbe kreisender, bohrender Monolog über Einsamkeit und Tod charakterisiert werden, wie als unendlich facettierte Gestaltung von Sprache am Rande der Sprachlosigkeit in einer Epoche von Lautsprechersprache, Verschlagwortung und des Erstarrens jeder ursprünglichen Sprachfunktion. […] Thomas Bernhard, der Außenseiter der fünfziger a Jahre, ist eine zentrale Gestalt der gegenwärtigen deutschen Literatur.«307,
Diese Würdigung stammte vom Juror Gerhard Fritsch, der 1969 Selbstmord beging. Gut zwölf Jahre später bedenkt ihn Bernhard in »Meine Preise« nicht zuletzt deshalb mit Häme und Spott. Am 1. April bedankt sich wiederum Wolfgang Kraus bei Mayer-Gunthof: »Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Zeilen und bin überzeugt, daß wir mit dem nächsten Kandidaten keine ähnlichen Probleme haben werden. Thomas Bernhard, der ja – wie Sie wissen – ein schwer kranker Mensch ist, befand sich in einer äußerst tragischen Zeit.« a
Siehe dazu das Zitat auf S. 88 und Anmerkung 284.
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Zwar hielt sich Bernhard, wie erwähnt, 1967 lange im Spital auf der Bauma gartner Höhe in Wien auf. Er konnte dann aber als geheilt entlassen werden, wie die Briefe des Autors an seinen Nachbarn Hennetmair bestätigen: »Mein Befund ist der allerbeste« schrieb er am 20. August 1967, und am 9. Oktober : »ich bin gut beisammen, brauche keine Erholung u. will unbedingt arbeiten!!!«308 »Die Ärzte sagen, er sei vollkommen gesund, gesünder könnte er nicht sein«,309 heißt es wiederum 1972. Auch Peter Fabjan, der als eine Art Leibarzt seines Bruders fungierte, meint, »da war die Lungentuberkulose ausgeheilt.«310 Dass sich Bernhard im Jahre 1968 somit einer stabilen Gesundheit erfreute (was bis Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre so blieb311, 312), ist Kraus offenbar entgangen. Allerdings ist dieser Irrtum verständlich, denn um unliebsame Anfragen abzuwimmeln, schützte Bernhard gerne gesundheitliche Probleme vor, wie wiederum Hennetmairs Aufzeichnungen zeigen. Jedenfalls blieb Bernhard die Gelegenheit versagt, eine publicityträchtige Fortsetzung und Eskalation des Vorfalls vom 4. März zu inszenieren – falls dies seine Absicht gewesen sein sollte. Dennoch konnte er sich als Opfer darstellen (lassen), der seiner Heimat aufgrund seiner kritischen Äußerungen mit einem »Boykott«313 gestraft werde. Ein weiterer Punkt soll noch angesprochen werden, da er sich nicht nur in den zitierten und weiteren Presseberichten findet, sondern auch von Bernhard selber hervorgehoben wird: Nämlich die (angeblichen) Unterschiede zwischen dem inländischen (also österreichischem) und dem ausländischen Presse-Echo.
Inland und Ausland Bereits der »Wiener Montag« monierte, dass jener Vorfall am 4. März »von der freiwillig gleichgeschalteten österreichischen Presse seltsamerweise großzügig ignoriert« wurde. Das ist, wie die zitierten Artikel aus den »Oberösterreichischen Nachrichten« zeigen, falsch. Wenn dennoch bei oberflächlicher Betrachtung der veröffentlichten Reaktionen der Eindruck entstehen kann, dass hauptsächlich die ausländische Presse auf Bernhards Seite stehe, dann handelt es sich dabei (zumindest teilweise) um einen Fall von selbsterfüllender Prophetie: Bernhard selbst hatte von der österreichischen Presselandschaft keine hohe Meinung; daher sandte er seine Publikations-Anliegen (»weil hier alles hoffb nungslos ist« ) nach Frankfurt und Zürich. (Andererseits ließ er seine Rede, wie erwähnt, im Wiener »Neuen Forum« veröffentlichen.) So ist zumindest nachvollziehbar, wenn der Kommentator in der »Kärntner a b
Siehe S. 30. Siehe S. 89.
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Zeitung« am 12. April in dieselbe Kerbe schlägt wie der Autor des »Wiener Montag« – wenn auch sozusagen eher von links statt von rechts her : »Die diesjährige Verleihung des österreichischen Staatspreises für Literatur an Thomas Bernhard zog eine Reihe von merkwürdigen Begleiterscheinungen nach sich, die ein bezeichnendes Licht auf die gegenwärtigen Verhältnisse zwischen Presse, Literatur und Staat in Österreich werfen und insofern ›merkwürdig‹ sind, als dass sie fast nur von der Auslandspresse eines Vermerkes für würdig erachtet wurden. Überall sonst hätte es Schlagzeilen gemacht, daß sich bei der Übergabe des Preises an Bernhard ein veritabler Skandal ereignete, weil die Dankesrede des zweifellos schwierigen Autors dem Unterrichtsminister so anstößig erschien, daß er die Feier brüsk abbrach. Diese Affäre, wie geschaffen für Fernsehen, Rundfunk und Boulevardblätter, kam in Österreich publizistisch nicht über die Runden, manche Einzelheiten erfuhr man erst nachträglich auf dem Umweg über das Ausland. Es war, als hätten sich Entrüstung und Gleichgültigkeit verbunden, um einen dem Unterrichtsminister peinlich erscheinenden Zwischenfall zu vertuschen. Aber auch Bernhard war, das muß vermerkt werden, mitbeteiligt an dieser Zensur, hatte er es doch vorgezogen, seinen Text des Anstoßes nicht österreichischen, sondern ausländischen Zeitungen zu geben. Diesen Text entnehmen wir nun der ›Weltwoche‹, die sich des ›Trauerspiels um eine österreichische Preisverleihung‹ ausführlich angenommen hat. [Es folgt wiederum der komplette Text der Rede.] Anwesend war vor allem Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percˇevic´, der sich laut ›Weltwoche‹ nach dieser Rede brüsk erhob und, zum Autor gerichtet, sagte: ›Wir haben Sie ja nicht gerufen.‹ Zum Publikum gewendet dann: ›Wir sind trotzdem stolz, Österreicher zu sein‹, womit er sich der Zustimmung des ›Wiener Montag‹ gewiß war, der Thomas Bernhards Verzweiflungsrede wie folgt kommentierte: ›Wenn solche Beispiele Schule machen, wird man sich daher überlegen müssen, ob es nicht sinnvoller ist, in Zukunft das ganze System kostspieliger Auszeichnungen, Staatspreise und Subventionen überhaupt abzubauen und würdigeren Zwecken zukommen zu lassen.‹ [… Es] sieht ganz so aus, als hätte Bernhard den Staatspreis nur deshalb bekommen, weil man ihn in Österreich nicht kannte, oder doch nur, weil man nicht hinter der deutschen Bundesrepublik zurückstehen wollte, die Bernhards Talent früher zu schätzen wusste als Österreich.«314
Wie das nicht ganz korrekte Zitat aus dem »Wiener Montag« zeigt, hat der Autor den Original-Artikel offenbar nicht gelesen, sondern das Zitat aus der »Weltwoche« übernommen. Indirekt hat er somit naturgemäß auch Bernhards Version des Geschehens übernommen, wie zahlreiche Details seiner Schilderung zeigen. Im übrigen wirkt es recht skurril, wenn sich das Presseecho auf den Vorfall vom 4. März zum Gutteil auf das angebliche Ausbleiben eines Presseechos bezieht. Solche Berichte haben jedenfalls auch die Aufmerksamkeit einiger Parlamentarier geweckt, und diese reagierten auf überraschende Weise.
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Parlamentarisches Nachspiel Am 25. April veröffentlichten die »Salzburger Nachrichten« den ersten Artikel zu diesem Thema: »Mehrere Abgeordnete des Salzburger Landtags haben am Mittwoch in der Sitzung des Hohen Hauses eine Anfrage an den Landeshauptmann gerichtet, ob er bereit sei, beim Unterrichtsministerium ›gegen die Beleidigung eines Teils der Salzburger Bevölkerung Protest einzulegen und zu intervenieren, dass in Zukunft solche Werke keine öffentliche Anerkennung mehr finden‹. Ein solches Werk ist nach Ansicht der Abgeordneten und, wie aus Äußerungen und Leserzuschriften an die Zeitung hervorging, der Roman ›Frost‹ von dem aus dem Salzburgischen gebürtigen Schriftsteller Thomas Bernhard. Die Beleidigung eines Teiles der heimischen Bevölkerung wird in mehreren Passagen dieses Buches erkannt, die mit Nennung von Ortsnamen die meisten Bewohner dieser gewissen ›Gegenden‹ als im Rausch gezeugte, geistig und körperlich mehr oder minder debile Geschöpfe kennzeichnet. Thomas Bernhard, dessen erklärte Liebe zu seinem Heimatland ihm gerade diese schonungslos geißelnden Charakterisierungen abfordert, wie er in Gesprächen – staunend über die aufgebrachten Gemüter – erläuterte, hat mit solchen literarischen Aussagen nichts anderes getan, als etwa ein James Joyce in seinem ›Ulysses‹ und viele andere moderne Prosaisten und Dramatiker. Was bei ihm nun so verletzend hervorsticht, sind die namentlichen Fingerzeige, die er weder sich noch den Lesern zu ersparen vermag. Das ist eine der erlaubten Freiheiten des Schriftstellers und mithin ein Teil seiner persönlichen Verantwortung, zu der er sich im übrigen entschieden bekennt. Die internationale Literaturkritik hat Thomas Bernhard insbesondere als Verfasser des Romans ›Frost‹ zu den bedeutendsten Prosakünstlern deutscher Zunge gezählt. Dass die Jury für den Österreichischen Staatspreis ihm diesen Ruhm bedenkenlos bestätigt hat, ist eines jener Begebnisse jenseits von Gut und Böse, die Achtung verdienen, wenn sie auch nicht gerade glücklich stimmen. Die Bewohner ›jener Gegenden‹, sofern sie beispielsweise in Goethes Schriften belesen sind, mögen die Auszeichnung des ›Frost‹-Autors als einen Fehlgriff betrachten, so als hätte weiland der Papst den deutschen Dichterfürsten für seine lasziven ›Römischen Elegien‹ mit dem ›Goldenen Sporn‹ dekoriert. Der Papst war so glücklich, es nicht zu tun. Aber sollten wir nun in unserem Falle die Messer ›jener Gegenden‹ wetzen gegen einen Ruhm, der doch ganz und gar ohne sie seine Beständigkeit wird erweisen müssen? M.K.H.«315
Das Autoren-Kürzel steht für Max Kaindl-Hönig, den damaligen Ressortleiter Kultur der »Salzburger Nachrichten«. Womöglich lernte Bernhard diesen 1955 kennen, als er versuchte, bei dieser Zeitung eine Beschäftigung zu finden;316 damals war Kaindl-Hönig dort bereits als Kulturredakteur tätig.317 Die offizielle Anfrage von vier Salzburger ÖVP-Abgeordneten »und Genossen« ist in den Sitzungsprotokollen des Landtages dokumentiert; demnach verlas der Abgeordnete Franz Spann am 24. April folgende
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»Anfrage der Abg. Illmer, Erber, Pongruber, Spann und Genossen an den Herrn Landeshauptmann betreffend die Zuerkennung des Österreichischen Staatspreises an den Schriftsteller Thomas Bernhard. Die Verleihung des Österreichischen Staatspreises an den Schriftsteller Thomas Bernhard für seinen Roman ›Frost‹ hat im Rundfunk und Fernsehen in Leserzuschriften und besonders in der Salzburger Bevölkerung zu kritischen Stellungsnahmen geführt. Wiener Pressemeldungen zufolge erlaubte sich der Staatspreisträger bei der Überreichung von S 25.000 in seiner von Überheblichkeit gezeichneten Rede grobe Anklagen gegen seine Heimat Österreich. Was sich jedoch Bernhard im ›Frost‹ zu schreiben erlaubt, ist eine Beleidigung eines Teils der Salzburger Bevölkerung, die nicht widerspruchslos hingenommen werden kann, weil sich jeder Salzburger zutiefst betroffen fühlen muß. Gleich in den ersten Seiten des Buches berichtet Bernhard von Arbeitern und Arbeiterinnen sowie von Schneeschauflern in der Gegend von Sulzau, die Tieren gleiche Ausdünstungen ›warm wie in einem Kuhbauch‹ haben. Später wird von einer Salzburger Ortschaft erzählt, welche ansonsten als Paradies von Salzburg bezeichnet wird, wo aber Bernhard von einer Landschaft spricht, die, weil von solcher Häßlichkeit, Charakter hat. Und die Menschen dort sind alle, weil im Rausch gezeugt, weder geistig noch körperlich normal. Mehrere, noch anstößigere Aussagen ließen sich aus diesem Buch zitieren. Hier erhebt sich die Frage, wie war es trotz dieser in der Literatur der Gegenwart einzig dastehenden Entgleisungen und Brüskierungen eines Teiles der Salzburger Bevölkerung möglich, Herrn Bernhard den Österreichischen Staatspreis zu gewähren? Auf Grund dieser Herausforderung stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Herrn Landeshauptmann die Anfrage: Ist der Herr Landeshauptmann bereit, beim Bundesministerium für Unterricht gegen diese Beleidigung eines Teiles der Salzburger Bevölkerung Protest einzulegen und zu intervenieren, daß in Zukunft solche Werke keine öffentliche Anerkennung mehr finden?«318
Auf welche »Leserzuschriften« (soweit davon bei »Rundfunk und Fernsehen« überhaupt die Rede sein kann) sich die Abgeordneten dabei beziehen, ist mir nicht bekannt. Die Vermutung liegt nahe, dass man speziell durch den Bericht im »Wiener Montag« auf Autor und Buch aufmerksam geworden ist. Jedenfalls beantwortete in der folgenden Sitzung am 29. Mai der Landeshauptmann Hans Lechner die Anfrage seiner Parteifreunde: »Ich habe mich bereits vor der gegenständlichen Landtagsanfrage am 19. März l.J. veranlaßt gesehen, in einem persönlich an den Herrn Bundesminister für Unterricht gerichteten Fernschreiben gegen die Zuerkennung eines Österreichischen Staatspreises an den genannten Schriftsteller zu protestieren, nachdem ich von verschiedenen Seiten, unter anderem auch vom Jugendreferat des Amtes der Landesregierung, auf den für einen Teil der Salzburger Bevölkerung beleidigenden, wahrheitswidrigen und herausfordernden Inhalt seines Buches ›Frost‹ aufmerksam gemacht wurde. Wie mir der Herr Unterrichtsminister in Stellungsnahme hierzu in einem Schreiben vom 22. März mitteilte, ist die Entscheidung über die Verleihung bzw. die Aushändigung des
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Österreichischen Staatspreises an den genannten Autor bereits schon vor längerer Zeit erfolgt, nachdem die zuständigen Juroren offenbar in gänzlicher Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten und in Gesamtwertung der künstlerischen Leistung diese Auszeichnung stimmeneinhellig vorgeschlagen hatten. Ich habe über diesen bereits erfolgten Protest hinaus die gegenständliche Anfrage nochmals zum Anlaß genommen, den Herrn Unterrichtsminister darauf aufmerksam zu machen, daß im Inhalt dieses Buches, dessen Autor ein Österreichischer Staatspreis verliehen wurde, ungeachtet der sonstigen künstlerischen Qualifikation, eine echte Beleidigung eines Teiles unserer Bevölkerung gesehen werden muß, die die Zuerkennung eines Staatspreises ausschließen sollte. Zumindest in Zukunft sollte die Gefahr vermieden werden, daß solche Werke mit Staatspreisen bedacht werden. Ich bitte das Hohe Haus, diese meine Ausführungen zum Gegenstand zur Kenntnis nehmen zu wollen.«319
Weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt erfolgten nicht. Dennoch ist es bemerkenswert, dass aus dem Vorfall am 4. März keine zwei Monate später schon eine kleine Staatsaffäre geworden ist. Dabei sei hier daran erinnert, dass »Frost« bereits 1963 erschienen ist. Offenbar wurde man erst im Gefolge der StaatspreisVerleihung auf die wenig schmeichelhafte Beschreibung der »heimischen Bevölkerung« in jenem Roman aufmerksam. Der Vorfall im Unterrichtsministerium war somit nach wenigen Wochen zum ›ausgewachsenen‹ Skandal geworden; uneinig war man sich freilich daran, worin genau das Skandalon bestehe und wer Verursacher, wer Opfer sei. Unabhängig davon war der Fall nunmehr im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert, und er entwickelte ein vitales Eigenleben.
Die weitere Genese der Darstellung des Geschehens Von nicht unwesentlicher Bedeutung für die weitere ›Meinungsbildung‹ bei der Beurteilung des Vorfalls vom 4. März war die österreichische Zeitgeschichte der folgenden Jahre: Minister Piffl-Percˇevic´ trat 1969 von seinem Amt zurück, doch hatte dies nichts mit dem Vorfall vom Vorjahr zu tun.320 1970 übernahm nach dem Regierungswechsel Leopold Gratz von der SPÖ das Amt des Unterrichtsministers, und dieser rügte im Kunstbericht für das Jahr 1970 seinen Vor-Vorgänger : »Der Bundesminister für Unterricht und Kunst [dies die neue Bezeichnung] möchte, daß seine demokratische Kulturpolitik Österreich bei den eigenen Künstlern allmählich einen besseren Ruf einbringt. Wenn der hervorragende Schriftsteller Thomas Bernhard, einer, der vorläufig im Lande geblieben ist, im Jahr 1968 bei einer Preisverleihung seinen Groll über die offizielle österreichische Kultur öffentlich äußert und er darauf öffentlich die offizielle Antwort bekommt: ›Wir haben Sie ja nicht gerufen‹, so ist das außerordentlich zu bedauern.«321
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Falls dies ein Versuch war, sich bei den Künstlern im allgemeinen und speziell bei Thomas Bernhard anzubiedern, so sollte dies bei letzterem grandios misslingen, denn »Bernhards politisches Denken war zweifellos zu einem nicht geringen Teil reaktionär ausgeprägt«;322 zudem war er von 1974 bis 1987 Mitglied des Bauernbundes und damit der ÖVP,323 wie nach seinem Tod bekannt wurde. Dies ist jedoch nicht mehr Thema dieser Untersuchung. In den Jahren nach 1968 wurden Bernhard noch einige Preise verliehen, so als nächstes 1970 der renommierte Büchner-Preis. Wie die Presseberichte zeigen, hatten viele Beteiligte dabei die Geschehnisse vom 4. März 1968 im Hinterkopf: »Freilich, zum Eklat wie bei jener Verleihung des Österreichischen Staatspreises 1968 kam es in Darmstadt nicht. Kein Kultusminister verließ den Saal (es war keiner anwesend), kein kaltes Buffet musste ausfallen (es war keines da). Aber es hätte auch gar keinen Grund für heftige Reaktionen gegeben; denn Thomas Bernhards Drei-MinutenAnsprache hörte sich an wie eine Collage aus seinen eigenen Romanen und Erzählungen.«324
Wie selbstverständlich wird hier Bernhards Version des Geschehens im Wiener Unterrichtsministerium nicht nur übernommen, sondern schon als bekannt vorausgesetzt. In einem Radiobericht anlässlich der gleichen Preisverleihung kann Klaus Colberg auf den Staatspreis-Vorfall anspielen, ohne auch nur Namen oder Zeit zu nennen: »Thomas Bernhard verhielt sich bekanntlich einmal bei einer anderen Preisverleihung in Wien recht provokant als Enfant terrible.«325 Als Josef Laßl 1973 einen Artikel über Thomas Bernhard veröffentlichte, wurde jener Vorfall schon als Teil der Literaturgeschichte behandelt. In seinem vierzehnseitigen Zeitschriften-Beitrag geht Laßl (der seinerzeit bei den »Oberösterreichischen Nachrichten« tätig war326) gleich auf der ersten Seite, unmittelbar nach der Einleitung, nicht etwa auf Bernhards Œuvre ein, sondern auf das Geschehen am 4. März: »Auf den Tag genau, nur dreißig Jahre später, als der Großvater mütterlicherseits, der Salzburger Erzähler Johannes Freumbichler, der sich ständig in Geldnot sorgte, den Österreichischen Staatspreis erhielt, wurde auch dem Enkel die gleiche Auszeichnung zugesprochen, Er bedankte sich bei der Überreichung mit einer kurzen, aber dogmatischen Rede. Sie erregte Aufsehen. Der damalige Unterrichtsminister, der Thomas Bernhard weder als Person noch als Autor kannte, protestierte gegen den mißverstandenen Wortlaut, den die Presse als Fluch des Dichters kommentierte. Es wurde ein Skandal, was ein Bekenntnis war. [Es folgt wieder der komplette Redetext.] Es gibt verschiedene Weisen, in die Literaturgeschichte miteinzugehen. Etwa: unterstützende Freundschaft; oder treue Begleitung, selbst wenn man nicht alles gut heißt,
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was ein Dichter tut und sagt. Der österreichische Schirmherr von Kunst und Wissenschaft wählte 1968 die Blamage aus falscher Beurteilung. Vielleicht erwartete er sich (etwa fürs Buffet?) ein Lob, wie es einst in der Bundeshymne von Ottokar Kernstock gesungen wurde. Da aber die Lächerlichkeit angesichts des Todes erschreckend-wahr zitiert war, rannte der Minister wütend-würdig, gewiß im Glauben, Wohltaten verliehen zu haben, aus dem Saal. Liebediener folgten ihm beipflichtend. In einem Brief (vom 15. März 1968) schilderte Thomas Bernhard den unfestlichen Vorgang: ›… Ich höre und sehe noch, wie alle Abhänglinge charakterlos, feige, dem ausgerutschten Minister applaudierten, ich sehe mich erstaunt, ja tatsächlich brüskiert, in einer Ecke des Audienzsaales stehen wie ein Aussätziger. Die Leute haben ein Buch ausgezeichnet, daß sie nicht kennen! … Das Groteskeste aber ist, daß ich kommenden Donnerstag den mir (im geheimen) schon im Dezember gegebenen Wildganspreis der Industrie bekommen soll …‹ Doch der höchste Zorn trug dürre Früchte. Das noch ausständige Honorar der neuen Ehrung wurde ohne Feier mit der Post zugestellt. Eine Zurücknahme, die man als Sympathiegeste für den gekränkten Amtsträger erwog, war nicht mehr möglich, weil die Jury ihre Entscheidung schon publik gemacht hatte. Die vorbereitete Rede brauchte der Dichter nicht zu halten; sie hätte die braven Stifter wieder schockiert. (Man konnte sie später gedruckt lesen.) Nach wenigen Monaten schlug die Ungunst in Wertschätzung um. Theodor Piff-Percevic wich einem Parteikollegen [Alois Mock], der sich vor den kulturellen Zeremonien besser informierte. Er wußte, daß Thomas Bernhard, obzwar am 10. Februar 1931 in Heerlen bei Maastricht geboren, kein Holländer war, sondern aus dem Salzburgischen und Oberösterreichischen stammte, und man getrost Franz Grillparzer zum neuen Preis-Patron des jungen Dramatikers ausrufen durfte, der mit seinem Stück ›Ein Fest für Boris‹ im Ausland einen ungewöhnlichen Bühnenerfolg gehabt hatte. Allerdings bei den Salzburger Festspielen 1972 geriet seine Novität ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹ durch den Regisseur Klaus Peymann und dessen Ensemble in ein Aufführungsverbot, so daß die Weltpremiere in der Mozartstadt doppelsinnig ein einmaliges Ereignis blieb. Im Streit gegen die Absetzung, die letzte Konsequenz war, und die Öffentlichkeit, die durchaus nicht auf seiner Seite stand, erwies sich Bernhard so ungeschickt, wie sich ein träumender Poet nur in Unkenntnis theatralischen Lärms und bürokratischer Verordnung benehmen kann.«327
Dieser Artikel ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: 1. Anders als Hans Rochelt in seinen Artikeln in den »Oberösterreichischen Nachrichten« deutet Josef Laßl zumindest an, dass er mit Bernhard auch persönlich bekannt war.328 Der zitierte Brief dürfte an Laßl selber gerichtet gewesen sein, und er wurde (wenn das Datum stimmt) einen Tag vor dem Brief an Siegfried Unseld verfasst. 2. Laßl versucht erst gar nicht mehr, eine objektive Darstellung des Geschehens vom 4. März zu verfassen. Anders als Rochelt war er beim Festakt offenbar nicht anwesend, und so übernimmt er Bernhards Aussagen. Dabei wäre seinerzeit ein leichtes gewesen, andere Zeugen zu befragen.
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3. Laßl erwähnt, dass eine Zurücknahme der Verleihung des Wildganspreises erwogen worden sei. Diese Behauptung habe ich nur bei ihm gefunden; alle mir zugänglichen Unterlagen sprechen dagegen. 4. Obwohl Laßl ja selbst in Bernhards Pressekampagne nach dem 4. März eingebunden war, beurteilt er dessen Rolle beim sogenannten Notlicht-Skandal auf den Salzburger Festspielen von 1972 mit bemerkenswerter Naivität als die eines träumenden Poeten. Wiederum ist bei Hennetmair die Rolle des Autors sehr viel detaillierter und differenzierter beschrieben. Nur nebenbei sei bemerkt, dass sich auch hier wieder die falsche geographische Zuordnung von Heerlen nach Holland findet. Wie man sieht, ergriffen die meisten von denen, die sich aus Presse und Politik zu Wort meldeten, in dieser Sache für Bernhard Partei. So sah sich Theodor Piffl-Percˇevic´, wie erwähnt, schon 1977 veranlasst, in seinen Erinnerungen ausführlich auf den Vorfall von 1968 einzugehen. Bernhards eigene literarische Aufarbeitung erschien mit »Wittgensteins Neffe« erst im Jahre 1982. Seine Darstellung wurde über fast drei Jahrzehnte mehr oder minder unkritisch übernommen, und danach wurde sie durch das Erscheinen von »Meine Preise« eher variiert, aber nicht grundsätzlich hinterfragt. Als Beispiel sei hier ein Abschnitt aus der Bernhard-Biographie von Joachim Hoell aus dem Jahre 2003 zitiert: »Nach dem zweiten großen Roman [›Verstörung‹] ist Bernhards Stellung in der deutschsprachigen Literatur gefestigt. 1968 werden ihm der Kleine Österreichische Staatspreis für Literatur und der Anton Wildgans-Preis verliehen. Zum Eklat führt die Staatspreis-Dankesrede, die mit den mittlerweile bekannten Worten einsetzt ›Es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.‹ Der Passus über den Staat und Österreich führt dann zur allgemeinen Erregung. ›Die Zeitalter sind schwachsinnig […] wir sind das Leben als das gemeine Desinteresse am Leben.‹ Der Unterrichtsminister Piffl-Percivic ruft unter Beifall der Anwesenden aus: ›Wir sind trotzdem stolze Österreicher‹ und verlässt mit sämtlichen Schriftstellern, Würdenträgern und Kulturfunktionären den Saal. Bernhard behauptet später, dass er vom Minister als ›Hund‹ und vom Senatspräsident als ›Schwein‹ bezeichnet wurde. Jedenfalls ist der gesamte Ablauf demütigend für den Autor, der nicht die übliche Schönrednerei bei einer solchen Verleihung pflegt.«329
Zwar zeigt sich Hoell skeptisch gegenüber den angeblichen Beschimpfungen; ansonsten aber übernimmt er Bernhards Darstellung des Geschehens – bis hin zur Bezeichnung der Auszeichnung als »Kleiner« Staatspreis. Im Grunde hat sich bis heute daran wenig geändert. Glücklicherweise ist es eine Ausnahme, wenn die Bernhard’sche Version des Geschehen sozusagen noch weitergesponnen wird, doch kommt dies immerhin u. a. in der »Welt« vor : »Er solle doch nach
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Teil III: Das Nachspiel
Hause gehen, »dieser Holländer«, rief der österreichische Kunstminister PifflPercˇevic´ aus, als Bernhard bei einer Dankesrede gesagt hat: »Wir sind Österreicher, wir sind apathisch.« Das Wort »erbärmlich« fiel auch noch.«330 Dies passt wohl eher in die Bühnenfassung von »Meine Preise«, die inzwischen auch vorliegt.331 Vielleicht ist diese Umsetzung die passendste Form des Umganges mit diesem Text.
Fazit
Abschließend soll das Fazit dieser ganzen ›Affäre‹ gezogen werden. Dazu wird zuerst das Geschehen zusammengefasst, soweit dies anhand der zitierten Dokumente und Zeugenaussagen mit akzeptabler Verlässlichkeit möglich ist. Diesem wird Bernhards Darstellung gegenüber gestellt. Angesichts der Unterschiede zwischen diesen Versionen ist man naturgemäß versucht, Bernhards Tun bzw. Schreiben zu interpretieren. Dieser Versuchung habe ich in der Form nachgegeben, dass ich – der Ausgewogenheit halber – gleich zwei konträre Interpretationen anbiete.
Der Verlauf des Geschehens am 4. März … Der Staatspreis-›Skandal‹ nahm seinen Ursprung gut ein Jahr vor der Verleihung: Als es darum ging, eine Jury für den Staatspreis für Roman für das Jahr 1967 zu bestellen, erhielten mit Alfred Holzinger, Hilde Spiel und Wolfgang Kraus drei bekennende Bernhard-Verehrer diese Funktion übertragen. Wolfgang Kraus dürfte darauf (oder schon vorher) versucht haben, Bernhard zur Teilnahme an der Ausschreibung zu überreden. Dieser lehnte eine persönliche Bewerbung – nach der Niederlage im Vorjahr – ab, ließ aber durch seinen Bruder Peter Fabjan eine Kopie von »Frost« beim ausschreibenden Ministerium einreichen. Dieses vorschriftwidrige Vorgehen wurde von den Juroren geduldet, wenn nicht ermutigt oder gar angeregt. Prompt erhielt »Frost« von Holzinger, Spiel wie Kraus gute bzw. sehr gute Noten, und Bernhard wurde der Staatspreis zugesprochen. Der Autor verfasst (mindestens) einen Tag vor der Preisverleihung seine ›Dankesrede‹ und liest sie probehalber Hede Stavianicek vor. Diese rät ab, aber Bernhard ändert nichts mehr. Stattdessen fertigt er mehrere Kopien bzw. Durchschläge seiner Rede an, um sie an eventuelle Interessenten weiter zu reichen. Bei dem Festakt am 4. März im Unterrichtsministerium hält zuerst der Mi-
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Fazit
nister seine Laudatio. In dieser wird Bernhard, der Staatspreisträger für Roman, als »gebürtige[r] Holländer« bezeichnet; ansonsten sind die Angaben korrekt bzw. beruhen auf Bernhards eigenen Angaben. Es folgt die Rede des Autors. Sie wird höflich beklatscht. Der Autor setzt sich wieder, und gemäß Programm folgt ein weiterer Streichquartett-Satz. Danach tritt der Minister – außer Programm – nochmals ans Mikrophon und sagt (sinngemäß) »Wir sind trotzdem stolze Österreicher«. Dann schließt er – programmgemäß – die Feier und verlässt den Saal, ohne am anschließenden Buffet teilzunehmen. Bernhard tut dies sehr wohl, und er zeigt sich gegenüber mehreren Zeugen verwundert ob der Reaktion(en) auf seine Rede. Die Preisverleihung wurde vom ORF aufgezeichnet, doch endet die Aufzeichnung vor der ›Dankesrede‹. In den Fernseh- und Radio-Nachrichten vom gleichen Tag kommt zwar die Preisverleihung vor, aber weder Bernhard Rede noch die Reaktion des Ministers werden erwähnt. Am folgenden Tag bringen u. a. die »Salzburger Nachrichten« eine knappe Meldung über die Überreichung der Staatspreise bzw. der Stifter-Medaille an Hans Lebert. Lediglich in den »Oberösterreichischen Nachrichten« erscheint ein ausführlicher Artikel von Hans Rochelt, in dem Bernhard verteidigt wird, da ihm »seine kurze Rede als Affront angelastet« worden sei. Dem folgt einen Tag später eine Glosse mit gleicher Tendenz. Der erste Artikel, der Bernhards Auftritt kritisiert, druckt am 11. März der »Wiener Montag.« Dafür erscheinen in den folgenden Tagen und Wochen mehrere Berichte in nationalen und internationalen Presseorganen, in denen für Bernhard Partei ergriffen wird. Weitere Kritik an Bernhard erfolgt nur über eine Handvoll Leserbriefe und Berichte in Lokalzeitungen. Die einzige Konsequenz des Vorfalles ist die Absage der festlichen Verleihung des Anton WildgansPreises, der ebenfalls Bernhard zuerkannt worden war. Für diese Verleihung hatte Bernhard nach dem Vorfall am 4. März innerhalb weniger Tage eine neue Rede geschrieben, in der er sich verteidigen und speziell den Minister – von dessen Anwesenheit er ausgehen konnte – attackieren wollte. Für den Autor brachte sein Verhalten keine Nachteile mit sich – es sei denn, man führt die Nicht-Verleihung eines Stipendiums im Jahre 1970 auf den Vorfall von 1968 zurück.
… und was daraus bei Bernhard wurde In Bernhards Werk durchläuft das faktische Geschehen vom 4. März 1968 eine (mindestens) zweistufige Metamorphose. Dabei ist die (vermeintliche) Hauptursache für den Unwillen des Autors recht vage: Es spricht einiges dafür, dass der Ausdruck »gebürtige[r] Holländer« in der Laudatio des Ministers eher »in
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Holland geboren« meinte und sich nicht auf die Staatsangehörigkeit des Autors bezog. Alle anderen Angaben in der Laudatio über Bernhard sind kaum anfechtbar. Der Preisträger aktiviert dennoch in den folgenden Tagen zahlreiche Kontakte zu Presse und Publizistik, um seine Version des Geschehens in Umlauf zu bringen. Die Darstellung im Brief an Siegfried Unseld vom 16. März gibt die reinen Fakten noch weitgehend korrekt wieder. Er erwähnt allerdings bereits Beschimpfungen oder Bedrohungen, die sonst nirgends bezeugt sind. Naturgemäß ist sein Bericht tendenziös gefärbt. Vermutlich 1980 oder 1981 – also 12 bis 13 Jahre nach dem Geschehen – verfasst Bernhard seine Erzählung über die Preisverleihung in »Meine Preise«. Notizen dazu liegen nicht vor, und Durchschläge seiner Briefe fertigte Bernhard erst auf eine Anregung Hennetmairs seit den 1970er Jahren an. Somit dürfte er sich bei der Abfassung von »Meine Preise« nur auf seine Erinnerungen und die ihm vorliegenden Zeitungsausschnitte gestützt haben. Inwieweit dies die Ursache für die Verzerrungen des faktischen Geschehens war oder inwieweit diese bewusst geschah, dürfte sich kaum noch entscheiden lassen. (Auf das Mit- bzw. Gegeneinander von Authentizität und literarischer Selbstinszenierung in Bernhards Texten wird noch im Nachwort eingegangen.) Auf jeden Fall sind signifikante Unterschiede zwischen Bernhards Aussagen direkt nach dem 4. März 1968 und seiner Version in »Meine Preise« auszumachen. Während er vorher an der Verleihung des ›kleinen‹ Staatspreises an sich nichts auszusetzen hatte, so bezeichnet er sie 1980 – als längst etablierter Autor – nicht nur als Überraschung, sondern geradezu als Brüskierung. Sogar den Juroren unterstellt er böse Absichten, obwohl ihm das Gegenteil bekannt sein musste. Eigentlich gebühre ihm der Große Staatspreis, nicht der sogenannte Kleine Staatspreis; den akzeptiere er nur des Geldes wegen. Obwohl sein Roman »Frost« in der österreichischen Presse sehr ausführlich und zumeist positiv besprochen wurde, behauptet Bernhard das Gegenteil.332 Er leugnet explizit, seine Rede Hede Stavianicek probehalber vorgelesen zu haben. Dafür taucht hier zum ersten Mal der Vorwurf auf, Piffl-Percˇevic´ habe ihm in der Laudatio einen Südsee-Roman angedichtet. Selbst jene Aussage über den angeblich geborenen Holländer Bernhard hat hier einen anderen Wortlaut als 1968: Im LaudatioEntwurf war die Rede von einem »aus österreichischer Familie stammende[n] gebürtige[n] Holländer«. Wenige Tage später schreibt Bernhard, er sei als »in Österreich lebende[r] Holländer« bezeichnet worden. In »Meine Preise« hat es dann Bernhard »wörtlich im Ohr«, dass er »ein in Holland geborener Ausländer sei«. In »Wittgensteins Neffe« will er schließlich gehört haben, »daß ich Holländer sei«. 1968 schrieb Bernhard korrekterweise, dass auf seine ›Dankesrede‹ ein weiteres Musikstück folgte. In »Meine Preise« unterbricht der Minister Bernhard, bedroht ihn und wird fast handgreiflich; dann sei er hinausgestürmt. Während
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1968 der Rest vorerst im Saal verblieb, folgen sie in der neuen Version dem Minister – nicht ohne ihrerseits Bernhard zu bedrohen oder zu beschimpfen. Aus den klirrenden Fenstern wird nun eine Glastür, die der Minister hinter sich zuschlage. »Die Zeitungen schrieben am nächsten Tag von einem Skandal«, behauptet Bernhard, obwohl nur Hans Rochelt in den »Oberösterreichischen Nachrichten« den Vorfall überhaupt erwähnt – um dann Bernhard zu verteidigen. Nur der sieben Tage später erscheinende »Wiener Montag« wird explizit genannt. Dass Bernhard dort als zu vertilgende Wanze bezeichnet werde, wie der Autor behauptet, ist falsch. Auch nennt niemand Bernhard einen »Nestbeschmutzer«. Dass am 4. März noch »fünf oder sechs« andere Künstler mit dem Staatspreis ausgezeichnet wurden, kommt bei Bernhard nur in einem Nebensatz vor. Hans Lebert, dem bei der gleichen Veranstaltung die Stifter-Medaille verliehen wurde, wird gar nicht erwähnt. Diese Liste ließe sich verlängern. Die Fassung in »Meine Preise« diente dann Bernhard vermutlich als Grundlage für seine Darstellung der Geschehnisse in »Wittgensteins Neffe«, die 1982 veröffentlicht wurde. Dort wird die Darstellung gestrafft und zugespitzt. Die anderen Preisträger kommen gar nicht mehr vor. Die Glastür zerspringt nun, anstatt nur zu knallen; statt »drei oder vier Freunden« bleibt neben Hede Stavianicek nur (der vorher in diesem Zusammenhang noch nie erwähnte) Paul Wittgenstein bei Bernhard zurück, und so weiter. Andererseits wird die Polemik gegen die Jury aus »Meine Preise« weggelassen. Dies lässt vermuten, dass die Änderungen zwischen den Versionen von 1968 und 1980/81 zumindest teilweise bewusst und vorsätzlich vorgenommen worden waren. »Thomas Bernhard machte stets auf sich aufmerksam. Jede Herausgabe war ein Ereignis, nicht nur ein literarisches, sondern auch ein gesellschaftliches, auf das nicht nur die Fach- und Tagespresse, sondern auch die Boulevardpresse zu reagieren suchte. Bernhard baute sich die Position eines Provokateurs auf, aus der er mit Regelmäßigkeit seine provokativen Briefe und Proklamationen publizierte und dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog.«333 »Bernhard weist in diversen Stellungsnahmen darauf hin, dass Provokationen zum festen Bestandteil seiner Selbstdarstellung gehören. Seine Bemerkung ›Ich schreibe, um zu provozieren‹334 kann als das Credo seiner Arbeit bezeichnet werden. Gleichzeitig sollten jedoch auch die monetären Interessen hinter den heraufbeschworenen Eklats nicht unterschätzt werden.«335
Somit änderte sich Bernhards Darstellung des Geschehens mit den Jahren. Zugleich – und zumindest teilweise angestoßen von Bernhard – änderte sich auch in den Medien das Bild und die Interpretation jenes Vorfalls vom 4. März, wie bereits in der Einleitung angedeutet. So kam es zu der erstaunlichen Ent-
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wicklung, die ich in meiner Arbeit zu skizzieren versucht habe: Aus einem Zwischenfall, dem selbst viele der Anwesenden bei der Preisverleihung kaum Beachtung geschenkt haben und der in den Medien anfangs kein nennenswertes Echo hervorrief, wurde im Verlauf weniger Jahre der »Anbruch einer Epoche«, mit dem »ein Riß in der heilen Kulturwelt Österreichs entstanden« sei.336 Ein bemerkenswerter Vorgang, der (nicht nur) in der österreichischen Literaturgeschichte kaum Parallelen haben dürfte.
Interpretationen: Bernhard als Opfer … Anstatt ein endgültiges und womöglich einseitiges Urteil zu fällen, möchte ich zwei Interpretationsmöglichkeiten aufzeigen. Dabei sollen gewissermaßen die zwei Extremfälle konstruiert werden, die mit den oben wiedergegebenen Recherche-Ergebnissen, basierend auf den dort im Detail wiedergegebenen Quellen, verträglich sind: Im ersten Fall wäre Bernhard das unschuldige Opfer, und im zweiten Fall der Täter und Hauptschuldige am Geschehen vom 4. März. Zum ersten Szenario: Nach der erfolglosen Teilnahme an der Ausschreibung des Lyrik-Staatspreises im Jahre 1966 hat sich Bernhard entschlossen, an der Ausschreibung des Roman-Staatspreises von 1967 nicht teilzunehmen. Trotz des Drängens von Wolfgang Kraus bleibt er dabei. Somit reicht Peter Fabjan hinter dem Rücken seines Halbbruders – und mutmaßlich auf Kraus’ Anregung hin – den Roman »Frost« beim Unterrichtsministerium ein. Mit dem Vorschlag, diesen mit dem Staatspreis auszuzeichnen, rennt Kraus bei seinen Mit-Juroren offene Türen ein. Bernhard selber erfährt davon erst, als er die diesbezügliche Mitteilung des Ministeriums erhält. »Für Thomas Bernhard waren Auszeichnungen Demütigungsvorgänge, rituelle Abläufe, in denen sich alle Negativeigenschaften des Kulturbetriebes verdichteten. Der Autor erwartet Anerkennung und, wie er es selbst gerade für die Frühphase seines Schaffens gesteht: Geld.«337
So akzeptiert er den Staatspreis ebenso wie den Anton Wildgans-Preis, für den er in den Wochen vor dem 4. März eine Dankesrede zu schreiben hat. So verfasst er auch in aller Eile – wann genau, ist sekundär – eine sehr knappe »philosophische Meditation«. Nachdem er diese beim Festakt vorgetragen hat, kommt es – nach einem musikalischen Intermezzo – zu einem ungeplanten Auftritt des Ministers. Dieser ruft (in etwa) aus: »Ich bin trotzdem stolzer Österreicher!« Eventuell fallen von seiner Seite her noch weitere Worte, eventuell auch von Seiten der anderen Anwesenden. Zudem wurde Bernhard in der Laudatio als gebürtiger »Ausländer« bzw. »Holländer« bezeichnet. Der Autor sieht sich brüskiert und nach dem
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Empfang (fast) allein gelassen. Seinen Redetext reicht er an einige Journalisten und Freunde weiter, die ihn darum bitten. Diese starten in den nächsten Tagen eine Pressekampagne, mit der der brüskierte Dichter verteidigt werden soll. Bernhard selber ist diese ganze Geschichte einfach nur zuwider, und er bezieht dazu nie wieder öffentlich Stellung. In »Wittgensteins Neffe« verarbeitet er den Vorfall deswegen, weil er ein bezeichnendes Bild auf besagten Neffen wirft.
… und als Täter Bernhard liegt viel an Preisen und Auszeichnungen – nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Publicity für seine Bücher sowie dem Preisgeld. Er wünscht sich nicht nur den Großen Österreichischen Staatspreis, sondern etwa auch den Stifter-Preis, und »in zehn Jahren habe ich den Nobelpreis, soll er einmal gesagt haben.«338 Als er von Wolfgang Kraus erfährt, dass dieser Juror für den RomanStaatspreis sein wird, signalisiert ihm Bernhard, dass dieser »Frost« entgegen der Statuten nachträglich auf die Liste der Kandidaten setzen darf; außerdem schickt er pro forma seinen Bruder vor, um eine Kopie des Romans beim Ministerium einzureichen. Da Bernhard um die Wertschätzung der Mit-Juroren Spiel und Holzinger weiß, kommt die Auszeichnung für ihn nicht überraschend. Ähnlich wie vor ihm etwa Handke und Hundertwasser will Bernhard die Preisverleihung nutzen, um einen Skandal zu provozieren und seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Er zieht es aber vor, nicht als Täter, sondern als Opfer zu erscheinen. Daher konzipiert der Autor eine Rede, die einerseits unverfänglich genug ist, um als »philosophische Meditation« durchzugehen, aber auch wieder verfänglich genug, um bei der konservativen Fraktion des Publikums Anstoß zu erregen. Diese Rede ›erprobt‹ er an seiner ›Tante‹, die die erhoffte Reaktion zeigt. Um für die erwünschte Nachfrage seitens der Zuhörer und Berichterstatter gewappnet zu sein, fertigt Bernhard eine Reihe von Kopien seiner Rede an, die er zur Preisverleihung mitnimmt. Dort kommt es dank der Unbeherrschtheit des Ministers tatsächlich zu einem Zwischenfall. Die meisten Anwesenden nehmen diesen aber kaum zur Kenntnis; auch in Funk und Fernsehen kommt er nicht vor. Um zumindest in der Presse für ein gewisses Echo zu sorgen, übergibt und schickt Bernhard seinen Redetext an eine Reihe von Freunden und Bekannten. Falls diese – wie Siegfried Unseld – selbst nicht anwesend waren, erhalten sie zusätzlich eine tendenziöse Darstellung des Geschehens im Audienzsaal des Ministeriums. Außerdem drängt Bernhard auf Publikationen, die das Geschehen in seinem Sinne wiedergeben. Dies wirkt: Noch in der gleichen Woche erscheinen Artikel, in denen der
… und als Täter
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mutmaßlich brüskierte Autor verteidigt wird. Der erste Artikel, in dem Bernhard kritisiert wird, erscheint eine Woche nach dem Geschehen im »Wiener Montag«. Dies ist Wasser auf die Mühlen von Bernhards Verteidigern. Von den übrigen Staatspreisträgern – auch vom Stifter-Preisträger Hans Lebert – redet niemand mehr. Um für eine Eskalation der Affäre zu sorgen, schreibt Bernhard innerhalb weniger Tage eine neue Rede, die er bei der Verleihung des Anton WildgansPreises am 21. März halten will. Wissend, dass auch der Unterrichtsminister wieder anwesend sein soll, will sich Bernhard als Verfolgten und Verfehmten darstellen, der nicht mehr frei reden könne; auf diese Weise will er den Minister erneut brüskieren, provozieren und für Aufsehen sorgen. Als der Festakt abgesagt wird, interpretiert dies die Presse als Boykott, verursacht durch Bernhards »Ehrlichkeit, die eigene Situation in einem Land darzustellen, in dem er lebt, arbeitet, hofft, und auch von Angst befallen wird.«339 Verbreitet werden in den folgenden Monaten und Jahren durchgehend Bernhards Versionen des Geschehens. Nicht zuletzt aufgrund des politischen Stimmungs- und Machtwechsels um 1970 kann sich die einzige (publizierte) Gegendarstellung in den Erinnerungen des Ministers (1977) nicht durchsetzen – ganz im Gegensatz zu Bernhards Fassung in »Wittgensteins Neffe« (1982). Da dem Autor die realen Fehltritte des Ministers mittlerweile nicht mehr empörend genug erscheinen, dichtet er Piffl-Percˇevic´ krasse Irrtümer in der Laudatio an (Stichworte »Ausländer« und »Südsee-Roman«) sowie eine ans Tätliche grenzende Attacke nach der ›Dankesrede‹; dazu kommen andere Verzerrungen des Geschehens. Vonseiten der Zeitzeugen, die es besser wissen, erhebt sich kein nennenswerter Widerspruch. Hilde Spiel etwa korrigiert in ihren Erinnerungen nur einen Punkt, der sie selbst betrifft. So wird Bernhards Fassung für viele Jahre zur allgemein akzeptierten Version, deren Authentizität kaum angezweifelt wird. Dies beginnt sich erst zu ändern, als auch Bernhards andere Versionen des Geschehens veröffentlicht werden: Die Schilderung gegenüber Siegfried Unseld im Briefwechsel (verfasst 1968, publiziert 2009) sowie die Version in »Meine Preise« (ca. 1980 bzw. 2010). Damit ist unschwer festzustellen, dass sich selbst Bernhards eigene Darstellung jenes Vorfalles mit der Zeit nicht unerheblich geändert hat. Womöglich hat der Autor dies erkannt und u. a. deshalb auf eine Publikation von »Meine Preise« zu seinen Lebzeiten verzichtet. Was im Kopf des Autors wirklich vorging, muss aber Spekulation bleiben. Welches von den zwei geschilderten Szenarien am besten zu meiner Darstellung des Geschehens vor, am und nach dem 4. März 1968 passt, mag im übrigen jeder Leser für sich entscheiden.
Nachwort
Meinen Versuch, das Geschehen rund um den Staatspreis-›Skandal‹ zu rekonstruieren, mag man für müßig halten; schließlich – so könnte man einwenden – habe Bernhard seine bekannteste Version des Geschehens in einen Roman eingebettet. Zudem habe der Autor – wie die Zitate auf Seite 115 andeuten – wenig Wert auf eine strenge Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion, zwischen Lüge und Wahrheit gelegt, um es zurückhaltend auszudrücken; er war schließlich Schriftsteller, kein Historiker. Wieland Schmied sah die Frage eher gelassen: »Zu dem Bild vom Spaßmacher Bernhard gehört wesensmäßig noch die Vermischung von Dichtung und Wahrheit. Andernfalls wäre es nicht vollständig.«340 Und an anderer Stelle: »Von vielen Autoren ist das Verhältnis von ›Fiktionalität‹ und ›Authentizität‹ in der Prosa Thomas Bernhards untersucht worden, mit mancher überzeugender Einsicht. Selbstverständlich ist dies Verhältnis in seinen Romanen und Erzählungen ein anderes als in den fünf Bänden seiner Autobiographie, wenn auch, so müssen wir ergänzen, kein grundsätzlich anderes. Wie sich die Romane und Erzählungen Thomas Bernhards vor dem Hintergrund eigenen Erlebens abspielen und aus dem Fundus seiner Erinnerung schöpfen, so erscheinen in seinen autobiographischen Büchern, zu denen wir neben der Darstellung seiner Kindheits- und Jugendjahre auch noch die Erzählungen ›Ja‹ und ›Wittgensteins Neffe‹ rechnen dürfen, Ereignisse vereinfacht und zusammengezogen, Personen beiseite gelassen, einzelne Erlebnisse mit Bedeutung versehen, die ihnen in Wahrheit wohl nicht zukamen – nicht ohne Grund hat Thomas Bernhard sich selbst einen ›Übertreibungskünstler‹ genannt.«341
Auch Peter Fabjan sieht dieses Vorgehen eher gelassen: »Er [Bernhard] hat ja immer – das war auch sein gutes Recht – sein Bild stilisiert. Es hätte auch anders sein können, aber es war eben so.«342 Dies hebt auch Manfred Mittermayer hervor : »Zu den Selbstauskünften Bernhards – und damit dem Bild, das er selbst in der Öffentlichkeit von sich erzeugt hat – gehören zahlreiche Interviews, vor allem aber drei Filme, die er zusammen mit Ferry Radax (1970)343 und Krista Fleischmann (1981,
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1986)344 gestaltet hat. Auch für sie gilt wie für die autobiografischen Texte, dass darin das Element der Stilisierung nicht übersehen werden darf.«345
Tatsächlich wurde »Wittgensteins Neffe«, wo sich die bekannte StaatspreisSzene findet, von Bernhard nicht als Roman bezeichnet; das Buch trägt einfach den Untertitel »Eine Freundschaft«. Unbestritten ist, dass hier Figuren und Geschehnisse aus dem echten Leben verarbeitet wurden: Allen voran neben dem Autor selber eben jener Paul Wittgenstein. Daher wurde »Wittgensteins Neffe«, wie erwähnt, verschiedentlich als sechster Band von Bernhards ›Autobiographie‹ rezipiert. Auf der Verlags-Homepage wird das ebenfalls explizit so postuliert: »Wittgensteins Neffe ist die Geschichte einer Freundschaft, mit der Thomas Bernhard seine Autobiographie in die Jahre 1967 bis 1979 fortführt.«346 Auch »»Meine Preise« lässt sich gut als Fortsetzung von Bernhards fünfbändiger Autobiographie und Präludium zu »Wittgensteins Neffe« lesen.«347 Beides passt insofern, als das »Wittgensteins Neffe« wie auch »Meine Preise« mit den Fakten ebenso großzügig umgehen wie die fünf autobiographischen a Bände. Wiederum Wieland Schmied reflektiert diese Problematik anhand einer von Bernhard bzw. Gerda Maleta unterschiedlich geschilderten Episode wie folgt: »Was wir aus solchen Vergleichen lernen können, rührt ans Wesen aller Kunst: die Verwandlung trivialer Begebenheiten in große Literatur. Aus einem banalen Ereignis wird ein Stück geheimnisvoller Prosa, aus profaner Wirklichkeit profunde Wahrheit.«348
Diese Betrachtungsweise ist natürlich völlig legitim, wenn man eine Quelle als rein literarischen Text rezipiert. Problematisch wird es, wenn man den gleiche Text als historische bzw. biographische Quelle heranziehen will. Viele Autoren, die zum Thema Bernhard schreiben, sind sich dieser Problematik im Prinzip durchaus bewusst. »Von Verlässlichkeit und Faktentreue kann in den fünf schmalen Prosabänden, die von 1975 bis 1982 erschienen und im weiteren als Thomas Bernhards Autobiografie apostrophiert werden, nur begrenzt die Rede sein. Im autobiografischen Projekt einer Nacherzählung der Kindheit und Jugend geht es vielmehr um die Hervorbringung einer ›poetischen‹ Wahrheit.«349
schreibt etwa Uwe Schütte. Das hindert ihn allerdings nicht daran, biographische Details oft unkritisch aus eben jener Autobiographie zu übernehmen. Ein Beispiel von Joachim Hoell wurde bereits auf Seite 105 zitiert. Tatsächlich haben sich nur wenige Autoren – allen voran Louis Huguet – die Mühe gemacht, Bernhards Angaben (was oft eine hübsche Doppeldeutigkeit ist) a
Siehe Seite 31.
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zu überprüfen. Mit zunehmendem Zeitabstand wird dies nicht einfacher werden, und obwohl ich mich in dieser meiner Monographie auf einen sehr schmalen Ausschnitt konzentriert habe, musste auch ich erkennen, dass sich manches (mehr oder weniger wichtige) Detail kaum noch wird endgültig klären lassen. Dies gilt naturgemäß erst recht für die älteren Kapitel aus Bernhards ›Autobiographie‹. Daher ist hier womöglich eine Unterscheidung hilfreich, die Daniel Marguerat (in ganz anderem Zusammenhang) vorgenommen hat: Ausgehend von der Arbeit von Paul Ricœur350 unterscheidet er drei Typen von Geschichtsschreibung: »Zuerst macht er [Ricœur] eine dokumentierte Geschichte fest, die darauf abzielt, verifizierbare und feststellbare Fakten zu etablieren […]. Er spricht weiter von einer erklärenden Historie, die das Geschehen vor einem sozialen, ökonomischen oder politischen Hintergrund bewertet […]. Schließlich spricht Ricœur von Geschichtsschreibung im strikten Sinne; sie vollzieht die Relektüre der Vergangenheit in Gründungserzählungen, deren die Völker bedürfen, um ihr Selbstverständnis aufzubauen. Hier schließt man an die identitätsstiftende Funktion der Memoria an […]. Ricœur nennt diese Geschichte poietisch (im etymologischen Sinn von poieim [hervorbringen, erschaffen]), denn sie ist mit dem Gründungsmythos verwandt. Sie untersteht nicht denselben Normen wie die eben erwähnten Typen und untersteht nicht den Kriterien von »wahr« und »falsch« (wie die dokumentierte Geschichte). Sie wägt die verschiedenen Hypothesen zur Bewertung eines Ereignisses nicht ab (wie die erklärende Geschichte); ihre Wahrheit liegt in ihrer Interpretation der Vergangenheit und in der durch sie der Sozialgruppe eröffneten Möglichkeit, sich in der Gegenwart zu verstehen. Mit anderen Worten, was die Historiographie im strikten Sinne als wahrhaftig anerkennt, das ist das Selbstverständnis, zu dem sie der Lesergruppe verhilft.«351
Marguerat bedient sich dieser Unterscheidung zwar bei der Beurteilung von Lukas’ Apostelgeschichte, doch ist diese Systematik auch in unserem Zusammenhang sinnvoll. Von »Gründungserzählungen« kann bei Bernhards Büchern zwar kaum die Rede sein, doch dienen sie allemal dem Autor dazu, sein »Selbstverständnis aufzubauen«. Auch geht es ihm eher um eine »Interpretation der Vergangenheit« denn um deren Dokumentation. Wenn man in diesem Sinne Bernhards ›Autobiographie‹ – einschließlich von »Wittgensteins Neffe« – als Historiographie versteht, nicht aber als dokumentierende oder erklärende Geschichtsschreibung, so dürfte man dem Autor eher gerecht werden. In dem Fall kann und darf man von der ›Autobiographie‹ eben keine Verlässlichkeit bezüglich der Fakten erwarten. Falls aber ein Leser auf der strengen Form der dokumentierenden bzw. erklärenden Geschichtsschreibung besteht und anhand ihrer Regeln Bernhards Staatspreis-Skandal-Erzählungen beurteilen will, so hoffe ich, diesem mit meiner Untersuchung geholfen zu haben.
Anhang A: Analyse der Staatspreis-Szene aus »Wittgensteins Neffe«
Der Übersichtlichkeit und Vollständigkeit halber soll in diesem Anhang die bereits in Teil II zitierte Szene aus »Wittgensteins Neffe« analysiert werden, in welcher Bernhard die Verleihung des Staatspreises am 4. März 1968 aus seiner Sicht nacherzählt. In dieser gerafften Form dürfte auch deutlich werden, wie (un)verlässlich in Bezug auf die Fakten diese Darstellung tatsächlich ist. In meinen Fußnoten unterscheide ich zwischen nachweisbaren Unwahrheiten, unvollständigen, irreführenden sowie unwahrscheinlichen Darstellungen. »Ein anderer, nicht weniger deutlicher Beweis für die Charakterstärke des Paul: die sogenannte Verleihung des Staatspreises für Literatur […] an mich, die, wie die Zeitungen damals schrieben, mit einem Skandal geendet hat.1 Der im Audienzsaal des Ministeriums eine sogenannte Laudatio auf mich haltende Minister hat in dieser Laudatio nichts als Unsinn über mich gesagt, weil er nur das von einem Blatt heruntergelesen hat, was ihm einer seiner für die Literatur zuständigen Beamten aufgeschrieben gehabt hat, zum Beispiel, daß ich einen Roman geschrieben hätte über die Südsee,2 was ich natürlich niemals getan habe. Obwohl ich immer Österreicher gewesen bin,3 behauptete der Minister, daß ich Holländer sei. Obwohl ich davon keine Ahnung hatte, behauptete der Minister, daß ich auf Abenteuerromane spezialisiert sei.4 Mehrere Male behauptete er in seiner Ansprache, ich sei Ausländer und in Österreich zu Gast.5 Mich regten die von dem Minister von dem Blatt heruntergelesenen Unsinnigkeiten aber gar nicht auf, denn ich wußte genau, der dumme Mensch aus der Steiermark, der, bevor er Minister geworden war, dort in Graz Sekretär der Landwirtschaftskammer und vor allem für Tierzucht zuständig gewesen war, kann nichts dafür.6 […] Nachdem 1 Unvollständig. Nur eine Zeitung (»Wiener Montag«) sah Bernhard als Verursacher des Skandals an. Hans Rochelt etwa sah den Skandal in der Brüskierung des Autors; siehe Teil III. 2 Unwahr. Davon steht nichts in der Laudatio. Selbst Bernhards erster Bericht enthält diese Behauptung nicht; siehe den Abschnitt »Die Laudatio«. 3 Dass Bernhard zwischen 1938 und 1945, als es kein Österreich gab, streng genommen auch kein Österreicher gewesen sein kann, muss wohl nicht extra erwähnt werden. 4 Unwahr. Siehe Fußnote 2. 5 Unwahr. Bernhard wird in der Laudatio als »gebürtige[r] Holländer« bezeichnet, und das auch nur einmal. 6 Inkorrekt. Siehe die Darstellung auf S. 57.
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Anhang A: Analyse der Staatspreis-Szene aus »Wittgensteins Neffe«
ich aber dann, sozusagen als Dank für den Preis, ein paar Sätze, die ich erst kurz vor der Preisverleihung in höchster Eile7 und mit dem größten Widerwillen8 auf ein Blatt Papier9 geschrieben hatte, eine kleine philosophische Abschweifung sozusagen vorgetragen hatte, in welcher ich nichts anderes zu sagen gehabt habe, als daß der Mensch armselig und ihm der Tod sicher sei,10 alles in allem hatte mein Vortrag nicht länger als drei Minuten gedauert, war der Minister, der überhaupt nicht verstanden hatte, was ich gesagt hatte, empört von seinem Sitz aufgesprungen11 und hatte mir die geballte Faust ins Gesicht geschleudert.12 Wutschnaubend hat er mich vor allen Anwesenden auch noch einen Hund genannt13 und hat den Saal verlassen nicht ohne hinter sich die Glastür mit einer solchen Gewalt zuzuschlagen, daß sie in tausende Scherben zersplittert ist.14 Alle im Audienzsaal waren aufgesprungen und hatten dem hinausgestürzten Minister verblüfft nachgeschaut. Einen Augenblick herrscht, wie gesagt wird, vollkommene Ruhe. Darauf geschah das Merkwürdige: die ganze Gesellschaft, die ich doch nur als Opportunistenmeute bezeichnen kann, ist dem Minister nachgerannt,15 nicht ohne vorher noch gegen mich vorzugehen nicht nur mit Schimpfwörtern, sondern auch mit geballten Fäusten, ich erinnere mich genau an die geballten Fäuste, die der Präsident des Kunstsenats, Herr Henz, mir entgegengeschleudert hat, wie an alle anderen gegen mich vorgebrachten Ehrenbezeigungen in diesem Augenblick.16 Die ganze Gesellschaft, ein paar hundert Kunstpfründner,17 vornehmlich aber Schriftsteller, also Kollegen, wie gesagt wird, und deren Gefolge, sind dem Minister nachgerannt und ich weigere mich, alle diese Namen aufzuzählen, die dem Minister durch die von ihm zerschlagene Glastür nachgerannt sind, weil ich keine Lust habe, wegen einer solchen Lächerlichkeit vor Gericht zu kommen, aber es waren die bekanntesten und berühmtesten und angesehensten, die aus dem Audienzsaal hinaus und die Treppe hinuntergestürzt sind, dem Minister nach und die mich mit meinem Lebensmenschen im Audienzsaal stehengelassen haben. Wie einen Aussätzigen. Keiner war bei mir und meinem Lebensmenschen geblieben,18 alle waren sie, an dem für sie aufgestellten Buffet 7 Unwahrscheinlich. Die Rede entstand früher ; siehe den Abschnitt »Bernhards ›Dankesworte‹«. 8 Unglaubhaft. Etwa zur gleichen Zeit verfasste Bernhard zwei wesentlich längere Reden für die Verleihung des Anton Wildgans-Preises; siehe den Abschnitt »Der Anton WildgansPreis«. 9 Unvollständig. Tatsächlich fertigte Bernhard mindestens fünf Kopien der Rede an; siehe u. a. den Abschnitt »Bernhards ›Dankesworte‹«. 10 Unvollständig. Bernhard unterschlägt den Österreich-Bezug der Rede. 11 Unwahr. Nach der Rede folgte nach Bernhards eigenen, früheren Angaben sowie dem Programm zuerst ein weiterer Streichquartett-Satz; siehe S. 65. 12 Unwahr. Es kam zu keinerlei Tätlichkeiten. 13 Höchst unwahrscheinlich. Auch dieser Vorwurf findet sich nur hier, nicht in Bernhards früheren Schilderungen. 14 Unwahr. Die Glastür gibt und gab es nicht; siehe Abbildung 8. 15 Unwahr. Nur der Minister selber verließ vorzeitig die Feier. Dies bestätigte mir Friedrich Kurrent nochmals explizit brieflich auf meine Nachfrage. 16 Höchst unwahrscheinlich. Auch diese Szene ist sonst nirgends belegt. 17 Inkorrekt; siehe Anmerkung 169. 18 Unwahr. Zumindest Hilde Spiel und ein Beamter gehörten noch zur Gruppe; siehe S. 70. Nach Friedrich Kurrent war außerdem Bernhards Halbbruder Peter Fabjan mit dabei; siehe
Anhang A: Analyse der Staatspreis-Szene aus »Wittgensteins Neffe«
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vorbei,19 hinausgestürzt und dem Minister nach und hinunter bis auf Paul. Er war der einzige, der bei mir und meiner Lebensgefährtin, meinem Lebensmenschen, stehengeblieben war, entsetzt und amüsiert gleichzeitig von dem Zwischenfall. […] Am darauffolgenden Tag ist in den österreichischen Zeitungen20 von dem Nestbeschmutzer Bernhard21 die Rede gewesen, der den Minister brüskiert hat, während es doch genau umgekehrt gewesen war, der Minister Piffl- Percˇevic´ hat den Schriftsteller Bernhard brüskiert.«
Anmerkung 237; nach Wieland Schmied außerdem vermutlich der Autor Otto Breicha, siehe Anmerkung 29, S. 143. 19 Unwahr. Das Buffet fand statt, und Bernhard nahm selber daran teil; siehe S. 71. 20 Unwahr. Am 5. März erwähnte nur Hans Rochelt in den »Oberösterreichischen Zeitung« den Vorfall überhaupt, und er verteidigte Bernhard. Siehe Teil III. 21 Unwahr. Dieser Ausdruck wird nirgends benutzt.
Anhang B: Abbildungen
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Anhang B: Abbildungen
Abbildung 1: Beurteilung von Bernhards Gedichten, die er für den Lyrik-Staatspreis eingereicht hat
Anhang B: Abbildungen
Abbildung 2: Beurteilung von »Frost« durch Wolfgang Kraus
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Abbildung 3: Beurteilung durch Alfred Holzinger
Anhang B: Abbildungen
Anhang B: Abbildungen
Abbildung 4: Zusammenfassung der Jury-Urteile I
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Abbildung 5: Zusammenfassung der Jury-Urteile II
Anhang B: Abbildungen
Anhang B: Abbildungen
Abbildung 6: Typoskript der Dankesrede
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Abbildung 7: Bericht im »Wiener Montag« vom 11. 03. 1968
Anhang B: Abbildungen
Anhang B: Abbildungen
Abbildung 8: Der Audienzsaal im Unterrichtsministerium in den 60er Jahren
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Literatur
Uwe Schütte streicht in seinem Buch drei Publikationen besonders hervor :352 Die Erinnerungen von Ignaz Hennetmair an Thomas Bernhard (Hennetmair, 2000), den Briefwechsel Bernhard-Unseld (Bernhard & Unseld, 2009) sowie die »Chronologie« von Louis Huguet (Huguet, 1996). Dem stimme ich zu. Ergänzend möchte ich noch die Interview-Sammlungen von Maria Fialik nennen (Fialik, Thomas Bernhard und Österreich – Vom Kredit zum Boykott, 1991), (Fialik, Thomas Bernhard – Das Theatrale in Leben und Werk, 1997), die z. T. in ihre Bücher eingingen (Fialik, Der Charismatiker – Thomas Bernhard und die Freunde von einst, 1992), (Fialik, Der konservative Anarchist – Thomas Bernhard und das Staats-Theater, 1991). Als neue, umfassende Biografie Thomas Bernhards ist das Buch von Manfred Mittermayer (Mittermayer, 2015) hervorzuheben. Die näheren Angaben zu diesen sowie den weiteren benutzten Quellen sind in dem folgenden Literaturverzeichnis sowie in den Anmerkungen aufgelistet.
Literaturverzeichnis Bayer, W., Fellinger, R., & Huber, M. (Hrsg.). (2010). Thomas Bernhard – Der Wahrheit auf der Spur : Die öffentlichen Auftritte. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag. Bentz, O. (2000). Thomas Bernhard – Dichtung als Skandal. Würzburg: Königshausen & Neumann. Bernhard, T. (1981). Der große Hunger. Demokratisches Volksblatt Salzburg 15. 10. 1953. In J. Dittmar (Hrsg.), Thomas Bernhard Werkgeschichte – suhrkamp taschenbuch materialien. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag. Bernhard, T. (2011). Die Autobiographie. Salzburg: Residenz Verlag. Bernhard, T. (2008). Erzählungen III (Werkausgabe) (Bd. 13). Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag. Bernhard, T. (2010). Meine Preise. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag. Bernhard, T., & Unseld, S. (2009). Der Briefwechsel. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag.
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Literatur
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Anmerkungen & Quellen
Zitate 1 Thomas Bernhard: Der Wahrheit und dem Tod auf der Spur. Zwei Reden. In: Neues Forum, Heft 173, Mai 1968, S. 347ff. 2 (Reich-Ranicki, 1993), S. 50ff. 3 (Bernhard, 2011), S. 153. 4 Thomas Anz: Thomas Bernhard, der große Komödiant. »Ein Kind« – Der letzte Band seiner Jugenderinnerungen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. 4. 1982. 5 Krista Fleischmann: Monologe auf Mallorca (1981), zitiert nach dem Fernsehinterview mit Thomas Bernhard. DVD im Suhrkamp Verlag/ absolut MEDIEN 2008. 6 Achim Ayren: Hinter Zeitmauern verschanzt. In: Stuttgarter Zeitung, 24. 6. 1978. 7 (Hennetmair, 2000), S. 306.
Vorwort 8 Als Gegenbeispiel könnte man folgende Publikation nennen: (Goubran, 1997). Tatsächlich widmet sich dieser Band aber zum Gutteil dem Skandal um »Holzfällen«. Zum Staatspreis-Vorfall enthält der Band einen Überblick über die Geschichte des bzw. der Staatpreise sowie eine statistische Untersuchung zu den Staatspreisträgern von Gerhard Ruiss.
Einleitung 9 Als aktuelle, umfassende Biografie siehe z.Bsp. (Mittermayer, 2015); zu den einzelnen Werken siehe die inzwischen abgeschlossene Werkausgabe beim Suhrkamp Verlag. 10 Tatsächlich findet sich diese Bezeichnung in der Mehrzahl aller hier zitierten Quellen; als Ergänzung sei hier noch ein Artikel von Daniel Kehlmann genannt: Der kühle Lobbyist in der Maske des manischen Bezichtigers. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 10. 2007, S. L13.
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Anmerkungen & Quellen
11 Hilde Haider-Pregler : »Der Skandalmacher. Thomas Bernhard und die öffentliche Erregung.« aus der Sendereihe »Betrifft: Geschichte« auf Radio Ö1, 03.-07. 02. 2014, jeweils um 17:55. 12 Schon vor 1968 gelang es Bernhard, einige Kontroversen um seine Person bzw. seine Schriften auszulösen. Von diesen erfuhr die breite Öffentlichkeit aber wenig bis nichts. Da der Duden den Skandal als »aufsehenerregendes, schockierendes Vorkommnis« definiert, handelte es sich dabei nicht um Skandale. Einen knappen Überblick über diese Vorfälle aus den 50er und frühen 60er Jahren gibt beispielsweise (Bentz, 2000). 13 Adam Soboczynski: Ich bin ein Schwein. Die ZEIT Nr. 8, 12. 02. 2009, S. 51 (Literatur). 14 Siehe Anmerkung 10 (Kehlmann, 2007). 15 Salzburger Nachrichten, 05. 03. 1968, S. 3 (Kultur). 16 (Spits, 2008), S. 91. 17 (Fuchs, 2010), S. 6. 18 Hubert Spiegel: Der große Allesbeschimpfer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. 11. 2008, Nr. 269, S. 33. 19 (Sommermeyer, 2006), S. 20. 20 (Fischer, 1994), S. 433f. 21 Urs Jenny : Preisgekrönter Störenfried. Der Spiegel Nr. 3, 12. 01. 2009, S. 129 (Kultur). 22 (Etzlstorfer, 2013), S. 211ff. 23 http://www.kunstkultur.bka.gv.at/site/8049/default.aspx (Abgerufen 20. 03. 2014). 24 Mittagsjournal auf Ö1, 04. 03. 1968, Abgerufen auf www.Journale.at (Österreichische Mediathek, jm-680304_d). 25 Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 60.627-II/5/68. 26 Siehe dazu beispielsweise: (Höller, 1993), S. 65ff. 27 (Fialik, 1991), Band 1, S. 28–31. 28 Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 84.841-II/5/68, 88.271-II/5/68. 29 Siehe Anmerkung 8 (Goubran, 1997), S. 85. 30 (Schmied W. , 2014), S. 161. Die von Schmied bezeugte Reise fand im Jahr 1963 statt. 31 (Bernhard, 2010), S. 66. 32 Das gilt allerdings speziell für den Staatspreis für Roman, bei dem eben nur ein Roman einzureichen war. In den anderen Sparten des Staatspreises galten naturgemäß andere Regelungen. 33 Siehe die Homepage des Ministeriums: http://www.bmukk.gv.at/ministerium/mi nister_alt.xml#toc3-id3 (Abgerufen 20. 03. 2014). 34 Siehe Anmerkung 8 (Goubran, 1997), S. 120ff. 35 Zitiert nach: http://www.ingeborg-bachmann-forum.de/ibpreis.htm (Abgerufen 20. 03. 2014). 36 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 75. 37 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 70. 38 Siehe Anmerkung 9 (Mittermayer, 2015), S. 195. 39 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 2, S. 204. 40 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 110.
Teil 1
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Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 66f. Raimund Fellinger : Harmlos war Bernhard nie. Die Presse, 18. 09. 2012, S. 21. (Bernhard & Unseld, 2009), S. 53. Zitiert nach den Angaben auf der Homepage der ÖGL: http://www.ogl.at/archiv/ programme-ab-1961/archive/1967/03-04/ (Abgerufen 20. 03. 2014). Österreichisches Literaturarchiv (kurz ÖLA): Nachlass Hilde Spiel, ÖLA 15/91, Gruppe 2.0, Signatur 15/B13. ÖLA: Nachlass Wolfgang Kraus, ÖLA 63/97, Gruppe 2.1.1, Signatur 63/B46. NN: Verstörung. Kurier, 16. 03. 1967. Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 84.841-II/5/66. Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S. 77. Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S. 84. Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 84.217-II/4/67. Siehe Anmerkung 51 (Staatsarchiv). ÖLA: Nachlass Hilde Spiel, ÖLA 15/91, Gruppe 4.7, Unterlagen über Thomas Bernhard. Hans Haider: Schriftsteller : Die Jungen und die Nazi-Dichter, Die Presse, 16. 09. 2003. (Holzinger, 1985), 11ff. (Rigler, 2002), S. 98. Zitiert nach der Kurz-Biographie auf der Homepage der Österreichischen Nationalbibliothek: http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=kraus (Abgerufen 20. 03. 2014). Zitiert nach der Homepage der ÖGL bzw. der Gründungsrede von Wolfgang Kraus: http://www.ogl.at/info/geschichte/ (Abgerufen 20. 03. 2014). Zitiert nach der Kurz-Biographie auf der Homepage der Österreichischen Nationalbibliothek: http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=spiel (Abgerufen 20. 03. 2014). (Spiel, 1995), Einleitung von Hans A. Neunzig, S. 9f. Zitiert nach: Zum kulturpolitischen Kontext der Gründung der GAV. Auf: http://www. gav.at/index.php?id=210 (Nicht mehr aktuell). So bezeichnet Hilde Spiel selbstironisch ihre eigene Tätigkeit; siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 243. Siehe Anmerkung 60 (Spiel, 1995), S. 242 (Brief vom 20. 09. 1966 an Robert Neumann). Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 97. Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 213 bzw. 219. Siehe seine Austrittsrede in (Bernhard, 2010), S. 126ff. Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), etwa die Episoden nach der Uraufführung von »Der Ignorant und der Wahnsinnige«, S. 289ff. Siehe Anmerkung 10 (Kehlmann, 2007). Siehe Anmerkung 56 (Rigler, 2002), S. 233.
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Anmerkungen & Quellen
70 Edwin Rainer : Wer hat Angst vor Thomas Bernhard? In: Kleine Zeitung Graz, 27. 02. 1968. 71 Siehe u. a. Anmerkungen 45 (ÖLA) und Anmerkung 60 (Spiel, 1995). 72 (Dittmar, 1981), S. 63ff. 73 (Spiel, 1990), S. 243. 74 ÖLA, Nachlass Wolfgang Kraus, ÖLA 63/97, Gruppe 3.13.2, Signatur 63/ L103. 75 ÖLA, Nachlass Wolfgang Kraus, ÖLA 63/97, Gruppe 2.2.1; Brief an Peter Fabjan vom 18. 12. 1995. 76 Siehe Anmerkung 44 (ÖGL). 77 Bei dieser Lesung war offenbar auch ein Kamerateam des ORF vor Ort. Davon war für mich nur ein Ausschnitt aus der Diskussion mit Wolfgang Kraus über Youtube einsehbar : https://www.youtube.com/watch?v=-YqoIs-5xBc (Abgerufen 29. 07. 2015). 78 ÖLA, Nachlass Wolfgang Kraus, ÖLA 63/97, Gruppe 3.2, Signatur 63/ L11. 79 Antwort von Wolfgang Kraus vom 20. 01. 1992 auf eine briefliche Anfrage. Archiv des Literaturhauses Wien; Materialien zu Lesungen von Thomas Bernhard. 80 Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Literatur (ohne Signatur). 81 Brief an Karl Hennetmair vom 18. 09. 1965, Zitiert nach der Homepage http:// www.thomasbernhard-hennetmair.at bzw. aus (Hennetmair, 1994), S. 25. 82 (Fialik, Der konservative Anarchist – Thomas Bernhard und das Staats-Theater, 1991), S. 137f. 83 Österreichische Mediathek, http://www.oesterreich-am-wort.at/treffer/atom/015ECF 82-040-00152-00000D00-015E2264/ (Abgerufen 20. 03. 2014). 84 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 2, S. 198. 85 ÖLA, Nachlass Wolfgang Kraus, ÖLA 63/97, Gruppe 2.2.1; Brief an Thomas Bernhard vom 17. 11. 1970. 86 (Brändle, 2001), S. 55. 87 (Waitzbauer, 1995), S. 56ff. 88 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 266. 89 (Huguet, 1996), S. 262ff. 90 (Risska, 2008), S. 12. 91 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 68. 92 (Leitner, 2006), S. 144. 93 Siehe die beispielsweise in der Österreichischen Nationalbibliothek zur Verfügung stehenden Ausgaben. 94 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 310. 95 (Bernhard, 1981), S. 13. 96 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 288. 97 (Fialik, 1997), Band 1 (Analyse), S. 68. 98 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 395f. 99 Siehe etwa Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 280 ff: Hier liest Bernhard eine Reihe von Zeitungs-Kritiken, und kaum hat er die Zeitungen durch, urteilt er : »Nur die österreichischen Zeitungen schreiben schlecht, alle deutschen sind gut.« Tatsächlich sind die Kritiken in deutschen wie österreichischen Blättern differenziert. 100 (Dreissinger & Pils, 1992), S. 114; zitiert nach (Bayer, Fellinger, & Huber, 2010), S. 334.
Teil 1
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101 Margarethe Engelhardt-Krajanek: Wie das Gehirn unsere Welt erschafft. Radiokolleg, Radio Ö1, 02. 04. 2014, 09:05. 102 (Hofmann, 2004), S. 93. 103 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 270, sowie Anmerkung 86 (Brändle, 2001), S. 70. 104 Siehe Anmerkung 86 (Brändle, 2001), S. 93. 105 Siehe Anmerkung 73 (Spiel, 1990), S. 243. 106 Die folgende Darstellung beruht auf den Unterlagen im Staatsarchiv zum Staatspreis 1967/1968; Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion. 107 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S. 82. 108 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 2, S. 204. 109 Bei Hilde Spiel ist dies in den Beurteilungen nicht schriftlich fixiert, aber aufgrund der von ihr gesammelten Buchbesprechungen anzunehmen. 110 Marcel Reich-Ranicki in: Lauter schwierige Patienten – Thomas Bernhard; mit Peter Voss. BR Alpha 2001. 111 Siehe Anmerkung 95 (Bernhard, 1981), S. 51. 112 Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 112. 113 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 2, S. 203. 114 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 2, S. 205. 115 Siehe Anmerkung 82 (Fialik, 1991), S. 152f. 116 Siehe Anmerkung 46 (ÖLA). 117 Siehe Anmerkung 74 (ÖLA). 118 Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 96.269-II/5/66. 119 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 91. Dazu ist anzumerken, dass Burgtheater-Direktor Gerhard Klingenberg einer der fünf Juroren in jenem Fall war, so dass die Bemerkung eigentlich in sich widersprüchlich ist. 120 Thomas Bernhard Archiv, B 94/2/2. 121 Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 60.612-II/4/68. 122 NN: Bernhard, Pillhofer und Hrdlicka erhielten die Staatspreise 1968. Kärntner Tageszeitung, 14. 02. 1968. 123 Oberösterreichische Nachrichten, 14. 02. 1968. 124 Siehe Anmerkung 121 (Staatsarchiv). 125 (Prutti, 2012). 126 (Dittmar, 1991), S. 67ff. 127 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 556: »Nach dem Essen war vom Nobelpreis die Rede, und Thomas [Bernhard] sagte, daß es ihm höchst unangenehm wäre, wenn er ihn jetzt schon bekäme, denn dann würde er die Jugend (seine jungen Anhänger) verlieren. Ich [Hennetmair] sagte: Gut, den Preis bekommst du frühestens in fünf bis sechs Jahren, aber es muß dabei bleiben, daß Wieland Schmied und ich je fünf Prozent bekommen. Das hat uns Thomas vor Jahren versprochen.« 128 Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S.66. 129 Siehe Anmerkung 8 (Goubran, 1997), S. 11ff. 130 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 131ff.
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Anmerkungen & Quellen
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Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 97. Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S.134. (Bernhard, 2008), S. 347f. Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 650. (Fialik, 1992), sowie Anmerkung 82 (Fialik, 1991). Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 437. Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), Aktenzeichen 61.381-II/4/68. Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 46f. Siehe Anmerkung 24 (Mittagsjournal Ö1). N.N.: Stifter-Feiern. Arbeiter-Zeitung, 27. 01. 1968, S. 8. Hans Lebert: Was wird gezählt? In: Literatur und Kritik Nr. 23 (1968), S. 129–146. N.N.: Der Österreich-Liebhaber. Die Zeit, 27. 08. 1993. (Mautner, 2008), S. 112f. Hans Höller : Endlich ist das Gesäusel weg. Der Standard, 18. 05. 2013. Siehe Anmerkung 102 (Hofmann, 2004), S. 26: »Man hat ja Vorbilder und Geschichten. Aber ich glaub’, vor dem ›Frost‹ hat’s in dieser Art im Grund wirklich nichts gegeben. Es war erstmalig, diese Art zu schreiben.« Zu den Parallelen siehe u. a. (Hoell, 2000). (Egyptien, 1998), S. 160. (Hoell, 2003), S. 78. (Billenkamp, 2009), S. 31. Siehe Anmerkung 47 (Egyptien, 1998), S. 28. Siehe dazu Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 33. Zwar lobbyiert Ignaz Hennetmair dann sogar beim oberösterreichischen Landeshauptmann, um Bernhard jenen Preis zu verschaffen (S. 64f.), doch ohne Erfolg. Josef Laßl: Thomas Bernhard: Existenz und Poesie. In: Vierteljahresschrift AdalbertStifter-Institut, Jahrgang 22, 1973, Folge 12, S. 51ff. Hans Lebert: Schützt euer Land selbst! In: FORUM Nr. 457, 15. 01. 1992. Thomas Bernhard: Holzfällen, S. 259. Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 67f. Siehe Anmerkung 149 (Billenkamp, 2009), S. 36. Thomas Bernhard Archiv, B 94/2/1. Thomas Bernhard Archiv, B 94/2/2. Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), GZ 75.659-II/5/66. Thomas Bernhard Archiv, B 94/2/3. Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (ATOeSTA/AdR UKW BMU), GZ 85.058-II/5/65. Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), alle drei Bände. Thomas Bernhard Archiv, B 94/2/4. Hans Rochelt an Thomas Bernhard auf Briefpapier der ÖGL, 02. 02. 1970, Thomas Bernhard Archiv 29.66 B [473/2/2]. Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S.119. Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S.121f. Thomas Bernhard Archiv, B 94/2/3.
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Teil 2
143
168 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S.118. 169 Wien-Bibliothek, ZPH 1478 (LQH0244636, Sammlung Hermann Lein). 170 Siehe Anmerkung 169.
Teil 2 171 Siehe Anmerkung 121 (Staatsarchiv). 172 Erhalten sind dagegen die Einladungs-Listen für die Verleihung des Großen Staatspreises am 23. 01. 1967 (Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (AT-OeSTA/AdR UKW BMU), GZ 40.780-II/4/67) sowie die für die Verleihung des ›kleinen‹ Staatspreises eine Woche später (Österreichisches Staatsarchiv : Bundesministerium für Unterricht, Kunstsektion (AT-OeSTA/AdR UKW BMU), GZ 41.353-II/4/67). Beide Veranstaltungen fanden ebenfalls im Audienzsaal statt. Zu ersterer wurden 144 Personen geladen, zu zweiterer 154. In der gleichen Größenordnung dürfte auch die Zahl der Anwesenden am 04. 03. 1968 gelegen haben. 173 Siehe Anmerkung 120 (Thomas Bernhard Archiv). 174 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 131ff. 175 (Schaefer, 1986), S. 8. Aus dem Zusammenhang geht allerdings nicht eindeutig hervor, ob die zitierte Äußerung von Wittgenstein stammt oder vom Autor. 176 Siehe Anmerkung 133 (Bernhard, 2008), S. 276–278. 177 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 72. 178 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 75–78. Mit der »Tante« ist Bernhards Mäzenatin und »Lebensmensch« Hedwig Stavianicek (1894–1984) gemeint. 179 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 78/79. 180 »Macht der Gewohnheit«, UA Salzburg 27. 07. 1974 (gemäß den Angaben auf der Suhrkamp-Homepage). 181 Ferry Radax: »Der Italiener« (1971), als Extra: »Drei Tage« (1970). Suhrkamp Verlag/ absolut MEDIEN 2010, 29. Minute. 182 Siehe Anmerkung 86 (Brändle, 2001). 183 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996), S. 239. 184 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 356. 185 Siehe Anmerkung 241 (Rochelt 1968). 186 Nähere Informationen zur Person Jaro Schmied erhält man am ehesten beim Verein des Museums von Korneuburg, wo Schmied viele Jahre lebte; bei dessen Mitarbeitern möchte ich mich hiermit für die Unterstützung bei der Recherche bedanken. 187 Diese Auskunft erteilte mir dankenswerterweise Werner Hink, der erste Geiger des »Wiener Streichquartett«, telefonisch. 188 Siehe dazu die Darstellungen bei Rudolf Brändle (Anmerkung 86) und in den Interviews mit dem Ehepaar Lampersberg (Anmerkung 135). 189 »Selbstanzeige«, WDR-Interview Janko von Musulin – Thomas Bernhard, 1967, abgerufen unter : http://www.youtube.com/watch?v=KHXWvcnkR2c (Abgerufen 20. 03. 2014). Auch enthalten in: Krista Fleischmann: Das war Thomas Bernhard. ORF 1989.
144
Anmerkungen & Quellen
190 Siehe Anmerkung 86 (Brändle, 2001), S. 94. 191 (Kuhn, 1999), S. 7f. 192 Dies gilt mutmaßlich nicht nur für die Erwähnung von Komponisten-Namen, wie Wendelin Schmidt-Dengler schreibt: »Die Hinweise auf Autoren und Titeln sind nie mit konkreten Bezugnahmen auf Inhalte oder Positionen verbunden, so daß der Eindruck entsteht, es handle sich um eine besonders raffinierte Form des Namedroppings.« Aus dem Nachwort zu: Thomas Bernhard – Die Romane, Suhrkamp Verlag 2008, S. 1781. 193 Siehe Anmerkung 86 (Brändle, 2001), S. 87. 194 Siehe Anmerkung 135 (Fialik, 1992), S. 118. 195 Siehe Anmerkung 110 (Reich-Ranicki, 2001). 196 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 79/80. 197 »Wer ist wer« auf www.parlament.gv.at. 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 9f. 199 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 78. 200 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S. 97. 201 Siehe dazu vor allem Anmerkung 89 (Huguet, 1996). 202 (Dreissinger & Pils, 1992), S. 19–34; zitiert nach (Bayer, Fellinger, & Huber, 2010), S. 97. 203 Zum Presseecho hier nur ein Beispiel: NN: Mit Österreich fertig. Der Spiegel 27/1964, S. 80. Zur Darstellung des Ministers siehe Anmerkung 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 61–82. 204 Siehe Anmerkung 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 66. 205 Siehe Anmerkung 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 168. 206 Karl Heinz Bohrer : Des Dichters Fluch. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. 03. 1968, S. 20. 207 E.R.: Trauerspiel um eine österreichische Rede – Dank und Undank des Thomas Bernhard. Weltwoche 22. 03. 1968, S. 25. 208 Siehe Anmerkung 1 (Neues Forum, 1968). 209 Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Literatur (ohne Signatur). 210 Briefliche Mitteilung an den Autor vom 20. 08. 2012. 211 Siehe Anmerkung 144 (Standard, 2013). 212 Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S. 63 & 130. 213 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 335. 214 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 30. Diese Angabe findet sich auch auf Hennetmairs Abschrift der Rede; siehe Anmerkung 22. 215 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 2, S. 229. 216 Siehe Anmerkung 97 (Fialik, 1997), Band 3, S. 97. 217 Eckart Henscheid: Der Krypto-Komiker. In: Pardon 1973, Heft 6. 218 Siehe Anmerkung 102 (Hofmann, 2004). 219 Siehe Anmerkung 12 (Bentz, 2000), S. 44. 220 Eine Sammlung mit Bernhards (mehr oder minder skandalträchtigen) Reden, Artikeln und Leserbriefen findet sich in (Bayer, Fellinger, & Huber, 2010). Eine erweiterte Sammlung dieser Quellen ist für Band 22 der Werkausgabe zu erwarten. 221 Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 41.
Teil 2
145
222 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 289, bezugnehmend auf den sogenannten Notlicht-Skandal bei der Uraufführung von »Der Ignorant und der Wahnsinnige« 1972. 223 Ö1 Mittagsjournal, 04. 10. 1984. 224 Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S. 156. 225 Siehe Anmerkung 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 169. 226 Gerhard Aichinger : Beschimpfung des steirischen Dorfs. Südost Tagespost, 27. 03. 1968. 227 Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 66. 228 (Birkner, 2009), S. 142. 229 Thomas Bernhard Archiv 12.14/13, W94/1. 230 Siehe Anmerkung 22 (Etzlstorfer, 2013), S. 212. Auf der dort abgebildeten Abschrift der Staatspreis-Rede hat offenbar K.I. Hennetmair die Namen dreier Empfänger vermerkt: Rochelt, Kruntorad und eben Schaffler. 231 Siehe Anmerkung 22 (Etzlstorfer, 2013), S. 211 (Beitrag von Gerald Heidegger). 232 Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 65f. 233 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 81–84. 234 (Schlembach, 2010), S. 101. 235 Siehe Anmerkung 13 (ZEIT, 2009). 236 Siehe Anmerkung 8 (Goubran, 1997), S. 14. 237 Siehe Anmerkung 210 (Rohr, 2012). 238 Siehe Anmerkung 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 168f. 239 Siehe Anmerkung 73 (Spiel, 1990), S. 243. 240 Siehe Anmerkung 207 (Weltwoche, 1968). 241 Hans Rochelt: Zerstörte Idylle – Missverstandene Dankesrede des Staatspreisträgers Thomas Bernhard. Oberösterreichische Nachrichten, 05. 03. 1968, S. 8. 242 (Kurrent, 2010), S. 232f. 243 Siehe Anmerkung 73 (Spiel, 1990), S. 243. Zu dem besagten Brief siehe Teil III. 244 Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S. 143. 245 Siehe Anmerkung 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977), S. 75. 246 Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 67. 247 Siehe Anmerkung 1 (Neues Forum, 1968). 248 Siehe Anmerkung 27 (Fialik, 1991), Band 3, S. 100; Brief vom 16. 11. 1984 an Siegfried Unseld. 249 Siehe Anmerkung 8 (Goubran, 1997), S. 15. 250 Siehe Anmerkung 242 (Kurrent, 2010). 251 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 120 bzw. Anmerkung 220, S. 37. 252 Siehe Anmerkung 207 (Weltwoche, 1968). 253 Siehe Anmerkung 241 (Rochelt 1968). 254 Ina Hartwig: Hier der Scheck – Thomas Bernhards »Preise«. Frankfurter Rundschau, 10. 01. 2009. 255 Andreas Wirthenson: Schonungslose Schelte. Wiener Zeitung, 21. 02. 2009, S. E11. 256 Siehe Anmerkung 1 (Neues Forum, 1968).
146
Anmerkungen & Quellen
Teil 3 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284
285 286 287 288 289 290 291 292
Siehe Anmerkung 80 (ÖGL). (Riendeau, 2010), S. 26. Leider war der Bericht wegen des Alters der Bänder für mich nicht einsehbar. Siehe Anmerkung 24 (Mittagsjournal Ö1). N.N.: Das meint … Ihr Schirmherr. Oberösterreichische Nachrichten, 06. 03. 1968, S. 9 (Film-Funk-Fernsehen.). Siehe Anmerkung 97 (Fialik, 1997), Band 3 (Gespräche mit Freunden), S. 74. Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 61. Siehe Anmerkung 22, S. 211 (Beitrag von Gerald Heidegger). Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 30. Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000). Siehe Anmerkung 95 (Bernhard, 1981), S. 63. Siehe Anmerkung 97 (Fialik, 1997), Band 3 (Gespräche mit Freunden), S. 75. Siehe Anmerkung 241 (Rochelt 1968). Siehe Anmerkung 261 (OÖ. Nachrichten, 1968). Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 85. N.N.: So »dankt« ein Staatspreisträger : Beschimpft Österreich! Wiener Montag, 11. 03. 1968, S. 1. L.W., Wien XVII: Staatspreisträger. Wiener Montag, 18. 03. 1968. ub.: Triumph des Abnormalen? Rieder Volkszeitung, 14. 03. 1968. ECH: Literarischer Schauplatz Ungenach. Vöcklabrucker Wochenspiegel, 14. 03. 1968. l. Öhler : Worte der Qual. Kurier, 06. 03. 1968. Olscher : Zwischen Melancholie und Hoffnung. Arbeiter-Zeitung, 05. 03. 1968, S. 8. Oberösterreichische Nachrichten, 16. 03. 1968, S. 9 (Kultur & Kritik). Oberösterreichische Nachrichten, 20. 03. 1968, S. 9 (Wie man hört). Siehe Anmerkung 70 (Kleine Zeitung, 1968). Dietmar Grieser : Der Heimat treue Hasser. Frankfurter Rundschau, 19. 03. 1968. Siehe Anmerkung 207 (Weltwoche, 1968). Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 66. (Fellinger & Huber, 2013), S. 101 (Nachwort). Das Zitat bezieht sich auf die Korrespondenz der beiden Autoren, die also »einen der Lieblingstopoi der Bernhardschen Selbst- und Fremddarstellung widerlegt […]« (S. 100). Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 67f. Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 70f. (Schütte, 2010), S. 117. Siehe Anmerkung 43 (Bernhard & Unseld, 2009), S. 73. Angaben auf der Homepage des Suhrkamp Verlages: http://www.suhrkamp.de/auto ren/karl_heinz_bohrer_484.html (Abgerufen am 20. 03. 2014). Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S. 151. Siehe Anmerkung 133 (Bernhard, 2008), S. 349. Dabei spricht Bohrer Bernhard den Prix Charles Veillon zu, den der Autor nie erhielt. Da die Informationen von Unseld kamen, verwundert dieser Fehler. Womöglich war hier der Wunsch der Vater des Gedankens.
Teil 3
147
293 Siehe Anmerkung 206 (Bohrer, 1968). 294 Siehe Anmerkung 220 (Bayer, Fellinger, & Huber, 2010), S. 33 und die zugehörigen Anmerkungen. 295 Salzburger Nachrichten, 17. 04. 1968 (Meinung unserer Leser). 296 Archiv der Österreichischen Gesellschaft für Literatur (ohne Signatur). 297 Siehe Anmerkung 284 (Fellinger & Huber, 2013). 298 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 99. 299 Thomas Bernhard Archiv 618/2/1. 300 Siehe Anmerkung 1 (Neues Forum, 1968). 301 »Staat einer Rede für den Anton Wildgans-Preis 1968 der Österreichischen Industriellenvereinigung«, datiert auf den 21. 03. 1968, Thomas Bernhard Archiv, SL 576, W94/2. 302 Siehe Anmerkung 89 (Huguet, 1996). 303 Thomas Bernhard Archiv 618/2/2. 304 Siehe Anmerkung 31 (Bernhard, 2010), S. 87f. 305 Siehe Anmerkung 299 (Bernhard Archiv). 306 Siehe Anmerkung 296; die im Archiv der ÖGL liegende Kopie des Schreibens ist nicht unterzeichnet. 307 Gerhard Fritsch: Thomas Bernhard – Träger des Anton-Wildgans-Preises 1967. Die Industrie 12/1968 (22. März), S. 15f. 308 (Hennetmair, 1994), S. 93 & 105. 309 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 212. 310 Siehe Anmerkung 42 (Presse, 2012). 311 Siehe Anmerkung 42 (Presse, 2012). 312 Am 14. 02. 1981 schrieb Bernhard an Kraus: »ich hatte ein paar turbulente Tage insofern, als in den letzten Monaten meine vor genau dreizehn Jahren zum Stillstand gekommene Krankheit (deretwegen Sie auf der Baumgartnerhöhe gewesen waren seinerzeit!) wieder lebendig geworden ist und die wir nun mit Cortison, wie seinerzeit, zu vertreiben versuchen.«; ÖLA, Signatur 63/ L103. 313 Siehe Anmerkungen 278 und 279 (OÖ. Nachrichten, 1968). 314 hds: Preisverleihung an Thomas Bernhard: Ein österreichisches Trauerspiel. Kärntner Zeitung, 12. 04. 1968. 315 N.N.: Anfrage über Ruhm. Salzburger Nachrichten, 25. 04. 1968. 316 (Moritz, 1992). 317 (Kramml, 2002), S. 339. 318 Protokoll der 10. Sitzung der 5. Gesetzgebungsperiode des Salzburger Landtages, 24. 04. 1968, S. 586f. 319 Siehe Anmerkung 318, S. 666f. 320 Siehe dazu die Darstellung in 198 (Piffl-Percˇevic´, 1977). 321 Bundesministerium für Unterricht und Kunst: Kunstbericht 1970–71, S. 4. 322 Siehe Anmerkung 287 (Schütte, 2010), S. 108. 323 Siehe Anmerkung 82 (Fialik, 1991), S. 11. 324 Michael Beckert: Wovon sie reden. Saarbrücker Zeitung, 19. 10. 1970. Ein ähnlicher Tenor herrscht in anderen Artikeln zum gleichen Anlass vor; etwa: Georg Böse: Keine festliche Literatur. Rheinische Post, 19. 10. 1970; ebenso Hannoversche Allgemeine, 20. 10. 1970.
148
Anmerkungen & Quellen
325 Abgerufen auf der Österreichischen Mediathek, jm-701017_b_k02.mp3, http://www. mediathek.at/atom/06B25524-12B-002CB-00000284-06B15164 (Abgerufen am 29. 07. 2015). 326 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 72. 327 Siehe Anmerkung 152 (Laßl, 1973), S. 51f. 328 Siehe Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 95f. Demnach hätten Bernhard und Laßl sich bereits seit 1952 gekannt, wenn im Jahre 1972 ersterer auf letzteren auch nicht immer gut zu sprechen war. 329 (Hoell, 2003), S. 89. 330 Paul Jandl: Thomas Bernhards Wut ist heute allgegenwärtig. WELTonline 20. 05. 2013 (http://www.welt.de/116311216; abgerufen am 18. 08. 2015). 331 Diese »Lesung mit szenischen Einsprengseln« wurde u. a. am Salzburger Landestheater gezeigt: http://www.salzburger-landestheater.at/de/produktionen/meine-prei se.html/m=98& ID_Spielzeit=3; abgerufen am 18. 08. 2015.
Fazit 332 Siehe die Sammlung an Zeitungsausschnitten dazu im Nachlass von Hilde Spiel, Österreichisches Literaturarchiv. 333 (Pecka, 2009), S. 62. 334 Jean-Louis de Rambures: Ich bin kein Skandalautor. In: Siehe Anmerkung 202, S. 122. 335 Siehe Anmerkung 149 (Billenkamp, 2009), S. 38. 336 Siehe Anmerkung 20 (Fischer, 1994). 337 Siehe Anmerkung 22 (Etzlstorfer, 2013), S. 211 (Beitrag von Gerald Heidegger). 338 N.N.: Die Garbo heißt Thomas. Kurier, 04. 11. 1972; zitiert nach Anmerkung 7 (Hennetmair, 2000), S. 480. 339 Siehe Anmerkung 207 (Weltwoche, 1968).
Nachwort 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350
Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S. 143. (Schmied & Schmied, 2008). Siehe Anmerkung 42 (Presse, 2012). Siehe Anmerkung 181. Siehe Anmerkung 5. Siehe Anmerkung 9 (Mittermayer, 2015), S. 10. http://www.suhrkamp.de/buecher/wittgensteins_neffe-thomas_bernhard_45842. html (Abgerufen 20. 03. 2014). Gerrit Bartels: Sie haben mir auf den Kopf gemacht. Der Tagesspiegel Nr. 20139, 10. 01. 2009, S. 19 (Kultur). Siehe Anmerkung 30 (Schmied W. , 2014), S. 147. Siehe Anmerkung 287 (Schütte, 2010), S. 54. (Ricoeur, 1994), S. 139–201.
Literatur
351 (Marguerat, 2011), S. 24.
Literatur 352 Siehe Anmerkung 287 (Schütte, 2010), S. 114.
149
Namensregister Thomas Bernhard ist nicht extra aufgeführt.
Bachmann, Ingeborg 21, 44 Bayr, Rudolf 28 Benesch, Kurt 62 Bentz, Oliver 62 Berg, Alban 43f., 49, 53, 55 Bohrer, Karl Heinz 90 Botond, Anneliese 89 Brändle, Rudolf 53, 56 Brunmayr, Hans 24f., 30, 40, 42, 47, 58, 70, 88 Canetti, Elias
41f.
Doderer, Heimito von 43 Doppelbauer, Josef Friedrich 16, 40f., 80, 82, 86 Ebner, Jeannie
34, 36, 48
Fabjan, Emil 32, 38 Fabjan, Peter 23f., 29, 32f., 37f., 98, 107, 111, 115, 120 Fellinger, Raimund 42 Fialik, Maria 20, 31, 37, 42, 46, 58, 80 Freumbichler, Johannes 31–33, 103 Frisch, Max 36 Fritsch, Gerhard 24, 29, 92f., 96f. Fussenegger, Gertrud 34–36 Gratz, Leopold
102
Handke, Peter 26, 63, 112 Haushofer, Marlen 28, 34f.
Hennetmair, Karl Ignaz 30, 32f., 53, 61f., 64, 79, 88, 98, 105, 109 Henz, Rudolf 51, 66, 69, 71f., 80, 95, 120 Hesse, Hermann 36 Hoell, Joachim 44, 105, 116 Hofmann, Kurt 34, 62 Holzinger, Alfred 25–29, 34f., 38, 58, 67, 107, 112 Hrdlicka, Alfred 16, 40f., 80, 82, 86 Huguet, Louis 31, 116 Hundertwasser, Friedensreich 63–65, 82f., 90, 112 Jandl, Hermann
36
Kaindl-Hönig, Max 100 Karajan, Herbert von 59, 71 Kehlmann, Daniel 28 Kleinwächter, Friedrich 17 Klingenberg, Gerhard 40 Kolleritsch, Alfred 26, 47 Kraus, Wolfgang 23, 25–27, 29–31, 34–39, 46–48, 57f., 62, 67, 72, 79, 87, 92f., 96– 98, 107, 111f. Krolow, Karl 28 Kruntorad, Paul 64, 71, 79, 89 Kurrent, Friedrich 69f., 72, 120 Lampersberg, Gerhard 55 Laßl, Josef 79, 81, 103–105 Lebert, Hans 16, 41–45, 47–50, 52f., 56, 80, 108, 110, 113 Lechner, Hans 101
152 Lein, Herrmann 24, 37f., 58, 70, 88 Leitner, Thea 32f. Lernet-Holenia, Alexander 63, 71 Mack, Lorenz 36 Marginter, Peter 35, 47 Marx, Joseph 43, 49f., 53–56, 80 Mayer-Gunthof, Josef 96f. Mock, Alois 104 Okopenko, Andreas 35f. Peymann, Klaus 104 Piffl-Percevic, Theodor 16, 19, 39, 42, 50f., 56f., 59f., 62, 68–71, 80, 82, 84, 86f., 95, 97, 99, 102, 105f., 109, 113, 121 Pillhofer, Josef 16, 40f., 80, 82, 86 Reich-Ranicki, Marcel 9, 44, 56, 90 Ricœur, Paul 117 Riemerschmid, Werner 25 Rismondo, Piero 93 Rochelt, Hans 43, 46, 48, 53f., 64, 69, 72, 78–81, 85, 95, 104, 108, 110, 119, 121 Rohr, Elfriede 16, 40f., 61, 68f., 73, 75, 78, 80, 82, 86 Ruiss, Gerhard 21, 42, 68
Namensregister
Schaffler, Wolfgang 64, 79 Scharang, Michael 47 Schmied, Jaro 49f., 54, 121 Schmied, Wieland 61, 63, 70, 115f. Sebestyen, György 35 Spiel, Hilde 23, 25–27, 29, 34f., 38, 47, 57f., 67, 69–71, 73, 77f., 107, 112f., 120 Stavianicek, Hede 62, 107, 109f. Stolz, Robert 71 Stuppäck, Hermann 28 Unseld, Siegfried 36, 42, 63–65, 71, 79f., 88–91, 95, 104, 109, 112f. Waldstein, Wilhelm 58 Weigel, Hans 32, 47f. Weikert, Alfred 36 Wildgans, Anton 92 Wimberger, Gerhard 16, 40f., 61, 78, 80, 82, 86 Wittgenstein, Paul 50, 55, 70, 110, 116, 119 Wussow, Klausjürgen 42, 50, 56 Zand, Herbert 29, 69 Zemme, Oskar 21 Zuckmayer, Carl 33, 77