Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung [1 ed.] 9783428504466, 9783428104468

Das Bergrecht ist ein traditionelles Rechtsgebiet. Es scheint ausschließlich auf die Bedürfnisse des Rohstoffabbaus zuge

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German Pages 112 Year 2001

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Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung [1 ed.]
 9783428504466, 9783428104468

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WALTER FRENZ

Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 841

Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung

Von

Walter Frenz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Frenz, Walter: Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung / Walter Frenz. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 841) ISBN 3-428-10446-3

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10446-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Das Bergrecht ist ein traditionelles Rechtsgebiet. Es scheint ausschließlich auf die Bedürfiiisse des Rohstoffabbaus zugeschnitten zu sein. Diese Sicht greift jedoch zu kurz. Schon in der Zweckvorschrift schimmern Elemente des Nachhaltigkeitsgedankens durch, der mittlerweile die Diskussion gerade im Energiebereich stark prägt. Auch die Untersuchung der den Rohstoffabbau ordnenden Vorschriften zeigt, daß diese durchaus im Sinne des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung ausgelegt und gehandhabt werden können. Es wird im einzelnen untersucht, inwieweit, ausgehend von der Zweckvorschrift, der Nachhaltigkeitsgedanke in die Bestimmungen über Bergbauberechtigungen, Betriebsplanverfahren und die bergbaubezogene Umweltverträglichkeitsprüfung hineingelesen werden kann bzw. vom Gehalt her verankert ist. Einflüsse erwachsen insbesondere auch aus dem Raumordnungsrecht, das in der Studie „Sustainable Development durch Raumplanung" (SÖR 828) gesondert untersucht wurde. Insgesamt ergibt sich, daß das Bergrecht ein moderneres Recht darstellt, als es seine lange Tradition vermuten läßt. Wesentliche Anstöße vermittelte dieser Studie die Mitwirkung am von der DFG geforderten Sonderforschungsbereich 525 „Ressourcenorientierte Gesamtbetrachtung von Stoffströmen metallischer Rohstoffe". Mein besonderer Dank gilt Herrn Henning Bode, der mit viel Engagement und großer Sachkunde mitgewirkt hat. Frau Claudia Schütt, M.A., formatierte wiederum das Buch mit Sorgfalt und Präzision. Aachen, im Oktober 2000 Walter Frenz

Inhaltsverzeichnis §1

§2

Grundlagen

11

Α. Nachhaltige Entwicklung B. Ansatzpunkte für eine einzelfallbezogene Verwirklichung im Bergrecht I. Planung als Hintergrund II. Die Zweckvorschrift des § 1 BBergG 1. Allgemeine Funktion 2. Herkömmliches Verständnis a) Übergewicht ökonomischer Interessen b) Zeitliche Komponente der Rohstoffsicherung - Ansätze im Bergrecht c) Umsetzung 3. Interpretation im Lichte des Nachhaltigkeitsgedankens

11 12 12 14 14 15 15

Konzessionen

21

A. B. C. D.

21 22 23 24 24 27 28 29 29

Einordnung und behördlicher Entscheidungsspielraum System der Versagungsgründe nach § 11 BBergG Defizitäres Arbeitsprogramm als Versagungsgrund, § 11 Nr. 3 BBergG Lagerstättenschutz als Versagungsgrund, § 11 Nr. 9 BBergG I. Zeitliche Aspekte, insbesondere „In-situ-Konzepte" II. Volkswirtschaftliche Aspekte III. Mit dem Lagerstättenschutz konfligierende Abbauvorhaben IV. Zwischenergebnis V. Berücksichtigung weltweiter Vorräte E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen, § 11 Nr. 10 BBergG (i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 BBergG) I. Öffentliche Interessen als Einfallstor für außerbergrechtliche Belange II. Feldbezug als Begrenzung? III. Bergrechtliche und außerbergrechtliche öffentliche Interessen in der Abwägung 1. Partielle Wirkung des Nachhaltigkeitsgedankens über die Zweckvorschrift des § 1 BBergG (i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG) 2. „Mediatisierte" Wirkung des Nachhaltigkeitsgedankens über die Abwägung mit außerbergrechtlichen Belangen

16 16 17

32 32 34 35

37 37

Inhaltsverzeichnis

8

IV. Absicherung durch Nebenbestimmungen 41 V. Zwischenergebnis 42 F. Verbote und Beschränkungen durch den Nachhaltigkeitsgrundsatz konkretisierende andere Vorschriften nach § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG 44 G. Frage der „Reaktivierung" von § 48 Abs. 2 BBergG fur außerbergrechtliche Belange auf dieser Ebene 48 §3

Betriebsplan prüfung

ohne

Planfeststellungsverfahren/Umweltverträglichkeits50

A. Vorsorge gegen Gefahren fur Leben und Gesundheit, § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG 50 B. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß, § 55 Abs.l Nr. 7 BBergG 51 I. § 55 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG als „Öffnungsklausel" 51 1. Verhältnis zum naturschutzrechtlichen Ausgleichsgebot 52 2. Verbindung zur nachhaltigen Entwicklung 54 II. Zu beachtende öffentliche Interessen im einzelnen 57 1. Zum Begriff „Wiedernutzbarmachung" 57 2. Das öffentliche Interesse nach § 4 Abs. 4 BBergG 58 3. Keine unbesehene Auffüllung aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften 59 4. Bauplanungsrechtliche Aussagen 59 5. Erfordernisse der Raumordnung 60 6. Naturschutz und Landschaftspflege, Flächennutzungspläne 62 7. Resümee 63 C. Kein Erwarten von gemeinschädlichen Einwirkungen, § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG 63 I. Der Begriff „Gemeinschaden" 64 1. „Abwägungstheorie" 65 2. Einbeziehung der Kasuistik 67 3. § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG als überflüssige Vorschrift 68 4. „Theorie der absoluten Gemeinschaftsgüter" 70 II. Zwischenergebnis 71 D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen nach § 48 Abs. 2 BBergG 71 I. Allgemein zum Verhältnis von § 48 Abs. 2 und § 55 Abs. 1 BBergG... 71 II. Begrenzung der nach § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zu berücksichtigenden „öffentlichen Interessen" 72 1. Geltung des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG „unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften" 73 2. Niederschlag in öffentlich-rechtlichen Verboten und Beschränkungen? 74 III. Absicherung durch Nebenbestimmungen 79 i

Inhaltsverzeichnis 1. Nachträgliche Auflagen 79 2. Nebenbestimmungen bei der Erteilung der Betriebsplanzulassung 80 §4

Bergbauliche Planfeststellung/ Umweltverträglichkeitsprüfung

81

A. Allgemeines I. Einordnung der bergrechtlichen Planfeststellung II. Zielbeachtenspflicht gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ROG B. Erweiterung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte durch Einführung der UVP-pflichtigen Betriebsplanzulassung? C. Ökologisch-integrativer Ansatz der UVP-RL, seine Umsetzung im Bergrecht und der ökologisch-integrative Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens I. Kontrollerlaubnisse und ökologisch-integrative Sichtweise des § 2 Abs. 1 S.2UVPG II. Medienübergreifender Ansatz des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung III. Medienübergreifende Sichtweise bei der bergrechtlichen Planfeststellung D. Verknüpfung von Rahmenbetriebsplan und UVP I. Parallelen zum Nachhaltigkeitsgedanken 1. Präventivfunktion 2. Umfassender Ansatz II. Fazit

81 82 83 85

86 87 88 89 94 95 96 97 97

Thesen

100

Literaturverzeichnis

104

§ 1 Grundlagen Α. Nachhaltige Entwicklung Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung ist, ausgehend von der völkerrechtlichen Entwicklung, zu einem zentralen Leitgedanken des Umweltrechts und der Rohstoffbewirtschaftung geworden.1 In der wissenschaftlichen Diskussion und in politischen Erklärungen seit längerem verankert,2 wurde dieser Grundsatz nunmehr auch durch den Amsterdamer Vertrag sowohl europarechtlich,3 namentlich in Art. 2 EU, Art. 2 EG sowie in der Querschnittsklausel des Art. 6 EG4, als auch im nationalen Bauplanungs-5 und Raumordnungsrecht6 fixiert. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 ROG müssen auch die Bedürfnisse künftiger Generationen gewahrt sowie ökonomische, ökologische und soziale Belange miteinander versöhnt werden. Einigkeit herrscht mittlerweile jedenfalls insoweit, als diese drei Determinanten des Nachhaltigkeitsgedankens abstrakt gleichberechtigt nebeneinander stehen.7 Dies läßt sich auch aus der grundgesetzlichen Verfassungsordnung ableiten.8

1 Vgl. dazu Streinz, Die Verwaltung 31 (1998), S. 449 ff.; Hohmann, NVwZ 1993, S. 311 ff.; Schröder, WiVerw. 1995, 65 ff.; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 1 Rn. 64 ff, 133 sowie eingehend Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, passim. 2

Vgl. die Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung (Rio Deklaration, abgedruckt in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder, JUTR 1993, S. 411 ff.); Agenda 21 (dt. Übersetzung der Agenda 21, in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente). 3

Dazu Frenz/Unnerstall,

4

Vgl. dazu Calliess, DVB1. 1998, S. 559 ff.

Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, S. 153 ff.

5

Vgl. § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB. Dazu neben den einschlägigen Kommentierungen etwa Bunzel, NuR 1997, S. 583 ff.; Mitschang, DÖV 2000, S. 14 ff.; Kuschnerus, ZfBR 2000, S. 15 ff. 6

Vgl. § 1 Abs. 2 ROG. Dazu stellvertretend Erbguth, DÖV 1998, S. 673 ff.; ders., DVB1. 1999, S. 1082 ff. 7

Vgl. insbesondere die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zu § 1 Abs. 2 ROG, in: BT-Drucks. 13/66392, S. 79 sowie Runkel, UPR 1997 1 (2) und

§ 1 Grundlagen

12

Β. Ansatzpunkte für eine einzelfallbezogene Verwirklichung im Bergrecht Das Bundesberggesetz enthielt in seiner ursprünglichen Fassung keinerlei Konzentrationswirkung. Damit war das Erfordernis einer Vielzahl von Genehmigungen und Zulassungen für die Realisierung bergbaulicher Vorhaben und damit eng verbunden die Problematik paralleler Genehmigungsverfahren 9 dem Grunde nach im Bundesberggesetz angelegt. Indes wurden Aspekte des Umweltschutzes vom Gesetzgeber bei Erlaß des Bundesberggesetzes nicht völlig außer Acht gelassen, wie insbesondere die Regelung in § 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBergG zur Sicherung der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche während und nach der Gewinnung belegt.10 Sonstige umweit- und planungsrechtliche Regelungen blieben zunächst außen vor, was darauf schließen läßt, daß eine prinzipielle Trennung von Bergrecht einerseits und Umwelt- und Planungsrecht andererseits beabsichtigt war.11

I. Planung als Hintergrund Damit waren umweit- und planungsrechtliche Einflüsse allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen, konnten und können diese Belange doch zumindest teilweise über sog. Öffhungsklauseln, d.h. generalklauselartig gefaßte unbestimmte Rechtsbegriffe in die bergrechtlichen Konzessions- und Betriebsplanverfahren Eingang finden und auf diese Weise einzelfallbezogen wirken. Für den Bergbau relevante, regelmäßig mittelbar wirkende Planungen sind insbe-

NuR 1998, 449 (450); Erbguth, DVB1. 1999, 1082 (1084); Mitschang, DÖV 2000, 14

(16). 8

Näher Frenz, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder, JUTR 1999, S. 37 ff.; ähnlich Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 110 ff. Anders Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20a Rn. 101. 9

Vgl. dazu etwa Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 218 ff.; ausführlich Jarass, Konkurrenz, Konzentration und ΒindungsWirkung von Genehmigungen, S. 68 ff. 10

Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucks. 8/1315, S. 67, wo mit Blick auf die zunehmende Bedeutung des Umweltschutzes die Notwendigkeit einer bergrechtlichen Regelung zur Sicherung der Wiedernutzbarmachung der Erdoberfläche hervorgehoben wird. 11

Siehe auch Büllesbach, Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen, S. 70, der als Gründe hierfür die damalige Sorge um eine Verknappung der Rohstoffe und den Eindruck, den die beiden Ölkrisen der siebziger Jahre hinterlassen hatten, nennt.

Β. Ansatzpunkte fur eine einzelfallbezogene Verwirklichung im Bergrecht

13

sondere die örtliche Bauleitplanung und die überörtliche Raumplanung.12 Ihre Bedeutung für die Bodenschätzegewinnung ist deshalb sehr groß, weil sich bislang kein spezifisches bundesweites Fachplanungsgesetz dem volkswirtschaftlich bedeutsamen Belang der Sicherung und Ordnung der Bodenschätzegewinnung in seiner Gesamtheit angenommen hat. Das BBergG regelt zwar die für das Aufsuchen und den Abbau von Bodenschätzen erforderlichen Genehmigungs-, Konzessions- und Zulassungsverfahren. Damit trifft es aber nur Aussagen zur Zulässigkeit von konkreten Vorhaben, ist in seinen Wirkungen aber nur punktuell wirksam, ohne seinerseits (raum-)planerische Zielsetzungen zu initiieren13. Daher hat Berkemann 14 zutreffend hervorgehoben, daß der in § 1 Nr. 1 BBergG vorgesehene, mithin von der Zweckvorschrift des BBergG intendierte, langfristig vorsorgende Lagerstättenschutz mangels weiterer planungsrechtlicher Instrumentalisierung einer abwägungsbezogenen Entscheidung anderer Verfahren überantwortet bleibt. Daß Maßnahmen zur vorsorgenden Rohstoffsicherung von einem im Verhältnis zum vorhabenbezogenen Blickwinkel der bergrechtlichen Verfahren übergeordneten Standpunkt aus betrachtet werden müssen und demzufolge v.a. dem Aufgabenkreis der Raumordnung unterfallen, war bereits dem Gesetzgeber bewußt.15 Insoweit kommen v.a. die entsprechenden zielformigen Planaussagen der Raumordnungspläne zur Entfaltung, welche beispielsweise über die Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB oder im Außenbereich über § 35 Abs. 3 S. 2,16 3 17 BauGB auf die kommunale Bauleitplanung bzw. tiefergehend auf die Bodenschätzegewinnung sowohl positiv als auch negativ steuernd einwirken (können). Schließlich enthält § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG eine unmittelbare Zielbeachtenspflicht für privatnützige Planfeststellungen wie etwa die wasserrechtliche Planfeststellung bei Vorhaben der Naßauskiesung.18

12

Vgl. zur Bedeutung der Bauleitplanung und der Raumplanung für die Bodenschätzegewinnung Schulte, Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 79 ff., 133 ff.; Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 59 ff., 141 ff.; Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 85 ff., 103 ff; Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 142 f. 13

So Berkemann, DVB1. 1989, 625 (625).

14

Berkemann, DVB1. 1989, 625 (625).

15

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum BBergG, BTDrucks. 8/1315, S. 67. 16

Dazu Hoppe, DVB1. 1993, 1109 ff.

17

Dazu Runkel, DVB1. 1997, 275 ff. sowie im Zusammenhang mit der bergbaulichen Planfeststellung Hoppe/Spoerr, UPR 1999, 246 ff. 18

Vgl. dazu Runkel, ZfBR 1999, 3 (5); Hoppe/Spoerr,

UPR 1999, 246 ff.

§ 1 Grundlagen

14

Es fragt sich demnach, inwieweit die Öffnung des Bundesberggesetzes in Richtung einer zunehmenden Berücksichtigung außerbergrechtlicher, vor allem umweit- und planungsrechtlicher Belange dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung Rechnung trägt bzw. inwieweit die bergrechtlichen Bestimmungen als „Einfallstor" für diesen Grundsatz oder von diesem geprägte Planaussagen dienen können und ggf. welche daraus abzuleitenden Leitlinien und Grenzen des Rohstoffabbaus das Bergrecht beinhaltet. Dieser Blickwinkel darf allerdings nicht den Ausgangspunkt, nämlich die Regelung des Bundesberggesetzes, überdecken. Sie bildet, wie noch im einzelnen zu zeigen ist, die Grundlage dafür, daß umweit- und planungsrechtliche Vorschriften im Rahmen bergrechtlichen Konzessionen beachtet werden können. Dies ist aber nur in dem Maße notwendig, wie das Bundesberggesetz nicht bereits selbst nachhaltigkeitsgerechte Elemente enthält. Zugleich ist dieses Gesetz umso eher offen für dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung entsprechende Vorgaben aus anderen Normierungen, je stärker es selbst mit dem Sustainable-Development-Gedanken harmoniert. Dann entstehen auch weniger Konflikte durch das Einströmen von rechtlichen Determinanten aus anderen Normierungen in das Bergrecht. Dies wird daher zunächst erörtert, bevor auf die Gemengelage mit und die Ergänzung durch Umwelt- und Planungsregelungen eingegangen wird.

II. Die Zweckvorschrift des § 1 BBergG 1. Allgemeine Funktion Der in § 1 BBergG definierte Zweck des Bundesberggesetzes fungiert als gesetzgeberische Auslegungsregel,19 ohne indes unmittelbare Rechte und Pflichten des Bürgers zu begründen.20 Gleichwohl kann diese Vorschrift einen eigenständigen Regelungsgehalt entfalten, 21 etwa bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen oder bei der abwägenden Auflösung von Interessenskollisionen. Hierbei muß die Bergbehörde den Zweck des Gesetzes mit berücksichtigen.22

19

Vgl. hierzu Boldt/Weller,

20

Boldt/Weller,

21

Piens/Schulte/Graf

22

BBergG, § 1 Rn. 2.

BBergG, § 1 Rn. 5. Vitzthum, BBergG, § 1 Rn. 7.

Vgl. Jarass, BImSchG, § 1 Rn. 1, zu der vergleichbaren Zweckbestimmung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.

Β. Ansatzpunkte fur eine einzelfallbezogene Verwirklichung im Bergrecht

15

2. Herkömmliches Verständnis a) Übergewicht ökonomischer Interessen Vor Einfügung der sogenannten Bodenschutzklausel durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.199023, wonach die Ordnungs- und Förderungsaufgabe des § 1 Nr. 1 BBergG zur Sicherung der Rohstoffversorgung nunmehr unter Berücksichtigung eines „sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden" erfolgen soll, war die Zweckbestimmung vor allem durch wirtschaftliche und sicherheitsrechtliche Aspekte geprägt. So wurde die Sicherung der Rohstoff-, insbesondere der Energieversorgung als ein „von der Politik des Gemeinwesens unabhängiges absolutes Gemeinschaftsgut" bezeichnet.24 Auch Hoppe 25 hat unter Berufung auf den Wortlaut der Rohstoffsicherungsklausel, die Zweckvorschrift des § 1 Nr. 1 BBergG und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 26 die Ansicht vertreten, daß dem Bergbau gegenüber anderen Belangen ein absoluter Vorrang zukommt. Etwas restriktiver äußerte sich dagegen das Bundesverwaltungsgericht in der sog. Altenberg-Entscheidung.27 Dort ging es um die Frage, ob und inwieweit Gemeinden mittels bauplanerischer Festsetzungen die Einrichtung von baulichen Anlagen, die einem Bergbaubetrieb dienen, verhindern können. In diesem Zusammenhang wies das Gericht darauf hin, daß das Bundesberggesetz, insbesondere die §§ 1 Nr. 1, 48 Abs. 1 S. 2 BBergG Vorhaben zur Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen „wegen deren Standortgebundenheit und wegen eines Interesses der Allgemeinheit an deren Verwirklichung eine bestimmte Vorrangstellung gegenüber anderen Interessen einräume".28

23

BGBl. I S. 215, ebenfalls abgedruckt in ZfB (131) 1990, 85 ff.

24

Siehe Boldt/Weller,

BBergG, § 1 Rn. 1.

25

Hoppe, Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer" und bergbauliche Berechtigungen, S. 56 ff.; ders., DVB1. 1987, 757 (761 f.); zustimmend Peters, DVB1. 1988, 227 (228). Diese Ansicht wurde freilich vor der Ergänzung des § 1 Nr. 1 BBergG um die Worte „bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden" vertreten. 26

Das BVerfGE 30, 292 (323) hat die Sicherheit der Energie- und Rohstoffversorgung als ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges bzw. absolutes Gemeinschaftsgut eingestuft, und dies unabhängig von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens. 27 28

ΒVerwG 74, 315 ff. Β VerwG 74, 315 (318), Hervorhebung des Verfassers.

§ 1 Grundlagen

16

b) Zeitliche Komponente der Rohstoffsicherung Ansätze im Bergrecht Die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Rohstoffe ist angesichts ihrer Begrenztheit und ihrer Bedeutung für die Wirtschaft ein gewichtiger öffentlicher Belang. Dem Rechnung tragend wird im Regierungsentwurf zum Bundesberggesetz29 hervorgehoben, daß der in § 1 Nr. 1 BBergG genannte Lagerstättenschutz auch als Beitrag zur optimalen Nutzung der heimischen Ressourcen im Hinblick auf ihre unwiederbringliche Substanz diene. Davon erfaßt wird nicht nur der Schutz einer Lagerstätte vor Raubbau, sondern auch vor sonstigen Beeinträchtigungen, die dem Ordnungs- oder dem Förderauftrag des § 1 Nr. 1 BBergG entgegenstehen.30 Der in § 1 Nr. 1 BBergG enthaltene rohstoffbezogene Sicherungs- und Schutzgedanke enthält für sich gesehen keine zeitliche Einschränkung. Die vom Bundesberggesetz intendierte Sicherung der Rohstoffversorgung und der Aspekt des Lagerstättenschutzes lassen aber den Schluß zu, daß der Gesetzgeber einen langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutz anvisiert bzw. bezweckt hat.31

c) Umsetzung Als raumbedeutsame Maßnahme steht der Rohstoffabbau in Konkurrenz zu anderen raumbeanspruchenden Maßnahmen. Für die daraus resultierende Notwendigkeit nach einem Abgleich mit konkurrierenden Belangen, beispielsweise solchen des Städtebaus, des Straßenbaus, der Landwirtschaft sowie allgemein mit Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes fehlt es indes an einem spezifisch bergrechtlichen Instrumentarium zur planerischen Lenkung der Bodenschätzegewinnung.32 Dies gilt jedenfalls insoweit, als es um eine planmäßige Steuerung der Gewinnung von Bodenschätzen in einem bestimmten Planungsraum geht. Denn das bergrechtliche Berechtsams- bzw. Zulassungsverfahren ist stets auf ein konkretes Abbauvorhaben bezogen. Dem vorgelagert vermögen die Instrumente des Bundesberggesetzes nur eingeschränkt zu greifen. Eine Möglichkeit zum vorsorgenden Schutz von Lagerstätten, die für die Aufsuchung oder Gewinnung von Rohstoffen zur Versorgung des Marktes in Anspruch genommen werden sollen, ist die Festsetzung von Baubeschränkungsgebieten nach § 107 BBergG. Ihre Festsetzung hat zur Folge, daß bauliche Anlagen nicht ohne vorherige Zustimmung des Bergamtes errichtet oder geändert werden dür29

BT-Drucks. 8/1315, S. 67 (74) = ZfB 122 (1981), 94 (106).

30

Vgl. Boldt/Weller,

31

Ebenso Berkemann, DVB1. 1989, 625 (625).

32

Berkemann, DVB1. 1989, 625 (625 f.).

BBergG, § 1 Rn. 2.

Β. Ansatzpunkte fur eine einzelfallbezogene Verwirklichung im Bergrecht

17

fen, § 108 Abs. 1 BBergG. Dieses Instrument zur Sicherung bergbaulicher Interessen entfaltet jedoch seine Wirkung nach § 107 Abs. 1 S. 2 BBergG nur dann, wenn die Realisierung eines Abbauvorhabens innerhalb von 15 Jahren zu erwarten ist, sich die Durchführung des Vorhabens also bereits hinreichend konkret abzeichnet.33 Damit ist diese Möglichkeit zur planerischen Sicherung zeitlich auf einen Zeitraum von maximal fünfzehn Jahren und inhaltlich auf bauliche Anlagen begrenzt. Deshalb bleibt die Umsetzung eines langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutzes und damit eine gezielte Sicherung und Ordnung der Bodenschätzegewinnung auch auf planerische Instrumente angewiesen, so läßt sich das Ziel als solches dem Berggesetz entnehmen. Flankierende Bedeutung erlangt daher der in § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG enthaltene Auftrag an die Träger der Raumordnung für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen. Obliegt diesen damit die Grobsteuerung konfligierender Belange, so sind andere Einwirkungsstellen für das Einströmen des dreidimensionalen Nachhaltigkeitsgedanken in das Bergrechtsregime allerdings nicht per se ausgeschlossen, zumal wenn auch die Zweckvorschrift des § 1 BBergG im Sinne eines langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutzes zu verstehen ist.34

3. Interpretation

im Lichte des Nachhaltigkeitsgedankens

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG ist die Sicherung der Rohstoffversorgung langfristig zu verstehen. Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, indem diese von einer „vorsorgenden Sicherung" spricht. Zum anderen bestimmt § 2 Abs. 1 ROG die in § 1 Abs. 2 ROG normierte Leitvorstellung einer nachhaltigen Entwicklung zur Anwendungsmaxime der Raumordnungsgrundsätze. Damit unterliegt Grundsatz Nr. 9 deren Einfluß und langfristigen Ausrichtung,35 so daß der raumplanerische Grundsatz der Rohstoffsicherung an dieser Ausrichtung partizipiert. § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG zielt daher auf die (planerische) Verwirklichung eines langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutzes. Das legt aufgrund der (weitgehend) parallelen Begrifflichkeit eine einheitliche Interpretation zumindest nahe. 33

Siehe Piens/Schulte/Graf

34

Explizit Berkemann, DVB1. 1989, 625 (625).

35

Vitzthum, BBergG, § 1 Rn. 12.

Die temporale Dimension der Leitvorstellung folgt einmal aus deren allgemeiner Zielsetzung, die nach § 1 Abs. 2 S. 1 ROG in einer „«dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung" besteht. Zum anderen wird im ersten Teilaspekt die „ Verantwortung gegenüber künftigen Generationen'" und in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ROG die langfristige Offenhaltung von Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung betont. 2 Frenz

§ 1 Grundlagen

18

Raumordnungsgesetz und Bundesberggesetz verwenden allerdings nicht völlig identische Formulierungen. Während § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG von der „vorsorgenden Sicherung ... von Rohstoffen" spricht, bezweckt § 1 Nr. 1 BBergG die „Sicherung der RohstoffVersorgung'. Die zuletzt genannte Formulierung könnte eher auf eine abbau- und gegenwartsbezogene Sichtweise deuten. Doch auch die Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen umfaßt eine zukunfisgerichtete Komponente und orientiert sich damit an einer längerfristigen Verfügbarkeit von Rohstoffen. Zwar betrachten beide Rechtsregime die Sicherung der Rohstoffversorgung aus einem anderen Blickwinkel. Das Bundesberggesetz wird als Fachgesetz naturgemäß durch seine Vorhaben- und Anlagenbezogenheit dominiert. Dem gegenüber zeichnet sich das Raumordnungsgesetz durch (raum-)planerische Elemente aus. Dieser unterschiedliche Blickwinkel wirkt sich auch auf die jeweiligen Mittel zur Rohstoffsicherung, nicht jedoch auf das dahinterstehende Allgemeininteresse an einer langfristig gesicherten Rohstoffversorgung aus. Unabhängig von dieser Aufgabenverteilung zielen daher beide auf einen langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutz. Dies gilt für das Verhältnis von ROG und Bergrecht zumal deshalb, weil die Raumordnung das bergrechtliche Regime maßgeblich prägt. Würde der Aspekt der Rohstoffsicherung im Bergrecht anders ausgelegt, bestünde insoweit die Gefahr von Wertungswidersprüchen und von Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Raumordnung. Dies gilt umso mehr, als das Bergrecht als einschlägiges Fachgesetz in einer engen Verknüpfung zum Raumordnungsrecht steht. Die Inhalte und Zielsetzung raumplanerischer Festlegungen strömen als konkretisierte öffentliche Interessen in das bergrechtliche Berechtsams- und Zulassungsverfahren ein. Bei einer parallelen Interpretation ergibt sich ein Gleichlauf sowohl mit dem ROG als auch mit der internationalen Sichtweise vor dem Hintergrund des Sustainable-Development-Gedankens. Dieser bezieht sich auch auf die Rohstoffversorgung 36 und verlangt auch für diese die Einbeziehung der Bedürf36

Vgl. Grundsatz 2 der Rio-Deklaration. Auf nationaler politischer Ebene wird der Nachhaltigkeitsgrundsatz insbesondere durch die sog. 2. Managementregel der Nachhaltigkeit mit nicht erneuerbaren Ressourcen in Verbindung gebracht; siehe BT-Drucks. 13/7054, S. 6. Danach darf die „Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen (z.B. fossile Brennstoffe, Energieträger oder landwirtschaftliche Nutzfläche) auf Dauer nicht größer sein als die Substitution ihrer Funktion (Beispiel: denkbare Substitution fossiler Energieträger durch Wasserstoff aus solarer Elektrolyse)" (dazu krit. Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 15 f., 21 ff.). Als rechtliches Postulat und im nationalen Kontext stellt die Auslegungs- und Anwendungsmaxime der neuen raumplanerischen Leitvorstellung einer nachhaltigen Entwicklung (dazu Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 148 ff., 175 f.) eine Verbindung zum rohstoffbezogenen § 2 Abs. 2 Nr. 9 ROG her, im europäischen Kontext fordert Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV eine umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen.

Β. Ansatzpunkte f r eine einzelfallbezogene Verwirklichung im Bergrecht

19

nisse künftiger Generationen,37 nimmt mithin eine langfristige Perspektive ein. Zwar setzen die völkerrechtlichen Texte nicht verbindliches Recht,38 zumal nicht für den Binnenbereich der Bundesrepublik Deutschland. Indes zeigt die dortige Verwendung doch ein mittlerweile anerkanntes Verständnis der Begrifflichkeit und der groben Zusammenhänge. Zu diesem gefestigten begrifflichen Grundgerüst zählt die intergenerationelle, mithin langfristig ausgerichtete Komponente. Dieses langfristige Verständnis ist insbesondere auch dem Gemeinschaftsrecht in Art. 2 EG und v.a. dem rohstoffbezogenen Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich EG zugrunde zu legen.39 Im Gefolge dieser Entwicklung und der im Jahre 1990 erfolgten Anreicherung der bergrechtlichen Zweckvorschrift mit Aspekten des Bodenschutzes läßt sich der dreidimensionale Ansatz des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung zumindest ansatzweise auch in der bergrechtlichen Zweckvorschrift des § 1 BBergG nachweisen.40 Die von der Zweckvorschrift intendierte mittel- bis langfristige Sicherung der Rohstoffversorgung steht für die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit. Der dabei zu berücksichtigende Lagerstättenschutz sichert dies ab und kann, indem er prinzipiell der Möglichkeit einer Reservehaltung von mineralischen Rohstoffen zumindest nicht entgegensteht und Raubbau verhindern soll, als Ausdruck der intergenerationellen Komponente gedeutet werden, zumal die Bergbehörden Bergbau nicht nur fördern, sondern auch ordnen sollen. Die Gebote der Sparsamkeit und Schonung werden ebenfalls als Teilaspekte des übergreifenden Nachhaltigkeitsgedankens angesehen.41 Indem § 1 Nr. 1 BBergG einen sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden fordert, freilich im Rahmen der Sicherung der Rohstoffversorgung, beinhaltet diese Vorschrift einen Unteraspekt des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung. Die Vorgabe des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden greift die ökologische und die soziale Komponente auf; letztere wird in der Sache auch durch den Lagerstättenschutz gewahrt. Dadurch können auch die Bedürfnisse künftiger Generationen sichergestellt und damit Verteilungskämpfe und soziale Unruhen infolge Rohstoffverknappung oder zu hoher Preise für Rohstoffe vermieden werden. Zugleich aber sichert die Rohstoffgewinnung Arbeitsplätze. Deren Erhaltung ist ebenfalls Ausdruck sozialer Belange. Damit prallen auch im Rahmen der sozialen Belange die Bedürfnisse heutiger und

37

Vgl. nur Grundsatz 3 der Rio-Deklaration; § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ROG.

38

Siehe dazu unten unter § 2 D.V. sowie Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 15 ff. 39 40

Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 32 ff.

Siehe dazu auch unten § 2 E.III. 1. sowie eingehend Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 82 ff. 41 Vgl. etwa Calliess, DVB1. 1998, 559 (562); Schröder, WiVerw. 1995, 65 (70).

20

§ 1 Grundlagen

künftiger Generationen aufeinander. Alle diese Elemente sind in § 1 BBergG nebeneinander gestellt. Die daraus folgende Gleichrangigkeit der einzelnen Belange schließt einen abstrakten Vorrang des Bergbaus allein aus ökonomischen Erwägungen grundsätzlich aus, der aber auch über das Einströmen konkurrierender Fachgesetze in das Bergrecht neutralisiert werden kann.

§ 2 Konzessionen Α. Einordnung und behördlicher Entscheidungsspielraum Das Bundesberggesetz sieht für den Abbau von Bodenschätzen ein zweistufiges System vor. Dem eigentlichen Zulassungsverfahren (Betriebsplanverfahren) ist ein Konzessionsverfahren vorgelagert, welches die Voraussetzungen für den Erwerb der Bergbauberechtigungen schafft. Das Konzessionsverfahren ist dabei die Konsequenz aus der Tatsache, daß bergfreie Bodenschätze gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BBergG nicht vom Eigentum an einem Grundstück erfaßt sind. Zur Aufsuchung 1 bergfreier Bodenschätze gem. § 3 Abs. 3 BBergG ist eine Erlaubnis, zu ihrer Gewinnung2 eine Bewilligung oder Bergwerkseigentum erforderlich, § 6 Abs. 1 S. 1 BBergG. Welche Rechte sich aus einer Erlaubnis bzw. Bewilligung ergeben, regeln die §§ 7, 8 BBergG. Im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der Bergbauberechtigung spielen die je nach dem Inhalt der angestrebten Bergbauberechtigung gestaffelten Versagungsgründe der §§11 bis 13 BBergG eine entscheidende Rolle. Aus der strikten Formulierung des jeweiligen Einleitungssatzes („ist zu versagen") und dem Wort „oder" hinter § 11 Nr. 9 BBergG, welches auf ein alternatives Verhältnis der einzelnen Versagungsgründe zueinander schließen läßt, folgt, daß jedenfalls die Erlaubnis zwingend zu versagen ist, wenn auch nur einer der enumerativ aufgezählten Versagungsgründe dem Vorhaben entgegensteht. Im umgekehrten Fall, d.h. wenn kein Versagungsgrund greift, ist dagegen die Bergbauberechtigung zu erteilen. Nach einheitlich vertretener Ansicht besteht in diesem Fall ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bergbauberechtigung; deren Erteilung steht also nicht im Ermessen der Behörde.3

1

Vgl. die Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 1 BBergG.

2

Vgl. die Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 2 BBergG.

3 Unter normstrukturellen Gesichtspunkten als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bezeichnet. Vgl. zur Normstruktur des § 11 BBergG Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, §11 Rn. 2 m.w.N.; Boldt/Weller, BBergG, § 11 Rn. 1, § 12 Rn. 1; Dapprich/Römermann, BBergG, § 11 Anm. 2; Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 22 ff.; Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 12 f.; Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1322); Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 89 sowie insbesondere Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung 8/1315, S. 71, 86.

§ 2 Konzessionen

22

Stellt die Aufsuchungserlaubnis mithin einen gebundenen Verwaltungsakt dar, so besagt dies freilich wenig über die mögliche Einflußnahme des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung auf die Erteilung von Bergbauberechtigungen. Zwar verfugt die zuständige Behörde demzufolge über keinerlei Versagungsermessen in diesem Zusammenhang. Gleichwohl kann der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung bzw. ein diesen zum Ausdruck bringendes Gebot bei der inhaltlichen Auffüllung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigen sein,4 wenn und soweit der Gegenstand des unbestimmten Rechtsbegriffes von einer prognostischen Entscheidung und von Risiken mit wertendem Charakter abhängt.5 Darauf wird im Zusammenhang mit denjenigen bergrechtlichen Vorschriften zurückzukommen sein, die dem besonderen Schutz öffentlicher Interessen dienen. B. System der Versagungsgründe nach § 11 BBergG Folgt man der Einteilung der Versagungsgründe nach Piens/Schulte/Graf Vitzthum, 6 so kann zwischen - formalen Ordnungsvorschriften (Nr. 1 und 2), - Vorschriften, die die Transparenz der bergbaulichen Tätigkeit gegenüber der Behörde sichern sollen (Nr. 3 bis 5), - Vorschriften, die die Solidität der Bergbauunternehmen bzw. der vertretungsberechtigten Personen verlangen (Nr. 6 und 7) und

Aus der Rspr. VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53) unter Verweis auf den engen Bezug zu Art. 12 Abs. 1 GG; VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (400) = ZfB 130 (1989), 57 ff. zu § 12 BBergG. 4 Ob die Verwaltung diesbezüglich über einen sog. Beurteilungsspielraum bzw. eine sog. Einschätzungsprärogative verfugt, vgl. dazu Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, §11 Rn. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §31 Rn. 19 ff., muß allerdings bezweifelt werden, da die Gerichte insbesondere die infolge des an zahlreichen Stellen des BBergG zu berücksichtigenden „überwiegenden öffentlichen Interessen" vorzunehmende Interessenabwägung und die damit einhergehenden Beschränkungsmöglichkeiten als richterlich voll nachprüfbar einordnen, vgl. VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (329) hinsichtlich § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG. Ein vom Gericht nur eingeschränkter „Beurteilungsspielraum" stehe der Bergbehörde bei der Anwendung des § 48 Abs. 2 BBergG nicht zu, obwohl sie - wie der Wortlaut der Norm zeigt - Interessen gegeneinander abzuwägen habe. Denn die hier vorzunehmende Interessenabwägung sei Bestandteil einer gebundenen Entscheidung. 5

Wolff/Bachof/Stober,

6

Piens/Schulte/Graf

Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 20 mit zahlreichen Bsp. Vitzthum, BBergG, § 11 Rn. 5.

C. Defizitäres Arbeitsprogramm als Versagungsgrund

23

- Vorschriften, die dem besonderen Schutz öffentlicher Interessen dienen (Nr. 8 bis 10) unterschieden werden. Die rein formalen Ordnungsvorschriften enthalten Vorgaben für die einzureichenden Antragsunterlagen. Hierauf kann der Grundsatz der Nachhaltigkeit nicht einwirken. Die zweite Kategorie von Versagungsgründen zielt, indem sie Mitteilungspflichten normiert, auf Transparenz und soll damit der Bergbehörde Kontrollmöglichkeiten eröffnen. Zwar können Vorschriften zur Sicherstellung der Kontrollvoraussetzungen prinzipiell gewährleisten, daß eine bestimmte Tätigkeit sich an gewissen Eckpunkten wie beispielsweise dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung orientiert. Dies ist jedoch erkennbar nicht Sinn und Zweck der genannten Versagungsgründe. Diese dienen ausschließlich dazu, die Behörde in die Lage zu versetzen, die wirtschaftliche Rentabilität und Ernsthaftigkeit des Explorationsvorhabens mit Blick auf eine schnelle und sachgerechte Erschließung von Rohstoffvorkommen überprüfen zu können.7

C. Defizitäres Arbeitsprogramm als Versagungsgrund, § 11 Nr. 3 BBergG Insofern läßt sich allerdings über das nach Nr. 3 vorzulegende Arbeitsprogramm die ökonomische Komponente des Nachhaltigkeitsgedankens absichern. Das derart abgesicherte Interesse daran, daß „rohstoffhöffige Gebiete möglichst sachgerecht und in angemessener Zeit"8 untersucht werden, ist eine maßgebliche Voraussetzung dafür, daß diese letztlich auch weitestgehend abgebaut, die vorhandenen mineralischen Rohstoffe mithin ausgeschöpft werden. Dadurch kann ein im Widerspruch zum Leitbild der Nachhaltigkeit stehender Raubbau verhindert und gleichzeitig dem Förderzweck des BBergG,9 zumindest partiell, Rechnung getragen werden. Zudem bildet die sachgerechte Exploration die Grundlage für eine Abschätzung bzw. - idealtypisch - für eine flächendeckende Ermittlung der verfügbaren Rohstoffvorräte. Nur eine insoweit gesicherte Erkenntnis, verbunden mit einer fortzuschreibenden Bedarfsabschätzung, ermöglicht ein am Gedanken der intergenerationellen Gerechtigkeit orientiertes Handeln. Von daher könnte vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Nachhaltig7

Vgl. dazu Boldt/Weller,

BBergG, § 11 Rn. 6.

8

So die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf in BT-Drucks. 8/ 1315, S. 175, zitiert nach Boldt/Weller, BBergG, § 11 Rn. 6. 9

Vgl. dazu Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 87, die zutreffend darauf hinweisen, daß gerade der Förderzweck einem Konzessionserwerb „auf Vorrat" entgegensteht.

§ 2 Konzessionen

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keit ein vorgelegtes Arbeitsprogramm dann als unzureichend angesehen werden und damit einen Versagungsgrund darstellen, wenn die beabsichtigten Untersuchungsarbeiten für eine sachgerechte und in angemessener Zeit durchzuführende Exploration erkennbar nicht ausreichen und eine ordnungsgemäße Aufsuchungsarbeit auch nicht durch entsprechende Nebenbestimmungen abgesichert werden kann. Ein solches Defizit besteht aber regelmäßig nicht.

D. Lagerstättenschutz als Versagungsgrund, § 11 Nr. 9 BBergG Eine Erlaubnis ist ebenfalls zu versagen, wenn Bodenschätze beeinträchtigt würden, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, § 11 Nr. 9 BBergG. Mit der Bezugnahme auf das „öffentliche Interesse" enthält § 11 Nr. 9 BBergG einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsfähig und auslegungsbedürftig ist.

I. Zeitliche Aspekte, insbesondere „In-situ-Konzepte" Der Schutz welcher Bodenschätze im öffentlichen Interesse liegt, ist unter Zuhilfenahme der Auslegungsregel des § 1 BBergG zu ermitteln.10 Auch dort ist der Schutzaspekt mit Blick auf Rohstofflagerstätten angesprochen. Der Lagerstättenschutz soll nach der Begründung des Gesetzentwurfes 11 einen Beitrag zur optimalen Nutzung der heimischen Ressourcen leisten. Optimale Nutzung bedeutet vom Wortsinn her, daß die Nutzung „unter den gegebenen Voraussetzungen, im Hinblick auf ein zu erreichendes Ziel bestmöglich"12 erfolgen soll. Dies ist nur dann und bezogen auf das übergreifende Ziel einer langfristig vorsorgenden Rohstoffversorgung der Fall, wenn auch künftige Nutzungsinteressen berücksichtigt werden, mithin jedenfalls keine Verschwendung, d.h. im hiesigen Kontext kein Raubbau betrieben wird. Die Gesetzesbegründung konkretisiert die Zielrichtung des Lagerstättenschutzes, indem er im Hinblick auf die Unwiederbringlichkeit der Substanz mineralischer Vorkommen erfolgen soll. Dabei steht der Förderzweck des Bundesberggesetzes in § 1 Nr. 1 BBergG gleichberechtigt neben der Ordnungsaufgabe. Denn der Gesetzeszweck des BBergG besteht nach § 1 Nr. 1 BBergG u.a.

10

Vgl. zur begrenzenden Funktion des Gesetzeszweckes bei der Auslegung des Blankettbegriffes „öffentliches Interesse" Uerpmann, Öffentliches Interesse, S. 215 f. 11 12

BT-Drucks. 8/1315, S. 74. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 6, S. 2809.

D. Lagerstättenschutz als Versagungsgrund

25

darin, „zur Sicherung der Rohstoffversorgung das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Rohstoffen ... zu ordnen und zu fördern." Insofern ist es eine unzulässige, jedenfalls einseitige Sichtweise, wenn man den Förderzweck der Zweckvorschrift hervorhebt, ohne zugleich die mit dem Begriff des „Ordnens" zum Ausdruck gebrachte begrenzende Komponente miteinzubeziehen und umgekehrt. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat im Fall Garzweiler 13 die dort getroffene Feststellung, daß die bergrechtlich geregelte und als Enteignung qualifizierten Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG) vor dem Hintergrund der Rohstoffsicherung mit Art. 14 Abs. 3 GG in Einklang stehe, selbst eingeschränkt, indem dies nur insoweit gelte, „als die Enteignung für die Errichtung und Führung eines Gewinnungsbetriebs zum Zweck der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen unter Berücksichtigung eines sinnvollen und planmäßigen Lagerstättenabbaus zugelassen" sei. Während beide Aufgaben auf die Sicherung der Rohstoffversorgung ausgerichtet sind, kann die Ordnungsaufgabe eine „Öffiiungsklausel" für die Sicherung der künftigen Rohstoffversorgung darstellen. Damit kann dem Wortlaut des § 1 Nr. 1 BBergG in Übereinstimmung mit den auf die Unwiederbringlichkeit von mineralischen Rohstoffen hinweisenden Entstehungsmaterialien auch ein langfristig vorsorgender Lagerstättenschutz entnommen werden.14 Insoweit beinhaltet das BBergG mit dem Ordnungszweck und dem Förderzweck sich gegenseitig kanalisierende Aspekte. Ersterer verhindert, daß der primär gegenwartsbezogene Förderzweck zu Lasten einer langfristigen Rohstoffsicherung und damit zu Lasten künftiger Nutzungsinteressen geht, während letzterer die Sicherung der Rohstoffversorgung der jetzt Lebenden betont. Auf diese Weise lassen sich die Bedürfnisse der jetzt Lebenden mit jenen künftiger Generationen in Ausgleich bringen. Dementsprechend ist dem Förderzweck Genüge getan, soweit die Rohstoffversorgung der jetzt Lebenden als gesichert gelten kann. Eine darüber hinausgehende Rohstoffversorgung im Sinne einer Überversorgung läßt sich dem Wortlaut des § 1 BBergG nicht entnehmen. Ist die Rohstoffversorgung mittelfristig gesichert, kann die Ordnungsaufgabe verstärkt in den Vordergrund treten, so daß der Gesetzeszweck einer Rohstoff-Reservehaltung grundsätzlich nicht im Wege steht. Eine solche Reservehaltung zielt grundsätzlich darauf ab, Rohstoffvorkommen zwar zu erkunden, diese jedoch vorerst im Boden zu belassen, um angesichts eines sich später aktualisierenden bzw. abzeichnenden Rohstoffbedarfs auf diese zurückgreifen zu können. Voraussetzung ist in jedem Fall, daß die Rohstoffversorgung kurz- bis mittelfristig gesichert ist. Dann sind entsprechend dem Nachhaltigkeitsgrundsatz die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen gesichert, so daß die künftiger stärkeres Gewicht erlangen können.

13

BVerwGE 87, 241, 2. Leitsatz.

14

Ebenso Berkemann, DVB1. 1989, 625 (625).

§ 2 Konzessionen

26

Damit steht die Zweckvorschrift des Bundesberggesetz sog. „In-situ-Konzepten" prinzipiell nicht entgegen. Diese dienen der Rohstoffbevorratung und damit künftigen Nutzungsinteressen, soweit der Markt ausreichend mit entsprechenden Rohstoff versorgt ist.15 Indem somit die Sicherung der Rohstoffversorgung zur maßgebenden Direktive erklärt wird, ist ein Ansatz gefunden, welcher den Bedürfnissen gegenwärtiger Generationen Rechnung trägt, ohne die Bedürfhisse künftiger Generationen gänzlich auszuschließen. Dies trifft sich mit dem alle drei Dimensionen des Grundsatzes der Nachhaltigkeit verknüpfenden Postulat der intergenerationellen Gerechtigkeit. Im Zusammenhang mit solchen „In-situ-Konzepten" hat die Rechtsprechung es zumindest nicht für ausgeschlossen betrachtet, daß auch Belange der Rohstoffbevorratung die aktuellen Bergbauinteressen trotz der Rohstoffsicherungsklausel überwiegen können, sofern die Reservehaltung im Einzelfall praktisch durchführbar ist.16 Damit steht freilich einem Explorationsvorhaben nichts im Wege, so daß eine Erlaubnis dafür nicht unter diesem Gesichtspunkt des Lagerstättenschutzes versagt werden kann. Die auf das „Gewinnen", mithin auf das „Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen" gerichtete17 Bewilligung dürfte in einem solchen Fall bei rein nationaler Betrachtung indes zu versagen sein. Dies gilt jedenfalls, wenn und soweit ein anerkennenswertes öffentliches Interesse, etwa in Form vorgenannter „In-situ-Konzepte" tatsächlich einem Abbauvorhaben entgegensteht und durch die Verwirklichung dieses Schutzzweckes Bodenschätze nicht beeinträchtigt werden.18 Eine ausschließlich nationale Sichtweise begegnet aber auch wegen des weltweiten Austausches von Rohstoffen Zweifeln. Dieser kann außer durch Handelshemmnisse, die jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig 19 wären, nicht ver-

15 Vgl. dazu VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (398, 7. Leitsatz) - Menzenschwand, der sich mit dem „In-situ-Konzept" des Landes Baden-Württemberg auseinanderzusetzen hatte. 16

Vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (403) - Menzenschwand; VG Freiburg, ZfB 126 (1985), 108 (120); VG Weimar, ZfB 136 (1995), 225 (236). In diesem Fall genüge es zudem, wenn die Bodenschätze aufgesucht, d.h. für eine spätere Gewinnung erkundet werden, falls dies nicht schon in ausreichendem Maße geschehen ist. Vgl. zu dem Gesichtspunkt ausreichender Rohstoffversorgung auch Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (283). 17

Vgl. die Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 2 BBergG.

18

So aber im Fall Menzenschwand, wo bei Einstellung des Grubenbetriebs von einem Einstürzen von Schacht und Stollen auszugehen war („Absaufen der Grube"). Dementsprechend wurde ein überwiegendes öffentliches Interesse i.S.d. § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG an einer Reservehaltung („In-situ-Konzept" des Landes Baden-Württemberg) abgelehnt. 19

Siehe Art. 28 ff. EG.

D. Lagerstättenschutz als Versagungsgrund

27

hindert werden. Alle auf rein nationale Vorräte bezogenen Szenarien über die Wahrung der Bedürfnisse künftiger Generationen sind damit hinfällig - zumindest jedoch fragwürdig. Diese können ihre Bedürfnisse auch durch Rohstoffe aus dem Ausland befriedigen. Daher sind „In-situ-Konzepte" nicht zwingend und hindern einen gegenwärtigen Abbau nicht. Weitergehend stellt sich die Frage, ob nicht nur eine rein nationale Vorratsbetrachtung ausgeschlossen, sondern schon vom Ansatz her eine Einbeziehung der weltweiten Vorkommen geboten ist, soweit es um die Wahrung der Bedürfiiisse künftiger Generationen geht. Schließlich ist der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung, der dies fordert, selbst international angelegt.20

II. Volkswirtschaftliche Aspekte Der Schutz welcher Bodenschätze im öffentlichen Interesse gem. § 11 Nr. 9 BBergG liegt, beurteilt sich zumindest auch nach der jeweiligen volkswirtschaftlichen Bedeutung eines Rohstoffs. 21 Während auf der Angebotsseite die Verfügbarkeit und das Gesamtvorkommen eines Rohstoffs zu Buche schlagen, sind auf der Nachfrageseite der aktuelle Bedarf und, parallel zur Langzeitverantwortung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung, - wie bereits erwähnt - kurz-, mittel- und langfristige Bedarfsabschätzungen in die Beurteilung miteinzubeziehen. Die Bedeutung eines Rohstoffs bestimmt sich also vor allem nach dessen Vorkommen, der Verfügbarkeit und nach dem Bedarf 2. Relevant sind mithin variable Faktoren. Das hat zur Folge, daß die Frage, welche Bodenschätze im öffentlichen Interesse schützenswert sind, eine „dynamische" Komponente aufweist. Sie kann daher weder - zeitlich gesehen - ein für allemal noch - räumlich betrachtet - unter alleinigem Bezug auf die konkret für ein Abbauvorhaben anstehende Lagerstätte beantwortet werden. Insoweit beschränkt sich der Lagerstättenschutz nicht auf diejenigen Vorkommen, auf die der Berechtigungsantrag Bezug nimmt. Mangels instrumenteller Grundlage für einen langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutz im Bundesberggesetz bleibt indes die Wahrnehmung dieses von der Zielvorgabe einer nachhaltigen Entwicklung umschlossenen Teilelements der Raumordnung und Landesplanung überant-

20

Näher V.

21

Enger Boldt/Weller, BBergG, § 11 Rn. 12, die ausschließlich volkswirtschaftliche Interessen erfaßt sehen. Eine solche Beschränkung ergibt sich jedoch weder aus dem Wortlaut des § 11 Nr. 9 BBergG, spricht dieser doch von öffentlichen Interessen ohne Einschränkung, noch aus einer Auslegung im Sinne der Zweckvorschrift des § 1 BBergG. 22

Vgl. zur Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes im Rahmen der Abwägung OVG Greifswald, ZfB 141 (2000), 32 (39 f.).

§ 2 Konzessionen

28

wortet,23 so daß die Bergbehörden diese Zielvorgabe nur in Umsetzung eines entsprechenden raumplanerischen Gesamtkonzepts verwirklichen können. Originäre Aufgabe der Bergbehörde ist dagegen das auf die Verhinderung von Raubbau bezogene Teilelement des Lagerstättenschutzes, freilich flankiert durch entsprechende raumbezogene Planungen.

III. Mit dem Lagerstättenschutz konfligierende Abbauvorhaben Anerkennt man solchermaßen volkswirtschaftliche Aspekte, müßte ein Abbauvorhaben versagt werden, wenn es zu einer Beeinträchtigung der künftigen Verwertung eines volkswirtschaftlich bedeutsameren Bodenschatzes führt oder die Verwertung dieses Bodenschatzes gar unmöglich machen würde. Insoweit können auch Aspekte des Lagerstättenschutzes zugunsten bedeutsamer mineralischer Rohstoffe zu einer Versagung der Bergbauberechtigung für Rohstoffe mit geringerem Stellenwert führen. Es kann demnach auch der absehbare künftige Bedarf an einem volkswirtschaftlich bedeutsamen Bodenschatz miteinfließen. Gleichzeitig sinkt die volkswirtschaftliche Bedeutung eines Rohstoffs mit der Zunahme seiner Substituierbarkeit. Mit dem Lagerstättenschutz unvereinbar dürfte auch ein Vorhaben sein, welches erkennbar darauf abzielt, die besten Teile einer Lagerstätte abzubauen und damit die spätere wirtschaftliche Abbaumöglichkeit der übrigen Teile in Frage zu stellen.24 Soll dementsprechend Raubbau verhindert und der Aspekt der langfristigen Nutzbarkeit möglichst des ganzen Rohstoffvorkommens beachtet werden, dann ist über die Berücksichtigung einer rentablen künftigen Abbaumöglichkeit auch künftigen Nutzungsinteressen Rechnung getragen. Durch die Berücksichtigung der dauerhaften Nutzbarkeit einer Lagerstätte im Berechtsamsverfahren ist die langfristige Sichtweise des Nachhaltigkeitsgedankens bereits partiell verwirklicht.

23

Vgl. bereits die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BTDrucks. 8/1315, S. 67; Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 1 Rn. 12. Zur vorsorgenden Sicherung sowie zur geordneten Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen als Aufgabe der Raumordnungsplanung vgl. § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. b) ROG. Dazu Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 152 ff., 162 ff., 172 ff. 24

Von VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (404) angedeutet, aber letztlich offengelassen.

D. Lagerstättenschutz als Versagungsgrund

29

IV. Zwischenergebnis Bezweckt § 11 Nr. 9 BBergG damit die Verhinderung übermäßigen Abbaus von Bodenschätzen, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, mithin Raubbau, enthält er für sich genommen eine äußerste Grenze für die Zulässigkeit von Abbauvorhaben, die künftige Nutzungsinteressen berücksichtigt und damit einen (Teil)Aspekt des Nachhaltigkeitsgedankens enthält. Schließlich kann, wie gezeigt, die Frage danach, welche Bodenschätze im öffentlichen Interesse schützenswert sind, durch entsprechend konkrete Konzepte zur Reservehaltung beeinflußt und damit der intergenerationelle Aspekt zur Geltung gebracht werden. Dabei ist den Bedürfnissen der jetzt Lebenden nach einer ausreichenden Versorgung mit Bodenschätzen Rechnung zu tragen. Darauf zielen auch die Zweckvorschrift des § 1 BBergG und die sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG ab. Hier wie dort bildet die Sicherung der Rohstoffversorgung den maßgeblichen Eckpfeiler, den die Bergbehörde zu beachten hat. Insoweit lassen sich wesentliche Aspekte des Nachhaltigkeitsgedankens über § 11 Nr. 9 BBergG zur Geltung bringen.

V. Berücksichtigung weltweiter Vorräte Anerkennt man, daß bei der Frage, ob und welche Rohstoffe im öffentlichen Interesse schützenswert sind, zumindest auch die volkswirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Rohstoffs zu berücksichtigen ist, so drängt sich angesichts der weltweiten Vernetzung der (Rohstoff-)Industrie einerseits und dem völkerrechtlichen Hintergrund des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung andererseits,25 kurz dessen länderübergreifenden, international ausgerichteten Geltungsanspruches eine weitere Frage auf: Ist die Bedeutung einer natürlichen Ressource, hier mineralischer Ressourcen, ausschließlich aus nationaler Sicht zu beurteilen oder fließen darüber hinaus, insbesondere infolge des Geltungsanspruchs einer nachhaltigen Entwicklung, internationale Determinanten in die Beurteilung mit ein und, weitergehend, vermögen diese den nationalen Blickwinkel zu beeinflussen? Ausgangspunkt für die Konkretisierung des öffentlichen Interesses ist zunächst der bergrechtliche Kontext, insbesondere der in der Zweckvorschrift des § 1 Nr. 1 BBergG angelegte Aspekt der Rohstoffsicherung. Die Bodenschätzegewinnung soll zur „Sicherung der Rohstoffversorgung" gefördert, aber auch geordnet werden. Der darin und in § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG zum Ausdruck 25

Dazu Schröder, ArchVR 34 (1996), S. 251 ff.; Streinz, Die Verwaltung 31 (1998), S. 449 ff.; ausführlich Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, S. 19 ff.

§ 2 Konzessionen

30

kommende Gedanke der Rohstoffsicherung als besonderes Gemeinschaftsinteresse26 zielt auf die ständige Verfügbarkeit von Ressourcen, insbesondere fossiler Brennstoffe zur Sicherung der Energieversorgung und der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft. Dabei bezieht sich die Zielvorgabe des Berggesetzes, also die langfristige Sicherung der RohstoffVerfügbarkeit, zwangsläufig auf die nationale Wirtschaft. Völkerrechtliche Vorgaben, die das Recht der Nationalstaaten zur Nutzung der eigenen Ressourcen begrenzen, existieren nicht, zumindest nicht unmittelbar,27 soweit die Ressourcennutzung keine direkten grenzüberschreitenden Wirkungen zeitigt. Auch die als völkerrechtliches soft-law 28, mithin rechtlich unverbindliches Dokument, qualifizierte Rio-Deklaration,29 welche gleichwohl als „Quelle" des Nachhaltigkeitsgedankens im Umweltvölkerrecht bezeichnet werden kann,30 beläßt das Recht zur Ressourcennutzung ausdrücklich den Nationalstaaten.31 Davon ist aber die Frage zu unterscheiden, durch welche Maßstäbe die nationale Ressourcennutzung ausgefüllt wird. Nationales Recht steht für supranationale Vorgaben grundsätzlich offen. Diese Offenheit gilt zumal für die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 23 ff. GG. Sie schließt es nicht aus, sondern ermöglicht es gerade, daß auch völkerrechtliche Gesichtspunkte und Wertungen die Anwendung nationalen Rechts beeinflus-

26

Vgl. auch BVerfGE 25, 1(16); 30, 292 (323); NWVerfGH, NVwZ-RR 1998, 473 (475), wo das Interesse an einer gesicherten Rohstoffversorgung als „Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges" bezeichnet wird. 27 Mittelbar bedeutsam ist etwa das völkerrechtliche Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, welches auch in Grundsatz 2 der Rio-Deklaration nachzuweisen ist: „ ... und haben die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, daß Tätigkeiten unter ihrer Hoheitsgewalt oder Kontrolle der Umwelt anderer Staaten oder Gebiete außerhalb nationaler Hoheitsgewalt keinen Schaden zufügen". 28

Zum Begriη Graf Vitzthum, Völkerrecht, 1. Abschn. Rn. 14, 68.

29

Siehe dazu Ruffert, ZUR 1993, 208 (214); Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 15 ff. m.w.N. 30 31

Siehe Ruffert,

ZUR 1993, 208 (214).

In dem soeben zitierten Grundsatz 2 der Rio-Deklaration heißt es zu Beginn: „Die Staaten haben im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht, ihre eigenen Ressourcen ... zu nutzen." Ob man den darin zum Ausdruck kommenden Ansatz der territorialen Souveränität als Bestandteil des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung bezeichnen, ihn also in dieses Konzept integrieren kann, oder ob dies nicht, wofür überwiegendes spricht, zu einer Aushöhlung desselben iührt (indem das Argument der staatlichen Souveränität etwa eine Verringerung der Abholzung tropischer Regenwälder konterkariert) kann hier nur bezweifelt, jedoch nicht im einzelnen erörtert werden, vgl. dazu kritisch Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, S. 71 ff.

D. Lagerstättenschutz als Versagungsgrund

31

sen.32 Beurteilt sich also die Zulässigkeit der Rohstoflnutzung in Deutschland vom Ansatz her nach nationalem Recht, so schließt dies eine Berücksichtigung weltweiter Vorräte bei der Beurteilung der Bedeutung einer Ressource nicht a priori aus. Mit anderen Worten: Die Tatsache, daß Bedarfsabschätzungen und Nutzungsbedürfnisse nach nationalem Recht angestellt werden, steht einer Berücksichtigung weltweiter Vorkommen gleichsam auf der Angebotsseite nicht zwingend entgegen. Ansatzpunkt dafür ist der völkerrechtlich gespeiste Gedanke der nachhaltigen Entwicklung. Durch ihn gelangte man zu einer Berücksichtigung der Bedürfnisse künftiger Generationen. Daher gilt es insoweit seine internationale Dimension aufzugreifen. 33 Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung kann schwerlich seiner Grundlagen beraubt zur Geltung gelangen, sondern bei seiner Heranziehung ist seine gesamte Dimension in Blick zu nehmen und damit auch seine internationale. Zugleich darf daher auch hier die als Kern und Grundgedanke34 des Nachhaltigkeitsprinzips bezeichnete intergenerationelle Komponente nicht gänzlich außer acht bleiben. Schließlich wird das in Grundsatz Nr. 2 betonte souveräne Recht zur Ressourcennutzung in Grundsatz 3 der Rio-Deklaration ein Stück weit zurückgenommen. Danach muß das Recht auf Entwicklung „so erfüllt werden, daß den Entwicklungs- und Umweltbedürfhissen heutiger und künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird." Will man also die internationale Ausrichtung des Nachhaltigkeitsgedankens durch einen Verweis auf die weltweiten Vorkommen eines Rohstoffs für einen verstärkten Abbau fruchtbar machen, so muß auch der intergenerationellen Komponente aus globaler Sicht Rechnung getragen werden, etwa indem die Nutzungsinteressen künftiger Generationen weltweit einbezogen werden. Die Berücksichtigung weltweiter Vorkommen an sich streitet daher weder zugunsten noch zu Lasten der Nutzungsinteressen der jetzt Lebenden. Anerkennt man indes die Berücksichtigung vorstehender Determinanten als abwägungsrelevante Einzelinteressen im Rahmen der Konkretisierung der Frage, ob und welche Bodenschätze im öffentlichen Interesse schützenswert sind, so darf freilich im Einzelfall nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Schutzinteresse als Versagungsgrund nicht Selbstzweck ist, sondern die Beeinträchtigung bedeutsamer Bodenschätze verhindern soll, mithin deren (langfristigen) Verfügbarkeit dient. Führt der intendierte Schutz der

32

Dazu grundlegend Vogel, Recht und Staat, Heft 292/293, 1964, passim; Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat, in: FS für Schelsky, S. 141 (142 ff.). Siehe auch Graf Vitzthum, Völkerrecht, 2. Abschn. Rn. 1 ff. 33

Zum verfassungsrechtlichen Hintergrund Frenz, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/ Schröder, JUTR 1999, 37 ff. 34

Vgl. stellvertretend Epiney/Scheyli, S. 46 m.w.N.

Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts,

§ 2 Konzessionen

32

Bodenschätze, wie im Fall Menzenschwand,35 selbst zur Beeinträchtigung des jeweiligen Bodenschatzes, so läuft diese Intention dem Zweck des § 11 Nr. 9 BBergG zuwider. Dennoch lassen sich aus dem (auch weltweiten) Vorkommen eines Rohstoffs in Relation zum aktuellen Bedarf bzw. zu entsprechenden Bedarfsabschätzungen Rückschlüsse für dessen Schutzwürdigkeit ziehen. Bestehende bzw. konkret absehbare Substitutionsmöglichkeiten können letztere wiederum herabsetzen. Diese Belange sind damit im Rahmen der Prognoseentscheidung nach § 11 Nr. 9 BBergG entsprechend ihrem jeweiligen Gewicht zu berücksichtigen. Eine Versagung der Erlaubnis kommt nur dann in Betracht, wenn ihre Erteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Beeinträchtigung schützenswerter Bodenschätze führt. Aus Sicht des Nachhaltigkeitsgedankens ist dies dann der Fall, wenn künftige Generationen einen Bodenschatz absehbar nicht mehr zu nutzen vermögen, weil er bis dahin weltweit aufgebraucht ist. Da v.a. das Auffinden neuer Lagerstätten schwer abschätzbar ist und oft unvorhergesehen eintritt, läßt sich das Erschöpfen eines Bodenschatzes schwer prognostizieren. Daher kann unter diesem Gesichtspunkt eine Erlaubnis kaum versagt werden. E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen, § 11 Nr. 10 BBergG (i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 BBergG) Nach § 11 Nr. 10 BBergG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn „überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen". Diese Vorschrift gilt gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 BBergG für die Versagung der Bewilligung entsprechend. Mittelbar wirkt § 11 Nr. 10 BBergG auch auf die Verleihung von Bergwerkseigentum ein, indem § 13 Nr. 1 BBergG auf seiten des Antragstellers das Vorhandensein einer Bewilligung voraussetzt.36

I. Öffentliche Interessen als Einfallstor für außerbergrechtliche Belange Trotz der übereinstimmenden Einordnung der Erlaubnis als gebundene Entscheidung führt die Tatsache, daß § 11 Nr. 10 BBergG die Erteilung der Erlaubnis unter den Vorbehalt der „Abwägungsprärogative" durch die zuständige Behörde stellt, dazu, daß der gebundene Anspruch durch die Offenheit der 35 VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 ff. = ZfB 130 (1989), 57 ff.; dazu sogleich unter E.I. 36

I.E. ebenso Büllesbach, Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen, S. 72 m.w.N. in Fn. 20.

E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen

33

Formulierung „überwiegende öffentliche Interessen"37 in gewissem Umfang relativiert wird. 38 Dabei ist die im Rahmen des § 11 Nr. 10 BBergG vorzunehmende Abwägung freilich nicht vergleichbar mit der bauplanungsrechtlichen Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB. Die den planenden Stellen dort gewährte planerische Gestaltungsfreiheit, verbunden mit einer lediglich eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte,39 steht der Bergbehörde im Rahmen der Verleihung von Bergbauberechtigungen gerade nicht zu. Denn die Entscheidung der Bergbehörde, „ob (diese) öffentliche(n) Interessen die Belange des Bergbaus überwiegen, ist richterlich voll nachprüfbar". 40 Gleichwohl wird der unbestimmte Rechtsbegriff der „überwiegenden öffentlichen Interessen" in § 11 Nr. 10 BBergG von der Rechtsprechung dahingehend interpretiert, daß hierunter prinzipiell alle von der Rechtsordnung anerkannten öffentlichen Belange gefaßt werden können.41 Die mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift 42 greifen indes nicht durch. Sowohl aus § 11 Nr. 10 BBergG selbst wie aus der Begründung des Gesetzentwurfes als auch aus der Kasuistik der Rechtsprechung ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für eine Konkretisierung des öffentlichen Interesses.43

37

Zum Begriff des öffentlichen Interesses allgemein bereits oben § 2 D.

38

Daraufhaben bereits Schulte, NJW 1981, 88 (91) und Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 23 f. zutreffend hingewiesen. 39

Vgl. zur infolge der finalen Programmierung von Planungsnormen eingeschränkten Geltung des Gesetzesvorbehaltes im Rahmen der Planung und der daraus resultierenden planungstypischen Gestaltungsfreiheit, die nur in gewissem Umfang durch die Geltung des von der Rspr. entwickelten Abwägungsgebotes kompensiert wird, stellvertretend Brohm, in: FS für Blümel, S. 79 (81). Lediglich graduelle Unterschiede zwischen Planungsentscheidungen und sonstigen Ermessensentscheidungen sieht dagegen üerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 277. 40

VG Freiburg, ZfB 126 (1985), 108 (116); VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (398, 3. Leitsatz) = ZfB 130 (1989), 57 ff. - Menzenschwand; VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53). 41

Vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (398, 2. Leitsatz; 400) = ZfB 130 (1989), 57, 2. Leitsatz; aus der Lit. etwa Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 11 Rn. 17; Fischer/Hüftle, NuR 1989, 106 (108); Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 49. A.A. offenbar Dickschen, Das Raumordnungsverfahren im Verhältnis zu den fachlichen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, S. 190. 42

Schulte, NJW 1981, 88 (90).

43

Vgl. dazu auch Boldt/Weller, BBergG, § 11 Rn. 14 sowie allgemein zur Konkretisierung des öffentlichen Interesses, Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 175 ff., 289 ff. Zudem ist auf die Verfassungsmäßigkeit vergleichbar „offener" Regelungen etwa der §§ 6 WHG (Wohl der Allgemeinheit), 48 Abs. 2 VwVfG (Abwägung mit anderen öffentlichen Interessen) und die Tatsache hinzuweisen, daß der Gesetzgeber angesichts 3 Frenz

§ 2 Konzessionen

34

Bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift liegt ein Versagungsgrund nur dann vor, wenn die der Aufsuchung entgegenstehenden öffentlichen Interessen „überwiegen". Demnach muß das an der Aufsuchung bestehende öffentliche Interesse mindestens gleichgewichtig sein. Ist dies der Fall, muß die Erlaubnis erteilt werden. Erforderlich ist demnach eine von der Bergbehörde vorzunehmende Einzelabwägung, die die für und wider die Aufsuchung sprechenden öffentlichen Interessen gegeneinander abwägt. Dabei ist freilich nicht jedwedes öffentliche Interesse miteinzubeziehen. Vielmehr müssen sich diese „auf das gesamte zuzuteilende Feld beziehen", mithin einen Bezug zu dem in Betracht kommenden Feld haben. Es muß sich also um raumbezogene öffentliche Interessen handeln.44

II. Feldbezug als Begrenzung? Inwieweit beschränkt die bergrechtliche Anforderung des Feldbezugs in § 11 Nr. 10 BBergG die relevanten außerbergrechtlichen Belange? Teilweise wird unter Berufung auf die amtliche Begründung die Ansicht vertreten, daß die Ausschlußwirkung der außerbergrechtlichen Belange bzw. öffentlichen Interessen sich auf das gesamte Abbaufeld beziehen müsse.45 Danach genüge es nicht, wenn lediglich in Teilbereichen des beantragten Explorations- oder Abbaufeldes öffentliche Belange einer Aufsuchung oder Gewinnung entgegenstünden; vielmehr müsse der Ausschluß das ganze Feld erfassen. Diese Sichtweise kann indes mit der Rechtsprechung46 nicht aufrecht erhalten bleiben. Letztlich kann das Tatbestandsmerkmal „im gesamten zuzuteilenden Feld", - von der Tatsache, daß es sich um raumbezogene öffentliche Interessen

einer Vielzahl denkbarer Interessenkollisionen in bestimmten Fällen nicht umhin kommt, auf Generalklauseln zurückzugreifen. 44

So Β VerwG, UPR 1999, 75 (75); VGH Mannheim, ZfB 130 (1989), 57 (66); VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53); aus der Lit. etwa Boldt/Weller, BBergG, § 11 Rn. 14. 45

Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 31; Boldt/Weller, BBergG, § 11 Rn. 14; Dickschen, Das Raumordnungsverfahren im Verhältnis zu den fachlichen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, S. 190. 46 So hielt der VGH Mannheim, ZfB 130 (1989), 57 (68 f.) eine Deckung von 80 % für ausreichend. Eine vollständige räumliche Deckung mit den Feldesgrenzen wird mithin nicht verlangt. Auch das VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53) betonte diesbezüglich, daß es entscheidend auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankomme. I.E. ebenfalls für eine auf die jeweiligen Gegebenheiten und Umstände abstellende Abwägung Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (278), der im Falle eines partiellen Feldbezugs für eine „Gewichtungsvariabilität" eintritt.

E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen

35

handeln muß, einmal abgesehen47 - nur normativ verstanden werden, und zwar in dem Sinne, daß es sich um bedeutende und sehr gewichtige öffentliche Interessen handeln muß, die dem Bergbau entgegenstehen. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, daß der Bergbau selbst Ausdruck eines gewichtigen öffentlichen Interesses ist und die entgegenstehenden Interessen im Hinblick darauf „überwiegende" sein müssen. Zum anderen könnte eine rein flächenbezogene Interpretation des Tatbestandsmerkmals dazu führen, daß der Antragsteller es beispielsweise durch Ausdehnung seines bindenden Antrags über die Grenzen einer Schutzgebietsfestlegung hinaus in der Hand hätte, die Ablehnungsgründe des § 11 Nr. 10 BBergG zu umgehen.48 Ein solches Ergebnis dürfte mit der Intention des Gesetzgebers schwerlich zu vereinbaren sein. Andererseits werden dem Bergbau entgegenstehende öffentliche Interessen mit lediglich partiellem Feldbezug automatisch in der Abwägung mit einem entsprechend geringeren Gewicht zu veranschlagen sein.49 Auf diese Weise lassen sich angemessene Ergebnisse erzielen.

III. Bergrechtliche und außerbergrechtliche öffentliche Interessen in der Abwägung In die Abwägung sind auf der einen Seite die „volkswirtschaftlich-bergbaulichen Interessen"50 und auf der anderen Seite die entgegenstehenden (sonstigen) öffentlichen Interessen einzubeziehen. Das gilt, obwohl durch das zweistufige System des BBergG eine echte Kollision mit anderen öffentlichen Interessen nicht schon durch das mit der Erteilung der Erlaubnis entstehende Recht, sondern eigentlich erst mit dessen Ausübung eintreten könnte.51 Dazu hat aber eine Genehmigung wenig Sinn. Dabei muß die Abwägung die im Gesetz vorgenommenen Wertungen berücksichtigen; sie ist also gleichsam vorgeprägt.52 Auf Seiten des Bergbautreibenden ist nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen, „daß das BBergG mit der Rohstoffsicherungsklausel in § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG und der Vorschrift des § 1 Nr. 1 BBergG zu erkennen gibt, daß es dem Interesse an der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen grundsätzlich 47

Kritisch zum Erfordernis der Raumbezogenheit Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 49 ff. 48 Zutreffend insoweit Kolonko, ZUR 1995, 126 (128); Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 55 f. m.w.N. 49

Ebenso Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (278).

50

BVerwG, UPR 1999, 75 (75); VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53).

51

VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53); Boldt/Weller, Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 11 Rn. 23. 52

Vgl. VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (329).

BBergG, § 11 Rn. 14; Piens/

§ 2 Konzessionen

36

den Vorrang eingeräumt wissen will". 5 3 § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG wird insoweit ein allgemeiner, mithin auch für die Erteilung der Bergbauberechtigungen geltender Rechtsgedanke entnommen,54 wonach die Behörden bei der Anwendung der beschränkenden Rechtsvorschriften, d.h. insbesondere bei der Interessenabwägung, dafür Sorge zu tragen haben, daß die Aufsuchung und Gewinnung der vom BBergG erfaßten Bodenschätze sowenig wie möglich beeinträchtigt werden. Aus dieser Sicht verleiht § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG den bergbaulichen Belangen ein deutlich verstärktes Gewicht innerhalb des Abwägungsprozesses55 gegenüber denjenigen öffentlichen Interessen, die in außerbergrechtlichen Rechtsvorschriften ihren Niederschlag gefunden haben.56 Nach der Rechtsprechung können nur solche öffentliche Interessen als überwiegend und damit den bergbaulichen Interessen entgegenstehend qualifiziert werden, die ihren Niederschlag in öffentlichen Verboten oder Beschränkungen gefunden haben.57

53

BVerwGE 74, 315 (318); 81, 329; VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (329); krit. Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 68 ff. 54 Kühne, DVB1. 1984, 709 (713 a.E.) spricht von einem in § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG enthaltenen und auf § 48 Abs. 2 BBergG ausstrahlenden Gewicht der bergbaulichen Belange; ähnlich Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 197: „Ausdruck einer Wertentscheidung zugunsten des Bergbaus"; zustimmend, Stiens, Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 105; ablehnend Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 75: keine Wirksamkeit der Rohstoffsicherungsklausel auf der Berechtsamsebene. 55

Allerdings kommt den bergbaulichen Interessen auch in diesem Zusammenhang kein genereller Vorrang vor sonstigen öffentlichen Interessen zu. Siehe Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 85 ff.; anders Hoppe, Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer" und bergbauliche Berechtigungen, S. 56 ff.; ders., DVB1. 1987, 757 (761 f.); zustimmend Peters, DVB1. 1988, 227 (228). Vielmehr ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, vgl. VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53); VGH Mannheim, ZfB 130 (1989), 57 (70 f.). Nach Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (275 f.) postulieren weder § 1 Nr. 1 BBergG noch §48 Abs. 1 S. 2 BBergG einen Vorrang bergbaulicher Belange gegenüber den Erfordernissen der Raumordnung in den bergrechtlichen Verleihungs- bzw. Zulassungsverfahren. Vielmehr seien diese grundsätzlich gleichberechtigt. Entscheidend seien allein die Gegebenheiten des Einzelfalles. Der Belang, der sich im Einzelfall durchsetze, müsse den anderen überwiegen. Insofern beschreibe die Betonung in §§48 Abs. 2, 11 Nr. 10 BBergG, eine Beschränkung oder Untersagung setze „überwiegende" öffentliche Interessen voraus, eine Selbstverständlichkeit. 56

Als öffentliche Interessen kommen nach VGH Mannheim, ZfB 130 (1989), 57 (66); VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53) alle von der Rechtsordnung anerkannten öffentlichen Interessen in Betracht. 57

VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (328).

E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen

37

1. Partielle Wirkung des Nachhaltigkeitsgedankens über die Zweckvorschrift des § 1 BBergG (i. V.m. § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG) De lege lata lassen sich bereits einzelne Elemente des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung ansatzweise in der Zweckvorschrift des § 1 BBergG nachweisen.58 Die vom Bundesberggesetz intendierte mittel- bis langfristige Sicherung der Rohstoffversorgung streitet für die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit. Der Lagerstättenschutz sichert dies ab und kann, indem er prinzipiell der Möglichkeit einer Reservehaltung von mineralischen Rohstoffen zumindest nicht entgegensteht und Raubbau verhindern soll, als Ausdruck der intergenerationellen Komponente gedeutet werden.59 Auch sollen die Bergbehörden, wie bereits mehrfach erwähnt, nach dem Gesetzeszweck des Bundesberggesetzes den Bergbau nicht nur fordern, sondern auch ordnen. Dabei soll ausweislich des Gesetzeszwecks auf den sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden geachtet werden, so daß der ressourcenökonomische wie der ökologische Teilaspekt des Nachhaltigkeitsgedankens über die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Einfluß auf das Berechtsamsverfahren und das Betriebsplanverfahren gewinnen kann. Damit kann, wie bereits angedeutet, der Nachhaltigkeitsgedanke mittels systematischer Auslegung des Bundesberggesetzes unter Berücksichtigung der Zweckvorschrift des § 1 BBergG auf die Konzessions- und Zulassungstatbestände einwirken.

2. „ Mediatisierte " Wirkung des Nachhaltigkeitsgedankens die Abwägung mit außerbergrechtlichen Belangen

über

Ausgehend von der Tatsache, daß sich dem Grundsatz der Nachhaltigkeit aufgrund seines Abstraktionsgrades und für sich genommen regelmäßig keine konkreten öffentlich-rechtlichen Verbote entnehmen lassen, kann dieser dem Bergbau nur restriktiv entgegengehalten werden, indem er in eben solchen Verboten gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, also gleichsam mediatisiert durch entsprechende öffentlich-rechtliche Verbote. Dies ist etwa dann der Fall, wenn er sich in zielförmigen Festlegungen der Raumordnung mit solchem Inhalt durchgesetzt hat, daß bergbauliche Vorhaben in dem jeweiligen Gebiet ausgeschlossen sind.60 Beispielhaft genannt werden kann hier etwa die außergebietli-

58

Dazu oben § 1 B.II sowie ausführlich Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 82 ff. 59

Dazu oben § 1 B.II.3.

60

Dazu Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 158, 167 ff.

§ 2 Konzessionen

38

che Ausschlußwirkung von Eignungsgebieten61 oder die Festlegung eines Vorranggebietes Naturschutz oder Wasserversorgung 62. Freilich kann eine Konkretisierung des Nachhaltigkeitsgedankens auch dahingehend erfolgen, daß in der Regionalplanung zielförmige Gebietsfestlegungen zugunsten des Bergbaus erfolgen. Diese können entweder die Bedürfnisse künftiger Generationen stärker betonen, etwa in dem Vorranggebiete zur mittel- bis langfristigen Rohstoffsicherung ausgewiesen oder primär die Interessen der jetzt Lebenden durch die Festlegung von Vorranggebieten zur Bodenschätzegewinnung planerisch abgesichert werden. Insgesamt ist zu beachten, daß nach dem gesetzgeberisch in § 11 Nr. 10 BBergG zum Ausdruck gebrachten Willen diese Vorschrift verhindern soll, daß Bergbauberechtigungen verliehen werden, die nicht die Erwartung rechtfertigen, jemals ausgeübt zu werden.63 Mit anderen Worten soll verhindert werden, daß jemand ein subjektiv-öffentliches Recht erlangt, welches sich im nachhinein als substanzlos erweist, da die für den tatsächlichen Gebrauch erforderliche öffentlich-rechtliche Befugnis 64 nicht erteilt werden kann. Bezweckt der Gesetzgeber demnach mit § 11 Nr. 10 BBergG schon im Stadium der Verleihung einer Bergbauberechtigung zu verhindern, daß eine Berechtigung begründet wird, die sich im nachhinein als substanzlos erweist, so verdeutlicht dies, daß die Bergbehörde weder über einen Beurteilungsspielraum verfügt noch politische Wertungen in die Einzelabwägung miteinbeziehen darf. Vielmehr hat sie solche öffentlichen Interessen in die Einzelabwägung einzustellen, die zum einen von der Rechtsordnung anerkannt sind, und zum anderen solche, die einen räumlichen Bezug zu dem in Betracht kommenden Feld aufweisen. Letzteres folgt aus dem Wortlaut des § 11 Nr. 10 BBergG. Dementsprechend werden in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung65 beispielhaft die Erfordernisse - des Naturschutzes und der Landschaftspflege, - der Raumordnung und Landesplanung, - des Bauplanungsrechts, - des Verkehrs und - des Gewässerschutzes 61 Vgl. § 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG. Zur neuen Gebietskategorie der Eignungsgebiete stellvertretend Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 69 ff. 62

Vgl. dazu VGH Mannheim, NuR 1985, 23 zu einem regionalplanerisch festgelegten Grund wasserschonbereich. 63 Β VerwG, UPR 1999, 75 (75). 64

Β VerwG, UPR 1999, 75 (76).

65

BT-Drucks. 8/1315, S. 87.

E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen

39

als mögliche, dem Bergbau entgegenstehende öffentliche Interessen genannt.66 Nach Ansicht der Rechtsprechung67 ist es sogar ausreichend, wenn die derart zum Ausdruck gebrachten öffentlichen Interessen insgesamt (sog. Summierungseffekt) überwiegen. Aber auch Belange der Rohstoff-Reservehaltung können die Bergbauinteressen trotz der Rohstoffsicherungsklausel überwiegen, sofern die Reservehaltung im Einzelfall praktisch durchführbar ist.68 So könne in Zeiten, in denen der Markt ausreichend mit dem entsprechenden Rohstoff versorgt sei, ein überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehen, daß der Rohstoffbevorratung der Vorrang vor der Rohstoffgewinnung eingeräumt werde.69 Diese Zukunftsgerichtetheit, die im Grunde bereits dem bergrechtlichen Anspruch nach Lagerstättenschutz innewohnt, trifft sich mit der nachhaltigkeitsimmanenten Zeitdimension. Da der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung den Hintergrund bildet, ist entsprechend seiner internationalen Dimension auch insoweit eine weltweite Betrachtung erforderlich. Diese setzt im Hinblick auf die Erhaltung künftiger Nutzungsmöglichkeiten daran an, ob der nationale Bedarf auch aus anderen Ländern gedeckt werden kann.70 Die Kehrseite dieses Imports ist der Export von Rohstoffen aus Deutschland, um den Bedarf in anderen Ländern zu decken. Beides setzt den Austausch von Rohstoffen zwischen den Staaten voraus. Bezieht man bei der Frage, ob Mangelsituationen auftreten können, die weltweiten Vorräte mit ein, wäre es inkonsequent, Überschüsse in Deutschland auszublenden, die für die anderweitige Versorgung mit Rohstoffen genutzt werden können. Daher müssen grundsätzlich auch Exportmöglichkeiten bei nationalen Rohstoffbevorratungskonzepten berücksichtigt werden. Eine Ausnahme kann nur dann bestehen, wenn wegen der nationalen Bedeutung und seiner gleichzeitigen Seltenheit ein Export überwiegende öffentliche Interessen antasten würde.

66

Nach BVerwG, UPR 1999, 75 (75) kann auch das Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung unter den Voraussetzungen des § 11 Nr. 10 BBergG dem Bergbau entgegenstehen. Nach VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (400) kommen ferner auch Belange der Rohstoff- und Energiepolitik des Landes, des Lagerstättenschutzes, des Fremdenverkehrs, des Strahlenschutzes und der Außenbereichsbebauung als „überwiegende öffentliche Interessen" grundsätzlich in Betracht. 67

VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (53, 55).

68

So der VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (398, 7. Leitsatz), der die praktische Durchführbarkeit für den Fall verneint, daß eine Lagerstätte ganz oder zu einem erheblichen Teil verloren ginge (S. 403). 69

Vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (403); VG Freiburg, ZfB 126 (1985), 108 (120); VG Weimar, ZfB 136 (1995), 225 (236). In diesem Fall genüge es zudem, wenn die Bodenschätze aufgesucht, d.h. für eine spätere Gewinnung erkundet werden, falls dies nicht schon in ausreichendem Maße geschehen ist. Vgl. zu dem Gesichtspunkt ausreichender Rohstoffversorgung auch Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (283). 70

Siehe oben § 2 D.V.

§ 2 Konzessionen

40

Angesichts der Tatsache, daß die Zweckvorschrift des § 1 Nr. 1 BBergG als Zweck des Gesetzes und damit als Ausdruck des volkswirtschaftlich-bergbaulichen Interesses die Sicherung der Rohstoffversorgung, flankiert durch die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG, besonders hervorhebt, erscheint eine Begrenzung jedenfalls in Fällen, in denen die Rohstoffversorgung weltweit mittel- bis langfristig gesichert ist, prinzipiell zulässig. In diesem Fall kann nicht zuletzt zur Sicherung einer langfristigen Rohstoffversorgung der in § 1 Nr. 1 BBergG niedergelegte Gesetzeszweck, Bergbau zufördern, durch die ebenfalls enthaltene Aufgabe, die bergbauliche Tätigkeit zu ordnen, begrenzt werden. Damit können die Bedürfiiisse künftiger Generationen, jedenfalls ansatzweise, als öffentliches Interesse berücksichtigt werden und auf eine über die Sättigungsgrenze des Marktes hinausgehende aktuelle Bedürfnisbefriedigung begrenzend wirken. Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen stehen nicht entgegen, da diese (weltweit) befriedigt werden. Entsprechend dem Sinn und Zweck einer solchen Rohstoffbevorratung wird man jedoch zwischen Explorationsvorhaben und solchen, die auf die Gewinnung von Bodenschätzen zielen, zu unterscheiden haben. Während der Gedanke der Reservehaltung mit dem durch die Erlaubnis gewährten Recht zur Aufsuchung nicht in Konflikt geraten kann und insofern auch keine Versagung rechtfertigt, ist eine Versagung der Bewilligung bzw. der Verleihung von Bergwerkseigentum zumindest denkbar.71 Über die Berücksichtigung dieser Belange können ökologische und soziale Interessen mit dem vorwiegend wirtschaftlichen, aber wegen des Erhalts von Arbeitsplätzen auch sozialen, öffentlichen und privaten Interesse am Bergbau konfrontiert werden. Damit kann § 11 Nr. 10 BBergG als „Einfallstor" 72 für ökologische und soziale Interessen bezeichnet werden. Problematisch ist allerdings, daß diese Belange sich nur entweder gegenüber den volkswirtschaftlichbergbaulichen Interessen durchsetzen können oder umgekehrt die außerbergrechtlichen Interessen verdrängend wirken. Damit verträgt sich der dreidimensionale Ansatz des Grundsatzes der Nachhaltigkeit, wie er in § 1 Abs. 2 ROG exemplarisch verankert ist, eigentlich nicht. Denn nach dem Wortlaut sind soziale, ökonomische und ökologische Faktoren miteinander in Einklang zu bringen, d.h. miteinander abzugleichen, zu harmonisieren. Dieses „Miteinander-InEinklang-Bringen" bedeutet aber schon dem Wortsinn nach, daß ein Ausgleich zwischen diesen, teilweise widerstreitenden, Belangen zufinden ist, so daß kei71 72

Siehe oben § 2 D.I.

So Kühne, DVB1. 1984, 709 (709) hinsichtlich der Erfordernisse der Raumordnung; Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 35 beschränkt auf Raumordnungsziele und für umweltrechtliche Zielsetzungen; vgl. aber VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (56 f.), wonach Grundsätze und Ziele der Raumordnung als öffentliche Interessen i.S.d. § 11 Nr. 10 BBergG in Betracht kommen, soweit sie hinreichend konkret sind.

E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen

41

ner von ihnen ganz ins Hintertreffen gerät. Diese abstrakte Gleichgewichtigkeit führt dazu, daß, jedenfalls auf der gesamtplanerischen Ebene, grundsätzlich kein Belang den Vorrang gegenüber einem anderen hat.73 Einen solchen Vorrang verlangt allerdings § 11 Nr. 10 BBergG, indem er auf das Vorliegen „überwiegender öffentlicher Interessen" abstellt. Entscheidend ist damit die (nachvollziehende) Abwägung der divergierenden Interessen im Einzelfall. Führt diese Abwägung zu dem Ergebnis, daß die außerbergrechtlichen Belange überwiegen, so wird die Harmonisierung zu Lasten des Bergbaus erfolgen und umgekehrt. Auf der Genehmigungsebene gilt damit, freilich in gewissem Umfang relativiert durch die nachfolgend dargestellte Möglichkeit zur Absicherung der Genehmigungsvoraussetzungen mittels Nebenbestimmungen, vereinfachend ausgedrückt das „Alles-oder-Nichts-Prinzip".

IV. Absicherung durch Nebenbestimmungen Denkbar ist eine teilweise Durchsetzung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung über entsprechende Nebenbestimmungen. Prinzipiell hat zwar die Bergbehörde im Rahmen der Verleihung von Bergbauberechtigungen nur die Möglichkeit eine, aus Sicht des Bergbautreibenden, positive oder negative Entscheidung zu treffen. Dies ergibt sich aus der Normstruktur der Bergbauberechtigungen. Als gebundene Entscheidung mit präventivem Erlaubnisvorbehalt besteht seitens der Bergbehörde bei Vorliegen eines Versagungsgrundes nur die Möglichkeit, die Erteilung der Bergbauberechtigung zu verweigern. Ist dagegen keiner der in §§ 11-13 BBergG abschließend aufgeführten Versagungsgründe erfüllt, besteht ein Rechtsanspruch auf ihre Erteilung. Mit anderen Worten lautet die Entscheidung „Ja" oder „Nein"; ein „Ja, aber" ist nur in Verbindung mit einer Nebenbestimmung möglich. Dabei erfaßt § 16 Abs. 3 BBergG nur den Fall der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen. Enthält das Bundesberggesetz mithin keine Regelung für den Erlaß von Nebenbestimmungen bei Erteilung einer Bergbauberechtigung, so greift der prinzipielle Vorrang der im Bundesberggesetz enthaltenen Verfahrensregelungen nicht, sondern es finden ergänzend gem. § 5 BBergG i.V.m. § 1 Abs. 3 VwVfG die entsprechenden Landesverfahrensgesetze Anwendung.74 Eine Nebenbestimmung kommt somit nur unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG in Betracht, da es sich bei der Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung75 um eine gebundene Entscheidung 73

Siehe Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 73 ff., 148 f.

74

Vgl. dazu Boldt/Weller,

75

BBergG, § 5 Rn. 1 ff, § 16 Rn. 5 ff.

Umstritten ist dagegen, ob auch die Verleihung von Bergwerkseigentum mit Nebenbestimmungen versehen werden kann. Ablehnend etwa Boldt/Weller, BBergG, § 16

§ 2 Konzessionen

42

handelt. Danach kann ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur dann versehen werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist, was vorliegend nicht der Fall ist, oder wenn durch die Nebenbestimmung sichergestellt werden soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Insofern kommen vorliegend Nebenbestimmungen nur dann in Betracht, soweit diese zur Wahrung der in §§ 11, 12 BBergG bezeichneten Belange erforderlich sind. Liegt ein Versagungsgrund nach diesen Vorschriften vor, so hat die Bergbaubehörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob den entgegenstehenden Belangen nicht durch geeignete Nebenbestimmungen Rechnung getragen werden kann.76 Weitergehende Nebenbestimmungen, d.h. solche, die über die Absicherung des NichtVorliegens der gesetzlichen Versagungsgründe hinausgehen und damit den Rechtsanspruch auf Erteilung der Bergbauberechtigung erschweren könnten, sind unzulässig.77 Insofern kann, insbesondere zur Ausräumung des Versagungsgrundes nach § 11 Nr. 10 BBergG, durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden, daß bergbauliche Vorhaben an sich überwiegenden außerbergrechtlichen öffentlichen Interessen weitestgehend Rechnung tragen, so daß diese letztlich dem Vorhaben nicht mehr entgegenstehen und die entsprechend modifizierte Bergbauberechtigung zu erteilen ist. Bis zu einem gewissen Grad können auf diese Weise ökonomische Interessen mit ökologischen und sozialen Belangen abgeglichen werden.

V. Zwischenergebnis Resümierend ist daher festzuhalten, daß der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung nur dann der Erteilung einer Bergbauberechtigung entgegenstehen kann, wenn er mediatisiert in strikten Planaussagen der Raumordnung,78 in na-

Rn. 8 ff., da das Bergwerkseigentum als grundstücksgleiches Recht (vgl. § 9 Abs. S. 1, 2. HS BBergG) eintragungs- und beleihungsfähig ist (vgl. Boldt/Weller, BBergG, § 9 Rn. 1, § 16 Rn. 8) und Nebenbestimmungen nicht eintragungsfähig seien und zudem gem. § 17 Abs. 2 BBergG nicht in die Berechtsamsurkunde aufgenommen werden dürften und damit für Dritte nicht erkennbar wären, was die „Umlauffähigkeit" beeinträchtige. Bejahend Kühne, DVB1. 1984, 709 (710), der der Gegenansicht vorwirft, sie mißachte den Unterschied zwischen dem Verwaltungsakt der Verleihung und dem dadurch zur Entstehung gebrachten Bergwerkseigentum. 76 77

Vgl. VGH Mannheim, ZfB 130 (1989), 57 (57, 1. Leitsatz) zur Bewilligung.

Vgl. Boldt/Weller, Rn. 16.

BBergG, § 16 Rn. 5 sowie allgemein Kopp, VwVfG, §36

78 Etwa durch ökologische oder soziale (etwa Fremdenverkehr, vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (406)) Vorranggebiete oder die außergebietliche Ausschluß-

E. Ausschluß aus überwiegenden öffentlichen Interessen

43

turschutzrechtlichen Schutzgebietsausweisungen79 oder sonstigen absoluten Verboten konkretisiert wurde und auf diese Weise die ökologischen oder sozialen Belangen den Vorrang gegenüber dem Bergbau erhalten haben, soweit ein derart bestehender Ablehnungsgrund nicht durch den Erlaß geeigneter Nebenbestimmungen ausgeräumt werden kann. Dies verdeutlicht den besonderen Stellenwert der Raumordnung, insbesondere der Raumordnungsziele für die Zulässigkeit von raumbedeutsamen Abbauvorhaben. Trotz des relativen Vorrangs des Bergbaus kann die im Rahmen des § 11 Nr. 10 BBergG vorzunehmende (nachvollziehende) Abwägung also auch zu Ungunsten des Bergbaus ausfallen, was allerdings nur in besonders gelagerten Einzelfällen der Fall ist. Dies fügt sich in das bisherige Verständnis ein. Mit § 11 Nr. 10 BBergG enthält das Bundesberggesetz eine Öffnungsklausel für außerbergrechtliche Belange. Damit stellt sich das Bergrecht diesen unter Umständen konfligierenden Belangen bereits zu einem frühen Zeitpunkt, nämlich bei der Entscheidung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung. Inwieweit sich konkurrierende Belange im Einzelfall durchzusetzen vermögen, ist damit auch eine Frage der jeweiligen fachgesetzlichen Bestimmungen und vor allem der darauf basierenden Ge- und Verbote. Angesichts dessen greift ein pauschaler Verweis auf ein aus ökologischer oder sozialer Sicht defizitäres Bergrecht zu kurz. Denn, wie gezeigt, ist eine Abgleichung prinzipiell möglich, ggf. durch den Erlaß geeigneter Nebenbestimmungen. Welchen Einfluß die nunmehr der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung verpflichtete Raumordnung in Zukunft auf den Bergbau nehmen wird, bleibt abzuwarten. Daß sie ihrerseits bei der Festlegung

Wirkung von Eignungsgebieten, vgl. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 3, S. 2 ROG; siehe auch VGH Greifswald, ZfB 141 (2000), 32 (38). 79

Sofern die (konkreten) rechtlichen Befreiungsvoraussetzungen nicht vorliegen, vgl. dazu VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (398, 5. Leitsatz, 401 ff.). Dabei prüft die Bergbehörde nur, ob die zuständige Dispensbehörde (Naturschutzbehörde) im konkreten Fall einen Dispens erteilen kann, weil die Voraussetzungen dafür eigentlich vorliegen. Ob ein Dispens tatsächlich erteilt wird, liegt dagegen im Ermessen der Naturschutzbehörde; vgl. dazu Schulte, ZfB 130 (1989), 82 ff.; ebenfalls zustimmend Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1322) m.w.N. Allein die abstrakte gesetzliche Befreiungsmöglichkeit nach § 31 BNatSchG (i.V.m. den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften) reicht also allein nicht aus, da ansonsten Bergbauberechtigungen in Naturschutzgebieten immer zu erteilen wären. Bei der Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen, ist jedoch das durch die Rohstoffsicherungsklausel dem Bergbau verliehene Gewicht zu beachten, vgl. Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1322); VGH Mannheim, a.a.O., 6. Leitsatz; VG Weimar, ZfB 136 (1995), 225 (236); krit. zur Anwendung der Rohstoffsicherungsklausel in diesem Zusammenhang Schulte, ZfB 130 (1989), 82 (84), der zum einen die systematische Stellung des § 48 Abs. 1 S. 2 im Dritten Teil des BBergG anführt und zum anderen die Tatsache, daß die Rohstoffsicherungsklausel dann doppelt berücksichtigt werde, was eine Durchsetzung außerbergrechtlicher Belange nahezu unmöglich mache.

§ 2 Konzessionen

44

von Raumordnungszielen die Belange der Rohstoffindustrie entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen hat, wird durch § 2 Abs. 2 Nr. 9 ROG gewährleistet.80 Daraus ergibt sich, daß im Konzessionsverfahren über die „Öflhungsklausel" des § 11 Nr. 10 BBergG von der Rechtsordnung anerkannte öffentliche Belange bei der Verleihung von Bergbauberechtigungen abwägend zu berücksichtigen sind. Über diese Vorschrift können soziale und ökologische Belange, insbesondere solche des materiellen Umwelt- und Planungsrechts, bei hinreichendem Konkretisierungsgrad Eingang in das Konzessionsverfahren finden. Innerhalb der dort vorzunehmenden Prüfung, ob Versagungsgründe die Erteilung der Bergbauberechtigung ausschließen, findet eine (nachvollziehende) Abwägung zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten statt. Dergestalt können also die hinter dem Gedanken der nachhaltigen Entwicklung stehenden Elemente über diese Generalklausel in das Berechtsamsverfahren einströmen und auf die Verleihung von Bergbauberechtigungen einwirken. Wegen § 12 Abs. 2 BBergG sind diese Gesichtspunkte, soweit möglich, bereits bei der Erteilung der Erlaubnis und nicht erst im Rahmen der Bewilligung zu prüfen 81 und dann ggf. auch möglichst früh in Nebenbestimmungen zu fassen.

F. Verbote und Beschränkungen durch den Nachhaltigkeitsgrundsatz konkretisierende andere Vorschriften nach § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG Eine weitere Vorschrift, über die der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, genauer diesen konkretisierende außerbergrechtliche Vorgaben bzw. Regelungen auf die Zulässigkeit von Abbauvorhaben einwirken können, ist § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG. Danach sind solche Rechtsvorschriften dem Bergrechtsregime entzogen, die auf Grundstücken Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind. Es muß sich also einmal um solche öffentlichen Zwecke handeln, die gegenüber dem Bergbau bzw. der bergbaulichen Tätigkeit restriktiv wirken, und zum anderen sind nur solche öffentlichen Zweckwidmungen oder Unterschutzstellungen relevant, die einerseits grundstücksbezogen und andererseits rechtsverbindlich

80

Der VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (405 a.E.) bezeichnet den wörtlich nahezu identischen § 2 Abs. 1 Nr. 10 ROG a.F. (jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG) als raumordnungsrechtliche Rohstoffsicherungsklausel. 81

VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (55).

F. Verbote und Beschränkungen

45

sowie außenwirksam sind.82 Planungen und Programme sind zwar regelmäßig rechtsverbindlich; ihnen mangelt es indes, sieht man von den Festsetzungen in Bebauungsplänen und Planfeststellungen einmal ab,83 an der erforderlichen Außenverbindlichkeit. 84 Damit sind letztgenannte Planungen freilich nicht bedeutungslos, können sie doch über den Blankettbegriff der „öffentlichen Interessen" in § 11 Nr. 1085 bzw. § 48 Abs. 2 S. I 8 6 BBergG auf die bergrechtlichen Konzessions- und Zulassungsverfahren einwirken. Über die in § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG normierte Öffnung und Bindung der bergbaulichen Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit kann der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung fur die andernorts in Verboten und Beschränkungen in rechtlich bindender Form konkretisierten öffentlichen Zwecke zur Geltung gebracht werden. Beispiele für solche grundstücks- und nutzungsbezogenen Verbote und Beschränkungen sind v.a. Schutzgebietsausweisungen,87 deren Festsetzung zunehmend auch europarechtlichen Einflüssen und Vorgaben, namentlich der FFH-Richtlinie 88 , unter-

82 Vgl. Piens/Schulte/Graf § 48 Rn. 2.

Vitzthum, BBergG, §48 Rn. 10; Boldt/Weller,

BBergG,

83 Vgl. zur Qualifizierung von Planfeststellungen als Verwaltungsakte, Brohm, JuS 1986, 776 (778); von Danwitz, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Abschn. Rn. 35; Breuer, ebenda., 5. Abschn. Rn. 64, jeweils m.w.N. 84

Rechtsverbindliche Planungen ohne Außenwirksamkeit im beschriebenen Sinne sind etwa die forstrechtlichen Rahmenpläne, Raumordnungspläne und Landschaftspläne, vgl. dazu Frenz, BBodSchG, § 4 Abs. 4 Rn. 12 ff. m.w.N. 85

Vgl. oben § 2 E.

86

Dazu unten § 3 D.

87

In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung werden mit öffentlichen Verkehrswegen, Wasserstraßen und militärischen Schutzbereichen weitere Beispiele genannt, siehe BT-Drucks. 8/1315, S. 104 sowie Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, §48 Rn. 11. 88 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. EG Nr. L 206 22.07.92 S. 7, sog. Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Zur Umsetzung der FFH-Richtlinie in den §§ 19a ff. BNatSchG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30. April 1998, BGBl. I, S. 823, siehe Gellermann, Natura 2000, S. 107 ff. Zu der nach § 19c Abs. 1 S. 1 BNatSchG geforderten Durchführung einer Flora-FaunaHabitat-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) für bestimmte Projekte und deren (mögliche) Auswirkungen auf das bergrechtliche Zulassungsverfahren siehe jüngst Cosack, NuR 2000, 311 (311, 314 ff.); allgemein zu den Auswirkungen des Habitatschutzes auf die Zulassung gebietsrelevanter Projekte Gellermann, a.a.O., S. 180 ff. Der FFH-Richtlinie werden sogar Vorwirkungen unabhängig von nationalen Schutzgebietsfestlegungen beigemessen, BVerwG, DVB1. 2000, 814; anders Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 126 f. Zur innerstaatlichen Beachtlichkeit der europäischen Regelungen des Gebietsschutzes Gellermann, a.a.O., S. 155 ff. und deren konkreten Auswirkungen am Beispiel

§ 2 Konzessionen

46

liegt. Daß auch solche Schutzgebietsfestlegungen im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG von Bedeutung sind, ergibt sich aus dem Umstand, daß nach der Gesetzesbegründung und dem Gesetzeswortlaut auch Verbote und Beschränkungen, die sich aus künftigen Schutzvorschriften ergeben, erfaßt werden sollten.89 Insofern präsentiert sich diese bergrechtliche Regelung als dynamisch und damit anpassungsfähig hinsichtlich außerbergrechtlicher Änderungen. Wenn und soweit solche außerbergrechtlichen Verbote und Beschränkungen bestehen, bleiben diese nach der Kollisionsnorm des § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG (zunächst) unberührt. Das Bundesberggesetz eröffnet der Bergbehörde damit gerade keine Möglichkeit, Ausnahmen und Befreiungen von solchen außerbergrechtlichen Schutznormen zu erteilen.90 Dies fällt vielmehr in den Aufgabenbzw. Zuständigkeitsbereich derjenigen Behörde, der die Einhaltung und Durchsetzung der jeweiligen Schutznorm i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG zugewiesen ist. Für übertägige Bergbauvorhaben kann die Umwandlungsgenehmigung nach § 9 Abs. 1 BWaldG (i.V.m. den einschlägigen, landeswaldrechtlichen Vorschriften 91) eine hervorgehobene Bedeutung erlangen. Diese Vorschriften sind Schutznormen i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG,92 so daß die erforderliche Genehmigung grundsätzlich bei der zuständigen Forstbehörde eingeholt werden muß, es sei denn es handelt sich um UVP-pflichtige Bergbauvorhaben93. Dann obliegt es aber gerade eben diesen Behörden, für den zweckentsprechenden Schutz zu sorgen. Dementsprechend fällt es auch in ihren Verantwortungsbereich, ob und, wenn ja, inwieweit sie den Nachhaltigkeitsgedanken verwirklichen. So heißt es denn schon in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Bundesberggesetz, daß es nicht Aufgabe des Bergrechts, sondern ausschließlich Aufgabe der für den jeweiligen Fachbereich geltenden Rechtsnormen sowie Entscheidungsträger bleiben muß, den zweckgerechten Schutz der Grundstücke

der Bauleitplanung S. 170 ff. Zur Verwirklichung des Nachhaltigkeitsgedankens durch die FFH-Richtlinie sogleich im Text. 89

Siehe BT-Drucks. 8/1315, S. 104, wonach „alle nach geltendem Recht bestehenden und künftigen Schutzvorschriften" von dieser Regelung erfaßt werden sollten; dazu auch Ρ iens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 48 Rn. 10. 90

Vgl. dazu und zur abweichenden Rechtslage vor Erlaß des BBergG Piens/Schulte/ Graf Vitzthum, BBergG, § 48 Rn. 7 f. 91

Vgl. etwa §§ 39 f. LFoG NW (Forstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen); § 15 LWaldG MV . 92 93

Vgl. nur OVG Greifswald, ZfB 141 (2000), 32 (37).

Siehe § 39 Abs. 1 S. 2 LFoG NW sowie weitere Ausnahmen in § 43 Abs. 1 LFoG NW, insbesondere für solche Waldflächen, für die in einem Bebauungsplan nach § 30 BauGB oder in einem Ortsteil nach § 34 BauGB sowie in einem Braunkohlenplan (vgl. § 24 LP1G NW) eine anderweitige Nutzung vorgesehen ist.

F. Verbote und Beschränkungen

47

sicherzustellen. Bestünde die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen, so seien diese beim zuständigen Entscheidungsträger einzuholen.94 Damit entscheidet sich auch die Frage nach dem Geltungsumfang des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung im Bergrecht wesentlich auf fachgesetzlicher Ebene. Findet er dort Eingang, müssen die von der Unberührtheitsklausel des § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG erfaßten außerbergrechtlichen Verbote und Beschränkungen, genauer der dort akzentuierte öffentliche Widmungs- bzw. Schutzzweck ebenfalls dem dreidimensionalen Nachhaltigkeitsverständnis Rechnung tragen. Demzufolge müssen auch die vorwiegend ökologisch motivierten Schutzgebietsausweisungen das soziale und ökonomische Teilelement des übergreifenden Nachhaltigkeitsgedankens hinreichend, d.h. abstrakt gleichberechtigt berücksichtigen. Das ökonomische Teilelement besteht hier in Form der bergbaulichen Interessen der gegenwärtigen, aber auch künftiger Generationen. Für die FFH-Gebiete stellt dies der 3. Erwägungsgrund der FFH-Richtlinie sicher, wo es heißt: „Hauptziel dieser Richtlinie ist es, die Erhaltung der biologischen Vielfalt zufördern, wobei jedoch die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und regionalen Anforderungen berücksichtigt werden sollen. Diese Richtlinie leistet somit einen Beitrag zu dem allgemeinen Ziel einer nachhaltigen Entwicklung." Auf der zweiten umsetzenden und für den Einzelfall ausgestaltenden Stufe kommt zudem noch eine Ausnahme oder Befreiung durch die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls in Betracht.95 Dem trägt § 19c Abs. 3 BNatSchG Rechnung,96 wonach (Abbau)Projekte trotz der im Gefolge einer Prognoseentscheidung zu besorgenden erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebietes aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, wozu auch solche sozialer oder wirtschaftlicher Art gehören, ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern keine zumutbaren Alternativen bestehen. Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall ein Dispens von § 19c Abs. 2 BNatSchG in Betracht kommt, sind seitens des Unternehmers vorgesehene und angebotene Ausgleichsmaßnahmen zu berücksichtigen, da diese letztlich die Erheblichkeitsschwelle der Beeinträchti-

94

Vgl. BT-Drucks. 8/1315, S. 104; dazu Piens/Schulte/Graf

Vitzthum, BBergG, § 48

Rn. 8. 95

Hier sieht Art. 6 FFH-RL die Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte vor, die auch der EuGH, Slg. 1996,1-3805 (3856) - Lappel Bank befürwortet. Deren Einbeziehung lehnt er freilich auf der Ebene der Schutzgebietausweisung ab (EuGH, Slg. 1996,1-3805 (3852, 3854 ff.) - Lappel Bank; Slg. 1998,1- 3031 (3070) für die insoweit systematisch parallele Vogelschutzrichtlinie), allerdings nicht vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung, sondern wegen der Ausgestaltung der Richtlinie. 96

(317).

Zum zeitlichen Anwendungsbereich der FFH-VP siehe Cosack, NuR 2000, 311

48

§ 2 Konzessionen

gungen absenken können.97 Als Abgrenzungspunkt fungiert damit die Kompetenz des jeweils zur Entscheidung berufenen, mithin nach der Kompetenzordnung zuständigen Entscheidungsträgers.

G. Frage der „Reaktivierung" von § 48 Abs. 2 BBergG für außerbergrechtliche Belange auf dieser Ebene Auf der Ebene der Verleihung von Bergbauberechtigungen ermöglicht § 11 Nr. 10 BBergG, wie gezeigt, über den Ausschlußgrund der „überwiegenden öffentlichen Interessen" eine hinreichende Berücksichtigung außerbergrechtlicher Belange. Derartige öffentliche Interessen können grundsätzlich Belange des Natur- und Landschaftsschutzes, der Rohstoff- und Energiepolitik, der Raumordnung und Landesplanung, des Fremdenverkehrs, des Strahlenschutzes, des Gewässerschutzes und der Außenbereichsbebauung sein.98 Damit bestehen für soziale und ökologische Belange ausreichend Möglichkeiten, vor allem über die Ergebnisse dieser Planungen in der Interessenabwägung nach §11 Nr. 10 BBergG Berücksichtigung zu finden. Nach geltender Rechtslage kann das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung demzufolge nicht unmittelbar auf das Berechtsamsverfahren einwirken, sondern nur mittelbar auf dem geschilderten Wege zur Geltung gelangen. Eine „Reaktivierung" von § 48 Abs. 2 BBergG erscheint demnach nur unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß diese Vorschrift auf der Rechtsfolgenseite die flexiblere Regelung enthält. Während im Rahmen der §§11 bis 13 BBergG lediglich über die Zulässigkeit oder die Untersagung der bergbaulichen Tätigkeit entschieden wird, besteht nach § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zusätzlich die Möglichkeit, die Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken. Gerade letzteres entspricht dem integrativen Ansatz des Grundsatzes der Nachhaltigkeit. Danach sollen nämlich verschiedene Nutzungen und Funktionen aufeinander abgestimmt werden, d.h. es soll ein Ausgleich zwischen sozialen und wirtschaftlichen Ansprüchen und ökologischen Funktionen sowie den Bedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen erfolgen. Ein solcher Ausgleich zielt aber gerade darauf, daß jeder Belang soweit wie möglich verwirklicht bzw. sowenig wie möglich beeinträchtigt wird, mithin kein Belang vollends ins Hintertreffen gerät. Dazu paßt eine Entscheidungsstruktur mit den Alternativen „Ja" oder „Nein" nicht. Diesem Umstand kann jedoch, wie gezeigt, weitestgehend mittels entsprechender Nebenbestimmungen Rechnung getragen werden. Der von § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG erfaßte Fall entgegenstehender überwiegender öffentlicher

97

Vgl. Cosack,, NuR 2000, 311 (314 f.).

98

Aufzählung nach VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (400).

G. Frage der „Reaktivierung"

49

Interessen wird bei der Erteilung einer Bergbauberechtigung von § 11 Nr. 10 BBergG abgesichert. Folgt man der Rechtsprechung, wonach grundsätzlich alle von der Rechtsordnung anerkannten öffentlichen Belange über § 11 Nr. 10 BBergG Berücksichtigung finden können," so ist ein Rückgriff auf § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG entbehrlich.

99

Vgl. VGH Mannheim, VB1BW 1988, 398 (398, 2. Leitsatz; 400) = ZfB 130 (1989), 57, 2. Leitsatz; aus der Lit. etwa Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 11 Rn. 17; Fischer/Hüftle, NuR 1989, 106 (108). A.A. offenbar Dickschen, Das Raumordnungsverfahren im Verhältnis zu den fachlichen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, S. 190. 4 Frenz

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren/ Umweltverträglichkeitsprüfung Die bergrechtlichen Anforderungen, die der Gesetzgeber an die Errichtung und Führung eines bergbaulichen Betriebes stellt, sind in § 55 BBergG aufgelistet. Dabei fällt auf, daß der Katalog von ZulassungsVoraussetzungen in § 55 BBergG eine dem § 11 Nr. 10 BBergG vergleichbare Generalklausel nicht aufweist. Gleichwohl enthalten die einzelnen Zulassungsvoraussetzungen teilweise unbestimmte Rechtsbegriffe. Daher stellt sich zunächst die Frage, inwieweit der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung bzw. die diesen konkretisierenden planungs- und umweltrechtlichen Belange auf diesem Umweg auf das Betriebsplanverfahren einwirken.

A. Vorsorge gegen Gefahren für Leben und Gesundheit, § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG Prinzipiell denkbar wäre eine stärkere Zukunftsausrichtung dieser Zulassungsvoraussetzung infolge der Tatsache, daß der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung aufgrund seiner Zukunftsgerichtetheit eine Herabsetzung der erforderlichen Gefahrenschwelle zumindest nahelegt.1 Angelegt ist diese Zukunftsgerichtetheit bereits im Wortlaut dieser Vorschrift. Indem die Betriebsplanzulassung davon abhängig gemacht wird, daß die erforderliche Vorsorge für die Erreichung der normierten Schutzziele getroffen ist, macht der Gesetzgeber deutlich, daß der Schutzzweck nicht nur im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung erfüllt sein muß. Vielmehr ist durch entsprechende Vorbeugemaßnahmen sicherzustellen, daß auch künftig eine Realisierung der bezeichneten Gefahren ausgeschlossen werden kann.2 Die ganz überwiegende Ansicht3 1

Dies kommt vom Ansatz her, neben der maßgebenden intergenerationellen Komponente in Grundsatz 3, bereits in Grundsatz 15 der, freilich als politische Absichtserklärung und damit als rechtlich unverbindlich zu qualifizierenden, Rio-Deklaration zum Ausdruck. Dieser Grundsatz lautet: „Zum Schutz der Umwelt wenden die Staaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten weitgehend den Vorsorgegrundsatz an. Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf ein Mangel an vollständiger Gewißheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben." Dazu näher Frenz, ZG 1999, 143 (145 ff.). 2

Vgl. Boldt/Weller,

BBergG, § 55 Rn. 14.

Β. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung

51

spricht dieser Vorschrift indes einen außerbergrechtlichen Schutzzweck ab. § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG bezwecke nach seinem Wortlaut einen Schutz vor Gefahren der bezeichneten Art „im Betrieb", sei mithin ausschließlich bergrechtsspezifischer Natur und besitze folglich keinen Bezug zu umweit- oder planungsrechtlichen Belangen.4 Zwar stehen „Gefahren fur Leben" und „Gesundheit" am Beginn und vor dem „Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb" anschließenden Satzteil, so daß nicht eindeutig ist, ob sich der Zusatz „im Betrieb" auch auf den Beginn des Satzes bezieht. Dieser Bezug ergibt sich indes aus dem beispielhaft genannten Abwehrinstrument der den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen sowie aus der in § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG im zweiten Teil geforderten Einhaltung der für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes geltenden bergrechtlichen Bestimmungen und der sonstigen Arbeitsschutzvorschriften. Damit betrifft der thematische Gesamtregelungsgegenstand den innerbetrieblichen Bereich auch hinsichtlich der Gefahren für Leben und Gesundheit. Mangels eines Bezuges zu außerbergrechtlichen Belangen bleibt der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung damit in § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG außen vor.

B. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß, § 55 Abs.l Nr. 7 BBergG I. § 55 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG als „Öffnungsklausel" Eine Öffnung des bergrechtlichen Zulassungsverfahrens in Richtung außerbergrechtliche Belange könnte sich über die Zulassungsvoraussetzung des § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG ergeben. Danach setzt die Betriebsplanzulassung voraus, daß „die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in 3 Vgl. etwa Boldt/Weller, BBergG, § 55 Rn. 14; Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 45; Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 161, der dementsprechend auch die drittschützende Wirkung verneint, S. 189 f. Vgl. aus der Rspr. BVerwGE 81, 329 (336) - Moers-Kapellen, wonach der Vorsorgegrundsatz des § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG jedenfalls nicht Sachgüter Dritter außerhalb des Bergbetriebes erfaßt; im Hinblick auf eine drittschützende Wirkung der Schutzgüter Leben und Gesundheit Dritter zwar angedeutet, im Ergebnis allerdings offengelassen. Ebenfalls offengelassen von BVerwG, ZfB 133 (1992), 38 (40) - Gasspeicher. 4 Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 160 f.; siehe dagegen ausdrücklich offenlassend BVerwG, ZfB 133 (1992), 38 (40 f.) - Gasspeicher, wonach die Formulierung „im Betrieb" einer drittschützenden Auslegung dieser Vorschrift auch bezogen auf den Sachgüterschutz nicht zwingend entgegen stehe.

52

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist". Während nach der Zweckvorschrift des § 1 Nr. 1 BBergG die bergbaulichen Tätigkeiten „bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern", mithin Einwirkungen auf den Boden so gering wie möglich zu halten sind, erfaßt § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG den Ausgleich unvermeidbarer Einwirkungen auf den Boden. Diese Vorschrift ergänzt damit zum einen die Bodenschutzklausel in § 1 Nr. 1 BBergG und zum anderen § 55 Abs. 2 Nr. 2 BBergG, der die Wiedernutzbarmachung für den Zeitpunkt der Betriebseinstellung sicherstellen soll, indem künftigen Nutzungsmöglichkeiten bereits bei der Gestaltung des laufenden Betriebes Rechnung getragen wird.5 Die Anforderungen der „Sicherstellung" der Wiedernutzbarmachung im Abschlußbetriebsplan nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 BBergG sind freilich ungleich strenger, lassen sich in diesem Stadium die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen doch konkret festlegen. Die Erteilung des für die Einstellung des Betriebs erforderlichen Abschlußbetriebsplans setzt daher voraus, daß der Unternehmer den Nachweis erbringt, daß die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche sichergestellt ist.

1. Verhältnis zum naturschutzrechtlichen

Ausgleichsgebot

Weil das Bundesberggesetz mit §§ 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 spezielle Regelungen zur Wiedernutzbarmachung, mithin zum Ausgleich der bergbaubedingten Eingriffe enthält, können diese Vorschriften als leges speciales gegenüber dem naturschutzrechtlichen Ausgleichsgebot des § 8 Abs. 2 S. 4 BNatSchG angesehen werden.6 Handelt es sich um eine gleichwertige, da dieses Gebot sicherstellende Regelung,7 so bleiben gleichwohl die Wertungen des § 8 Abs. 2 S. 4 BNatSchG für die Beantwortung der Frage berücksichtigungsfahig, wann ein Ausgleich durch die Wiedernutzbarmachung erfolgt ist.8 Als bergrechtliche Öffhungsklausel vermag der Begriff „ordnungsgemäß" in § 4 Abs. 4 BBergG zu fungieren. 9 Nach § 8 Abs. 2 S. 4 BNatSchG ist ein Eingriff 5

Boldt/Weller,

BBergG, § 55 Rn. 34.

6

Siehe Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (345); Büllesbach, Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen, S. 97; Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1323); aus der Rspr. etwa VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (58). Ob die bergrechtlichen Regelungen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung dagegen vollends verdrängen, so Gerigk, ZfB 128 (1987), 232 (235 f.), erscheint dagegen zweifelhaft, weil das BBergG etwa hinsichtlich der Vermeidungspflicht des § 8 Abs. 1, 3 BNatSchG keine (verdrängende) Sonderregelung enthält. 7

In diesem Sinne etwa Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1323).

8

So Boldt/Weller,

9

BBergG, § 55 Rn. 55; Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1323).

Ebenfalls die Unbestimmtheit dieser Gesetzesformulierung hervorhebend Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (337 f.).

Β. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung

53

ausgeglichen, wenn nach seiner Beendigung keine erheblichen oder nachhaltigen (dauerhaften) Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes zurückbleiben und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Damit ist nach der gesetzgeberischen Konzeption der Begriffsbestimmung die landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsbildes im Verhältnis zur Wiederherstellung als gleichwertige Alternative anzusehen,10 mithin ein vollständiger Ausgleich im Sinne einer Wiederherstellung des status quo ex ante nicht zwingend.11 Letzteres unterscheidet die Wiedernutzbarmachung gerade von einer Rekultivierung.12 Die Wiedernutzbarmachung kann sich am status quo ex ante orientieren, mithin ein der Rekultivierung vergleichbares Ergebnis anstreben; sie muß es aber nicht.13 Ausreichend ist vielmehr ein gleichwertiger Ausgleich. Daß dies im Rahmen des § 4 Abs. 4 BBergG genügt, zeigt auch der weite Begriff „ordnungsgemäße Gestaltung", bei dessen Konkretisierung freilich nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 BBergG das öffentliche Interesse zu beachten ist.14 In der Praxis erfolgt häufig eine Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Flächen für land- und forstwirtschaftliche Folgenutzungen oder für Erholungszwecke.

10

Vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 BNatSchG, wonach unvermeidbare bergbaubedingte Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Rekultivierung oder naturnahe Gestaltung auszugleichen sind. Mit Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (337) läßt sich diese Gegenüberstellung mit dem Begriffspaar der naturgemäßen und der naturnahen Gestaltung der Oberfläche verdeutlichen. 11 Vgl. auch Hahn, Das Recht der Landschaftsplanung, S. 166, wenngleich in der Praxis und im Regelfall eine Folgenutzung zu land- bzw. forstwirtschaftlichen Zwecken erfolgt und damit die Oberfläche in den vor der Durchführung des Abbauvorhabens bestehenden Zustand weitestgehend zurückversetzt wird, vgl. Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (336). 12 Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (338); Büllesbach, Die rechtliche Bewertung von Abgrabungen, S. 95 m.w.N. 13

Dazu Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 49; Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (336 ff.); Büllesbach, Die rechtliche Bewertung von Abgrabungen, S. 95 m.w.N. sowie insbesondere BT-Drucks. 8/1315, S. 76. Dies ergibt sich zudem aus §§ 39 Abs. 3, 81 Abs. 3 Nr. 1 BBergG, indem diese zwischen Wiederherstellung und Wiedernutzbarmachung im oben beschriebenen Sinne unterscheiden; so bereits Kirchner, ZfB 125 (1984), 333 (338 f.) 14 Die zur Wiedernutzbarmachung erforderlichen Vorsorge- und Durchführungsmaßnahmen können daneben gem. § 66 Nr. 8 BBergG durch Bergverordnung näher konkretisiert werden.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

54

2. Verbindung zur nachhaltigen Entwicklung Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung interessiert hier vor allem, ob und welches Sanierungsniveau sich § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG entnehmen läßt und inwieweit sich dieses mit demjenigen deckt, das der Nachhaltigkeitsgrundsatz anvisiert. Geht es wie hier um die Folgen wirtschaftlicher Tätigkeit, so sollen diese in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ihrem Umfang nach möglichst begrenzt gehalten werden. Bezieht man die Zielsetzung des konstanten Naturkapitals15 mit ein, um die Möglichkeiten der Nachwelt zur Befriedigung ihrer Bedürfiiisse so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, dann muß die Wiedernutzbarmachung auf lange Sicht dazu fuhren, daß, zumindest idealtypisch, ein dem status quo ex ante vergleichbarer Zustand wiederhergestellt wird, mithin die jeweilige Fläche entsprechenden Folgenutzungen wieder zugeführt werden. Wurde beispielsweise zur Gewinnung oberflächennaher Rohstoffe eine (befristete) Umwandlung von Wald genehmigt, so kann die Forstbehörde bzw. bei UVP-pflichtigen Abbauvorhaben die Bergbehörde durch Nebenbestimmungen sicherstellen, daß die betroffene Fläche bis zum Ablauf einer angemessenen Frist wieder aufgeforstet, mithin der vormals bestehenden Waldnutzung wieder zugeführt wird. 16 Andererseits zielt auch der Grundsatz der Nachhaltigkeit nicht zwingend auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Obwohl dessen intergenerationelle Ausrichtung die drei Dimensionen des Grundsatzes auf ein Gesamtziel ausrichtet, kann im Einzelfall einiges dafür sprechen, daß die in Anspruch genommene Fläche nicht wieder ihrer ursprünglichen Funktion oder Nutzung zugeführt, sondern für eine anderweitige Nutzung hergerichtet wird. So kann sich unter Umständen die Frage stellen, ob es - selbst unter ökologischen Gesichtspunkten betrachtet - in bestimmten Situationen nicht sinnvoller ist, auf dem Gelände eines ehemaligen Abbaubetriebes einen Gewerbepark zu errichten, anstatt diesen „auf der grünen Wiese" zu piazieren. Dadurch kann verhindert werden, daß zusätzliche Flächen in Anspruch genommen werden. Auch die Verfüllung einer Tongrube oder eines sonstigen Tagebaus kann dazu beitragen, daß Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes an anderer Stelle begrenzt werden. Begrifflich setzt eine Wiedernutzbarmachung eine anschließende Nutzungsmöglichkeit der Fläche voraus. Dies bedeutet, wie bereits erwähnt, nicht zwin15

Aus dem Grundsatz der Nachhaltigkeit wird im Hinblick auf die Ressourcennutzung allgemein abgeleitet, daß die Nutzung einer bestimmten Ressource nicht größer sein darf als deren Regenerationsrate. Diese Forderung führt bei erneuerbaren Ressourcen zur Erhaltung des „Naturkapitals", vgl. nur Rehbinder, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, Kapitel 4, Rn. 57. 16

Vgl. etwa § 40 Abs. 1 Nr. 3 LFoG NW; § 15 Abs. 2 LWaldG MV, dazu OVG Greifswald, ZfB 141 (2000), 32 (41).

Β. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung

55

gend die Wiederherstellung des vor Beginn des Abbaus bestehenden Zustandest7 Davon ging auch der Gesetzgeber aus, indem er die Herrichtung der in Anspruch genommenen Flächen für eine künftige anderweitige Nutzung, beispielsweise für eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung oder zu Erholungszwecken prinzipiell für möglich hielt.18 Fraglich ist allerdings, welche qualitativen Vorgaben den bergrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen sind und ob der Grundsatz der Nachhaltigkeit diese beeinflussen kann. Als derartige „Einbruchstelle" könnte zunächst die Formulierung „in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß" in Betracht kommen. Dies würde voraussetzen, daß die Umstände auch durch den Nachhaltigkeitsgedanken geprägt werden. Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch wird man allerdings den Wortsinn des Begriffs „Umstände" auf rein tatsächliche Begebenheiten zu beschränken haben. Kommt es also auf tatsächliche Begebenheiten an, spielen rechtlich vorgegebene Zielvorstellungen vom Wortlaut her zunächst einmal keine Rolle.19 Nichts anderes gilt für politische Zielvorstellungen. Danach würde der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, gleich ob als rechtliche Handlungsmaxime wie beispielsweise über Festlegungen der Raumordnung20 oder als politische Maxime, keinen Einfluß auf die Wiedernutzbarmachung nehmen können. Gegenteiliges könnte sich indes aus § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG ergeben. Letztgenannte Vorschrift beinhaltet eine Legaldefinition der Wiedernutzbarmachung. Danach ist unter Wiedernutzbarmachung die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses zu verstehen. Vergleicht man den Wortlaut des § 4 Abs. 4 BBergG mit denjenigen Vorschriften des Bundesberggesetzes, in denen ebenfalls auf die öffentlichen Interessen Bezug genommen wird, namentlich also mit den §§ 11 Nr. 10, 48 Abs. 2 S. 1 BBergG, so zeigt sich bereits ein wesentlicher Unterschied. Während in den letztgenannten Vorschriften den hinter dem unbestimmten Rechtsbegriff des öffentlichen Inte17

Vgl. dazu Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 49, der zutreffend zwischen Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung unterscheidet; siehe auch Zydek, Materialien, S. 56. 18 Vgl. Zydek,, Materialien, S. 55; in diesem Sinne auch Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1323). 19

Insoweit könnte man einen Vergleich zu anderen Rechtsvorschriften ziehen, die ebenfalls, zumindest primär, auf faktische und nicht auf rechtliche Gegebenheiten abstellen, etwa § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB, der auf „die Eigenart der näheren Umgebung" abstellt oder § 4 Abs. 4 S. 2 BBodSchG, wonach das Schutzbedürfhis anhand „der Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung" zu bestimmen ist. 20

Siehe Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 148, 172 f.

56

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

resses stehenden Belangen nur dann eine rechtliche Wirkung zugesprochen wird, sofern diese die bergbaulichen Interessen überwiegen, spricht § 4 Abs. 4 BBergG allgemein von einer Beachtung des öffentlichen Interesses. Die mit dem Wort „überwiegen" intendierte Abwägungsentscheidung zwischen bergrechtlichen und außerbergrechtlichen Belangen ist hier gerade nicht vorzunehmen. Dies trifft sich mit einer grundsätzlich divergierenden Ausgangslage. Das besondere Gewicht, welches den bergbaulichen Interessen entsprechend der in § 1 Nr. 1 BBergG niedergelegten Förderaufgabe beigelegt wird, verliert im Rahmen der Wiedernutzbarmachung nach §§55 Abs. 1 Nr. 7, 4 Abs. 4 BBergG tendenziell an Bedeutung. Die Betrachtung bezieht sich vom Ergebnis her auf die Zeit nach dem Rohstoffabbau. Indem für die Wiedernutzbarmachung Vorsorge getroffen werden soll, muß diese ausreichen, den angestrebten Zustand zu erreichen; sie muß sich also am späteren Endzustand ausrichten. Im Falle des § 55 Abs. 2 Nr. 2 BBergG sind die Aufsuchung und Gewinnung abgeschlossen. Daher kommen die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG und der Förderzweck des § 1 Nr. 1 BBergG nicht mehr mit vollem Gewicht zum Zuge. Damit spricht vom rein Tatsächlichen und vom Wortlaut her einiges gegen eine restriktive Auslegung. Gleichwohl können auch im Rahmen der Wiedernutzbarmachung überzogene Anforderungen mit dem Förderzweck des § 1 Nr. 1 BBergG und der von § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG intendierten Rohstoffsicherung in Konflikt geraten. Zwar können Vorgaben zur abbaubegleitenden sowie insbesondere zur nach der Einstellung des Betriebes vorzunehmenden Wiedernutzbarmachung vordergründig betrachtet nicht dem Abbaubetrieb als solchem entgegenstehen, setzen sie diesen doch gerade voraus. Indes können überzogene Vorgaben zur Herrichtung der Oberfläche derart hohe finanzielle Rückstellungen und schließlich Aufwendungen erforderlich machen,21 daß ein Abbauvorhaben die Rentabilitätsgrenze unterschreitet. Insofern besteht also die Gefahr, daß mittels strenger Vorgaben ein bergbauliches Abbauvorhaben gleichsam durch die Hintertür der Wiedernutzbarmachung unrentabel und damit faktisch ausgeschlossen wird. Auf diese Weise würde der Förderzweck des § 1 BBergG ausgehebelt. Aus Sicht des Nachhaltigkeitsgedankens würde damit die ökonomische Seite einseitig verdrängt. Damit wird erkennbar, welche Bedeutung den im jeweiligen Einzelfall gestellten Anforderungen an die Wiedernutzbarmachung zukommen kann. Auch diese müssen sich indes in der jeweiligen Einzelsituation ihrerseits in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bewegen und sich somit am Übermaßverbot messen lassen, mithin zur Erreichung eines legitimen Zweckes 21 Vgl. etwa § 39 Abs. 3 S. 2 LFoG NW, wonach die Forstbehörde zur Gewährleistung der Erfüllung von Nebenbestimmungen, und zwar insbesondere solcher, die die Verpflichtung zur ausgleichenden Ersatzbepflanzung enthalten, die Hinterlegung von Geldbeträgen oder ähnlichen Sicherheitsleistungen verlangen kann.

Β. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung

57

geeignet, erforderlich und angemessen sein. Fraglich ist demnach, inwieweit die nach § 55 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG zu beachtenden öffentlichen Interessen als außerbergrechtliche Belange den Zweck der Wiedernutzbarmachung und damit die Art und Weise der ordnungsgemäßen Gestaltung der nach bergmännischen Gegebenheiten in Anspruch genommenen Fläche beeinflussen können.

II. Zu beachtende öffentliche Interessen im einzelnen 1. Zum Begriff,,

Wiedernutzbarmachung"

Eine ordnungsgemäße Gestaltung der Oberfläche wird dann angenommen, wenn die vom Bergbau in Anspruch genommenen Flächen so hergerichtet werden, daß sie sich für eine andere sinnvolle Nutzung eignen.22 Die Inbezugnahme einer sinnvollen Folgenutzung deutet primär auf die Ermöglichung einer anschließenden sozialen oder wirtschaftlichen Nutzung, etwa für Erholungszwecke, zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken oder beispielsweise als Bebauungsgebiet. Auch dem Begriff der Wiederwwizôamachung23 ist die Nutzbarkeit immanent. Insoweit ließe sich fragen, inwieweit begrifflich überhaupt eine ökologische Zielrichtung enthalten oder gar zwingend ist. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lassen die Begriffe „nutzbar" oder „Nutzen" eher auf eine soziale oder wirtschaftliche Zielrichtung schließen. Auch der Gesetzgeber verwendet die Begriffe „Nutzung" oder „Nutzen"24 in diesem Sinn, während er für eine ökologische Zielrichtung regelmäßig den Begriff der „Funktionen" verwendet.25 Bei genauerem Hinsehen wird jedoch die begrenzte Aussagekraft einer solchen Begriffsdeduktion sichtbar, verwendet der Gesetzgeber doch den Begriff der „Funktionen" in § 2 Abs. 2 BBodSchG in einem umfassenden, d.h. sowohl in einem ökologischen, sozialen und ökonomischen als auch in einem kulturellen Sinne.26 Vergleichbares gilt für die Begriffe „Nutzung" oder „Nutzen". Aus einem anthropozentrischen Blickwinkel „nutzen" ökologische Ziele mittelbar dem Menschen aufgrund seiner Abhängigkeit von einer intakten Umwelt und den natürlichen Lebensgrundlagen. Demzufolge schließt der Begriff der Wiedernutzbarmachung die Verfolgung ökologischer Ziele nicht von vornherein aus. Betrachtet man ferner mit der überwiegenden Ansicht in Literatur 22

Boldt/Weller,

23

Dazu eingehend Kirchner, ZfB 125 (1984), S. 333 ff.

24

Vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG, § la Abs. 1 WHG.

25

Vgl. vorherige Fn.

26

BBergG, § 55 Rn. 45.

Zu den Bodenfünktionen des § 2 Abs. 2 BBodSchG siehe Frenz, BBodSchG, § 1 Rn. 30, §2Rn. 19 ff.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

58

und Rechtsprechung die Wiedernutzbarmachung als Ausgleich im Sinne von § 8 Abs. 2 BNatSchG,27 sind vor dem Hintergrund dieses Zweckes ökologische Ziele vielmehr einzuschließen.

2. Das öffentliche

Interesse nach § 4 Abs. 4 BBergG

Aus den vorstehenden Ausführungen läßt sich freilich kein qualitativer Maßstab für die Wiedernutzbarmachung ableiten. Denn das Merkmal der „sinnvollen Nutzung"28 steht in keinem zwingenden Zusammenhang zu derjenigen vor dem Abbau. Auch die Verfüllung des vom Bergbau in Anspruch genommenen Geländes mit Abfällen, also die Folgenutzung des Geländes als Deponie, kann eine durchaus sinnvolle Nutzung darstellen. Über die nach § 4 Abs. 4 BBergG zu beachtenden öffentlichen Interessen fließen jedoch auch qualitative Aspekte in die Wiedernutzbarmachung mit ein. Diese hat sich qualitativ an der vorgesehenen Anschlußnutzung zu orientieren, sofern sich eine solche aus verbindlichen Festsetzungen für das betroffene Gebiet entnehmen läßt. Ist dies nicht der Fall, dann ist allein auf die tatsächlichen Umstände abzustellen.29 Damit kommt den insoweit relevanten „öffentlichen Interessen" maßgebliche Bedeutung zu. Diese wirken nicht zwangsläufig zu Lasten des Bergbaus, wie das oben genannte Beispiel einer Folgenutzung eines Tagebaus als Deponie zeigt. In diesem Fall kann sich die Wiedernutzbarmachung nur darauf beschränken, daß die Voraussetzungen für eine entsprechende Folgenutzung vom Bergbautreibenden geschaffen werden. Sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung oder gar zur Durchführung der Folgenutzung unterliegen dagegen dem Zuständigkeitsbereich der entsprechenden Planungs- und Genehmigungsverfahren und nicht dem Bergrecht oder der Verantwortung des Bergbautreibenden.30 Dementsprechend verlagert sich die Frage nach den qualitativen Anforderungen an die Wiedernutzbarmachung darauf, welche öffentlichen Interessen überhaupt über § 55 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG Beachtung erlangen und in welchem Maße dies der Fall ist.

27

Siehe oben § 3 B.I.l.

28

Boldt/Weller,

29

Vgl. dazu Boldt/Weller,

30

BBergG, § 55 Rn. 45. BBergG, § 55 Rn. 46.

So zutreffend Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1323); vgl. auch Boldt/Weller, § 2 Rn. 20 f.

BBergG,

Β. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung

59

3. Keine unbesehene Auffüllung aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften Keineswegs kann das nach § 4 Abs. 4 BBergG im Rahmen der Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung zu beachtende öffentliche Interesse unbesehen mit einer umfassenden Prüfung öffentlicher Belange aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufgefüllt werden.31 Denn der ursprünglich in § 55 Abs. 1 Nr. 8 BBergG vorgesehene Versagungsgrund des Entgegenstehens „überwiegender öffentlichen Interessen" wurde entsprechend der Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages32 wieder gestrichen und führte zur jetzigen Fassung des § 48 Abs. 2 BBergG. Insofern kann § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG nicht als Auffangtatbestand gedeutet und über diesen Umweg, quasi durch die Hintertür der Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 4 BBergG, eine Öffnungsklausel für sämtliche Umweltbelange oder gar alle öffentlichen Belange geschaffen werden. Ansonsten wäre zudem die von der Rechtsprechung postulierte ergänzende Anwendung des § 48 Abs. 2 BBergG33 im Betriebsplanverfahren obsolet. Ferner würde der von der Rechtsprechung anerkannte, abschließende Charakter der ZulassungsVoraussetzungen des § 55 BBergG auf diese Weise geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Demnach scheidet eine umfassende Prüfung öffentlicher Belange durch die Bergbehörde aus, soweit diese von dem einschlägigen Fachgesetz der korrespondierenden Genehmigungsbehörde zugewiesen sind.34

4. Bauplanungsrechtliche Aussagen Allgemein abgesichert ist die kommunale Planungshoheit im Prüfprogramm für die Zulassung von Betriebsplänen über § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG. Im Hinblick auf die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche ist der Schutz der kommunalen Planungshoheit über § 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 BBergG i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG zur Geltung zu bringen.35 Diesbezüglich kann § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG als lex specialis zu § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG qualifiziert werden.

31

Vgl. dazu Frenz, Abfallverwertung im Bergbau, S. 53 f.

32

BT-Drucks. 8/3965, S. 137 = ZfB 122 (1981), 303 (318).

33

BVerwGE 74, 315 (323) - Altenberg.

34

Siehe dazu bereits Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 55 Rn. 88 sowie Frenz, Abfallverwertung im Bergbau, S. 65; Beckmann, in: Kühne/Schoch/Beckmann, Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67 (87). 35

OVG Münster, ZfB 139 (1998), 146 (156). Ausführlich Schenke, Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung?, S. 43.

60

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

In der kommunalen Bauleitplanung ist zwischen Flächennutzungsplänen und Bauleitplänen zu unterscheiden.36 Während beide rechtsverbindliche Planaussagen beinhalten, sind die Festsetzungen in Bebauungsplänen zusätzlich unmittelbar außenwirksam, was bei den Darstellungen im Flächennutzungsplan nicht der Fall ist. Während letztere sich auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen, sind erstere konkreteren Inhalts. Daher bleiben die konkreten rechtsverbindlichen Festsetzungen der Bebauungspläne nicht ohne Auswirkung auf die Wiedernutzbarmachung. Vielmehr bilden diese die maßgebende Determinante für die beabsichtigte Art der Bodennutzung und sind daher aufgrund ihrer Relevanz für die Folgenutzung bei der Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau beanspruchten Oberfläche zugrunde zu legen.37 Auf diese Weise wirkt der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung jedenfalls mittelbar auf die an die Wiedernutzbarmachung zu stellenden Anforderungen ein. Denn nach § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB sollen die Bauleitpläne „eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten und dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln".38 Über dieses generelle Planungsziel der kommunalen Bauleitplanung können soziale, wirtschaftliche und ökologische Determinanten, soweit sie in planerischen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB konkretisiert wurden, qualitativ steuernd auf die Wiedernutzbarmachung einwirken.

5. Erfordernisse

der Raumordnung

Infolge der Verankerung der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung im ROG 1998 ist zudem die Frage nach dem Geltungsmodus der Erfordernisse der Raumordnung von besonderem Interesse. Unbestritten ist, daß die Ziele der Raumordnung jedenfalls zu den nach § 4 Abs. 4 BBergG zu beachtenden öffentlichen Interessen zählen.39 Daneben wird aus dem Gesetzgebungsverfahren, 40 insbesondere aus der ursprünglichen Fassung des § 4 Abs. 4

36

Vgl. dazu im Zusammenhang mit dem Betriebsplanverfahren OVG Koblenz, NuR 1994, 44 (44). 37

Boldt/Weller, BBergG, § 55 Rn. 46, § 4 Rn. 20; Piens/Schulte/Graf BBergG, § 55 Rn. 84; Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 51. 38

Vitzthum,

Dazu Mitschang, DÖV 2000, 14 ff.

39

Vgl. Boldt/Weller, BBergG, § 4 Rn. 20, § 55 Rn. 46; Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (271); Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 50; Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 163. 40 Vgl. dazu Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 50, wonach sich aus der Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses ergibt, daß mit der Änderung bzw.

Β. Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung

61

BBergG abgeleitet, daß das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Interessen weit auszulegen sei41. Ursprünglich lautete der Ergänzungsvorschlag des Bundesrates: „Wiedernutzbarmachung ist die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses, insbesondere der Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung, des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der Erholung."42 Aus der beispielhaften („insbesondere") Aufzählung ist zu schließen, daß der Katalog der aufgeführten Belange nicht abschließend sein sollte. Wenngleich dieser Gesetzesvorschlag des Bundesrates aus Gründen der Vereinfachung, die seitens des Wirtschaftsausschusses geltend gemacht wurden, letztlich gestrichen wurde, war eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt.43 Unabhängig davon und von der Art und Weise, „wie" diese Belange die Wiedernutzbarmachung beeinflussen, kann die grundsätzliche Relevanz der aufgeführten Belange damit als gesichert gelten. Damit wirken jedenfalls die nach Maßgabe der Leitvorstellung einer nachhaltigen Entwicklung gemäß § 7 Abs. 1 ROG durch Raumordnungspläne zu konkretisierenden Raumordnungsgrundsätze auf die Wiedernutzbarmachung ein. Die in Raumordnungsplänen enthaltenen Festlegungen von Gebieten für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen konkretisieren soziale, ökonomische und ökologische Belange aus Sicht der Raumplanung. Problematisch ist hingegen der Geltungsumfang der grundsätzlich im Rahmen des § 4 Abs. 4 BBergG relevanten raumordnerischen Erfordernisse 44. Für eine strikte Beachtenspflicht könnte der Wortlaut des § 4 Abs. 4 BBergG sprechen, wonach die Wiedernutzbarmachung unter Beachtung des öffentlichen Interesses zu erfolgen hat. In der planungsrechtlichen Terminologie bedeutet „beachten", daß ein Belang grundsätzlich strikte Geltung beansprucht, während „berücksichtigen" einen abwägungserheblichen Belang kennzeichnet, der einer Abwägung mit anderen Belangen zugänglich ist und somit im Rahmen der Ab-

Strafïung des § 4 Abs. 4 BBergG keine inhaltliche Änderung beabsichtigt war. Eine solche läßt sich nunmehr, angesichts der „offenen" Formulierung des § 4 Abs. 4 BBergG, der die zu beachtenden öffentlichen Interessen nicht weiter einschränkt, auch nicht dem Gesetzeswortlaut entnehmen. 41

Etwa Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 134 f., 137.

42

Vgl. Zydek, Materialien, S. 89; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 8/1315, S. 174, zustimmend die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung, a.a.O., S. 190. 43

Vgl. dazu die Nachweise in der vorstehenden Fußnote, sowie Kühne, DVB1. 1984, 709 (711); Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 163 m.w.N. 44

Vgl. die Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 1 ROG.

62

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

wägung überwunden werden kann.45 Angesichts der begrenzten Durchschlagskraft einer solchen Begriffsdeduktion erscheint eine Differenzierung zwischen Zielen und Grundsätzen der Raumordnung angebracht. Es liegt auf der Hand, daß nur solche öffentlichen Interessen die Wiedernutzbarmachung beeinflussen oder gar qualitativ steuern können, die eine gewisse Aussagekraft bzw. Detailliertheit, kurz einen bestimmten Konkretisierungsgrad aufweisen. Daher ist die Forderung konsequent, Raumordnungsziele im Rahmen der Wiedernutzbarmachung zu beachten und Raumordnungsgrundsätze zu berücksichtigen.46

6. Naturschutz und Landschaftspflege,

Flächennutzungspläne

Vom Ergebnis her angemessen erscheint es auch, wenn man die Darstellungen in Flächennutzungsplänen, Landschaftsprogrammen, Landschaftsrahmenplänen und Landschaftsplänen lediglich berücksichtigt, d.h. mit den bergbaulichen Interessen abgleicht.47 Gegen eine strikte Beachtenspflicht spricht weniger die fehlende Außenwirksamkeit48 als vielmehr die Tatsache, daß sich diesen Plänen mit Blick auf den angestrebten künftigen Verwendungszweck der Fläche lediglich eine tendenzielle, konkretisierungsbedürftige Aussage entnehmen läßt. Darstellungen in Landschaftsplänen (§§ 5 ff. BNatSchG) bereiten aufgrund ihrer sog. Vorlauffunktion verbindliche Entscheidungen lediglich vor und treffen diese nicht selbst.49 Müssen ihre Planaussagen mithin erst durch das „Nadelöhr" der Abwägung verbindlicher Planungen gelangen, so kann die Anschlußnutzung

45 Vgl. dazu Dreier, Die normative Steuerung der planerischen Abwägung, S. 96 ff. sowie exemplarisch die Terminologie des § 4 Abs. 1 und 2 ROG. Dabei ist allerdings zuzugeben, daß die geltenden Gesetze keinen einheitlichen Sprachgebrauch aufweisen, vgl. etwa § 37 Abs. 2 LEPro NW. 46

So Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 50.

47

I.E. ebenso Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 51; Boldt/Weller, BBergG, § 55 Rn. 46, hinsichtlich Flächennutzungs- und Landschaftsplänen (dazu auch Rn. 55); Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 137; ablehnend Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 55 Rn. 85 ff. hinsichtlich Flächennutzungsplänen mangels Außenwirkung. 48

Legt man die ursprüngliche Fassung des § 4 Abs. 4 BBergG zugrunde, dann erscheint es geradezu zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die Außenwirksamkeit zum maßgeblichen Kriterium für die Beachtlichkeit öffentlicher Interessen erklären wollte, ebenso Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 51; Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 137. Eine solche Forderung läßt sich auch nicht dem Wortlaut des jetzigen § 4 Abs. 4 BBergG entnehmen. 49

So Schütze, Aufgabe und rechtliche Stellung der Landschaftsplanung im räumlichen Planungssystem, 1994, S. 55; vgl. auch Brohm, JuS 1986, 776 (779); Schmidt-Aßmann, NVwZ 1987, 265 (273).

C. Kein Erwarten von gemeinschädlichen Einwirkungen

63

aus ihnen alleine gerade nicht abgeleitet werden. Daher können sie isoliert die künftige Nutzung und damit die Art und Weise der Oberflächengestaltung im Rahmen des § 4 Abs. 4 BBergG nicht bestimmen, sondern vermögen nur als zu berücksichtigende Leitlinie zu fungieren. Da bergbauliche Vorhaben bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen im Einzelfall auch in naturschutzrechtlich festgesetzten Schutzgebieten zulässig sein können und in diesem Fall die Anschlußnutzung rechtsverbindlich festgelegt ist, sind in diesem Fall freilich die derart vorgeprägten Vorgaben für die Wiedernutzbarmachung im Rahmen des technisch Möglichen zu beachten.

7. Resümee Innerhalb des vorstehend skizzierten Rahmens fließen umweit- und planungsrechtliche Vorgaben als öffentliche Interessen in die bergrechtliche Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche ein und können auf diese Weise Einfluß auf das „Wie" der Wiedernutzbarmachung nehmen. Wesentliche Steuerungswirkung für die Qualität der Wiedernutzbarmachung entfalten dabei die planerischen Festsetzungen und Festlegungen der örtlichen Bauleitplanung und der Raumordnung. Mangels Offenheit des § 55 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG für eine gestaltende Abwägungsentscheidung hängt die Erfüllung der vom Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung geforderten Versöhnung ökologischer, ökonomischer und sozialer Interessen maßgeblich von den Vorgaben ab, die als öffentliche Interessen bei der Wiedernutzbarmachung zu beachten sind, mithin insbesondere von den planerischen Vorgaben der Gesamtplanung.

C. Kein Erwarten von gemeinschädlichen Einwirkungen, § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG Eine weitere Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung zur Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen ist nach § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG, daß „gemeinschädliche Einwirkungen" nicht zu erwarten sind. Trotz der zentralen Bedeutung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes mangelt es bis heute an einer anerkannten Definition. 50 Auch die Begründung des Gesetzent-

50 Vgl. zu den verschiedenen Definitionsversuchen Boldt/Weller, BBergG, § 55 Rn. 39; Schulte, in: FS für Fabricius, S. 149 (150 ff.). Den jüngsten Versuch unternimmt Kremer, UPR 1999, 250 ff.

64

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

wurfes der Bundesregierung51 hilft nicht wesentlich weiter, da sie von einem gesicherten Bedeutungsgehalt des Begriffes ausgeht und auf eine Legaldefmition verzichtet. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in der Altenberg-Entscheidung52 lediglich klar, daß der Maßstab der Gemeinschädlichkeit nicht Einfallstor fiir alle öffentlich-rechtlichen Belange ist, die der Bergbau berühren kann. Eine positive Formulierung der relevanten öffentlichen Belange findet sich jedoch auch dort nicht.53 Angesichts dieser begrifflichen Unschärfe stellt sich auch hier die Frage, ob und wenn ja inwieweit der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung auf den Bedeutungsgehalt des Gemeinschadens einwirkt, § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG mithin als Einfallstor, wenn auch nicht für sämtliche öffentlichen Belange, so doch für (einzelne) soziale und ökologische Belange dienen und damit dem Abbau von Bodenschätzen restriktiv entgegengehalten werden kann.

I. Der Begriff „Gemeinschaden" Zunächst ist davon auszugehen, daß der Begriff der gemeinschädlichen Einwirkungen gleichgesetzt werden kann mit einer schädlichen Einwirkung auf das gemeine Wohl, kurz: mit einem Schaden für das Allgemeinwohl.54 Nach dem Wortsinn reichen Schäden für den einzelnen also nicht aus. Vielmehr muß ein Schaden in einem solchen Umfang drohen, daß er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt,55 mithin einen überindividuellen Bezug56 aufweist. Nimmt man den dreidimensionalen Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens, so zeigen sich durchaus Anhaltspunkte, die eine am Nachhaltigkeitsgedanken orientierte Interpretation des Allgemeinwohls ermöglichen. Letztlich zielt dessen dreidimensionaler 51

BT-Drucks. 8/1315, S. 111, wonach die Bedeutung des Begriffs als gesichert gelten könne. 52

BVerwGE 74, 315 (321).

53

So ersetzt die Formulierung in BVerwGE 74, 315 (321): „Es muß ein Schaden in einem solchem Umfang drohen, daß er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt" letztlich nur den unbestimmten Rechtsbegriff der „gemeinschädlichen Einwirkung" durch den der Auswirkungen auf das Allgemeinwohl. 54

Ähnlich Kremer, UPR 1999, 250 (250), vgl. auch Boldt/Weller, Rn. 40 sowie aus der Rspr. BVerwGE 74, 315 (321).

BBergG, § 55

55

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung BT-Drucks. 8/ 1315, S. 111, wonach ein Gemeinschaden nicht schon dann vorliegt, wenn ein einzelner geschädigt werde, sondern ein Schaden in einem solchem Umfang drohen müsse, daß er sich auf das Allgemeinwohl auswirke; darauf Bezug nehmend BVerwGE 74, 315 (321); aus der Lit. etwa Boldt/Weller, BBergG, § 55 Rn. 40; Kremer, UPR 1999, 250 (250 f.). 56

Dazu Isensee, in: HStR III, § 57 Rn. 18; zustimmend Kremer, UPR 1999, 250 (251); aus der Rspr. etwa BVerwG, ZfB 136 (1995), 290 (295); OVG Münster, ZfB 126 (1985), 198 (214) weitere Nachweise bei Kremer, a.a.O. Fn. 11.

C. Kein Erwarten von gemeinschädlichen Einwirkungen

65

Ansatz, wonach wirtschaftliche, soziale und ökologische Belange miteinander in Einklang zu bringen sind,57 auf eine derart am Allgemeinwohl orientierte Vorgehensweise. Indes sagt die inhaltliche Offenheit der Begriffe „gemeinschädlich" und „Einwirkung" und deren textliche bzw. inhaltliche Bezugnahme auf das Allgemeinwohl noch wenig über deren Verhältnis zueinander aus. Das Allgemeinwohl ist ein schillernder Begriff, 58 den es zum einen in den geschichtlichen und raum-zeitlichen Kontext einzuordnen gilt und dessen Bedeutungsinhalt erst im konkreten Regelungszusammenhang sichtbar wird. 59 Die hier interessierende Frage, ob auch dem Grundsatz der Nachhaltigkeit widersprechende Einwirkungen von dem Begriff der gemeinschädlichen Einwirkung erfaßt werden, ist damit freilich noch nicht beantwortet. Dies wäre dann der Fall, wenn sich das Allgemeinwohl aus bergrechtlicher Sicht bzw. im bergrechtlichen Verwendungszusammenhang für einzelne Komponenten des Nachhaltigkeitsgedankens öffnete. Beeinflußt der Regelungszusammenhang und damit im hiesigen Kontext das Bergrecht das Verständnis des Wohls der Allgemeinheit, so kann zumindest nicht ohne weiteres auf das dem Grundsatz der Nachhaltigkeit zugrundeliegende Gemeinwohlverständnis abgestellt werden. Demnach sind die verschiedenen in Literatur und Rechtsprechung angebotenen Definitionen des Begriffs der „gemeinschädlichen Einwirkungen" daraufhin zu befragen, inwieweit sich der Grundsatz der Nachhaltigkeit über sie zur Geltung bringen läßt.

/. „Abwägungstheorie"

60

Nach einer überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung sind Einwirkungen des Bergbaus gemeinschädlich, wenn der durch sie der Gesamtheit bzw. der Allgemeinheit entstehende Nachteil größer ist als der durch die Betriebshandlung für sie erwachsende Vorteil. 61 Danach wäre bei einem weiten Verständnis ganz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auch der wirtschaftliche und soziale Nutzen der beabsichtigten bergbaulichen Tätigkeit gegen die ökologischen und sozialen Nachteile (nachvollziehend) abzuwägen. 57

Siehe oben § 1 A.

58

Ossenbühl, VR 1983, 301 ff bezeichnet ihn vor historischem Hintergrund zu Recht als „geschundenen Begriff 4 (S. 302), den man nur mit „spitzen Fingern anfassen kann, um sich nicht ideologisch zu beflecken" (S. 301). 59

Ossenbühl, VR 1983, 301 (302) bezeichnet das Gemeinwohl zutreffend als „Bündelungsbegriff'; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR III, § 57 Rn. 3, 6; Kremer, UPR 1999, 250 (250). 60 61

Begriff nach Schulte, in: FS für Fabricius, S. 149 (152).

Vgl. dazu Boldt/Weller, BBergG, § 55 Rn. 39 m.w.N; Piens/Schulte/Graf thum, BBergG, § 55 Rn. 127 m.w.N. 5 Frenz

Vitz-

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

66

Bei der Frage nach der Gemeinschädlichkeit bzw. positiv formuliert der Vereinbarkeit eines Abgrabungsvorhabens mit dem Wohl der Allgemeinheit wird letzteres nach dieser Ansicht durch eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der geplanten bergbaulichen Tätigkeit konkretisiert. Die durch die Betriebshandlung für die Allgemeinheit erwachsenden Vorteile müssen aufgrund dieses Bezuges ebenfalls dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Dabei kann zur Konkretisierung der für ein Abbauvorhaben streitenden Belange auf § 79 Abs. 1 BBergG zurückgegriffen werden. Dort hat der Gesetzgeber beispielhaft („insbesondere") aufgeführt, in welchen Fällen eine Grundabtretung mit Blick auf das Allgemeinwohl zulässig ist.62 Unbesehen lassen sich diese Beispiele freilich nicht übertragen, da der gesetzlichen Regelung eine Art antizipierte Abwägung mit den Interessen eines Privaten insbesondere an dem Verbleib des Grundstücks in seinem Eigentum und eben nicht mit anderen Allgemeinwohlbelangen vorangegangen ist. Gleichwohl lassen sich aus dieser Vorschrift Anhaltspunkte für im Gemeinwohl liegende Interessen des Bergbaus entnehmen. Danach dient ein Vorhaben grundsätzlich dem Gemeinwohl, wenn dadurch - die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, - die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, - der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder - der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden soll. Letzteres deutet auf einen weiteren interpretationsleitenden Gesichtspunkt, nämlich daß das BBergG ausweislich seiner Zweckvorschrift in § 1 BBergG den Bergbau primär fördern und nicht verhindern soll.63 Dies gilt freilich nicht unbeschränkt, wie insbesondere die §§ 55, 48 Abs. 2 S. 1 BBergG belegen. Ebenfalls als im Gemeinwohl liegendes Interesse muß die Sicherung der Energieversorgung angesehen werden, die nach allgemeiner Ansicht „ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges" darstellt, und dies unabhängig von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens.64 Offen bleibt dagegen, welche Nachteile im Rahmen dieser Abwägungstheorie in Ansatz zu bringen sind und vor allem anhand welcher Maßstäbe beurteilt werden soll, ob die bergbaubedingten Einwirkungen mehr Nachteile als Vorteile oder „umgekehrt" erwarten lassen. Angesichts dieser „Offenheit" im Maßstab, dem weder verfahrensrechtlich noch me62

Dazu BVerwGE 87, 241 (247 ff.) - Garzweiler.

63

Ebenso Kremer, UPR 1999, 250 (251).

64

BVerwGE 30, 292 (323); dies als unbestritten bezeichnend Boldt/Weller, § 1 Rn. 1.

BBergG,

C. Kein Erwarten von gemeinschädlichen Einwirkungen

67

thodisch Konturen verliehen werden,65 führt die Abwägungstheorie zur Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG als eine Art Generalklausel, was vom Wortlaut der Vorschrift nicht mehr gedeckt ist. Schließlich deutet der Begriff des Gemeinschadens daraufhin, daß diese Vorschrift mehr als das Überwiegen von Nachteilen verlangt.

2. Einbeziehung der Kasuistik Ob mit der Abwägungstheorie die Schwelle zur Annahme eines Gemeinschadens zutreffend umschrieben wird, hängt daher von ihrer Konkretisierung ab. Dazu ist die umfangreiche Kasuistik der Rechtsprechung heranzuziehen.66 Danach wurden beispielsweise folgende Fälle als gemeinschädlich eingestuft 67: der vollständige Entwicklungsstillstand einer Gemeinde durch den sie vollständig umgebenden Bergbau über längere Zeit; die Belastung eines Vorfluters mit saurem Wasser; Schießarbeiten unter einem Friedhof. Diese Beispiele verdeutlichen, daß die Rechtsprechung auf den Umfang des drohenden Schadens abstellt,68 der Begriff der „gemeinschädlichen Einwirkung" extreme Maßstäbe setzt,69 die zu erwartenden Eingriffe des Bergbaus mithin massiv70 sein müssen, um von § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG erfaßt zu werden. Auch das Bundesverwaltungsgericht kommt in der Altenberg-Entscheidung zu dem Ergebnis, daß § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG „ ... nicht das Einfallstor für alle öffentlichen Belange, die den Bergbau berühren ... " sei71, vielmehr der geplante Betrieb voraussichtlich „eine ganz erhebliche Gefahrenschwelle" überschreiten müsse, so daß ein Schaden drohe, der sich auf das Allgemeinwohl auswirke.72 Danach setzt § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG weit jenseits der Schwelle an, die zu überschreiten bereits das für das bergbauliche Vorhaben materiell einschlägige Umweltrecht verhindert bzw. 65 Da es sich schwerlich um eine planerische Abwägung handelt, fände noch nicht einmal das Abwägungsgebot Anwendung. 66

Dazu eingehend Kremer, UPR 1999, 250 (253 f.).

67

Vgl. zum Nachfolgenden VG Sigmaringen, ZfB 131 (1990), 67 (73); BVerwG, DVB1. 1996, 259 (261) = ZfB (136 (1995), 290 (295); VG Gelsenkirchen, ZfB 126 (1985), 100(105). 68

Nach BVerwGE 74, 315 (321) „muß ein Schaden in einem solchen Umfang drohen, daß er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt. Der Maßstab der Gemeinschädlichkeit ist somit nicht das Einfallstor für alle öffentlich-rechtlichen Belange, die der Bergbau berühren kann, in das Betriebsplanverfahren." 69

I.E. ebenso Schulte, ZfB 128 (1987), 178 (184).

70

Vgl. Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 53.

71

BVerwGE 74, 315 (321).

72

BVerwGE 74, 315 (321) - Altenberg; BVerwG, DVB1. 1989, 663 (665).

68

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

verhindern will. 73 Auch der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung verfolgt einen Ansatz, der weit unter dieser Schwelle liegt und daher nach dieser Konzeption unbeachtlich sein muß.

3. § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG als überflüssige

Vorschrift

Schulte 74 kommt zu dem Ergebnis, daß die Entstehungsgeschichte des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG und die Altenberg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dazu fuhren, daß die Gemeinschadenklausel funktionslos ist: „Wenn ohnehin alle öffentlichen Interessen, sei es aufgrund der §§ 55 Abs. 1 Nr. 1-8, 10 ff. und § 48 Abs. 2 BBergG innerhalb des Betriebsplanverfahrens durch die Bergbehörden, sei es außerhalb dieses Verfahrens durch andere Behörden, geprüft werden, dann ist für eine Gemeinschadenklausel kein Bedarf mehr. Sie ist funktionslos." Dieser Ansicht wird von Kremer 15 entgegengehalten, daß sie zum einen die Begriffe „Allgemeinwohl" und „öffentliches Interesse" unkritisch vermenge und zum anderen die unterschiedlichen Anwendungsmodi dieser Vorschriften verkenne. Selbst wenn man Kremer entgegen der herrschenden Abwägungstheorie zustimmt und damit zu dem Ergebnis gelangt, daß § 48 Abs. 2 BBergG eine Abwägung fordert und § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG gerade nicht, so vermag diese Argumentation im Ergebnis nicht zu überzeugen. Kremer stützt seine Bedenken gegen die von Schulte vorgeschlagene, ausschließliche Anwendung des § 48 Abs. 2 BBergG darauf, daß diese Vorschrift infolge der vorzunehmenden Abwägung auch eine Entscheidung zugunsten des Bergbaus ermögliche, was bei der Gemeinschadenklausel gerade nicht der Fall sei. Diese Bedenken greifen nicht durch. Handelt es sich bei den als gemeinschädlich einzustufenden Auswirkungen tatsächlich um solche, die „unverzichtbar und damit von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens unabhängig" sind, so werden sie sich regelmäßig auch in einer Abwägung gegen die bergbaulichen Belange durchsetzen. Ist dies nicht der Fall, dann besitzen sie eben gerade nicht die Bedeutung, die man ihnen abstrakt zusprechen möchte, es sei denn die nachvollziehende Abwägung ist fehlerhaft durchgeführt. Letzteres unterliegt indes der vollen richterlichen Kontrolle, so daß auch diesbezüglich „Entwarnung" gegeben werden kann. Allerdings ist Kremer zuzugeben, daß die Begriffe „Allgemeinwohl" und „öffentliches Interesse" im bergrechtlichen Kontext unterschiedliche Qualitäts-

73

Schulte, ZfB 128 (1987), 178 (184); Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 54. 74

Schulte, in: FS für Fabricius, S. 149 (154, 157).

75

Kremer, UPR 1999, 250 (254).

C. Kein Erwarten von gemeinschädlichen Einwirkungen

69

stufen umschreiben. Dabei verdeutlicht jedoch gerade die Entstehungsgeschichte des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG, daß der Gesetzgeber das Allgemeinwohl als Unterfall des öffentlichen Interesses verstand und nicht umgekehrt. Im Regierungsentwurf lautete die Regelung für den heutigen § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 RegEntwBBergG): „8. dem Betrieb überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf gemeinschädliche Einwirkungen nicht entgegenstehen ... ". Doch nicht nur der Wortlaut („insbesondere") spricht für eine inhaltliche „Übergeordnetheit" des Blankettbegriffs der „öffentlichen Interessen". Darüber hinaus ist es gerade die Aufspaltung dieser Vorschrift des Regierungsentwurfes in § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG einerseits und (den ergänzenden)76 § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG andererseits.77 Aus der Formulierung folgt freilich, daß § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG Auswirkungen starker Qualität erfaßt. Aus Sicht der in dieser Vorschrift aufgenommenen Schadenskomponente wird damit eine höhere Gefahrenschwelle markiert. Erfaßt werden daher nur sich konkret abzeichnende Vorgänge. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung ist indes stark zukunftsbezogen und will weit im vorhinein Vorgänge lenken bzw. beeinflussen. Die langfristige Konzeption läßt ein abstraktes Besorgnispotential ausreichen, um vorsorgende Maßnahmen zu ergreifen; 78 bei weit entfernt liegenden Entwicklungen können schemenhafte Umrisse genügen.79 Diese vagen Anforderungen lassen sich nicht in die Konzeption des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG einfügen. Die Gemeinschadensklausel greift daher für die Verwirklichung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit inhaltlich zu kurz und markiert eine so hohe Gefahrenschwelle, die mit dem nachhaltigkeitsbedingt unvermeidbaren Handeln auf unsicherer Tatsachengrundlage80 nur schwerlich in Einklang zu bringen ist. Anerkennt man diesen hochgesteckten Maßstab des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG, so ist diese Vorschrift für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung ersichtlich ungeeignet und kann insoweit als überflüssige Norm qualifiziert werden.

76

Dazu sogleich unter D.I.

77

Siehe dazu Kremer, UPR 1999, 250 (253).

78

Siehe Calliess, DVB1. 1998, 559 (564) und bereits Rehbinder, Grenzen und Chancen einer ökologischen Umorientierung des Rechts, S. 9 f. 79 80

Frenz, ZG 1999, 143 (146).

Dazu Frenz, ZG 1999, 143 (146 ff.). Erfordert die langfristige Konzeption des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung, daß ein abstraktes Besorgnispotential zum Ergreifen vorsorgender gesetzlicher Maßnahmen ausreicht, so muß dieses Erfordernis, um praktisch wirksame Konsequenzen zu ermöglichen, letztlich auch auf die Maßnahmenebene durchschlagen.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

70

4. „ Theorie der absoluten Gemeinschaftsgüter " Nach Kremer 81 liegen gemeinschädliche Einwirkungen i.S.d. § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG vor bei ursächlich auf die Aufsuchung und Gewinnung zurückzuführenden, nicht unerheblichen Beeinträchtigungen allgemein anerkannter, unverzichtbarer, die vitalen Bedürfiiisse der Allgemeinheit betreffender und daher von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens unabhängiger Belange. Diese Ansicht führt weder eine Abwägung zwischen den betroffenen Belangen durch noch stellt sie auf den Umfang oder das Gewicht der Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen ab. Erforderlich ist neben dem geforderten Ursachenzusammenhang lediglich, daß es sich nicht um unerhebliche Beeinträchtigungen handelt. Darüber hinaus soll die Bedeutung der betroffenen Belange selbst entscheidend sein. Diese müssen unverzichtbar und von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens unabhängig als schützenswert anerkannt sein. Die betroffenen Belange sind damit einer Abwägung nicht zugänglich und werden absolut gesetzt. Man kann diesen Ansatz daher als „Theorie der absoluten Gemeinschaftsgüter" bezeichnen. Zu den unverzichtbaren Gemeinschaftsgütern in diesem Sinne zählen nach Kremer „insbesondere die ökonomischen, ökologischen, kulturellen und im weiten Sinn sozialen Grundbedürfiiisse der Allgemeinheit".82 Jedenfalls auf die Sicherung dieser Grundbedürfhisse zielt auch der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung ab. Indes geht er über die Sicherung eines bloßen Minimalstandards weit hinaus. Die Absolutheit von Belangen ist ihm vom Ansatz her fremd. Vielmehr ist er auf eine Abwägung angewiesen, damit die Möglichkeit besteht, ökologische, ökonomische und soziale Interessen aufeinander abzustimmen. Die Theorie der absoluten Gemeinschaftsgüter steht dazu im Widerspruch. Weiter beantwortet der von Kremer vertretene Lösungsansatz nicht die Frage, ob auch solche gemeinschädlichen Einwirkungen erfaßt sind, die sich erst in der ferneren Zukunft auswirken, d.h. inwieweit § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 BBergG der temporale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens Rechnung zu tragen vermag.

81 82

Kremer, UPR 1999, 250 (255).

Kremer, UPR 1999, 250 (253). Beispielhaft und unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählt Ossenbühl, VR 1983, 301 (302) folgende Belange als vom Gemeinwohl umfaßt auf (hier werden nur die bergbaurelevanten wiedergegeben): Volksgesundheit, Sicherung der Wasserversorgung, Sicherung des Mittelstandes; Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Umweltschutz.

D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen

71

II. Zwischenergebnis Vorstehende Ausführungen haben ergeben, daß der Katalog von Zulassungsvoraussetzungen des § 55 BBergG lediglich punktuell umweit- und planungsrechtliche Gesichtspunkte erfaßt. Insbesondere § 55 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG kann aufgrund des unbestimmten Rechtsbegriffes des zu beachtenden öffentlichen Interesses eine Einbruchsteile für durch den Nachhaltigkeitsgedanken geprägte umweit- und planungsrechtliche Vorschriften darstellen. Einen besonderen Stellenwert nehmen in diesem Zusammenhang zielförmige Festlegungen in Raumordnungsplänen ein. Folgt man für § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG der Konzeption, daß nur konkret zu erwartende, massive Eingriffe erfaßt werden, sind die sich abzeichnenden künftigen Entwicklungen nicht abgedeckt, die eine nachhaltige Entwicklung erst ausmachen. Zudem fehlt das integrative Element, der Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen zumal bei einer Schutzreduktion auf absolute Gemeinschaftsgüter (Kremer). Enthalten die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 BBergG mithin nur partiell solche, die soziale und ökologische Belange in das Betriebsplanverfahren integrieren, so schließt sich die Frage an, inwieweit diese im Gefolge der Altenberg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts83 über § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zur Geltung gelangen.

D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen nach § 48 Abs. 2 BBergG I. Allgemein zum Verhältnis von § 48 Abs. 2 und § 55 Abs. 1 BBergG In der Altenberg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde erstmals zum Verhältnis von § 48 Abs. 2 und § 55 Abs. 1 BBergG höchstrichterlich Stellung genommen. Danach ist § 48 Abs. 2 BBergG eine die Befugnisse der Bergbehörde im Verfahren zur Betriebsplanzulassung erweiternde Norm, die § 55 Abs. 1 BBergG ergänzt.84 Nach Ansicht des BVerwG enthält § 48 Abs. 2 BBergG nicht nur eine dem Betriebsplan nach-, sondern auch eine nebengeordnete Anordnungsbefugnis. Begründet wird dies damit, daß es keinen Sinn ma-

83 84

BVerwGE 74, 315 ff.

Seit BVerwGE 74, 315 (323) - Altenberg, ständige Rspr.; vgl. etwa auch VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (328). Aus der Literatur zustimmend etwa Seibert, DVB1. 1986, 1277 (1278); Schulte, ZfB 128 (1987), 178 (186), der diese Auffassung bereits frühzeitig vertrat, vgl. ders., NJW 1981, 88 (94); Büllesbach, Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen, S. 80 f.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

72

che, wenn die Bergbehörde einen Betriebsplan zunächst ohne Einschränkungen zuzulassen habe und anschließend die Aufsuchung und Gewinnung sofort beschränken oder untersagen könne.85 Aus der damit anerkannten Ergänzungsfunktion des § 48 Abs. 2 BBergG ergibt sich zwingend, daß solche öffentliche Belange nicht erfaßt sind, die bereits zu den in § 55 Abs. 1 BBergG enumerativ aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen gehören.86 Damit können sich aus § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG weitere materielle Voraussetzungen für die Zulassung von Betriebsplänen ergeben.87

II. Begrenzung der nach § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zu berücksichtigenden „öffentlichen Interessen" Allerdings findet auch im Rahmen des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG keine umfassende Abwägung öffentlicher und privater Interessen unter- und gegeneinander statt. Zwar hat das BVerwG88 in der Moers-Kapellen-Entscheidungen § 48 Abs. 2 BBergG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auch private Interessen, namentlich jene der Oberflächeneigentümer zugeschlagen89. Danach hat die Bergbehörde den Grundrechtsschutz zugunsten des Oberflächeneigentums über § 48 Abs. 2 BBergG in geeigneter Weise formell und materiell zu gewährleisten, soweit nur dadurch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Oberflächeneigentums vermieden werden kann.90 Regelmäßig in die Abwägung einzustellen sind allerdings lediglich öffentliche Interessen, und auch das nur in begrenztem Umfang. Beschränkungen ergeben sich zum einen aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und zum anderen aus der bereits erwähnten Ergänzungsfimktion im Verhältnis zu § 55 BBergG.

85 86

BVerwGE 74, 315 (323).

Boldt/Weller, (1996), 321 (328).

BBergG, Ergänzungsband, zu §48 Rn. 5; VG Weimar, ZfB 137

87

Vgl. nur Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (271) m.w.N.; Büllesbach, Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen, S. 80. 88

BVerwGE 81, 329 (345 f.). Dazu und zur Kritik an dieser Entscheidung siehe Stiens, Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 113 ff. m.w.N. Kritisiert wurde vor allem, daß die Erfassung privater Interessen nicht, auch nicht durch Auslegung angesichts der insoweit eindeutigen Wortlautschranke des § 48 Abs. 2 BBergG („öffentliche Interessen") aus eben dieser Vorschrift her- bzw. abzuleiten sei; siehe etwa Beckmann, DVB1. 1989, 669 (671); Kühne, JZ 1990, 138 (139). 89

Abweichende Konstruktion des BVerwG im sog. Gasspeicher-Fall, BVerwG, ZfB 133 (1992), 38 ff., wo § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG, jedenfalls bezogen auf Leben und Gesundheit, als drittschützend eingestuft wird, S. 40. 90

BVerwGE 81, 329 (346).

D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen

73

1. Geltung des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG „ unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften

"

Nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG bestehen die Befugnisse der Bergbehörde, eine Aufsuchung oder Gewinnung im Falle entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen zu beschränken oder zu untersagen, „unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften". Daraus leitet das Bundesverwaltungsgericht91 die Beschränkung ab, daß § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG nur solche öffentlichen Interessen erfasse, mit deren Wahrnehmung nicht durch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bereits eine andere Behörde betraut ist.92 Positiv gewendet sind nur solche öffentlichen Interessen von § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG erfaßt, auf die eine Untersagung oder Beschränkung des Abbauvorhabens durch eine andere Behörde nicht gestützt werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn ihre Berücksichtigung in einem Genehmigungsverfahren nicht erfolgt. Da § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG sich von seinem Wortlaut her eigentlich nur auf die nachträgliche Untersagung und Beschränkung bezieht, ist auch dann eine spezielle Behörde mit der Wahrnehmung der zu schützenden öffentlichen Interessen durch „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" betraut, wenn sie erst im nachhinein und nicht erst im Genehmigungsverfahren eingreifen kann. Die Bergbehörde ist damit zur Wahrung solcher öffentlicher Belange im Betriebsplanverfahren ermächtigt, die zwar durch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften einer anderen Behörde zugewiesen sind, die aber in keinem anderen Genehmigungsverfahren geprüft werden. In diesem Fall besteht ein Bedürfnis des Bergbaubetriebes nach Planungssicherheit und damit nach Schutz vor einer späteren Untersagung aufgrund von Umständen, die bereits bei der Genehmigung vorhanden waren. Bei der Bestimmung der Behördenzuständigkeit wird auch auf das Kriterium der Sachnähe abgestellt.93 Wie Rausch 94 eingehend nachgewiesen hat, zählen zu den öffentlichen Interessen, deren Wahrnehmung einer eigenen Behörde zugewiesen ist und welche damit von der Entscheidung im Betriebsplanverfahren

91

BVerwGE 74, 315 (324).

92

Vgl. zur begrenzenden Funktion der Kompetenz des jeweiligen Entscheidungsträgers zur Bestimmung des öffentlichen Interesses, Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 141 ff., 319 f. (Zusammenfassung), aber auch S. 152. 93

BVerwGE 74, 315 (324 f.). Vgl. zu dieser sog. Separationslösung Rausch, Umwelt· und Planungsrecht beim Bergbau, S. 217 f.; zustimmend Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 169 ff., 171 m.w.N. 94

Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 232. Zu den einzelnen Rechtsgebieten, S. 221 ff. Im Anschluß daran Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 179 ff.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

74

ausgeschlossen sind, vor allem das Wasser-, Forst- 95 und Bauordnungsrecht sowie begrenzt das Immissionsschutzrecht 96 und das Denkmalrecht. Demgegenüber sind die Anforderungen des Bauplanungsrechts und der Raumordnung als öffentliche Belange, deren Wahrung nicht eindeutig einer eigenen Behörde zugewiesen ist, im Rahmen des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zu prüfen. 97

2. Niederschlag in öffentlich-rechtlichen und Beschränkungen?

Verboten

Die Tatsache, daß Erfordernisse bzw. Belange der Raumordnung 98, des Naturschutzes und der Landschaftspflege 99, des Bauplanungsrechts 100 und der ge95

Zur Umwandlungsgenehmigung siehe zuletzt OVG Greifswald, ZfB 141 (2000),

32 ff. 96

Nach BVerwGE 74, 315 (325) und im Anschluß daran etwa VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (328) ist jedenfalls §22 BImSchG gem. §48 Abs. 2 BBergG im Betriebsplanverfahren und nicht im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen, da die Immissionen von der bergbaulichen Tätigkeit und nicht von den genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen ausgingen. Hier greift die Auffangzuständigkeit der Bergbehörde, da die §§ 22 ff. BImSchG solche Anlagen erfassen, die nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen und für die keine spezielle Behörde zuständig ist, vgl. Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 175 f. 97

Dazu im einzelnen Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 224 ff.; Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 167 ff. 98 Dazu Kühne, DVB1. 1984, 709 (711); Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 172 ff.; Büllesbach, Die rechtliche Bewertung von Abgrabungen, S. 89 ff. sowie ausfuhrlich Erbguth, VerwArch. 87(1996), 258 (271 ff.). 99

Dazu Schulte, ZfB 128 (1987), 178 (208), Wilde, DVB1. 1998, 1321 (1324 f.); vgl. auch Büllesbach, Die rechtliche Bewertung von Abgrabungen, S. 94 ff. m.w.N. Umstritten ist jedoch die Tragweite der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG lex specialis gegenüber § 8 Abs. 2 S. 4 BNatSchG. Darüber hinausgehende Anforderungen des § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG sind indes über § 48 Abs. 2 BBergG im Betriebsplanverfahren zu prüfen; in diese Richtung tendierend auch Büllesbach, Die rechtliche Bewertung von Abgrabungen, S. 97. 100

Vgl. OVG Koblenz, NuR 1994, 44 (44), sowie aus der Lit. Kühne, DVB1. 1984, 709 (714); Büllesbach, Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen, S. 87 f.; Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 174 f., der für eine einheitliche bauplanungsrechtliche Bewertung des Bergbauvorhabens durch die Bergbehörde im Betriebsplanverfahren eintritt. Dies ergibt sich aus § 29 Abs. 1 BauGB, wonach die §§30 bis 37 BauGB für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs gelten. Keine Anwendung finden diese Vorschriften allerdings im Falle des § 38 S. 1 BauGB, d.h. soweit ein bergbauliches Vorhaben UVP-pflichtig und damit ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist. In diesem Fall gilt allerdings die strikte Beachtenspflicht

D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen

75

meindlichen Planungshoheit101 sowie teilweise sogar Belange des Fremdenverkehrs102 als öffentliche Interessen im Rahmen der Betriebsplanzulassung abwägend zu berücksichtigen sind, ist mithin dem Grunde nach anerkannt. Strittig ist dagegen der Geltungsumfang der jeweiligen Belange, d.h. insbesondere die Frage, welche Rolle der sog. Rohstoffsicherungsklausel im Rahmen der nach § 48 Abs. 2 BBergG vorzunehmenden Abwägungsentscheidung zu kommt. Des weiteren ist nicht eindeutig geklärt, welchen Konkretisierungsgrad die jeweiligen Planaussagen aufweisen müssen, damit ihnen überhaupt eine Lenkungsbzw. Steuerungswirkung mit Blick auf bergbauliche Abbauvorhaben entnommen werden kann. Der Rechtsprechung wird entnommen, daß außerbergrechtliche Belange nur insoweit relevant sind, als sie ihren Niederschlag in öffentlich-rechtlichen Verboten oder Beschränkungen finden. 103 Dies ergebe sich bereits daraus, daß das Bundesberggesetz die Betriebsplanzulassung nach § 55 Abs. 1 BBergG als eine gesetzlich gebundene Entscheidung ausgestaltet habe104 und von daher der Bergbauunternehmer einen Zulassungsanspruch habe, wenn Versagungsgründe nicht vorliegen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in der Gorleben-Entscheidung105 die Auffüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs durch politische Entscheidungen ausdrücklich abgelehnt.

zielförmiger Festlegungen der Raumordnung gem. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG, so daß der Nachhaltigkeitsgrundsatz bereits auf diesem Wege auf das Vorhaben einwirken kann. Zudem wird in diesem Fall aufgrund der durchzuführenden UVP der ökologischen Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung ohnehin ausreichend Rechnung getragen. 101

OVG Koblenz, ZfB 132 (1991), 199 (205).

102

VG Karlsruhe, ZfB 131 (1990), 336 (339).

103

BVerwG, NVwZ 1991, 992 = ZfB 132 (1991), 140 (143 f.); BVerwG, DVB1. 1996, 253 (258) = ZfB (136)1995, 278 (287); VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (328); aus der Lit. etwa Bohne, ZfB 130 (1989), 93 (112); Boldt/Weller, BBergG, Ergänzungsband, § 48 Rn. 9. 104

Woran auch § 48 Abs. 2 BBergG nichts ändere, vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 992 = ZfB 132 (1991), 140 (143 f.). Bis zu dieser Entscheidung wurden zum Rechtscharakter der Betriebsplanzulassung unterschiedliche Auffassungen vertreten. So stuften Teile der Literatur und der älteren Rspr. die Betriebsplanzulassung als Planungsinstrument ein, vgl. OVG Münster, ZfB 116 (1975), 245 (250), aus der Lit. etwa Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 69 und Seibert, DVB1. 1986, 1277 (1278), die das Altenberg-Urteil des BVerwG dahingehend interpretierten. Ausführlich zum Ganzen Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 44 ff. 105

BVerwG, DVB1. 1996, 253 (258) = ZfB 136 (1995), 278 (287). In diesem Sinne auch VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (331).

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

76

Dieser Sichtweise und Interpretation der Wortverbindung „öffentliche Interessen" des § 48 Abs. 2 BBergG ist insbesondere Kühne mit der Ansicht entgegengetreten, daß hierin eine unzulässige, weil weder vom Wortlaut noch von der Entstehungsgeschichte gedeckte Verengung dieser Vorschrift zu sehen sei.106 Es sei nicht einsehbar, wieso die vom Gesetzgeber sowohl in § 11 Nr. 10 BBergG als auch in § 48 Abs. 2 BBergG verwandte Formulierung unterschiedlich ausgelegt werde.107 Schließlich erfasse der Begriff der „öffentlichen Interessen" in § 11 Nr. 10 BBergG nach der Rechtsprechung alle von der Rechtsordnung anerkannten Interessen.108 Auch sei nicht ersichtlich, warum der Begriff der „öffentlichen Interessen" in § 48 Abs. 2 BBergG anders zu interpretieren sei als andere vergleichbare, da ebenfalls gemeinwohlorientierte unbestimmte Rechtsbegriffe, wie sie beispielsweise in § 6 WHG oder in § 35 BauGB enthalten sind.109 Insgesamt sprechen für die letztgenannte Ansicht die besseren Argumente. Der Wortlaut des § 48 Abs. 2 BBergG als Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung110 steht mangels Einschränkung der „öffentlichen Interessen" einem weiten Verständnis jedenfalls nicht entgegen. Ferner existiert eine Vermutung dahingehend, daß zwischen einzelnen Gesetzesbestimmungen eine sachliche Übereinstimmung angenommen werden kann: Unter mehreren möglichen Auslegungsvarianten verdient diejenige den Vorzug, die die Wahrung der sachlichen Übereinstimmung mit einer anderen Bestimmung ermöglicht.111 Danach sind die „öffentlichen Interessen" des § 48 Abs. 2 BBergG keine anderen als jene des § 11 Nr. 10 BBergG, zumal beide Vorschriften im ersten Kapitel des Bundesberggesetzes piaziert sind. Zudem gälten ansonsten im Berechtsamsverfahren strengere Maßstäbe als im Verfahren der Betriebsplanzulassung. Letzteres folgt indes der ersten Entscheidung nach und setzt diese in einem konkreteren Stadium um. Erfolgte eine Prüfung nach § 11 BBergG, so kann daher die Ablehnung eines Betriebsplans regelmäßig nicht auf solche Belange gestützt werden, soweit diese über § 11 BBergG bereits im Konzessionsverfahren abgeprüft wurden, wie insbesondere raumplanerische Vorgaben.112 Erfolgte keine

106

Kühne, Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, S. 60 ff.; zustimmend Pohl, Bestandsschutz bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen, S. 157 f.; in diese Richtung bereits Piens/Schulte/Graf Vitzthum, § 48 Rn. 16. 107

Kühne, Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, S. 61.

108

Siehe dazu die Nachweise oben bei § 2 E.I.

109

Kühne, Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, S. 62.

110

Vgl. dazu Larenz/Canaris,

111

Larenz/Canaris,

112

Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 143 f.

Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 146.

Prima facie zurückhaltend VG Leipzig, ZfB 136 (1995), 48 (55): „Höchst fraglich ist allerdings, ob diese, nach Wortlaut und systematischer Stellung (von § 12 Abs. 2

D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen

77

Prüfung nach § 11 BBergG und handelt es sich um solche bergbaulichen Vorhaben, die bereits „ins Werk gesetzt" sind, so ist der allgemeine verfassungsrechtliche Schutz des Art. 14 GG zu beachten.113 Bei Braunkohlenprojekten kommt hinzu, daß bereits eine Braunkohlenplanung erfolgte, die ihrerseits dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere dessen dreidimensionalem Ansatz gerecht wird. 114 Eine Einschränkung der öffentlichen Interessen des § 48 Abs. 2 BBergG ergibt sich freilich aus dessen Funktion als Auffangregelung und dem allgemeinen Ziel, Doppelprüfungen (Verfahrensökonomie) zu vermeiden. Insofern unterfallen solche öffentlichen Interessen bzw. Belange, die bereits von § 55 BBergG erfaßt sind, nicht dem Regelungsbereich des § 48 Abs. 2 BBergG. Damit werden die von § 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 BBergG i.V.m. § 4 BBergG erfaßten Belange von den als öffentliche Interessen zu berücksichtigenden ökologischen Belangen ausgenommen. Das sind insbesondere die zielförmigen Festlegungen der Raumordnungspläne und jene Festsetzungen in Bebauungsplänen, die lediglich die Oberflächengestaltung betreffen und nicht der Zulässigkeit des Abbauvorhabens als solchem entgegen stehen. Im hiesigen Kontext ist schließlich noch darauf hinzuweisen, daß sich der Zweckvorschrift des § 1 BBergG, die als Auslegungsmaxime im Rahmen der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigen ist, wesentliche Aspekte des Nachhaltigkeitsgedankens entnehmen lassen, so daß diese Determinanten gleichsam bergrechtsintern auf die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe wie hier der „öffentlichen Interessen" einwirken. Enthält § 1 BBergG einzelne Elemente des Nachhaltigkeitsgedankens, sind diese auch bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zur Geltung zu bringen. Die soziale und wirtschaftliche Funktion eines Abbauvorhabens unter Berücksichtigung seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ist damit in gleicher Weise als öffentliches Interesse zu berücksichtigen wie die BBergG) nur fur das Verhältnis von Erlaubnis und Bewilligung geltende Präklusion öffentlicher Belange auch auf das Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren fortwirken kann. Eine damit unter Umständen verbundene weitreichende Präklusion von Umweltstandards stünde nicht zuletzt im eklatanten Widerspruch zum Anliegen des im Jahre 1990 zur Umsetzung der EG-UVP-Richtlinie eingeführten Planfeststellungsverfahrens." Daher spricht sich das VG Leipzig aber dafür aus, daß etwaige entgegenstehende öffentliche Interessen in möglichst weitem Umfang bereits auf der Ebene der Bergbauberechtigungen geprüft werden, um dem Unternehmer sinnlose Investitionen zu ersparen. Es bezieht sich auf den Fall einer Ablehnung. Dieses Ziel kann freilich bei Erteilung einer Bergbauberechtigung nur erreicht werden, wenn nunmehr bereits abgeprüfte öffentliche Belange nicht einer Betriebsplanzulassung entgegenstehen. 113

Bergbauberechtigungen können nach allgemeiner Ansicht Grundrechtsschutz nach Art. 14 GG beanspruchen, siehe BVerfGE 77, 130 (136); Schmidt-Aßmann/Schoch, Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 46 ff. m.w.N. 114

Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 196 ff.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

78

langfristige Sicherung der Rohstoffversorgung und das mit der Bodenschutzklausel zum Ausdruck gebrachte Interesse an einem sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden. Für die Beantwortung der Frage, wann diese außerbergrechtlichen Belange die bergbaulichen Belange „überwiegen", gilt das oben zu § 11 Nr. 10 BBergG Ausgeführte entsprechend. Die Betriebsplanzulassung ist also nur dann zu versagen, wenn die öffentlichen und privaten Belange die durch die Rohstoffsicherungsklausel mit besonderem Gewicht ausgestatteten bergbaulichen Belange überwiegen und eine Abstimmung nicht durch Nebenbestimmungen erreicht werden kann.115 Auch § 48 Abs. 2 BBergG ermächtigt die Bergbehörde nicht zu einer planerischen oder fachplanerischen Entscheidung, wonach die tangierten Interessen im Rahmen einer umfassenden planerischen Abwägung zu berücksichtigen sind.116 Die Betriebsplanzulassung bleibt vielmehr eine gebundene Entscheidung. Der Bergbehörde kommt zwar im Rahmen des bergrechtlichen Zulassungsverfahrens die Aufgabe zu, die divergierenden Interessen unter Beachtung der Bedeutung und Besonderheiten des Rohstoffabbaus durch eine (nachvollziehende) Abwägung zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Über einen planerischen Gestaltungsspielraum verfügt sie indes nicht, da die Gerichte die Abwägungsentscheidung für richterlich voll nachprüfbar erklären.117 Entscheidend ist zudem, daß die Bergbehörde keine umfassende Abwägungsentscheidung in dem Sinne trifft, daß sie alle durch das Vorhaben tangierten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen hat und schöpferisch-gestaltend als Planer tätig wird. 118 Vielmehr sind die zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen sowohl in § 11 Nr. 10 BBergG 119 als auch in § 48 Abs. 2 BBergG bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschriften in gewissem Umfang beschränkt.120 Eine zusätzliche Beschränkung folgt für § 48 Abs. 2 BBergG aus dessen Ergänzungsfunktion gegenüber § 55 BBergG.

115

Siehe oben § 2 E.IV., V.

116

Explizit BVerwG, NVwZ 1991, 992 (993); darauf bezugnehmend VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (330); zustimmend etwa Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 53; Haneklaus, in: Hoppe, UVPG, § 18 Rn. 19. 117

VG Weimar, ZfB 137 (1996), 321 (329).

118

Wie dies etwa bei der Bauleitplanung oder der Raumordnung der Fall ist, vgl. § 1 Abs. 6 BauGB, § 7 Abs. 7 S. 1, 2 ROG. 119 120

Vgl. zum dort erforderlichen Feldbezug oben § 1 C.II.

Zu der Einschränkung „unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften" siehe oben § 4 E.II.l.

D. Entgegenstehen öffentlicher Interessen

79

III. Absicherung durch Nebenbestimmungen Korrespondierend dazu, daß die Auswirkungen bergbaulicher Vorhaben aufgrund der dynamischen Betriebsweise im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung regelmäßig nicht abschließend abschätzbar sind,121 hat der Gesetzgeber in § 56 Abs. 1 S. 2 BBergG die Möglichkeit vorgesehen, daß die Bergbehörde durch nachträgliche Auflagen sicherstellen kann, daß auch nach Erteilung der Betriebsplanzulassung die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 BBergG eingehalten werden.122 Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung besteht somit die Möglichkeit zur Absicherung von Maßnahmen, die gem. § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG dem Umstand Rechnung tragen, daß in ausreichendem Maße Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche getroffen wird. Insbesondere im Abschlußbetriebsplan kann durch entsprechende Nebenbestimmungen die Wiedernutzbarmachung gem. § 55 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBergG sichergestellt werden. Damit sind indes nur einzelne Komponenten des Grundsatzes erfaßt.

1. Nachträgliche Auflagen Es fragt sich demnach, ob die Bergbehörde mittels nachträglicher Auflagen zusätzlich sonstige, mit dem Bergbau im Einzelfall in Konflikt tretende, öffentliche Interessen zur Geltung bringen kann. Freilich ist auch insoweit zu beachten, daß die Bergbehörde nur solche Nebenbestimmungen erlassen kann, die der Sicherstellung dienen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Infolge der Altenberg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 48 Abs. 2 BBergG eine die Befugnisse der Bergbehörde im Verfahren zur Betriebsplanzulassung erweiternde Norm, die § 55 Abs. 1 BBergG ergänzt.123 Aus dieser Ergänzungsfunktion des §48 Abs. 2 BBergG ergibt sich, daß sich dieser Vorschrift weitere materielle Voraussetzungen für die Betriebsplanzulassung entnehmen lassen. Insofern spricht einiges dafür, diese Erweiterung auf die Befugnisse zum Erlaß von Nebenbestimmungen zu übertragen. Konsequenz ist, daß die Bergbehörde zur Sicherstellung der Voraussetzungen der §§ 55, 48 Abs. 2 S. 1 BBergG nachträgliche Auflagen erlassen kann.124 Damit kann die Bergbehörde unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen des Bergbautreibenden den Anforderungen entgegenste121 Zu den Sachgesetzlichkeiten des untertägigen (Steinkohlen-)Bergbaus Knöchel, NWVB1. 1992, 117 ff. 122

Vgl. Boldt/Weller,

123

Dazu oben § 3 A.II.3.

124

Ebenso Boldt/Weller,

BBergG, § 56 Rn. 16. BBergG, Ergänzungsband, Zu § 48 Rn. 7.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren

80

hender öffentlicher Interessen Rechnung tragen und diese insgesamt weitestgehend zur Geltung bringen. Auf diese Weise können angemessene Ergebnisse erzielt werden. Ein maßgeblicher Vorteil dieser Sichtweise liegt darin, daß an Stelle der strikten Rechtsfolgen eines Widerrufs der Betriebsplanzulassung gem. § 49 VwVfG eine flexiblere Regelung tritt, die wirtschaftliche und ökologische Interessen miteinander in Einklang bringt. Gerade dies fordert nicht nur der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, sondern auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

2. Nebenbestimmungen bei der Erteilung der Betriebsplanzulassung Aufgrund der Tatsache, daß § 56 Abs. 1 S. 2 BBergG nur den Fall nachträglicher Auflagen explizit regelt, richtet sich die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Erteilung der Betriebsplanzulassung als gebundene Entscheidung nach § 36 Abs. 1 2. Alt. VwVfG. Danach sind Nebenbestimmungen nur dann zulässig, wenn dadurch sichergestellt werden soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Aufgrund der Altenberg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach § 48 Abs. 2 BBergG als eine die Befugnisse der Bergbehörde im Verfahren zur Betriebsplanzulassung erweiternde Norm qualifiziert wurde, gilt es die Zulässigkeit von Nebenstimmungen entsprechend zu erweitern. Danach kann die Betriebszulassung mit Nebenbestimmungen versehen werden, soweit dies zur Erfüllung der in §§ 55, 48 Abs. 2 S. 1 BBergG genannten Zulassungsvoraussetzungen erforderlich ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn ansonsten die Erteilung der Betriebsplanzulassung versagt werden müßte, mithin insbesondere dann, wenn überwiegende öffentliche Interessen der Zulassungsentscheidung entgegenstehen. Kann letzteren durch die Festsetzung geeigneter Nebenbestimmung hinreichend Rechnung getragen werden, so gebietet es der Grundsatz der Verhältismäßigkeit diese im Vergleich zur Versagung der Betriebsplanzulassung mildere Möglichkeit zu ergreifen; 125 dann ist eine gänzliche Versagung nicht erforderlich.

125

Vgl. Boldt/Weller,

BBergG, § 56 Rn. 13.

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung/ Umweltverträglichkeitsprüfung A . Allgemeines Bei Vorhaben, die gemäß § 57c BBergG i.V.m. UVP-V Bergbau 1 einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, 2 ist nach § 52 Abs. 2a BBergG die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans durch die Bergbautreibenden obligatorisch. 3 Das Zulassungsverfahren ist dann in die Form eines Planfeststellungsverfahrens nach Maßgabe der §§ 57a und 57b BBergG eingebettet, § 52 Abs. 2a BBergG. Dies bringt eine verfahrensrechtliche Konzentrationswirkung mit sich: Im Gegensatz zum herkömmlichen Betriebsplanverfahren sind grundsätzlich keine weiteren Genehmigungen der Fachbehörden erforderlich, § 52 Abs. 2a BBergG i.V.m. §§ 72 Abs. 1 S. 1, 75 Abs. 1 S. 1,2. HS VwVfG. 4

1

Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vom 13.7.1990, BGBl. I, S. 1420; abgedruckt bei Boldt/Weller, BBergG, Ergänzungsband, Zu § 57c Rn. 5. 2 Eine Auflistung der UVP-pflichtigen bergbaulichen Vorhaben findet sich auch bei Erbguth/Schink, UVPG, § 18 Rn. 5. 3

Der in § 52 Abs. 2a BBergG aufgestellte Grundsatz der Planfeststellungspflicht bzw. des obligatorischen Rahmenbetriebsplanes für UVP-pflichtige Abbauvorhaben findet gem. § 52 Abs. 2b S. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 S. 3 BBergG für solche Vorhaben keine Anwendung, die dem Braunkohlenplanverfahren nach den §§ 24 ff. LP1G NW unterfallen, da letzteres ein besonderes Planungsverfahren i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 3 BBergG darstellt und bereits dort eine UVP nach Maßgabe des BBergG stattfindet, vgl. dazu Erbguth/Schink, UVPG, § 18 Rn. 5a, wonach dies für den brandenburgischen Braunkohlentagebau nicht gelte. Im Rahmen der „Sondervorschriften für das Rheinische Braunkohlenplangebiet" des LP1G läßt sich insbesondere über § 34 Abs. 2 LP1G der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung weitestgehend zur Geltung bringen, ausführlich Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, 196 ff. 4

Eine Sonderrolle spielt insofern die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung, vgl. dazu Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 238 ff.; Salzwedel, in: FS für Feldhaus, S. 281 (282 ff.); Cosack, NuR 2000, 311 (317). 6 Frenz

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

82

I. Einordnung der bergrechtlichen Planfeststellung Darüber hinaus hat die bergrechtliche Planfeststellung indes nicht viel mit herkömmlichen Planfeststellungen gemeinsam.5 Planfeststellungen zeichnen sich nach überwiegender Ansicht durch die planerische Gestaltungsfreiheit 6 aus, die mit einem umfassenden Abwägungsspielraum der planenden Stellen einhergeht.7 Dieser umfassende Prüfansatz von Planfeststellungen entspricht strukturell dem umfassenden Prüfanspruch, den der dreidimensionale Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung erhebt. Beide verlangen eine integrierende Gesamtsicht und Gesamtabwägung und ermöglichen es, öffentliche bzw. private Belange miteinander und untereinander abzugleichen und im Konfliktfall gegebenenfalls einzelne Belange zurückzustellen. Eine planerische Gestaltungsfreiheit im beschriebenen Sinn liegt der gesetzgeberischen Konzeption der bergrechtlichen Planfeststellung allerdings nicht zugrunde. An der Ausgestaltung der Rahmenbetriebsplanzulassung als Kontrollerlaubnis bzw. gebundene Entscheidung mit präventiven Erlaubnisvorbehalt sollte die Bergrechtsnovelle ausweislich der amtlichen Begründung nichts ändern.8 Daraus ergibt sich eine Sonderstellung der bergrechtlichen Planfeststellung.9 Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, daß der Bergbehörde keine Planungskompetenz im Sinne einer planerischen Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird, sondern die Rahmenbetriebsplanzulassung eine rechtlich gebundene Entscheidung bleibt, mithin eine Abwägung nur nachvollziehend im Wege der 5

Daher für eine andere Bezeichnung plädierend Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 244. 6

Ausfuhrlich zur planerischen Gestaltungsfreiheit und deren Schranken bei der Planfeststellung, Ibler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit im Planfeststellungsrecht, S. 36 ff. 7

Eine planerische Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde bejahen BVerwGE 48, 56 (59); 55, 220 (225 f.); aus der Lit. etwa: Gassner, NuR 1996, 492 (494); Fouquet, VerwArch. 87 (1996), 212 (230); Jarass, DVB1. 1998, 1202 (1207); zur bergrechtlichen Planfeststellung Hoppe/Spoerr, UPR 1999, 246 (246); differenzierend Gaentzsch, in: FS für Schlichter, S. 517 (525); Hoppe, DVB1. 1997, 789 (792); SchmidtAßmann, in: FS für Schlichter, S. 3 (14 f.); abl. Erbguth, VerwArch. 89 (1998), 189

(208). 8

In der BR-Drucks. 399/88, S. 21 heißt es, daß sicherzustellen sei, daß mit Ausnahme der ausdrücklichen, primär verfahrensrechtlichen Änderungen „keine Veränderungen der Rechtsposition der dem Planfeststellungsverfahren unterliegenden Unternehmen Platz greift". 9

Vgl. Erbguth/Schink, UVPG § 18 Rn. 15 m.w.N.: „in Form der Planfeststellung gekleidete Kontrollerlaubnis"; Kühne, UPR 1989, 326 (327): „atypisches Planfeststellungsverfahren"; Hoppe/Spoerr, UPR 1999, 246 (246): „gebundene Erlaubnis im Gewände einer Planfeststellung".

Α. Allgemeines

83

Auslegung unbestimmtèr Rechtsbegriffe möglich ist. 10 Insoweit lassen sich obige Ausführungen zu §§ 55, 48 Abs. 2 BBergG übertragen, so daß im nachfolgenden lediglich auf die Unterschiede zum herkömmlichen Betriebsplanverfahren eingegangen werden soll.

II. Zielbeachtenspflicht gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ROG Ein wesentlicher Unterschied zwischen der herkömmlichen Betriebsplanzulassung und der Rahmenbetriebsplanzulassung in Form eines Planfeststellungsbeschlusses ergibt sich jedoch infolge der Novellierung des Raumordnungsgesetzes11 und der dabei erfolgten Erweiterung der Bindungswirkungen der Erfordernisse der Raumordnung. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung nunmehr bei Planfeststellungen und Genehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen von Personen des Privatrechts zu beachten.12 Die Gesetzesnovelle hat damit auch sog. privatnützige Planfeststellungen der strikten Zielbeachtenspflicht unterworfen, 13 und zwar unabhängig von der Tatsache, ob die Maßnahme in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durchgeführt wird. 14 Neben

10 Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 243; Boldt/Weller, BBergG, Ergänzungsband, Zu § 57a Rn. 48, 50, 65; Erbguth/Schink, UVPG, § 18 Rn. 15; Hoppe/Spoerr, UPR 1999, 246 (246); dies., Bergrecht und Raumordnung, S. 118 f. jeweils m.w.N.; ausführlich Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung, S. 96 ff. 11

Raumordnungsgesetz in der Fassung vom 18.8.1997 (BGBl. I S. 2081).

12

Vgl. zur kompetenzrechtlichen Grundlage für diese Regelung Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Söfker, ROG, Bd. 2, Κ § 4 Rn. 17. Da § 4 Abs.l S.2 Nr. 2 ROG lediglich raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen erfaßt, stützt sich der Gesetzgeber primär auf seine Kompetenz aus der Natur der Sache für die gesamtstaatliche Raumordnung. Daneben bzw. hilfsweise beruft er sich auf die dem jeweiligen Fachrecht zugrundeliegenden Kompetenztitel. Ein derartiger „Kompetenzenmix" wird allgemein als zulässig erachtet, vgl. etwa Runkel, ebenda, sowie die umfassende Auseinandersetzung mit diesem Problem im Zusammenhang mit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Bundes-Bodenschutzgesetz. Dazu etwa Breuer, DVB1. 1994, 890 (897) m.w.N. 13

Vgl. zur alten Rechtslage Schulte, Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 150 f. Danach unterlagen gemeinnützige Planfeststellungen gem. § 5 Abs. 4 ROG a.F. der strikten Zielbindung, wohingegen privatnützige Planfeststellungen keiner Zielbeachtenspflicht unterworfen waren, soweit die Fachgesetze keine dahingehende Regelung enthielten. 14 Dies ergibt sich aus der inneren Systematik des § 4 ROG. Während § 4 Abs. 3 ROG die Zielbeachtenspflicht für Maßnahmen von Personen des Privatrechts normiert, die in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erfolgen und damit die Konsequenzen aus der zunehmenden Privatisierung öffentlicher Aufgaben zieht, erfaßt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

84

denjenigen Abbauvorhaben, für die nach § 31 Abs, 2 WHG im Einzelfall eine wasserrechtliche Planfeststellung erforderlich ist, etwa weil durch die bergbauliche Tätigkeit ein Gewässer hergestellt, beseitigt oder wesentlich umgestaltet wird, 15 erfaßt die Zielbeachtenspflicht des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ROG insbesondere solche Abbauvorhaben, die einer bergrechtlichen Planfeststellung bedürfen. 16 Welche Vorhaben im einzelnen von der planfeststellungsbedürftigen Rahmenbetriebsplanpflicht betroffen sind, ergibt sich aus dem Katalog der in § 1 UVP-V enumerativ aufgelisteten betriebsplanpflichtigen Vorhaben. Die Zielbeachtenspflicht wird nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ROG indes nur für solche Planfeststellungen ausgelöst, deren Gegenstand eine raumbedeutsame Maßnahme i.S.d. Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 6 ROG darstellt.17 Dies ist dann der Fall, wenn durch die Maßnahme „Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebiets beeinflußt wird". Die Raumbedeutsamkeit kann sich sowohl aus der Maßnahme selbst als auch aufgrund der Vorbelastung des Gebiets oder der negativen Vorbildwirkung ergeben.18 Wird ein Vorhaben in mehreren Teilabschnitten verwirklicht, so ist für die Beurteilung der Raumbedeutsamkeit auf den Endzustand der Planung oder Maßnahme abzustellen.19 Überwiegend werden Planfeststellungen ohne weitere Begründung als raumbedeutsame Planung bzw. Maßnahme qualifiziert, 20 obwohl § 4 ROG eine derartige Gleichstellung nicht impliziert.21

(der nach Abs. 4 S. 2 unberührt bleibt) ausdrücklich den Fall der ausschließlich privatnützigen Planfeststellungen. Vgl. dazu auch Runkel, ZfBR 1999, 3 (5). 15 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Tatbestandsvoraussetzungen bereits erfüllt, wenn für einen gewissen längeren Zeitraum, und sei es unfreiwillig, eine Wasserfläche entsteht. BVerwGE 55, 220; 71, 163; 85, 155; vgl. zur wasserrechtlichen Planfeststellung im Zusammenhang mit der Bodenschätzegewinnung Schulte, Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 410 f.; ebenfalls erfaßt werden Naßauskiesungen, d.h. Abbauvorhaben von Kies und Sand, bei denen der Abbau bis in die grundwasserführenden Schichten hinein geht; vgl. dazu Runkel, ZfBR 1999, 3 (5); Gaentzsch, NVwZ 1998, 889 (892); Schulte, Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 411. 16

Dazu Hoppe/Spoerr,

Bergrecht und Raumordnung, S. 119 f.

17

Dazu ausführlich Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Söfker, ROG, Bd. 2, Κ § 3 Rn. 231 ff. 18

Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Söfker, ROG, Bd. 2, Κ § 4 Rn. 62.

19

Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Söfker, ROG, Bd. 2, Κ § 4 Rn. 60.

20

Schulte, Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 150; Dickschen, Das Raumordnungsverfahren im Verhältnis zu den fachlichen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, S. 9, 92. 21

Vgl. Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Söfker, ROG, Bd. 2, Κ § 4 Rn. 136.

Β. Erweiterung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte

85

Gleichwohl läßt sich eine derart typisierende Betrachtungsweise für die bei der Bodenschätzegewinnung relevanten Planfeststellungen aufrechterhalten. Für die wasserrechtlichen Planfeststellungen ergibt sich die Raumbedeutsamkeit der ihr zugrundeliegenden Maßnahmen bereits aus den Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 WHG. So wird man nicht umhin kommen, die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers aufgrund ihrer Flächenrelevanz als raumbedeutsame Maßnahme einzustufen, zumal dadurch regelmäßig die räumliche Entwicklung und die Funktion eines Gebietes beeinflußt wird. Demnach löst die erforderliche wasserrechtliche Planfeststellung für private Naßauskiesungsvorhaben als privatnützige Planfeststellung i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG eine strikte Zielbeachtenspflicht aus. Die nach § 1 UVP-V UVP-pflichtigen und damit planfeststellungspflichtigen Bergbauvorhaben begründen entweder einen Flächenbedarf von 10 Hektar und mehr, führen zu Absenkungen der Oberfläche von mindestens 1 Meter, Verfügen über eine Förderkapazität von 3000 Tonnen oder mehr je Tag oder machen eine großräumige Grundwasserabsenkung erforderlich. Da mithin nur Vorhaben erfaßt werden, die auf der einen Seite entweder mit einem hohen Flächenbedarf oder einer Oberflächenabsenkung einhergehen, also Raum in Anspruch nehmen bzw. die räumliche Entwicklung beeinflussen oder auf der anderen Seite durch eine weiträumige Absenkung des Grundwassers die Funktion eines Gebietes beeinflussen, befassen sich bergrechtliche Planfeststellungen regelmäßig mit raumbedeutsamen Maßnahmen. Insofern gilt für sie die Zielbeachtenspflicht des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG. Festgehalten werden kann demnach, daß unabhängig von der nachfolgend zu untersuchenden Frage, inwieweit sich über die Vorschriften zur bergrechtlichen Planfeststellung der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung verwirklichen läßt, es zumindest auch von den zielförmigen Festlegungen der Raumordnung abhängt, ob und in welchem Umfang dem Nachhaltigkeitsgedanken zur Geltung verholfen wird. Jedenfalls das großräumige „Abgestimmtsein" von ökonomischen und sozialen Raumnutzungsansprüchen mit ökologischen Raumfunktionen ist nach § 1 Abs. 2 ROG der Raumordnung überantwortet.

B. Erweiterung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte durch Einfuhrung der UVP-pflichtigen Betriebsplanzulassung? Eine vor dem Hintergrund des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung näher zu betrachtende materielle Ergänzung ist § 52 Abs. 2a S. 3 BBergG, wonach die Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes, die sich aus der Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben, öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 BBergG sind. Daraus wird eine den Umweltschutz verstärkende Versa-

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

86

gungs- und Beschränkungsbefugnis der Bergbehörde gefolgert. 22 Weil infolge der Altenberg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zahlreiche Erfordernisse des Umweltschutzes als öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG ohnehin mit in die Entscheidung über die Erteilung der Betriebsplanzulassung einzubeziehen sind, muß jedoch der maßgebliche Unterschied zum herkömmlichen Betriebsplanverfahren darin gesehen werden, daß die Einführung der UVP im wesentlichen das „Wie" der Ermittlung und Bewertung der Umweltaspekte verfahrensrechtlich absichert.23 In materiell-rechtlicher Sicht wird durch § 52 Abs. 2a S. 3 BBergG nur klargestellt, daß das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Betriebsplanzulassung über § 48 Abs. 2 BBergG zu berücksichtigen ist. Dies ist die Konsequenz daraus, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung nur eine ökologische Zuführfunktion besitzt: Sie sammelt nur die ökologischen Belange, damit diese bei der späteren Genehmigungsentscheidung nicht untergehen. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, wonach über § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG auch im herkömmlichen Betriebsplanverfahren nicht lediglich solche öffentlichen Interessen zu berücksichtigen sind, die sich in öffentlich-rechtlichen Vorschriften niedergeschlagen haben, so führt § 52 Abs. 2a S. 3 BBergG nicht zu einer Erweiterung der Zulassungsvoraussetzungen.

C. Ökologisch-integrativer Ansatz der UVP-RL, seine Umsetzung im Bergrecht und der ökologisch-integrative Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens Als Wesensmerkmal des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung wird sein übergreifender, ökonomische, ökologische und soziale Determinanten integrierender Ansatz angesehen.24 Die einzelnen Dimensionen sollen jeweils integrativ ermittelt und schließlich im Wege einer Gesamtabwägung einer konkreten Entscheidung zugeführt werden. Die ökologische Komponente des übergreifenden Nachhaltigkeitsgedankens kann daher grundsätzlich als in „§ 2 Abs. 1

22

So Hoppe/Spoerr,

UPR 1999, 246 (246).

23

Insofern ist die Einfuhrung der UVP ergebnisneutral. Vgl. zur primär verfahrensrechtlichen Bedeutung der UVP-Richtlinie BVerwGE 101, 166 (173) sowie BVerwGE 100, 238; aus der Lit. etwa Hien, NVwZ 1997, 422 (425); Schmidt-Preuß, DVB1. 1995, 485 ff. m.w.N.; auch materiell-rechtliche Anforderungen dagegen ableitend Erbguth, NuR 1997, 261 (265); Peters, UPR 1994, 281 ff.; Feldmann, UPR 1991, 127 (130 f.); Lange, DÖV 1992, 780 (781, 785 f.); zurückhaltend Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts - Ziele, Wege und Irrwege, S. 53; zusammenfassend ders., in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 49. 24

Erbguth, DVB1. 1999, 1082(1084).

C. Ökologisch-integrativer Ansatz der UVP-RL

87

S. 2 UVPG bzw. Art. 3 UVP-RL versinnbildlicht"25 angesehen werden. Dies zeigt aber zugleich die Begründetheit der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die vom Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung in gleicher Weise umfaßten ökonomischen und sozialen Belange müssen daher auf anderem Wege Eingang finden. Von daher vermag die Umweltverträglichkeitsprüfung allein ohnehin den Nachhaltigkeitsgedanken nicht abzudecken.26 Nach § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG umfaßt die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf die anschließend aufgezählten Umweltgüter. Insoweit werden Parallelen zur Ökosystemaren bzw. integrativökologischen Sichtweise, wie sie in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG bzw. Art. 3 UVP-RL zum Ausdruck kommt, gezogen.27

I. Kontrollerlaubnisse und ökologisch-integrative Sichtweise des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG Gleichzeitig wird die Möglichkeit zur Umsetzung bzw. Verwirklichung dieser integrativen Sicht- und Vorgehensweise durch UVP-pflichtige Kontrollerlaubnisse von Erbguth/Schink bezweifelt. 28 Bereits die fachgesetzlichen Verfahren genügten dem integrativen Ansatz der Richtlinie nicht. Daran vermöge auch weder die tatbestandliche Erweiterung der Prüfungsgegenstände durch Öffnungs- und Gemeinwohlklauseln noch die Einbeziehung des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG29 in die Auslegung und Anwendung des jeweiligen fachgesetzlichen Erlaubnistatbestandes etwas zu ändern.30 Letzteres setze im vorliegenden Zusammenhang voraus, daß § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG überhaupt, beispielsweise als Auslegungsregel, in das bergrechtliche Betriebsplanverfahren hineinreiche, was indes nicht möglich sei.31 Denn insoweit determiniere der Gesetzeszweck, hier also § 1 BBergG, die Auslegung und Anwendung der Zulassungsnormen; dieser

25

So Erbguth, DVB1. 1999, 1082(1084).

26

Zum dreidimensionalen Ansatz siehe die Nachweise bei § 1 A a.E.

27 Erbguth, DVB1. 1999, 1082 (1084), wonach die ökologische Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung für einen integrierten Umweltschutz stehe, wie er in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG sowie § 3 UVP-RL zum Ausdruck kommt. 28

Vgl. Erbguth/Schink

UVPG, § 12 Rn. 35 ff., § 14 Rn. 13, § 18 Rn. 14 ff.

29

Vgl. § 18 UVPG, der das Verhältnis von UVPG und BBergG regelt und die Geltung des § 2 Abs. 1 S. 1 bis 3 UVPG unberührt läßt, vgl. dazu im einzelnen Haneklaus, in: Hoppe, UVPG, § 18 Rn. 8. 30

Erbguth/Schink,

UVPG, § 14 Rn. 13.

31

Erbguth/Schink,

UVPG, § 18 Rn. 9.

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

88

sei jedoch nicht auf eine Ökosystemare Betrachtungsweise gerichtet.32 Gegenteiliges läßt sich schon mangels Anwendbarkeit33 nicht aus § 12 UVPG herleiten und ebensowenig über das Verhältnismäßigkeitsprinzip34 oder im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung bewerkstelligen35. Freilich enthält § 1 BBergG mit der Vorgabe eines sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden bereits selbst Ansätze zur Einbeziehung ökologische Aspekte in die Abwägung.36 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist weiter näher zu untersuchen, inwieweit nicht doch auch durch Kontrollerlaubnisse die vom Nachhaltigkeitsgedanken geforderte medienübergreifende Sichtweise umgesetzt werden kann. Diese Frage gilt es nicht zuletzt vor dem Hintergrund der UVP-pflichtigen Rahmenbetriebspläne zu beleuchten, deren Zulassung von der Entscheidungsstruktur her letztlich eine in Form der Planfeststellung gekleidete Kontrollerlaubnis darstellt. Dabei ist zunächst in der gebotenen Kürze der Frage nachzugehen, ob die Umsetzung der UVP-RL im Bundesberggesetz dem medienübergreifenden Prüfansatz per se entgegensteht. Letztlich entscheidend ist freilich, ob sich dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung überhaupt die zwingende Vorgabe einer Ökosystemaren Sichtweise entnehmen läßt und wenn ja, ob diese zwingend nach Maßgabe der UVP-RL ausgestaltet sein muß.

II. Medienübergreifender Ansatz des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung Eine wesentliche Zielrichtung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung liegt in einem langfristig orientierten und wirksamen Umweltschutz in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen, wie er auch in der Staatszielbestimmung Umweltschutz des Art. 20a GG enthalten ist.37 Auf Dauer, also gene-

32

Erbguth/Schink, BImSchG.

UVPG, § 12 Rn. 102 bezogen auf das insoweit vergleichbare

33

Nach § 18 S. 2 UVPG finden die §§ 5 bis 14 im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren keine Anwendung. 34

So etwa Steinberg, DVB1. 1990, 1369 (1370 f.); dagegen zutreffend Erbguth/ Schink, § 12 Rn. 102 m.w.N. 35

Dahingehende Interpretationsspielräume eröffnet § 1 BBergG nicht. Zudem sprechen rechtssystematische Bedenken gegen eine uneinheitliche Interpretation eines Gesetzeszweckes in Abhängigkeit von der UVP-Pflichtigkeit des jeweils betroffenen Vorhabens, vgl. dazu Erbguth/Schink, § 12 Rn. 102. 36

Siehe oben § 1 B.II, und näher Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 82 ff. 37

Dazu Frenz, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder, JUTR 1999, 37 (40 ff.) m.w.N.; Viertel, ZfW 38 (1999), 541 (542).

C. Ökologisch-integrativer Ansatz der UVP-RL

89

rationenübergreifend, können die Funktionen einer erneuerbaren Ressource aber nur gesichert werden, wenn eine an der Tragekapazität38 der ökologischen Systeme ausgerichtete Koordination der Nutzung und Bewirtschaftung stattfindet.39 Der Nachhaltigkeitsgedanke zielt also auf den generationsübergreifenden Erhalt der Umwelt bzw. der natürlichen Lebensgrundlagen. Insofern ist er umfassend angelegt und kann sich nicht auf Einzelphänomene beschränken. Gefordert ist vielmehr ein auch die Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien Boden, Wasser und Luft einbeziehender Umweltschutz.40 Anerkennt man die im gesamthaften und zukunftsgerichteten Ansatz des Nachhaltigkeitsgedankens fußende Forderung nach einer Ökosystemaren Sichtweise, so besagt dies freilich noch recht wenig über deren Ausgestaltung im einzelnen, insbesondere ob nunmehr jeder Genehmigungsentscheidung entsprechend integrative Ermittlungen vorausgehen müssen.41

III. Medienübergreifende Sichtweise bei der bergrechtlichen Planfeststellung Die damit aufgeworfene Frage, ob notwendig § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG als Auslegungsregel das Bergrecht beeinflussen muß, damit ein medienübergreifender Standard gewährleistet ist, stellt sich nur dann, wenn das Bergrecht insoweit defizitär ist. Sind die Zulassungstatbestände des Bundesberggesetzes insoweit richtlinienkonform ausgestaltet, bedarf es ohnehin keiner ergänzenden Auslegung. Damit stellt sich das Problem nur, wenn die einschlägigen Vorschriften des Bergrechts einer richtlinienkonformen Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien nicht zugänglich sind. Stellt man allein auf die in der Zweckbestimmung des § 1 BBergG zum Ausdruck kommende Zielbestimmung des Gesetzes ab, so kann durchaus bezweifelt werden, ob mit der Bergrechtsnovelle eine Neuausrichtung des Gesetzes durch Zugrundelegung einer Ökosystemaren Sichtweise bezweckt war. Dennoch lassen sich auch hier ökologische Elemente bei entsprechend weiter Interpretation hin-

38

Siehe zur Tragekapazität als maßgebliche Determinante fur eine nachweltverträgliche Entwicklung bereits WCED, Our common future, S. 45. 39

Vgl. Calliess, DVB1. 1998, 559 (561).

40

Frenz, ZG 1999, 143 (147, 149 f., 156 f.).

41

Grundsätzlich krit. zu einem Abrücken von medial ausgerichteten Umweltstandards Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rn. 49: „kein Fortschritt, sondern ein Einbruch"; Di Fabio , NVwZ 1998, 329 ff.; Masing, DVB1. 1998, 549 (551 ff.); Zöttl, Integrativer Umweltschutz in der neuesten Rechtsentwicklung, S. 226 ff.

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

90

einlesen.42 Ansatzpunkt für ein Einfließen des Nachhaltigkeitsgedankens ist zunächst das in § 1 BBergG enthaltene Sparsamkeitsgebot, freilich zum einen begrenzt auf die Inanspruchnahme von Grund und Boden und zum anderen innerhalb des rohstoffbezogenen Sicherungs- und Ordnungsauftrages. Auch der in § 1 BBergG zumindest angelegte langfristig vorsorgende Lagerstättenschutz läßt sich hinsichtlich der intergenerationellen, temporalen Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung fruchtbar machen. Der zu berücksichtigende Lagerstättenschutz kann, indem er prinzipiell der Möglichkeit einer Reservehaltung von mineralischen Rohstoffen zumindest nicht entgegensteht und Raubbau verhindern soll, als Ausdruck der intergenerationellen Komponente gedeutet werden, zumal die Bergbehörden Bergbau nicht nur fördern, sondern auch ordnen sollen. Die, wie bereits erwähnt, in der bergrechtlichen Zweckbestimmung enthaltene Vorgabe des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden greift die ökologische und die soziale Komponente auf 4 und kann durch den Gedanken des Lagerstättenschutzes flankiert werden. Vom Grundsätzlichen her ist freilich zu bedenken, daß der Gesetzeszweck zwar in der neueren Gesetzgebung ein beliebter Ort ist, um prinzipielle Zielsetzungen und Perspektiven zu verankern. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß der Gesetzeszweck lediglich das abstrakte gesetzgeberische Interesse und die generelle Zielrichtung eines Gesetzes verdeutlicht. Zwar spiegelt sich hierin die gesetzgeberische Zielvorstellung bei Erlaß des Gesetzes wider. Gleichwohl lassen sich daraus weder unmittelbare Rechte und Pflichten des Bürgers herleiten noch können allein unter Berufung auf den Gesetzeszweck eine Pflicht oder Maßnahme der Behörde begründet oder Rechte Dritter hergeleitet werden. Regelungsgehalt entfaltet der Gesetzeszweck regelmäßig nur bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und bei der abwägenden Auflösung von Interessenskollisionen. Anwendungsvoraussetzung ist damit die Unbestimmtheit und daraus resultierende Auslegungsbedürftigkeit einer Norm oder die Eröffnung von behördlichem Ermessen.45 Letzteres ist bei Kontrollerlaubnissen wie der bergrechtlichen Betriebsplanzulassung bzw. dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren regelmäßig nicht der Fall, wenngleich der in den bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen allgegenwärtige Blankettbegriff der „öffentlichen Interessen" auch durch die im Gesetzeszweck enthaltenen

42

Näher zum folgenden Frenz, S. 82 ff. 43

Sustainable Development durch Raumplanung,

Dazu Berkemann, DVB1. 1989, 625 ff.

44

Zur Qualifizierung des Sparsamkeitsgebotes als (auf nicht-erneuerbare Ressourcen bezogenen) Unteraspekt des Nachhaltigkeitsgedankens siehe Calliess, DVB1. 1998, 559 (562); Schröder, WiVerw. 1995, 65 (70) sowie oben § 1 B.II.3. 45

Ermessensleitende Funktion des Gesetzeszwecks.

43

C. Ökologisch-integrativer Ansatz der UVP-RL

91

Determinanten beeinflußt wird. 46 Demnach verbleibt die Frage nach der Auslegungsfähig- und vor allem Auslegungsbedürftigkeit der bergrechtlichen Vorschriften hinsichtlich UVP-pflichtiger Abbauvorhaben. Ergibt sich hieraus das Erfordernis, die Auswirkungen des Abbauvorhabens auf die Umwelt einschließlich etwaiger zu besorgender Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien zu ermitteln und zu bewerten und das Ergebnis schließlich im Rahmen der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen, so bedarf es insoweit keines Rückgriffs auf § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG. Entscheidend sind letztlich die für die jeweilige Anlagenzulassung maßgeblichen Vorschriften. 47 Welche Angaben der Rahmenbetriebsplan mit Blick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung enthalten muß, ist in § 57a Abs. 2 S. 2 BBergG beispielhaft aufgelistet. Unschädlich ist zunächst, daß diese Vorschrift ausdrücklich nur die Beschreibung der zu erwartenden erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt und eine Beschreibung der entsprechenden Gegenmaßnahmen fordert. Denn die derart geforderte Beschreibung setzt eine Ermittlung der zu erwartenden umweltrelevanten Auswirkungen des Abbauvorhabens zwangsläufig voraus. Die geforderte Auffüllung des Begriffes „Umwelt" durch Anwendung des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG48 ist eher von klarstellender denn von grundlegender Bedeutung. Schließlich ergibt sich eine weite Auslegung dieses Begriffes bereits aus dem Wortlaut des §57a BBergG selbst, indem dieser keine Einschränkung enthält. Bestätigt findet sich dies in § 2 UVP-V Bergbau. Letztere Vorschrift konkretisiert § 57a Abs. 2 S. 2 BBergG, ohne seinerseits abschließender Natur zu sein. Danach sind folgende Angaben für die Erteilung des Rahmenbetriebsplans i.S.d § 57a Abs. 2 S. 2 BBergG entscheidungserheblich: 1. Eine Beschreibung von Art und Menge der zu erwartenden Emissionen und Reststoffe, vor allem Luftverunreinigungen, der Abfälle und des Anfalls von Abwasser, sowie Angaben über alle sonstigen erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen, und auf Kulturund sonstige Sachgüter, 2. Angaben über den Bedarf an Grund und Boden während der Errichtung und des Betriebs des Vorhabens sowie über andere Kriterien, die für die Umweltverträglichkeit eines Vorhabens maßgebend sind.

46

Zur Absicherung der erweiterten Sicht der §§ 11 Nr. 9 und 10, 48 Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG insbesondere über den Blankettbegriff der „öffentlichen Interessen" oben § 2 D.I., V, E.III., § 3 B.I.2., B.II., D.II.2. 47

Dies gestehen auch Erbguth/Schink,

48

Haneklaus, in: Hoppe, UVPG, § 18 Rn. 8; Erbguth/Schink,

UVPG, § 12 Rn. 32 ein. UVPG, § 18 Rn. 7c.

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

92

Vergleicht man die Dichte der nunmehr infolge der Umsetzung der UVP-RL erforderlichen, umweltbezogenen Angaben für planfeststellungsbedürftige bergbauliche Vorhaben mit jenen für herkömmliche Rahmenbetriebspläne, die sich nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG auf „allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben" beschränken, so wird die Relativität des Tatbestandsmerkmals der „allgemeinen Angaben" sichtbar. Angesichts dieser inhaltlichen Konkretisierung der erforderlichen Angaben in Rahmenbetriebsplänen relativieren sich die Vorbehalte49 gegenüber einer aus ökosystemarer Sicht defizitären Zweckvorschrift des § 1 BBergG doch erheblich. Zudem ist die das Bergrecht leitende Zweckvorschrift des § 1 BBergG nicht allein auf bergbauliche Belange fixiert, sondern enthält nachhaltigkeitsgerechte Ansätze.50 Zu Recht als problematisch angesehen wird dagegen, daß die von § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG bzw. Art. 3 UVP-RL geforderte Bewertung der Umweltauswirkungen auf Grundlage der nach § 57a Abs. 4 S. 2 BBergG erforderlichen zusammenfassenden Darstellung nicht explizit im Bundesberggesetz geregelt ist, sondern allenfalls das Erfordernis einer solchen Bewertung § 57a Abs. 4 S. 3 BBergG entnommen werden kann.51 Läßt sich also das Erfordernis einer Bewertung, mithin das „Ob" aus § 57a Abs. 4 S. 3 BBergG ableiten, so schweigen sich die bergrechtlichen Vorschriften gleichwohl über die entscheidende Frage des „Wie" aus. Unabhängig von der insoweit umstrittenen Frage, ob der § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG zugrundeliegende medienübergreifende Ansatz im novellierten Bergrecht vollends umgesetzt wurde,52 finden die §§ 1, 2 Abs. 1 UVPG in der bergrechtlichen Planfeststellung entweder in dem Sinne ergänzende Be49

Vgl. Erbguth/Schink, UVPG, § 12 Rn. 102, § 18 Rn. 9, wonach die isolierte Sichtweise der Zweckvorschriften beispielsweise des BImSchG bzw. des BBergG einer Ökosystemaren, d.h. medienübergreifenden Betrachtungsweise entgegen stünden. Dagegen spricht jedoch im Bergrecht, daß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UVP-V Bergbau ausdrücklich eine Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den genannten Umweltmedien fordert. Des weiteren wäre eine stärkere Ausrichtung der Gesetzeszwecke auf eine ökosystemare Sichtweise vor dem Hintergrund des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung zwar wünschenswert. Indes zielt der integrative, medienübergreifende Ansatz der UVP nicht auf sämtliche Abbauvorhaben, sondern lediglich auf solche, die voraussichtlich wesentliche Auswirkungen auf die Umwelt mit sich bringen. Eine derartige Beschränkung ist letztlich auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immanent. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, daß Zweckvorschriften interpretationsund ermessensleitende Wirkung bei der Auslegung und Anwendung sämtlicher Einzelbestimmungen entfalten können, erscheint eine Verankerung in einzelnen Bestimmungen nicht als Widerspruch zur Intention der UVP-RL. 50

Vgl. oben § 1 B.II.3. sowie Frenz, Sustainable Development durch Raumplanung, S. 158 sowie 167 ff. 51

Vgl. dazu Erbguth/Schink,

52

Vgl. dazu verneinend Erbguth/Schink,

UVPG, § 18 Rn. 7a f., 12. UVPG, § 18 Rn. 2.

C. Ökologisch-integrativer Ansatz der UVP-RL

93

rücksichtigung, als das Bergrecht durch die Anwendung der §§ 1, 2 UVPG aufgefüllt wird, 53 oder Art. 3 UVP-RL wirkt im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung54 auf das Bergrecht ein. In Anbetracht des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 57a Abs. 4 S. 3 BBergG und der Tatsache, daß § 18 S. 2 UVPG lediglich die §§ 5 bis 14 UVPG für nicht anwendbar erklärt, erscheint eine Auslegung dahingehend angebracht, daß die Umweltauswirkungen im Anschluß an deren Ermittlung und Beschreibung in einem gesonderten Verfahrensschritt zu bewerten sind.55 Das Fehlen eindeutiger materieller Maßstäbe für den Bewertungsvorgang kann aber nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres, als Defizit des Bergrechts verstanden werden. Denn unabhängig von der ohnehin problematischen integrativ-ökologisch ausgerichteten, eindeutig subsumtionsfähigen Maßstabsbildung beläßt die UVP-Richtlinie mangels Konkretisierung die mitgliedstaatlichen Adressaten insoweit im Dunkeln.56 Kontrollerlaubnisse weisen häufig auf der Tatbestandsseite unbestimmte Rechtsbegriffe auf. So ist beispielsweise die wasserrechtliche Erlaubnis bzw. Bewilligung nach § 6 WHG zu versagen, soweit „eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist". Das bergrechtliche Pendant ist § 48 Abs. 2 BBergG, der der Bergbehörde die Möglichkeit einräumt, eine Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken oder gar zu untersagen, „soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen". Daher läßt sich der Ansicht beipflichten, die mit Blick auf diese Öffnungsklauseln zu dem Ergebnis gelangt, daß auf diesem Weg ebenfalls eine Abwägung, wenngleich eine nachvollziehende erforderlich 57 und damit eine (richtlinienkonforme) Einbeziehung der Ergebnisse der UVP prinzipiell möglich ist.58 Die medienübergreifende und

53

In diesem Sinne Erbguth/Schink, UVPG, § 18 Rn. 2, Haneklaus, in: Hoppe, UVPG, § 18 Rn. 8, 41; vgl. auch § 18 S. 2 UVPG, der lediglich vorgibt, daß die §§ 5 bis 14 UVPG für bergbauliche Vorhaben keine Anwendung finden. Hier geht es nur um Verfahrensfragen und nicht um die Etablierung einer umfassenden integrativen Sichtweise, s.o. 1. 54

Dazu EuGH, Slg. 1984, 1894 (1909); Slg. 1987, 3969 (3986 f.); Slg. 1990,1-4135 (4158); aus der Lit. etwa Ress, DÖV 1994, 489 ff.; Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (165 ff.) sowie umfassend Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, passim. 55

Ebenso Erbguth/Schink,

UVPG, § 18 Rn. 7b, Haneklaus, in: Hoppe, UVPG, § 18

Rn. 8. 56

Siehe Erbguth/Schink,

UVPG, Einl. Rn. 6.

57

Vgl. BVerwG, NVwZ 1989, 1157 (1160). Vgl. zu den Unterschieden zwischen planerischer Abwägung und nachvollziehender Abwägung etwa Erbguth/Schink, UVPG, § 18 Rn. 15 f. sowie § 12 Rn. 37. 58 Vgl. Jarass, Umweltverträglichkeitsprüfung bei Industrievorhaben, S. 90 ff.; Soell/ Dirnberger, NVwZ 1990, 705 (709); Lange, DÖV 1992, 780 (784); Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 308.

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

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integrative Berücksichtigung ökologischer Belange läßt sich damit über § 52 Abs. 2a S. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 BBergG bewerkstelligen. Unabhängig davon verlangt der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung zwar nach einer medienübergreifenden Sichtweise. Daß diese indes zwingend nach Maßgabe der UVP-RL ausgestaltet sein muß, erscheint zweifelhaft. Die UVP-RL ist nicht das einzige Instrument zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. Das Gemeinschaftsrecht weist noch zahlreiche andere Regelungen auf, insbesondere die IVU-RL. Auf nationaler Ebene setzen gerade auch Gesetze, die gebundene Erlaubnisse und sonstige ordnungsrechtliche Instrumente vorsehen, den Nachhaltigkeitsgedanken (zumindest partiell) um, so § 1 BWaldG, § 1 BNatSchG und § la WHG.59 Aufschlußreich ist auch das novellierte Baugesetzbuch. § la Abs. 2 Nr. 3 BauGB enthält zwar ausdrücklich die Vorgabe zur Bewertung der ermittelten und beschriebenen Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt entsprechend dem Planungsstand, soweit es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handelt. Doch sollte die Durchführung einer UVP nach Maßgabe des UVPG nachhaltigkeitsimmanent sein, so wäre diese Vorschrift angesichts der Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens in den bauleitplanerischen Oberzielen des § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB an sich überflüssig.

D. Verknüpfung von Rahmenbetriebsplan und UVP Der Rahmenbetriebsplan besitzt mangels Gestattungswirkung eine vorbescheidsähnlichen Charakter.60 Er ist zwar Bestandteil des bergrechtlichen Zulassungsverfahrens. Für den Beginn des eigentlichen Abbaubetriebs, d.h. für die Durchführung des Vorhabens im einzelnen bedarf der Bergbauunternehmer allerdings der Zulassung eines Hauptbetriebsplanes, §52 Abs. 1 S.l BBergG. Rahmen- und Sonderbetriebsplänen kommt mithin grundsätzlich nur eine Ergänzungs- oder Entlastungsfunktion zu.61

59

Näher Schröder, WiVerw. 1995, 65 (67 ff.); Viertel, ZfW 38 (1999), 541 ff.

60

Jarass, in: Tettinger, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 53 (61); ebenso Erbguth/ Schink, UVPG, § 18 Rn. 9. Zur umstrittenen Frage der Bindungswirkung des Rahmenbetriebsplans siehe v. Mäßenhausen, ZfB 135 (1994), 119 (123 f.). 61

Vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 992; Boldt/Weller, Schink, UVPG, § 18 Rn. 8.

BBergG, § 52 Rn. 2 f.; Erbguth/

D. Verknüpfung von Rahmenbetriebsplan und UVP

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I. Parallelen zum Nachhaltigkeitsgedanken Nachfolgend soll noch kurz der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich der Rahmenbetriebsplan zur Verortung der UVP überhaupt eignet62 und ob die zweifelsohne vom Nachhaltigkeitsgedanken geforderte integrativ-ökologische Sichtweise63 zwingend nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UVPG erfolgen muß. Inhaltliche Anforderungen an den Rahmenbetriebsplan sind zunächst in § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG niedergelegt. Danach muß der fakultative Rahmenbetriebsplan allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und den voraussichtlichen zeitlichen Ablauf enthalten. Das novellierte Berggesetz konkretisiert die erforderlichen Angaben für UVPpflichtige Rahmenbetriebspläne in § 57a Abs. 2 BBergG. Bereits § 57a Abs. 2 S. 2 BBergG fordert, daß alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutsamen Angaben im Rahmenbetriebsplan enthalten sein müssen. Des weiteren sind nach Satz 3 weitere Angaben zur Umwelt und ihren Bestandteilen und über etwaige Schwierigkeiten bei der Angabenzusammenstellung erforderlich, soweit sie in Anbetracht der besonderen Merkmale des Vorhabens und der möglichen Auswirkungen auf die Umwelt von Bedeutung sind. Insofern reicht die Möglichkeit von Umweltauswirkungen aus. Bestanden Schwierigkeiten bei der Angabenzusammenstellung, kann diesem Umstand in den nachfolgenden Betriebsplänen Rechnung getragen werden, indem die Bergbehörde den diesbezüglich noch offenen Fragen verstärkte Aufmerksamkeit widmet. Damit dürfte gemäß § 57a Abs. 2 BBergG i.V.m. § 2 UVP-V Bergbau

62 Vgl. dazu Erbguth/Schink, UVPG, § 18 Rn.2 ff., der eine Beschränkung der UVP auf den Rahmenbetriebsplan aufgrund seiner Grobkörnigkeit und der Beurteilung der Umweltauswirkungen im Rahmen eines vorläufigen Gesamturteils für EG-rechtswidrig hält (Rn. 9 mit Hinweisen auf weitere in der Lit. vertretene Ansichten); a.A. zu Recht Jarass, in: Tettinger, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 53 (61), der die Beschränkung dann für zulässig erachtet, wenn die Umweltauswirkungen im Rahmenbetriebsplan vollständig überprüft werden. Vor dem Hintergrund der UVP fordert auch Gaentzsch, in: FS für Sendler, S. 403 (415 f.) einen konkreteren Inhalt der Rahmenbetriebspläne. Das entspricht dem durch Art. 3 und 8 UVP-RL vorgegebenen Erfordernis einer einheitlichen Prüfung von Umweltauswirkungen, die freilich stufenspezifisch zu erfolgen hat (dazu Erbguth/Schoeneberg, WiVerw. 1985, 102 (120); Bartlsperger, DVB1. 1987, 1 (11); Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 127 f., 154 f.). Daher kann die Umweltverträglichkeitsprüfung auch auf einer vorgelagerten Stufe erfolgen, BVerwGE 101, 166 (175 f.). 63

Siehe Frenz, ZG 1999, 143 (147); Erbguth, DVB1. 1999, 1082 (1083).

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die Möglichkeit, wenn nicht sogar ein rechtliches Gebot dahingehend bestehen,64 einen hinreichend detaillierten Rahmenbetriebsplan aufzustellen. 65 Weitere Parallelen zwischen dem Rahmenbetriebsplan und dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung ergeben sich zum einen aus seiner Funktion als präventives Instrument der Bergaufsicht 66 und zum anderen aus dessen Zeithorizont.

1. Präventivfunktion In dem gestuften Verfahren der bergrechtlichen Betriebsplanzulassung bildet der Rahmenbetriebsplan die erste mögliche Verfahrensstufe. Eine Verortung der UVP auf dieser Verfahrensstufe trägt dem Gebot der Frühzeitigkeit67 Rechnung, welches wiederum in einem engen Verhältnis zum präventiven Charakter des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung steht. Darüber hinaus steckt der Rahmenbetriebsplan die Eckpfeiler für die nachfolgenden Verfahrensstufen im Betriebsplanverfahren ab und ist dementsprechend auf einen längeren, u.U. über mehrere Jahrzehnte reichenden Zeitraum angelegt, § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG. Erfassen Rahmenbetriebspläne ein Abbauvorhaben noch nicht in jedem Detail, reichen mithin nicht in alle Einzelheiten, so nehmen sie doch zwei wesentliche Funktionen wahr, die mit der Zielrichtung des Nachhaltigkeitsgedankens in einer besonders engen Verbindung stehen. Zum einen liegt ihre Bedeutung vor allem in planerischer Hinsicht,68 erfassen sie doch die großen zeitlichen und räumlichen Zusammenhänge, in denen das Vorhaben realisiert werden soll. Als langfristig orientierte Rahmenvorgabe ist ihnen die zeitliche Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens immanent.

64

So Jarass, in: Tettinger, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 53 (61).

65

Vgl. dazu Jarass, wie zuvor; Cosack, NuR 2000, 311 (314).

66 Vgl. dazu Erbguth/Schink, § 18 Rn. 8; weitergehend v. Mäßenhausen, ZfB 135 (1994), 119 (121 f.), wonach der Rahmenbetriebsplan eine sog. Doppelfunktion wahrnimmt, also auch eine investitionssichernde Funktion für den Bergbauunternehmer, S. 122. 67

Ableitbar ist das Gebot der Frühzeitigkeit aus dem 1. Erwägungsgrund der Präambel der UVP-RL („ ... die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt werden müssen") sowie aus der Offenheit des Art. 2 Abs. 2 UVP-RL für die mitgliedstaatliche Ausgestaltung, vgl. Erbguth/Schink, § 18 Rn. 8; Frenz, Europäisches Umweltrecht, Rn. 415; Steinberg, DVB1. 1988, 995 (997); aus der Rspr. BVerwG, DVB1. 1997, 48 (50). 68

S. 7.

Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des BBergG, BT-Drucks. 11/4015,

D. Verknüpfung von Rahmenbetriebsplan und UVP

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2. Umfassender Ansatz Zum anderen erfassen sie das Abbauvorhaben in seiner Gesamtheit, indem sie den Rahmen für die (abschnittsweise) Verwirklichung des Vorhabens abstecken. Dies deckt sich mit dem nachhaltigkeitsbedingt geforderten, umfassenden Blickwinkel. Die auf konzeptioneller Ebene geforderte „Gewährleistung einer sozial ausgewogenen wirtschaftlichen Entwicklung"69 und die Forderung nach einem integrierten Ansatz für die Planung der Bodenressourcen70 mit dem Ziel, „divergierende Flächennutzungsansprüche auf ein Minimum zu reduzieren (und) ein möglichst hohes Maß an gegenseitiger Abstimmung zu erreichen", zielt erkennbar nicht ins Detail, sondern auf eine Betrachtung in Gesamtzusammenhängen.

II. Fazit Der Nachhaltigkeitsgedanke läßt sich im Bergrecht vor allem durch den Rahmenbetriebsplan umsetzen. Er besitzt Funktionen und Elemente, die eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten vermögen. Konkrete materielle Vorgaben für die Genehmigungsebene dürften, unabhängig von der derzeit bestehenden, ausschließlichen Funktion des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung als generelles Planungsziel71 bzw. Planungsgrundsatz72, infolge seiner inhaltlichen Offenheit nicht zu erwarten sein. Zwar gibt das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung die Elemente vor, die miteinander zu versöhnen sind, was methodisch auf eine Gesamtabwägung zielt. Ob dies indes zwingend eine planerische Genehmigung i.S.d. § 1 Abs. 6 BauGB sein muß, erscheint fraglich. Eine bestimmte Verfahrensform läßt sich aus dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung nicht ableiten. Klar zu Tage tritt demgegenüber infolge des dreidimensional, gesamthaft ausgerichteten Ansatzes, daß die nachhaltigkeitsbedingt geforderte Sichtweise in Richtung eines integrativ angelegten Blickwinkels auf die Erfassung größerer Zusammenhänge angewiesen ist. Das erfolgt zunächst durch Maßnahmen der Raumordnung. Deren Anforderungen finden v.a. über § 4 Abs. 1 S. 2 ROG und damit insbesondere bei den regelmäßig vorliegenden planfeststellungsbedürftigen Rahmenbetriebsplänen Eingang. Damit vermögen sie als Transmissionsrie-

69

Vgl. bereits Agenda 21, Tz. 8.7.

70

Vgl. Agenda 21, Kapitel 10.

71

Vgl. wiederum die rechtssystematische Verortung in § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB und § 1 Abs. 2 ROG. 72

Dazu Mitschang, DÖV 2000, 14 ff.

7 Frenz

§ 4 Bergbauliche Planfeststellung

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men für diese nachhaltigkeitsbezogenen Konkretisierungen zu dienen. Rahmenbetriebspläne tragen ihrerseits der Forderung nach Beachtung der größeren Zusammenhänge jedenfalls eher Rechnung, als es die detaillierten Haupt- und Sonderbetriebspläne vermögen. Letztere enthalten betrieblich-technische Einzelheiten,73 deren Berücksichtigung den geforderten umfassenden Blickwinkel verengen bzw. aus dem Gleichgewicht bringen würde, indem die Berücksichtigung größerer sachlicher und zeitlicher Zusammenhänge zu Lasten technischer Details zurücktreten würde. Gerade der Zeithorizont von Hauptbetriebsplänen, die nach § 52 Abs. 1 BBergG regelmäßig nur für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren aufzustellen sind, vermag ein langfristig orientiertes Handeln, wie es der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung intendiert, nicht sicherzustellen. Letztere mögen sich aufgrund ihrer Detailliertheit für eine ebenenspezifische Verortung einer Umweltverträglichkeitsprüfung eignen; für die Umsetzung der langfristig orientierten Zielsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens sind sie erkennbar ungeeignet. Es genügt aber, daß Rahmenbetriebspläne dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechen. Sie treffen ohnehin die grundlegenden Entscheidungen. Eine zwingende Ausgestaltung der nachhaltigkeitsimmanenten integrativen Sichtweise nach Maßgabe der UVP-RL bzw. des UVPG erscheint nicht zuletzt angesichts des novellierten Baugesetzbuches zweifelhaft. Das novellierte Baugesetzbuch verpflichtet die kommunale Bauleitplanung in § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB auf eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung. Gleichzeitig wurde angesichts der Möglichkeit zur Aufstellung vorhabenbezogener Bebauungspläne nach § 12 BauGB und der projektbezogenen Ausrichtung der UVP-RL auch im Rahmen des BauGB eine Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt. Handelt es sich um ein Vorhaben i.S.d. Anlage zu § 3 UVPG, ist gem. § la Abs. 2 Nr. 3 BauGB die Bewertung der ermittelten und beschriebenen Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt entsprechend dem Planungsstand im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB zu berücksichtigen. Die ausdrückliche Normierung der Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte Vorgaben wirft indes vor dem Hintergrund der Verankerung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung in den Oberzielen der Bauleitplanung eine entscheidende Frage auf. Sollte die Durchführung einer UVP nach Maßgabe des UVPG nachhaltigkeitsimmanent sein, so wäre diese Vorschrift angesichts der Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens in den bauleitplanerischen Oberzielen des § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB überflüssig. Darüber hinausgehend wäre es sogar erforderlich gewesen, die Bauleitplanung insgesamt einer UVP zu unterwerfen, was gerade nicht der Fall ist.74 Hintergrund ist die Auffassung, daß insbesondere die 73

Vgl. stellvertretend die Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des BBergG, BT-Drucks. 11/4015, S. 7. 74

Siehe W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, § la Rn. 142.

D. Verknüpfung von Rahmenbetriebsplan und UVP

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Abwägung und die Behörden- und Bürgerbeteiligung eine angemessene Berücksichtigung aller Umweltbelange sicherstellen. Nun ist, wie bereits mehrfach erwähnt, die Abwägung im Rahmen des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG keine der planerischen des § 1 Abs. 6 BauGB vergleichbare. Gleichwohl lassen sich auch im Rahmen einer nachvollziehenden Abwägung Umweltbelange angemessen berücksichtigen, zumal eine umfassende Prüfung derjenigen Belange, die mit dem Standtort des Abbauvorhabens zusammenhängen, bereits auf der Ebene einer der Leitvorstellung der nachhaltigen Entwicklung Rechnung tragenden Raumplanung erfolgen kann. Darüber hinaus verdeutlicht insbesondere § 52 Abs. 2a S. 3 BBergG auf der Ebene der bergrechtlichen Planfeststellung, daß „Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes ... öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2" sind. Spätestens hiermit können auch rechtlich nicht geregelte Umweltbelange im Rahmen des § 48 Abs. 2 BBergG berücksichtigt werden.75 Damit ist eine umfassende Berücksichtigung ökologischer Belange grundsätzlich möglich.

75

Vgl. Boldt/Weller, BBergG, Ergänzungsband, § 52 Rn. 61. Nach der hier vertretenen Ansicht gilt dies auch für herkömmliche Betriebsplanzulassungen.

Thesen § 1 Grundlagen 1. Indem die als Auslegungsregel fungierende Zweckvorschrift des § 1 BBergG auf einen langfristig vorsorgenden Lagerstättenschutz zielt, trägt sie einer an der intergenerationellen Komponente des Nachhaltigkeitsgedankens orientierten, bergbaubezogenen Sichtweise Rechnung. Die damit intendierte mittel- bis langfristige Sicherung der Rohstoffversorgung beinhaltet in erster Linie eine ökonomische und soziale Komponente. 2. Der von § 1 Nr. 1 BBergG geforderte sparsame und schonende Umgang mit Grund und Boden greift einen allgemein als Unteraspekt des Nachhaltigkeitsgedankens anerkannten Gesichtspunkt auf; dieser dient v.a. der Absicherung ökologischer Interessen.

§ 2 Konzessionen 1. Das geltende Bergrecht enthält zahlreiche „Öffnungsklauseln", über die außerbergrechtliche Belange, insbesondere solche des Umwelt- und Planungsrechts, in die Genehmigungs- und Zulassungsverfahren einströmen. Auf diesem Weg können auch ökologische und soziale Belange, und damit auch solche der nachhaltigen Entwicklung Eingang in die bergrechtlichen Verfahren finden und mit den im Bundesberggesetz im Vordergrund stehenden volkswirtschaftlichen Interessen, insbesondere dem Allgemeininteresse an einer gesicherten Rohstoffversorgung und den wirtschaftlichen Interessen des Trägers des Abbauvorhabens, abgeglichen werden. 2. Die Bezugnahme zahlreicher bergrechtlicher Vorschriften auf entgegenstehende „öffentliche Interessen" erfordert eine nachvollziehende Abwägungsentscheidung der Bergbehörde, so daß dem nachhaltigkeitsimmanenten Gebot der Konfliktbewältigung durch Abwägung der im konkreten Einzelfall widerstreitenden Interessen Rechnung getragen werden kann. 3. Die temporale, die Interessen zukünftiger Generationen mit in den Blick nehmende Dimension des Grundsatzes nachhaltiger Entwicklung ist partiell in § 11 Nr. 9 BBergG über den Gedanken des Lagerstättenschutzes enthalten. Da-

Thesen

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bei sind entsprechend der internationalen Ausrichtung des Sustainable-Development-Gedankens auch weltweite Vorräte mitzuberücksichtigen. 4. Aspekte des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung können allenfalls dann und insoweit der Erteilung einer Bergbauberechtigung entgegenstehen, wenn sie in strikten Planaussagen der Raumordnung, in naturschutzrechtlichen Schutzgebietsausweisungen oder sonstigen absoluten Verboten konkretisiert wurden. Zudem müssen dadurch die ökologischen oder sozialen Belange den Vorrang gegenüber den bergbaulichen Abbauvorhaben erhalten haben, und sie müssen über die genannten Öffnungsklauseln auf das Genehmigungsverfahren einwirken. Selbst dann kann immer noch die Erteilung einer Bergbauberechtigung erfolgen, wenn ein etwaiger Ablehnungsgrund durch den Erlaß geeigneter Nebenbestimmungen ausgeräumt werden kann. 5. Entsprechend der dreidimensionalen Ausrichtung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklungen müssen auch die der Unberührtheitsklausel des § 48 Abs. 1 S. 1 BBergG unterfallenden außerbergrechtlichen Verbote und Beschränkungen einer entsprechend (dreidimensional) ausgerichteten Problemsicht Rechnung tragen. Anerkennt man solchermaßen eine Leitfunktion des Nachhaltigkeitsgedankens, so müssen beispielsweise auch die vorwiegend ökologisch motivierten Schutzgebietsausweisungen zunächst von einer abstrakten Gleichrangigkeit ökologischer, sozialer und ökonomischer Determinanten ausgehen. Welche Belange zu berücksichtigen sind, richtet sich nach der Kompetenz des jeweiligen Entscheidungsträgers. 6. Angesichts des möglichen Einströmens ökologischer und sozialer Belange, insbesondere über die nach § 11 Nr. 10 BBergG im Rahmen der Genehmigung zu berücksichtigenden „öffentlichen Interessen", ist eine Reaktivierung des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG auf der Berechtsamsebene entbehrlich.

§ 3 Betriebsplan ohne Planfeststellungsverfahren/ Umweltverträglichkeitsprüfung 1. Bergrechtliche und außerbergrechtliche Belange lassen sich auf der Ebene des Betriebsplanverfahrens teilweise über § 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG miteinander abgleichen. Als spezialgesetzliche Ausprägung des naturschutzrechtlichen Ausgleichsgebotes sichern diese Zulassungsvoraussetzungen über die Vorgabe der Wiedernutzbarmachung auf langfristige Sicht eine Wiedereingliederung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Fläche in das Landschaftsbild ab. 2. Das Bundesberggesetz beinhaltet zwar die Pflicht zur Wiedernutzbarmachung, enthält aber selbst keine konkreten qualitativen Vorgaben. Eine Öffnung

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in Richtung der Berücksichtigung des Grundsatz nachhaltiger Entwicklung ergibt sich über § 4 Abs. 4 BBergG. 3. Konkrete qualitative Vorgaben lassen sich auch aus dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung allein nicht gewinnen. Letztlich entscheidend ist eine Gesamtabwägung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischen Interessen, die über § 4 Abs. 4 BBergG prinzipiell möglich ist. 4. Aus gesetzessystematischen Gründen sind indes nicht sämtliche öffentlichen Interessen über § 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG zu beachten. Relevant sind jedoch bauplanungsrechtliche, raumplanerische und naturschutzrechtliche Zielvorstellungen, so daß der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung über die derart konkretisierten öffentlichen Belange mittelbar auf die Wiedernutzbarmachung qualitativ steuernd einwirken kann. 5. Die über die Vorgaben zur Wiedernutzbarmachung während und nach Einstellung des Betriebes zu treffende Vorsorge für künftige Nutzungen und Funktionen ermöglicht einen nachweltverträglichen, da Bedürfnisse künftiger Generationen berücksichtigenden Bergbau. 6. Die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen des § 55 BBergG können vom Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung nicht beeinflußt werden. 7. Eine weitergehende Berücksichtigung von Anforderungen des Bauplanungsrechts, der Raumordnung sowie des Naturschutzrechts ermöglicht § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG. Die damit erforderliche abwägende Berücksichtigung der genannten öffentlichen Belange im Wege einer Gesamtschau entspricht methodisch dem auf eine Gesamtschau zielenden Ansatz des dreidimensionalen Nachhaltigkeitsgedankens. 8. Inwieweit die Belange der einzelnen Dimensionen ihrerseits entsprechend dem Nachhaltigkeitsgedanken integrativ ermittelt werden, bleibt beim herkömmlichen Betriebsplanverfahren den einschlägigen Fachgesetzen bzw. Planungen überantwortet. 9. Überträgt man die infolge der Altenberg-Entscheidung anerkannte Ergänzungsfunktion des § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG auf eine demzufolge erweiterte Zulässigkeit von Nebenbestimmungen im Rahmen des Betriebsplanverfahrens, lassen sich wirtschaftliche, soziale und ökologische Determinanten miteinander in Einklang bringen, ohne daß einzelne Komponenten des Nachhaltigkeitsgedankens ins Hintertreffen geraten.

Thesen

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§ 4 Bergbauliche Planfeststellung/ Umweltverträglichkeitsprüfung 1. Der dreidimensionale Ansatz nachhaltiger Entwicklung steht naturgemäß in einer engen Verbindung mit integrierten Vorgehensweisen und zielt, indem ökonomische, ökologische und soziale Belange a priori gleichberechtige Bestandteile eines einheitlichen Gestaltungsauftrages sind, letztlich auf eine Gesamtabwägung. Für die ökologische Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung bedeutet dies die Forderung nach einer integrierten bzw. medienübergreifenden, mithin die Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien berücksichtigenden Vorgehensweise. Insoweit werden Parallelen zur ökosystemaren Sichtweise, wie sie in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG bzw. Art. 3 UVP-RL zum Ausdruck kommt, gezogen. 2. Eine Erweiterung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erfolgt bei einer Betriebsplanzulassung mit Umweltverträglichkeitsprüfung. 3. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung läßt sich über § 2 UVP-V Bergbau i.V.m. §§ 57 a, 52 Abs. 2a, 48 Abs. 2 S. 1 BBergG zur Geltung bringen. 4. Umweltverträglichkeitsprüfungen sichern die ökologische Dimension des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung ab. Der Beschränkung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf den Rahmenbetriebsplan wird entgegengehalten, daß sich bei gestuften Verfahren, wozu auch das bergrechtliche Betriebsplanverfahren zählt, die konkreten Umweltauswirkungen u.U. erst in den konkreten Planungsstufen zeigen. Aufgrund der an der langfristigen Entwicklung des Betriebes orientierten Konzeption des Rahmenbetriebsplans reicht dessen Inhalt häufig nicht bis ins Detail. Einzelne mit dem Nachhaltigkeitsgedanken in Verbindung gebrachte Instrumente wie beispielsweise die naturschutzrechtliche Ausgleichsregelung oder das Sparsamkeitsgebot werden durch das geltende Bergrecht bereits weitestgehend und auf die bergbaulichen Sachgegebenheiten bezogen umgesetzt. Konkretere und darüber hinausgehende inhaltliche Vorgaben für bergbauliche Abbauvorhaben lassen sich aus dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht herleiten. Dieser ist vielmehr auf weitere Konkretisierung angelegt und vermag daher, nicht zuletzt infolge seiner inhaltlichen Offenheit, nicht unmittelbar auf die dem Rahmenbetriebsplan nachgelagerte Ebene vorzudringen. 5. Insgesamt erweist sich das Bundesberggesetz als im Sinne des internationalen Verständnisses der nachhaltigen Entwicklung handhabbar.

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