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German Pages [521] Year 2020
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 242
Anne Christin Wietfeld
Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme im Bürgerlichen Gesetzbuch Eine systematische Analyse
Mohr Siebeck
Anne Christin Wietfeld, geboren 1982; Studium der Rechtswissenschaft in Bielefeld; 2009 Promotion; 2019 Habilitation; derzeit Privatdozentin an der Universität Bielefeld. orcid.org/0000-0003-2466-9414
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 439208187. ISBN 978-3-16-159078-8 / eISBN 978-3-16-159079-5 DOI 10.1628/978-3-16-159079-5 ISSN 0940-9610 / eISSN 2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Stempel Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Meinem Opa
Vorwort Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld hat die vorliegende Arbeit im Jahr 2019 als Habilitationsschrift angenommen. Sie wurde für die Drucklegung geringfügig überarbeitet. Rechtsprechung und Literatur sind bis September 2019 berücksichtigt. Ich danke meiner akademischen Lehrerin, Frau Professorin Dr. Sudabeh Kamanabrou, für die Förderung und ihre Unterstützung. Ihr verdanke ich es, dass ich mich überhaupt auf den Weg gemacht habe, diese Arbeit zu schreiben. Sie hat mich während des Entstehungsprozesses begleitet und mir gleichzeitig die nötigen, aber keinesfalls selbstverständlichen Freiräume gewährt, ohne die ich die Arbeit nicht hätte zum Abschluss bringen können. Die Zeit am Lehrstuhl hat mich wissenschaftlich und persönlich in besonderer Weise geprägt und wird mir zeitlebens in sehr guter Erinnerung bleiben. Herrn Professor Dr. Martin Schwab danke ich für das engagierte Erstellen des Zweitgutachtens. Bei meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Arbeit und sozialen Schutz bedanke ich mich für die angenehme Arbeitsatmosphäre, die zahlreichen gewinnbringenden Gespräche, das unermüdliche Büchertragen und die fleißigen Korrekturhilfen im Prozess der Drucklegung. Die Drucklegung der Arbeit erfolgte mit großzügiger finanzieller Unterstützung der DFG. Auch dafür möchte ich mich bedanken. Dem Verlag Mohr Siebeck danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe Jus Privatum. Mein ganz besonderer Dank gebührt meinen Freunden und meiner Familie – vor allem meinem Mann Dr. Malte Wietfeld und unserem Sohn Jonathan. Sie haben – jeder auf seine Weise – die Höhen und Tiefen der Zeit bis zur Habilitation mitgetragen, so manches Mal auf mich verzichtet und mir in jeder Hinsicht zur Seite gestanden. Bielefeld, im April 2020
Anne Christin Wietfeld
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV
Einführung und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kapitel 1: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 § 1 § 2 § 3 § 4
Der Begriff der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Die verschiedenen Verweisungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Einführung in die Einzelanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . 57 § 1 Deklaratorische Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . 58 § 2 Konstitutive Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 74 § 3 Die Rechtsnatur von Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 182 § 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199 § 5 Einordnung der Sonderfälle in den §§ 347 Abs. 2 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 § 6 Erkenntnisse zu Bereichsverweisungen aufgrund der Untersuchung der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . 342
Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 § 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 § 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
X
Inhaltsübersicht
§ 3 Speziell geregelte gesetzliche Rücktrittsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 § 4 Erkenntnisse und weitergehende Folgerungen aus der Analyse der Verweisungen auf „den Rücktritt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 § 1 § 2 § 3 § 4
Die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . 443 Die Verweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis . . . . . 449 Die Verweisungen auf das Recht der unerlaubten Handlungen . . 451 Zusammenfassendes zu den Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
Kapitel 5: Zusammenfassendes zu den Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme im Bürgerlichen Gesetzbuch . . . . . . . . 455 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV
Einführung und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kapitel 1: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 § 1 Der Begriff der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Formeller Verweisungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Materieller Verweisungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1. Die Struktur von Verweisungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Semantische Unvollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Unvollständigkeit als Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 c) Nutzen der Eigenschaft als unvollständiger Rechtssatz für den materiellen Verweisungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 d) Ergänzungsbedürftigkeit von Verweisungsvorschriften . . . . . . 11 e) Fazit: Keine Aussagekraft der Struktur für die Eingrenzung materieller Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Wirkung der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 a) Inkorporationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 aa) Bedeutung der Inkorporationstheorie im Zivilrecht . . . . . . 14 bb) Grundlage der Inkorporationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 (1) Besonderheiten bei Rechtsfolgenverweisungen . . . . . . . 16 (2) Besonderheiten des § 823 Abs. 2 BGB als Beispiel einer Pauschalverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Geltungserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 c) Alternative Konzepte oder partieller Gleichlauf . . . . . . . . . . . . 22 d) Ausschließlichkeit der Geltungserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Fazit zur inkorporierenden und geltungserweiternden Wirkung materieller Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Ermächtigungswirkung als Charakteristikum . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Fazit zur Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
I. II.
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Inhaltsverzeichnis
§ 2 Die verschiedenen Verweisungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Stillschweigende und ausdrückliche Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . 29 Deklaratorische und konstitutive Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Einzelverweisungen und Bereichsverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Kritik an der Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Tragfähigkeit der herkömmlichen Unterscheidung . . . . . . . . . . . . 39 V. Statische und dynamische Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 VI. Verweisungsanalogie I. II. III. IV.
§ 3 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Sinn und Zweck von Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Nachteile der Verweisung als Mittel der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . 45 III. Verhältnis der Verweisung zum allgemeinem Teil eines Gesetzes und zur Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Verweisung und allgemeiner Teil eines Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Unterschiede und Gemeinsamkeiten von „Verweisung“ und „Analogie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
§ 4 Einführung in die Einzelanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Ziel der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 II. Eingrenzung der untersuchten Abschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Auswahl der untersuchten Einzelvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . 57 § 1 Deklaratorische Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . 58 § 516 Abs. 2 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Deklaratorischer Charakter der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Fazit zu der Analyse der Verweisung in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB . . . 64 II. § 531 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. § 556g Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Wortsinn des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Anhaltspunkte aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens 69 3. Fehlendes Spezialitätsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Folgerungen aus den Überlegungen zum Charakter der Verweisung in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. Fazit zu den deklaratorischen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
I.
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§ 2 Konstitutive Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 74 I. II.
Vorüberlegungen zu den Rechtsfolgeregelungen des Bereicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Einordnung einzelner Vorschriften als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Konkrete Einordnung von § 951 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Konstitutive oder deklaratorische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Anwendung des § 812 Abs. 1 BGB bei vorangegangenem gesetzlichen Eigentumserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Sinn und Zweck der §§ 946 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Systematik der Vorschriften über eine Rechtsveränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (a) Ersitzung als Rechtsgrund einer Vermögensverschiebung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (b) Gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb als Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (c) Vermischung von Bienenschwärmen als Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (d) Eigentumserwerb des Finders . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (e) § 955 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (f) § 879 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (g) Gesetzliche Differenzierung der verschiedenen Tatbestände des gesetzlich angeordneten Erwerbs . 90 (h) Die Leistungskondiktion als Sonderfall beim gesetzlichen Eigentumserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (3) Wille des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Modifikation der bereicherungsrechtlichen Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Vollständigkeit des Tatbestandes des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB 100 (1) Höhe der Vergütung nicht erkennbar . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Ohne Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (3) Weitere Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB . . . 101 (a) Nichtleistungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (b) Fazit zur Nichtleistungskondiktion . . . . . . . . . . . . . 103 (c) Weitere Voraussetzungen der Leistungskondiktion 104 (aa) § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Sonderfall der Leistungskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (bb) § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Verweisung auf die Leistungskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
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bb) Fazit zur Vollständigkeit des Tatbestandes des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Systematik des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 dd) Gesetzesökonomie als Zweck einer Verweisung . . . . . . . . . 109 ee) Rechtsnatur der Verweisung und deren Folgen . . . . . . . . . . 110 2. Konkrete Einordnung von § 977 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Konkrete Einordnung von § 852 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Hinweise in den Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Abgrenzung von konstitutiver und deklaratorischer Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Wortsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Verjährungsregelung, § 852 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 115 (2) Deliktischer Schadensersatz- oder bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch . . . . . . . 116 (a) Vorgehen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (b) Verschuldenserfordernis im Tatbestand als Grundlage der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (c) Bedeutung der Rechtsfolge für die Auslegung . . . . . 120 (d) Fazit zur Einordnung als Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (3) Fortwirkung der Ersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 cc) Amtliche Überschrift der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 dd) Fazit zum Anspruchscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 ee) Verjährung eines konkurrierenden Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 ff) Auslegungsergebnis: Konstitutive Verweisung . . . . . . . . . . 125 c) Wille des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Schuldrechtsmodernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Vollständigkeit im Tatbestand und eigenständige Anordnung der Grund-Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Sinn und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Eingrenzung durch die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 e) Fazit zum Verweisungscharakter des § 852 S. 1 BGB . . . . . . . . . 129 4. Konkrete Einordnung von § 682 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Gemeinsamer Zweck der Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Die Verweisung auf das Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5. Konkrete Einordnung der Verweisung in § 684 S. 1 BGB . . . . . . . 134 a) Deklaratorische Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Deklaratorische Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
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(1) Die Einordnung der Verweisung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (2) Der systematische Zusammenhang zwischen § 684 BGB und § 685 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Verweisung auf das Bereicherungsrecht im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Deklaratorische Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. oder 2. Fall BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Konstitutive Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung . . . . 142 aa) Konzeption des § 684 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Das Merkmal „auf dessen Kosten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Geschäftsbesorgung durch den Verkauf fremder Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (a) Interpretation des § 684 S. 1 BGB als Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (aa) Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung . . . . . . 147 (bb) Anhaltspunkte aus der Entstehungsgeschichte 148 (cc) Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (dd) Fazit zum Rechtscharakter des § 684 S. 1 BGB 149 (b) Vermeidung des Wertungswiderspruchs durch Einordnung als Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . . 149 bb) Fazit zur Konzeption des § 684 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Zusammenfassendes zum Verweisungscharakter . . . . . . . . . . . . 151 6. Konkrete Einordnung der §§ 1434, 1457 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Inhalt des Bereicherungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Verweisungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7. Konkrete Einordnung der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB . . . . . . . 158 a) § 988 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) § 993 Abs. 1 1. HS BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Umfang der Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Fazit zu den Verweisungen in den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 8. Konkrete Einordnung der Verweisung in § 1301 S. 1 BGB . . . . . . 163 a) Art der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Deklaratorische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Rechtsnatur des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 aa) Hinweise in der Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Einordnung anhand der tatbestandlichen Vorgaben . . . . . . 167
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cc) Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Umfang der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 9. Konkrete Einordnung des § 527 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Kombination aus Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung . 175 b) Besonderer Kondiktionstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Umfang der Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Zusammenfassendes zur Einordnung von Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
§ 3 Die Rechtsnatur von Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 182 Tatbestands- oder Rechtsfolgenorientierung zur Bestimmung des Rechtscharakters einer Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Rechtscharakter verschiedener Anspruchsgrundlagen im BGB . . 186 a) Kennzeichnende Merkmale des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Kennzeichnende Merkmale des Bereicherungsrechts . . . . . . . . 188 aa) Grundlagen des Bereicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Fazit zu den Grundlagen und ihrer Auswirkung auf das Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Fazit zum Einfluss der Elemente einer Vorschrift auf ihren Rechtscharakter und dessen Auswirkung auf Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 192 II. Einfluss der besonderen Konzeption des Bereicherungsrechts auf die Einordnung der hierauf verweisenden Vorschriften . . . . . . . . . . . 192 1. Prinzip der einheitlichen Rechtsfolge bei Tatbestandsvielfalt . . . . 193 2. Inhaltliche Nähe der Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Orientierung an externen Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Kein Widerspruch zum Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit . . . . . 195 III. Abschließende Einordnung der Rechtsnatur von Vorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . 196 I.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199 I.
Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB infolge des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB 201 1. Verweisungscharakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Deklaratorischer Charakter einer möglichen Verweisung . . . . . 203 b) Rechtsgrundverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Doppelfunktion des Bereicherungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . 205 (1) Bereicherungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) Sinn einer Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Doppelfunktion der Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . 211 d) Fazit zum Verweisungscharakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB . . . 212
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2. Umfang der Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Nutzungen aus dem ursprünglichen Leistungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (a) Herausgabe gezogener Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . 214 (b) Ersatz nicht gezogener Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . 215 (c) Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Nutzungen aus einem Surrogat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (3) Fazit zum Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Herausgabe von Surrogaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Regelfall: Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . 221 (2) Sonderfall: commodum ex negotiatione . . . . . . . . . . . . . 222 (a) Anwendungsfälle in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (b) Das commodum ex negotiatione als Bereicherung iSv § 346 Abs. 3 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (c) Anwendbarkeit des § 285 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 cc) Fazit zur Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . 227 dd) Ausblick auf andere Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Anwendung der Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Abzug von Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Anspruchsmindernde Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . 233 (2) Keine Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (a) Ausnahme im Fall des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB . 235 (b) Sonderfall: Aufwendungen auf Surrogate . . . . . . . . 236 cc) Fazit zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen . . . . . . . . . . 237 d) Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 e) Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Grundlage der Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (1) Konzeption des § 819 Abs. 1 BGB als Haftungserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (2) Übertragung der Wertungen des § 819 Abs. 1 BGB auf das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Beginn der Haftung gemäß § 819 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . 240 (1) Vergleichende Betrachtung der Problematik im Rücktritts-, Schenkungs- und Anfechtungsrecht . . . . . 241 (2) Sinn und Zweck des § 819 Abs. 1 BGB als Auslegungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (a) Sonderstellung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
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(b) Ausgangslage beim Schenkungswiderruf . . . . . . . . . 243 (c) Folgerungen für das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . 244 cc) Bedeutung von § 819 Abs. 1 BGB im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (1) Auswirkungen auf Nutzungsersatzansprüche . . . . . . . . 246 (2) Zinsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (3) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (4) Fazit zur Bedeutung des § 819 Abs. 1 BGB für das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 f) Anwendung von § 822 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Rechtscharakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4. Fazit zum Umfang der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB . . . . 250 II. Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1, 2 BGB infolge der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Anwendbarkeit des § 818 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Fazit zur Anwendbarkeit des § 818 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Bestätigung der Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB durch eine Betrachtung der §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256 V. Fazit zur Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 VI. Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Die Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Art der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Umfang der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 aa) Direkte Anwendbarkeit des § 822 BGB abhängig vom Rechtscharakter der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (1) § 822 BGB als Rechtsfolgenerweiterung . . . . . . . . . . . . . 262 (2) § 822 BGB als entsprechend anwendbare Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Gefahr einer Anknüpfung an den Rechtscharakter des Verweisungsobjekts, § 822 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) Vorgehen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .265 dd) Anwendbarkeit aufgrund einer allgemein vergleichbaren Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 ee) Anwendbarkeit des § 822 BGB aufgrund seiner Anbindung an § 818 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (1) Ausnahmecharakter des § 822 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (a) Unterschiede zur Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (b) Innerer Zusammenhang zwischen § 822 BGB und § 818 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
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(2) Systematischer Zusammenhang zwischen § 822 BGB und § 816 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (3) Exkurs: Anwendung des § 822 BGB bei Insolvenz des bösgläubigen Bereicherungsschuldners . . . . . . . . . . 276 c) Konsequenzen der Ergebnisse zu § 528 Abs. 1 S. 1 BGB für die Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 278 2. Anwendung und Bestätigung der Erkenntnisse aus der Analyse des § 528 BGB zur Anwendbarkeit des § 822 BGB anhand weiterer Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Einordnung als Rechtsfolgenverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . 279 aa) Abgrenzung zu deklaratorischen Rechtsgrundverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Hinweise auf den Charakter der Verweisungen als Rechtsfolgenverweisungen und als Kondiktionstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (1) §§ 1390 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 281 (2) § 2287 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Verweisungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Vergleichbarkeit der Schutzrichtungen in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB und den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge der §§ 2021, 2196 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Fazit zur Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge einer Verweisung auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 VII. §§ 819 Abs. 2, 820 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Anwendbarkeit des § 819 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Anwendbarkeit des § 820 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) § 820 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) § 820 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 VIII. Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB . . . . . . . . . . . 294 1. Grundlagen der Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 2. Anwendbarkeit der einzelnen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Anwendbarkeit des § 813 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) Anwendbarkeit des § 814 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 c) Anwendbarkeit des § 815 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 d) Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 e) Anwendbarkeit des § 821 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 IX. Ergebnisse zum Verweisungsumfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . 306
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§ 5 Einordnung der Sonderfälle in den §§ 347 Abs. 2 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 I.
II.
Die Verweisung in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Auslegung nach dem Wortsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Anwendung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ohne Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht . . . . . . . . . 310 b) Anwendung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) Einwand der Entreicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Haftungsverschärfung gemäß § 819 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . 313 5. Fazit zum Charakter des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 313 Die Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB . . . 314 1. Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Kritische Analyse der Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Änderung des Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Konsequenzen der Änderung des Rücktrittsrechts für die Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . 318 aa) Verbleibende Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Unterschiede bei der Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (1) Unterschiede in den Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . 320 (2) Unterschiede in der Zinshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 (3) Fazit zum Umfang der Zinspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 324 cc) Unterschiede bei schuldhaftem Handeln des anderen Teils 324 dd) Fazit zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten . . . . . . 324 c) Anpassungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) Berufen auf den Einwand der Entreicherung . . . . . . . . . . . 326 (1) Vorhersehbarkeit der Beendigung als Differenzierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (2) Schlechterstellung zur Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . 329 (3) Besonderheiten des Miet- oder Dienstvertragsrechts . . 330 bb) Unterschiede in den Voraussetzungen für die Ausübung der Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (1) Ausgangslage im Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (2) Ausgangslage im Dienstvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 332 (3) Ausgangslage im Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (4) Vergleich der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 cc) Interessenlage hinsichtlich der Zinspflichten . . . . . . . . . . . . 335 dd) Ausnahmsweise Vergleichbarkeit des Rückabwicklungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
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3. Änderungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 4. Fazit zu den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . 341
§ 6 Erkenntnisse zu Bereichsverweisungen aufgrund der Untersuchung der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht . . . . 342
Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 § 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I.
Deklaratorische Verweisungen auf das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . 349 1. § 275 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. §§ 440 S. 1, 636 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 a) Überlegungen zum Vorrang der §§ 440 S. 1, 636 BGB als leges speciales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 b) Vorgehen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 c) Fazit zum Verhältnis der §§ 440 S. 1, 636 BGB zu § 323 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 a) Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Konstitutive oder deklaratorische Rechtsgrundverweisung . . . 355 aa) Umfang der Inbezugnahme der Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 (1) Wortsinn der Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 (2) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 (3) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (a) Originärer Anwendungsbereich des § 323 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 437 BGB . . .358 (c) Wirkung der Verweisung bei anfänglich unbehebbaren Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (aa) Befreiung von der Leistungspflicht . . . . . . . . . . 361 (bb) Rechtslage nach Leistung einer anfänglich unbehebbar mangelhaften Sache . . . . . . . . . . . . 362 (d) Partielle Verweisung aufgrund der Sonderregelungen zu Mängeln im Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (e) Besondere Verjährungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . 365 bb) Fazit zum Umfang der Bezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 cc) Sperrwirkung des Gewährleistungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 366 (1) Beseitigung einer Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (2) Begründung einer Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (a) Fehlende Verweisung auf § 286 BGB . . . . . . . . . . . . 368 (b) Keine Selbstvornahme im Kaufrecht . . . . . . . . . . . . 371
XXII
II.
Inhaltsverzeichnis
(c) Vorrang des Gewährleistungsrechts vor anderen Rechtsbehelfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 dd) Fazit zur Rechtsnatur der Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . 375 c) Systematisierende Funktion deklaratorischer Verweisungen . . 375 4. Fazit zu den deklaratorischen Verweisungen auf das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Konstitutive Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht . . . . 377 1. Anordnung der „entsprechenden“ Anwendung des § 323 BGB . . 377 a) Die Verweisung in § 321 Abs. 2 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 b) Die Verweisung in § 326 Abs. 5 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 c) Die Verweisungen in § 314 Abs. 2 S. 2 und in § 637 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 d) Folgerungen aus den Verweisungen mit Anordnung entsprechender Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Verweisungen auf die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts . . . . 388 a) Die Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 b) Die Verweisungen in den §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 c) Fazit zu den Verweisungen auf die Voraussetzungen des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3. Erkenntnisse und Folgerungen aus den konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . 393
§ 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 I.
Rückforderungsansprüche des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 1. Gründe für das Entstehen der Rückgewähransprüche . . . . . . . . . . 399 a) Schadensersatz statt der Leistung als Auslöser im Fall des § 281 Abs. 5 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 b) Die Nachlieferung einer neuen Sache als Auslöser (§§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2. Vergleichbarkeit mit den Wirkungen des Rücktritts . . . . . . . . . . . . 404 3. Zusammenfassendes zur Struktur der Verweisungsvorschriften . . 407 4. Charakter der Verweisungen: konstitutive Rechtsfolgenverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 a) Rechtsfolgenverweisung als Verweisung auf ein in sich geschlossenes Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 aa) Grundlage der Rückgewährpflicht im Rücktrittsrecht . . . . 412 bb) Ergänzung der Rückgewährpflicht durch den Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 cc) Zusammenhang zwischen Rückgewähr, Nutzungsersatz und Verwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 b) Konsequenz aus der Einordnung der Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB als Rechtsfolgenverweisungen . . . . . . . . . . . . . 415
Inhaltsverzeichnis
XXIII
aa) Umfang der Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB auf die §§ 346–348 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 bb) Umfang der Verweisung der §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB auf die §§ 346–348 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 c) Fazit zum Rechtscharakter und zum Umfang der Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 5. Modifizierende Anwendung der §§ 346–348 BGB . . . . . . . . . . . . . 424 6. Erkenntnisse über die Wirkung der Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 II. Erstattungsansprüche des Gläubigers hinsichtlich überzahlter Geldbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 1. Grundsätzliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 2. Die Verweisungen in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 3. Die Verweisung in § 326 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 4. Die Verweisung in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 III. Bedeutung der Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht für den Rechtscharakter der Verweisungsvorschriften . . . . . . . . . . . . 435
§ 3 Speziell geregelte gesetzliche Rücktrittsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 § 4 Erkenntnisse und weitergehende Folgerungen aus der Analyse der Verweisungen auf „den Rücktritt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 § 1 Die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . 443 I. II.
Einordnung als Rechtsgrundverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Umfang der Rechtsgrundverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
§ 2 Die Verweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis . . . . . 449 § 3 Die Verweisungen auf das Recht der unerlaubten Handlungen . . 451 § 4 Zusammenfassendes zu den Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
Kapitel 5: Zusammenfassendes zu den Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme im Bürgerlichen Gesetzbuch . . . . . . . . 455 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
Abkürzungsverzeichnis a. A. andere(r) Ansicht abl. ablehnend Abs. Absatz abw. abweichend/abweichende(r) ArchBürgR Archiv für bürgerliches Recht Archiv für die zivilistische Praxis AcP ähnl. ähnlich/e/er/en alte Fassung a. F. allg. allgemein/e Anm. Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts AöR Arbeitsrechtliche Praxis AP Arg. Argument/e/en Art. Artikel allgemeiner Teil AT ausdrückl. ausdrücklich ausführl. ausführlich/e/er ausr. ausreichend BAG Bundesarbeitsgericht Bd. Band Bearb. Bearbeiter Begr. Begründung/Begründer Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGB‑RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BGHZ Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BMJV BSG Bundessozialgericht Bsp. Beispiel/e/en bspw. beispielsweise BT Bundestag BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerwG Bundesverwaltungsgericht Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg BWNotZ bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise
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Abkürzungsverzeichnis
deklarator. deklaratorisch/e/en ders. derselbe dies. dieselbe/n diff. differenzierend/e das heißt d. h. Die Öffentliche Verwaltung DÖV Drucks. Drucksache Dt. ErbRK Deutscher Erbrechtskommentar Deutsches Verwaltungsblatt DVBl. Einf. Einführung eingeschr. eingeschränkt/e/er Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ErbR et cetera etc. EU Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union EuGH EuR Europarecht evtl. eventuell Familienrecht und Familienverfahrensrecht FamFR Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FamRZ f. folgend ff. folgende Fn. Fußnote FPR Familie Partnerschaft Recht FS Festschrift GebrMG Gebrauchsmustergesetz gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls Geschäftsführung ohne Auftrag GoA grds. grundsätzlich/e/en Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR GS Gedächtnisschrift HGB Handelsgesetzbuch histor. historischen h. M. herrschende(r) Meinung Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz i. d. in der idR in der Regel in diesem Sinn/e idS i. E. im Ergebnis in Höhe von iHv insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung iRd im Rahmen der/des iRv im Rahmen von im Sinne des iSd
Abkürzungsverzeichnis
XXVII
iSe im Sinne eines/r im Übrigen i. Ü. in Verbindung mit iVm Juristische Arbeitsblätter JA Juristische Rundschau JR Juristische Ausbildung Jura Juristische Schulung JuS JZ JuristenZeitung Kap. Kapitel krit. kritisch Lit. Literatur Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs LM Kommentierte BGH‑Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LMK MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht (Zeitschrift) MedR MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins mögl. möglichen m. w. Nachw. mit weiteren Nachweisen Nachw. Nachweis/e Neubearb. Neubearbeitung neue Fassung n. F. Neue Juristische Online-Zeitschrift NJOZ NJW Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Zivilrecht NJW‑RR Nomos Kommentar NK Nr. Nummer/n NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ‑RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NWVBl. NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZG NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Kartellrecht NZKart Neue Zeitschrift für Mietrecht NZM o. ä. oder Ähnliche/s oben genannt/e/en o. g. OVG Oberverwaltungsgericht PatG Patentgesetz PatMitt Mitteilungen der Deutschen Patentanwälte Prot. Protokoll/e Prot-RJA Protokolle der Vorkommission des Reichsjustizamts Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RabelsZ RG Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ Rn. Randnummer/n Rspr. Rechtsprechung S. Seite
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Abkürzungsverzeichnis
SächsVBl. Sächsische Verwaltungsblätter SGB Sozialgesetzbuch sog. sogenannt/e/n ständige Rechtsprechung st. Rspr. und andere(n)/unter anderem u. a. Teilbd. Teilband v. von versch. verschieden/e Zeitschrift für Versicherungs-, Haftungs- und Schadensrecht VersR VerwArch. Verwaltungs-Archiv vgl. vergleiche Vorbem. Vorbemerkung Verwaltung und Fortbildung VuF Westf. Westfalen Wegfall der Geschäftsgrundlage WGG Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WM WuM Wohnungswirtschaft und Mietrecht zum Beispiel z. B. Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis ZErb ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Familien- und Erbrecht ZFE Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Gesetzgebung ZG Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht ZGS Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZHR ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht zit. zitiert Zeitschrift für das Juristische Studium ZJS ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik Zshg. Zusammenhang Zshgs. Zusammenhangs zusätzl. zusätzlich zw. zwischen
Einführung und methodisches Vorgehen Das Bürgerliche Gesetzbuch bedient sich an zahlreichen Stellen der Verweisungstechnik. Verweisungen sind ein gesetzgeberisches Mittel, um ein Gesetz zu verschlanken und zu systematisieren. Sie haben aber weit darüber hinausgehende Funktionen und Auswirkungen und prägen das Zivilrecht daher in unterschiedlicher Weise. Verweisungen sind Ausdruck bestimmter gesetzgeberischer Motive und können daher zu Auslegungszwecken herangezogen werden. Ferner bieten sie dem Gesetzgeber die Möglichkeit, bestimmte Teile eines Gesetzes zu akzentuieren und ihnen dadurch ein besonderes Gewicht innerhalb der Rechtsordnung zu verleihen. Die Technik der Verweisung steht als solche seit Langem im Fokus von Wissenschaft und Praxis. Die wissenschaftlichen Abhandlungen, die diesen Problemkreis zusammenhängend und aus einer abstrakten Perspektive intensiver betrachten, haben vornehmlich einen verfassungsrechtlichen Blickwinkel.1 Die Art von Verweisungen, die das BGB mehrheitlich enthält, und die häufig als „Binnenverweisungen“, das heißt Bezugnahmen von Vorschriften eines Gesetzes auf andere Vorschriften desselben Gesetzes, bezeichnet werden, sind aus verfassungsrechtlicher Sicht weitgehend unproblematisch.2 Sie bergen aber andere als verfassungsrechtliche Probleme. Sie stellen den Rechtsanwender vor Probleme, wenn der Umfang der Verweisung und damit der Prüfungsumfang einer Vorschrift unklar ist. Daran anknüpfend ergeben sich weitere Probleme, wie beispielsweise Fragen der Darlegungs- und Beweislast in einem Zivilprozess. Wie Looschelders/Roth bemerken, besteht „der Kern jeder Normanwendung (…) in der Feststellung der konkreten Geltung oder in der Befolgung der vom Gesetzgeber in der Norm angeordneten Rechtsfolge“.3 Was geschieht aber, wenn eine Norm ihre Rechtsfolge nicht vollumfänglich eigenständig regelt? Wonach bestimmt sich in dem Fall ihr Rechtscharakter – nach der verweisenden Vorschrift oder nach der, deren Rechtsfolge in Bezug genommen wird? Welche Voraussetzungen der in Bezug genommenen Vorschrift sind 1 Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen; Karpen, Die Verweisung; Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 ff. 2 Siehe dazu Guckelberger, ZG 2004, 62 ff., 88; Staats, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 244, 245. 3 Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozess der Rechtsanwendung, S. 87.
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Einführung und methodisches Vorgehen
im Rahmen der verweisenden Vorschrift zu prüfen? Die Literatur erörtert diese und weitere Fragen jeweils einzeln im Zusammenhang mit den insoweit problematischen Vorschriften. Im Mittelpunkt der zivilrechtlichen Betrachtungen steht dabei häufig die Abgrenzung zwischen Rechtsgrundund Rechtsfolgenverweisungen. Ob eine Verweisung eine Rechtsgrundoder eine Rechtsfolgenverweisung ist, wird regelmäßig aufgrund einer Auslegung der verweisenden Vorschrift für den Einzelfall beantwortet. Ein allgemeingültiger Maßstab, anhand dessen abstrakt und unabhängig vom Einzelfall ermittelbar ist, welche Art der Verweisung vorliegt, fehlt.4 Für die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht hat Hadding 1981 ein alternatives Konzept ihrer Zuordnung entwickelt.5 In der Ausbildungsliteratur werden diese Fragen vereinzelt auch für Verweisungen auf verschiedene Bereiche des BGB im Zusammenhang betrachtet.6 Darin zeigen sich die Ausbildungs- und damit zugleich die Praxisrelevanz der Probleme, die sich um die Verweisung als gesetzgebungstechnisches Mittel ranken. Eine zusammenhängende methodische Analyse der Verweisungen innerhalb des BGB fehlt bislang. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen. Dass die Verweisungen des BGB bisher noch nicht umfassend betrachtet wurden, dürfte nicht zuletzt ihrer erheblichen Anzahl innerhalb dieses Gesetzbuchs geschuldet sein. Die verschiedenen Verweisungen des BGB sind ferner sehr unterschiedlich. Zwar existieren an mehreren Stellen Verweisungen, die sich auf dieselben Vorschriften oder Gruppen von Vorschriften beziehen, daneben verwendet das BGB Verweisungen aber auch dazu, nur im Einzelfall auf eine andere Vorschrift zu verweisen. Dafür muss nicht an anderer Stelle eine weitere gleichartige Verweisung existieren, ausgeschlossen ist dies aber nicht. § 1929 Abs. 2 BGB verweist beispielsweise auf § 1928 Abs. 2, 3 BGB. Im BGB findet sich keine weitere Verweisung auf letztere Norm. § 321 Abs. 2 S. 3 BGB verweist konkret auf § 323 BGB. In § 326 Abs. 5 BGB gibt es ebenfalls eine Verweisung auf § 323 BGB. Beide Vorschriften, § 321 Abs. 2 S. 3 und § 326 Abs. 5 BGB, beziehen sich auf dieselbe einzelne Regelung – es handelt sich dabei jeweils um sogenannte Einzelverweisungen.7 Einzelverweisungen liegt hinsichtlich ihrer Art und Reichweite kein einheitliches System zugrunde. Der Gesetzgeber setzt sie ein, wenn die Sachverhalte, die einer einzelnen Vorschrift zugrunde liegen, im Einzel4 Für das Bereicherungsrecht Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 585. 5 Hadding, FS Mühl, S. 225 ff. 6 Budde, Jura 1984, 578 ff.; Meyer-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450 ff.; Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22 ff. 7 Zum Begriff der Einzelverweisung siehe Kap. 1, § 2 III., zu den §§ 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5 BGB siehe im Einzelnen Kap. 3, § 1 II. 1. a), b).
Einführung und methodisches Vorgehen
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fall mit denen vergleichbar sind, die eine andere Vorschrift vor Augen hat und es daher sachgerecht erscheint, für beide Vorschriften dieselben Tatbestandsvoraussetzungen festzulegen und/oder eine einheitliche Rechtsfolge eintreten zu lassen. Verweisen dagegen mehrere Vorschriften auf denselben Abschnitt innerhalb des BGB, wie beispielsweise die zahlreichen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht (sog. Bereichsverweisungen), soll von verschiedenen Vorschriften dieselbe tatbestandliche Ausgangssituation zugrunde gelegt oder sollen dieselben Rechtsfolgen angeordnet werden. Bedeutsame Bereichsverweisungen innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind neben denen auf das Bereicherungsrecht insbesondere die, die auf den Rücktritt, die Geschäftsführung ohne Auftrag, das EigentümerBesitzer-Verhältnis oder das Recht der unerlaubten Handlungen verweisen. Der wiederkehrenden Verweisung auf einen bestimmten Bereich könnten nicht nur jeweils dieselbe gesetzgeberische Intention, sondern zugleich ein einheitliches System zugrunde liegen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Bereichsverweisungen näher zu betrachten und zu systematisieren, um die Fragen und Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Art und der Reichweite dieser Verweisungen stellen, zu lösen. Da eine umfassende Untersuchung sämtlicher Bereichsverweisungen aufgrund deren Vielzahl den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, ist die Analyse schwerpunktmäßig auf die Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme und dabei auf diejenigen auf den Rücktritt und auf das Bereicherungsrecht zugeschnitten. Sie eigenen sich für eine gemeinsame Betrachtung, da sie jeweils Rückabwicklungssysteme etablieren und damit zumindest in Teilen vergleichbar sind. Dies könnte sich in einer Vergleichbarkeit der Bereichsverweisungen auf diese Teile niederschlagen. Verweisungen auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, der unerlaubten Handlungen und auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sind im BGB zahlreich und von erheblicher Bedeutung. Wie zu zeigen ist, handelt es sich bei ihnen allerdings in vielen Fällen um Einzelverweisungen. Die wenigen Bereichsverweisungen auf die soeben genannten Abschnitte sind stets Rechtsgrundverweisungen. Sie unterscheiden sich, wie weiter zu zeigen ist, aus unterschiedlichen Gründen von denen auf die oben genannten Rückabwicklungssysteme. Es erscheint daher wenig wahrscheinlich, dass ihnen dieselbe Systematik zugrunde liegt wie den Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht und den Rücktritt. Daher werden die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag, das Eigentümer-BesitzerVerhältnis und das Recht der unerlaubten Handlungen im Rahmen der weiteren Analyse nicht in Gänze, sondern lediglich vereinzelt behandelt. Das Dilemma einer methodischen Untersuchung des Systems von Verweisungen innerhalb eines Gesetzbuches ist, dass die Funktionsweise der Verweisungen und deren System aus der Analyse einzelner Vorschriften
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Einführung und methodisches Vorgehen
entwickelt werden muss. Da der Betrachtung der einzelnen Vorschriften jedoch ein einheitlicher Maßstab zugrunde liegen muss, um zu gewährleisten, dass das Ergebnis stringent ist, bedarf es eines Ausgangspunktes für die Analyse. Wenn dieser zunächst unabhängig von den einzelnen Vorschriften entwickelt wird, wird ein Teil der möglichen Analyseergebnisse vorweggenommen. Ohne dies kann jedoch keine fundierte Betrachtung stattfinden, weil die Maßstäbe über die Funktionsweise von Verweisungen im Allgemeinen einheitlich sein müssen, um gesicherte Ergebnisse zu erlangen. Hierfür ist es unumgänglich, die Grundlagen der Verweisung als Mittel der Rechtsetzung zunächst abstrakt zu ermitteln und die weitere Untersuchung darauf aufzubauen. Auf dieser Basis kann die Einzelanalyse der verweisenden Vorschriften stattfinden, die die Prämisse bestätigt oder zu einer Revision führt.
Kapitel 1
Grundlagen § 1 Der Begriff der Verweisung Über den Begriff der Verweisung herrscht insoweit Einigkeit, als hierunter eine irgendwie geartete Bezugnahme einer Vorschrift auf eine andere zu verstehen ist.1 Diese Bezugnahmen erfolgen im Gesetz auf unterschiedliche Art und Weise. Die verschiedenen Formulierungen des Gesetzestextes, die eine Verweisung indizieren, sind zahlreich. Sie reichen von ausdrücklichen Bezugnahmen auf eine konkret bezeichnete Vorschrift bis hin zu stillschweigenden Hinweisen durch das Verwenden bestimmter Begriffe. Dazwischen sind weitere Varianten denkbar. Ebenso wie die Formulierungen unterscheiden sich auch die Wirkungen verschiedener Verweisungen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Vielfalt divergieren die Auffassungen über die Definition des Verweisungsbegriffs. Insbesondere werden in nicht einheitlicher Form Oberbegriffe oder Begriffspaare innerhalb der Gruppe der Verweisungen gebildet. Eine Begriffsbestimmung muss diesen Unterschieden ebenso Rechnung tragen wie den Gemeinsamkeiten. Dafür bietet es sich an, den Verweisungsbegriff zunächst im Sinne eines Oberbegriffs rein formal nach der gesetzgeberischen Vorgehensweise zu bestimmen (siehe dazu im Folgenden unter I.) und anschließend ihrer besonderen Wirkung entsprechend einige Verweisungen Untergruppen zuzuordnen (siehe dazu anschließend unter II.).
I. Formeller Verweisungsbegriff Ein Weg, den Verweisungsbegriffs zu bestimmen, kann darin bestehen, zunächst das gesetzgeberische Vorgehen beim Einsatz dieser Gesetzgebungstechnik schlicht zu beschreiben. Die bei allen Verweisungen dem Grunde nach gleiche Vorgehensweise ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vorschrift, die Verweisungsvorschrift, auf eine andere Vorschrift oder eine Gruppe anderer Vorschriften, ein Verweisungsobjekt, mehr oder weniger 1 Für alle Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 35; Karpen, Die Verweisung, S. 19.
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Kapitel 1: Grundlagen
spezifisch Bezug nimmt, ohne dabei den Text des Verweisungsobjekts zu wiederholen.2 Einige Bezugnahmen von Vorschriften auf andere Vorschriften erfolgen durch einen schlichten Hinweis. § 438 Abs. 4 S. 1 BGB weist beispielsweise auf die Nennung des Rücktrittsrechts in § 437 BGB lediglich hin. Dieser bloße Hinweis hat für die Geltung des Verweisungsobjekts keine Wirkung, die über seine Hinweisfunktion hinausgeht. § 438 Abs. 4 S. 1 BGB möchte das Rücktrittsrecht, das § 437 BGB nennt, nicht für in bestimmten Fälle anwendbar erklären oder auf dessen Geltung für den Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen – das heißt der des § 438 Abs. 4 S. 1 BGB – hinweisen. Der Hinweis erfolgt vielmehr, um den Bezugspunkt für die in § 438 Abs. 4 S. 1 BGB geregelte Anwendbarkeit des § 218 BGB zu benennen.3 Erfolgt die Verweisung dagegen, um darauf hinzuweisen, dass eine bestimmte Vorschrift in der Normsituation anwendbar ist, die die verweisende Vorschrift vorgibt, handelt es sich nicht lediglich um einen Hinweis im oben genannten Sinn. In dem Fall liegt vielmehr eine deklaratorische Verweisung vor. § 929 S. 1 BGB ist ein solches Beispiel, weil dieser auf die Geltung des § 90 BGB hinweist, indem er den Begriff der Sache verwendet. § 90 BGB gelangt jedoch in den Fällen des § 929 S. 1 BGB ohnehin zur Anwendung, da er als Regelung des Allgemeinen Teils für alle nachfolgenden Vorschriften gilt. Derartige Verweisungen, die mitunter auch ausdrücklich erfolgen (so z. B. in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB4), haben eine Klarstellungsfunktion und erleichtern dem Rechtsanwender dadurch das Auffinden einschlägiger Vorschriften, die allerdings ohne die Bezugnahme in gleicher Weise anwendbar wären. Da diesen Formen der Bezugnahme keine Wirkung zukommt, die über den bloßen Hinweis auf ihre Geltung hinausgeht, werden sie zuweilen nicht als „Verweisung“ bezeichnet.5 Daneben gibt es Ansätze, die in sämtlichen oder nahezu sämtlichen Varianten der Bezugnahme auf eine Vorschrift eine Art der Verweisung sehen und bloße Hinweise oder deklaratorische Verweisungen als unechte oder als Verweisungen im weiteren Sinn ansehen.6 Dem stehen die echten, konstitutiven Verweisungen 2 Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 35; Ehricke/Blask, JZ 2003, 722, 723; Schenke, NJW 1980, 743. Die Begriffe „Verweisungsvorschrift“ und „Verweisungsobjekt“ sind gängig, die Bezeichnungen variieren jedoch bisweilen. Zu anderen möglichen Bezeichnungen siehe Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 35 ff. 3 Karpen, Die Verweisung, S. 19 f. nennt derartige Hinweise „Zitat“, „Erwähnung“ oder „Anführung“; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 126, 168 („Anführung“). 4 Siehe dazu in Kapitel 2, § 1 I. 5 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 74 f. (spricht von formal-deklaratorischer Bezugnahme); Schneider, Gesetzgebung, Rn. 378 ff. („der Verdeutlichung dienende Hinwesie“). 6 Berger, Die Erschließung von Verweisungen, S. 110; Guckelberger, ZG 2004, 62,
§ 1 Der Begriff der Verweisung
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oder Verweisungen im engeren Sinn gegenüber. Dies sind Verweisungen, die über die Bezugnahme eine Vorschrift für anwendbar erklären, die ohne den Verweis in den entsprechenden Fällen nicht eingriffe.7 Aufgrund der einheitlichen gesetzgeberischen Vorgehensweise ist es durchaus sinnvoll, alle Vorschriften, die eine Bezugnahme auf andere Vorschriften enthalten, unter einem Oberbegriff zusammenzufassen, ohne dabei danach zu differenzieren, in welcher Weise die Bezugnahme konkret erfolgt. Existierende Einteilungen, wie die in echte und unechte oder deklaratorische und konstitutive Verweisungen, unterscheiden nach der Wirkung der verschiedenartigen Bezugnahmen. Sie liefern jedoch keinen Oberbegriff, der der einheitlichen gesetzgeberischen Vorgehensweise gerecht wird. Diese Begriffspaare sind vielmehr alternativ. Echte oder konstitutive Verweisungen können nicht zugleich unechte oder deklaratorische sein und umgekehrt. Diese Kategorisierung ist zur Abgrenzung zwar durchaus sinnvoll, einen einheitlichen Oberbegriff statuiert sie allerdings nicht.8 Die Begriffe „Verweisungen im engeren“ und „im weiteren Sinne“ wären grundsätzlich dazu geeignet, einen Oberbegriff einerseits und eine Unterkategorie andererseits zu bezeichnen, wenn Verweisungen im weiteren Sinn sämtliche irgendwie geartete Bezugnahmen einer Vorschrift auf eine oder mehrere andere umfassen und als solche im engeren Sinne nur Verweisungen mit einer bestimmten Wirkung eingeordnet würden. Allerdings werden die Begriffe „Verweisung im engeren“ und „Verweisung im weiteren Sinne“ von einigen Autoren synonym mit den anderen oben genannten Begriffen verwendet.9 Diese Begriffsbestimmung soll im Folgenden nicht zugrunde gelegt werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Da es sich bei der schlichten Analyse der Gesetzgebungstechnik als Gemeinsamkeit sämtlicher Verweisungen um eine formale Betrachtung handelt, bietet sich die Einordnung als formeller Begriff an. Der formelle Verweisungsbegriff stellt damit im Ergebnis eine Beschreibung der rechtstechnischen Vorgehensweise des Gesetzgebers dar, der sich des Mittels der Verweisung bei der Rechtsetzung bedient. Er umfasst sämtliche Verweisungsarten.
63 f.; Karpen, Die Verweisung, S. 21; wohl auch Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 169, der für konstitutive Verweisungen von „echten Verweisungen“ spricht, ohne diese allerdings ausdrückl. „unechten Verweisungen“ gegenüberzustellen. 7 Zum Begriff der konstitutiven Verweisung siehe in diesem Kap. § 2 II. 8 Dies ist auch gar nicht das Ziel dieser Differenzierung. 9 Berger, Die Erschließung von Verweisungen, S. 110; Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 2 ff.; wohl auch Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 39 ff. Jellinek, Gesetz, S. 94 scheint den Begriffen „echte“ und „unechte“ Verweisung noch einen anderen Inhalt beizumessen.
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Kapitel 1: Grundlagen
II. Materieller Verweisungsbegriff Einige Verweisungen erschöpfen sich nicht in einem bloßen Hinweis auf andere Vorschriften. Sie haben in Bezug auf das jeweilige Verweisungsobjekt eine spezielle Wirkung, die dazu führt, dass einige Autoren nur Verweisungen mit dieser Wirkung überhaupt als solche bezeichnen.10 Sämtliche Verweisungen mit gleicher Wirkung sollten entsprechend unter einem gemeinsamen Begriff zusammengefasst werden, der enger ist als der formelle Verweisungsbegriff. Da für diese Einteilung die Wirkung bestimmter Verweisungsarten maßgeblich ist, bietet es sich an, diesen Begriff als materiellen Verweisungsbegriff zu bezeichnen. Um die Merkmale der Definition von Verweisungen im materiellen Sinn ermitteln zu können, muss zunächst klar sein, worin die soeben genannte spezielle Wirkung bestimmter Verweisungen liegt. Dass Verweisungen anders als andere Vorschriften eine besondere Wirkung haben können, beruht auf der speziellen Struktur von Verweisungsvorschriften. Es ist zunächst zu untersuchen, ob diese bei allen Verweisungen identisch ist oder ob es Unterschiede in der Struktur von materiellen Verweisungen gegenüber sonstigen Verweisungen gibt, die für ihre Wirkung verantwortlich sind (dazu im Folgenden unter 1.). Anschließend sollen die Einzelheiten der Wirkungsweise von Verweisungsvorschriften im materiellen Sinn genauer analysiert werden (dazu unter 2.). 1. Die Struktur von Verweisungsvorschriften Zentrales Kennzeichen einer jeden Verweisungsvorschrift ist zunächst ihre Zusammensetzung aus zwei oder mehreren Einzelvorschriften: Dem eigenständigen Regelungsteil aus der Verweisungsvorschrift selbst und dem Regelungsgehalt des Verweisungsobjekts oder der Verweisungsobjekte. Da sie durch das Verweisungsobjekt ergänzt werden, werden Verweisungsvorschriften für sich genommen zum Teil per se als unvollständige Rechtssätze eingeordnet.11 Das Verweisungsobjekt könne dagegen sowohl ein un10
Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 74 f.; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 378 ff. Böckel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S. 108; Budde, Jura 1984, 578; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT I, S. 198; Karpen, Die Verweisung, S. 28; Larenz, Methodenlehre, S. 257, 260 f.; Meyer-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 27 II.; wohl auch Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, Rn. 129, 132. Dabei sind die Begrifflichkeiten uneinheitlich. Einige Vertreter sprechen von unvollständigen „Rechtssätzen“, andere von unvollständigen „Rechtsnormen“ und wieder andere von unvollständigen „Rechtsvorschriften“. Es besteht Uneinigkeit, ob die Begriffe Synonyme sind oder nicht. Siehe dazu Larenz, Methodenlehre, S. 250 (Fn. 1), der den Begriff der Rechtsnorm synonym mit dem des Rechtssatzes verwendet, einerseits und Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 73 ff., der die Begriffe unterschiedlich definiert, andererseits. Im Folgenden werden die Begriffe „Rechtnorm“ 11
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vollständiger als auch ein vollständiger Rechtssatz sein. Unvollständig sei er, wenn die Vorschrift keinen eigenständigen, über die bloße Definition, Erweiterung oder Begrenzung der Verweisungsvorschrift hinausgehenden Anwendungsbereich habe.12 Ansonsten sei er vollständig. Wenn es sich bei Verweisungsvorschriften stets um unvollständige Rechtssätze handelte, was im Folgenden überprüft wird, könnte hierin ein kennzeichnendes Merkmal von Verweisungen im materiellen Sinn liegen. Dabei ist zunächst zu untersuchen, in welcher Hinsicht verweisende Rechtssätze unvollständig sein können. a) Semantische Unvollständigkeit Der Ansatz, Verweisungsvorschriften seien als Rechtssätze unvollständig, wird in der Literatur mitunter kritisch gesehen. Der Begriff der unvollständigen Rechtsnorm sei verfehlt, da jede Norm stets einen Tatbestand und eine Rechtsfolge enthalte und somit vollständig sei.13 Verweisungsvorschriften – wobei diese Aussage auf Rechtsfolgenverweisungen beschränkt ist – seien „nicht logisch, sondern (nur) semantisch unvollständig“14, weil die Verweisungsvorschrift selbst durchaus eine Rechtsfolge anordne und daher als Rechtsnorm vollständig sei. Der Ansatz beruht darauf, dass auch schlichte Definitionsnormen eine Rechtsfolge vorgeben, indem vom Vorliegen des entsprechenden Begriffs o. ä. als Grundlage für die weitere Rechtsprüfung auszugehen ist, wenn ihre Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Rechtsfolge sei durch die Verweisungsvorschrift ohne Hinzunahme des Verweisungsobjekts lediglich noch nicht hinreichend konkretisiert.15 Bei rein formaler Betrachtung ausschließlich danach, ob eine Vorschrift einen Tatbestand und eine Rechtsfolge selbst vorgibt, wären auf der Grundlage dieser Kritik alle Vorschriften vollständig.16 b) Unvollständigkeit als Rechtsnorm Eine vollständige Rechtsnorm setzt sich aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge zusammen.17 Selbst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Rechtsnorm einer Ansicht in der Literatur zufolge noch unvollund „Rechtssatz“ synonym verwendet, da eine weitere Differenzierung für die Untersuchung nicht weiterführend ist. 12 Karpen, Die Verweisung, S. 28. Wohl auch Enneccerus/Nipperdey, BGB AT I, S. 198. 13 Hassold, JR 1989, 358, 359. 14 Hassold, JR 1989, 358, 359. Insoweit zustimmend Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 42. 15 Hassold, JR 1989, 358, 359. 16 Hassold, JR 1989, 358, 359. 17 Bydlinski, Methodenlehre, S. 196; Larenz, Methodenlehre, S. 251 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 121 ff. (die zusätzlich eine Sollensanordnung verlangen).
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ständig sein. Die Begründungen hierfür sind unterschiedlich. Nach der Imperativentheorie ist eine Rechtsnorm nur dann vollständig, wenn sie in ihrer Rechtsfolge ein Ge- oder Verbot ausspricht.18 Verweisungen müssten erst zu einer vollständigen Rechtsnorm zusammengesetzt werden, um endgültig einen solchen Imperativ auszusprechen.19 Dem treten andere entgegen und sehen auch ohne Rückgriff auf die Imperativentheorie solche Vorschriften als unvollständig an, die zwar einen Tatbestand und eine Rechtsfolge enthalten, aber trotzdem durch andere Vorschriften ausgefüllt, erläutert oder ergänzt werden (müssen).20 Da es wohl kaum Vorschriften gibt, die nicht durch eine andere Vorschrift wenigstens ergänzt oder eingeschränkt werden, weil einzelne Vorschriften eine Rechtsfrage regelmäßig nicht vollständig regeln, 21 werden bei einer derartigen Betrachtung – egal ob auf der Grundlage oder unter Ablehnung der Imperativentheorie – nahezu sämtliche Vorschriften zu unvollständigen Rechtsnormen.22 Dies gilt unter anderem für (Legal-)Definitionen, Fiktionen, Obliegenheiten und andere ausfüllende oder ergänzende Vorschriften, wie beispielsweise die §§ 249 ff. BGB als das Schadensrecht ausfüllende Normen, sowie Einreden und Einwendungen als allgemein Rechtsnormen einschränkende Vorschriften. 23 Da einige der letztgenannten Vorschriften gerade dazu dienen, Anspruchsgrundlagen oder andere rechtsbegründende Regelungen auszufüllen oder zu ergänzen, dürften auf dieser Grundlage konsequenterweise auch solche Regelungen nicht als vollständig anzusehen sein. § 823 Abs. 1 BGB wäre demnach eine unvollständige Rechtsnorm, weil die §§ 249 ff. BGB seine Rechtsfolge ausfüllen, indem sie die Art und den Umfang der Ersatzpflicht bestimmen. c) Nutzen der Eigenschaft als unvollständiger Rechtssatz für den materiellen Verweisungsbegriff Unabhängig davon, welcher der beiden Grundannahmen zu folgen ist – lediglich semantische Unvollständigkeit oder Unvollständigkeit als Rechtsnorm –, dürften eine Vielzahl oder sogar sämtliche Vorschriften einen gleichen Charakter haben. Sie sind entweder stets vollständige (bei bloß 18 Für alle als frühe Vertreter Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 46 ff., 54 ff.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 34 ff., 59. Aus der modernen Lit. mit Hinweis u. a. auf frühe ausländische Primärquellen Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 27 I., IV., V. 19 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 27 II. 20 Bydlinski, Methodenlehre, S. 196 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 253 ff., 257 ff. 21 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 129. 22 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 47 spricht von gesetzestechnisch unselbstständigen Sätzen; Larenz, Methodenlehre, S. 260 spricht davon, dass Rechtssätze „vielfach unvollständige“ sind. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 27 II. ordnen „die meisten Paragrafen“ als unvollständige Rechtssätze ein. 23 Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 258 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 27 II.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 131 ff. Vgl. allg. auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 47 f.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 55 ff.
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semantischer Unvollständigkeit von Verweisungsvorschriften) oder stets unvollständige Rechtssätze (da auch andere Normen als Verweisungsvorschriften erst in ihrem Zusammenspiel mit ergänzenden Regelungen Rechtsfragen vollständig regeln). Daher eignet sich die Eigenschaft „unvollständiger Rechtssatz“ nicht als Unterscheidungsmerkmal einer Verweisungsvorschrift von anderen Vorschriften im Rahmen einer Definition. Die Verweisung kann zwar je nach Grundannahme der einen oder anderen Kategorie zugeordnet werden – entweder ist anzunehmen, dass sie gerade wegen der Anordnung einer Rechtsfolge nicht unvollständig ist, oder sie ist zwar unvollständig, andere Vorschriften sind es aber ebenso. Die Un-/ Vollständigkeit ist daher kein Unterscheidungskriterium, das als Alleinstellungsmerkmal der Verweisung im materiellen Sinne im Rahmen einer Eingrenzung des Begriffs hilfreich ist. Die Eigenschaft von Verweisungen als vollständige oder unvollständige Rechtsnormen sollte daher im Rahmen einer Definition von Verweisungen im materiellen Sinn unberücksichtigt bleiben. d) Ergänzungsbedürftigkeit von Verweisungsvorschriften Dennoch unterscheiden sich Verweisungsvorschriften, die Verweisungen im materiellen Sinn enthalten, in ihrer Struktur auf eine bestimmte Weise von anderen Vorschriften. Der Regelungsgehalt einer Verweisungsvorschrift ergibt sich unabhängig davon, ob sie als Rechtssatz vollständig ist oder nicht, jedenfalls erst aus dem Zusammenspiel von Verweisungsvorschrift und -objekt, solange die Verweisung nicht lediglich deklaratorischer Natur ist.24 Dies gilt insbesondere für konstitutive Rechtsgrundverweisungen.25 Wenn nämlich eine Vorschrift eine Rechtsgrundverweisung enthält, tritt die von ihr selbst angeordnete oder durch eine weitere Verweisung zu ermittelnde Rechtsfolge nur ein, wenn neben etwaigen Vorgaben der Verweisungsvorschrift zusätzlich der Tatbestand des Verweisungsobjekts erfüllt ist. Anders kann es sich bei einer konstitutiven Verweisungsvorschrift mit Rechtsfolgenverweisung verhalten. Diese sehen regelmäßig ihren Tatbestand vollständig und die Rechtsfolge zumindest dem Grunde nach selbst vor und verweisen anschließend lediglich hinsichtlich der Modalitäten der Rechtsfolge auf andere Vorschriften. Die Handlungsanweisung für den Rechtsanwender ergibt sich grundsätzlich bereits aus der Verweisungsvor24 BVerfG vom 23.3.1982 – 2 BvL 13/79, BVerfGE 60, 135, 155; Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 4 spricht von einem externen Auffüllen der Vorschrift; Haratsch, ZG 1999, 346; Jaeckel, SächsVBl. 2000, 205, 206. Ehricke/Blask, JZ 2003, 722, 723 und Schenke, NJW 1980, 743 weisen mit der Bezeichnung als „lückenhafte Regelung“ auch darauf hin, ohne die Verweisungsvorschrift dogmatisch als „unvollständigen Rechtssatz“ einzuordnen. Das BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 231 spricht von einer Unvollkommenheit der Ausgangsnorm. 25 Zu den Begrifflichkeiten siehe ausführl. in diesem Kap. § 2.
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schrift selbst.26 Diese Normstruktur existiert in ähnlicher Form bei Vorschriften, die keine Verweisungen enthalten, die aber hinsichtlich ihrer Rechtsfolgenanordnung auch durch andere Vorschriften ergänzt werden, wie zum Beispiel die §§ 280 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 1 BGB, für die sich der Haftungsumfang konkret nach den §§ 249 ff. BGB bestimmt.27 § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB regelt sowohl seine Tatbestandsmerkmale als auch seine grundsätzliche Rechtsfolge – die Herausgabe – eigenständig. Die Modalitäten der Herausgabe ergeben sich aber aus den §§ 818, 819 BGB, obwohl § 812 BGB keine Verweisung im materiellen Sinn hierauf enthält. Anders liegt es beispielsweise bei § 528 Abs. 1 S. 1 BGB, der gerade im Wege der Rechtsfolgenverweisung mit materiellem Charakter auf die Vorschriften des Bereicherungsrechts Bezug nimmt.28 Im Ergebnis ordnet Letzterer aber genau wie § 812 BGB seine Rechtsfolge – die Herausgabe – eigenständig an. Deren Einzelheiten richten sich dann aufgrund der Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nach den §§ 818, 819 BGB. Verweisungsvorschriften mit einem reinen Rechtsfolgenverweis ordnen demnach vollständig den Tatbestand und die korrespondierende Rechtsfolge zumindest dem Grunde nach an. Sie sind für den Rechtsanwender insoweit vollständig, als er ihnen einen Anspruch, eine Rechtspflicht o. ä. dem Grunde nach unmittelbar entnehmen kann. Bei Rechtsgrundverweisungen besteht eine andere Situation, wie das Beispiel des § 326 Abs. 5 BGB zeigt. Hier ergibt sich die von dieser Vorschrift selbst vorgesehene Rechtsfolge – das Entstehen eines Rücktrittsrechts – wenn sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen, die § 326 Abs. 5 BGB selbst enthält, als auch die des § 323 BGB vorliegen, auf den § 326 Abs. 5 BGB verweist. Aus dem Tatbestand der Verweisungsvorschrift allein ist die von ihr selbst vorgesehene Rechtsfolge nicht zu ermitteln. Die Verweisungsvorschrift ist für den Rechtsanwender zur Ermittlung der Rechtsfolge demnach wertlos, wenn er nicht den Tatbestand des Verweisungsobjekts hinzuzieht. Erst dann ist der Tatbestand der Verweisungsvorschrift vollständig. Hierin unterscheiden sich Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen.29 26 Aus diesem Grund sieht Hassold, JR 1989, 358, 359 die Vorschriften als vollständig an. 27 Siehe dazu in diesem Kap. § 2 I., § 3 III. 1. 28 Siehe dazu ausführl. in Kap. 2, § 4 VI. 1. 29 Diese Differenzierung zwischen Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung dürfte auch der Kritik Hassolds (Hassold, JR 1989, 358, 359) Rechnung tragen. Soweit er davon ausgeht, Vorschriften könnten nie unvollständig sein, schränkt er diese Aussage selbst wieder ein, wenn er zumindest eine semantische Unvollständigkeit von Rechtsfolgenverweisungen annimmt. Zu Rechtsgrundverweisungen trifft er keine Aussage, die sich auf deren Vollständigkeit als Rechtssatz bezieht, sondern verweist darauf, deren Rechtfolge trete nur ein, wenn neben ihrem Tatbestand auch der des Verweisungsobjekts erfüllt sei.
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Rechtsgrundverweisungen weisen daher – anders als Rechtsfolgenverweisungen – aufgrund ihrer Ergänzungsbedürftigkeit Besonderheiten in der Normstruktur auf, die sie von anderen Vorschriften unterscheiden. Rechtsfolgenverweisungen sind zwar in gewisser Hinsicht ebenfalls ergänzungsbedürftig – nämlich hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Rechtsfolge – dies unterscheidet sie jedoch nicht zwingend von anderen, nicht verweisenden Vorschriften. Letztere sind vielmehr in der Regel auch in irgendeiner Form ergänzungsbedürftig. Dass Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen in unterschiedlicher Weise ergänzungsbedürftig sind, ist nicht schon in der Definition des materiellen Verweisungsbegriffs abzubilden, sondern muss im Rahmen der Differenzierung zwischen diesen Verweisungsarten berücksichtigt werden.30 An den bestehenden Unterschieden zeigt sich jedoch, dass Verweisungsnormen in uneinheitlichem Umfang ergänzungsbedürftig sind. Die Ergänzungsbedürftigkeit ist daher nicht für alle Formen von Verweisungen im materiellen Sinn verallgemeinerungsfähig. e) Fazit: Keine Aussagekraft der Struktur für die Eingrenzung materieller Verweisungen Die verschiedenen Verweisungsvorschriften sind demnach in unterschiedlicher Art und unterschiedlichem Umfang ergänzungsbedürftig. Trotz aller Verschiedenheit können Verweisungsvorschriften, wie zu zeigen ist, bezogen auf das jeweilige Verweisungsobjekt dennoch dieselbe Wirkung haben (dazu sogleich unter 2.). Ihr unterschiedlich hohes Bedürfnis nach einer Ergänzung wird erst im Rahmen der weitergehenden Differenzierung innerhalb dieser Verweisungsgruppe – in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen – relevant. Obwohl die Vorschriften in unterschiedlicher und nicht verallgemeinerungsfähiger Weise ergänzungsbedürftig sind, ist die grundsätzliche Struktur von Verweisungen als zusammengesetzte Vorschriften dennoch der gemeinsame Ausgangspunkt der speziellen Wirkungsweise materieller Verweisungen. 2. Wirkung der Verweisung Die spezielle Wirkungsweise bestimmter Verweisungen liegt darin, eine Vorschrift – das Verweisungsobjekt – auf einen Sachverhalt anzuwenden, auf den sie ihrem eigenen Anwendungsbereich nach eigentlich nicht anwendbar wäre. Dies trifft sowohl auf Rechtsgrundverweisungen zu, die den Tatbestand einer von sich aus unanwendbaren Vorschrift für (teilweise) anwendbar erklären, als auch auf Rechtsfolgenverweisungen, die fremde Rechtsfolgen heranziehen, um den Umfang des von ihnen statuierten An30 Siehe zur begrifflichen Unterscheidung von Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen in diesem Kap. § 2 IV.
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spruchs näher zu bestimmen. Der Gesetzgeber bedient sich in all diesen Fällen einer Regelung aus einem bestimmten Bereich, die er auch für die Regelung anderer Sachverhalte – für die sie originär nicht gilt – für sinnvoll erachtet. Es gibt verschiedene Ansätze, diese materielle Wirkung bestimmter Verweisungen dogmatisch zu erklären. a) Inkorporationswirkung Nach der unter anderem so benannten Inkorporationstheorie setzt sich eine Verweisungsnorm aus zwei Teilen zusammen: Ihrem eigenen Regelungsteil und dem Verweisungsobjekt. Das Verweisungsobjekt sei die Vorschrift, auf die verwiesen und die durch die Verweisung in die Verweisungsnorm inkorporiert werde.31 Dabei werde der materielle Inhalt des Verweisungsobjekts automatisch zum Bestandteil der Verweisungsnorm.32 Die Inkorporation, die diese Ansicht annimmt, führt sodann zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Verweisungsobjekts. Letzteres gilt zwar nicht eigenständig, aber dafür als Bestandteil der Verweisungsvorschrift für den von ihr eröffneten Tatbestand. Seinem eigenen Tatbestand nach wäre es in den Fällen, die die Verweisungsvorschrift regelt, nicht anwendbar.33 aa) Bedeutung der Inkorporationstheorie im Zivilrecht Das primäre Ziel einer Verweisung ist nach der Inkorporationstheorie, die Regelungen des Verweisungsobjekts im Anwendungsbereich der Verwei31
Für die Inkorporationswirkung BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, 285, 309; Arndt, JuS 1979, 784, 785; Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, Rn. 209; Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 4; Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 65; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 83 ff.; Guckelberger, ZG 2004, 62, 64; Karpen, Die Verweisung, S. 32; Oetker, JZ 2002, 337; Söhn, Allgemeinverbindlicherklärung, S. 225 ff. Diese Wirkung liegt auch den Empfehlungen des BMJV für Bezugnahmen auf andere Texte im Rahmen von Rechtsvorschriften zugrunde: Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 231. 32 BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, 285, 309 f.; Böckel, Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung, S. 107 f.; Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 4; Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 66; Haratsch, EuR 2000, 42, 44; ders., ZG 1999, 346; Karpen, ZRP 1978, 151; ders., Die Verweisung, S. 32; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 22; Schröcker, NJW 1967, 2285, 2289. 33 Die tatbestandliche Unanwendbarkeit des Verweisungsobjekts ist der Regelfall. Die weitere Untersuchung hat darüber hinaus ergeben, dass es Fälle gibt, in denen die originäre Anwendbarkeit des Verweisungsobjekts nicht durch dieses selbst, sondern durch die Verweisungsvorschrift oder den Regelungsbereich, in dem sich Letztere befindet, gesperrt ist. Die Anwendbarkeit des Verweisungsobjekts auf die Fälle der Verweisungsvorschrift wird in diesem Fall ebenfalls durch die Verweisung ermöglicht. Siehe insoweit zu § 992 BGB in Kap. 2, § 5 II. 1. Ferner kann sich die konstitutive Wirkung der Verweisung auch daraus ergeben, dass dem von sich aus anwendbaren Tatbestand des Verweisungsobjekts unter bestimmten Voraussetzungen eine andere, zusätzliche Rechtsfolge zugewiesen wird. Siehe dazu insbes. § 823 Abs. 2 BGB (sogleich unter bb) (2)) und die §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu in Kap. 3, § 1 II. 2. b)).
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sungsvorschrift anzuwenden. Gleichzeitig führt die inkorporierende Wirkung zu einer Anpassungsautomatik, die bewirkt, dass sich bei einer Änderung des Verweisungsobjekts zugleich die Verweisungsvorschrift ändert, in die dessen Inhalt inkorporiert ist. Im öffentlichen Recht können durch die Inkorporation einer rangniederen Vorschrift in eine ranghöhere Kompetenzprobleme entstehen, wenn das Verweisungsobjekt vom zuständigen Gesetz- oder Normgeber geändert wird,34 da rangverschiedene Normen durch die Inkorporation des Verweisungsobjekts einheitlich den Rang der Verweisungsvorschrift erhalten.35 Für das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem rangverschiedene Normen eine eher untergeordnete Rolle spielen, hat die gleichzeitige Änderung von Verweisungsobjekt und -vorschrift in erster Linie Vorteile.36 Sie ermöglicht einen dauerhaften Gleichlauf einzelner Vorschriften des Gesetzes in den Fällen, in denen der Gesetzgeber gleiche Wertungen verankert wissen wollte, ohne dass bei jeder Änderung des Verweisungsobjekts gleichzeitig sämtliche hierauf verweisende Vorschriften geändert werden müssten. Dies ist vor allem relevant, wenn ein Verweisungsobjekt geändert wird, auf das häufig verwiesen wird, da es in dem Fall aufwändig wäre, jede einzelne Verweisungsvorschrift zu ändern. Die dogmatische Einordnung der Verweisung ist für das Zivilrecht dennoch insgesamt relevant, da sie Auswirkungen auf die Folgen einer Änderung des Verweisungsobjekts hat: Nur, wenn die inkorporierende Wirkung besteht, existiert auch die benannte Anpassungsautomatik. bb) Grundlage der Inkorporationstheorie Die Inkorporationstheorie knüpft an die Funktion der Verweisung als Mittel zur Vermeidung von Wiederholungen in Gesetzestexten an.37 Basisannahme dieser Theorie ist daher, dass bei einer Wiederholung des Verwei34 Daher bestehen verfassungsrechtliche Bedenken: Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 232 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 403 ff.; Sachs, NJW 1981, 1651 f.; Schenke, NJW 1980, 743 ff.; Schulz/Tischer, NVwZ 2014, 1049, 1050 f. 35 Zur Folge der Geltung beider Vorschriften im Rang der Verweisungsvorschrift BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, 285, 310; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 90 ff. (m. w. Nachw. in Fn. 413). Die Kompetenzprobleme führen zu Fragen der Vereinbarkeit der Verweisung mit dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip: Arndt, JuS 1979, 784, 785 f.; Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, Rn. 211. Siehe auch Stumpf, NVwZ 2003, 1198, 1199 sowie aus der jüngeren Rspr. BVerwG vom 26.3.2015 – 5 C 8.14, NVwZ‑RR 2015, 743, 746 (Rn. 24 ff.). 36 Die Problematik rangverschiedener Vorschriften existiert im BGB lediglich in Einzelfällen, da es kaum Verweise auf rangniedere Normen gibt. § 823 Abs. 2 BGB, der auf „Schutzgesetze“ verweist, ist ein solches Beispiel. Schutzgesetz idS kann eine Norm unterschiedlichen Rangs sein, solange sie den Voraussetzungen des § 2 EGBGB genügt. Siehe zu den Besonderheiten von § 823 Abs. 2 BGB sogleich unter bb) (2). 37 BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 78, 285, 312; Brugger, VerwArch. 78 (1978), S. 1, 4; Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 232; Jaeckel, SächsVBl. 2000, 205, 206; Söhn, Allgemeinverbindlicherklärung, S. 224 ff.
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Kapitel 1: Grundlagen
sungsobjekts innerhalb der verweisenden Norm eine komplexe Regelung entstünde, die sämtliche Voraussetzungen selbst enthielte. Bedient sich der Gesetzgeber stattdessen des Mittels der Verweisung und verzichtet auf die Wiederholung des Normtextes, muss die in Bezug genommene Regelung ebenso in die verweisende Norm integriert werden als wäre ihr Text dort wiedergegeben worden. Auf dieser Grundlage ist die Inkorporationstheorie überzeugend. Während bei Rechtsgrundverweisungen auch im Übrigen kein Anlass besteht, an der inkorporierenden Wirkung zu zweifeln, da sie auf die Geltung eines fremden Tatbestandes als Teil der eigenen Tatbestandsanordnung angewiesen sind, regt die Struktur von Rechtsfolgenverweisungen insoweit zum Nachdenken an. Letztere Verweisungen, deren eigene GrundRechtsfolge durch die in Bezug genommenen Regelungen modifiziert wird, geben Anlass, der Frage nachzugehen, ob durch eine Verweisung tatsächlich eine Inkorporation des Verweisungsobjekts in die Verweisungsnorm erfolgt. Alternativ könnten Rechtsfolgenverweisungen Verweisungsobjekte nicht inkorporieren, sondern deren Regelungen zur Ausgestaltung ihrer Rechtsfolgen lediglich an die von ihnen bereits vorgegebene Grund-Rechtsfolge anschließen (siehe dazu sogleich unter (1)). Ferner können Verweisungen auch andere Funktionen neben der Vermeidung von Wiederholungen haben. § 823 Abs. 2 BGB ist ein Beispiel einer solchen Verweisung. Durch deren Existenz und die damit verbundenen Besonderheiten könnte die Inkorporationstheorie möglicherweise ihr allgemeingültiges Fundament verlieren (siehe dazu anschließend unter (2)).38 (1) Besonderheiten bei Rechtsfolgenverweisungen Die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht geben neben ihrem Tatbestand ihre grundsätzliche Rechtsfolge, wie zum Beispiel die Herausgabepflicht, selbst vor: Die §§ 977 S. 1, 988, 993 Abs. 1 BGB verpflichten den Anspruchsgegner beispielsweise entsprechend zur Herausgabe. Die anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sind ihrer Struktur nach damit vergleichbar und geben ihre Rechtsfolge ebenfalls vor. Wenn nur einige dieser Verweisungen als Rechtsfolgenverweisungen anzusehen sind, handelt es sich hierbei um Vorschriften, die ihre Grund-Rechtsfolge vorgeben und sich zur näheren Konkretisierung auf ergänzende oder ausfüllende Regelungen beziehen, die den Anspruchsumfang näher bestimmen. Ob dies bei sämtlichen Rechtsfolgenverweisungen, das heißt insbesondere auch bei denen, die nicht auf das Bereicherungsrecht, sondern auf andere Bereiche des BGB verweisen, der Fall ist, bleibt der weiteren Untersuchung vorbehalten.
§ 3.
38 Zu
den möglichen Funktionen von Verweisungen siehe ausführl. in diesem Kap.
§ 1 Der Begriff der Verweisung
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Setzt man, wie in der Literatur vertreten,39 diese Prämisse zunächst einmal voraus, dient die Verweisung bei Rechtsfolgenverweisungen der näheren Regelung der grundsätzlich durch die Verweisungsvorschrift vorgegebenen Rechtsfolgen durch die in Bezug genommenen Verweisungsobjekte. Bei Letzteren kann es sich in diesen Fällen um Vorschriften handeln, die auch in ihrem originären Anwendungsbereich ausschließlich die Funktion haben, die Rechtsfolgen einer anderen Vorschrift zu konkretisieren. Dort werden sie nicht in die dazugehörigen Anspruchsgrundlagen inkorporiert, sondern an diese „angehängt“, sodass eine Normenkette entsteht. Eine derartige Vorgehensweise des „Anhängens“ der Rechtsfolge des Verweisungsobjekts an den Tatbestand der Verweisungsvorschrift wäre auch bei Rechtsfolgenverweisungen denkbar, erweist sich jedoch nicht als gesetzliche Realität, wie eine vergleichende Betrachtung von § 812 BGB und § 527 Abs. 1 BGB veranschaulicht. Bei Ansprüchen gemäß einer der Varianten, die § 812 BGB regelt, bestimmt sich die Rechtsfolge je nach Lage des Falls unter anderem oder ausschließlich nach § 818 BGB. Es entsteht eine Normenkette, die aus den §§ 812, 818 BGB als aneinander anknüpfende Vorschriften besteht. § 818 BGB ist dabei nicht Teil des § 812 BGB. Ersterer wird demnach auch nicht in § 812 BGB inkorporiert. § 818 BGB knüpft vielmehr selbst an die durch eine der zuvor geregelten Anspruchsgrundlagen begründete Herausgabepflicht an (§ 818 Abs. 1 BGB: „die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich […]“). Wie noch zu zeigen ist, verweist § 527 Abs. 1 BGB im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Bereicherungsrecht.40 Hinsichtlich der von ihm vorgegebenen Herausgabepflicht ist daher unter anderem auch § 818 BGB anwendbar. Darin gleichen sich § 527 Abs. 1 BGB und § 812 BGB. Ebenso wie bei § 812 BGB könnte § 818 BGB sich schlicht an § 527 Abs. 1 BGB anschließen und ohne eine Inkorporation eine Normenkette mit § 527 Abs. 1 BGB bilden. Da der Anwendungsbereich des § 818 BGB, der nicht in einem der allgemeinen Teile des BGB, sondern speziell im Bereicherungsrecht geregelt ist, auf bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche beschränkt ist, schließt sich dieser ohne weitere Anordnung allerdings nicht an § 527 Abs. 1 BGB an. Wie die Konzeption des § 527 Abs. 1 BGB zeigt, schließt dieser § 818 BGB ebenfalls nicht in einer Weise an sich selbst an, die eine Normkette entstehen ließe. Vielmehr wird § 818 BGB durch die Verweisung auf „die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung“ in § 527 Abs. 1 BGB inkorporiert. Nur weil § 818 BGB bei § 812 BGB genauso wirkt wie bei § 527 Abs. 1 BGB, bedeutet dies nicht automatisch, dass er nicht bei § 527 BGB inkorporiert sein kann und bei § 812 BGB dennoch 39
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Hassold, JR 1989, 358, 359. Zu § 527 BGB siehe ausführl. Kap. 2, § 2 II. 9.
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ausgelagert ist. Es handelt sich insoweit um eine gesetzgeberische Entscheidung, die Modalitäten der Rechtsfolge durch die Verwendung einer Verweisung automatisch in § 527 Abs. 1 BGB direkt zu regeln. Alternativ hätte er auch einen § 527a BGB mit einem entsprechenden Verweis schaffen können. In diesem Fall wäre die Situation mit der des § 812 BGB insoweit identisch, als die Rechtsfolgen nicht in der anspruchsbegründenden Vorschrift, sondern in einer sich anschließenden geregelt wären. § 527a BGB hätte sich an § 527 Abs. 1 BGB angeschlossen wie § 818 BGB an § 812 BGB. Ebenso gut hätte der Gesetzgeber die Modalitäten der Herausgabepflicht anstatt in § 818 BGB in § 812 BGB unmittelbar regeln und so quasi eine Inkorporation bewirken können. Die Verweisung auf § 818 BGB in einem fiktiven § 527a BGB würde freilich nicht dazu führen, dass überhaupt keine Inkorporation stattfindet. Vielmehr würde der Inhalt des § 818 BGB in diese fiktive Verweisungsvorschrift inkorporiert. Wollte man die Inkorporation gänzlich vermeiden, wäre eine Wiederholung des Normtextes unausweichlich. Damit entfiele zugleich die Verweisung. Daran zeigt sich, dass die inkorporierende Wirkung einer konstitutiven Verweisung unabhängig davon immanent ist, ob es sich um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt. (2) Besonderheiten des § 823 Abs. 2 BGB als Beispiel einer Pauschalverweisung § 823 Abs. 2 BGB enthält mit seiner Voraussetzung „Verletzung eines Schutzgesetzes“ eine Bezugnahme auf solche Gesetze, die nach seinen Vorgaben als derartige Gesetze anzusehen sind. Er nimmt dadurch nicht eindeutig auf eine Vorschrift oder einen abschließenden Vorschriftenkomplex, sondern auf eine unbestimmte Art und Anzahl von Vorschriften Bezug. Diese Art der Verweisung wird in der Literatur unter anderem als Pauschalverweisung bezeichnet.41 Die Verweisung dient in § 823 Abs. 2 BGB nicht schlicht der Vermeidung einer Wiederholung, sondern soll sicherstellen, dass in Fällen, die § 823 BGB nicht selbst regelt, in denen der Gesetzgeber aber ein gewisses Schutzniveau gewährleistet wissen möchte, eine deliktsrechtliche Haftung besteht.42 § 823 Abs. 2 BGB versieht dafür solche Vorschriften mit einem Schadensersatzanspruch, die außerdeliktisch Ge- und Verbote statuieren.43 Ob § 823 41 Peters, JZ 1983, 913, 924 f. Neben § 823 Abs. 2 BGB enthält z. B. § 134 BGB eine derartige Verweisung. Krit. zum hierzu alternativen Begriff der Blankettverweisung Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 62 (siehe aber dort S. 77 f. für das Strafrecht). 42 Siehe Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 60 f. und ähnl. auch Karollus, Schutzgesetzverletzung, S. 145 ff. 43 Soergel/Spickhoff, BGB, § 823 Rn. 181. Siehe auch Deutsch, VersR 2004, 137, 138, 142; Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. G 3.
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Abs. 2 BGB in erster Linie eine Ergänzungs- oder Konkretisierungsfunktion hinsichtlich der in den §§ 823 Abs. 1, 826 BGB bestimmten Haftung oder eine Öffnungsfunktion hinsichtlich außerzivilrechtlicher Wertungen hat, ist umstritten.44 Dieser Streit betrifft namentlich die Stellung des § 823 Abs. 2 BGB im System der deliktsrechtlichen Haftung. Er wirkt sich nicht auf die Funktion der Verweisung in dieser Vorschrift, sondern lediglich auf den Prüfungsumfang aus. Die Verweisung nimmt auf Schutzgesetze Bezug, um deren Verletzung zivilrechtlich ahnden zu können. Die Inkorporationstheorie beruht jedoch im Wesentlichen auf der Intention einer Verweisung, Wiederholungen zu vermeiden.45 § 823 Abs. 2 BGB ist als dynamische Verweisung46 darauf ausgerichtet, an sämtliche – auch zukünftige – Gesetze, die den Charakter eines sogenannten „Schutzgesetzes“ haben, eine Schadensersatzpflicht anzuknüpfen. Der Verweis dient dabei nicht in dem Sinne der Vermeidung einer Wiederholung wie zum Beispiel § 527 Abs. 1 BGB für das Bereicherungsrecht. § 823 Abs. 2 BGB verweist auf eine unbestimmte Anzahl von Vorschriften, von denen im Einzelfall jeweils eine im Rahmen des Tatbestands dieser Regelung zur Anwendung gelangen kann. Ohne die Verweisung wäre dies nur möglich, wenn maßgebliche Schutzgesetze in § 823 Abs. 2 BGB genannt wären. Die Wiedergabe des Normtextes der einzelnen Schutzgesetze in § 823 Abs. 2 BGB ist jedoch aufgrund der Vielfalt der als Schutzgesetze in Betracht kommenden Vorschriften und der damit einhergehenden Änderungsanfälligkeit aus technischen Gründen kaum möglich.47 Ohne die Verweisung wäre eine Wiederholung aber erforderlich, da der Normtext des § 823 Abs. 2 BGB andernfalls nicht lesbar wäre. Die Verweisung vermeidet daher in gewisser Weise ebenfalls eine Wiederholung. Es gibt somit keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Intention, die dieser Verweisung zugrunde liegt, eine Anwendung der Inkorporationstheorie verbietet. Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB können sämtliche Rechtsnormen (Art. 2 EGBGB) sein. Dies sind neben förmlichen Parlamentsgesetzen beispielsweise auch Rechtsverordnungen oder Satzungen.48 Die inkorporierende Wirkung der Verweisung in § 823 Abs. 2 BGB bedeutete, dass der Inhalt der Schutzgesetze, die sich in der Normhierarchie unterhalb des 44 Siehe dazu Canaris, FS Larenz, S. 27, 48 f.; Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 59 ff.; Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. G 1 ff. 45 Siehe dazu soeben einleitend unter bb). 46 Dazu Peters, JZ 1983, 913, 917; Soergel/Spickhoff, BGB, § 823 Rn. 192. 47 Peters, JZ 1983, 913, 917 sieht auch eine kaum zu überblickende Vielzahl möglicher Schutzgesetze, fordert aber dennoch eine Wiedergabe der Schutzgesetze in § 823 Abs. 2 BGB (S. 923, 926). Zur Funktion der Verweisung in derartigen Fällen Karpen, Die Verweisung, S. 15. 48 Für alle MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 479 m. w. Nachw.; Peters, JZ 1983, 913; Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. G 10 ff.
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formellen Parlamentsrechts befinden, in den Rang des § 823 Abs. 2 BGB erhoben wird. Dadurch können in ähnlicher Weise wie aus Sicht des öffentlichen Rechts Bedenken gegen die inkorporierende Wirkung der Verweisung entstehen. Im öffentlichen Recht wird nicht nur unter Gesichtspunkten des Rechtsstaats- oder Demokratieprinzips über die inkorporierende Wirkung diskutiert49, sondern werden auch Ausnahmen dieser Wirkung zur Erhaltung eines, von der Art und Weise ihrer Geltung unabhängigen, einheitlichen Schutzniveaus ranggleicher Normen gefordert. Dieses sei gefährdet, wenn Vorschriften in einen höheren Rang befördert werden und auf dieser Ebene nicht mehr anhand derselben Vorschriften überprüft werden könnten, wie es in ihrem originären Geltungsbereich der Fall ist.50 Die zivilrechtliche Literatur zu § 823 Abs. 2 BGB geht davon aus, diese Regelung „transponiere“ das jeweilige Schutzgesetz in das Zivilrecht, um auf diese Weise die zivilrechtliche Haftung zu begründen.51 Ein derartiges Verständnis stützt die Inkorporationstheorie aus zivilrechtlicher Sicht. Der Haftung liegt zwar durchaus die Schutzgesetzverletzung und mit ihr gegebenenfalls eine außerzivilrechtliche Wertung zugrunde, die Entscheidung über das Entstehen des Schadensersatzanspruchs als Folge dieser Verletzung trifft aber allein das BGB.52 Im Rahmen der Prüfung des Schutzgesetzes gelten die Maßstäbe, die für eine Verletzung in dem Rechtsbereich maßgeblich sind, dem das jeweilige Schutzgesetz entstammt.53 § 823 Abs. 2 BGB knüpft darüber hinaus eine Schadensersatzpflicht an die Verletzung dieser Vorschrift. Der Verletzung des Schutzgesetzes wird dadurch neben seiner eigenen Rechtsfolge eine weitere Rechtsfolge zugewiesen,54 die allerdings neben der Schutzgesetzverletzung gemäß § 823 Abs. 2 BGB noch an einige weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Der Anspruch ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB, in dessen Rahmen inzident die Verletzung eines Schutzgesetzes zu prüfen ist. Dessen materieller Gehalt wird demnach durch die Verweisung in den Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB inkorporiert. Dies stützt die Inkorporationstheorie.
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Karpen, Die Verweisung, S. 101 ff. Haratsch, EuR 2000, 42, 44 ff. Siehe dazu den Lösungsvorschlag von Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 93. 51 MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 480; Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. G 31. Deutsch, VersR 2004, 137, 138 spricht von einer „Transformationsfunktion“. Ähnl. Taupitz, FS Steffen, S. 489, 495. 52 Peters, JZ 1983, 913, 918 (der Gesetzgeber des BGB ordne die Schadensersatzpflicht an); Taupitz, FS Steffen, S. 489, 495. 53 Die Reichweite der Verweisung ist allerdings im Einzelnen umstritten. Siehe dazu die Darstellung bei Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 187 ff. Zu den Grenzen des Prüfungsumfangs hinsichtlich des Schutzgesetzes Dörner, JuS 1987, 522, 525 ff. 54 Siehe dazu Dörner, JuS 1987, 522, 523; Taupitz, FS Steffen, S. 489, 495. 50
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b) Geltungserweiterung In Einzelfällen wird zudem angenommen, Verweisungen hätten keine inkorporierende, sondern eine geltungserweiternde Wirkung.55 Das Verweisungsobjekt werde in diesen Fällen ausnahmsweise nicht in die Verweisungsvorschrift integriert. Die Verweisung führe lediglich dazu, dass der eigentliche Geltungsbereich des Verweisungsobjekts ausgedehnt werde.56 Eine derartige Interpretation von Verweisungen sei indes nur gelegentlich angezeigt, namentlich, wenn dies zur Sicherung eines „effektiven und einheitlichen Grundrechtsschutzes“ erforderlich sei.57 Grundsätzlich sei hingegen von einer inkorporierenden Wirkung von Verweisungen auszugehen, da die Integration des Verweisungsobjekts in die Verweisungsvorschrift auf dem Willen des Normgebers (der Verweisungsvorschrift) beruhe. In diesen Fällen bewirke die Verweisung keine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Verweisungsobjekts.58 Die Frage, ob zur Sicherung eines effektiven Grundrechtsschutzes ausnahmsweise eine geltungserweiternde anstelle einer inkorporierenden Wirkung einer Verweisung anzuerkennen ist, spielt für das Zivilrecht seltener eine Rolle, da nur dann anzunehmen sein dürfte, dass eine derartige Interpretation grundrechtlich geboten ist, wenn eine Verweisung sich auf eine rangverschiedene Vorschrift bezieht. Nur in diesen Fällen wird das Verweisungsobjekt auf der Grundlage der Inkorporationstheorie in einen anderen Rang verschoben. Es existiert dann auf zwei Ebenen – auf der, die seinen originären Anwendungsbereich betrifft, und auf der rechtlichen Ebene der Verweisungsvorschrift. Auf beiden Ebenen kann eine inhaltliche Überprüfung des Verweisungsobjekts erfolgen, wobei regelmäßig unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe gelten. Bei Binnenverweisungen, die der Gesetzgeber des BGB überwiegend verwendet, kann diese Problematik aufgrund der Gleichrangigkeit von Verweisungsvorschrift und -objekt nicht entstehen. Eine Auseinandersetzung mit diesem Ansatz erscheint dennoch angezeigt, da ihm die Annahme zugrunde liegt, eine Inkorporation eines Verweisungsobjekts bewirke nicht zugleich dessen Geltungserweiterung.59 Die Richtigkeit dieser These unterstellt, könnte die geltungserweiternde Wirkung einer Verweisung kein Kennzeichen des materiellen Verweisungs55
Haratsch, EuR 2000, 42, 45 ff.; Jaeckel, Sächs.VBl. 2000, 205, 206. Wenn auch so nicht bezeichnet, dann doch faktisch ebenso BayVerfGH vom 13.12.1995 – Vf. 17-V-92, NVwZ 1997, 56, 57. 56 Nach einem älteren Ansatz in der Literatur ist der Verweisungsbegriff grundsätzlich mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Verweisungsobjekts zu definieren: Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 167. 57 Haratsch, EuR 2000, 42, 46 ff. 58 Haratsch, EuR 2000, 42, 46; Jaeckel, SächsVBl. 2000, 205, 206. 59 Haratsch, EuR 2000, 42, 46; Jaeckel, SächsVBl. 2000, 205, 206.
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begriffs sein, es sei denn, die Inkorporationstheorie wäre grundsätzlich abzulehnen. c) Alternative Konzepte oder partieller Gleichlauf Die Gegenüberstellung von Geltungserweiterung und Inkorporation erscheint aufgrund der tatsächlichen Folgen, die eine Verweisung nach sich zieht, zweifelhaft. Es spricht mehr dafür, dass eine Verweisung im materiellen Sinne neben einer Inkorporation faktisch stets zugleich eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Verweisungsobjekts bewirkt.60 Gerade dadurch, dass das Verweisungsobjekt Bestandteil der Verweisungsvorschrift wird, findet es auf einen anderen als den von ihm selbst vorgesehenen Geltungsbereich Anwendung – wenn auch über den „Umweg“ über die Verweisungsvorschrift.61 Dadurch sind Regelungen oder Regelungsbereiche auf Sachverhalte anwendbar, für die sie ohne die Geltungsanordnung der Verweisungsvorschrift unbeachtlich wären. Der tatbestandliche Anwendungsbereich des Verweisungsobjekts wird erweitert. Eine derartige Geltungserweiterung kann jedoch auch darin liegen, dass die Verweisungsvorschrift auf ein Verweisungsobjekt Bezug nimmt, um an dessen Tatbestand eine andere Rechtsfolge zu knüpfen.62 Wenn § 823 Abs. 2 BGB beispielsweise die Verletzung eines Schutzgesetzes voraussetzt, ist tatbestandlich die Verletzung des maßgeblichen Gesetzes nach dessen Grundsätzen zu prüfen. Dies entspricht zunächst dem originären Anwendungsbereich des Schutzgesetzes, der insofern im Rahmen der Verweisungsvorschrift beibehalten wird. Die Verweisung weist diesem Tatbestand jedoch – gegebenenfalls unter zusätzlichen Voraussetzungen (z. B. bei § 823 Abs. 2 BGB) – eine andere Rechtsfolge zu. Dadurch wird der Geltungsbereich des Verweisungsobjekts ebenfalls ausgedehnt, da seinem Tatbestand neben dessen eigener Rechtsfolge eine weitere Rechtsfolge zugeordnet wird, die er von sich aus, das heißt ohne die Verweisung, nicht auslösen könnte.63 Der originäre tatbestandliche Anwendungsbereich des Verweisungsobjekts bleibt durch die Verweisung zwar unverändert, faktisch finden seine Regelungen jedoch über dessen Grenzen hinaus Anwendung. Bewirkte die Verweisung eine „schlichte“ Geltungserweiterung, wie es in Ausnahme60 A. A. Haratsch, EuR 2000, 42, 46; Jaeckel, SächsVBl. 2000, 205, 206. Anders aber wohl zuvor Haratsch, ZG 1999, 346, 348, wenn er davon spricht, dass ein Verweisungsobjekt durch die Verweisung Sachverhalte erfasst, die „ursprünglich nicht in seinem Anwendungsbereich lagen“. 61 Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 4; Karpen, Die Verweisung, S. 30; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 167; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 22; so auch noch Haratsch, ZG 1999, 346, 348. 62 Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 22. 63 Siehe diesbezüglich zu § 823 Abs. 2 BGB Dörner, JuS 1987, 522, 523; Peters, JZ 1983, 913, 919.
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fällen gefordert wird, führte diese ebenfalls nicht dazu, dass sich der originäre Anwendungsbereich des Verweisungsobjekts änderte. Die schlichte Geltungserweiterung muss vielmehr ebenfalls auf einem irgendwie gearteten externen Geltungsbefehl basieren. Der Anwendungsbereich des Verweisungsobjekts erweitert sich nicht per se, sondern nur für die von der Verweisungsvorschrift abschließend vorgesehenen Fälle. Wenn die Verweisungsvorschrift wegfiele, entfiele dadurch automatisch die geltungserweiternde Anwendung des Verweisungsobjekts. Die schlicht geltungserweiternde Wirkung einer Verweisung beschreibt demnach dasselbe Phänomen, das auch bei Annahme einer inkorporierenden Wirkung auftritt. Letztere wird lediglich für die Fälle der schlichten Geltungserweiterung geleugnet. Im Hinblick auf die geltungserweiternde Wirkung ist zwischen diesen beiden Ansätzen dagegen im Ergebnis kein Unterschied ersichtlich. Die faktische Wirkung der Verweisung ist vielmehr insoweit identisch als sie die Ausdehnung der Anwendbarkeit des Verweisungsobjekts zur Folge hat. Die geltungserweiternde Wirkung des Verweisungsobjekts im Anwendungsbereich der Verweisungsvorschrift wohnt einer Verweisung im materiellen Sinn mithin stets inne. Es handelt sich hierbei um eine rein faktische Wirkung, die auch im Fall einer Inkorporation tatsächlich existiert. Sie eignet sich mithin als Definitionselement für den materiellen Verweisungsbegriff. d) Ausschließlichkeit der Geltungserweiterung Eine davon zu trennende Frage ist, ob es bei Anerkennung der geltungserweiternden Wirkung einer Verweisung überhaupt eines Rückgriffs auf die Inkorporationstheorie bedarf oder ob Verweisungen nicht grundsätzlich ausschließlich geltungserweiternden Charakter haben. Das Verweisungsobjekt käme in dem Fall aufgrund des externen Geltungsbefehls in der Verweisungsvorschrift zur Anwendung, ohne dass es in die Verweisungsvorschrift inkorporiert würde. Die Vertreter einer geltungserweiternden Wirkung von Verweisungen befürworten indes grundsätzlich ebenfalls die Inkorporationstheorie. Sie verweisen hierzu auf den Willen des Gesetzgebers der Verweisungsvorschrift und die in dieser enthaltene Geltungsanordnung.64 Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Verweisungsvorschriften ohne ein inkorporiertes Verweisungsobjekt lediglich noch eine inhaltsleere Hülle darstellten. Dadurch seien sie praktisch nicht mehr handhabbar.65
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Haratsch, EuR 2000, 42, 46; Jaeckel, Sächs.VBl. 2000, 205, 206. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 85; Söhn, Allgemeinverbindlicherklärung, S. 226. 65
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Zudem steht unter den Funktionen von Verweisungen diejenige im Vordergrund, nach der durch die Verweisung Wiederholungen vermieden werden sollen.66 Bei einer Wiederholung des Textes des Verweisungsobjekts in der Verweisungsvorschrift würde dieser unzweifelhaft zum Bestandteil Letzterer. Wenn die Verweisung die Wiederholung lediglich ersetzt, ist konsequenterweise anzunehmen, dass auch der Inhalt des Verweisungsobjekts zum Bestandteil der Verweisungsvorschrift und mithin in diese inkorporiert wird. Die Inkorporation entspricht somit insgesamt der Konzeption einer Verweisung. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für eine grundsätzliche Ablehnung dieser Wirkung sprechen. Wenn die Inkorporationstheorie in Einzelfällen Probleme hervorrufen sollte, müssen entweder partiell Modifikationen vorgenommen67 oder die Zulässigkeit bestimmter Verweisungen punktuell abgelehnt werden.68 3. Fazit zur inkorporierenden und geltungserweiternden Wirkung materieller Verweisungen Verweisungen im materiellen Sinn haben grundsätzlich inkorporierende Wirkung. Gleichzeitig dehnen sie durch die Inbezugnahme des Verweisungsobjekts dessen eigentlichen Geltungsbereich aus. Beides kennzeichnet die Verweisung und eignet sich somit insgesamt als Teil der Definition des materiellen Verweisungsbegriffs. Dieser Begriff basiert auf der Wirkung, die bestimmte Verweisungen auf das Verweisungsobjekt haben. 4. Ermächtigungswirkung als Charakteristikum Teilweise wird in Verweisungen eine Ermächtigung des Normgebers des Verweisungsobjekts gesehen, durch Änderung des Verweisungsobjekts gleichzeitig die Verweisungsvorschrift zu ändern.69 Wenn diese These zutrifft, könnte die Eigenschaft als Ermächtigung ebenfalls ein besonderes, begriffsbestimmendes Merkmal des materiellen Verweisungsbegriffs darstellen. 66 Siehe dazu schon oben unter a) bb). 67 So gerade die Vorschläge Haratschs
und Jaeckels (Haratsch, EuR 2000, 42, 45 ff.; Jaeckel, SächsVBl. 2000, 205, 206 ff.). 68 So für eine Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen in bestimmten Fällen Arndt, JuS 1979, 784, 787; Ehlers, DVBl. 1977, 693, 694 f.; Karpen, Die Verweisung, S. 181 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 402 ff., 408; Schenke, NJW 1980, 743, 746 ff. (der allerdings nach Verweisungsobjekten differenziert). Im Einzelfall hat auch das BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 78, 285, 311 ff. so entschieden. 69 Jansen, DÖV 1979, 332, 333; Sachs, NJW 1981, 1651, 1652; ähnl. Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 403 f. Für Verweisungen auf Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften auch Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 233. Schenke, NJW 1980, 743, 745 sieht zwar einen Unterschied nimmt aber eine Austauschbarkeit von Ermächtigung und dynamischer Verweisung an.
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Der Ansatz entstammt – ähnlich wie die Inkorporationstheorie – dem öffentlichen Recht, da ihm Fälle zugrunde liegen, in denen eine ranghöhere Vorschrift in dynamischer Weise auf eine rangniedere Vorschrift verweist. Für das BGB mit seinen hauptsächlich auf gleichrangige Normen bezogenen Verweisungen erscheint die Frage der Ermächtigung unbedeutend, da das Verweisungsobjekt regelmäßig vom gleichen Gesetzgeber erlassen wurde wie die Verweisungsvorschrift selbst. Die Existenz von Verweisungen innerhalb gleichrangiger Vorschriften spricht daher schon gegen die Annahme, eine Verweisung im materiellen Sinn habe stets (zugleich) den Charakter einer Rechtssetzungs- oder Rechtsänderungsermächtigung, da eine Ermächtigung in diesen Fällen ins Leere liefe und demnach kaum kennzeichnendes Merkmal einer solchen Verweisung sein kann. Darüber hinaus sprechen grundsätzlich gewichtige Argumente gegen die Annahme eines zwingend ermächtigenden Charakters einer Verweisung.70 Anders als bei einer Ermächtigung erlässt der Gesetzgeber die Verweisung nicht von Vornherein mit einem Auftrag. Während eine Ermächtigung einen aktiven Auftrag an den anderen – den ermächtigten – Gesetzgeber oder an die Exekutive statuiert, will der verweisende Gesetzgeber die fragliche Vorschrift so angewendet wissen, wie sie zum Zeitpunkt der Schaffung der Verweisung ist. Der Gesetzgeber kann zumindest zum Zeitpunkt des Erlasses der verweisenden Vorschrift den Umfang der Verweisung vollständig überblicken.71 Bei einer Ermächtigung kann und muss er zwar durch die Ermächtigungsgrundlage einen Rahmen für die neu zu schaffende Regelung stecken, die genaue Ausgestaltung überlässt er jedoch, soweit zulässig, dem ermächtigten Organ.72 Er kennt die Einzelheiten der erlassenen Regelungen von Beginn an jedenfalls nicht im Detail. Eine Ermächtigung besteht darin, einem anderen Normgeber einen Bereich zu eröffnen, in dem er eigenständig Regelungen schaffen kann, die einen Rechtscharakter haben, den er auch zu schaffen berechtigt ist.73 Der Normgeber wird hingegen nicht berechtigt, Vorschriften in einem solchen Rang zu erschaffen, wie es eigentlich dem Ermächtigenden vorbehalten ist. Die Exekutive kann beispielsweise nicht zum Erlass einer im Rang eines Bundesgesetzes stehenden Vorschrift ermächtigt werden. Durch die Er70 Siehe dazu ausführl. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 86 ff.; Karpen, Die Verweisung, S. 106 ff. 71 Eine Ausnahme hiervon besteht bei Pauschalverweisungen, bei denen es dem Gesetzgeber gerade darauf ankommt, auch solche Vorschriften zu erfassen, die er (noch) nicht vor Augen hat. Siehe zu § 823 Abs. 2 BGB als einem solchen Bsp. vorstehend unter 2. a) bb) (2). 72 Siehe zu den Grenzen und Freiräumen des Ermächtigten für den konkreten Anwendungsfall von Rechtsverordnungen BeckOK GG/Uhle, Art. 80 Rn. 29 ff.; Maunz/ Dürig/Remmert, GG, Art. 80 Rn. 119, 144. 73 Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 5.
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mächtigung schafft der Ermächtigende dem Ermächtigten daher eine autonome Regelungsmacht innerhalb der eigenen Befugnisse. Wenn durch eine Verweisung dem Normgeber des Verweisungsobjekts durch dessen Änderung die Möglichkeit eröffnet wird, Einfluss auf den Inhalt der Verweisungsvorschrift zu nehmen, dann handelt es sich dabei um eine Rechtsetzungsmacht außerhalb seiner eigenen Befugnisse. Dies sieht das Grundgesetz nicht vor. Andere Formen der Ermächtigung, wie zum Beispiel die Zuweisung der grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenz an die Länder (Art. 70 Abs. 1 GG) oder die Möglichkeit, die Exekutive zu ermächtigen, Rechtsverordnungen zu erlassen (Art. 80 Abs. 1 GG), kennt das GG hingegen durchaus. Für das Zivilrecht ist die Suche nach einer Möglichkeit, einen „untergesetzlichen“ Normgeber zum Erlass eines Bundesgesetzes zu ermächtigen, indes vergebens.74 Ferner unterscheiden sich die „echte“ Ermächtigung und die Verweisung schon dadurch, dass im Fall der Ermächtigung der andere Normgeber eine neue Rechtsgrundlage schafft oder eine bestehende modifiziert, während der Normgeber des Verweisungsobjekts im Fall einer Verweisung primär dieses ändert und damit zugleich die Änderung der Verweisungsvorschrift bewirkt. Dadurch ändern sich zwei verschiedene Vorschriften gleichzeitig. Dieser Änderungsmechanismus führt zu einer Unterscheidung in der Reaktion des Gesetzgebers, wenn er entweder an einer Verweisung oder an einer Ermächtigung nicht mehr länger festhalten möchte. Wenn sich ein Verweisungsobjekt ändert, muss der Gesetzgeber der Verweisungsvorschrift dem Grunde nach stets neu überlegen, ob er diese Rechtslage für die Verweisungsvorschrift akzeptieren oder Letztere seinerseits ändern will. Erst wenn er sich gegen eine Änderung entscheidet, steht endgültig fest, dass der Inhalt der Verweisungsvorschrift sich dauerhaft wandelt. Dann steht gerade die bewusste Entscheidung der Nichtänderung dahinter. Die Änderungsmöglichkeit – die sogenannte „Rückholbefugnis“ – sichert dem Gesetzgeber der Verweisungsvorschrift die letztendliche Kontrolle über ihren Inhalt.75 Gleichzeitig bleibt das Verweisungsobjekt in seinem originären Anwendungsbereich unberührt. In dieser Rückholbefugnis liegt ein wesentlicher Unterschied der Verweisung zur Ermächtigung.76 Wenn der Gesetzgeber eine Vorschrift ändern möchte, die ein von ihm Ermächtigter im Rahmen seiner Befugnisse erlassen hat, greift er damit in die Kom74
Sachs, NJW 1981, 1651, 1652. Münster vom 1.2.1996 – 13 B 3388/95, NWVBl. 1996, 307, 309. Siehe auch Schulz/Tischer, NVwZ 2014, 1049, 1050. Vgl. i. Ü. die Empfehlung des BMJV für das Formulieren von Rechtsvorschriften, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 224. 76 A. A. wegen der zumindest vorübergehend bestehenden Änderungsmöglichkeit Haratsch, EuR 2000, 42, 49; Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 403 f.; Schenke, NJW 1980, 743, 745. 75 OVG
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petenz eines anderen Normgebers ein. Im Fall einer Änderung einer durch die Exekutive erlassenen Rechtsverordnung ist beispielsweise umstritten, in welcher Form dem Gesetzgeber Änderungsbefugnisse zustehen.77 Er muss hierfür entweder eine Vorschrift ändern, die er selbst ihrem Rechtscharakter nach nicht schaffen könnte, wenn ihm die Möglichkeit einer Änderung der Rechtsverordnung selbst gewährt wird.78 Andernfalls muss er durch Schaffung eines neuen förmlichen Gesetzes eine Vorschrift erlassen, die aufgrund ihres höheren Rangs der Rechtsverordnung vorgeht.79 Es ist jedenfalls nicht ausreichend, lediglich die Ermächtigungsgrundlage abzuschaffen oder zu ändern, da die einmal auf der Grundlage der Ermächtigung wirksam erlassenen Rechtsverordnungen auch bei nachträglicher Änderung oder Aufhebung der Ermächtigungsgrundlage wirksam bleiben.80 Die Diskussion um die Befugnisse des Gesetzgebers in derartigen Situationen zeigt schon den Unterschied zu Verweisungen, bei denen sich diese Fragen nicht stellen. Hierbei ergeben sich rein praktisch allenfalls Probleme, wenn der Gesetzgeber die ihm grundsätzlich zustehenden Änderungsmöglichkeiten nicht wahrnimmt. So wird ihm unter anderem vorgeworfen, Rechtsentwicklungen der Verweisungsobjekte nicht zu beobachten.81 Ob der Gesetzgeber insoweit sorgfältig handelt oder nicht, ist indes zunächst reine Spekulation, da dies kaum nachprüfbar ist. Selbst wenn er diese Beobachtungen jedoch tatsächlich unterlassen sollte, liegt hierin ein Versäumnis seinerseits, das seine grundsätzliche Letztentscheidungsbefugnis unberührt lässt.82 Schlimmstenfalls kann ein Übergangszeitraum entstehen, in dem das Verweisungsobjekt bereits geändert, der Gesetzgeber der Verwei77
Siehe zu dieser Streitfrage ausführl. BeckOK GG/Uhle, Art. 80 Rn. 47 ff. vom 27.9.2005 – 2 BvL 11/02 u. a., NVwZ 2006, 322, 323; BVerfG vom 13.9.2005 – 2 BvF 2/03, NVwZ 2006, 191, 195 ff. 79 BeckOK GG/Uhle, Art. 80 Rn. 48 f.; Maunz/Dürig/Remmert, GG, Art. 80 Rn. 52 ff., 136. 80 Für die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG vom 10.5.1988 – 1 BvR 482/84, 1166/85, BVerfGE 78, 179, 198; BVerfG vom 27.7.1971 – 2 BvL 9/70, BVerfGE 31, 357, 362 f.; BVerfG vom 25.7.1962 – 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245, 249; BVerfG vom 16.5.1961 – 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341, 346 f.; BVerfG vom 3.12.1958 – 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, 12. Auf der Grundlage dieser Rspr. auch Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 89. 81 VG Hamburg vom 17.5.1978 – VIII VG 281/78, NJW 1979, 667, 668, dem das OVG Hamburg in der Rechtsmittelinstanz nicht gefolgt ist (OVG Hamburg vom 8.7.1980 – Bf. III 92/78, NJW 1980, 2830 ff.); Arndt, JuS 1979, 784, 785 allerdings im Zshg. mit der Inkorporationswirkung einer Verweisung. 82 Auf seine Letztentscheidungsbefugnis bei dynamischen Verweisungen und eine hierfür erforderliche Beobachtung verweist den Gesetzgeber auch das BVerwG (BVerwG vom 26.3.2015 – 5 C 8.14, NVwZ‑RR 2015, 743, 746). Das BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 224 empfiehlt ebenfalls eine Beobachtung durch den Verweisungsgesetzgeber. 78 BVerfG
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sungsvorschrift allerdings noch nicht tätig geworden ist.83 Auch insoweit ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Zeitraum so kurz wie möglich zu halten, wenn er die Änderung für die Verweisungsvorschrift nicht übernommen wissen möchte. Verweisungen haben daher aus verschiedenen Gründen nicht automatisch den Charakter einer Ermächtigung. Hierin liegt somit auch kein begriffsbestimmendes Merkmal von Verweisungen im materiellen Sinn.
III. Fazit zur Begriffsbestimmung Verweisungsvorschriften sind Vorschriften, die in irgendeiner Weise auf andere Normen Bezug nehmen, ohne die in Bezug genommene Vorschrift wörtlich wiederzugeben. So definiert handelt es sich um einen formellen Verweisungsbegriff, der die Rechtswirkungen, die Verweisungen mitunter entfalten, nicht berücksichtigt. Einschränkend ist unter einer Verweisung im materiellen Sinn eine Bezugnahme auf eine andere Vorschrift zu verstehen, durch die der materielle Gehalt des Verweisungsobjekts zum Bestandteil der Verweisungsvorschrift und infolgedessen der Anwendungsbereich des jeweiligen Verweisungsobjekts ausgedehnt wird.
§ 2 Die verschiedenen Verweisungsarten Die verschiedenen Arten von Verweisungen, die unser Rechtssystem kennt, wurden in unterschiedlichen Untersuchungen bereits mehrfach systematisiert und kategorisiert.84 Die für den weiteren Verlauf der Arbeit relevanten Verweisungsarten sollen auf dieser Grundlage zunächst aufgearbeitet werden, um der Arbeit insgesamt eine einheitliche Begrifflichkeit zugrunde zu legen. Einige Differenzierungsmöglichkeiten, die aus öffentlich-rechtlicher Perspektive vorgenommen werden, spielen für das Zivilrecht keine oder nur eine untergeordnete Rolle – wie beispielsweise eine Unterscheidung nach dem Verhältnis verschiedener Normgeber85 –, da die Probleme, die im öffentlichen Recht durch Verweisungen auf Normen unterschiedlichen Rangs und von unterschiedlichen Normgebern entstehen, für das Zivilrecht kaum bedeutsam sind. Verweisungsvorschriften lassen sich auf verschiedenen Ebenen kategorisieren. Dazu werden im Folgenden unterschiedliche Begriffspaare gegenübergestellt und voneinander abgegrenzt (im Folgenden 83 Auf das Risiko einer dann u. U. unklaren Rechtslage weist Guckelberger, ZG 2004, 63, 66 hin. 84 Siehe nur Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 49 ff.; Guckelberger, ZG 2004, 62, 63 ff.; Karpen, Die Verweisung, S. 19 ff.; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 168 ff. 85 Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 58 f.
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unter I.–V.). Abschließend wird der gebräuchliche Begriff der Verweisungsanalogie genauer betrachtet (siehe unter VI.).
I. Stillschweigende und ausdrückliche Verweisungen Eine Verweisung kann sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend erfolgen. Eine stillschweigende Verweisung liegt vor, wenn das Gesetz nicht explizit, sondern in anderer Weise auf die Geltung einer anderen Vorschrift hinweist.86 Dies geschieht regelmäßig, indem eine Vorschrift einen bestimmten Begriff verwendet, der zur Anwendung einer anderen Vorschrift führt. Gängige Verweisungsobjekte sind dabei Vorschriften, die Legaldefinitionen enthalten. Auf sie wird stillschweigend verwiesen, wenn die verweisende Vorschrift den im Verweisungsobjekt legaldefinierten Begriff verwendet.87 Auch auf andere Vorschriften als Definitionsnormen kann in ähnlicher Weise – das heißt insbesondere durch das Verwenden bestimmter Begriffe – stillschweigend verwiesen werden. Stillschweigende Verweisungen auf Definitionsnormen haben in der Regel keinen konstitutiven Charakter, da die Definitionsvorschriften meist ausschließlich dazu dienen, andere Vorschriften auszufüllen, für sich genommen aber keinen eigenständigen Regelungsgehalt haben,88 der über seinen originären Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt werden könnte. Dies betrifft namentlich Legaldefinitionen, die ausschließlich einen bestimmten Begriff konkret definieren, wie zum Beispiel § 90 BGB, und die im Allgemeinen Teil des BGB oder einem der allgemeinen Teile der einzelnen Bücher des BGB geregelt sind. Sie gelten von sich aus für das gesamte BGB oder für den Teilbereich, in dessen allgemeinem Teil sie stehen. In einigen Fällen, wie beispielsweise in § 925 Abs. 1 S. 1 BGB, ordnen Vorschriften, die eine Legaldefinition enthalten, auch selbst ihre Geltung für eine andere Vorschrift – im Fall des § 925 BGB für § 873 BGB – an. In der letztgenannten Konstellation folgt die Anwendung aus dem eigenen Geltungsbefehl der Definitionsnorm und nicht aus der Verweisungsvorschrift. Die Verweisung hat dann ebenfalls lediglich klarstellende Funktion. Derartige Verweisungen fallen nicht unter den materiellen Verweisungsbegriff und sind stets Rechtsgrundverweisungen, da, wie noch zu zeigen ist, der Charakter als deklaratorische Verweisung dies automatisch mit sich bringt.89 86 Dazu Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 49 f.; Hotz, FS Hangartner, S. 195, 199; Karpen, Die Verweisung, S. 34; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 170; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 228. 87 Karpen, Die Verweisung, S. 34; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 228. A. A. allerdings Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 43. 88 Hübner, BGB AT, Rn. 79. 89 Siehe zu der Frage des Rechtscharakters deklaratorischer Verweisungen als Rechtsgrundverweisungen sogleich unter II.
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Auf Vorschriften, die ebenfalls Definitionen enthalten, aber ihrerseits Spielräume eröffnen, weil sie ausfüllungsbedürftige Begriffe verwenden, wie beispielsweise § 932 Abs. 2 BGB, kann ebenfalls im Wege eines stillschweigenden deklaratorischen Verweises einer Verweisungsvorschrift aus demselben Buch oder Abschnitt Bezug genommen werden (z. B. durch Verwendung des Passus „nicht in gutem Glauben“ in den §§ 933, 934, 936 Abs. 2 BGB). Da § 932 Abs. 2 BGB jedoch anders als § 90 BGB einen eigenständigen Regelungsbereich – die Gutgläubigkeit hinsichtlich der Eigentümerstellung – hat, kann sein Anwendungsbereich auch über die von ihm selbst geregelten Fälle hinausgehen. Dies kann durch eine Verweisungsvorschrift bestimmt werden. § 990 Abs. 1 S. 1 BGB verweist beispielsweise stillschweigend auf § 932 Abs. 2 BGB, indem er die Formulierung „nicht in gutem Glauben“ verwendet, gibt aber zugleich durch den Besitz einen eigenen, von § 932 Abs. 2 BGB abweichenden Anknüpfungspunkt vor. Im Rahmen der Regelungen zum Pfandrecht finden sich ferner an verschiedenen Stellen ausdrückliche Verweisungen auf § 932 BGB (z. B. in § 1207 BGB). In diesen Fällen kann eine Verweisung auf Definitionsnormen, egal ob sie stillschweigend oder ausdrücklich erfolgt, konstitutiven Charakter haben. Einige Regelungen enthalten stillschweigende Verweisungen, indem sie begrifflich an eine durch eine andere Vorschrift begründete Pflicht oder ein anderweitig bestimmtes Recht anknüpfen, um dieses auszugestalten. Durch die Verweisung wird der Anwendungsbereich dieser Verweisungsvorschriften bestimmt. Die §§ 249, 346 BGB ordnen beispielsweise ihre Geltung an, wenn eine Schadensersatzverpflichtung besteht (§ 249 BGB) oder ein Rücktritt ausgeübt wurde (§ 346 BGB), um den Umfang der Ersatzpflicht beim Schadensersatz im Einzelnen zu regeln oder die Pflichten der Parteien nach einem Rücktritt zu konkretisieren. Darin liegt jeweils eine nicht näher spezifizierte Verweisung auf Tatbestände, die eine Schadensersatzpflicht einerseits und einen Rücktritt andererseits begründen. Insofern ist die Verweisung pauschal, da sie sich auf sämtliche Schadensersatzpflichten sowie ausgeübte Rücktrittsrechte bezieht, die vertraglich vorbehalten wurden oder gesetzlich bestimmt sind. Die jeweilige Verweisung ist erforderlich, damit der Anwendungsbereich der §§ 249, 346 BGB bestimmbar ist. Sie führt indes nicht dazu, dass der Anwendungsbereich der Anspruchsgrundlagen, die die Schadensersatzpflicht anordnen, oder der Vorschriften, die Rücktrittsrechte gewähren, erweitert wird. Die §§ 249, 346 BGB schließen sich vielmehr an den originären Anwendungsbereich der jeweiligen Regelungen über den Schadensersatz oder den Rücktritt an. Die Verweisungen wirken sich daher weder auf den Anwendungsbereich des jeweiligen Verweisungsobjekts aus noch modifizieren sie dessen Rechtsfolge oder weisen sie den Tatbeständen eine andere Rechtsfolge zu. Diesbezüglich ist die Verweisung rein deklaratorischer Natur, da das Verweisungsobjekt in seinem Anwendungsbereich
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nicht tangiert wird. Die §§ 249, 346 BGB sind vielmehr gerade dafür geschaffen, die Schadensersatz- oder Rücktrittsvorschriften in ihrem originären Anwendungsbereich hinsichtlich ihrer Rechtsfolgenanordnung auszufüllen. Die Verweisung auf eine bestehende Schadensersatzpflicht oder auf einen ausgeübten Rücktritt dient lediglich der Anknüpfung der ausfüllenden Regelungen an die andernorts begründete Rechtsfolge. Die dadurch bewirkte Bezugnahme ist erforderlich, da der Regelungsbereich der §§ 249, 346 BGB andernfalls nicht bestimmbar wäre. Diese Vorgehensweise ist dem hohen Abstraktionsgrad eines allgemeinen Teils eines Gesetzes geschuldet.90 Dieser gilt für die besonderen Teile des jeweiligen Gesetzes. Seine Regelungen müssen dabei erkennen lassen, für welche Art der nachfolgenden Vorschriften sie gelten. Die Verweisung erfolgt in diesen Fällen nicht, um das Verweisungsobjekt für einen von ihm nicht geregelten Fall für anwendbar zu erklären, sondern um den Anwendungsbereich der allgemeinen Regelungen selbst zu bestimmen. Die Bezugnahmen in den §§ 249, 346 BGB stellen daher Verweisungen im formellen, nicht aber im materiellen Sinn dar. Ausdrückliche Verweisungen sind naturgemäß leichter zu identifizieren als stillschweigende. Die Verweisung enthält in diesem Fall eine ausdrückliche Bezugnahme auf ein oder mehrere Verweisungsobjekte, indem die betreffende(n) Vorschrift(en) direkt mit Paragrafenangabe in der Verweisungsvorschrift benannt oder die Vorschrift(en) ohne Angabe von Paragrafen sprachlich ihrem Standort im Gesetz oder ihrer Art nach bezeichnet werden. Wird oder werden die anwendbare(n) Vorschrift(en) zitiert, ist mitunter von einer normgenauen Verweisung die Rede. Umschreibt das Gesetz hingegen einen bestimmten anwendbaren Abschnitt, zum Beispiel die „Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung“, kann von einer inhaltsbezogenen Verweisung gesprochen werden.91
II. Deklaratorische und konstitutive Verweisungen Deklaratorische Verweisungen nehmen Bezug auf Verweisungsobjekte, die auch ohne diese Bezugnahme anwendbar wären.92 Ein derartiger Hinweis kann ausdrücklicher oder stillschweigender Natur sein, wie es namentlich der Fall ist, wenn Vorschriften andernorts (legal-) definierte Begriffe verwenden.93 Die Verweisungsobjekte finden in diesen Fällen aus verschiedenen Gründen ohne die Anordnung der Verweisungsvorschrift Anwendung – zum Beispiel, weil sie im Allgemeinen Teil des BGB geregelt sind 90
Siehe zu § 249 BGB insoweit auch in diesem Kap. in § 3 III. 1. BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 237 f. Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 2 f.; Guckelberger, ZG 2004, 62, 63; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 19. 93 Für Letzteres Noll, Gesetzgebungslehre, S. 228. 91 92
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und daher für sämtliche nachfolgende Vorschriften gelten.94 Die Verweisungsobjekte haben bei dieser Art der deklaratorischen Verweisung regelmäßig durchaus eine ausfüllende oder ergänzende Funktion, weil sie einen in der Verweisungsvorschrift verwendeten Begriff definieren oder erläutern oder eine andere Voraussetzung der Verweisungsvorschrift ausfüllen, ergänzen oder näher ausgestalten. Der Geltungsgrund für das Verweisungsobjekt liegt aber nicht in der Verweisungsvorschrift, sondern ergibt sich aus ihrer Stellung in einem allgemeinen Teil eines Gesetzes. Die darin enthaltenen Vorschriften knüpfen sich in der Regel selbst an diejenigen der besonderen Teile an.95 § 90 BGB bestimmt beispielsweise, was unter „Sachen im Sinne des Gesetzes“ zu verstehen ist und zeigt damit selbst an, dass er für sämtliche Vorschriften des BGB gilt, die den Sachbegriff verwenden. Eine Verweisung darauf ist aus diesem Grund lediglich klarstellend. Daneben gibt es im BGB ausdrückliche Verweisungen mit deklaratorischem Charakter, die zwar eigene Tatbestandsvoraussetzungen aufstellen und Rechtsfolgen vorgeben, die aber entweder deckungsgleich mit denen des Verweisungsobjekts sind oder einfach klarstellen, warum eines oder mehrere Tatbestandsmerkmale des Verweisungsobjekts erfüllt sind. Sie gehen dabei nicht über den Inhalt des Verweisungsobjekts hinaus. Die §§ 516 Abs. 2 S. 3, 531 Abs. 2 BGB geben, wie zu zeigen ist,96 beispielsweise lediglich das Fehlen eines Rechtsgrundes im Sinne des § 812 BGB vor. Sie statuieren aber keine eigenen, über die des § 812 BGB hinausgehenden Voraussetzungen. Deklaratorische Verweisungen fallen nicht unter den materiellen Verweisungsbegriff.97 Die Vorschriften, auf die verwiesen wird, finden auch ohne die Verweisung auf die von der Verweisungsvorschrift geregelten Fälle und somit von sich aus Anwendung. Es kommt demnach weder dazu, dass sie Bestandteil der Verweisungsnorm werden, noch wird ihr Anwendungsbereich ausgedehnt, da das Verweisungsobjekt von sich aus anwendbar ist. Die jeweilige Verweisungsvorschrift enthält keine Geltungsanordnung hinsichtlich des Verweisungsobjekts, sondern hat ausschließlich klarstellenden Charakter. Der maßgebliche Anspruch oder das Recht ergibt sich unmittelbar aus dem Verweisungsobjekt und nicht aus der Verweisungsvorschrift. Es gibt daher keinen Grund, der Verweisung inkorporierende Wirkung beizumessen.98 94
Siehe zur Geltung der Vorschriften der allgemeinen Teile in diesem Kap. § 3 III. 1. Siehe dazu in Kap. § 3 III. 1. Siehe dazu in Kap. 2, § 1 I./II. 97 Dies führt mitunter zur Einordnung als „unechte“ Verweisungen: Hassold, JR 1989, 358, 359 (unter Rückgriff auf Herschel, BB 1963, 1220, der allerdings anders in echte und unechte Verweisungen differenziert). 98 Siehe Brugger, VErwArch. 78 (1987), S. 1, 2 f.; Guckelberger, ZG 2004, 62, 63 f. 95 96
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Deklaratorische Verweisungen sollen unter anderem das Auffinden einschlägiger Vorschriften erleichtern.99 Dies kann zur besseren Lesbarkeit von Gesetzestexten beitragen, kann aber in der Gesamtschau der Verweisungen auf einen bestimmten Regelungsbereich auch irreführend sein, wenn aus der Formulierung der Verweisung zum Beispiel nicht erkennbar wird, ob eine deklaratorische Rechtsgrund- oder eine konstitutive Rechtsfolgenverweisung vorliegt.100 Dies ergibt sich erst aus einer inhaltlichen Betrachtung der jeweiligen Regelung. Da der Geltungsbereich des Verweisungsobjekts bei deklaratorischen Verweisungen nicht ausgedehnt wird, muss es sich bei diesen Verweisungen stets um Rechtsgrundverweisungen handeln. Das Verweisungsobjekt ist als Ganzes, das heißt vollumfänglich, anwendbar. Die Geltungsanordnung stammt nicht aus der lediglich deklaratorischen Verweisung, sondern entspringt dem Verweisungsobjekt selbst, sodass Letzteres nur vollumfassend anwendbar sein kann. Keine Vorschrift ist so ausgestaltet, dass ihre Rechtsfolge isoliert gilt – sie folgt vielmehr immer aus einer entsprechenden Geltungsanordnung, die grundsätzlich in ihrem eigenen Tatbestand enthalten ist.101 Sie kann sich zwar auch aus der Verweisungsvorschrift ergeben, dies ist indes nicht erforderlich, wenn der Tatbestand des Verweisungsobjekts – wie bei deklaratorischen Verweisungen – ohnehin anwendbar ist und damit selbst die Geltung anordnet.102 Dass deklaratorische Verweisungen stets Rechtsgrundverweisungen sind, bedeutet zugleich, dass Rechtsfolgenverweisungen nicht deklaratorischer Natur sein können und demnach immer konstitutiv sind. Es bleibt der nachfolgenden Untersuchung vorbehalten, diese These zu bestätigen. Deklaratorische Verweisungen gelten als in der Regel entbehrlich.103 Ob deklaratorische Verweisungen dennoch als gesetzgebungstechnisches Mittel sinnvoll sind und welche Funktion sie gegebenenfalls haben, soll ebenfalls mithilfe der weiteren Untersuchung ermittelt werden. Den Gegenbegriff zu deklaratorischen Verweisungen bilden die konstitutiven Verweisungen. Konstitutiv ist nach allgemeinem Sprachgebrauch etwas, das als wesentliche Bedingung den Bestand von etwas ermöglicht.104 99 Siehe die Empfehlungen des BMJV zur Formulierung von Verweisungen, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 230. 100 Zu den Begriffen „Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung“ siehe sogleich unter IV. 101 Zum derartigen Aufbau von Rechtssätzen Hassold, JR 1989, 358, 359; Larenz, Methodenlehre, S. 251 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 121 ff. Siehe auch Bydlinski, Methodenlehre, S. 196 f. 102 Siehe dazu die Untersuchung des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB in Kap. 2, § 1 I. 103 Siehe die Empfehlungen des BMJV zur Formulierung von Verweisungen, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 230. 104 Brockhaus, Enzyklopädie online (https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/kon sti tutiv-bildungssprachlich; letzter Aufruf 1.9.2019).
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In der Rechtssprache wird der Begriff im Zusammenhang mit der Wirkung eines Rechtsakts als rechtsbegründend, -aufhebend oder -gestaltend verstanden.105 Übertragen auf die Wirkung einer Verweisung heißt das, diese ist konstitutiv, wenn sie notwendig ist. Die sich daran zwangsläufig anschließende Frage ist, wofür die Verweisung notwendig sein muss. Eine Möglichkeit besteht darin, die Notwendigkeit aus Sicht des Verweisungsobjekts, die andere, sie aus der Perspektive der Verweisungsvorschrift zu betrachten. Mitunter ist in Anknüpfung an die Vorgabe, verweisende Rechtssätze seien unvollständig,106 davon die Rede, konstitutive Verweisungen bewirkten, dass die Verweisungsvorschrift vervollständigt werde.107 Dieser Aussage liegt eine Beschreibung dessen zugrunde, was eine konstitutive Verweisung aus Sicht der Verweisungsvorschrift bewirkt.108 Dies ist zwar dem Grunde nach zutreffend, eignet sich aber nur bedingt, um die konstitutive Verweisung als Gegenbegriff zur deklaratorischen Verweisung zu verstehen. Bei Vorschriften, die deklaratorische Verweisungen enthalten, kann zumindest der Text der Verweisungsvorschrift auch nur mit der verweisenden Passage vollständig sein. Eine Vorschrift, die den Begriff der Sache verwendet, wäre zumindest sprachlich unvollständig109, wenn sie auf diesen Begriff verzichtete. Dennoch hat diese Verweisung eine rein deklaratorische Wirkung. Gleiches gilt für § 516 Abs. 2 S. 3 BGB,110 der nahezu seines gesamten Inhalts beraubt würde, wenn die Verweisung auf die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung entfiele. Der Begriff der deklaratorischen Verweisung orientiert sich demnach nicht an der Wirkung, die die Verweisung auf die Verweisungsvorschrift, sondern an der, die sie auf das Verweisungsobjekt hat. Als Gegenbegriff und um überhaupt eine Abgrenzung zu ermöglichen, muss der Begriff der konstitutiven Verweisung dieselbe Perspektive haben. Aus diesem Blickwinkel sind Verweisungen konstitutiv, wenn sie notwendig sind, um das Verweisungsobjekt zur Anwendung gelangen zu lassen.111 Wenn dieses nämlich in den von der Verweisungsvorschrift geregelten Fällen nicht schon von sich aus anwendbar ist, bedarf es, um es dennoch anzuwenden, eines externen Geltungsbefehls. Die Verweisung wird konstitutiv, indem sie diesen Geltungsbefehl etabliert. 105 Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 292 (unter dem Stichwort „deklaratorische Wirkung“). 106 Siehe dazu in diesem Kap. in § 1 II 1. (insbes. b)). 107 Berger, Die Erschließung von Verweisungen, S. 112; Guckelberger, ZG 2004, 62, 64; Karpen, Die Verweisung, S. 21 f. Das BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 231 spricht von einer Unvollkommenheit der Verweisungsvorschrift, wenn man den Text des Verweisungsobjekts nicht mitlese. 108 Dies betont Karpen, Die Verweisung, S. 21 f. 109 Siehe dazu in diesem Kap. in § 1 II. 1. a). 110 Zu dessen deklaratorischer Wirkung siehe ausführl. in Kap. 2, § 1 I. 111 So die Persektive von Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 169.
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Der Gesetzgeber hält die von der Verweisungsvorschrift geregelten Sachverhalte in gewisser Hinsicht für vergleichbar mit denen, die das Verweisungsobjekt erfasst. Daher übernimmt er entweder Teile des Verweisungsobjekts für den Tatbestand der Verweisungsvorschrift oder weist Letzterer dieselben Rechtsfolgen zu wie dem Verweisungsobjekt.112 Eine konstitutive Verweisung ist eine solche im materiellen Sinn – die Begriffe „konstitutive Verweisung“ und „Verweisung im materiellen Sinn“ sind deckungsgleich.113 Der Inhalt des Verweisungsobjekts wird bei konstitutiven Verweisungen im Umfang der Verweisung in die Verweisungsvorschrift inkorporiert. Insoweit findet eine Ergänzung statt, die dazu führt, dass die verweisende Regelung „vollständig“ wird.114 Die konstitutive Verweisung hat daher durchaus die vervollständigende Wirkung, die einer Ansicht nach dazu führt, sie als konstitutiv anzusehen.115 Der Geltungsbefehl für die Normanwendung kommt aus der Verweisungsvorschrift und führt dazu, dass der Inhalt des Verweisungsobjekts zumindest teilweise auf Sachverhalte anwendbar ist, in denen die betroffene Regelung andernfalls nicht eingriffe: Wenn das Verweisungsobjekt bereits von sich aus anwendbar wäre, bedürfte es keines externen Geltungsgrundes und die Verweisung wäre lediglich deklaratorisch. Konstitutive Verweisungen haben daher inkorporierende und geltungserweiternde Wirkung. Sie sind konstitutiv, weil sie für den von der Verweisungsvorschrift geregelten Fall der Geltungsgrund des Verweisungsobjekts sind. Die Abgrenzung zwischen deklaratorischen und konstitutiven Verweisungen orientiert sich demnach daran, in welcher Vorschrift der Geltungsbefehl hinsichtlich des Verweisungsobjekts enthalten ist – ordnet das Verweisungsobjekt seine Geltung an, ist eine Verweisung hierauf lediglich deklaratorisch, führt dagegen erst die Bezugnahme in der Verweisungsvorschrift dazu, dass das Verweisungsobjekt seinem Inhalt nach anwendbar wird, liegt eine konstitutive Verweisung vor. Anders als deklaratorische können konstitutive Verweisungen unterschiedlich weitreichend sein. Insbesondere können sie sich als Rechtsgrundverweisungen einerseits oder als Rechtsfolgenverweisungen andererseits darstellen.116 Unter welchen Umständen die eine oder die andere Art der Verweisung vorliegt, ist nicht immer ohne Weiteres erkennbar, da beide – Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen – jeweils nicht durch einheit112
Karpen, Die Verweisung, S. 24 f.
113 Siehe zum materiellen Verweisungsbegriff in diesem Kap. § 1 II. 114 Der Begriff der Vollständigkeit birgt in diesem Zshg. Probleme.
Siehe dazu ausführl. in diesem Kap. § 1 II. 1. 115 Berger, Die Erschließung von Verweisungen, S. 112; Guckelberger, ZG 2004, 62, 64; Karpen, Die Verweisung, S. 21 f. 116 Zu diesen Begriffen siehe näher sogleich unter IV.
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liche, sich voneinander unterscheidende Formulierungen begründet werden. Der Wortsinn der Vorschriften gibt daher nicht immer automatisch einen Hinweis auf die Art der Verweisung.
III. Einzelverweisungen und Bereichsverweisungen Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt eine Vielzahl einzelner, in der Regel normgenauer Verweisungen – sogenannte Einzelverweisungen. Sie bezeichnen ein oder mehrere Verweisungsobjekte genau, indem sie Vorschriften konkret benennen. So erklärt § 254 Abs. 1 S. 2 BGB zum Beispiel § 278 BGB für entsprechend anwendbar. Dadurch eröffnet diese Vorschrift hinsichtlich des Verweisungsobjekts, § 278 BGB, keine Spielräume – das Verweisungsobjekt ist klar und eindeutig umrissen. Daneben existieren inhaltsbezogene Verweisungen, die sich auf ganze Abschnitte des Gesetzes beziehen. Da hierdurch ein Bereich eines Gesetzes insgesamt in Bezug genommen wird, lassen sich diese Verweisungen als Bereichsverweisungen bezeichnen. Hierzu gehören unter anderem die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, den Rücktritt, auf die Vorschriften, die für das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer gelten (das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis), die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag und die Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. Die mitunter auch als „Abschnittsverweisungen“117 bezeichneten Bereichsverweisungen bereiten dem Rechtsanwender in der Regel größere Schwierigkeiten als Einzelverweisungen. Nur ausnahmsweise bestehen keine Unterschiede, wenn Bereichsverweisungen sich zwar auf mehrere, dabei jedoch auf normgenau zitierte Vorschriften beziehen. Da sich Einzelverweisungen nicht zwingend nur auf eine Vorschrift erstrecken, können sich Einzel- und Bereichsverweisungen ihrem äußeren Erscheinungsbild nach mithin ähneln. Die Abgrenzung zwischen einer Einzel- und einer Bereichsverweisung kann daher im Einzelfall schwierig sein. Die nachfolgende Untersuchung soll zeigen, ob sich die Abgrenzung nach abstrakt bestimmbaren Kriterien richtet. Während bei Einzelverweisungen nur ermittelt werden muss, in welchem Umfang das jeweilige Verweisungsobjekt zu prüfen ist, ist bei Bereichsverweisungen unter Umständen zusätzlich unklar, welche von mehreren, zum gleichen Bereich gehörenden Vorschriften anwendbar sind. Bei Bereichsverweisungen stellen sich demnach zwei Fragen: 1. Welche Vorschriften finden überhaupt Anwendung, das heißt sind von der Verweisung umfasst? 2. In welchem Umfang sind die als anwendbar festgestellten Vorschriften anwendbar? Die erste Frage wird herkömmlicherweise durch 117
Hadding, FS Mühl, S. 225, 256 ff.
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eine Auslegung der Verweisungsvorschrift im jeweiligen Einzelfall beantwortet. Die weitere Untersuchung soll zeigen, ob dies wirklich von einer Einzelfallprüfung abhängt oder ob die anwendbaren Vorschriften nicht zumindest bei sämtlichen Bereichsverweisungen, die sich auf denselben Abschnitt innerhalb des BGB beziehen, identisch sind. Möglicherweise lässt sich die Frage nach den infolge der Verweisung anwendbaren Vorschriften gar durch die Einordnung der Verweisung als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung beantworten. Dazu bedürfte es zunächst allgemeiner Kriterien, anhand derer der Charakter als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung ermittelt werden kann. Ferner müssten Rechtsgrundverweisungen einerseits und Rechtsfolgenverweisungen andererseits zumindest dann stets denselben Umfang haben, wenn sie Bereichsverweisungen sind. Um die erste Frage zu beantworten und mögliche Kriterien einer Abgrenzung und Prinzipien der Anwendbarkeit zu ermitteln, werden im Verlauf der Untersuchung die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sowie die auf das Rücktrittsrecht auf ihren jeweiligen Umfang hin untersucht. Die zweite Frage, das heißt die nach dem Umfang der jeweils zu prüfenden Voraussetzungen des Verweisungsobjekts, lässt sich unter Umständen ebenfalls anhand der Einteilung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen beantworten.
IV. Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen Die Frage nach dem Umfang einer Verweisung ist nicht immer leicht zu beantworten. Problematisch ist häufig, ob der jeweilige Anspruch oder das betroffene Recht sich bereits vollumfänglich aus der Verweisungsvorschrift ergibt oder dafür zusätzlich die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts vorliegen müssen. Alternativ kann ohne erneute Prüfung von dessen Voraussetzungen, das heißt aufgrund des Geltungsbefehls der Verweisungsvorschrift, lediglich die Rechtsfolge des Verweisungsobjekts anwendbar sein. Bezieht sich die Verweisung unter anderem auf den Tatbestand des Verweisungsobjekts oder Teile dessen, handelt es sich nach herkömmlichem Verständnis um eine Rechtsgrundverweisung. Sollen dagegen ausschließlich die Rechtsfolgen des Verweisungsobjekts zur Anwendung gelangen, liegt eine Rechtsfolgenverweisung vor.118
118 Für
diese herkömmliche Unterscheidung Berger, Die Erschließung von Verweisungen, S. 113; Budde, Jura 1984, 578 f.; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 52 f.; Meier-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 451; Vogel, Juristische Methodik, S. 70; Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 23.
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1. Kritik an der Differenzierung Nach Hadding, der diese Erkenntnis vor allem aus einer Untersuchung der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht gewinnt, trägt die Unterscheidung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen nicht.119 Der Gesetzgeber sei zunächst nicht von einer unterschiedlichen Reichweite der verschiedenen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht ausgegangen. Dies zeige sich an der stets gleichlautendenden Formulierung dieser Verweisungen. Der Gesetzgeber habe dadurch eine einheitliche Reichweite zum Ausdruck bringen wollen.120 Zudem sei die Klassifizierung einer Verweisung als Rechtsgrund- oder als Rechtsfolgenverweisung nicht geeignet, die Reichweite der jeweiligen Verweisung exakt zu bestimmen. Durch eine Zuordnung zu der einen oder anderen Kategorie könne nämlich nicht ermittelt werden, welche der Vorschriften der §§ 812 ff. BGB aufgrund der Verweisung anwendbar seien, da insbesondere ungeklärt sei, in welchen Fällen die rechtsvernichtenden Einwendungen anwendbar seien, weil diese nicht der Tatbestands- oder der Rechtsfolgenseite zugeordnet werden könnten.121 Die Unterscheidung in die Verweisung auf den gesamten Tatbestand einer Vorschrift (Rechtsgrundverweisung) und die lediglich auf deren Rechtsfolgen eigne sich nur für Verweisungen auf einzelne Vorschriften. Hier könnten die tatbestandlichen Teile und die Rechtsfolgeregelungen eindeutig identifiziert werden. Bei Verweisungen auf ganze Abschnitte eines Gesetzbuchs sei dies jedoch nicht ohne Weiteres möglich und die Unterscheidung in eine Verweisung auf den Tatbestand einerseits und auf die Rechtsfolgen andererseits demnach nicht sachgerecht. Bei sogenannten „Abschnittsverweisungen“ seien vielmehr Teilverweisungen und Vollverweisungen zu unterscheiden.122 Ob eine Teil- oder eine Vollverweisung vorliege, sei danach zu ermitteln, ob die verweisende Vorschrift bereits selbst einen Tatbestand enthalte, „dem eine hinreichende anspruchsbegründende Wirkung beizumessen“ sei. Dies indiziere eine Teilverweisung, die sich auf die Regelungen zu Art und Umfang des Anspruchs sowie die Einwendungen und Einreden des Verweisungsobjekts beziehe.123 Für die von Hadding insbesondere betrachteten Verweisungen auf das Bereicherungsrecht nimmt er an, sie bezögen sich stets auf sämtliche Vorschriften des Abschnitts der ungerechtfertigten Bereicherung, die nicht anspruchsbegründend seien, da die Verweisungsvorschriften stets einen eigenen, umfassenden Tatbestand enthielten. Die 119 Hadding, FS Mühl, S. 225, 249 ff., 254 ff. 120 Hadding, FS Mühl, S. 225, 251 unter Rückgriff
I 124/36, RGZ 153, 1, 20. 121 Hadding, FS Mühl, S. 225, 254 ff. 122 Hadding, FS Mühl, S. 225, 256 f. 123 Hadding, FS Mühl, S. 225, 257.
auf das RG vom 14.11.1936 –
§ 2 Die verschiedenen Verweisungsarten
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Verweisung umfasse die Regelungen zu Art und Umfang der Ersatzpflicht somit ebenso wie die Einwendungen.124 2. Tragfähigkeit der herkömmlichen Unterscheidung Der Kritik Haddings an der Einteilung der Verweisungen in Rechtsgrundund Rechtsfolgenverweisungen ist zuzugeben, dass sich Verweisungen, die sich auf einen ganzen Teil eines Gesetzbuchs beziehen, ohne diesen den Vorschriften nach konkret zu benennen, strukturell von den Vorschriften unterscheiden, die lediglich auf einzelne Vorschriften verweisen. Allerdings ist für die von Hadding vorgenommene Differenzierung in ähnlicher Weise eine Abgrenzung zwischen Teilverweisungen und Vollverweisungen erforderlich wie bei der Zuordnung zu der Gruppe der Rechtsgrundoder Rechtsfolgenverweisungen. Der Vorteil seines Konzepts liegt in der Begründung der Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Einreden und Einwendungen. Die weitere Untersuchung soll zeigen, in welchen Fällen diese tatsächlich infolge einer Verweisung anwendbar sind und ob dies unter Umständen auf eine Weise zu erklären ist, die der Einteilung der Bereichsverweisungen in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen nicht entgegensteht.125 Für die Beibehaltung der herkömmlichen Unterscheidung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen – auch für Bereichsverweisungen – spricht, dass der Gesetzgeber das Institut der Rechtsfolgenverweisung für Bereichsverweisungen ebenfalls als solches anerkennt. In den Motiven und Protokollen zum BGB finden sich zwar noch keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber von der Existenz von Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen ausging. Allerdings hat er mit § 527 Abs. 1 BGB eine Vorschrift geschaffen, die eine Verweisung auf die Voraussetzungen des Rücktritts und die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts enthält. Der Gesetzgeber hat diese nicht ausdrücklich als Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen bezeichnet. Dafür dürfte aus seiner Sicht keine Veranlassung bestanden haben, da sich die mit den Verweisungen verbundenen Schwierigkeiten erst im Laufe der Zeit in der Praxis gezeigt haben. Mit § 527 Abs. 1 BGB hat der Gesetzgeber aber jedenfalls eine Vorschrift geschaffen, die zeigt, dass Verweisungsvorschriften sich auf einzelne Teile von Verweisungsobjekten beziehen können und diese einzelnen Teile der Tatbestand einer Vorschrift oder die Rechtsfolge einer Vorschrift oder eben einer Vorschriftengruppe sein kann.126 In neueren Gesetzesmaterialien bezeichnet der Gesetzgeber nunmehr Verweisungsarten auch ausdrücklich. In der Ge124
Hadding, FS Mühl, S. 225, 257 f. Siehe dazu in Kap. 2, § 4 VIII. 126 Siehe zu § 527 BGB in Kap. 2, § 2 II. 9. und in Kap. 3, § 1 II. 2. a). 125
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Kapitel 1: Grundlagen
setzesbegründung zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB heißt es beispielsweise, diese Vorschrift sei als Rechtsfolgenverweisung zu verstehen.127 Zum anderen zeigt eine neuere Vorschrift aus der Insolvenzordnung, § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, diesen gesetzgeberischen Willen. Die Vorschrift ordnet – soweit ersichtlich erstmals – ausdrücklich die Geltung ausschließlich der „Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung“ an. Der Gesetzgeber muss zumindest zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Verweisung in § 143 Abs. 1 S. 2 InsO geschaffen hat, die Existenz des Rechtsinstituts „Rechtsfolgenverweisung“ vorausgesetzt und diesem einen bestimmten Umfang beigemessen haben.128 Andernfalls wäre es nicht erforderlich gewesen, ausdrücklich auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zu verweisen, sondern ausreichend wie in den anderen Verweisungsfällen, allgemein auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung Bezug zu nehmen. Der Gesetzgeber wollte mit Schaffung dieser Vorschrift – ausweislich der Gesetzesmaterialien – den nach § 143 InsO zur Herausgabe Verpflichteten unter anderem mit einem Bereicherungsschuldner hinsichtlich des Haftungsumfangs gleichstellen.129 Den Haftungsumfang benennt der Gesetzgeber dabei nicht genauer. Allerdings finden gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO nur die Rechtsfolgevorschriften Anwendung, die im Bereicherungsrecht für solche Empfänger gelten, denen „der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist“. Es ist dem Schuldner in den Fällen des § 143 Abs. 1 S. 2 InsO damit von vornherein verwehrt, sich auf § 818 Abs. 3 BGB zu berufen, da die Bösgläubigkeit des Empfängers es im Bereicherungsrecht ausschließt, den Einwand der Entreicherung zu erheben. Von den bereicherungsrechtlichen Regelungen gelten daher infolge des § 143 Abs. 1 S. 2 InsO die §§ 818 Abs. 1, 2, 4, 819 BGB.130 § 818 Abs. 3 BGB ist aus dem genannten Grund nicht anwendbar. Der Gesetzgeber hat bewusst ausschließlich bestimmte Vorschriften des Bereicherungsrechts in Bezug genommen. Dazu hat er zunächst eine Eingrenzung auf solche Vorschriften vorgenommen, die die „Rechtsfolgen“ des Bereicherungsrechts regeln und diese sodann noch weitergehend eingeschränkt. Ein umfassender Verweis auf „die Rechtsfolgen“ hätte nach Ansicht des Gesetzgebers wohl eine zu weite Geltung des Bereicherungsrechts hervorgerufen, sonst hätte es keine Notwendigkeit gegeben, 127 BT‑Drucks. 128 § 143 Abs. 1
14/6040, S. 196. S. 2 InsO wird allg. als Rechtsfolgenverweisung angesehen: BAG vom 19.5.2011 – 6 AZR 736/09, NZI 2011, 644, 646 (Rn. 21); BGH vom 1.2.2007 – IX ZR 96/04, NJW‑RR 2007, 557, 558 (Rn. 14) m. w. Nachw.; Braun/Riggert, InsO, § 143 Rn. 10 (Fn. 23); MünchKommInsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 143 Rn. 84; Nerlich/Römermann/ Nerlich, InsO, § 143 Rn. 5. 129 BT‑Drucks. 12/2443, S. 167. 130 Für alle MünchKommInsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 143 Rn. 84. Zumindest für § 819 Abs. 1 BGB auch BGH vom 12.4.2018 – IX ZR 88/17, NZI 2018, 562, 565 (Rn. 33). Für die §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB: Gehrlein, NZI 2017, 695, 696.
§ 2 Die verschiedenen Verweisungsarten
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den Bereich der geltenden Rechtsfolgen weitergehend einzuschränken. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber einer Verweisung auf die „Rechtsfolgen“ einer Normengruppe eine bestimmte Bedeutung oder einen bestimmten Umfang beimisst. Die Bezeichnung als „Rechtsfolgenverweisung“ ist demnach keine bloße Begrifflichkeit, sondern trifft auch inhaltliche Aussagen über die Reichweite derartiger Verweisungen.131 Auf dieser Grundlage wird die herkömmliche Differenzierung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen der Untersuchung zugrunde gelegt.
V. Statische und dynamische Verweisungen Verweisungen können in zeitlicher Hinsicht statisch oder dynamisch ausgestaltet sein. Zum einen kann bereits der Wortsinn einer Vorschrift vorgeben, ob es sich um eine statische oder eine dynamische Verweisung handelt. Derartige Andeutungen finden sich innerhalb des BGB jedoch nicht. Im öffentlichen Recht werden Verweisungen mitunter als statisch eingestuft, um die bereits angesprochenen Kompetenzprobleme oder sonstige Bedenken hinsichtlich einer Einhaltung rechtsstaatlicher oder demokratischer Vorgaben zu lösen oder zu umgehen.132 Die als Binnenverweisungen133 bezeichneten Verweisungen innerhalb einzelner Gesetze werden auch im öffentlichen Recht teilweise per se als dynamisch eingeordnet.134 Die Kompetenzprobleme spielen bei den Verweisungen des BGB, die ganz überwiegend Binnenverweisungen sind, keine Rolle. Daher sind die Verweisungen des BGB sämtlich als dynamische Verweisungen zu verstehen. Bei Verweisungen innerhalb eines Gesetzes drängt sich ein solches Verständnis schon deshalb auf, weil der Gesetzgeber dem Gesamtsystem eines Gesetzes bestimmte Wertungen zugrunde legt, die er in der Regel auch bei künftigen Änderungen erhalten möchte, wenn er nicht bewusste Abweichungen schafft.
VI. Verweisungsanalogie Als Verweisungsanalogie werden Verweisungen bezeichnet, die zum Beispiel eine „entsprechende“ Anwendung des Verweisungsobjekts anordnen.135 Darin soll eine Besonderheit gegenüber den Verweisungsvor131 Dies
wird auch regelmäßig zugrunde gelegt. Siehe exemplarisch Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 88 f.; Knütel, NJW 1989, 2504 ff.; E. Koch, JR 1993, 313, 315. Krit. dazu Hadding, FS Mühl, S. 225, 249. 132 BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, 285, 311 ff. Siehe dazu in diesem Kap. § 1 II. 2. 133 Hadding, FS Mühl, S. 225, 252; Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 225; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 384. 134 Klindt, DVBl. 1998, 373, 374. 135 BSG vom 19.6.2018 – B 2 U 1/17 R, juris, Rn. 15; BMJV, Handbuch der Rechts-
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Kapitel 1: Grundlagen
schriften liegen, die auf den Zusatz „entsprechend“ verzichten, da dieser ausdrücke, dass das Verweisungsobjekt nur in modifizierter Form im Rahmen der Verweisungsvorschrift angewendet werden könne.136 Der Gesetzgeber misst der „entsprechenden“ gegenüber einer unmittelbaren Anwendung eine gewisse Unsicherheit bei.137 Auf dieser Grundlage wird diese Art der Verweisung von einigen Stimmen als eigene Verweisungskategorie dargestellt.138 Gegen eine solche Kategorisierung spricht, dass zu vermuten ist, dass eine Verweisung, die eine Anwendung eines Verweisungsobjekts anordnet, ohnehin immer eine modifizierende Anwendung erfordert, wenn nicht ein Fall der deklaratorischen Verweisung vorliegt. Wäre das Verweisungsobjekt einer konstitutiven Rechtsgrundverweisung in einigen Fällen vollumfänglich im Rahmen der Verweisungsvorschrift anwendbar, entzöge dies der konstitutiven Wirkung den Boden. Wenn die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts sämtlich vorliegen müssen, damit der Anspruch oder das Recht entstehen könnten, wäre das Verweisungsobjekt für die in Rede stehenden Fälle ohnehin bereits von sich aus anwendbar. Ist dies jedoch der Fall, ist die Verweisung als solche gerade nicht konstitutiv, sondern deklaratorisch.139 Auf den gesamten Tatbestand des Verweisungsobjekts kann daher nicht im Wege einer konstitutiven Rechtsgrundverweisung Bezug genommen werden. Da Verweisungen die anwendbaren Voraussetzungen des Verweisungsobjekts regelmäßig nicht benennen, muss nach Sinn und Zweck der Verweisungsvorschrift ermittelt werden, auf welche Teile des Verweisungsobjekts Bezug genommen wird. Dies dürfte bei der Anordnung einer „entsprechenden Anwendung“ ebenso gelten wie bei einer Verweisung ohne den Zusatz „entsprechend“. Die Verweisungsanalogie wäre förmlichkeit, Rn. 232; Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 3 (Fn. 6); Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24; Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 78 f.; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 55; Karpen, Die Verweisung, S. 78; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 18. Siehe auch Maties, JR 2007, 265 ff.; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 376. 136 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 79; Hadding, FS Mühl, S. 225, 250; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 18. 137 BT‑Drucks. 14/6040, S. 194. Siehe auch bereits Motive zum BGB, Bd. 3, S. 809, in denen von einer Anpassung durch die „analoge Anwendung“ im heutigen § 1227 BGB die Rede ist; zu § 825a BGB: Beratungen zum BGB nach Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 867 f. 138 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 78 f. Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 3 (Fn. 6) sieht Verweisungsanalogien nicht als konstitutive Verweisungen, Hadding, FS Mühl, S. 225, 250 (Fn. 93) diese allenfalls als Verweisungen iwS an. A. A. Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 56 f. 139 Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 57. Vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 261; Schröcker, NJW 1967, 2285, 2286. Ausnahmen gelten nur bei Verweisungen, die eine Sperrwirkung aufheben, wie z. B. § 992 BGB. Siehe dazu in Kap. 2, § 5 II. 1.
§ 3 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik
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auf dieser Grundlage keine eigenständige Kategorie der Verweisung. Ob diese These anhand der Verweisungen innerhalb des BGB belegbar ist und ob sie nur für Rechtsgrund- oder auch für Rechtsfolgenverweisungen zutrifft, soll die weitere Untersuchung zeigen. Die Anordnung der „entsprechenden Anwendung“ könnte auch insofern inhaltliche Bedeutung haben, als sie auf die Art der Verweisung als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung schließen lassen könnte.
§ 3 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik I. Sinn und Zweck von Verweisungen Verweisungen haben verschiedene Funktionen. Zunächst dienen sie der Gesetzesökonomie.140 Sie vermeiden Wiederholungen und bieten die Möglichkeit, durch Änderung des Verweisungsobjekts gleichzeitig die Verweisungsnorm zu ändern, ohne dass der Gesetzgeber hierfür erneut tätig werden muss.141 Bei einer Wiederholung des Gesetzestextes des Verweisungsobjekts innerhalb der Verweisungsnorm wäre dagegen jeweils eine Änderung der einzelnen Vorschriften erforderlich. Dies zieht für den Gesetzgeber gerade in Bereichen des Gesetzes, die änderungsanfällig sind, einen erheblichen Aufwand nach sich.142 Der Umfang einer einzelnen Vorschrift oder auch eines gesamten Gesetzes kann deutlich reduziert werden, indem Wiederholungen vermieden werden.143 Ein Gesetz wird dadurch weniger komplex und besser lesbar. Eine ähnliche Funktion kommt aus gesetzesökonomischer Sicht einem allgemeinen Teil eines Gesetzes zu.144 Ein weiterer Vorteil einer Verweisung liegt in der Möglichkeit der Systematisierung eines Gesetzes.145 Verweisungen können Verknüpfungen zwischen verschiedenen Teilen eines Gesetzes oder auch zwischen verschiede140 Clemens, AöR 111 (1968), S. 63, 66; Guckelberger, ZG 2004, 62, 66; Haratsch, ZG 1999, 346; Hassold, JR 1989, 358, 359; Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 225; Schenke, NJW 1980, 743; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 384. Auf die Funktion, Wiederholungen zu vermeiden, weisen ebenfalls hin: BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 225; Larenz, Methodenlehre, S. 261; Maties, JR 2007, 265. 141 BVerfG vom 1.3.1978 – 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, 285, 312. 142 Schulz/Tischer, NVwZ 2014, 1049, 1050 (für Verwaltungsverfahrensgesetze). 143 BGH vom 21.6.1990 – VII ZR 308/89, NJW 1990, 3197, 3198; Clemens, AöR 111 (1968), S. 63, 66; Guckelberger, ZG 2004, 62, 66; Haratsch, ZG 1999, 346; Oetker, JZ 2002, 337; Schenke, NJW 1980, 743; Söhn, Allgemeinverbindlicherklärung, S. 225. 144 Karpen, Die Verweisung, S. 16; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 31; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 167; Wolf/Neuner, BGB AT, § 7 Rn. 12. Siehe zum Verhältnis von Verweisung und allgemeinem Teil ausführl. in diesem Kap. § 3 III. 1. 145 Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 3; Guckelberger, ZG 2004, 62, 66; Haratsch, ZG 1999, 346; Hassold, JR 1989, 358, 359; Karpen, Die Verweisung, S. 12 f., 16 f.; Schenke, NJW 1980, 743.
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Kapitel 1: Grundlagen
nen Gesetzen herstellen. Innerhalb eines Gesetzes kann der Gesetzgeber hierdurch verdeutlichen, dass den betreffenden Vorschriften aus seiner Sicht eine gleiche Wertung zugrunde liegt.146 Dies wiederum kann im Rahmen einer Auslegung von Bedeutung sein.147 Durch Verweisungen auf andere Gesetze kann der Gesetzgeber die Einheitlichkeit einer Rechtsordnung fördern, indem ähnlich gelagerte Ausgangssituationen aus rechtlicher Sicht auch gesetzesübergreifend in einheitlicher Weise beurteilt werden.148 Diese Funktion hängt jedoch mit der erstgenannten zusammen, denn eine gleichlaufende Systematik könnte auch durch die Wiederholung des Gesetzestextes des Verweisungsobjekts in gleicher Weise erreicht werden. Allerdings ermöglicht eine dynamische Verweisung eine dauerhafte Angleichung, die sicherstellt, dass auch über einen längeren Zeitraum hinweg in jedem Fall ein Gleichlauf bestimmter Regelungen gewährleistet ist. Bei schlichter Wiederholung des anderen Gesetzestextes müsste dagegen fortwährend eine Anpassung erfolgen, die jedoch arbeitsaufwändig ist, wenn die Wiederholung einen Regelungsbereich betrifft, der häufigen Änderungen unterliegt. So gab es beispielsweise Überlegungen, nach denen im Zwangsvollstreckungsrecht in den Vorschriften über den Pfändungsschutz ein Verweis auf die Regelungen des Sozialrechts (SGB II) über Freibeträge aufgenommen werden sollte, um die Wertungen hinsichtlich eines Restbehalts von Arbeitslosengeldempfängern und Schuldnern in der Zwangsvollstreckung anzugleichen. Eine dynamische Verweisung wäre bei Einführung einer derartigen Regelung aufgrund der häufigen Änderungen dieses Sozialgesetzbuchs sinnvoll gewesen, um einen dauerhaften Gleichlauf sicherzustellen.149 Hierin zeigt sich zugleich ein weiterer Vorteil der Verweisung als gesetzgebungstechnischem Mittel: Durch die Anpassungsautomatik, die dynamischen Verweisungen aufgrund der Inkorporation des Verweisungsobjekts in die Verweisungsvorschrift immanent ist, entlasten sie den Gesetzgeber.150 Die Anpassungsautomatik führt gleichzeitig dazu, dass das Rechtssystem flexibler wird und an vielen Stellen aktuelle Entwicklungen berücksichtigt.151
146 Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 225. Siehe auch Pabst, NVwZ 2005, 1034. Siehe auch die Empfehlungen des BMJV zur Formulierung von Verweisungen, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 225. 147 Siehe Hassold, JR 1989, 358, 359; Karpen, Die Verweisung, S. 17. 148 Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 3; Guckelberger, ZG 2004, 62, 66; Hassold, JR 1989, 358, 359. 149 Der entsprechende Gesetzesentwurf wurde jedoch nicht umgesetzt. Siehe dazu ausführl. Dieker, NZI 2009, 708 ff. 150 Schenke, NJW 1980, 743. Siehe auch Pabst, NVwZ 2005, 1034. 151 Schenke, NJW 1980, 743.
§ 3 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik
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II. Nachteile der Verweisung als Mittel der Gesetzgebung Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik hat indes auch Nachteile. Insbesondere rufen Verweisungen häufig Auslegungsprobleme verschiedener Art hervor. Dies zeigt sich unter anderem an den Streitfragen zum Charakter einer Verweisung als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung. Schon eine einzelne Vorschrift kann durch eine Verweisung unklarer werden.152 Verweisungen können ferner bei übermäßiger Anwendung zu Problemen bei der Gesetzesanwendung und zur Unübersichtlichkeit und Intransparenz eines gesamten Regelwerks führen.153 Der Vorteil, dass mit einer Änderung des Verweisungsobjekts gleichzeitig eine Änderung der Verweisungsgrundlage erfolgt, kann sich auch ins Gegenteil verkehren, wenn es sich um eine Änderung handelt, die den Charakter der Verweisungsvorschrift in einer Weise verändert, die dem gesetzgeberischen Willen nicht mehr entspricht. In dem Fall muss auch die Verweisungsvorschrift selbst geändert werden, um sie dem gesetzgeberischen Willen entsprechend zu fassen und einer gegebenenfalls unklaren Rechtslage vorzubeugen.154
III. Verhältnis der Verweisung zum allgemeinem Teil eines Gesetzes und zur Analogie 1. Verweisung und allgemeiner Teil eines Gesetzes Da einem allgemeinen Teil eines Gesetzes in gesetzgebungstechnischer Hinsicht eine ähnliche Funktion zukommt wie der Verweisung,155 ist das Verhältnis dieser beiden gesetzgeberischen Mittel näher zu untersuchen. Möglicherweise wird das eine durch das andere entbehrlich oder setzt das eine das andere eventuell zwingend voraus. Unter Umständen könnten Verweisungen gänzlich ersetzt werden, indem die Vorschriften, auf die verwiesen wird – die sich unter anderem in besonderen Teilen eines Gesetzes befinden – in einen allgemeinen Teil 152 Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, S. 221, 236 nimmt sogar an, dass jede Verweisung zwingend zu einer „Einbuße an Klarheit und Übersichtlichkeit der Norm“ führt; Ziegler, DVBl. 2016, 551, 552. 153 Guckelberger, ZG 2004, 62, 66; Haratsch, ZG 1999, 346; Hassold, JR 1989, 358, 359 (Fn. 5); Heck, AcP 146 (1941), S. 1, 8; Jansen, DÖV 1979, 332, 334; H. Jellinek, VuF 1978, 62, 65; Schmidt, ZGR, S. 580, 584 (am Bsp. des Entwurfs zum UmwG). 154 Vgl. Guckelberger, ZG 2004, 62, 66. 155 Karpen, Die Verweisung, S. 16; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 31; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 167; Wolf/Neuner, BGB AT, § 7 Rn. 12. Siehe ferner Heck, AcP 146 (1941), S. 1, 7; Petersen, Jura 2011, 759, 760 (spricht im Zusammenhang mit Legaldefinitionen im Allgemeinen Teil ebenfalls von einer Ökonomie des Gesetzes); Schmidt, ZGR 1990, S. 580, 585; Stadler, BGB AT, § 1 Rn. 10 (betont die Knappheit und Klarheit des Gesetzes, die ein allgemeiner Teil bewirkt).
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eines Gesetzes verschoben werden. Bei den Verweisungsobjekten handelt es sich zwar regelmäßig durchaus um Regelungen mit einem allgemeinen Charakter (beispielsweise die Regelungen des Bereicherungsrechts, des Rücktrittsrechts oder der Geschäftsführung ohne Auftrag), dennoch können sie häufig keine Geltung als allgemeines Prinzip eines gesamten Regelwerks beanspruchen. Zur Rückabwicklung gibt es beispielweise sowohl Regelungen im Rücktrittsrecht als auch im Bereicherungsrecht, die Rückabwicklungsfragen in unterschiedlicher Weise regeln.156 Es gibt demnach jedenfalls nach der derzeitigen Konzeption des BGB keine allgemeingültigen Rückabwicklungsvorschriften, die in den Allgemeinen Teil des BGB integriert werden könnten.157 Zwar gelten auch die Regelungen eines allgemeinen Teils eines Gesetzes nicht immer ausnahmslos,158 ihnen liegt aber ein überwiegend geltendes Prinzip zugrunde, von dem es lediglich in Einzelfällen Abweichungen gibt. Das BGB regelt allgemeine Fragen nicht nur in seinem Allgemeinen Teil, sondern auch in allgemeinen Teilen zu Beginn eines jeweiligen Gesetzesabschnitts. Im Erbrecht gibt es beispielsweise allgemeine Vorschriften. Darüber hinaus finden sich unter anderem im Sachenrecht zu Beginn Vorschriften über den Besitz, die für sämtliche Teile des Sachenrechts gelten. Ferner gilt das allgemeine Schuldrecht für die verschiedenen Arten besonderer Schuldverhältnisse. Es wäre überflüssig, auf die dort geregelten Materien zu verweisen. Die Verweisung hat aber spätestens ihre Berechtigung, wenn entweder lediglich im Einzelfall auf eine einzelne Vorschrift oder mehrfach auf eine Normgruppe verwiesen werden soll, deren Anwendungsbereich für die betroffenen Vorschriften nicht eröffnet ist oder die nicht einheitlich für ein gesamtes Buch des BGB, sondern lediglich für einen Teil eines anderen Buchs des BGB gilt. Sowohl im Schuldrecht als auch im Sachenrecht und im Familien- und Erbrecht finden sich beispielsweise Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Allerdings gibt es in diesen Büchern teilweise auch andere Rückabwicklungsarten, namentlich im Schuldrecht die des Rücktrittsrechts. Das Bereicherungsrecht könnte demnach nur dann sinnvoll in den Allgemeinen Teil des BGB integriert werden, wenn entweder dort oder an anderer Stelle dessen Konkurrenzverhältnis zu anderen Rückabwicklungsmechanismen geregelt wäre. Eine allgemeine Regelung zu Beginn eines der nachfolgenden Bücher erscheint wenig praktikabel, da das Bereicherungsrecht entweder für diese nicht umfassend gilt oder aber in jedem Buch, in dem es umfassend anwendbar 156
Siehe dazu ausführl. die Analysen in Kap. 2 und 3. für das Bereicherungsrecht wohl Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 9. 158 Siehe dazu Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 33 ff. 157 Anders
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ist, zu Beginn neu geregelt werden müsste. Dies wäre jedoch wenig praktikabel und führte zu einer Unübersichtlichkeit des Gesetzes.159 Schließlich haben Verweisungen eine Daseinsberechtigung, wenn es sich um solche aus anderen Gesetzen auf Vorschriften des BGB handelt; so namentlich bei einem Verweis des HGB oder der InsO auf das BGB. Hier wäre ein allgemeiner Teil schwer zu etablieren,160 ohne dabei Teile des BGB zu Beginn der spezielleren Gesetze zu wiederholen. Wiederholungen sollen indes sowohl durch die Etablierung eines allgemeinen Teils als auch durch die Verweisung gerade vermieden werden. Ferner entstünde auch hier das Problem, dass die allgemeinen Regeln möglicherweise nicht für das gesamte spezielle Gesetz anwendbar wären. Es bietet sich demnach an, solche Rechtsfragen in einem allgemeinen Teil eines Gesetzes zusammenzufassen, die durch Vorschriften mit einem hohen Abstraktionsgrad161 erfasst werden können, weil sie für ein gesamtes Gesetz oder zumindest für einen einheitlichen Teil eines Gesetzes ganz überwiegend gelten. Ein allgemeiner Teil hat unter diesen Umständen gegenüber der Verweisung den Vorteil, das Gesetz noch kürzer und übersichtlicher zu gestalten.162 Die Verweisung ist demgegenüber ein flexibleres Mittel und dient u. a. der Erweiterung des Anwendungsbereichs einer anderen Vorschrift oder eines Vorschriftenkomplexes für Einzelfälle. Sie ist in der Regel weniger abstrakt als ein allgemeiner Teil, da sie für den Einzelfall und nicht für eine Vielzahl von Anwendungsfällen geschaffen ist. Verweisungen können sich dadurch flexibel auch nur auf einen Teil einer anderen Vorschrift oder eines Regelungskomplexes beziehen. Diese Flexibilität bietet ein allgemeiner Teil nicht. Ein weiterer Aspekt, der das Verhältnis von Verweisungen und allgemeinem Teil betrifft, ist die Frage, ob ein allgemeiner Teil eines Gesetzes nur deshalb für sämtliche Vorschriften gilt, weil die Vorschriften in den besonderen Teilen konkludent auf seine Regelungen verweisen.163 Beispielsweise sollen die §§ 823 ff. BGB auf die §§ 249 ff. BGB des allgemeinen
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Siehe allg. dazu Heck, AcP 146 (1941), S. 1, 7 f., 13. der Gesetzgebungstechnik, S. 167. und Prinzipien des Privatrechts, S. 120 ff.; Bork, BGB AT, Rn. 83; Heck, AcP 146 (1941), S. 1, 7 f., 13; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 19, 32 ff.; Stadler, BGB AT, § 1 Rn. 10. 162 Heck, AcP 146 (1941), S. 1, 8. Für die Kürze des Gesetzestextes Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 31; für die Übersichtlichkeit Wolf/Neuner, BGB AT, § 7 Rn. 12. 163 Für die Anwendbarkeit eines allgemeinen Teils im Wege der stillschweigenden Verweisung Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 50. Wohl auch Bork, BGB AT, Rn. 85, der von einer unausgesprochenen Verweisung spricht, allerdings gleichzeitig meint, die Anwendung einer allgemeinen Regelung sei „schon auf Grund der Ausklammerungsmethode klar“. 160 Müller, Handbuch 161 Bydlinski, System
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Schuldrechts verweisen.164 Eine solche Annahme wird indes der Konzeption eines allgemeinen Teils eines Gesetzes, der im Wege der „Ausklammerungsmethode“ seine Vorschriften für alle Vorschriften des besonderen Teils für anwendbar erklärt165, nicht gerecht. Die Vorschriften, die keinen ausdrücklichen Verweis auf konkrete Vorschriften des allgemeinen Teils enthalten, für die bestimmte Teile des allgemeinen Teils aber dennoch anwendbar sind, enthalten allenfalls stillschweigende, deklaratorische Verweise. Regelungen, die den Begriff der Sache verwenden, verweisen zum Beispiel auf § 90 BGB, der den Sachbegriff definiert. Die Verwendung des maßgeblichen Begriffs führt den Rechtsanwender zu der allgemeingültigen Legaldefinition. Der Gesetzgeber schafft Legaldefinitionen ausschließlich zu diesem Zweck. Die den Begriff definierende Regelung enthält dabei nicht schon deswegen den Geltungsbefehl für die Definitionsnorm, weil sie den maßgeblichen Begriff verwendet. Derselbe Begriff kann in vielen verschiedenen Vorschriften eines Gesetzes verwendet werden. Nur weil eine Vorschrift einen bestimmten Begriff, wie beispielsweise den der Sache, nutzt, verweist sie nicht zugleich auf sämtliche Vorschriften, die dies ebenfalls tun.166 Für sämtliche dieser Regelungen definiert jedoch § 90 BGB den Begriff der Sache. Der Rechtsanwender weiß nur deshalb, dass er zur Ausfüllung des Begriffs auf § 90 BGB zurückgreifen muss, weil dieser den Begriff allgemeingültig definiert. Dessen Anwendung folgt daher aus seinem Charakter als allgemeingültige Definition des Begriffs im Allgemeinen Teil des BGB und nicht nur aus der sprachlichen Bezugnahme hierauf durch eine andere Vorschrift. Die reine Verwendung eines andernorts ebenfalls verwendeten Begriffs ist demnach nicht per se als stillschweigende Verweisung auf sämtliche Vorschriften anzusehen, die denselben Begriff verwenden. Dies erklärt zugleich den Unterschied zwischen § 90 BGB, auf den durch die sprachliche Verwendung des Begriffs der Sache hingewiesen wird, und anderen Vorschriften, auf die durch die Verwendung des Sachbegriffs nicht verwiesen wird, obwohl sie diesen Begriff ebenfalls verwenden, wie zum Beispiel § 929 S. 1 BGB. Die letztgenannte Systematik bestimmt auch das Schadensrecht, das den Begriff des Schadens vielerorts verwendet, ohne dass hierin stets eine Verweisung auf sämtliche andere Vorschriften liegt, die den Begriff des Schadens sprachlich ebenfalls verwenden. Das BGB enthält keine Legaldefini164 Berger, Die Erschließung von Verweisungen bei der Gesetzesdokumentation, S. 107; Brehm, BGB AT, Rn. 40. 165 Für das Ausklammern im BGB Brox/Walker, BGB AT, Rn. 37 ff.; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 120 ff.; Hübner, BGB AT, Rn. 78; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 18; Petersen, Jura 2011, 759 ff.; Stadler, BGB AT, § 1 Rn. 9; Wolf/Neuner, BGB AT, § 7 Rn. 12. Allg. ferner Real, RabelsZ 49 (1985), S. 52, 77. 166 Vgl. dazu den Gedanken von Noll, Gesetzgebungslehre, S. 228 f. zur Verwendung desselben Begriffs in unterschiedlichen Teilen der Rechtsordnung.
§ 3 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik
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tion des Schadensbegriffs, dieser ist vielmehr durch Rechtsprechung und Literatur näher bestimmt und prägt in dieser Form sämtliche Vorschriften im BGB, die ihn verwenden. Das allgemeine Schuldrecht enthält zwar Regelungen zum Schadensersatz (§§ 249 ff. BGB), diese füllen aber keine andernorts verwendeten Begriffe aus, sondern bestimmen Art und Umfang der Ersatzpflicht. Sie haben zwar dadurch im Hinblick auf Schadensersatzansprüche einen ergänzenden oder ausfüllenden Charakter167, dieser betrifft aber nicht einen einzelnen Rechtsbegriff, sondern den Umfang eines andernorts selbstständig, das heißt ohne Rückgriff auf §§ 249 ff. BGB, begründeten Anspruchs.168 § 249 Abs. 1 BGB knüpft ausdrücklich an eine bestehende Schadensersatzverpflichtung an. Der Geltungsbefehl stammt daher aus § 249 Abs. 1 BGB, der sich an die anspruchsbegründenden Schadensersatzregelungen anschließt. Auf diese Weise nimmt nicht die schadensrechtliche Anspruchsgrundlage Bezug auf die §§ 249 ff. BGB, sondern verweist § 249 Abs. 1 BGB vielmehr umgekehrt pauschal auf Vorschriften, die eine Schadensersatzpflicht begründen. Diese Systematik zeigt, dass es nicht stringent ist, im Zusammenhang mit derartigen Vorschriften pauschal von einer Verweisung der Regelungen des besonderen Teils auf diejenigen des allgemeinen Teils zu sprechen. Regelungen des allgemeinen Teils finden demnach nicht aufgrund der Verweisung, sondern vielmehr deshalb Anwendung, weil sie für sämtliche Vorschriften der korrespondierenden besonderen Teile vor die Klammer gezogen wurden.169 Vereinzelt existieren dennoch stillschweigende oder ausdrückliche Verweise auf Vorschriften des Allgemeinen Teils, deren Anwendungsbereich im Einzelfall ohnehin eröffnet ist. Sie sind deklaratorische Verweisungen. Der Allgemeine Teil ist ohne Verweis stets für alle Regelungen des Gesetzes anwendbar. Sollte die Anwendung einer dort normierten Vorschrift ausnahmsweise nicht passend und aus diesem Grund vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, muss er bei den besonderen Vorschriften eine entsprechende Ausnahme normieren. Derartige Ausnahmen finden sich auch im BGB.170 § 925 Abs. 2 BGB ordnet beispielsweise an, dass eine Auflassung weder bedingt sein kann noch unter einer Zeitbestimmung stehen darf. Die Bedingung sowie die Zeitbestimmung als Elemente des Allgemeinen Teils (§§ 158 ff. BGB) würden ohne eine derartige Regelung auch für die Auflassung gelten.171 Ist die Unanwendbarkeit einer allgemeinen Vorschrift nicht 167 Zur Einordnung der §§ 249 ff. BGB als ausfüllende oder ergänzende Rechtsnormen Larenz, Methodenlehre, S. 258; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 27 II. 168 Larenz, Methodenlehre, S. 258. Siehe bereits in diesem Kap. unter § 2 I. 169 Zur Geltung des Allgemeinen Teils für die übrigen Teile des BGB aufgrund der Ausklammerung Petersen, Jura 2011, 759. 170 Bork, BGB AT, Rn. 84; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 33 ff. 171 Zu diesem und weiteren Bspen. Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 33.
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Kapitel 1: Grundlagen
ausdrücklich bestimmt, ihre Anwendung aber dennoch unpassend, kann sich die Nichtanwendbarkeit auch durch Auslegung ergeben.172 Damit eine Vorschrift des allgemeinen Teils eines Gesetzes eingreifen kann, müssen die Voraussetzungen der jeweiligen allgemeinen Vorschrift zwingend vorliegen. Auch hierin liegt ein Unterschied zur Verweisung, bei der der Gesetzgeber stets im Einzelfall entscheiden kann, ob und wenn ja in welchem Umfang zusätzlich zu den Voraussetzungen, die die Verweisungsvorschrift bereits normiert, auch die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts vorliegen müssen (Rechtsgrundverweis) oder ob ohne erneute Prüfung der anspruchs- oder rechtsbegründenden Voraussetzungen lediglich die Rechtsfolge des Verweisungsobjekts anwendbar sein soll (Rechtsfolgenverweis). Liegen dagegen die Voraussetzungen einer Vorschrift des allgemeinen Teils für bestimmte Sachverhalte per se nicht vor und der Gesetzgeber will dennoch eine Anwendung in den Bereichen des besonderen Teils erreichen, die diese Lebenssachverhalte erfassen, muss er an der entsprechenden Stelle eine Verweisung auch auf den allgemeinen Teil schaffen. In dem Fall wäre diese konstitutiv, da die betroffene Vorschrift des allgemeinen Teils mangels Vorliegen ihrer Voraussetzungen andernfalls nicht zur Anwendung käme. 2. Unterschiede und Gemeinsamkeiten von „Verweisung“ und „Analogie“ Die Verweisung wird von einigen Stimmen in der Literatur als gesetzgeberische Form der Analogie bezeichnet.173 Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt voraus, dass im Gesetz eine planwidrige Regelungslücke besteht.174 Sie kommt in Betracht, wenn ein Sachverhalt planwidrig von keinem gesetzlichen Tatbestand erfasst ist, das Gesetz allerdings einen ähnlich gelagerten Sachverhalt durch eine Vorschrift rechtlich erfasst. Die kodifizierte Regelung wird sodann auf den nicht geregelten Sachverhalt übertragen. Dahinter steht die Intention, vergleichbare Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln.175 Durch eine Verweisung werden ähnliche Sachverhalte ebenfalls gleich behandelt. Der Gesetzgeber sieht eine Vergleichbarkeit einer Regelung mit einer anderen und nimmt deshalb in ersterer 172 173
Bork, BGB AT, Rn. 84; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 33 ff. Maties, JR 2007, 265, 266; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 132. Vgl. auch Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24, 150, dessen Ausführungen ebenfalls die Vergleichbarkeit dieser Instrumente zugrunde liegt; Schmidt, ZGR 1990, S. 580, 585 („Analogie kraft positiven Rechts“). Ebenso Karpen, Die Verweisung, S. 78 für Analogie und Verweisungsanalogie. 174 Für die insofern h. M. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 25 m. w. Nachw.; Larenz, Methodenlehre, S. 381; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889. A. A. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 80 I. (S. 635). 175 Larenz, Methodenlehre, S. 381; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889.
§ 3 Die Verweisung als Gesetzgebungstechnik
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auf letztere Bezug, um eine Wiederholung des Normtextes zu vermeiden. Ohne eine Wiederholung oder Verweisung entstünde möglicherweise eine Lücke im Gesetz. Durch die Verweisung verhindert der Gesetzgeber daher unter Umständen eine Regelungslücke. Eine Analogie ist dadurch nicht mehr erforderlich und im Übrigen wegen der bestehenden Regelung auch nicht mehr möglich. Während einer Verweisung eine gesetzgeberische Entscheidung zugrunde liegt, liegt die Entscheidung darüber, im Einzelfall eine Vorschrift analog anzuwenden, in der Hand der Rechtsprechung. Der BGH hat die Frage, ob § 822 BGB von der Verweisung des § 2287 Abs. 1 BGB auf das Bereicherungsrecht erfasst ist, mit dem Hinweis offengelassen, § 822 BGB finde in den Fällen des § 2287 Abs. 1 BGB zumindest entsprechende Anwendung.176 Diese Vorgehensweise erklärt sich nur, wenn die Rechtsprechung in der Analogie einen möglichen Ersatz für eine fehlende Verweisung sieht. Darin zeigt sich die vergleichbare Intention von Verweisung und Analogie als Mittel zur Anwendung einer an sich im konkreten Fall nicht anwendbaren Vorschrift. Verweisungen können einzelfallbezogener sein, als allgemeine Teile eines Gesetzes. Sie sind aber selbst dann abstrakt, wenn das Gesetz sie nur für eine bestimmte Vorschrift anordnet. Die Verweisung muss so beschaffen sein, dass sie im Rahmen dieser Vorschrift ausnahmslos gilt. Eine Analogie ist stets ein Einzelfallinstrument, das aufgrund einer im Einzelfall gegebenen vergleichbaren Interessenlage zum Einsatz kommt, um eine ungeregelte Rechtsfrage zu beantworten. 3. Zusammenfassung Der Gesetzgeber bildet einen allgemeinen Teil eines Gesetzes dem Grunde nach aus denselben Motiven, aus denen er auch eine Verweisung schafft. In beiden Fällen soll für Rechtsfragen, die an mehreren Stellen des Gesetzes Bedeutung erlangen, keine Wiederholung einer oder mehrerer andernorts geregelter Vorschriften erfolgen. Dadurch wird der Umfang eines Gesetzes reduziert und die Regelungszusammenhänge zwischen den einzelnen Vorschriften werden sichtbar. Das Mittel der Verweisung ist im Einzelfall flexibler, da es punktuell eingesetzt werden kann und nicht zwangsläufig für ein gesamtes Gesetz oder zumindest einen gesamten Bereich eines Gesetzes gelten muss. Während der allgemeine Teil und die Verweisung Regelungsmechanismen des Gesetzgebers darstellen, ist die Analogie ein Mittel, das die Rechtsprechung einsetzen kann. Die Analogie wird demnach auf einer anderen Ebene eingesetzt als die Verweisung. Sie dient nicht der Vermeidung von Wiederholungen, sondern dem Lückenschluss. Derartige Lücken entste176
BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 (Rn. 17).
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Kapitel 1: Grundlagen
hen nicht, wenn der Gesetzgeber dies, zum Beispiel durch eine Verweisung, vermeidet. Analogie und Verweisung haben trotz dieser Unterschiede eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie ermöglichen die Anwendung einer Vorschrift auf einen Fall, den sie selbst nicht regelt, der aber mit ihrem Regelungsgehalt vergleichbar ist.
§ 4 Einführung in die Einzelanalysen Neben einer Vielzahl von Einzelverweisungen kennt das Bürgerliche Gesetzbuch Bereichsverweisungen unter anderem auf das Bereicherungsrecht, auf die Vorschriften, die für das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer gelten (das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis), die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, den Rücktritt und die Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen.177 Während Einzelverweisungen sich auf konkrete einzelne Vorschriften beschränken, beziehen sich Bereichsverweisungen auf einen gesamten Regelungskomplex mit verschiedenen Vorschriften.
I. Ziel der Analyse Bei beiden Verweisungsarten – Bereichs- und Einzelverweisungen – muss der Prüfungsumfang hinsichtlich der jeweils aufgrund der Verweisung zu prüfenden einzelnen Vorschrift geklärt werden. Dies betrifft die Frage, ob zusätzlich zu den eigenen Tatbestandsvoraussetzungen der Verweisungsvorschrift auch die des Verweisungsobjekts vorliegen müssen, damit die Rechtsfolge ausgelöst wird, ob also eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung vorliegt. Darüber hinaus müssen bei Bereichsverweisungen zusätzlich die infolge der Verweisung aus dem in Bezug genommenen Bereich konkret anwendbaren einzelnen Vorschriften ermittelt werden. Ob es insoweit unter den Verweisungen im BGB eine gemeinsame Systematik gibt und der Inhalt der Begriffe – Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung – abstrakt so bestimmt werden kann, dass durch die Zuordnung für alle Bereiche gleichermaßen klar wird, welche Vorschriften des Abschnitts, auf den verwiesen wird, Anwendung finden, ist zweifelhaft. Die Bereichsverweisungen des BGB sind äußerst heterogen. Vor allem unterscheiden sich die Bereiche, die jeweils als Verweisungsobjekte dienen, in einer Weise voneinander, die es unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sämtlichen Bereichsverweisungen dieselbe Systematik zugrunde liegt. Bei 177 Siehe zu dem Begriff der Bereichsverweisung, u. a. in Abgrenzung zur Einzelverweisung in diesem Kap. § 2 III.
§ 4 Einführung in die Einzelanalysen
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den verschiedenen Verweisungen auf ein und denselben Bereich kann dies hingegen anders sein. Wenn der Gesetzgeber in verschiedenen Regelungen auf dieselben Abschnitte des BGB Bezug nimmt, liegt es nicht fern, dass er bei deren Schaffung dieselbe oder zumindest eine vergleichbare Intention verfolgt hat. Den Verweisungen auf denselben Bereich kann daher durchaus eine einheitliche Systematik zugrunde liegen. Darüber hinaus gibt es unter den Verweisungsobjekten der Bereichsverweisungen, die das BGB kennt, zwei Abschnitte, die sich ähneln, weil sie jeweils ein Rückabwicklungssystem etablieren – das Bereicherungsrecht und die Regelungen über den Rücktritt. Da diese Abschnitte, die sich in den Voraussetzungen und den Modalitäten der Rückabwicklung freilich voneinander unterscheiden, mit der Rückabwicklung ein gemeinsames Ziel haben, existiert hier ebenfalls ein Anknüpfungspunkt einer möglichen gemeinsamen Systematik. Die Analyse hat es sich daher zum Ziel gesetzt, diese Bereiche sowohl auf ein internes System als auch auf eine solche gemeinsame Systematik hin zu untersuchen. Es wird sich zeigen, inwieweit sich die Gemeinsamkeiten einerseits aber auch die Unterschiede andererseits in den Verweisungen auf diese Abschnitte widerspiegeln. Dafür werden sämtliche Vorschriften, die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht oder den Rücktritt enthalten, einzeln auf ihre Art und ihren Umfang hin untersucht. Anschließend werden anhand der gefundenen Ergebnisse einige Überlegungen zu den Bereichsverweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag, das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sowie auf das Recht der unerlaubten Handlungen angestellt.
II. Eingrenzung der untersuchten Abschnitte Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme sind im Schuldrecht nur solche, die sich auf das Bereicherungsrecht und auf den Rücktritt beziehen. Auf die daneben existierenden Rückabwicklungsmechanismen des BGB, wie beispielsweise den Widerruf oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage, wird entweder gar nicht oder zumindest nicht durch Bereichsverweisungen Bezug genommen. Es gibt zwar zahlreiche Verweisungen auf Regelungen des Widerrufsrechts, diese sind jedoch entweder ohnehin Einzelverweisungen oder beziehen sich auf § 355 BGB. Auf letztere Vorschrift wird an mehreren Stellen verwiesen, die Verweisungen sind aber auf dieses einzelne Verweisungsobjekt beschränkt und stellen demnach keine Bereichsverweisungen dar. Die Frage nach den überhaupt in folge der Verweisung anwendbaren Vorschriften stellt sich in diesen Fällen nicht – die Verweisungen sind vielmehr jeweils eindeutig auf § 355 BGB beschränkt. Das BGB verweist an verschiedenen Stellen auf diverse Kündigungsrechte. Diese statuieren zwar Lösungsrechte vom Vertrag,
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Kapitel 1: Grundlagen
führen aber aufgrund der regelmäßigen ex nunc Wirkung von Kündigungen nicht zu dessen Rückabwicklung, sodass sie ebenfalls nicht in die Kategorie der Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme einzuordnen sind. Außerhalb des Schuldrechts wird auch das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis mitunter als Rückabwicklungssystem verstanden.178 Die hierauf gerichteten Verweisungen sind überwiegend Einzelverweisungen, die wenigen Bereichsverweisungen auf diese Regelungen werden im vierten Kapitel in § 2 näher betrachtet. Sie folgen, wie zu zeigen ist, einer anderen Systematik als die Verweisungen auf die schuldrechtlichen Rückabwicklungssysteme.
III. Auswahl der untersuchten Einzelvorschriften Die nachfolgende Untersuchung betrachtet im Wege einer Einzelanalyse sämtliche Verweisungen innerhalb des BGB, die sich auf das Bereicherungsrecht und den Rücktritt beziehen. Einige werden nicht so detailliert untersucht wie andere, da es keine Unklarheiten hinsichtlich ihrer Art und ihres Umfangs gibt. Sie werden dennoch in die Betrachtung einbezogen, um die anhand anderer Vorschriften gefundenen Ergebnisse zu überprüfen. Im Ergebnis erfolgt daher eine lückenlose Betrachtung sämtlicher Verweisungen auf das Bereicherungsrecht und den Rücktritt. Die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht werden von sämtlichen Verweisungen innerhalb des BGB in Literatur und Rechtsprechung am intensivsten diskutiert. Die Untersuchung beginnt daher mit diesen Verweisungen und erstreckt sich anschließend auf die Bezugnahmen auf den Rücktritt. Bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht wird zunächst ermittelt, bei welchen von ihnen es sich lediglich um deklaratorische Verweisungen handelt. Anschließend werden die konstitutiven Verweisungen auf diesen Bereich näher betrachtet. Die Untersuchung wendet sich im Rahmen der Einzelanalysen der konstitutiven Verweisungen auf das Bereicherungsrecht zunächst § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als der als umstritten wohl bekanntesten Verweisung auf das Bereicherungsrecht zu. Daran schließen sich die anderen Vorschriften mit Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht an. Die Reihenfolge ihrer Einbeziehung ist teilweise der Vergleichbarkeit der jeweiligen Vorschrift mit der zuvor untersuchten Regelung geschuldet – so beispielsweise, wenn die Untersuchung von § 977 BGB nach der des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt. Im Übrigen hat sich die Reihung aus der Untersuchung ergeben. Sie ist keinesfalls zwingend und dient nur der Klarheit der Darstellung. Die Analyse der Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB erfolgt zum 178
Schröder/Bär, Jura 1996, 449.
§ 4 Einführung in die Einzelanalysen
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Abschluss dieser Betrachtung, da die Vorschrift neben dem Bereicherungsrecht zusätzlich auf den Rücktritt verweist und damit einen Sonderfall darstellt. Einige Verweisungen, bei denen es sich eindeutig um Rechtsfolgenverweisungen handelt, werden erst im Rahmen der sich an die Einordnung des Charakters der einzelnen Verweisungen anschließenden Untersuchung des Umfangs der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht näher betrachtet. Im Zuge dessen erfolgt jeweils eine kurze Einordnung ihres Charakters als Rechtsfolgenverweisung. Der Umfang der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht wird schwerpunktmäßig anhand einer Analyse der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 528 Abs. 1 S. 1 BGB nachgewiesen. Die Auswahl dieser Vorschriften beruht auf den bei ihnen bestehenden Problemen hinsichtlich der Anwendung einiger Regelungen der §§ 818 ff. BGB – und den dadurch ausgelösten Diskussionen. Eine Untersuchung anhand der anderen Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht führte zu keinem anderen Ergebnis, da die Anwendung der §§ 818 ff. BGB bei ihnen kaum je problematisch ist. An den Stellen, an denen im Rahmen einzelner Verweisungsvorschriften dennoch Probleme bestehen, werden diese Vorschriften in die Betrachtung mit einbezogen. Die §§ 818–820, 822 BGB werden auf diese Weise vollumfänglich auf ihre Anwendbarkeit aufgrund einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht hin untersucht. Der Frage der Anwendbarkeit der §§ 813–815, 817 S. 2, 821 BGB wird auf der Grundlage der gefundenen Erkenntnisse ein eigener Abschnitt gewidmet. Die §§ 347 Abs. 2 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB haben sich im Zuge der Untersuchung als Sonderfälle erwiesen und werden daher abschließend gesondert behandelt. Die Verweisungen auf den Rücktritt sind heterogener als die weitgehend homogenen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Sie beziehen sich insbesondere entweder teilweise oder vollständig auf § 323 BGB oder in unterschiedlichem Umfang auf Regelungen der §§ 346–348 BGB. Die Untersuchung dieser Verweisungen orientiert sich an dieser Systematik und ist daher anders gegliedert als die derer auf das Bereicherungsrecht. Zunächst werden sämtliche Verweisungen auf Regelungen, die Rücktrittsrechte schaffen, daraufhin untersucht, ob sie deklaratorischer oder konstitutiver Natur und als solche Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen sind. Die Analyse wendet sich anschließend den Verweisungen auf die Vorschriften zu, die die Wirkungen des Rücktritts regeln (§§ 346 ff. BGB). Sie werden nach einer Einteilung der Verweisungsvorschriften gruppenweise betrachtet und ebenfalls auf ihren Charakter und Umfang hin untersucht. Auf diese Weise erfolgt auch hier eine lückenlose Betrachtung der Verweisungen auf den Rücktritt. Abschließend richtet die Untersuchung ihren Blick kurz auf weitere Bereichsverweisungen innerhalb des BGB. Es wird gezeigt, inwieweit sich
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Kapitel 1: Grundlagen
diese von den Verweisungen auf Rückabwicklungssysteme unterscheiden. Möglicherweise lassen sich einige der zu letzteren Verweisungen gefundenen Erkenntnisse aber trotz aller Unterschiede strukturell auf diese Verweisungen übertragen.
Kapitel 2
Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Zahlreiche Verweisungen im Bürgerlichen Gesetzbuch beziehen sich auf das Bereicherungsrecht. Sie bilden den Großteil der Bereichsverweisungen und steigern auf diese Weise die Bedeutung des Bereicherungsrechts als Rückabwicklungssystem innerhalb des BGB. Die im BGB derzeit1 vorhandenen 24 unmittelbaren Verweisungen auf das Bereicherungsrecht – die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 516 Abs. 2 S. 3, 527 Abs. 1, 528 Abs. 1 S. 1, 531 Abs. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 556g Abs. 1 S. 3, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall, 682, 684 S. 1, 852 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 977 S. 1, 988, 993 Abs. 1, 1301 S. 1, 1390 Abs. 1 S. 2, 1434, 1457, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 BGB2 – sind bis auf wenige Ausnahmen in derselben Weise formuliert: Sie ordnen an, dass sich eine Rückerstattung, Herausgabe, Vergütung in Geld, ein Wertersatz oder eine Verantwortlichkeit oder Verpflichtung „(nach den Vorschriften) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung“ richtet. In den §§ 556g Abs. 1 S. 3, 1434, 1457 BGB ist diese Formulierung leicht abgewandelt, dort heißt es: „nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung“. In § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gibt es lediglich den Hinweis: „Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.“ Da die Formulierungen in nahezu sämtlichen Fällen gleichlautend sind, scheinen die Verweisungen stets denselben Umfang zu haben.3 Tatsächlich wird bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht jedoch, anknüpfend an einen angeblich un1 Im Jahr 1932 zählte das Reichsgericht in einer Entscheidung noch 28 Verweisungen auf das Bereicherungsrecht innerhalb des BGB auf (RG vom 24.11.1932 – VIII 331/32, RGZ 139, 17, 22). 2 Darüber hinaus gibt es Vorschriften, die ihrerseits auf diese Verweisungsvorschriften verweisen. Das Bereicherungsrecht gelangt hierüber ebenfalls zur Anwendung. Der Umfang der Verweisung auf das Bereicherungsrecht kann in diesen mittelbaren Verweisungen nicht über den Umfang der Verweisung in der Ausgangsverweisungsvorschrift hinausgehen. Diese Vorschriften werden daher nicht näher betrachtet. 3 Hadding, FS Mühl, S. 225, 249 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 33. A. A. v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 680. Allg. dazu, dass der gleiche Wortsinn auf einen gleichen Inhalt hindeutet Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 178 f. Dem entsprechen die Empfehlungen des BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 220. Vgl. ferner für den umgekehrten Fall einer unterschiedlichen Formulierung Maties, JR 2007, 265, 266. Tatsächlich werden die gleichlautenden Verweisungen jedoch dem Umfang nach unterschiedlich eingeordnet: Seifert, NJW 1972, 1739.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
terschiedlichen Umfang der Verweisungen, gemeinhin zwischen Rechtsgrundverweisungen einerseits und Rechtsfolgenverweisungen andererseits differenziert. Um zu untersuchen, ob abstrakte, verallgemeinerungsfähige Aussagen über den Umfang der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht möglich sind, sollen die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Dabei werden zunächst Verweisungsvorschriften auf ihren Charakter als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung hin untersucht, die in dieser Hinsicht problematisch und/oder in ihrer Einordnung exemplarisch sind. Die Analyse beginnt mit den deklaratorischen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht (unter § 1) und wendet sich sodann den konstitutiven Verweisungen zu (unter § 2). Anhand der jeweiligen Einzelanalysen wird anschließend die Rechtsnatur der Vorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, näher bestimmt (unter § 3). Einige beispielhafte, unter § 2 untersuchte Vorschriften sowie die in ihrer Einordnung als Rechtsfolgenverweisungen von vornherein weniger problematischen Verweisungsvorschriften werden anschließend auf den Umfang der anwendbaren Regelungen des Bereicherungsrechts hin untersucht (dazu unter § 4). Die Auswahl der Vorschriften beruht auf den Schwierigkeiten, die mit der potentiellen Anwendung einzelner Vorschriften der §§ 818 ff. BGB in ihrem Rahmen verbunden sind. Da deren Anwendbarkeit bei anderen Verweisungsvorschriften unproblematisch ist, sind die näher betrachteten Regelungen besser geeignet, um die Anwendung sämtlicher Vorschriften des Bereicherungsrechts infolge der Verweisungen hierauf kritisch zu hinterfragen. Schließlich verbleiben, wie zu zeigen ist, einige Verweisungen, die gegenüber den anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Besonderheiten aufweisen, die es rechtfertigen, diese anschließend gesondert (in § 5) zu betrachten. Insgesamt werden innerhalb dieses Kapitels auf diese Weise sämtliche unmittelbare Verweisungen auf das Bereicherungsrecht im BGB analysiert. Auch wenn die Analyse in den einzelnen Abschnitten exemplarisch ist, ist sie daher insgesamt vollständig.
§ 1 Deklaratorische Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Zunächst ist zu klären, ob und wenn ja, in welchem Umfang im BGB deklaratorische Verweisungen auf das Bereicherungsrecht existieren. Unter den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht finden sich im Schenkungs- und Mietrecht mit den §§ 516 Abs. 2 S. 3, 531 Abs. 2, 556g Abs. 1 S. 3 BGB drei, die möglicherweise deklaratorischer Natur sind und daher im Folgenden auf ihre Wirkung hin untersucht werden.
§ 1 Deklaratorische Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
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I. § 516 Abs. 2 S. 3 BGB § 516 Abs. 2 S. 3 BGB verweist hinsichtlich der Herausgabe einer Sache auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, wenn jemand einem anderen eine Sache ohne dessen Willen zugewendet und der andere diese Zuwendung vor Ablauf einer ihm gesetzten Frist abgelehnt hat. 1. Deklaratorischer Charakter der Verweisung Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB wird als deklaratorische eingeordnet.4 Wenn ein Schenkungsangebot, das im Fall des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB in der bereits erfolgten Zuwendung der Sache liegt,5 abgelehnt wird, kommt der Schenkungsvertrag nicht zustande. Sofern – wie im Fall von § 516 Abs. 2 S. 3 BGB stets – schon Leistungen erbracht wurden, erfolgten diese wegen des nicht zustande gekommenen Schenkungsvertrags ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB. Es liegt ein Fall einer condictio indebiti vor.6 Der Schenker kann den bereits geleisteten Schenkungsgegenstand nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB herausverlangen. Indem § 516 Abs. 2 S. 3 BGB auf das Bereicherungsrecht verweist, erweitert er mithin nicht dessen Anwendungsbereich, da § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB ohnehin anwendbar wäre. § 814 1. Fall BGB steht dieser Erkenntnis nicht entgegen. Er begründet grundsätzlich eine rechtshindernde Einwendung, greift jedoch in den Konstellationen, die § 516 Abs. 2 S. 3 BGB zugrunde liegen, ab dem Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr ein. § 814 1. Fall BGB ist Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens.7 Der Zuwendende verhält sich aber nicht widersprüchlich, wenn er eine Sache zurückverlangt, die der Empfänger – wie er ausdrücklich äußert – nicht behalten möchte.8 Bis zur Ablehnung der angetragenen Schenkung durch den anderen dürfte § 814 1. Fall BGB einem etwaigen Herausgabeverlangen des Zuwendenden 4 Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 (Fn. 16). Wohl auch Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 91; MünchKommBGB/Koch, § 516 Rn. 50 (wenn auch als Rechtsfolgenverweisung), die von einer „Klarstellung“ sprechen; Staudinger/Chiusi, BGB, § 516 Rn. 62 (die einen Anspruch auf Rückforderung nach § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB annimmt). 5 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 289; Staudinger/Chiusi, BGB, § 516 Rn. 62. 6 Für einen Fall des § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB Staudinger/Chiusi, BGB, § 516 Rn. 62. Für eine Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB) BeckOGK/ Harke, § 516 BGB Rn. 116. 7 Für alle BGH vom 11.12.2008 – IX ZR 195/07, NJW 2009, 363, 365; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 68 III. 1. a), S. 160; Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT, § 63 Rn. 2; NK‑BGB/v. Sachsen-Gessaphe, § 814 Rn. 1. 8 MünchKommBGB/Schwab, § 814 Rn. 14. Schwab sieht in den Fällen der Leistung auf einen noch nicht zustandegekommenen Vertrag allerdings einen Anwendungsfall des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB, für den § 814 BGB ohnehin nicht gilt.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
hingegen entgegenstehen, da der Schenker bis dahin an seinen Antrag gebunden ist und sich mithin widersprüchlich verhält, wenn er die Sache zurückverlangt, obwohl der Empfänger das Schenkungsangebot noch nicht abgelehnt hat. Die Regelung in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB geht weder über diese zeitliche Vorgabe hinaus, indem sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Rückforderung ermöglicht, noch ist die Vorschrift erforderlich, um festzulegen, dass die Rückforderung bis zu der Ablehnung der Schenkung ausgeschlossen ist. Sie erweitert daher den Geltungsbereich des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB auch nicht, indem sie in Fällen eine Rückforderung ermöglicht, in denen diese im originären Anwendungsbereich der Kondiktion durch § 814 1. Fall BGB verhindert wird. Die Verweisung hat somit aus keinem dieser Gründe konstitutive Wirkung. Wer die Hingabe der Sache an den Beschenkten in der Erwartung, der Schenkungsvertrag werde zustande kommen, als eine zweckgebundene Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB ansieht,9 kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, es handele sich um eine deklaratorische Verweisung. In den Beratungen der Ersten Kommission zum BGB wurde dennoch die Notwendigkeit gesehen, die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in das Schenkungsrecht an dieser Stelle aufzunehmen, da der Zweck der Zuwendung unter Umständen nicht hinreichend „erklärt“ sei und die Voraussetzungen einer condictio ob rem von sich aus möglicherweise nicht vorlägen.10 Die Verweisung wurde demnach als konstitutiv angesehen. Dieser Einschätzung der Ersten Kommission lag jedoch mit § 742 des ersten Entwurfs zum BGB eine andere Fassung der Zweckverfehlungskondiktion zugrunde. Hiernach musste der Leistende ausdrücklich oder stillschweigend erklären, dass seine Leistung unter der Voraussetzung eines angestrebten Ereignisses oder rechtlichen Erfolgs stehe. Die Erklärung des Leistenden über den mit der Leistung angestrebten Zweck wurde innerhalb der Beratungen des Bereicherungsrechts als Voraussetzung der Zweckverfehlungskondiktion aufgegeben, da dieser Regelung die auf Windscheid zurückgehende Voraussetzungslehre11 zugrunde lag, der das System des Bereicherungsrechts nicht folgen sollte. Vielmehr sollte es stattdessen auf eine nicht näher spezifizierte Einigung der Parteien über den Zweck, zu dem die Leistung vorgenommen wird, ankommen.12 Ob die Gesetzesverfasser unter diesem ge9 BeckOGK/Harke,
§ 516 BGB Rn. 116. I 1780 der Beratungen, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. II, S. 342. 11 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161 ff.; ders., Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung. 12 Dies ergibt sich aus den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamts, Prot-RJA 586, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 835. In den Protokollen zeigt sich, dass später über die Abgrenzung von Zweckbestimmung und Beweggrund diskutiert wurde. Damit wurde 10 Protokoll
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änderten Verständnis der Zweckverfehlungskondiktion in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB ebenfalls noch die Notwendigkeit einer Verweisung auf die condictio ob rem gesehen haben oder diese einfach aus dem ersten Entwurf übernommen wurde, geht aus den Materialien zum BGB nicht hervor, da in den Protokollen zum BGB keine Ausführungen zu der Verweisung gemacht werden. Wer nach heutigem Verständnis der condictio ob rem in den Fällen von einer Zweckverfehlungskondiktion ausgeht, in denen eine Leistung in der Erwartung erfolgt, der Empfänger werde sich mit dem Vertragsschluss einverstanden erklären,13 sollte nach der Ablehnung einer Schenkung gemäß § 516 Abs. 2 S. 3 BGB auch zu dem Ergebnis gelangen, die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB lägen vor. Die Verweisung wirkt insofern ebenfalls deklaratorisch. Eine konstitutive Verweisung auf das Bereicherungsrecht läge trotz des Vorstehenden vor, wenn § 516 Abs. 2 S. 3 BGB einen eigenständigen vertraglichen Rückerstattungsanspruch statuierte, der gegenüber dem Bereicherungsrecht vorrangig wäre. Das Bereicherungsrecht füllte diesen Anspruch dann lediglich inhaltlich aus. Ein Rückgriff auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch wäre nicht möglich, wenn dieser durch den vorrangigen vertraglichen Anspruch gesperrt wäre. Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, da § 516 Abs. 2 S. 3 BGB keine Voraussetzungen aufstellt, die nicht auch von einer der Varianten des § 812 Abs. 1 BGB erfasst werden. Die Vorschrift begründet dadurch keine Unterschiede in der Rückabwicklung, die ein Vorrangverhältnis vor der bereicherungsrechtlichen Regelung begründen könnten. § 516 Abs. 2 S. 3 BGB stellt nach dem hiesigen Verständnis lediglich klar, dass in den Fällen der Ablehnung des Schenkungsangebots der Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB fehlt.14 aber nicht zu der im Ersten Entwurf enthaltenen einseitigen Erklärung zurückgekehrt, sondern auf der Grundlage der Zweckorientierung durch die „Parteien“ nach einer Lösung gesucht, um näher zu bestimmen, ob eine wirksame Zweckbestimmung im Einzelfall vorlag oder ob lediglich ein Beweggrund für eine Leistung bestand. Wenn es sich lediglich um ein Leistungsmotiv handelt, sollte die Zweckverfehlungskondiktion eine Rückabwicklung nicht ermöglichen, wenn diese Motivation durch die Leistung nicht erfüllt wird. Nach dem Ersten Entwurf lag die erforderliche Zweckbestimmung darin, dass erklärt werden sollte, ob ein rechtlicher Erfolg zur „Voraussetzung“ für die Leistung gemacht wurde. Dies sah man als zu unbestimmt an und wollte den Passus der „Voraussetzung“ durch etwas anderes ersetzen. Damit sollte nicht zu der aufgegebenen Anknüpfung an eine einseitige Erklärung über den Zweck zurückgekehrt werden. Das zeigt sich daran, dass im Rahmen der Diskussion nicht von der Zweckbestimmung durch den Leistenden sondern durch „die Parteien“ die Rede ist. Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 691. 13 Zu dieser Fallgruppe der Zweckverfehlungskondiktion MünchKommBGB/ Schwab, § 812 Rn. 472. 14 Wird § 516 Abs. 2 S. 3 BGB als condictio ob causam finitam oder condictio ob rem interpretiert, gibt er die Nichterreichung des Leistungszwecks oder die Zweckverfehlung vor. Zu dieser Einordnung siehe BeckOGK/Harke, § 516 BGB Rn. 116 einerseits und Staudinger/Chiusi, BGB, § 516 Rn. 62 andererseits.
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Wenn also die Voraussetzungen des Schenkungsrechts insoweit erfüllt sind, liegen zugleich die des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB vor. Letzterer ist daher in den Fällen des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB von sich aus anwendbar, ohne dass es hierfür der ausdrücklichen Verweisung im Schenkungsrecht bedurft hätte. § 516 Abs. 2 S. 3 BGB hat dadurch insgesamt nur eine klarstellende Funktion. Der Inhalt des Bereicherungsrechts muss nicht in seinen Tatbestand inkorporiert werden, da sich der Herausgabeanspruch ohnehin aus dem Bereicherungsrecht selbst ergibt. Er bestätigt damit die Ausgangsthese, nach der deklaratorische Verweisungen keine inkorporierende Wirkung haben. 2. Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung In der Literatur wird § 516 Abs. 2 S. 3 BGB mitunter unter Rückgriff auf eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1925 der Gruppe der Rechtsfolgenverweisungen zugeordnet.15 Allerdings betraf die Entscheidung des Reichsgerichts keinen Fall der Ablehnung einer Schenkung durch den Beschenkten, sondern eine angeblich sittenwidrige Schenkung. Das Reichsgericht hat in dieser Entscheidung im Zusammenhang mit § 516 BGB lediglich § 812 BGB für anwendbar erachtet, es hat indes keine Ausführungen zu einer Verweisung in dieser Vorschrift gemacht und diese demnach auch nicht als Rechtsfolgenverweisung eingestuft.16 Das Reichsgericht hat die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht zwar in anderen Entscheidungen allgemein als Rechtsfolgenverweisungen eingeordnet,17 daraus lassen sich aber keine spezifischen Aussagen zu § 516 Abs. 2 S. 3 BGB ableiten. Andere Vorschriften werden inzwischen auch trotz dieser Aussage des Reichsgerichts als Rechtsgrundverweisungen auf das Bereicherungsrecht angesehen.18 Wenn § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB auch ohne die Verweisung bereits von sich aus auf die Lebenssachverhalte, die § 516 Abs. 2 S. 3 BGB zugrunde liegen, anwendbar ist, bedeutet dies automatisch, dass § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB in diesen Fällen auch insgesamt – das heißt mit seinem Tatbestand und seiner Rechtsfolge – Anwendung findet. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift liegen vor und ihre Anwendbarkeit wird nicht auf 15 MünchKommBGB/Koch, § 516 Rn. 50 mit Verweis auf RG vom 25.6.1925 – IV [ZR] 39/25, RGZ 111, 151. A. A. BeckOGK/Harke, § 516 BGB Rn. 116; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 584. 16 RG vom 25.6.1925 – IV [ZR] 39/25, RGZ 111, 151, 153. 17 RG vom 24.11.1932 – VIII 331/32, RGZ 139, 17, 22; RG vom 16.1.1913 – IV 504/12, RGZ 81, 204, 206. 18 Eine mögliche Erklärung für den Wandel sehen Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 732 f. in der Entwicklung ursachenabhängiger Kondiktionsarten (in der Neuaufl., Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 586 f. sind die Ausführungen insoweit weniger ausführl.).
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andere Weise gesperrt. Damit greift sie insgesamt ein. Der Geltungsbefehl für das Eingreifen der Rechtsfolge kommt aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB selbst. Daran schließen sich sodann automatisch die §§ 818 ff. BGB an, da § 818 Abs. 1 BGB sich ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Herausgabe nach den vorangegangenen Vorschriften bezieht. Insofern besteht ein gesetzlicher Automatismus. Dass § 818 Abs. 1 BGB mit der Verpflichtung zur Herausgabe eine solche meint, die sich aus den ihm vorangehenden Anspruchsgrundlagen ergibt, zeigt sich an seinem Standort innerhalb des Bereicherungsrechts. Er steht am Ende der bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen und knüpft mit der Herausgabepflicht an die Rechtsfolge an, die sämtliche dieser Anspruchsgrundlagen regeln.19 In § 516 Abs. 2 S. 3 BGB bedarf es demnach keiner Verweisung auf das Bereicherungsrecht, um die Rechtsfolgen der §§ 818 ff. BGB herbeizuführen. Denn eine konstitutive Verweisung ist nur dann erforderlich, wenn das Verweisungsobjekt von sich aus gerade nicht anwendbar ist, im konkreten Fall aber dennoch angewendet werden soll. Dabei kann die Intention des Gesetzgebers dahin gehen, Teile des Tatbestands des Verweisungsobjekts im Rahmen der Verweisungsvorschrift anzuwenden (Rechtsgrundverweisung) oder durch einen externen Geltungsbefehl in der Verweisungsvorschrift die Rechtsfolgen des Verweisungsobjekts für anwendbar zu erklären (Rechtsfolgenverweisung). Das Eingreifen einer Rechtsfolge bedarf stets einer Geltungsanordnung, die grundsätzlich in der Vorschrift selbst in Form des Tatbestands enthalten ist. 20 Bei einer Rechtsfolgenverweisung ergibt sie sich aus dem Tatbestand der Verweisungsvorschrift. Dies ist jedoch nicht erforderlich, wenn der eigene Tatbestand des Verweisungsobjekts eingreift und damit den Geltungsbefehl selbst anordnet. Die dennoch erfolgte Verweisung ist demnach deklaratorisch und weist als solche schlicht auf die vollständige Geltung des Verweisungsobjekts hin. Da eine Vorschrift als Rechtssatz stets einen Tatbestand und eine Rechtsfolge enthält 21 und als solche daher von sich aus nur eingreifen kann, wenn ihr Tatbestand erfüllt ist, bezieht sich eine deklaratorische Verweisung denknotwendig immer auf das gesamte in Bezug genommene Verweisungsobjekt. Deklaratorische Verweisungen können daher nur Rechtsgrundverweisungen sein. Nur die Rechtsfolge einer Vorschrift für anwendbar zu erklären, ist lediglich dann sinnvoll, wenn diese nicht bereits durch eine andere Vorschrift für anwendbar erklärt wird. Ordnet die Verweisung ausschließlich die Geltung der 19 Vgl. zu den Voraussetzungen der Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB idS für alle MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 3. 20 Siehe dazu auch in Kap. 1, § 2 II. 21 Hassold, JR 1989, 358, 359; Larenz, Methodenlehre, S. 251 ff.; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, Rn. 121 ff. Siehe auch Bydlinski, Methodenlehre, S. 196 („grundsätzlich“).
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Rechtsfolge des Verweisungsobjekts, das heißt ohne Eingreifen dessen Tatbestands, an, weil die Voraussetzungen des Letzteren nicht vorliegen, ist die Verweisung konstitutiv. Dies ist in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB nicht erforderlich. Wer hierin dennoch eine Rechtsfolgenverweisung sehen will, weil die Vorschrift selbst Tatbestandsvoraussetzungen enthält, an die sich die §§ 818 ff. BGB aufgrund der Verweisung anschließen, muss konsequenterweise zugleich den deklaratorischen Charakter der Verweisung in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB verneinen.22 In den Sachverhalten, die sich unter § 516 Abs. 2 S. 3 BGB subsumieren lassen, ist § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB aber nach hiesigem Verständnis insgesamt und sind damit auch die §§ 818 ff. BGB anwendbar. Der Geltungsbereich des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB kann durch § 516 Abs. 2 S. 3 BGB nicht erweitert werden, da dieser keine über den bereicherungsrechtlichen Tatbestand oder seine Rechtsfolge hinausgehenden Anordnungen trifft. In § 516 Abs. 2 S. 3 BGB kann allenfalls ein eigenständiger vertraglicher Herausgabeanspruch gesehen werden, auf den die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts übertragen werden. Dieser liefe jedoch mit § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB vollständig parallel. Dies kann nicht Sinn und Zweck der Verweisung in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB sein. Die Vorschrift stellt vielmehr klar, dass in der Konstellation des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB die Voraussetzungen des bereicherungsrechtlichen Anspruchs stets vorliegen. Dadurch entsteht keine zusätzliche Anspruchsgrundlage. Die Verweisung hat damit deklaratorischen Charakter und ist als solche eine Rechtsgrundverweisung. 3. Fazit zu der Analyse der Verweisung in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB Die Analyse des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB zeigt, dass es sich hierbei um eine deklaratorische Verweisung auf das Bereicherungsrecht handelt. Ob dies der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des BGB entsprach, ist allerdings fraglich. Der Gesetzgeber hat in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB wohl einen Anwendungsfall der Zweckverfehlungskondiktion gesehen, deren Voraussetzungen nach damaligem Verständnis im Fall der Ablehnung der Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB unter Umständen nicht stets vorlagen. Durch die Entwicklung der Voraussetzungen und Fallgruppen der condictio ob rem fällt die Bewertung nach heutiger Rechtslage indes anders aus. Die Voraussetzungen eines Kondiktionstatbestandes im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB liegen in den Sachverhalten, die unter § 516 Abs. 2 S. 3 BGB fallen, vielmehr stets vor.23 Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht wirkt auf diese Weise deklaratorisch. Die Ana22
Nicht ganz klar bei MünchKommBGB/Koch, § 516 Rn. 50, der von einer Klarstellung durch die Rechtsfolgenverweisung spricht. 23 Dies gilt unabhängig davon, welcher Variante des § 812 Abs. 1 BGB man die Fälle des § 516 zuordnet. Siehe dazu vorstehend unter 1.
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lyse der Verweisung zeigt, dass es sich bei deklaratorischen Verweisungen stets um Rechtsgrundverweisungen handelt, da eine deklaratorische Verweisung ausschließlich auf die Rechtsfolgen einer oder mehrerer Vorschriften denknotwendig ausgeschlossen ist. Rechtsfolgen greifen aufgrund eines entsprechenden Geltungsbefehls ein. Letzterer kommt entweder aus dem Verweisungsobjekt oder aus der Verweisungsvorschrift. Das Verweisungsobjekt kann die Geltung der Rechtsfolge nur anordnen, wenn seine Voraussetzungen vorliegen, das heißt, wenn es von sich aus eingreift. Eine Verweisung hierauf bezieht sich automatisch auf den gesamten Inhalt des Verweisungsobjekts und ist als Verweisung damit deklaratorisch. Die Verweisungsvorschrift enthält einen Geltungsbefehl, wenn der Tatbestand des Verweisungsobjekts diesen für den konkreten Fall nicht vorgibt, weil seine Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen. Die Verweisung ist dann automatisch konstitutiv. Verweist eine Regelung hingegen auf ein Verweisungsobjekt, obwohl dieses als solches und damit vollumfänglich bereits von sich aus anwendbar ist, ist die Verweisung lediglich deklaratorisch, da die Geltungsanordnung für die Rechtsfolge schon aus dem Verweisungsobjekt folgt. Die Verweisungsvorschrift enthält lediglich den Hinweis auf die Geltung des Verweisungsobjekts. Letzteres kommt aber von sich aus zur Anwendung. Der Rechtsanwender muss demnach prüfen, ob die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts vorliegen. Dafür bietet ihm die Verweisungsvorschrift zumindest im Fall des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB Hilfestellungen, da sie bereits klarstellt, dass bestimmte Tatbestandsmerkmale des Verweisungsobjekts vorliegen. Ob dies für die deklaratorischen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht typisch ist, wird im Folgenden anhand eines weiteren Beispiels einer Verweisung auf das Bereicherungsrecht überprüft.
II. § 531 Abs. 2 BGB § 531 Abs. 2 BGB, der einen Herausgabeanspruch im Fall des Schenkungswiderrufs vorgibt, enthält ebenfalls eine Rechtsgrundverweisung.24 Infolge eines Schenkungswiderrufs nach § 530 BGB entfällt der Rechtsgrund für 24 OLG Koblenz vom 6.10.2005 – 5 U 1220/04, NJW‑RR 2006, 437, 438; Erman/ Hähnchen, BGB, § 531 Rn. 2; MünchKommBGB/Koch, § 531 Rn. 4; Staudinger/Chiusi, BGB, § 531 Rn. 1. Dem steht nicht entgegen, dass der BGH in einigen Fällen im Rahmen der Anspruchsgrundlage lediglich (§ 530 Abs. 1,) § 531 Abs. 2 BGB zitiert (BGH vom 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277, 3277 [Rn. 14]; BGH vom 11.4.2000 – X ZR 246/98, juris, Rn. 22). In diesen Fällen scheiterte die Anwendbarkeit bereits am Fehlen einer Schenkung, die bereicherungsrechtlichen Voraussetzungen standen gar nicht in Rede. In anderen Fällen greift die Rspr. auf § 812 BGB durchaus zurück oder zitiert ihn in Verbindung mit § 531 Abs. 2 BGB (BGH vom 11.7.2000 – X ZR 78/98, NJW‑RR 2001, 6; BGH vom 19.1.1999 – X ZR 42/97, NJW 1999, 1626, 1627; BGH vom 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411, 1412; BGH vom 19.4.1961 – IV ZR 217/60, NJW 1961, 1458,
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die Schenkung, da der Schenkungsvertrag ex nunc unwirksam ist.25 Dies unterscheidet den Widerruf im Schenkungsrecht von einem Rücktritt, der nach ganz herrschender Ansicht nicht den gesamten Vertrag, sondern lediglich die primären Leistungspflichten ex nunc zum Erlöschen bringt.26 Die Unwirksamkeit des Schenkungsvertrags für die Zukunft führt dazu, dass nach einem Widerruf einer Schenkung die Voraussetzungen einer condictio ob causam finitam im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB vorliegen.27 Die Verweisung scheint demnach deklaratorisch zu sein. Aus den Motiven zum BGB wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 531 Abs. 2 BGB befürwortet hat, obwohl er hierin einen Fall der condictio ob causam finitam gesehen hat. Er hat der Verweisung ausdrücklich eine Klarstellungsfunktion zugeschrieben.28 Die Situation des § 531 Abs. 2 BGB ist mit der des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB vergleichbar, auch wenn der Gesetzgeber die Funktion der Verweisung in § 516 Abs. 2 S. 3 BGB zum ersten Entwurf des BGB anders eingeschätzt hat29 als die der Verweisung in § 531 Abs. 2 BGB: Die verweisende Vorschrift gibt jeweils eine rechtliche Situation vor – im Fall des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB das Nichtzustandekommen eines Schenkungsvertrags und in der Konstellation des § 531 Abs. 2 BGB dessen Unwirksamkeit infolge des Widerrufs. Damit füllen beide Vorschriften die bereicherungsrechtliche Voraussetzung des fehlenden Rechtsgrunds aus. Sie bestimmen ferner, dass das bereits geleistete Geschenk vom Beschenkten an den Schenker herausgegeben werden muss. Die Einzelheiten der Herausgabepflicht regeln die Vorschriften nicht selbst, sondern verweisen insofern auf das Bereicherungsrecht. Dieses ist in beiden Fällen jedoch bereits von sich aus anwendbar, da jeweils die Voraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage – § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB einerseits und § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB andererseits – vorliegen. Die Verweisung ist dem1459; OLG Hamm vom 15.8.2007 – 8 U 162/05, juris, Rn. 28; OLG Düsseldorf vom 12.2.2007 – I-9 U 112/06, juris, Rn. 42). 25 BGH vom 19.1.1999 – X ZR 42/97, NJW 1999, 1626, 1630; Erman/Hähnchen, BGB, § 531 Rn. 2; Staudinger/Chiusi, BGB, § 531 Rn. 1. 26 Für die h. M. zur Wirkung des Rücktritts BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 10); BT‑Drucks. 14/6040 S. 191; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 36; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 4. 27 So sah es bereits der Gesetzgeber des BGB. Siehe dazu Mugdan, Bd. 2, S. 169, 759; aus den Beratungen der Ersten Kommission, Protokoll I 1837, abgedruckt bei Jakobs/ Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. II, S. 405. BGH vom 19.1.1999 – X ZR 42/97, NJW 1999, 1626, 1630; Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 (Fn. 14); Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 34 bezeichnet den Schenkungswiderruf sogar als einen „Anwendungsfall der condictio ob causam finitam“. 28 Aus den Motiven zum BGB abgedruckt bei Mugdan, Bd. 2, S. 759. 29 Siehe zu § 516 Abs. 2 S. 3 BGB vorstehend unter I. 1.
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nach in beiden Fällen deklaratorischer Natur.30 Ein deklaratorischer Verweis kann sich aber nicht ausschließlich auf die Rechtsfolge einer Vorschrift beschränken. Er setzt vielmehr voraus, dass das Verweisungsobjekt bereits seinem originären Anwendungsbereich nach auf die von der verweisenden Vorschrift beschriebene rechtliche Konstellation anwendbar ist. Eine Vorschrift kann ohne Geltungsanordnung nicht nur ihrer Rechtsfolge nach auf eine bestimmte Konstellation anwendbar sein.31 Ebenso wie bei § 516 Abs. 2 S. 3 BGB gibt es auch bei § 531 Abs. 2 BGB keine Anhaltspunkte, dass dieser einen vorrangigen vertraglichen Rückgewähranspruch begründet und ergänzend in konstitutiver Weise auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts verweist.32 Die Konzeption des § 531 Abs. 2 BGB bestätigt mithin die These, es handele sich bei deklaratorischen Verweisungen stets um Rechtsgrundverweisungen.
III. § 556g Abs. 1 S. 3 BGB Im Jahr 2015 hat der Gesetzgeber in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB eine neue Verweisung auf das Bereicherungsrecht ins BGB eingefügt. Die Regelung betrifft Rückforderungsansprüche des Mieters für die Fälle, in denen der Vermieter eine die zulässige Miethöhe gemäß § 556d BGB übersteigende Miete verlangt. In der Literatur besteht Streit über die Frage, ob die Verweisung eine deklaratorische Rechtsgrund- oder eine konstitutive Rechtsfolgenverweisung ist.33 Überschreitet die Miete bei Mietbeginn die zulässige Höchstgrenze, bestimmt § 556g Abs. 1 S. 1, 2 BGB, dass die Vereinbarung über die Miethöhe insoweit unwirksam ist als der Höchstbetrag überschritten wird. Zahlt der Mieter dennoch die vertraglich geschuldete Miete, liegt darin eine Leistung an den Vermieter, für die wegen § 556g Abs. 1 S. 2 BGB im Umfang des überzahlten Betrags kein Rechtsgrund bestand. Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB liegen mithin vor. Dies wird vereinzelt unter Hinweis darauf bezweifelt, die überhöhte Miete bilde eine Naturalobligation und als solche einen Rechtsgrund, solange der Mieter die Rüge des § 556g 30 Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 (Fn. 16). Für § 531 Abs. 2 BGB bei Mugdan, Bd. 2, S. 759; Göppinger, JuS 1968, 405, 406 (Fn. 16); Staudinger/Chiusi, BGB, § 531 Rn. 1. 31 Siehe dazu in Kap. 1 § 2 II. 32 A. A. (für selbstständige Ansprüche) aber wohl Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 584. 33 Für die Einordnung als Rechtsgrundverweisung Hinz, ZMR 2014, 593, 599; Frank, Die Mietpreisbremse, S. 85; MünchKommBGB/Artz, § 556g Rn. 5 (anders allerdings noch Artz, MDR 2015, 549, 552); Staudinger/Emmerich, BGB, § 556g Rn. 8. Für die Gegenansicht (Rechtsfolgenverweisung) BeckOK Mietrecht/Theesfeld, § 556g BGB Rn. 5 (wenn auch nicht ausdrückl.); Fleindl, WuM 2015, 212, 213; Schmidt-Futterer/ Börstinghaus, § 556g BGB Rn. 15. Abw. und wohl für eine konstitutive Rechtsgrundverweisung Diehl/Schreiner, ZMR 2017, 455, 456.
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Abs. 2 S. 1 BGB noch nicht erhoben habe.34 § 556g Abs. 2 S. 1 BGB bezieht die Rüge jedoch ausdrücklich ausschließlich auf den Rückforderungsanspruch. Der Mieter kann die überzahlte Miete erst zurückverlangen, nachdem er die Rüge erhoben hat. § 556g Abs. 1 S. 2 BGB ordnet allerdings die teilweise Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Miete unabhängig von der Rüge an.35 Eine Zahlungspflicht besteht daher von Beginn an nur in dem Umfang, in dem die vereinbarte Miethöhe zulässig ist, sodass für eine dennoch erfolgte Zahlung von Anfang an kein Rechtsgrund bestand. Der Mieter kann die vollumfängliche Zahlung entsprechend auch von Beginn an ohne Rüge verweigern.36 Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB liegen in diesen Fällen vor.37 Der Ansatz dafür, in § 556 Abs. 1 S. 3 BGB dennoch eine Rechtsfolgenverweisung zu sehen, kann nur darauf beruhen, dass diese Vorschrift einen gegenüber dem Bereicherungsrecht vorrangigen vertraglichen Rückforderungsanspruch begründet, der in seinen Rechtsfolgen auf das Bereicherungsrecht verweist.38 Dabei wird mitunter auf eine Parallele zu § 547 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen, der ebenfalls als gegenüber dem Bereicherungsrecht spezieller Rückforderungsanspruch eingestuft wird.39 Für eine Einordnung des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB als vertraglicher Rückforderungsanspruch, der sodann im Wege einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht verweist, spricht, dass sich die Voraussetzungen einer Rückforderung anhand der tatbestandlichen Vorgaben des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB in Verbindung mit den ihm vorgehenden Vorschriften hinreichend bestimmen lassen.40 Die tatbestandliche Vorgabe ist daher in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB zur Anspruchsbegründung vollständig. Die Vorschrift ordnet im Übrigen 34
Diehl/Schreiner, ZMR 2017, 455, 457. § 556g BGB Rn. 6. 36 Artz, MDR 2015, 549, 552; MünchKommBGB/Artz, § 556g Rn. 4; Staudinger/Emmerich, BGB, § 556g Rn. 5. Ebenso bei einer Verteidigung gegen eingeklagte Mietrückstände: Hinz, ZMR 2014, 593, 599. 37 Darüber dürfte weitgehend Einigkeit bestehen: Hinz, ZMR 2014, 593, 599; MünchKommBGB/Artz, § 556g Rn. 5; Staudinger/Emmerich, BGB, § 556g Rn. 8; wohl auch BeckOK Mietrecht/Theesfeld, § 556g BGB Rn. 5; Fleindl, WuM 2015, 212, 213. Im Übrigen dürften regelmäßig auch die Voraussetzungen von § 817 S. 1 BGB gegeben sein. Die Einzelheiten zu § 817 S. 1 BGB und seinem Verhältnis zur condictio indebiti sind allerdings umstritten. Für alle BeckOK BGB/Wendehorst, § 817 Rn. 6 ff.; MünchKommBGB/Schwab, § 817 Rn. 4 ff. 38 Für einen vertraglichen Rückforderungsanspruch BeckOK Mietrecht/Theesfeld, § 556g BGB Rn. 5 f.; Fleindl, WuM 2015, 212, 213; Frank, Die Mietpreisbremse, S. 84 f.; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 556g BGB Rn. 15; siehe auch Börstinghaus, NJW 2015, 1553, 1558 f. 39 Fleindl, WuM 2015, 212, 213. 40 BeckOK Mietrecht/Theesfeld, § 556g Rn. 5; Frank, Die Mietpreisbremse, S. 85; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 556g Rn. 15. Siehe auch Fleindl, WuM 2015, 212, 213, 216. 35 Blank/Börstinghaus/Börstinghaus,
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ihre Grund-Rechtsfolge eigenständig an. Die Struktur des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB ist, wie noch zu zeigen ist, eine für Rechtsfolgenverweisungen typische.41 Auch die in § 556g Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 1 BGB angeordneten Modifikationen gegenüber den bereicherungsrechtlichen Vorgaben deuten eher darauf hin, dass § 556g Abs. 1 S. 3 BGB eine Rechtsfolgenverweisung enthält und insgesamt ein vertraglicher Rückerstattungsanspruch ist, der dem Bereicherungsrecht als solchem vorgeht.42 Die Einordnung als Rechtsfolgenverweisung ist dennoch keinesfalls zwingend, wie eine Auslegung der Vorschrift zeigt. 1. Wortsinn des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB Der Wortsinn des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB gibt ebenso wenig Aufschluss über die Art und Reichweite der Verweisung, wie es bei anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht der Fall ist. Einen, allerdings schwachen, Anhaltspunkt bildet der Wortsinn des § 556g Abs. 2 S. 1 BGB. Dieser bezieht sich nämlich nicht auf einen konkreten Anspruch, sondern spricht nur allgemein davon, wann eine Rückforderung möglich ist. Wollte er sich speziell auf einen durch § 556g Abs. 1 S. 3 BGB begründeten Anspruch beziehen, hätte § 556g Abs. 2 S. 1 BGB auch sprachlich deutlicher an Abs. 1 S. 3 anknüpfen können. Zwingend ist dies aber freilich nicht. 2. Anhaltspunkte aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens In den Erläuterungen zu § 556g Abs. 1 S. 3 BGB findet sich keine Aussage, die auf einen eindeutigen Willen des Gesetzgebers hindeuten könnte, die Verweisung in dieser Vorschrift in einer bestimmten Weise zu interpretieren. Der Gesetzgeber spricht allerdings davon, § 556g Abs. 1 S. 3 BGB stelle klar, dass eine zu viel gezahlte Miete nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden könne.43 Diese Ausführungen deuten zumindest auf ein Verständnis als deklaratorische Verweisung hin. In der Begründung zu § 556g Abs. 2 S. 1 BGB gibt es ein weiteres Indiz, das dafür spricht, die Verweisung in dessen Abs. 1 S. 3 BGB als deklaratorische Verweisung anzusehen – dort heißt es, die Vorschrift schließe Rückforderungsansprüche „gleich welcher Art“ für einen bestimmten Zeitraum aus. Der Hinweis darauf, dass Ansprüche „gleich welcher Art“ ausgeschlossen sein sollen, wäre überflüssig, wenn der Ausschluss sich konkret und ausschließlich auf einen durch § 556g Abs. 1 S. 3 BGB begründeten Anspruch 41
Siehe insbes. in diesem Kap. die Einzelanalysen in § 2. So BeckOK Mietrecht/Theesfeld, § 556g BGB Rn. 5; Fleindl, WuM 2015, 212, 213; Frank, Die Mietpreisbremse, S. 84 f.; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 556g BGB Rn. 15. 43 BT‑Drucks. 18/3121, S. 33. 42
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bezöge. Die Formulierung spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber es für möglich erachtet hat, dass Rückerstattungsansprüche nach unterschiedlichen Vorschriften bestehen können und er sichergehen wollte, diese sämtlich auszuschließen, solange der Mieter den Verstoß gegen die Vorgaben zur Miethöhe noch nicht gerügt hat. Dies bestätigt auch die Regelung des § 556g Abs. 1 S. 4 BGB, die im Anschluss an die Verweisung auf das Bereicherungsrecht bestimmt, die §§ 814, 817 S. 2 BGB seien nicht anzuwenden. § 814 BGB betrifft die Fälle der condictio indebiti. § 817 S. 2 BGB bezieht sich dagegen grundsätzlich ausschließlich auf § 817 S. 1 BGB. Er wird auf die im Bereicherungsrecht geregelten Leistungskondiktionen lediglich entsprechend angewendet.44 Wenn der Gesetzgeber sich in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB nicht auf einen Rückerstattungsanspruch festlegen wollte und dessen Bestehen vielmehr von den Vorgaben des Bereicherungsrechts abhängig machen wollte, kann ein solcher Anspruch nach verschiedenen Regelungen gegeben sein. Neben dem insoweit in Betracht kommenden § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB könnte in den Fällen des Überschreitens des zulässigen Miethöchstbetrags auch § 817 S. 1 BGB eingreifen, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind.45 Um eine Rückerstattung unabhängig davon gewährleisten zu können, ob eine der beiden Normen eingreift, muss sowohl der Ausschluss des § 814 BGB als auch der des § 817 S. 2 BGB angeordnet werden. Der Gesetzgeber hat es für erforderlich gehalten, das Eingreifen beider Kondiktionssperren auszuschließen. Das spricht dafür, dass er sich nicht auf eine Anspruchsgrundlage für die Rückerstattung festlegen wollte. Dies wiederum indiziert, dass es sich bei § 556g Abs. 1 S. 3 BGB um eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung handelt und sich die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs daher aus dem Bereicherungsrecht ergeben. 3. Fehlendes Spezialitätsverhältnis Für den deklaratorischen Charakter der Verweisung in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB lässt sich neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB insbesondere anführen, dass kein Grund dafür besteht, den gemäß dieser Vorschrift möglicherweise begründeten vertraglichen Rückforderungsanspruch als gegenüber dem Bereicherungsrecht spezielleren Anspruch einzuordnen. Sofern vertragliche Ansprüche bereiche44 BGH vom 14.7.1993 – XII ZR 262/91, NJW‑RR 1993, 1457, 1458 m. w. Nachw.; BeckOK BGB/Wendehorst, § 817 Rn. 11; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 817 Rn. 11; Esser/ Weyers, SchuldR BT II/2, S. 70; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 62; Mäsch, JuS 2014, 1123, 1124 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 696; Soergel/Hadding, BGB, § 817 Rn. 12. Siehe dazu in diesem Kap. § 4 VIII d). 45 Zu den Voraussetzungen für ein Eingreifen des § 817 S. 1 BGB u. a. auch im Verhältnis zu § 812 BGB BeckOK BGB/Wendehorst, § 817 Rn. 6 ff.; MünchKommBGB/ Schwab, § 817 Rn. 4 ff.
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rungsrechtlichen vorgehen, beruht dies entweder darauf, dass sie auf einem Rechtsgrund iSd bereicherungsrechtlichen Regelungen beruhen oder einen solchen selbst darstellen, oder sie gehen dem Bereicherungsrecht vor, weil sie über dessen Ansprüche hinausgehen oder sie einschränken. In den Fällen des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB besteht weder ein Rechtsgrund noch begründete die Vorschrift einen solchen, wenn sie eine Anspruchsgrundlage wäre. Sie führte auch nicht zu einem weitergehenden Anspruch als das Bereicherungsrecht ihn begründet. Im Gegenteil – der einzige Ansatz, die Vorschrift als vorrangigen vertraglichen Anspruch anzusehen, besteht darin, dass § 556g BGB Einschränkungen gegenüber den bereicherungsrechtlichen Vorgaben vorsieht. § 556g Abs. 1 S. 4 BGB schließt es aus, dass der Vermieter sich dem Anspruch des Mieters gegenüber auf die §§ 814, 817 S. 2 BGB berufen kann. § 556g Abs. 2 S. 1 BGB grenzt die Möglichkeit der Rückforderung ein, indem er den Mieter verpflichtet, zunächst den Verstoß zu rügen und die Rückforderung schließlich auf solche Mietzahlungen beschränkt, die nach dem Zugang dieser Rüge fällig geworden sind. Dass die Vorschrift dadurch Modifikationen hinsichtlich der Rückforderungsmöglichkeit nach dem Bereicherungsrecht bestimmt, deutet zwar darauf hin, dass sie einen eigenen Anspruch gewährt, zwingend ist dies aber nicht. Die Anspruchsgrundlage für die Rückforderung kann originär aus dem Bereicherungsrecht stammen und ebendieser Anspruch kann durch § 556g Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 1 BGB eingeschränkt sein.46 Diese Regelungstechnik ist dem BGB nicht fremd. § 475 Abs. 3 S. 1 BGB schränkt beispielsweise § 439 Abs. 5 BGB in dessen originären Anwendungsbereich ein, wenn der zugrunde liegende Kaufvertrag einen Verbrauchsgüterkauf darstellt. Die Verweisung auf § 439 Abs. 5 BGB, derer § 475 Abs. 3 S. 1 BGB sich bedient, soll in dieser Vorschrift lediglich einen Anknüpfungspunkt für die Einschränkung schaffen. Um eine andernorts geregelte Vorschrift einschränken zu können, muss sie in der einschränkenden Norm genannt werden, da sonst nicht erkennbar ist, worauf sich die Beschränkung bezieht. § 556g Abs. 1 S. 3 BGB muss demnach darauf hinweisen, dass sich die Herausgabe nach dem Bereicherungsrecht richtet, um zum Beispiel in seinem nachfolgenden Satz (S. 4) regeln zu können, dass für diesen Anspruch in den Fällen des Verstoßes gegen die Mietpreisbremse ausnahmsweise kein Berufen auf die §§ 814, 817 S. 2 BGB möglich ist, obwohl dies im originären Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts der Fall wäre. § 556g Abs. 1 S. 3 BGB muss dafür nicht zwingend einen eigenständigen Anspruch gewähren. Das entscheidende Argument gegen eine Interpretation des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB als eigenständigen vertraglichen Anspruch ist jedoch der eigentlich von der Gegenansicht bemühte Vergleich zu § 547 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei 46
So i. E. Hinz, ZMR 2014, 593, 599.
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letzterer Vorschrift ist in ähnlicher Weise wie bei § 556g Abs. 1 S. 3 BGB fraglich, ob es sich um eine deklaratorische Rechtsgrund- oder um eine Rechtsfolgenverweisung handelt.47 Die herrschende Ansicht interpretiert § 547 Abs. 1 S. 2 BGB als eigenständigen vertraglichen Anspruch mit einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.48 § 628 Abs. 1 S. 3 BGB enthält eine parallele Regelung für das Dienstvertragsrecht. Er wird in derselben Weise interpretiert wie § 547 Abs. 1 S. 2 BGB. Insbesondere wird er auch als gegenüber dem Bereicherungsrecht spezieller, vertraglicher Anspruch eingeordnet. Das Spezialitätsverhältnis zum Bereicherungsrecht ergibt sich bei diesen beiden Vorschriften daraus, dass beide Regelungen einen Rückerstattungsanspruch vorsehen, diesen aber nur in einer der dabei vorgesehenen Varianten den Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts unterwerfen. In der anderen Variante soll das Bereicherungsrecht hingegen keine Anwendung finden (für § 547 Abs. 1 in S. 1 und für § 628 Abs. 1 S. 3 im 1. Fall). Die Vorschriften enthalten demnach einen Anspruch auf Rückerstattung, dessen Rechtsfolgen sich nach vertraglichen Grundsätzen einerseits und nach bereicherungsrechtlichen andererseits richten. In § 628 Abs. 1 S. 3 BGB ist dies gar formal in demselben Satz geregelt. Wäre der vertragliche Anspruch in diesen Fällen nicht vorrangig vor dem (originär) bereicherungsrechtlichen, bestünde der Herausgabeanspruch des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB in den Sachverhaltskonstellationen, die den §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB zugrunde liegen, stets, das heißt sowohl in den Fällen der §§ 547 Abs. 1 S. 1, 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB als auch in denen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB. Denn die letztgenannten Teile dieser Regelungen bestimmen nur positiv einen Anspruch für die dort näher benannten Fälle, schließen aber einen Bereicherungsanspruch für die §§ 547 Abs. 1 S. 1, 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB nicht aus. Bestünde in letzteren Fällen ein Bereicherungsanspruch, entstünde ein Wertungswiderspruch zu den vertraglichen Regelungen, da diese gerade vorsehen, dass die Regelungen des Bereicherungsrechts nicht stets, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar sein sollen.49 § 556g Abs. 1 S. 3 BGB sieht demgegenüber keinen rein vertraglichen Erstattungsanspruch vor, der sich nur in einer bestimmten Variante nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen richtet. Der Mieter hat vielmehr stets denselben Anspruch, der auch in jedem Fall den Beschränkungen des § 556g Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 1 BGB unterliegt. Die Be47
Siehe dazu in diesem Kap. § 5 II. vom 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289, 2290; Frotz, AcP 164 (1964), S. 309, 323 (zur vor dem 14.7.1964 geltenden Vorgängernorm des § 543 Abs. 2 BGB a. F.); Hadding, FS Mühl, S. 225, 237 (zur Vorgängernorm des § 557a BGB a. F.); Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rn. 26, 45; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 22; Wunner, NJW 1966, 2285 (zur Vorgängernorm des § 557a BGB a. F.). 49 Siehe dazu in diesem Kap. § 5 II. 1. 48 BGH
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schränkungen greifen unabhängig davon ein, ob man § 556g Abs. 1 S. 3 BGB als Anspruchsgrundlage versteht oder den Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB für gegeben erachtet. 4. Folgerungen aus den Überlegungen zum Charakter der Verweisung in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB Die Verweisung in § 556g Abs. 1 S. 3 BGB ist als deklaratorische Rechtsgrundverweisung anzusehen. Die Voraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage liegen in den von dieser Vorschrift geregelten Fällen von sich aus vor, sodass es keiner Verweisung bedarf, um seine Anwendung zu ermöglichen. Die Verweisung erweitert daher auch nicht den Geltungsbereich des Bereicherungsrechts. Sie schränkt dessen Regelungen vielmehr ein, wenn der Mieter eine überzahlte Miete anteilig zurückverlangt. Um diese Einschränkung regeln zu können, muss § 556g BGB auf das Bereicherungsrecht Bezug nehmen, da sonst kein Anknüpfungspunkt für eine Beschränkung bestünde. Darin liegt eine der Funktionen deklaratorischer Verweisungen – sie ermöglichen es, in einer Vorschrift an eine andernorts befindliche Regelung anzuknüpfen.
IV. Fazit zu den deklaratorischen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Zumindest für die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht lässt sich zunächst festhalten, dass deklaratorische Verweisungen stets Rechtsgrundverweisungen sind. Die bereicherungsrechtlichen Vorschriften sind auf die Lebenssachverhalte, die sich unter § 516 Abs. 2 S. 3 BGB, § 531 Abs. 2 BGB und § 556g Abs. 1 S. 3 BGB subsumieren lassen, bereits von sich aus vollumfänglich anwendbar. Demnach greifen auch die Einreden und Einwendungen des Bereicherungsrechts ein.50 § 556g Abs. 1 S. 4 BGB schließt es jedoch aus, dass der Anspruchsgegner sich auf die §§ 814, 817 S. 2 BGB beruft. Dies beruht auf der dortigen ausdrücklichen Anordnung. Deklaratorische Verweisungen auf das Bereicherungsrecht bergen keine Probleme hinsichtlich ihres Geltungsumfangs, da das Bereicherungsrecht originär und damit naturgemäß vollumfänglich anwendbar ist. Der Geltungsbefehl ergibt sich bereits aus dem Verweisungsobjekt selbst, sodass die Verweisungsvorschrift weder den Geltungsbereich des Verweisungsobjekts erweitert noch dieses in die Verweisungsvorschrift inkorporiert. Die Schwierigkeiten, die mit deklaratorischen Verweisungen verbunden sind, liegen 50 Für § 817 S. 2 BGB im Fall des § 531 Abs. 2 BGB BGH vom 19.4.1961 – IV ZR 217/60, NJW 1961, 1458, 1459 f.; MünchKommBGB/Koch, § 531 Rn. 4.
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ausschließlich in der Zuordnung der jeweiligen Verweisung zur Gruppe der deklaratorischen Rechtsgrundverweisungen. Auch insoweit sind deklaratorische Verweisungen jedoch die unproblematischste unter den Verweisungsgruppen, da sie regelmäßig leicht erkennbar sind. Dies ergibt sich entweder bereits aus ihrem Standort im Gesetz – zum Beispiel, weil sie in einem allgemeinen Teil eines Gesetzes geregelt sind – oder aus ihrer inhaltlichen Ausgestaltung, weil sie auf die Fälle der Verweisungsvorschrift von sich aus Anwendung finden. Die Verweisungsvorschrift enthält in diesen Fällen keine Voraussetzungen, die über die Anforderungen hinausgehen, die das Verweisungsobjekt vorgibt. Wie die Betrachtung des § 556 Abs. 1 BGB gezeigt hat, können deklaratorische Verweisungen durchaus eine Daseinsberechtigung haben. Sie erleichtern nicht nur das Auffinden solcher Regelungen, die im konkreten Fall eingreifen, aber andernorts geregelt sind, sondern eröffnen ferner die Möglichkeit, an anderer Stelle im Gesetz Regelungen vorzusehen, die die allgemeine Vorschrift für den konkreten Fall eingrenzen, ohne dass dafür zwingend eine neue, spezielle Regelung geschaffen werden müsste.
§ 2 Konstitutive Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Zurückgehend auf das Reichsgericht wird die Ansicht vertreten, Rechtsfolgenverweisungen bildeten den Regelfall unter den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, während Rechtsgrundverweisungen unter ihnen nur vereinzelt anzutreffen seien.51 Tatsächlich haben die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht unter den verschiedenen Bereichsverweisungen den höchsten Anteil an Rechtsfolgenverweisungen. Die Verweisungen auf andere Bereiche innerhalb des BGB sind mit Ausnahme derer auf das Rücktrittsrecht, wie noch zu zeigen ist, stets Rechtsgrundverweisungen und als solche daher insgesamt anders strukturiert.52 Unter den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht bilden Rechtsfolgenverweisungen die größte Gruppe. Während es sich hierbei um eine gesicherte Erkenntnis handelt, soll die folgende Untersuchung der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht zeigen, dass die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht mit Ausnahme der §§ 516 Abs. 2 S. 3, 531 Abs. 2, 556g Abs. 1 S. 3 BGB konstitutive Verweisungen und zudem stets Rechtsfolgenverweisungen sind. Der Umfang der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zunächst ist stets die bereits vorgelagerte 51
RG vom 24.11.1932 – VIII 331/32, RGZ 139, 17, 22; RG vom 16.1.1913 – IV 504/12, RGZ 81, 204, 206; PPW/Prütting, BGB, § 812 Rn. 17; Staudiner/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 33. 52 Siehe dazu in Kap. 4.
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Frage, ob es sich bei einer Verweisung überhaupt um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, zu beantworten (siehe dazu nachfolgend unter II., III.). In einem zweiten Schritt ist zu klären, auf welche Vorschriften des Bereicherungsrechts sich die Rechtsfolgenverweisungen beziehen, wenn es sich bei ihnen um Bereichsverweisungen handelt, das heißt, welche Vorschriften die „Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts“ regeln. § 818 BGB betrifft schon seiner Überschrift nach den „Umfang des Bereicherungsanspruchs“, was für seine Anwendbarkeit als Konsequenz einer Rechtsfolgenverweisung spricht. Während es allerdings auch weitgehend unstreitig sein dürfte, dass § 818 BGB infolge derartiger Verweisungen anwendbar ist, bestehen sowohl Unklarheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 819 ff. BGB als auch in Bezug auf die der bereicherungsrechtlichen Einwendungen (siehe dazu unter § 4). Die Analyse geht zunächst von den theoretischen Grundlagen zur Struktur von Verweisungsvorschriften aus, die im ersten Kapitel der Arbeit ermittelt wurden. Der Ausgangsprämisse nach handelt es sich bei Rechtsfolgenverweisungen stets um konstitutive Verweisungen.53 Als solche haben sie eine inkorporierende Wirkung hinsichtlich des Inhalts des Verweisungsobjekts und dehnen dadurch dessen Geltungsbereich für den Anwendungsbereich der Verweisungsvorschrift aus.54 Durch eine Rechtsfolgenverweisung wird mehreren Tatbeständen auf diese Weise dieselbe Rechtsfolge zugeordnet.55
I. Vorüberlegungen zu den Rechtsfolgeregelungen des Bereicherungsrechts Grundsätzlich regelt jede anspruchsbegründende Vorschrift des Bereicherungsrechts, das heißt die §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. und 2. Fall, Abs. 1 S. 2 1. und 2. Fall, 813 Abs. 1 S. 1, 816 Abs. 1 S. 1 und S. 2, Abs. 2, 817 S. 1 BGB, ihre Grund-Rechtsfolge – die Herausgabe des Erlangten – selbst. Zwar variieren die Anspruchsgegner ebenso wie die weiteren Anspruchsvoraussetzungen der einzelnen Vorschriften, diese Unterschiede der Anspruchsgrundlagen betreffen aber ausschließlich die Tatbestandsseite. Die Rechtsfolge – Herausgabe des Erlangten – ist jedoch allen Anspruchsgrundlagen der §§ 812 ff. BGB gemein und wird von ihnen entsprechend eigenständig angeordnet. Die Verweisungsvorschriften innerhalb des BGB, die im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Bereicherungsrecht verwei53
Siehe dazu in Kap. 1, § 2 II.
54 Siehe ausführl. in Kap. 1, § 1 II. 2. 55 Budde, Jura 1984, 578, 579. Grundlegend
zu der Möglichkeit, mit versch. Tatbeständen dieselbe Rechtsfolge herbeizuführen Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 65 ff.
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sen, ordnen in gleicher Weise ihre Grund-Rechtsfolge eigenständig an.56 Sie verpflichten den Schuldner regelmäßig ebenfalls zu einer Herausgabe des Erlangten. Wenn in einigen Vorschriften von einem Wertersatz (z. B. § 1390 Abs. 1 BGB) oder einer Rückerstattung (z. B. die §§ 547, 628 BGB) die Rede ist, liegt dies nicht an einer davon dem Grunde nach abweichenden Anordnung. Der Grund hierfür liegt vielmehr in der sich unterscheidenden Art der zurückzugewährenden Leistung. Ferner zeigt die Überschrift des § 2021 BGB „Herausgabepflicht“, dass es sich dem Grunde nach bei dieser Vorschrift ebenfalls um einen Herausgabeanspruch handelt. Da § 2021 BGB jedoch tatbestandlich voraussetzt, dass die gegenständliche Herausgabe nach § 2018 BGB nicht möglich ist, handelt es sich de facto um einen Wertersatzanspruch, dessen Umfang sich aufgrund der Verweisung nach § 818 Abs. 2 BGB bestimmt.57 Die Grund-Rechtsfolge ergibt sich mithin aus der Vorschrift, auch wenn die Formulierung „(…) bestimmt sich seine Verpflichtung nach (…)“ insofern nicht präzise ist. Das Bereicherungsrecht regelt über die Anordnung der Grund-Rechtsfolge hinaus in den §§ 818 ff. BGB Modalitäten der Herausgabepflicht. Dies fehlt den Verweisungsnormen oder den Abschnitten, in denen diese sich befinden. Insoweit ist die Verweisungsvorschrift daher auf die Geltung des Bereicherungsrechts angewiesen. Dies legt es nahe, dass Rechtsfolgenverweisungen sich auch nur auf die Vorschriften beziehen, die die bereicherungsrechtliche Herausgabepflicht modifizieren. Eine Verweisung auf die anspruchsbegründenden Vorschriften wäre bezogen auf die Anordnung der jeweiligen Rechtsfolge überflüssig. Allerdings hätte ein umfassender Verweis auch auf bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen gleichzeitig die Anwendbarkeit der Einwendungen, die sich auf bestimmte Anspruchsgrundlagen der §§ 812 ff. BGB beziehen, zur Folge. Dies ist bei einem isolierten Verweis auf die §§ 818 ff. BGB unter Umständen problematisch.58 Ferner können sich im Fall des § 822 BGB Besonderheiten ergeben, da hier der Anspruchsgegner ein Dritter ist. Obwohl sich die Rechtsfolge dieser Vorschrift ebenfalls nicht von der einer verweisenden Norm unterscheidet, könnte ihre Geltung im Zuge der Verweisung interessant sein, weil sie einen 56 So schon die Einschätzung des Reichsgerichts, RG vom 16.1.1913 – IV 504/12, RGZ 81, 204, 206, sowie Haddings, FS Mühl, S. 225, 258 und Hassolds, JR 1989, 358, 359. Bei § 682 BGB ergibt sich die Grund-Rechtsfolge aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften. Siehe dazu in diesem Kap. unter II. 4 c). 57 § 2021 BGB wird ein obligatorischer Charakter zuerkannt: BGH vom 14.10.2015 – IV ZR 438/14, NJW 2016, 156, 158; Erman/Horn, BGB, Vor § 2018 Rn. 2; Reimann, NJW 2016, 158; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. zu §§ 2018 ff. Rn. 21; Wellenhofer, JuS 2015, 272, 274. Er wird auch als Sekundäranspruch bezeichnet Olzen, Jura 2001, 223, 226; Prütting, JuS 2015, 205, 208 f. 58 Siehe zur Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Einwendungen infolge einer Rechtsfolgenverweisung in diesem Kap. § 4 VIII.
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Anspruch gegen einen Dritten begründen könnte, auch wenn die Verweisungsvorschrift selbst nur Ansprüche im Verhältnis zweier Personen begründet. Vielfach werden sowohl die bereicherungsrechtlichen Kondiktionssperren als auch § 822 BGB als von den Bereichsverweisungen auf die Vorschriften des Bereicherungsrechts umfasst angesehen.59 Ob und inwieweit dies der Fall ist und ob der Begriff „Rechtsfolgenverweisung“ daher möglicherweise weiter zu verstehen ist als sein Wortsinn vorgibt, soll eine Analyse einzelner Rechtsfolgenverweisungen zeigen (dazu zunächst unter II. und später unter § 4).
II. Einordnung einzelner Vorschriften als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen Als erster Schritt zur Ermittlung des Umfangs einer Verweisung muss ermittelt werden, ob es sich hierbei nach dem herkömmlichen Begriffsverständnis um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt. Dies ist in einigen Fällen bereits problematisch, wie eine Untersuchung der §§ 951 Abs. 1 S. 1, 977, 852 S. 1, 682, 684 S. 1, 1434, 1457, 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB zeigt. 1. Konkrete Einordnung von § 951 BGB § 951 Abs. 1 S. 1 BGB wird von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur als Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht verstanden.60 Dabei soll Uneinigkeit bestehen, ob es sich um 59
Hadding, FS Mühl, S. 225, 248 ff., der allerdings die Unterscheidung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen für Verweisungen auf das Bereicherungsrecht und ähnliche von ihm als „Abschnittsverweisungen“ bezeichnete Verweisungen als unpassend aufgibt. Für die §§ 813, 814, 815, 817 S. 2 BGB Erman/Dornis, BGB, § 684 Rn. 2; Hadding, FS Mühl, S. 225, 254 ff.; Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 f.; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616 (für § 684 S. 1 BGB); Soergel/Beuthien, BGB, § 684 Rn. 4 (Fn. 13); zumindest entsprechend für § 815 BGB BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, NJW 1966, 1653, 1655. Für § 822 BGB Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 87 ff., 111. 60 BGH vom 19.9.2014 – V ZR 269/13, NJW 2015, 229, 231; BGH vom 18.7.2014 – V ZR 291/13, NJOZ 2014, 1888, 1890; BGH vom 11.1.1971 – VIII ZR 261/69, BGHZ 55, 176, 177; BGH vom 26.2.1964 – V ZR 105/61, BGHZ 41, 157, 159; BGH vom 31.10.1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 276; BGH vom 18.9.1961 – VII ZR 118/60, BGHZ 35, 356, 359; BGH vom 13.5.1955 – V ZR 36/54, BGHZ 17, 236, 238; BGH vom 30.10.1952 – IV ZR 89/52, LM Nr. 14 zu § 812 BGB; Baur/Wolf, JuS 1966, 393 f.; Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 506; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 201; Erman/Ebbing, BGB, § 951 Rn. 3; Huber, JuS 1970, 342 f.; Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 36; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 3; Pikart, WM 1974, 650, 656; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 583 f., 586; Soergel/Hennsler,
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eine deklaratorische oder eine konstitutive Rechtsgrundverweisung handelt.61 Nachweise finden sich allerdings fast nur (noch) für die Einordnung als deklaratorische Verweisung.62 Ausgangspunkt der Diskussion über den Charakter der Verweisung ist die Frage, ob der Eigentumserwerb gemäß den §§ 946 bis 950 BGB einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB darstellt und das Bereicherungsrecht, wenn dies nicht der Fall wäre, daher nach einem gesetzlichen Eigentumserwerb bereits ohne die Anordnung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB originär anwendbar wäre. Der Streit wird in der Literatur vereinzelt als im Ergebnis – das heißt für den Prüfungsumfang in der Rechtsanwendung – irrelevant eingestuft.63 Dagegen wird vorgebracht, der Verweisungscharakter sei durchaus relevant, da § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nach dem Verständnis der herrschenden Meinung als Rechtsgrundverweisung auf die Nichtleistungskondiktion auch nur Letztere erfassen könnte. Da allerdings nach allgemeiner Ansicht eine Leistungskondiktion neben § 951 BGB möglich ist, könne die Vorschrift lediglich deklaratorischen Charakter haben.64 Die letztgenannte Ansicht übersieht, dass der Verweis auf das Bereicherungsrecht in § 951 Abs. 1. S. 1 BGB, auch wenn er sich nur auf die Nichtleistungskondiktion bezieht, konstitutiver Natur sein kann: Eine Leistungskondiktion kann daneben (von sich aus) anwendbar sein, wenn der fehlende Rechtsgrund für eine möglicherweise fehlgeschlagene Leistung sich aus anderen rechtlichen Aspekten ergibt als dem gesetzlichen Eigentumserwerb gemäß den §§ 946 ff. BGB, an den die Nichtleistungskondiktion als möglichen Rechtsgrund anknüpft.65 BGB, § 951 Rn. 1 f.; Staudinger/Gursky/Wiegand/, BGB, § 951 Rn. 1. A. A. (Rechtsfolgenverweisung) RG vom 16.1.1913 – IV. 504/12, RGZ 81, 204, 205 f.; Hadding, FS Mühl, S. 225, 260 ff.; Imlau, NJW 1964, 1999 f.; Mauser, Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs gemäß § 951 Abs. 1 BGB, S. 8 ff., 121; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1079 ff., 1091. 61 Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 1. 62 Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 506; Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 36; Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 (Fn. 16, siehe allerdings auch Fn. 18); Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 1 (unter Verweis auf die h. M.). Wohl auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67 III. 2.f., S. 141; Soergel/Hennsler, BGB, § 951 Rn. 1, die jeweils davon sprechen „§ 951 BGB stellt klar“, dass es sich bei dem gesetzlichen Eigentumserwerb nicht um einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts handele. Inzwischen auch Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 54 Rn. 1. Der BGH betont in einer jüngeren Entscheidung, bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht und nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage (BGH vom 18.7.2014 – V ZR 291/13, NJOZ 2014, 1888, 1890). Dies kann nur bedeuten, dass die Verweisung nach Ansicht des BGH deklaratorischer Natur ist, da sie als konstitutive Verweisung eine Anspruchsgrundlage darstellen könnte oder gegebenenfalls sogar müsste. 63 So der Hinweis bei Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 1. 64 MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 2. 65 Siehe sogleich unter a) aa).
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Die Frage nach dem Charakter der Verweisung als deklaratorisch oder konstitutiv ist aus zwei Gründen dennoch bedeutsam. Zunächst wäre es nicht erklärlich, warum über den Umfang der Verweisung auf das Bereicherungsrecht – konkret über die Frage, ob sie sich lediglich auf die Nichtleistungs- oder zugleich auf die Leistungskondiktion bezieht – gestritten wird, wenn die Verweisung deklaratorischer Natur wäre. Bei einer deklaratorischen Verweisung liegen die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts, in diesem Fall des § 812 Abs. 1 BGB, ohnehin vor.66 Die Verweisung hat keine Bedeutung, die über einen bloßen Hinweis auf die Anwendbarkeit einer ohnehin anwendbaren Vorschrift hinausgeht. § 951 Abs. 1 S. 1 BGB bezöge sich auf das Bereicherungsrecht in dem Umfang, in dem dieses jeweils von sich aus anwendbar ist. Es dürfte daher allenfalls streitig sein, welche der Varianten des § 812 Abs. 1 BGB in einem konkreten Fall vorliegt. Ein derartiger Streit wäre indes im Rahmen des § 812 BGB zu entscheiden. Ob die Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB konstitutiver oder deklaratorischer Natur ist, kann noch aus einem weiteren Grund bedeutsam sein. Sie kann helfen, die Frage zu beantworten, ob die Vorschrift eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung enthält. Während eine deklaratorische Verweisung stets eine Rechtsgrundverweisung darstellt, handelt es sich bei Rechtsfolgenverweisungen zwingend um konstitutive Verweisungen.67 Wenn es sich demnach bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB um eine deklaratorische Verweisung handelte, müsste hierin zwingend eine Rechtsgrundverweisung liegen. Eine konstitutive Verweisung könnte in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen sowohl eine Rechtsgrund- als auch eine Rechtsfolgenverweisung sein. a) Konstitutive oder deklaratorische Verweisung Ob § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Verweisung deklaratorisch oder konstitutiv ist, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB in einer (oder mehrerer) seiner Varianten in den von § 951 Abs. 1 S. 1 BGB erfassten Sachverhalten ohnehin vorliegen (dazu unter aa)) oder ob Letzterer entweder über § 812 Abs. 1 BGB hinausgehende oder einschränkende Voraussetzungen aufstellt (dazu unter bb)). aa) Anwendung des § 812 Abs. 1 BGB bei vorangegangenem gesetzlichen Eigentumserwerb § 951 Abs. 1 S. 1 BGB wäre als Verweisungsvorschrift konstitutiv, wenn der gesetzliche Eigentumserwerb gemäß den §§ 946 bis 950 BGB ohne 66 Siehe zu deklarator. Verweisungen allg. in Kap. 1, § 2 II., zu denen auf das Bereicherungsrecht im Speziellen unter § 1 dieses Kapitels. 67 Siehe dazu in Kap. 1, § 2 II.
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die Anordnung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB darstellen und das Bereicherungsrecht mithin von sich aus keinen Ausgleichsanspruch des vormaligen Eigentümers gegen den Erwerber begründen würde. Die Frage, ob der gesetzliche Eigentumserwerb durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellt, wird seit langem diskutiert. Vergleichbare Diskussionen gibt es ferner in anderen Fällen, in denen das Gesetz in Anknüpfung an einen tatsächlichen Vorgang einen Rechtserwerb anordnet.68 Die in sämtlichen dieser Fälle konkret zu beantwortende Frage ist, ob das Gesetz mit der Rechtsveränderung zugleich einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Sache vorgibt.69 Eine einheitliche Antwort für alle Tatbestände, die eine Rechtsveränderung vorgeben, soll nicht möglich sein.70 Den einzelnen Streitigkeiten wird im Folgenden nicht jeweils im Detail nachgegangen. Eine vergleichende Betrachtung der betroffenen Vorschriften (§§ 879, 900, 937, 946–950, 955, 973, 974, 976, 977, 1033 BGB) zeigt jedoch, dass sie durch einheitliche Grundgedanken bestimmt sind, die es entgegen anderslautender Einschätzung71 rechtfertigen, allgemeingültige Aussagen über die Frage zu treffen, ob ein gesetzlich angeordneter Eigentumserwerb einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellt72 (siehe im Folgenden unter (1)–(4)). (1) Sinn und Zweck der §§ 946 ff. BGB Sinn und Zweck der §§ 946 ff. BGB ist namentlich, im Interesse der Klarheit und Eindeutigkeit der sachenrechtlichen Rechtslage die Eigentumsverhältnisse zu regeln.73 Darin soll allerdings nicht zugleich eine wirtschaftliche Zuordnung der betroffenen Sache zum Vermögen des Erwerbers und 68 Einen
Überblick gibt Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 36 ff., § 812 Rn. 28. 69 Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 28. Der Rechtsgrundbegriff ist str., die Schaffung eines Grundes für das Behaltendürfen aber jedenfalls anerkannt. Siehe Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 219; MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 396 ff. (m. w. Nachw. zum Streit). 70 Lent, NJW 1957, 177, 178; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 28, 77. 71 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67 III. 2.f., S. 141; Lent, NJW 1957, 177, 178; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 77. Wohl auch Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 33, 35. 72 Für eine einheitliche Betrachtung v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. 1, S. 333, 364 (der die Bereicherung kraft gesetzlicher Vorschrift grds. nicht als rechtsgrundlos ansieht, allerdings die Fälle des § 951 BGB ausdrückl. hiervon ausnimmt und daher Ausnahmen dieses Prinzips anerkennt); Hassold, JR 1989, 358, 360. Angedeutet auch bei Schildt, JuS 1995, 953, der gesetzlich angeordnete Rechtsverluste grds. nicht für kondizierbar erachtet. 73 BeckOK BGB/Kindl, § 951 Rn. 1; Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 36; Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 564; Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 1; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 1.
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daher in dem dort angeordneten Eigentumserwerb auch kein Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts liegen.74 Dies ergebe sich nicht erst aus § 951 BGB, sondern bereits aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften über den gesetzlichen Eigentumserwerb (§§ 946 ff. BGB).75 Obwohl es anders anmutet, spricht diese Argumentation für sich genommen aus zwei Gründen nicht gegen die Annahme, der gesetzliche Eigentumserwerb stelle einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts dar. Zunächst findet sich im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb des Finders die gleichlautende Argumentation, die dort jedoch herangezogen wird, um ein gegenteiliges Ergebnis zu begründen. Der Finder kann gemäß den §§ 973, 974, 976 BGB das Eigentum an der Fundsache erwerben. Tritt der gesetzliche Eigentumserwerb ein, kann der Verlierende vom Erwerber nach § 977 BGB Herausgabe des Erlangten verlangen, wenn er dies innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nach dem Erwerb verlangt. § 977 BGB ordnet demnach in ähnlicher Weise wie § 951 Abs. 1 S. 1 BGB einen Herausgabeanspruch nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts an. Über die Regelungen über den gesetzlichen Eigentumserwerb des Finders heißt es wie über die §§ 946 ff. BGB, sie sollten die dingliche Rechtslage bestimmen, den in der Sache verkörperten Wert aber nicht dem Erwerber zuweisen.76 Anders als § 951 BGB wird § 977 BGB auf der Grundlage dieser Argumentation von einigen Stimmen als Rechtsfolgenverweisung eingeordnet.77 Wenn § 977 BGB eine Rechtsfolgenverweisung darstellt, ist damit jedoch zugleich ausgeschlossen, dass hierin eine deklaratorische Verweisung liegt.78 Wenn der Eigentumserwerb – wie in der Literatur angenommen wird – keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellte, kann die Verweisung aber nur deklaratorisch wirken, da die bereicherungsrechtlichen Regelungen in dem Fall bereits von sich aus anwendbar wären. Stellt der gesetzliche Eigentumserwerb keinen Rechtsgrund dar, kann es sich daher – vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage – lediglich um eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung handeln. Die Vorschrift kann daher nicht zugleich 74 BeckOK BGB/Kindl, § 951 Rn. 1; Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 506; Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 36; Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 564 (zur mangelnden wirtschaftl. Zuordnung); Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 1 f.; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 1. 75 Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 1 (Fn. 4). Ähnl. bei v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. 1, S. 333, 363 f. Wohl auch Baur/Wolf, JuS 1966, 393, 394; Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 506; Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 37; Soergel/SchmidtKessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 22; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 54 Rn. 1, die meinen, § 951 BGB stelle dies nur klar. 76 NK‑BGB/Hoeren, § 977 Rn. 1; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 977 Rn. 1. 77 NK‑BGB/Hoeren, § 977 Rn. 2; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 977 Rn. 1. 78 So die Ausgangsprämisse zum Charakter von Rechtsfolgenverweisungen. Siehe Kap. 1, § 2 II., IV.
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deklaratorischer Natur und eine Rechtsfolgenverweisung sein. Die Argumentation zu § 977 BGB ist nicht nur in sich inkonsistent, sondern auch im Vergleich mit der zu § 951 BGB. Dieselbe Argumentation, die bei § 977 BGB verwendet wird, um die Vorschrift als Rechtsfolgenverweisung einzuordnen, soll bei § 951 BGB dafür sprechen, dass § 951 Abs. 1 S. 1 BGB eine Rechtsgrundverweisung darstellt.79 Es wäre ein systematischer Widerspruch, wenn auf der Grundlage derselben Argumente unterschiedliche Ergebnisse – Rechtsfolgenverweisung einerseits und Rechtsgrundverweisung andererseits – begründet würden. Daraus allein kann jedoch noch nicht hergeleitet werden, dass der gesetzliche Eigentumserwerb einen Rechtsgrund iSd Bereicherungsrechts darstellt. Vielmehr könnte auch schlicht die Argumentation zu § 977 BGB unzutreffend und die zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB zutreffend sein. Die nachgezeichnete Argumentation überzeugt jedoch aus einem weiteren Grund nicht: Aus der Tatsache, dass der gesetzliche Eigentumserwerb lediglich die sachenrechtliche und nicht zugleich die wirtschaftliche Zuordnung der Sache zum Vermögen des Erwerbers bestimmen soll, kann nicht geschlossen werden, der gesetzliche Eigentumserwerb stelle keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts dar. Die sachenrechtliche Zuordnung betrifft das Eigentum an der verarbeiteten (oder vermischten, verbundenen) Sache. Die Bereicherungsansprüche des § 812 Abs. 1 BGB richten sich primär auf das gegenständlich Erlangte, das heißt in diesem Fall ebenfalls auf das Eigentum an der Sache.80 Dies hat der Betroffene durch die Verarbeitung der Sache im Wege des gesetzlichen Eigentumserwerbs erlangt. Wenn die Kondiktionstatbestände des § 812 Abs. 1 BGB von sich aus anwendbar wären, richteten sie sich primär auf die Herausgabe des gegenständlich Erlangten und mithin auf das an der Sache erlangte Eigentum. Dies wollen die §§ 946 ff. BGB indes gerade verhindern,81 was wiederum nur dadurch erreicht werden kann, dass der gesetzliche Eigentumserwerb dem Grunde nach einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des gegenständlich Er79 Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 1 einerseits und § 977 Rn. 1 anderer-
seits.
80 Siehe zur Gegenstandsorientierung des Bereicherungsanspruchs ausführl. v. Caemmerer, FS Rabel I, S. 333, 368; Götz, Der Vergütungsanspruch gemäß § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, S. 81 ff.; Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 307 ff., 312; Rengier, AcP 177 (1977), S. 418, 431 ff. Die anderslautende Ansicht, dass der Anspruch sich auf die Bereicherung richtet, wird als überholt angesehen: MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 1, § 818 Rn. 125 ff. Nach MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 7 soll der Streit für die Fälle des § 951 BGB weniger bedeutsam sein, da diese Vorschrift, weil sie an den Eigentumsverlust anknüpfe, vorgebe, dass das erlangte Etwas das gesetzlich erworbene Eigentum sei. Ausführl. Darstellung und Auseinandersetzung des Streits bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 185 ff. 81 Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 17.
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langten bildet82. Lediglich der Wert des Erlangten soll dem Erwerber nicht verbleiben. Die dafür erforderliche und entsprechend gesetzlich vorgenommene Eingrenzung auf den Ausgleich des Vermögenswerts erfolgt durch § 951 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Eingrenzung ist sinnvoll, da eine Anwendung bereicherungsrechtlicher Regelungen auf die Fälle des gesetzlich vorgegebenen Eigentumserwerbs nicht dazu führen darf, dass die von der Regelung bezweckte Eindeutigkeit der sachenrechtlichen Zuordnung durch die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unmittelbar wieder aufgehoben und auf diese Weise unterlaufen wird.83 Es sind demnach gerade die aufrecht zu erhaltende dingliche Zuordnung der Sache und somit der Sinn und Zweck der §§ 946 ff. BGB, die dafür sprechen, den gesetzlichen Eigentumserwerb als Rechtsgrund im Sinne der §§ 812 ff. BGB anzusehen.84 (2) Systematik der Vorschriften über eine Rechtsveränderung Ein vergleichender Blick auf andere Vorschriften des BGB, in denen der Gesetzgeber eine Rechtsveränderung85 anordnet, bestätigt den anhand des Sinn und Zwecks der Regelungen über den gesetzlichen Eigentumserwerb nach den §§ 946 ff. BGB gewonnenen Eindruck, der gesetzliche Eigentumserwerb bilde einen Rechtsgrund im Sinne der §§ 812 ff. BGB. (a) Ersitzung als Rechtsgrund einer Vermögensverschiebung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB Im Zusammenhang mit § 937 BGB, der den Eigentumserwerb durch eine Person anordnet, die eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, ist anerkannt, dass die Eingriffskondiktion gegen den Ersitzenden ausgeschlossen ist, weil die Ersitzung eine causa im Sinne der Tatbestände dieser Kondiktionsart vorgibt. Der Eigentumserwerb des Ersitzenden soll demnach anders als der des Finders und des Verbindenden, Verarbeitenden oder Vermischenden einen Rechtsgrund iSd Bereicherungsrechts darstellen. § 937 BGB würde andernfalls funktionslos.86 Wenn dagegen vereinzelt 82
Götz, Der Vergütungsanspruch gemäß § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, S. 94 f.; 96 f. anderes gilt nur dann, wenn der Gesetzgeber dies aufgrund anderweitiger Wertung ausdrückl. anordnet. Siehe dazu z. B. zu § 977 BGB im Folgenden unter 2. 84 Zu der Frage, ob dies lediglich die Eingriffs- oder zugleich die Leistungskondiktion betrifft, siehe im Folgenden unter (2), dabei insbes. unter (h). 85 Die Begriffe „Rechtsveränderung“ und „Rechtsänderung“ werden synonym verwendet. Ebenso z. B. bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 572. 86 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 221; Lorenz, JuS 2003, 839, 844 (zur Kondiktionsfestigkeit); MünchKommBGB/Baldus, § 937 Rn. 69; Siehr, FS Stoll, S. 373, 382. Gleiches gilt für die §§ 900, 1033 BGB: Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 221. Siehe auch BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165 f. und ferner die Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852, Bd. 3, S. 353. Für § 1033 BGB gilt das zu § 937 BGB Gesagte, da § 1033 BGB auf § 937 BGB verweist. 83 Etwas
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angedeutet wird, die Ersitzung sei im Rahmen der Eingriffskonstellation des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB kein kondiktionsausschließender Rechtsgrund,87 kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Ersitzung einer Sache gemäß § 937 BGB steht einer Kondiktion nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB in den Fällen, in denen eine abhandengekommene Sache unentgeltlich an einen Dritten geleistet wurde, durchaus im Wege, da der Rechtserwerb des ersitzenden Dritten nicht durch die Verfügung des Nichtberechtigten, sondern durch den gesetzlichen Eigentumserwerb begründet wurde. Die Voraussetzungen des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB liegen somit mangels Verfügung über das Eigentum nicht vor. Dass daher kein Anspruch nach dieser Vorschrift besteht, begründet keinen Wertungswiderspruch zu dem gemäß § 816 Abs. 1 S. 2 BGB bestehenden Anspruch im Fall des gutgläubigen Erwerbs des Dritten.88 Bei einem gutgläubigen Eigentumserwerb des Dritten (§ 932 BGB) besteht von Anfang an kein Herausgabeanspruch des ursprünglichen Eigentümers gegen den Dritten. Dies soll § 816 BGB zum Schutz des ursprünglichen Eigentümers ausgleichen. Bei einer abhandengekommenen Sache scheitert der Eigentumserwerb des Dritten hingegen an § 935 BGB und Letzterer ist jedenfalls gemäß § 985 BGB zur Herausgabe der Sache an den Eigentümer verpflichtet.89 Diesen Anspruch kann der Berechtigte zehn Jahre lang geltend machen, bevor die Ersitzung gemäß § 937 BGB das Herausgabeverlangen aufgrund des gesetzlichen Eigentumserwerbs ausschließt. Der bestohlene Eigentümer genießt daher zehn Jahre lang einen hinreichenden Schutz. Wenn er diesen über einen so langen Zeitraum nicht in Anspruch nimmt, ist er danach nicht mehr in gleicher Weise schutzwürdig. Dass die Ersitzung einen Rechtsgrund im Sinne der Nichtleistungskondiktion darstellt, wird ganz überwiegend aber auch nicht in Frage gestellt. Streit besteht allerdings über die Frage, ob die Ersitzung auch einen Rechtsgrund für die Fälle der Leistungskondiktion darstellt.90 Sofern die Leistungskondiktion als nicht von § 951 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst und dieser mithin nur als auf die Eingriffskondiktion verweisend angesehen wird, spricht die Systematik des Gesetzes dafür, in einem gesetzlichen Eigentumserwerb gemäß den §§ 946 ff. BGB in gleicher Weise einen Rechtsgrund im Sinne der Nichtleistungskondiktion zu sehen, wie ihn die Ersitzung gemäß § 937 BGB darstellt, ohne dass es auf den im Rahmen der Ersitzung bestehenden Streit ankommt. 87
Wilhelm, NJW 2017, 193, 197.
88 A. A. Wilhelm, NJW 2017, 193, 197. 89 Zum Vorrang des sachenrechtlichen
Schutzes durch § 985 BGB vor einem auf das Eigentum gerichteten bereicherungsrechtlichen Anspruch vgl. Jahn, Der Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis, S. 190. 90 BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165 f. m. w. Nachw. Siehe zu den Fällen der gescheiterten Leistung vor einer Ersitzung sogleich unter (h).
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(b) Gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb als Rechtsgrund Im Fall des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs überwinden die gesetzlichen Anordnungen (§§ 892, 899a, 932 BGB) fehlende Erwerbsvoraussetzungen und ordnen den Eigentumserwerb auf diese Weise trotz der jeweils fehlenden Erwerbsvoraussetzung an. Der Eigentumserwerb beruht in diesen Fällen, anders als in denen der §§ 946 ff. BGB und der weiteren Tatbestände des gesetzlichen Eigentumserwerbs, trotz der gesetzlichen Anordnung auf einem Rechtsgeschäft. Daher besteht ein Unterschied zwischen dem gutgläubigen rechtsgeschäftlichen und dem gesetzlichen Eigentumserwerb. Anhand des § 932 BGB zeigt sich allerdings, dass dennoch eine Parallele zum gesetzlichen Eigentumserwerb besteht, die darauf hindeutet, dass bei einer gesetzlichen Anordnung eines Rechtsübergangs ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen ebendieses Rechts besteht: § 932 Abs. 1 BGB soll ebenfalls eine endgültige Zuordnung der Sache zum gutgläubigen Erwerber rechtfertigen und als solcher einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung darstellen, damit die Wertungen des gutgläubigen Erwerbs nicht durch Anwendung der bereicherungsrechtlichen Herausgabevorschriften wieder unterlaufen werden. Das Gesetz zeigt diese Intention deutlich über die Regelung des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, die einen Anspruch gegen den Verfügenden eröffnet und damit zugleich einen solchen gegen den Erwerber ausschließt.91 Die dadurch vorgegebene Kondiktionsfestigkeit gegenüber dem Erwerber wird nur ausnahmsweise durch § 816 Abs. 1 S. 2 BGB durchbrochen. Diese Ausnahme beruht auf einer gesetzgeberischen Entscheidung. Der Verlierende wird in diesen Fällen für schutzwürdiger erachtet als der unentgeltlich Erwerbende. In den Fällen des § 899a BGB fehlt eine – mit § 816 Abs. 1 BGB vergleichbare – Anordnung über die Kondiktionsfestigkeit des über § 899a in Verbindung mit § 892 BGB ermöglichten rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs eines Grundstücks von einer Außen-GbR. Wenn die im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter diese bei der Veräußerung vertreten, erwirbt der Erwerber das Eigentum unter den Voraussetzungen des § 899a BGB auch dann, wenn die eingetragenen Gesellschafter tatsächlich nicht Gesellschafter der GbR sind. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob der gutgläubige Eigentumserwerb, der durch diese Vorschrift ermöglicht wird, einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellt, da § 899a BGB zwar über den durch die fehlende Vertretungsmacht hervorgerufenen Mangel der dinglichen Einigung hinweghilft, das schuldrechtliche Kau91 Für alle Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 221, 546 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67 III. 2. d), S. 141. Gleiches gilt für § 892 BGB.
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salgeschäft aber nicht heilt.92 Die Parallele zu § 932 BGB kann die Rechtsgrundeigenschaft des so bewirkten gutgläubigen Erwerbs allein nicht begründen, da § 932 BGB insoweit von § 816 Abs. 1 BGB ergänzt wird, der für § 899a BGB zumindest unmittelbar nicht gilt.93 § 816 Abs. 1 BGB setzt eine Verfügung eines Nichtberechtigten voraus, in den Fällen des § 899a BGB verfügt hingegen die berechtigte GbR. Sie wurde dabei nicht ordnungsgemäß vertreten, ihre Berechtigung entfällt dadurch indes nicht. Ein Vergleich mit dem gesetzlichen Eigentumserwerb als Rechtsgrund trägt ebenfalls nicht, da ein Unterschied zwischen dem rechtsgeschäftlichen Gutglaubenserwerb und dem gesetzlichen Eigentumserwerb besteht. Der gesetzliche Eigentumserwerb bewirkt den Erwerb einer dinglichen Rechtsposition, wohingegen § 899a BGB lediglich über eine fehlende Erwerbsvoraussetzung des rechtsgeschäftlichen Erwerbs hinweghilft, um den anvisierten rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb herbeizuführen.94 Der Erwerb bleibt demnach rechtsgeschäftlicher Natur. Ihm liegt weiterhin – auch bezogen auf das Eigentum – eine Leistungsbeziehung zugrunde. Der Gutglaubenserwerb bildete in dem Fall den Rechtsgrund im Rahmen einer Leistungskondiktion. In den Fällen des gesetzlichen Eigentumserwerbs führt die gesetzliche Anordnung hingegen nicht zur Realisierung des rechtsgeschäftlichen Erwerbs, sondern regelt die Eigentumslage eigenständig. Die Fälle sind insoweit nicht vergleichbar. § 951 Abs. 1 S. 1 BGB kann daher weder als Argument für die Rechtsgrundeigenschaft des durch § 899a BGB bewirkten Erwerbs herangezogen werden, noch sind die Argumente aus der Diskussion um § 899a BGB umgekehrt auf § 951 Abs. 1 S. 1 BGB übertragbar. Die Diskussion zeigt indes, dass auch in den Fällen des § 899a BGB das Bedürfnis besteht, einen vom Gesetz befürworteten Rechtserwerb nicht durch die Regelungen des Bereicherungsrechts unmittelbar rückabzuwickeln. Diese Intention zeigt sich in gleicher Weise in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB. (c) Vermischung von Bienenschwärmen als Rechtsgrund § 964 BGB ordnet den Eigentumserwerb an einem Bienenschwarm an, wenn sich zwei Schwärme vermischen. Der in § 909 des BGB‑Entwurfs, dem heutigen § 964 BGB, zunächst geplante Satz 3, nach dem ein Bereicherungsanspruch des vormaligen Eigentümers ausdrücklich abgelehnt wurde, wurde als selbstverständliche Folge des § 909 des Entwurfs im Gesetz92 Zu dieser Problematik Kiehnle, ZHR 174 (2010), S. 209 ff.; Krüger, NZG 2010, 801, 805 f.; Kuckein/Jenn, NZG 2009, 848; 851 f.; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 315 m. w. Nachw.; Weber, ZfIR 2018, 759, 761; Weiss, JuS 2016, 494, 496 f. 93 Für eine entsprechende Anwendung Weiss, JuS 2016, 494, 497 ff. 94 Vgl. Weiss, JuS 2016, 494, 496 (§ 899a BGB ermögliche den Erwerb, liege ihm aber nicht zugrunde).
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gebungsverfahren im Rahmen der Beratungen der Zweiten Kommission für überflüssig erachtet.95 Eine Kondiktionsmöglichkeit besteht in diesen Fällen nicht,96 weil der gesetzlich angeordnete Rechtsübergang eine „vom Gesetz gebilligte Bereicherung“ darstellt97. Der angeordnete Rechtserwerb bildet somit einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB. (d) Eigentumserwerb des Finders Die §§ 973, 974, 976 BGB begründen einen gesetzlichen Eigentumserwerb zugunsten eines Finders. Für sie enthält § 977 BGB eine Regelung, die in ähnlicher Weise wie § 951 Abs. 1 S. 1 BGB einen Herausgabeanspruch nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts anordnet. Hierbei soll über das Bereicherungsrecht, anders als im Fall des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, eine Herausgabe des gegenständlich Erlangten erfolgen. Die Regelung wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber den gesetzlichen Eigentumserwerb nicht als Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB angesehen hätte, da der Herausgabeanspruch bezüglich der Fundsache ohne spezialgesetzliche Anordnung dann bereits nach § 812 Abs. 1 BGB gegeben wäre.98 Erst durch die Regelung des § 977 BGB wird daher festgelegt, dass der Fund keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Sache darstellt.99 (e) § 955 BGB In den Fällen des Fruchterwerbs des gutgläubigen Eigenbesitzers gemäß § 955 BGB liegt in der Regel eine fehlgeschlagene Leistungsbeziehung vor (z. B. fehlgeschlagene rechtsgeschäftliche Übereignung). Dabei können das dingliche und schuldrechtliche Rechtsgeschäft gleichermaßen unwirksam sein. Aufgrund der Leistungsbeziehung kann sodann – ohne entsprechende Verweisung – eine Rückabwicklung über eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB erfolgen. Die Leistungsbeziehung besteht hinsichtlich der Muttersache, da der Besitz hieran vom vermeintlichen Veräußerer auf den Erwerber übertragen wurde. In diesem Verhältnis stellt der nach § 955 Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete Rechtserwerb keinen Rechtsgrund dar, da er sich ausschließlich auf das Eigentum an den Früchten und Erzeugnissen bezieht. Mit der Muttersache müssen nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB in Verbindung mit § 818 Abs. 1 BGB auch die Nutzungen herausgegeben 95
Jacobs/Schubert, Bd. Sachenrecht I, §§ 961–964, S. 700; Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 591. 96 Jacobs/Schubert, Bd. Sachenrecht I, §§ 961–964, S. 700. So auch bereits in den Motiven zum BGB, Bd. 2, S. 852. Aus der Lit. Imlau, NJW 1964, 1999; MünchKommBGB/ Oechsler, § 964 Rn. 1. 97 Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 591. 98 Siehe zu § 977 BGB (und über eine evtl. darüber hinausgehende Bedeutung) ausführl. nachfolgend unter 2. 99 Siehe die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 386.
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werden. Da die Früchte und Erzeugnisse Nutzungen der Muttersache sind, (§§ 99, 100 BGB) sind sie grundsätzlich hiernach mit herauszugeben. Dieses Ergebnis kann freilich die Wertungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses unterlaufen. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, sind gegebenenfalls Korrekturen im Rahmen des § 818 Abs. 1 BGB vorzunehmen, die die Wertungen der §§ 987 ff. BGB berücksichtigen.100 Die Früchte und Erzeugnisse können nicht im Wege der primär auf ihre Herausgabe gerichteten Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB herausverlangt werden. Sie dürften in den Fällen des § 955 Abs. 1 S. 1 BGB schon keinen primären Bereicherungsgegenstand darstellen,101 da der Eigentümer der Muttersache diese nicht an den Anspruchsgegner geleistet hat. Eine Eingriffskondiktion scheidet insoweit in der Regel schon deshalb aus, weil die Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses hinsichtlich der Rechte an den Früchten vorrangig sind (§ 993 Abs. 1 2. HS a. E. BGB).102 Für die verbleibenden, seltenen Anwendungsfälle einer möglichen, auf die Herausgabe der Früchte gerichteten Nichtleistungskondiktion ist in gleicher Weise wie im Rahmen von § 951 Abs. 1 S. 1 BGB umstritten, ob § 955 BGB diesbezüglich einen Rechtsgrund darstellt.103 § 955 BGB entspricht daher hinsichtlich des von ihm angeordneten Eigentumserwerbs der Struktur des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB und bestätigt dadurch die zu Letzterem gewonnenen Erkenntnisse. Er liefert indes keine darüber hinausgehenden Anhaltspunkte für die Frage der bereicherungsrechtlichen Rechtsgrundeigenschaft des gesetzlichen Eigentumserwerbs. (f) § 879 BGB Da § 879 BGB bestimmt, dass sich der Rang eines im Grundbuch eingetragenen Rechts an der Reihenfolge der Eintragung im Grundbuch orientiert, kann es bei fehlerhaftem Handeln des zuständigen Grundbuchbeamten zu einer Eintragung von Rechten in einer falschen Reihenfolge kommen. Auf diese Weise kann ein Begünstigter hinsichtlich seines Rechts einen besseren Rang erhalten als ihm eigentlich zusteht. Für diese Fälle ist umstritten, ob die aufgrund der Regelung in § 879 BGB erlangte Stellung des Betroffe100 Zu etwaigen Korrekturen im Rahmen von § 818 BGB durch die §§ 987 ff. BGB MünchKommBGB/Raff, § 988 Rn. 10 f. m. w. Nachw., § 993 Rn. 8. 101 Zu den Fällen, in denen über die Frage diskutiert wird, ob die gezogenen Nutzungen als primärer oder sekundärer Bereicherungsgegenstand gem. § 812 Abs. 1 BGB oder § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben sind, für alle BGH vom 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021; Fervers/Gsell, NJW 2013, 3607 ff.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 25 ff. 102 BeckOGK/Schermaier, § 955 BGB Rn. 24; MünchKommBGB/Raff, § 993 Rn. 10 m. w. Nachw. 103 Zu den möglichen Konstellationen und zum Streit siehe Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 955 Rn. 4a.
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nen durch den hierdurch Benachteiligten kondiziert werden kann. Während einige Stimmen in der Literatur eine auf die Abgabe der zur Grund880 buchberichtigung erforderlichen Erklärungen des Begünstigten (§ BGB) gerichtete Nichtleistungskondiktion des Benachteiligten annehmen, lehnen andere Stimmen – darunter die Rechtsprechung – dies ab und verweisen den Benachteiligten auf einen Amtshaftungsanspruch aufgrund des fehlerhaften Handelns des beim Grundbuchamt tätigen Beamten.104 Obwohl im Rahmen der Beratungen der Ersten Kommission zum BGB ein Anspruch gegen den Begünstigten auf Berichtigung des Grundbuches oder auf Schadensersatz unter Hinweis darauf, ein Amtshaftungsanspruch gegen den handelnden Beamten reiche aus, abgelehnt wurde,105 wurde innerhalb der Zweiten Kommission über die Frage gestritten, ob ein Bereicherungsanspruch zwischen den betroffenen Gläubigern bestehe.106 Während die Erwägungen der Ersten Kommission noch für die Ansicht der Gesetzesverfasser sprechen, einer ausdrücklichen Regelung derartiger Ansprüche hätte es weder bedurft noch ergebe sich ein solcher aus den allgemeinen Vorschriften, sind die Materialien aus der Zweiten Kommission in dieser Frage ergebnisoffen.107 Im Rahmen der Diskussion um § 879 BGB richtet sich die Kritik am Vorgehen der den Bereicherungsanspruch ablehnenden Rechtsprechung in einem Punkt grundsätzlich gegen die Anerkennung eines gesetzlich angeordneten Eigentumserwerbs als Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts: Der Vorwurf ist darauf gerichtet, auch andere Vorschriften ordneten eine dingliche Rechtsfolge an, ohne einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Sache zu liefern, sofern das zugrunde liegende Rechtsgeschäft unwirksam sei.108 Mit dieser Argumentation könnte auch im Fall des § 879 BGB ein Bereicherungsanspruch bestehen, da dieser nicht durch den Erwerb des Rangs als Rechtsgrund gesperrt wäre. Die Kritiker der Rechtsprechung zu dieser Frage sehen einen Unterschied des gesetzlich angeordneten Eigentumserwerbs zu den Vorschriften 104 Gegen
eine Kondiktionsmöglichkeit BGH vom 20.6.1956 – V ZR 28/55, BGHZ 21, 98, 99 ff.; Hoche, JuS 1962, 60, 62 ff.; MünchKommBGB/Kohler, § 879 Rn. 41; Palandt/Herrler, BGB, § 879 Rn. 10; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 574; Staudinger/Heinze, BGB, § 879 Rn. 47. Für eine Kondiktionsmöglichkeit Erman/Artz, BGB, § 879 Rn. 23; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I. 3. d), S. 179 (die allerdings einen Vergleich zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ziehen und daher zumindest die Parallele der beiden Vorschriften anerkennen); Lent, NJW 1957, 177, 178; MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 336 ff.; Röwer, NJW 1955, 177; Stadler, AcP 189 (1989), S. 425, 461; Westermann, JZ 1956, 656 f. 105 Beratungen der Ersten Kommission zum BGB, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Bd. Sachenrecht I, § 879, S. 297 f. 106 Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 89 f. 107 Siehe dazu bereits Hoche, JuS 1962, 60, 63. 108 Baumann, JR 1957, 415, 416; Stadler, AcP 189 (1989), S. 425, 461.
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über den gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb, dessen Kondiktionsfestigkeit erst durch § 816 Abs. 1 S. 1 BGB begründet werde. Da eine solche Vorschrift bei § 879 BGB fehle, könne dieser keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellen.109 Dagegen ist einzuwenden, dass sich der gutgläubige und der gesetzlich angeordnete Eigentumserwerb in einigen wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden.110 In den Fällen, in denen einem Rechtsübergang ein Leistungsverhältnis vorangegangen ist und die gesetzlich angeordnete Rechtsveränderung folglich lediglich die rechtliche Umsetzung der von den Parteien ohnehin willentlich anvisierten Rechtslage ist, liegt eine andere Ausgangssituation vor als bei einem gesetzlich begründeten Eigentumserwerb. Letzterer erfolgt, weil das Gesetz für bestimmte, abschließend festgelegte Situationen, in denen keine privatautonome Regelung besteht, aus festgelegten Wertungsgesichtspunkten eine sachenrechtliche Zuordnung schaffen möchte. Der gesetzlich angeordnete Erwerb kann aus diesem Grund auch keinen Rechtsgrund im Sinne einer Leistungskondiktion darstellen, er sperrt lediglich als Rechtsgrund eine auf die durch ihn erworbene Rechtsposition gerichtete Nichtleistungskondiktion.111 Eine Leistungskondiktion, die auf ebendiese Rechtsposition gerichtet ist, wird indes regelmäßig auch nicht durchgreifen, da Gegenstand der Leistung in diesen Fällen nicht die durch den gesetzlichen Erwerb erlangte Rechtsposition ist, weil die hierauf gerichtete Leistung gerade fehlgeschlagen ist. Nur deshalb konnte der gesetzliche Erwerbstatbestand überhaupt eingreifen. (g) Gesetzliche Differenzierung der verschiedenen Tatbestände des gesetzlich angeordneten Erwerbs Der Gesetzgeber hat die verschiedenen Fälle des gesetzlichen Eigentumserwerbs ersichtlich voneinander unterschieden, indem er in einigen Fällen eine Anordnung über eine Herausgabepflicht getroffen, andernorts aber darauf verzichtet hat. An den Stellen, an denen eine speziell geregelte Herausgabepflicht statuiert ist, begründet das Gesetz als konkrete Rechtsfolge verschiedene Pflichten – zum einen die Pflicht zur (gegenständlichen) Herausgabe der Sache und zum anderen eine Wertersatzpflicht. Für eine derartige Differenzierung hätte es keinen Grund gegeben, wenn das Bereicherungsrecht in all den genannten Fällen von sich aus anwendbar wäre und daher stets ein grundsätzlich gleichartiger Herausgabeanspruch bestünde.112 Von einigen Autoren wird darauf verwiesen, die Frage, ob die je109
Stadler, AcP 189 (1989), S. 425, 461. Siehe dazu auch die parallele Problematik zu § 899a BGB vorstehend unter (b). Siehe dazu vorstehend unter (b). 112 Siehe auch BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165; dagegen warnt Wilhelm, NJW 2017, 193, 196 davor, aus der spezialgesetzlichen Anordnung der 110 111
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weils gesetzlich angeordnete Rechtsänderung einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstelle, sei nach Sinn und Zweck der Regelung über die Rechtsänderung zu entscheiden.113 Wenn dies uneingeschränkt zuträfe, wären die Regelungen der §§ 951 Abs. 1 S. 1, 977 BGB nahezu überflüssig, da bereits aus den §§ 946 ff. BGB und den §§ 973 f., 976 BGB ablesbar sein müsste, dass der gesetzliche Eigentumserwerb keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellte.114 § 951 Abs. 1 S. 1 BGB hätte daneben noch den Sinn, die Herausgabepflicht zu modifizieren und in seinem Absatz 2 das Verhältnis zu anderen Vorschriften zu regeln.115 § 977 BGB begründet hingegen keine von den §§ 812 ff. BGB abweichende Pflicht und hätte somit keine Bedeutung hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs.116 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich der Art der Pflicht des Erwerbers nach einem gesetzlichen Eigentumserwerb getroffen hat, spricht daher dafür, die gesetzlich angeordnete Rechtsänderung grundsätzlich als Rechtsgrund anzusehen.117 Die speziellen Regelungen, nach denen eine Herausgabe oder ein Wertersatz erfolgen sollen, dienen dem Ausgleich der Fälle, in denen der Gesetzgeber die Nichtanwendung der bereicherungsrechtlichen Regelungen nicht für sach- und interessengerecht erachtet hat.
Herausgabepflicht in Fällen wie den §§ 951, 977 BGB auf die Unanwendbarkeit des Bereicherungsrechts in den anderen Fällen zu schließen. Er verweist auf den Vorrang der lex specialis. 113 Lent, NJW 1957, 177, 178; Stadler, AcP 189 (1989), S. 425, 461; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 28. 114 Für die Fälle des § 951 BGB siehe insoweit Hoche, JuS 1962, 60, 64 f. 115 Siehe z. B. Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 506; Hülsmann, Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion, S. 37; Stürner/Heggen, JuS 2000, 328, 330 f.; Wilhelm, NJW 2017, 193, 196. 116 Die dort abweichend vom damaligen Recht geltende Frist zu Geltendmachung von drei Jahren begründete keine Abweichung vom Bereicherungs-, sondern vom Verjährungsrecht. Allein über die Fristbestimmung kann die Verweisung daher nicht konstitutiv hinsichtlich des Bereicherungsrechts werden. Wenn die Verweisung als deklaratorische anzusehen wäre, wäre daneben ferner § 812 BGB von sich aus anwendbar, der der regelmäßigen Verjährungsfrist von damals 30 Jahren unterlegen hätte. Die kurze Frist des § 977 BGB hätte dann auf diesen allgemeinen Bereicherungsanspruch übertragen werden müssen, um die Fristbestimmung nicht zu unterlaufen. Mit der Änderung der Verjährungsfristen ist die unterschiedliche Fristlänge angeglichen worden. Die Eingrenzung in § 977 BGB spielt demnach heute ohnehin keine Rolle mehr. 117 Vgl. Hassold, JR 1989, 358, 360. Der Gesetzgeber hat es ausweislich der Motive allerdings nicht ausgeschlossen, dass Vorschriften ohne eine Ausgleichsanordnung dennoch dahingehend ausgelegt werden können, dass eine solche erfolgen kann (Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852). Für den gutgläubigen Erwerb zieht Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 565 hingegen Schlüsse aus dem Schweigen des Gesetzes.
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(h) Die Leistungskondiktion als Sonderfall beim gesetzlichen Eigentumserwerb In den Fällen, in denen im Zusammenhang mit einem gesetzlich angeordneten Eigentumserwerb eine Leistungskondiktion des Betroffenen in Betracht kommt, ist die Frage, ob der gesetzliche Eigentumserwerb einen Rechtsgrund im Sinne dieser Kondiktionen darstellt, für die einzelnen Tatbestände teilweise heftig umstritten.118 Dies liegt zum einen daran, dass es auf einigen Gebieten Einzelfallentscheidungen gab, bei denen die Rechtsprechung aus Wertungsgesichtspunkten Ausnahmen vom Ausschluss der Kondiktionsmöglichkeit zulassen wollte.119 Aus derartigen Ausnahmefällen, die im Bereicherungsrecht häufig auftreten, können allerdings keine allgemeinen Prinzipien abgeleitet werden.120 Die Problematik, ob die Tatbestände des gesetzlichen Eigentumserwerbs einen Rechtsgrund darstellen, entsteht im Zusammenhang mit einer potentiellen Rückabwicklung über eine Leistungskondiktion vor allem deshalb, weil die die Rechtsänderung anordnenden Tatbestände ihren Sachverhalten nach Fälle betreffen, in denen hinsichtlich einer fremden Rechtsposition eine Eingriffssituation vorliegt, denen im Einzelfall aber eine gescheiterte Leistungsbeziehung vorangehen kann. Der Finder, der eine Fundsache in Besitz nimmt, greift hierdurch beispielsweise in das Recht des Eigentümers an dieser Sache ein. Derjenige, der eine Sache gutgläubig zehn Jahre in Eigenbesitz hat und auf diese Weise das Eigentum erwirbt, greift ebenfalls in das ursprüngliche Eigentum des vormals Berechtigten ein. In diesen Fällen kann ein Rechtsgrund für den Eigentumserwerb in der Regel lediglich auf einer gesetzlichen Anordnung beruhen, da bei vertraglicher Gestattung eine Leistungsbeziehung mit der Folge eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs vorläge, die bei Störungen im Leistungsverhältnis vorrangig 118 Zu § 937 BGB siehe bspw. die Darstellungen bei MünchKommBGB/Baldus, § 937 Rn. 69 ff.; Staudinger/Wiegand, BGB, § 937 Rn. 18 ff. Ferner BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165 f. (m. w. Nachw.); insoweit zust. Rieländer, JZ 2016, 1150, 1157; abl. Wilhelm, NJW 2017, 193, 196 f. 119 So bspw. in der „Menzel-Entscheidung“ des RG vom 6.10.1930 – IV 583/29, RGZ 130, 69 ff. Dagegen nunmehr allerdings BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165 f. 120 Dies gilt umso mehr, als sich in den problematischen Fällen der Ersitzung die Problematik, die zu dem Wertungswiderspruch geführt hat, aus den Verjährungsregeln ergab. Hierbei handelte es sich nicht um ein Regelungsproblem im Verhältnis des Bereicherungsrechts zur Ersitzung sondern um eines im Verhältnis der Ersitzung zum Verjährungsrecht. Mit der Änderung der Verjährungsfristen ist der Wertungswiderspruch mittlerweile zumindest teilweise entfallen (BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165 f.). Siehe dazu Staudinger/Wiegand, BGB, § 937 Rn. 18 ff. (m. w. Nachw.), der den Streit dennoch nicht für bedeutungslos hält (wie er: Wilhelm, NJW 2017, 193, 196). Siehe auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 573.
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zu einer Leistungskondiktion führte.121 Wenn die Eingriffssituation indes aufgrund einer vorhergehenden gescheiterten Leistung oder einer in einem Dreiecksverhältnis gegebenen vorrangigen Leistungsbeziehung durch ebendiese Leistungsbeziehung hervorgerufen wird, liegt die Rechtsänderung zwar noch in der gesetzlich beschriebenen Situation begründet, ihr ist aber eine gescheiterte Leistung aufgrund einer hierfür ursächlichen Rechtsbeziehung vorangegangen. Beispielhaft hierfür ist eine gescheiterte Übereignung einer Sache durch einen unerkannt geisteskranken Veräußerer. Eine Übereignung an den vermeintlichen Erwerber scheitert in diesem Fall wegen § 105 Abs. 1 BGB an der fehlenden Wirksamkeit der dinglichen Einigung. Der spätere Erwerb durch Ersitzung gemäß § 937 BGB wird aber nur möglich, weil der unerkannt Geisteskranke die Sache an den später Ersitzenden – in der Annahme der dadurch vollzogenen Übereignung – übergeben hat. Der Ausgangspunkt, nach dem den gesetzlichen Erwerbstatbeständen keine Leistungsbeziehung vorangeht, die einen rechtsgeschäftlichen Erwerb hervorrufen könnte, wird dadurch in seiner Grundlage leicht verschoben. Diese Verschiebung betrifft jedoch lediglich den Sachverhalt, aber nicht die Rechtslage. Denn wenn die rechtsgeschäftliche Übereignung fehlgeschlagen ist, besteht die Leistung aus bereicherungsrechtlicher Sicht nicht in dem Eigentum. Dessen Leistung ist gerade fehlgeschlagen. Gegenstand der Leistung ist in diesen Fällen regelmäßig ausschließlich der Besitz. Eine etwaige Leistungskondiktion des Leistenden kann demnach auch lediglich auf den Besitz und nicht auf das Eigentum (oder das andere zu übertragende dingliche Recht) gerichtet sein.122 Mit der Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB kann daher allenfalls der Besitz herausverlangt werden. Dem steht wiederum jedenfalls der Einwand des dolo facit qui petit quod statim redditurus est (§ 242 BGB)123 entgegen, da der Anspruchs121 Siehe dazu Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 220 ff.; MünchKommBGB/ Schwab, § 812 Rn. 411. 122 So dem Grunde nach auch der Ansatz des RG in seinem Urteil vom 6.10.1930 – IV 583/29, RGZ 130, 69, 72, nach dem die Kondiktion auf den Besitz als erlangtem Etwas gerichtet sein soll und sich über § 818 Abs. 1 BGB zusätzlich auf das aufgrund des Besitzes über § 937 BGB erlangte Eigentum richte. Das durch den gesetzlichen Erwerbstatbestand erworbene Eigentum ist jedoch nichts, was der Empfänger aufgrund eines erlangten Rechts erworben hat. Diese Variante betrifft in § 818 Abs. 1 BGB Fälle, in denen der Empfänger aufgrund des ursprünglich erlangten Rechts ein Surrogat erhalten hat (für alle BeckOK BGB/Wendehorst, § 818 Rn. 8; MünchKommBGB/ Schwab, § 818 Rn. 44; RGRK/Heimann-Trosien, § 818 Rn. 12; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 20 f.). In den Fällen des gesetzlichen Eigentumserwerbs behält der Empfänger hingegen den Besitz und erwirbt aufgrund der hinzutretenden gesetzlichen Anordnung zusätzlich das Eigentum. Es handelt sich demnach nicht um ein Surrogat für das ursprünglich Erlangte. 123 Der Einwand wird unterschiedlich als Einrede oder Einwendung bezeichnet und behandelt. Als Einwendung z. B. bei BGH vom 29.6.2005 – VIII ZR 299/04, NJW
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gegner aufgrund des gesetzlichen Erwerbstatbestands das Eigentum (oder sonstige dingliche Recht) erlangt hat und die Sache demnach seinerseits unmittelbar nach § 985 BGB wieder herausverlangen könnte. Es kommt somit nicht darauf an, ob der gesetzliche Rechtserwerb einen Rechtsgrund im Sinne der Leistungskondiktion darstellt, da die begehrte Sache mithilfe dieser Kondiktion ohnehin nicht herausverlangt werden kann. Mit diesem Argument hätte der BGH in einem Urteil aus dem Jahr 2016 den Anspruch eines klagenden Verpächters auf Zahlung eines Erbbauzinses gegen die beklagte Erbpächterin gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall in Verbindung mit § 818 Abs. 1 BGB ablehnen können.124 Da das Erbbaurecht mangels einer hierfür auf Seiten der Beklagten erforderlichen Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde nicht wirksam zugunsten der Beklagten bestellt werden konnte, sondern diese das Recht erst durch Buchersitzung gemäß § 900 Abs. 2, 1 BGB erworben hat, hätte der Kläger das Erbbaurecht nicht nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB von der Beklagten herausverlangen können, weil er dieser ursprünglich lediglich den Besitz an dem Grundstück, aber nicht das Erbbaurecht selbst, geleistet hat. Den Besitz konnte er aufgrund des entgegenstehenden Einwandes gemäß § 242 BGB ebenfalls nicht herausverlangen. Ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des Grundstücks bestand nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB mithin nicht. Wenn indes kein Herausgabeanspruch hinsichtlich des erlangten Etwas besteht, kann auch ein daran geknüpfter Nutzungsersatzanspruch (§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB in Verbindung mit § 818 Abs. 1 BGB) nicht bestehen.125 Ob die Ersitzung einen Rechtsgrund im Sinne der Leistungskondiktion darstellt, ist insofern nicht von Bedeutung. Diese Fallkonstellation vermag es daher nicht zu begründen, dass die Ersitzung für diese Kondiktionsart einen Rechtsgrund darstellt. Sollten dennoch (abweichende) Fälle verbleiben, in denen eine Leistungskondiktion nicht aus den genannten Gründen ausgeschlossen ist, greift sie bezüglich des konkreten Leistungsgegenstandes durch, wenn man in den gesetzlichen Erwerbstatbeständen ausschließlich einen Rechtsgrund im Sinne einer auf die Herausgabe des von der Rechtsänderung betroffenen Gegenstandes gerichteten Eingriffskondiktion sieht.126 2005, 2991, 2993; Staudinger/Lorenz, BGB, § 821 Rn. 3. Als Einrede wohl bei MünchKommBGB/Schubert, § 242 Rn. 467, 468. 124 BGH vom 22.1.2016 – V ZR 27/14, NJW 2016, 3162, 3165 f. 125 Eine andere Frage ist, ob die Nutzungen selbst ein erlangtes Etwas iSv § 812 Abs. 1 BGB darstellen können. Siehe dazu MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 25 ff. 126 Für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB sieht Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 9 (m. w. Nachw. in Fn. 9) im gesetzlichen Eigentumserwerb bezogen auf die Nichtleistungskondiktion einen Rechtsgrund. Für die Ersitzung wird hinsichtlich des Rechtsgrundes in gleicher Weise in Leistungs- und Nichtleistungskondiktion differenziert: Lorenz, JuS 2003, 839, 844; Siehr, FS Stoll, S. 373, 382 f.; Staudinger/Wiegand, BGB, § 937 Rn. 18 ff., 22 (m. w. Nachw.).
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(3) Wille des historischen Gesetzgebers Aus den Gesetzesmaterialien zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich, dass die Frage nach einem aufgrund des gesetzlichen Eigentumserwerbs bestehenden Rechtsgrund im Rahmen der Beratungen des BGB eine entscheidende Rolle gespielt hat.127 Der Kommissionsentwurf der Ersten Kommission in der Fassung der ersten Beratung des BGB sah zum Bereicherungsrecht eine Regelung vor, nach der ein Rechtsverlust, der auf einer Rechtsnorm beruht, als Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts anzusehen sein sollte.128 Gleichzeitig wurde anerkannt, dass es Fälle gebe, in denen ein Bereicherungsausgleich dennoch sachgerecht sei.129 Aus diesem Grund bedurfte es für den Fall des gesetzlichen Eigentumserwerbs nach dem damaligen Entwurf einer Regelung, die vorgab, dass der gesetzliche Eigentumserwerb ausnahmsweise nicht als Rechtsgrund anzusehen sei.130 Dadurch erlangte die Regelung des § 897 des Entwurfs, dem heutigen § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, konstitutive Bedeutung, da der Bereicherungsanspruch andernfalls am vorhandenen Rechtsgrund – dem gesetzlichen Eigentumserwerb – scheiterte. Dies wurde in den Beratungen der Ersten Kommission entsprechend begründet.131 Die Motive zum BGB weisen ausdrücklich auf die Entwurfsfassung des heutigen § 951 BGB als Beispiel einer entsprechenden Vorschrift hin.132 Die Aufnahme einer Regelung wie § 748 Abs. 2 des Entwurfs zum BGB, die ausdrücklich anordnete, dass in den Fällen, in denen ein Eigentumserwerb auf einem Rechtssatz beruht, ein rechtlicher Grund für die Vermögensverschiebung besteht, wurde im Zuge der Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamts noch für entbehrlich gehalten.133 In den Protokollen zum BGB findet sich später eine Erläuterung zur Streichung der Vorschrift. Danach wurde auf eine derartige Anordnung verzichtet, weil die Regelung in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend sei.134 Für die Frage, ob der gesetzliche Eigentumserwerb grundsätzlich einen Rechtsgrund im Sinne einer Nichtleistungskondiktion darstellt, ist jedoch weniger das Er127 128
Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Bd. Sachenrecht I, § 951, S. 658 f. Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, §§ 812–822, S. 832 f. 129 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852. 130 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852. 131 Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Bd. Sachenrecht I, § 951, S. 658 f. Siehe dazu auch die Erwägungen der bayerischen BGB‑Kommission zum Entwurf des § 151, wiedergegeben bei Schubert, S. 125 sowie die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 362. 132 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852. 133 Siehe die Beratungen der 27. Sitzung der Vorkommission des Reichsjustizamts, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, §§ 812–822, S. 834. 134 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 686.
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gebnis dieser Aussage als vielmehr ihre Begründung entscheidend: Die fehlende Allgemeingültigkeit der Aussage wurde nicht damit begründet, dass es Vorschriften gibt, bei denen es grundsätzlich nicht zutreffend ist, dass der angeordnete Rechtserwerb einen Rechtsgrund darstellt. Vielmehr sah die Kommission ein Problem darin, dass der Rechtserwerb in Drei-Personen-Verhältnissen des gutgläubigen Erwerbs keinen Rechtsgrund im Verhältnis des ursprünglich Berechtigten und eines leistenden Dritten darstellt. Für das Verhältnis zwischen Erwerber und eigentlich Berechtigtem, um das es in den hier interessierenden Fällen geht, haben die Gesetzesverfasser die Regelung ausdrücklich für zutreffend erachtet.135 Sowohl die Ersitzung als auch der Erwerb durch Verbindung, Vermischung und Verarbeitung werden dabei ausdrücklich als Anwendungsfälle der gestrichenen Regelung erwähnt.136 Die in der Begründung angeführten Gegenbeispiele betrafen Dreiecksbeziehungen bei der Forderungsabtretung und anders gelagerte Drei-Personen-Verhältnisse, die für die hier behandelte Problematik nicht von Interesse sind, da dort nicht der Erwerb einer absoluten Rechtsposition in Frage steht, sondern die Regelungen eine Schuldbefreiung zugunsten des leistenden Schuldners anordnen.137 Allerdings benennen die Gesetzesverfasser im Rahmen der problematischen Fälle auch § 880 des Entwurfs des BGB, den heutigen § 977 BGB.138 Dies verwundert, da hierin eine Regelung enthalten ist, die gerade in den Fällen des Eigentumserwerbs des Finders eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ohne Modifikation der Rechtsfolgen der §§ 812 ff. BGB anordnet und die mithin überflüssig wäre, wenn der Fund im Verhältnis von Finder und Eigentümer keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellte.139 Da sich die Aussage in den Protokollen aber ausdrücklich auf das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und einem Drittem bezieht, kann sie nicht das Verhältnis zwischen dem Finder und dem Verlierenden betreffen. Auch wenn § 880 im Entwurf des BGB beispielhaft als Problemfall genannt wird, widerspricht dies mithin nicht der Annahme, der Eigentumserwerb einer Fundsache bilde ohne die anderslautende Bestimmung des § 977 BGB einen Rechtsgrund im Sinne der Eingriffskondiktion im Verhältnis zwischen Verlierendem und Finder. 135 Protokolle
zum BGB, Bd. 2, S. 686. So daher auch bereits die Interpretation von Hoche, JuS 1962, 60, 64. 136 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 686. Ebenso in den Motiven zum BGB, Bd. 2, S. 852. 137 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 686. Ausführl. Erläuterung in den Motiven zum BGB, Bd. 2, S. 852 f. 138 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 686. 139 Zur dennoch daneben möglichen Bedeutung des § 977 BGB siehe im Folgenden unter 2.
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Die Motive zum BGB benennen den gesetzlich angeordneten Rechtswechsel als im Regelfall kondiktionsfest.140 Diese Wertung überdauert ausweislich der Materialien zu § 964 BGB auch die Streichung des zunächst geplanten § 748 Abs. 2, der dies ausdrücklich bestimmen sollte.141 Über von diesem Prinzip abweichende Ausnahmeregelungen, wie die des § 897 des Entwurfs (des heutigen § 951 Abs. 1 S. 1 BGB), heißt es, sie legten fest, „daß der Rechtsverlust bzw. die Bereicherung, obwohl sie auf einer Vorschrift des Gesetzes beruht, doch die condictio sine causa begründe“.142 Die von der gegenteiligen Ansicht143 angeführten Ausführungen an anderer Stelle in den Motiven zum BGB, nach denen die heutigen §§ 946 ff. BGB lediglich die sachenrechtliche Zuordnung und keinen rechtlichen Grund für den Erwerb liefern sollen,144 stehen dazu nicht im Widerspruch. Denn im Ergebnis trifft diese Bewertung zu – der gesetzliche Eigentumserwerb soll nicht kondiktionsfest im Sinne des Bereicherungsrechts sein, soweit es um den mit der Sache erlangten Vermögenszuwachs geht. Dafür war aber nach Ansicht des historischen Gesetzgebers als Zwischenschritt gerade eine Anordnung erforderlich, die dies bestimmt. Ohne eine solche Regelung hätte der gesetzliche Eigentumserwerb als Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts die Anwendung der bereicherungsrechtlichen Tatbestände in der Regel versperrt. Es ist zwar davon die Rede, das Gesetz müsse eine derartige Anordnung nicht immer ausdrücklich enthalten. Es sei vielmehr ausreichend, wenn dies dem Gesetz durch Auslegung zu entnehmen sei.145 Die insoweit beispielhaft angeführten Fälle betreffen jedoch allesamt das Verhältnis eines Dritten zum Verlierenden und nicht die Beziehung zwischen Verlierendem und Erwerbendem.146 Zu § 881 des Entwurfs zum BGB, der heutigen Ersitzung, hat der Gesetzgeber ausweislich der Motive gerade auf eine dem heutigen § 951 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechende Regelung verzichtet, da der durch die Ersitzung erlangte Vorteil dem neuen Eigentümer verbleiben sollte und daher keine Ausnahme von der Grundregel, dass es sich bei dem gesetzlich angeordneten Rechtserwerb um einen Rechtsgrund handelt, anerkannt werden sollte.147 In der Begründung zu § 909 des Entwurfs, dem heutigen § 964 BGB, kommt dieser Wille des Gesetzgebers noch deutlicher zum Ausdruck,148 da eine dort in einem Satz 3 geplante Regelung, nach der dem bis140
Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852.
141 Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 591. 142 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852.
143 Bauer/Wolf, JuS 1966, 393, 394; Mauser, Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs gemäß § 951 Abs. 1 BGB, S. 11. 144 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 362. 145 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852. 146 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852 f. 147 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 353. 148 Siehe den deutlichen Hinweis hierauf bei Hoche, JuS 1962, 60, 65.
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herigen Eigentümer eines Bienenschwarms ein Anspruch wegen Bereicherung gegen den Erwerber nicht zustehen sollte, unter Hinweis darauf, diese Rechtsfolge sei selbstverständlich, nicht ins Gesetz aufgenommen wurde. Genauer lautet die Begründung hierzu: „(…) eine vom Gesetz an einen bestimmten Thatbestand geknüpfte Eigenthumsänderung“ sei „sofern nicht eine andere Absicht des Gesetzes erhelle, nicht eine des rechtlichen Grundes entbehrende, sondern eine vom Gesetze gebilligte Bereicherung (…)“. § 909 S. 3 sei daher überflüssig und mehr sogar noch möglicherweise missverständlich, da aus ihm geschlossen werden könnte, eine vom Gesetz angeordnete Bereicherung sei eine solche ohne rechtlichen Grund, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimme. Dabei sei genau das Umgekehrte der Fall: Die Herausgabe einer solchen Bereicherung könne nur verlangt werden, „wenn dies im Gesetz bestimmt sei“.149 Dies zeigt deutlich den Willen des Gesetzgebers, den gesetzlich angeordneten Rechtserwerb im Regelfall als Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts anzuerkennen.150 (4) Fazit Die Systematik der Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber als Folge tatsächlicher Vorgänge im BGB eine Rechtsveränderung angeordnet hat, spricht dafür, dass gesetzlich angeordnete Rechtsänderungen einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen eines im Zuge dessen erlangten Etwas bilden.151 Diese betrifft jedoch ausschließlich das Verhältnis zwischen dem vorherigen Rechtsinhaber und dem Erwerber im Sinne einer Nichtleistungskondiktion. Eine gleichgerichtete Leistungskondiktion wird in diesem Verhältnis allerdings regelmäßig aus anderen Gründen nicht bestehen. Die Materialien zum BGB zeigen an verschiedenen Stellen, dass es sich hierbei um eine Grundregel handeln sollte, die stellenweise durch eine ausdrückliche Regelung durchbrochen wurde – so insbesondere im Fall des heutigen § 951 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Wille des Gesetzgebers, der eine Auslegungsmöglichkeit sieht, wenn eine entsprechende ausdrückliche Regelung fehlt, scheint allerdings auch Raum zur Interpretation solcher Vorschriften zu geben, bei denen keine Anordnung getroffen wurde. Eine Vielzahl der von der Problematik betroffenen Fälle, zumindest die der §§ 937, 951 Abs. 1 S. 1, 964, 977 BGB, sind indes hiervon ausgenommen, da der gesetzgeberische Wille insoweit ausdrücklich benannt ist.152 Für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB 149 Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 591. 150 So auch die Einschätzung von Thomale/Zimmermann,
268.
AcP 217 (2017), S. 246,
151 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 572 sehen dies auch als Grundregel iSe Regel-Ausnahme-Verhältnisses an. 152 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 852. Für die Ersitzung zusätzl. Motive zum BGB,
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wird dieses Ergebnis durch den Sinn und Zweck der Vorschriften über den gesetzlichen Eigentumserwerb bestätigt. Der gesetzliche Eigentumserwerb gemäß den §§ 946 ff. BGB wäre demnach kondiktionsfest, wenn nicht § 951 Abs. 1 S. 1 BGB eine hiervon abweichende Anordnung träfe. Die Vorschrift bestimmt, dass der vormalige Eigentümer trotz abweichender Grundregel des Bereicherungsrechts einen Vergütungsanspruch gegen den Erwerber erlangt. Die Verweisung ist auf dieser Grundlage somit konsequenterweise als konstitutive Verweisung anzusehen. Wenn es sich hierbei um eine Rechtsgrundverweisung handelte, eröffnete sie den Weg zu einem Anspruch des Gläubigers gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB.153 bb) Modifikation der bereicherungsrechtlichen Herausgabepflicht Der konstitutive Charakter der Verweisung des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB kann ferner dadurch vorgegeben sein, dass § 951 Abs. 1 S. 1 BGB die Pflicht des Schuldners zwingend auf eine Entschädigung in Geld festlegt. Hierin liegt eine Eingrenzung der Rechtsfolgen des § 818 BGB, der zwar mit der Pflicht zum Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB einen Fall der Geldleistung kennt, die Herausgabe des gegenständlich Erlangten jedoch als vorrangig ansieht (§§ 818 Abs. 1, 2 BGB). Da das Sachenrecht die Entscheidung für den gesetzlichen Eigentumserwerb zulasten des vorherigen Eigentümers bewusst trifft, wäre es wenig sinnvoll, diese bewusste Zuordnung durch eine bereicherungsrechtliche Pflicht zur Herausgabe des gegenständlich Erlangen wieder zu durchbrechen. Hinter der Entscheidung für eine Pflicht zur Geldentschädigung stehen damit sachenrechtliche Wertentscheidungen des Gesetzgebers. Da bei einem gesetzlichen Eigentumserwerb ohne entsprechende Anordnung infolge eines Kondiktionstatbestandes die Herausgabe des gegenständlich Erlangten nicht zwangsläufig unmöglich sein muss und daher nicht automatisch ein Fall des § 818 Abs. 2 BGB vorliegen muss,154 enthält § 951 Abs. 1 S. 1 BGB eine einschränkende Modifikation der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts. Die Modifikation betrifft allerdings nicht den Tatbestand des Bereicherungsrechts, sondern dessen Rechtsfolge. Sie belegt daher für sich genommen nicht, dass es sich bei der Verweisung vollumfänglich um eine konstitutive handelt. Die Verweisung könnte zunächst als Rechtsgrundverweisung deklaratorisch Bd. 3, S. 353. Für § 951 Abs. 1 BGB zusätzl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 362. Für § 977 BGB zusätzl. Motive zum BGB, Bd. 3, S. 386. 153 Imlau, NJW 1964, 1999 f. zieht dagegen aus der Annahme, in den Fällen des gesetzlichen Eigentumserwerbs liege ein Rechtsgrund iSd Bereicherungsrechts vor, nicht den Schluss auf eine konstitutive Rechtsgrundverweisung. Er sieht § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung an. 154 Siehe zu Bsp., in denen dies nicht der Fall ist, im Folgenden unter b) aa) (3) (c) (bb).
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sein und im Anschluss an den Bereicherungsanspruch dessen Rechtsfolgen modifizieren. Diese Auslegungsvariante scheitert jedoch daran, dass die Verweisung, wie gezeigt, als Rechtsgrundverweisung nur konstitutiv sein kann, da mit dem gesetzlichen Eigentumserwerb ein Rechtsgrund besteht und die Voraussetzungen des Bereicherungsrechts somit nicht schon von sich aus vorliegen.155 Die Einschränkung der Rechtsfolgen könnte indes alternativ für eine – ebenfalls konstitutive – Rechtsfolgenverweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB sprechen. b) Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung Wenn es sich nach alledem bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB um eine konstitutive Verweisung handelt, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob sie eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung ist, da beide Arten von Verweisungen konstitutiv sein können. Während auf den ersten Blick einige Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 1. oder 2. Fall BGB zur Anspruchsbegründung notwendig erscheinen, was für das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung spricht,156 erweist sich dies bei näherer Analyse als nicht zutreffend. Der Tatbestand des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist vielmehr, wie zu zeigen ist, zur Begründung des Anspruchs vollständig, ohne dass es einer Anwendung des § 812 Abs. 1 BGB bedarf (siehe dazu unter aa), bb)). Zudem gibt es unter systematischen (siehe dazu unter cc)) und gesetzesökonomischen (siehe dazu unter dd)) Gesichtspunkten Gründe, die dafür sprechen, in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB eine Rechtsfolgenverweisung zu sehen. aa) Vollständigkeit des Tatbestandes des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Der Tatbestand des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert seinen ausdrücklichen Vorgaben nach zunächst einen Rechtsverlust des Anspruchsstellers nach den §§ 946 bis 950 BGB, der zu einer Rechtsänderung zugunsten des Erwerbenden geführt hat. Die Vorschrift setzt damit keine Leistungsbeziehung voraus. Ihrem eigenen Tatbestand nach, ähnelt sie tatbestandlich vielmehr einer Nichtleistungskondiktion. Neben den eigenständig formulierten Voraussetzungen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB würden sich allerdings weitere Vorgaben aus den §§ 812 ff. BGB ergeben, wenn es sich bei der Verweisung um eine Rechtsgrundverweisung handelte. Je nachdem auf welche Variante des § 812 Abs. 1 BGB die Verweisung sich bezöge, könnte sie sich trotz ihrer eigenen Vorgaben auf eine vorangegangene Leistung beziehen oder sich in Ergänzung ihrer Voraussetzungen als Eingriffskonstellation darstellen.
155
Siehe oben unter 1. a) aa). Hadding, FS Mühl, S. 225, 257 (allerdings für die Differenzierung in „Voll- und Teilverweisungen“). 156
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(1) Höhe der Vergütung nicht erkennbar In § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist anders als in § 812 Abs. 1 S. 1 BGB keine Rede davon, der Schuldner des Anspruchs müsse „etwas erlangt“ haben. In § 812 BGB dient dieses Erfordernis dazu, den Gegenstand der Herausgabe im Sinne der §§ 812, 818 Abs. 1 BGB zu bestimmen.157 In § 951 Abs. 1 S. 1 BGB könnte es dazu dienen, einen Anknüpfungspunkt zur Ermittlung des Umfangs der Wertersatzpflicht zu schaffen. Allerdings spricht § 951 Abs. 1 S. 1 BGB davon, der Gläubiger müsse einen Rechtsverlust erlitten haben. Der Rechtsverlust beruht auf dem gesetzlichen Eigentumserwerb, der zugleich automatisch einen Rechtsgewinn auf Seiten des Erwerbers hervorruft. Der Umfang der Herausgabe kann dadurch bestimmt werden.158 Die Eingrenzung der Herausgabepflicht auf eine beim Schuldner noch vorhandene Bereicherung geschieht nach der Systematik des Bereicherungsrechts ohnehin erst im Rahmen des § 818 BGB.159 Eine Verweisung auf den Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB wäre daher zur Berechnung der Anspruchshöhe auf Tatbestandsseite wenig hilfreich. (2) Ohne Rechtsgrund Auf die Voraussetzung „ohne Rechtsgrund“ kommt es zur Begründung des Anspruchs gemäß § 951 Abs. 1 S. 1 BGB schon deshalb nicht an, weil die Vorschrift selbst vorgibt, dass die Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, auch wenn sie dem Grunde nach als gesetzlich angeordneter Eigentumserwerb einen Rechtsgrund darstellen, zu einem bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch des Verlierenden führen sollen. (3) Weitere Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB Welche weiteren Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB im Rahmen von § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Bedeutung erlangen könnten, ist davon abhängig, ob erstere Vorschrift in ihrer ersten (Leistungskondiktion) oder zweiten Variante (Nichtleistungskondiktion) zur Anwendung gelangt. (a) Nichtleistungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB Das Merkmal „auf dessen Kosten“ in § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB, das nach Auffassung der Rechtsprechung dazu dient, Schuldner und Gläubiger einer Nichtleistungskondiktion zu bestimmen,160 wird infolge der Verweisung in 157 Siehe für alle die Darstellungen bei Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 3 ff.; MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 1 ff. 158 Zur Anknüpfung und Berechnung des Vergütungsanspruchs siehe MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 8, 24 ff.; RGRK/Pikart, § 951 BGB Rn. 30; Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 18. 159 Siehe dazu z. B. in diesem Paragrafen unter II. 6. a). 160 BGH vom 19.4.1985 – V ZR 152/83, NJW 1985, 1952 f.; BGH vom 31.3.1977 – VII
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§ 951 Abs. 1 S. 1 BGB auch dann nicht relevant, wenn es sich hierbei um eine Rechtsgrundverweisung handelt. § 951 BGB legt Schuldner und Gläubiger bereits fest und erfüllt auch die anderen Merkmale, die der Voraussetzung „auf dessen Kosten“ beigemessen werden könnten. Dieses Tatbestandsmerkmal hat demnach neben den Anordnungen in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB keine Bedeutung.161 Ein entscheidender Grund für die Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB infolge der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB könnte hingegen die möglicherweise in Ersterem enthaltene Voraussetzung des Vorrangs der Leistungsbeziehung sein, nach der eine Nichtleistungskondiktion ausscheidet, wenn ein vorrangiges Leistungsverhältnis vorliegt.162 Da sich in den Fällen der §§ 946 ff. BGB Konstellationen gezeigt haben, in denen Leistungsbeziehungen vorliegen, die namentlich in Dreiecksbeziehungen zu Konkurrenzproblemen zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion führen, bedarf es für die Fälle des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB einer Abgrenzung zwischen diesen beiden Kondiktionsarten.163 Eine Verweisung auf die §§ 812 ff. BGB ist indes nicht zwangsläufig erforderlich, um den Vorrang der Leistungsbeziehung für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB annehmen zu können. Einer vorherrschenden Ansicht nach ergibt sich das Subsidiaritätsprinzip aus dem Regelungszusammenhang der §§ 812 ff. BGB und dabei namentlich aus der Existenz des § 816 BGB und den Wertungen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten.164 Daneben gibt es andere Ansätze zur Verankerung des Subsidiaritätsprinzips.165 Worauf der Vorrang im Einzelnen beruht und ob die Frage des Vorrangs einer Leistungsbeziehung nicht im Allgemeinen, sondern für jeden einzelnen Fall nach Sinn und Zweck der in Rede stehenden Vorschriften zu beantworten ZR 336/75, NJW 1977, 1287. Die Lit. misst dem Merkmal hingegen versch. andere Funktionen bei. Siehe dazu die ausführl. Darstellung bei MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 270 ff. 161 MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 14 bezeichnet den Verweis „insoweit“ als überflüssig. 162 Auf diesen mögl. Grund weisen Hadding, FS Mühl, S. 225, 261 f. und Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 586 hin. Die Argumentation von Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 24 erklärt sich ebenfalls nur auf dieser Grundlage. 163 Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 33. 164 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 243, 245 ff., der es ausdrückl. auf §§ 946 ff. BGB überträgt; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 108 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 727. Das Prinzip des Vorrangs der Leistungsbeziehung sogar darüber hinaus als ein allgemeines ansehend: Hadding, FS Mühl, S. 225, 262 f.; ders., Der Bereicherungsausgleich, S. 22 ff. (zumindest für die „allgemeine Eingriffskondiktion“ und für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB); wohl auch Wieling, Sachenrecht, § 11 5. a) bb), S. 145. 165 Siehe die Zusammenstellung der Ansichten bei Thomale/Zimmermann, AcP 217 (2017), S. 246, 251 ff.
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ist,166 ist für die Frage, ob es für dessen Anwendung im Rahmen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB eines Verweises auf § 812 BGB bedarf, irrelevant. Denn das Vorrangverhältnis ist nach ganz überwiegender Ansicht derer, die es grundsätzlich anerkennen,167 jedenfalls nicht in letzterer Vorschrift normiert.168 Mithin ist auch keine Verweisung hierauf erforderlich, um es in den Fällen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB berücksichtigen zu können. In einer neueren Entscheidung hat der BGH unter Hinweis darauf, in bereicherungsrechtlichen Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt seien, verbiete sich jede schematische Lösung, eine Nichtleistungskondiktion aus Wertungsgesichtspunkten selbst dann möglicherweise für ausgeschlossen gehalten, wenn keine Leistungsbeziehung vorliegt.169 Etwaige Wertungsgesichtspunkte sind daher bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB aus denselben Gründen zu berücksichtigen, wie dies bei § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB der Fall ist, wenn Ersterer einen speziell geregelten Fall einer Nichtleistungskondiktion darstellt. (b) Fazit zur Nichtleistungskondiktion § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist demnach seinem Tatbestand nach zur Begründung einer Nichtleistungskondiktion vollständig, ohne dass es ergänzend einer Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB bedarf.170 Er statuiert keine konstitutive Rechtsgrundverweisung auf die in letzterer Vorschrift normierte Eingriffskondiktion. Vielmehr enthält sein Tatbestand selbst Elemente einer Nichtleistungskondiktion. Allein hieraus lässt sich noch nicht der Schluss ziehen, dass es sich bei der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ausschließlich um eine Rechtsfolgenverweisung handeln kann, da hierin auch – gegebenenfalls zusätzlich – eine Rechtsgrundverweisung auf die Leistungskondiktion liegen könnte. Im Folgenden ist daher zu überprüfen, ob der Tatbestand der Vorschrift auch hinsichtlich einer Leistungskondiktion bereits von sich aus vollständig ist und es mithin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einer Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht bedarf, um den Anspruch aus § 951 Abs. 1 S. 1 BGB zu begründen. 166 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 84 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 109; MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 65 f. 167 Siehe zu den grds. ablehnenden Stimmen: Thomale/Zimmermann, AcP 217 (2017), S. 246, 254 f., 256 ff. 168 Anders wohl Beuthien, JuS 1987, 841, 844 f. (der aber dennoch in § 684 S. 1 BGB eine Rechtsgrundverweisung nicht für erforderlich hält, um den Vorrang der Leistungsbeziehung anzunehmen); auch NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7 (zu § 684 BGB über das Merkmal „auf dessen Kosten“). 169 BGH vom 19.9.2014 – V ZR 269/13, NJW 2015, 229, 231. 170 I. E. wie Hadding, FS Mühl, S. 225, 262 f.
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(c) Weitere Voraussetzungen der Leistungskondiktion (aa) § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Sonderfall der Leistungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB verlangt, dass der Schuldner etwas „durch Leistung“ erlangt hat. Eine entsprechende Voraussetzung ist in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nicht ausdrücklich enthalten. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Regelungsgehalt dieser Vorschrift, da § 951 Abs. 1 S. 1 BGB einen Rechtsverlust nach den §§ 946 ff. BGB voraussetzt.171 Sofern der Rechtsverlust dagegen auf einer Leistung beruht, liegt entweder bereits ein rechtsgeschäftlicher Eigentumsübergang vor, der einen späteren gesetzlichen Eigentumsübergang ausschließt, oder die Leistung bezieht sich nicht auf das Eigentum an der Sache, wenn der Leistende dieses gar nicht übertragen konnte.172 In dem Fall kann es zu einem gesetzlichen Eigentumsübergang gemäß den §§ 946– 950 BGB kommen – das Eigentum wird nicht „durch Leistung“ im Wege des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs, sondern erst aufgrund des gesetzlichen Erwerbstatbestandes erlangt. § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist demnach nicht schon von sich aus ein Sonderfall der Leistungskondiktion. (bb) § 951 Abs. 1 S. 1 BGB als Verweisung auf die Leistungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB enthält mit der „Leistung“ eine Voraussetzung, die über das in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Geregelte hinausgeht. Wenn die Leistungskondiktion dennoch infolge der Vorschrift anwendbar sein soll, bedarf es einer Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB. Unter den Befürwortern einer Rechtsgrundverweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist seit jeher umstritten, ob sich diese nur auf die Nichtleistungskondiktion173 oder zugleich auf die Leistungskondiktion erstreckt174. 171 Den
Unterschied zwischen einem Rechtserwerb gem. den §§ 946 ff. BGB und einem solchen durch Leistung betonen Baur/Wolf, JuS 1966, 393, 394; Schildt, JuS 1995, 953, 955; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1080 ff. Ebenso noch der BGH vom 30.10.1952 – IV ZR 89/52, LM Nr. 14 zu § 812. 172 A. A. wohl Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 512. 173 Dafür OLG Brandenburg vom 5.8.2009 – 3 U 110/08, juris, Rn. 42; OLG Frankfurt vom 3.11.2006 – 25 U 30/06, BeckRS 2007, 09838; OLG Celle vom 22.1.2004 – 11 U 144/03, NJW‑RR 2004, 1430; OLG Hamm vom 23.6.1992 – 26 U 115/91, NJW‑RR 1992, 1105; Baur/Wolf, JuS 1966, 393, 394 f.; Erman/Ebbing, BGB, § 951 Rn. 3; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 2, 7; Palandt/Herrler, BGB, § 951 Rn. 2 f.; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 2; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 54 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht, § 11 5. a) aa), S. 144. Ohne Ankündigung einer Rspr.-Änderung spricht BGH vom 19.9.2014 – V ZR 269/13, NJW 2015, 229, 231 ausschließlich von einer Verweisung auf die Nichtleistungskondiktion. 174 Für Letzteres BGH vom 12.7.1989 – VIII ZR 286/88, NJW 1989, 2745, 2746; BGH vom 31.10.1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 276; BGH vom 18.6.1961 – VII ZR 118/60, BGHZ 35, 356, 359 f.; Bälz, FS Gernhuber, S. 3, 7, 29; Berg, AcP 160 (1961), S. 505, 512; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 202 f.; Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 254 ff.
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Da § 951 Abs. 1 S. 1 BGB tatbestandlich der Nichtleistungskondiktion nahesteht,175 wäre es in systematischer Hinsicht ungewöhnlich, wenn er gleichzeitig im Wege der Rechtsgrundverweisung auf die Leistungskondiktion verwiese. Der Wortsinn der Vorschrift gibt hierfür zumindest keine Anhaltspunkte. § 951 Abs. 1 S. 1 BGB bezieht sich ausdrücklich auf Fälle, in denen ein Rechtsverlust nach den §§ 946–950 BGB eingetreten ist.176 Hierbei handelt es sich gerade nicht um solche, in denen dem Eigentumserwerb eine Leistungsbeziehung zugrunde liegt. Eine Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB ist in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ferner nicht erforderlich, um die wirtschaftliche Zuordnung einer im Wege des gesetzlichen Eigentumserwerbs übergegangenen Sache im Einklang mit den entsprechenden Erwerbstatbeständen vorzunehmen. Die Intention der Regelungen über den gesetzlichen Eigentumserwerb, die darin gesehen wird, die sachenrechtliche Zuordnung zu Lasten des Verlierenden anzuordnen,177 kann durch eine Eingriffskondiktion zum Schutz des ursprünglich Berechtigten ergänzt und die wirtschaftliche Zuordnung dadurch zu Lasten des Erwerbenden vorgenommen werden. Der den Rechtsverlust nach §§ 946–950 BGB Erleidende kann mit der Nichtleistungskondiktion des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB von dem Erwerber selbst dann eine Vergütung in Geld verlangen, wenn eine irgendwie geartete Leistungsbeziehung besteht, die Leistung des Eigentums aber sachenrechtlich fehlgeschlagen ist. Wenn die rechtsgeschäftliche Übereignung beispielsweise an § 935 BGB scheitert, sperrt die Leistungsbeziehung die Nichtleistungskondiktion nicht, da bezogen auf das Eigentum keine Leistung vorliegt. Ob die Handlung des Gläubigers in dem Fall beispielweise zu einer wirksamen Besitzübertragung geführt hat, ist irrelevant, da die vorrangige Leistungsbeziehung das zu kondizierende erlangte Etwas betreffen muss. Das erlangte Etwas besteht aus Sicht der Leistungskondiktion in dem Besitz, aus Sicht der Nichtleistungskondiktion hingegen in dem Eigentum an der Sache, das wegen § 935 BGB gerade nicht im Wege des rechtsgeschäftlichen Erwerbs – wohl aber später durch den gesetzlichen Eigentumserwerb – auf den Erwerber übergehen konnte. Das geleistete Etwas – beispielweise der Besitz – kann grundsätzlich mithilfe der Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB herausverlangt werden.178 Der gesetzliche Eigentumserwerb stellt keinen Rechtsgrund im Sinne dieser Leistungskondik175 Dies folgt bereits aus Vorstehendem (unter (a), (b)), da hinsichtlich der Nichtleistungskondiktion, wie gezeigt, keine Rechtsgrundverweisung vorliegt. 176 BeckOK BGB/Kindl, § 951 Rn. 2; Schildt, JuS 1995, 9953, 955; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1080. 177 Zum Sinn und Zweck der Anordnungen des gesetzlichen Eigentumserwerbs gem. den §§ 946 ff. BGB Erman/Ebbing, BGB, Vor § 946 Rn. 1–3; Staudinger/Wiegand, BGB, Vorbem. zu §§ 946–952 Rn. 1 f. 178 Dem steht allerdings der Einwand des dolo facit qui petit quod statim redditurus
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tion dar.179 Er bezieht sich auf eine andere Rechtsposition. Wenn das Eigentum an der Sache vor der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung bereits rechtsgeschäftlich übertragen wurde, schließt dies einen Eigentumserwerb gemäß den §§ 946 bis 950 BGB ohnehin aus. Das Herausgabeverlangen ist in diesen Fällen direkt auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB zu stützen. Es bedarf daher in keiner Konstellation des gesetzlichen Eigentumsübergangs einer Anwendung des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, um eine Kondiktionsmöglichkeit im Sinne einer Leistungskondiktion dem Grunde nach zu eröffnen. Dies unterscheidet die Fälle, in denen eine Leistungsbeziehung vorliegt, gerade von den in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB geregelten. Ohne die in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB implizierte Vorgabe, dass es sich bei einem gesetzlichen Eigentumserwerb nach den §§ 946–950 BGB nicht um einen Rechtsgrund handeln soll, fehlte die Kondiktionsmöglichkeit hinsichtlich des Erlangten. Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB sind nach einem gesetzlichen Eigentumsübergang aufgrund des in der gesetzlich angeordneten Rechtsveränderung liegenden Rechtsgrundes nicht gegeben und ein Anspruch aufgrund einer Leistungskondiktion scheidet mangels Leistungsbeziehung von vornherein aus. Ein möglicher Nachteil daran, die Leistungskondiktion neben § 951 Abs. 1 S. 1 BGB zuzulassen, liegt darin, dass bei einer Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB das erlangte Etwas dem Grunde nach gegenständlich herauszugeben ist (§ 818 Abs. 1 BGB). Es könnte ein Wertungswiderspruch entstehen, wenn in den Fällen, in denen ein gesetzlicher Eigentumserwerb stattgefunden hat, eine Vergütungspflicht in Geld besteht (§ 951 Abs. 1 S. 1, 2 BGB), während in denselben Fällen, in denen allerdings allein aufgrund einer vorherigen rechtsgeschäftlichen Übereignung kein gesetzlicher Eigentumserwerb mehr stattfinden kann, die Sache gegenständlich herauszugeben wäre. Denn die tatsächliche Situation, dass die Sache verbunden, verarbeitet oder vermischt ist, ist in beiden Fällen identisch. Wenn die spätere Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung einer zuvor rechtsgeschäftlich übereigneten Sache dazu geführt hat, dass aufgrund einer Untrennbarkeit der Sachen eine gegenständliche Herausgabe unmöglich ist, ist dies unproblematisch, da in dem Fall im Rahmen der Leistungskondiktion gemäß § 818 Abs. 2 BGB eine Wertersatzpflicht besteht.180 Diese Pflicht ist demnach gleichgerichtet mit der, die infolge des § 951 Abs. 1 S. 1, 2 BGB bestünde. Es gibt aber auch Fälle, in denen namentlich die Verbindung im Sinne des § 946 est nach § 242 BGB entgegen, da derjenige, der aufgrund des gesetzlichen Eigentumserwerbs Eigentümer geworden ist, die Sache nach § 985 BGB wieder herausverlangen kann. 179 Dazu ausführl. oben unter a) aa) (2) (h). 180 Zur Wertersatzpflicht bei untrennbarer Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 23.
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BGB nicht dazu führt, dass eine Trennung unmöglich ist. Der Eigentumserwerb gemäß § 946 BGB ist an das Entstehen eines wesentlichen Bestandteils geknüpft. Dafür ist gemäß § 94 Abs. 2 BGB jedoch nicht zwingend eine untrennbare Verbindung erforderlich.181 Vielmehr sollen Gebäudeteile auch dann wesentliche Bestandteile des Gebäudes sein, wenn sie nicht untrennbar mit diesem verbunden sind, Letzteres aber nur durch sie vollständig wird – zum Beispiel Teppichböden, die nicht mit dem Estrich verklebt sind oder Fensterläden, die lediglich außen am Gebäude eingehängt sind.182 Derartige Sachen könnten nach § 818 Abs. 1 BGB als Rechtsfolge einer Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB herausgegeben werden. Wenn es sich aber um einen Sachverhalt handelt, in dem die Sachen ohne die vorherige rechtsgeschäftliche Übereignung in das Gebäude eingefügt wurden und dadurch im Wege des § 946 BGB in das Eigentum des Gebäudeeigentümers übergegangen wären, hätte der Verlierende „lediglich“ einen Vergütungsanspruch nach § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, da in letzterem Fall ein gesetzlicher Eigentumsverlust zu dem Rechtswechsel geführt hätte. Die dem zugrunde liegende Wertung der §§ 946 ff. BGB, die sachenrechtliche Zuordnung nicht wieder zu zerstören, würde unterlaufen, wenn die Sachen dennoch wieder herausverlangt werden könnten, sofern dem tatsächlichen Prozess, an den die Tatbestände des gesetzlichen Eigentumserwerbs anknüpfen, eine rechtsgeschäftliche Übereignung vorangegangen ist. Ohne Letztere wäre die gegenständliche Herausgabe wegen § 951 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Es spricht nichts dagegen, in dem Fall § 951 Abs. 1 S. 1 a. E., S. 2 BGB zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs mit dem Ergebnis analog anzuwenden, dass auch im Wege der Leistungskondiktion lediglich eine Vergütung in Geld verlangt werden kann.183 bb) Fazit zur Vollständigkeit des Tatbestandes des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Nach alledem ist der Tatbestand des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB vollständig184 und enthält als solcher sämtliche Tatbestandsmerkmale der Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB. Es bedarf daher keiner Verweisung auf letzteren Tatbestand, um den Anspruch gemäß § 951 Abs. 1 S. 1 BGB zu begründen oder in seinem Umfang zu begrenzen. Die Vorschrift enthält demnach keine konstitutive Verweisung auf die bereicherungsrecht181
Für alle MünchKommBGB/Stresemann, § 94 Rn. 22 f. § 946 Rn. 6; MünchKommBGB/Stresemann, § 94 Rn. 22 f., 29. 183 Für diese Lösung BeckOK BGB/Kindl, § 951 BGB Rn. 2; MünchKomBGB/Füller, § 951 Rn. 23; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 2 a. E.; wohl auch Wieling, Sachenrecht, § 11 II. 5. b), S. 145. Siehe auch BeckOK BGB/Wendehorst, § 818 Rn. 25 (analoge Anwendung des § 951 Abs. 1 S. 2 BGB für alle Kondiktionstypen). 184 Hadding, FS Mühl, S. 225, 263; ders., Der Bereicherungsausgleich, S. 24; Wilhelm, Sachenrecht Rn. 1079 ff., 1091. 182 MünchKommBGB/Füller,
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lichen Tatbestände der Nichtleistungskondiktion. Für eine Rechtsgrundverweisung auf die Leistungskondiktion bestehen ebenfalls weder Anhaltspunkte noch bedürfte es einer solchen, um die Fälle, in denen trotz einer Eingriffssituation Leistungsbeziehungen vorliegen, rechtlich vollumfänglich zu erfassen. § 812 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB findet vielmehr neben § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Anwendung. Dies spricht dagegen, in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht zu sehen. cc) Systematik des Gesetzes Das aus der Vollständigkeit des Tatbestandes gewonnene Ergebnis, es handele sich bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nicht um eine Rechtsgrundverweisung, wird durch eine vergleichende Betrachtung mit § 977 BGB bestätigt. Diese bietet sich an, da die Vorschriften nahezu identisch formuliert sind. Ähnliche Formulierungen gesetzlicher Regelungen deuten grundsätzlich auf einen vergleichbaren Inhalt hin.185 § 951 Abs. 1 S. 1 BGB und § 977 BGB haben dieselbe Funktion186 – sie sollen demjenigen, der durch eine gesetzliche Anordnung einen Rechtsverlust erlitten hat, eine Kondiktionsmöglichkeit eröffnen. Die Vorschriften betreffen mit ebendiesem Rechtsverlust dem Grunde nach dieselbe rechtliche Situation – nur in einem anderen Anwendungsfall. Während § 951 Abs. 1 S. 1 BGB den Rechtsverlust infolge eines Eigentumserwerbs durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung regelt, betrifft § 977 BGB denjenigen nach einem Fund. Sie unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Art ihrer Rechtsfolgen, die bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB in der „Vergütung in Geld“ besteht und bei § 977 BGB „die Herausgabe des durch die Rechtsänderung Erlangten“ betrifft. Da der Unterschied in den Regelungen – von den verschiedenen Ausgangssituation abgesehen – die Art der Rechtsfolgen der Vorschriften und nicht die Struktur ihrer Tatbestände betrifft, ändert dieser Unterschied nichts an ihrer konzeptionell gleichen Funktionsweise. Letztere spricht vielmehr dafür, den Verweisungen jeweils denselben Umfang beizumessen. § 977 BGB wird anders als § 951 Abs. 1 S. 1 BGB überwiegend als Rechtsfolgenverweisung eingeordnet.187 Der Grund dafür, dass die Regelungen hinsichtlich ihres Verweisungscharakters trotz ihrer vergleichbaren Funktion unterschiedlich eingeordnet werden – mitunter sogar durch dieselben 185 Hadding, FS Mühl, S. 225, 251; Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 178 f. Dem entsprechen die Empfehlungen des BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 220. Warnend für Veweisungen auf das Bereicherungsrecht allerdings v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 680. 186 Zur Funktionsgleichheit der Vorschriften Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 564. 187 Zu § 977 BGB Erman/Ebbing, BGB, § 977 Rn. 2; NK‑BGB/Hoeren, § 977 Rn. 2; Soergel/Henssler, BGB, § 977 Rn. 4; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 977 Rn. 1. Siehe zu § 977 BGB im Folgenden unter 2.
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Autoren – ist nur dadurch erklärbar, dass in den Fällen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Konkurrenzprobleme mit der Leistungskondiktion auftreten können und es daher auf das Subsidiaritätsverhältnis zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion ankommen kann,188 während für § 977 BGB beim Fund schwerlich Fälle denkbar sind, in denen dem Rechtserwerb eine Leistung vorausgeht. Ein Fund schließt es vielmehr denknotwendig aus, dass die Sache dem Finder von einem anderen geleistet wurde. Dadurch entstehen die vorbenannten Konkurrenzprobleme nicht. Wenn es aber, wie gesehen, zur Lösung des Konkurrenzproblems bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB gar nicht erforderlich ist, auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 BGB in einer seiner Varianten zu verweisen,189 ist es auch nicht sinnvoll, zwischen § 977 BGB einerseits und § 951 Abs. 1 S. 1 BGB andererseits hinsichtlich des Verweisungsumfangs zu differenzieren. Die Tatsache, dass die beiden Vorschriften gleich aufgebaut sind, spricht vielmehr dafür, ihnen hinsichtlich der Verweisung auch denselben Umfang beizumessen. dd) Gesetzesökonomie als Zweck einer Verweisung Ein zusätzliches Argument dafür, in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB keine Rechtsgrundverweisung zu sehen, ist ein gesetzgebungstechnisches. Der Sinn und Zweck einer Verweisung innerhalb eines Gesetzes besteht unter anderem in der Gesetzesökonomie. Das anzuwendende Recht soll nicht in Gänze an einer Stelle außerhalb des Abschnitts, in dem sich das Verweisungsobjekt befindet, wiederholt werden. Die Verweisungsvorschrift soll vielmehr so knapp wie möglich gehalten und durch das Verweisungsobjekt ergänzt werden.190 Hätte der Gesetzgeber eine Rechtsgrundverweisung etablieren wollen, hätte er den Tatbestand des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nicht in dieser Ausführlichkeit regeln müssen.191 Wie gezeigt, enthält § 951 Abs. 1 S. 1 BGB sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen, die zur Anspruchsbegründung erforderlich sind. Insbesondere regelt er nicht nur, dass es sich bei dem gesetzlichen Eigentumserwerb nicht um einen im Sinne von § 812 BGB beachtlichen Rechtsgrund handeln soll, sondern statuiert darüber hinaus die Herausgabepflicht und legt den Gegenstand der Erstattungspflicht sowie die Parteien des Anspruchs fest. § 812 BGB enthält – wie gesehen192 – keine darüber hinausgehenden Anforderungen. Hätte der Gesetzgeber einen Rechtsgrundverweis etablieren wollen, hätte er sich auf eine Regelung zum Rechtsgrund und den Ausschluss der Pflicht zur gegenständlichen Herausgabe beschränken können. 188
Siehe dazu vorstehend unter a) aa) (2) (h). Siehe dazu vorstehend unter aa). Siehe zur Gesetzesökonomie als Funktion der Verweisung in Kap. 1, § 3 I. 191 Allg. zu diesem Argument Hadding, FS Mühl, S. 225, 258 f. 192 Dazu in diesem Paragrafen unter II. 1. b) aa). 189 190
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Das gesetzesökonomische Argument ist allerdings lediglich ein ergänzendes. Mit diesem Argument allein dürfte es in Gesetzbüchern keine deklaratorischen Rechtsgrundverweisungen geben, da die jeweiligen Verweisungsobjekte in diesen Fällen von sich aus anwendbar sind und die Regelungen demnach einen bloßen Hinweischarakter haben. Derartige Verweisungen existieren aber. Zudem ist zu bedenken, dass der historische Gesetzgeber des BGB nicht in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen differenziert und demnach nicht in diesen Kategorien gedacht hat.193 Diese Unterscheidung hat sich erst später entwickelt. Zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB finden sich jedenfalls keine Hinweise auf diese Einordnung in den Gesetzesmaterialien.194 ee) Rechtsnatur der Verweisung und deren Folgen Nach alledem handelt es sich bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB um einen speziellen Fall der Nichtleistungskondiktion, der eine konstitutive Rechtsfolgenverweisung auf die Regelungen des Bereicherungsrechts enthält.195 Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB müssen demnach zur Anspruchsbegründung nicht vorliegen. Der Tatbestand des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist vollständig. Neben dem Eintritt eines Rechtsverlusts gemäß den §§ 946 ff. BGB ist zu prüfen, ob die Nichtleistungskondiktion aufgrund einer vorrangigen Leistungsbeziehung gesperrt ist.196 Entgegen einiger anderslautender Stimmen197 handelt es sich bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB um eine Anspruchsgrundlage.198 Er besteht aus Tatbestandsvoraussetzungen, die die von ihm 193 Speziell im Bereicherungsrecht hat der Gesetzgeber wohl schon keine Notwendigkeit hierfür gesehen, weil das System der ursachenabhängigen Kondiktionsarten noch nicht so ausdifferenziert war, wie heute: Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 732 f. (etw. weniger ausführl. aber mit demselben Arg. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 584 f.); Schildt, JuS 1995, 953, 954. Zur Konzeption des § 527 Abs. 1 BGB, der zumindest hinsichtlich des Verweises auf das Rücktrittsrecht als hinsichtlich der „Voraussetzung“ bezeichnet ist, siehe in diesem Paragrafen II. 9. und Kap. 3, § 1 II. 2. a). 194 Dazu, dass dieser Differenzierung in der Literatur zu § 951 BGB zunächst ebenfalls keine Beachtung geschenkt wurde Mauser, Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs gemäß § 951 Abs. 1 S. 2 BGB. 195 Hadding, Der Bereicherungsausgleich, S. 24; Mauser, Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs gemäß § 951 Abs. 1 BGB, S. 8 ff., 121; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1079 ff. Siehe auch Imlau, NJW 1964, 1999 f., der in § 951 BGB einen selbstständigen Schuldgrund mit Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht sieht, allerdings einen bereicherungsrechtlichen Charakter des Anspruchs ablehnt. 196 Es sei denn man lehnt den Vorrang der Leistungsbeziehung grds. ab. Siehe dazu Thomale/Zimmermann, AcP 217 (2017), S. 246, 256 ff. Siehe zum Grundsatz des Vorrangs der Leistungsbeziehung in diesem Paragrafen unter II. 1. b) aa) (3) (a). 197 BGH vom 18.7.2014 – V ZR 291/13, NJOZ 2014, 1888, 1890; OLG Hamm vom 23.6.1992, NJW‑RR 1992, 1105; Ehmann, Anm. zu BGH NJW 1971, 612, 613; Huber, JuS 1970, 342, 342. 198 So auch die Einordnung von BeckOGK/Schermaier, § 951 BGB Rn. 5.
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selbst dem Grunde nach angeordnete Rechtsfolge tragen. Er begründet dadurch einen Anspruch im Sinne von § 194 BGB, sodass kein Grund dafür besteht, ihn nicht als Anspruchsgrundlage einzuordnen. Die Regelungen des Bereicherungsrechts dienen schließlich der Ausgestaltung der Rechtsfolge der Vorschrift. Da § 818 Abs. 1 und Abs. 2 BGB an die gegenständliche Herausgabe eines erlangten Etwas anknüpfen, § 951 Abs. 1 S. 1 BGB aber eine Vergütungspflicht in Geld anordnet und eine gegenständliche Herausgabe gemäß § 951 Abs. 1 S. 2 BGB gerade ausgeschlossen ist, bedarf die Anwendung der Abs. 1 und 2 des § 818 BGB noch einer näheren Betrachtung.199 Der Schuldner kann sich jedoch insbesondere auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn dessen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Ferner finden die anderen Rechtsfolgeregelungen des Bereicherungsrechts, insbesondere die §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 822 BGB, 200 in einem allgemeinen, noch näher zu bestimmenden Umfang Anwendung.201 Es sind keine in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB liegenden Gründe ersichtlich, die allgemein gegen eine Anwendbarkeit dieser Vorschriften sprechen. Da § 951 Abs. 1 S. 1 BGB gemeinhin als Rechtsgrundverweisung angesehen wird, können die §§ 818 ff. BGB, die bei einer derartigen Einordnung denknotwendig anwendbar sind, keine gravierenden Widersprüche hervorrufen, wenn sie zur Bestimmung des Umfangs der Vergütungspflicht in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB herangezogen werden. 2. Konkrete Einordnung von § 977 BGB § 977 BGB enthält eine mit § 951 BGB vergleichbare Regelung über die Herausgabepflicht des Finders, der nach den §§ 973, 974, 976 BGB das Eigentum an der Fundsache erworben hat. Sein Charakter als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung ist ebenfalls umstritten.202 Ähnlich wie im Fall des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB verweisen die Befürworter einer Rechtsgrundverweisung darauf, § 977 BGB stelle lediglich klar, dass der Eigentumserwerb des Finders gemäß den §§ 973, 974, 976 BGB keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstelle.203 Dies spricht für die Einordnung als deklaratorische Rechtsgrundverweisung. Hiergegen lässt sich aus den bei 199
Siehe in diesem Kap. § 4 II. BGB, § 951 Rn. 12 ff.; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 27 f. (für die §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 820 BGB); Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 54 Rn. 9 f. Für die §§ 818 Abs. 3, 4, 819 BGB auch BGH vom 30.11.1960 – V ZR 131/59, NJW 1961, 452. 201 Siehe zur Anwendung der §§ 818 ff. BGB infolge von Rechtsfolgenverweisungen noch ausführl. in diesem Kap. unter § 4. 202 Für eine Rechtsfolgenverweisung Erman/Ebbing, BGB, § 977 Rn. 2; NK‑BGB/ Hoeren, § 977 Rn. 2; Soergel/Henssler, BGB, § 977 Rn. 4; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 977 Rn. 1. Für eine Rechtsgrundverweisung Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 562; MünchKommBGB/Oechsler, § 977 Rn. 1. 203 MünchKommBGB/Oechsler, § 977 Rn. 1. 200 Erman/Ebbing,
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§ 951 Abs. 1 S. 1 BGB genannten Argumenten, die auf § 977 BGB übertragbar sind, einwenden, dass die Möglichkeit des Zugriffs auf die Fundsache erst durch die Anordnung in § 977 BGB eröffnet wird und der gesetzliche Eigentumserwerb des Finders einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen im Verhältnis zwischen dem Verlierenden und dem Finder darstellt.204 Hervorzuheben ist insbesondere das Argument, § 977 BGB würde bedeutungslos, wenn der Eigentumserwerb nach den §§ 973, 974, 976 BGB ohne seine Existenz auch keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen lieferte. Denn eine Herausgabepflicht ergäbe sich in diesen Fällen bereits aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB. Da § 977 BGB dessen Rechtsfolgen (§§ 818 ff. BGB) nicht modifiziert, sondern die Herausgabe des Erlangten nach den Vorgaben des Bereicherungsrechts ohne weitere Einschränkung anordnet, wäre eine Regelung mit dem Inhalt des § 977 BGB überflüssig, wenn schon ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB bestünde. § 977 BGB sieht allerdings vor, dass der Verlierende den Anspruch auf Fundherausgabe lediglich binnen einer Frist von drei Jahren nach dem Eigentumsübergang geltend machen kann. Da Bereicherungsansprüche bei Schaffung des BGB erst nach 30 Jahren verjährten, lag die Bedeutung des für eine kürzere Zeit von drei Jahren bestehenden Herausgabeanspruchs gegen den Finder darin, durch eine endgültige Zuordnung des Eigentums früher Rechtssicherheit zu schaffen. Wäre der Eigentumserwerb des Finders kein Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB und die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 977 BGB daher eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung, müssten die §§ 812 ff. BGB von sich aus anwendbar sein und grundsätzlich die hierfür geltenden Verjährungsregeln eingreifen. § 977 BGB könnte allenfalls eine diesbezügliche Modifikation enthalten. Diese Modifikation bezöge sich jedoch nicht auf das Bereicherungsrecht, sondern auf das Verjährungsrecht. Zwar soll die Frist des § 977 BGB keine Verjährungs-, sondern eine Ausschlussfrist darstellen, 205 weil die Verjährungsregelungen aber dadurch faktisch nicht mehr zur Anwendung gelangen und mithin ausgeschlossen werden, würde das Verjährungsrecht durch diese Regelung faktisch eingeschränkt. Eine Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 977 BGB würde daher auf diese Weise nicht konstitutiv. Da Bereicherungsansprüche nach geltendem Recht der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) unterliegen, wäre eine derartige Modifikation mittlerweile ohnehin bedeutungslos. Es liegt nach alledem näher, die Verweisung als konstitutiv einzuordnen, da der gesetzlich angeordnete Eigentumserwerb des Finders grundsätz204 Siehe
die Überlegungen zum gesetzlichen Eigentumserwerb als Rechtsgrund zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB unter 1. a) aa). Speziell für den Eigentumserwerb des Finders als Rechtsgrund Edenfeld, JR 2001, 485, 489. 205 Erman/Ebbing, BGB, § 977 Rn. 6; MünchKommBGB/Oechsler, § 977 Rn. 4.
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lich als Rechtsgrund im Sinne der Nichtleistungskondiktion im Verhältnis zwischen dem Verlierenden und dem Finder anzusehen ist. § 977 BGB eröffnet daher die Möglichkeit des Verlierenden, die Fundsache vom Finder herauszuverlangen. Diese Sichtweise entspricht der Gesamtsystematik der Vorschriften über den gesetzlichen Eigentumserwerb.206 § 977 BGB ähnelt nicht nur § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern insbesondere auch der Ersitzung in § 937 BGB, 207 für die ebenfalls anerkannt ist, dass die durch sie gewonnene Rechtsposition einen Rechtsgrund im Sinne der Nichtleistungskondiktion darstellt208. § 977 BGB stellt in ähnlicher Weise wie § 951 Abs. 1 S. 1 BGB einen speziell geregelten Fall einer Nichtleistungskondiktion dar, deren Tatbestand in § 977 BGB abschließend geregelt ist. Der Inhalt des Tatbestands ist mit dem der Nichtleistungskondiktion im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB vergleichbar, was sich bereits daran zeigt, dass die Vorschrift unter anderem als deklaratorische Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht verstanden wird. Die Grund-Rechtsfolge des Anspruchs aus § 977 BGB ergibt sich aus diesem selbst; infolge der Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht finden ergänzend die §§ 818 ff. BGB Anwendung. Sie bestimmen die Art und den Umfang der Herausgabepflicht im Einzelnen.209 3. Konkrete Einordnung von § 852 S. 1 BGB Ob es sich bei § 852 S. 1 BGB um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht handelt, wurde lange Zeit streitig diskutiert. Vor allem in der älteren Literatur gibt es Stimmen, die in dieser Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht eine Rechtsgrundverweisung sehen, 210 während Rechtsprechung und die neuere Literatur übereinstimmend von einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht ausgehen 211. 206
Siehe dazu ausführl. vorstehend unter 1. a) aa) (2).
207 Faber, JR 1987, 313; Weimar, JR 1977, 498, 499. 208 Siehe zur Ersitzung insoweit oben unter 1. a) aa)
(2) (a). §§ 819, 822 BGB Edenfeld, JR 2001, 485, 489; Soergel/Henssler, BGB, § 977 Rn. 4; Weimar, JR 1977, 498, 499. Zum Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht im Einzelnen in diesem Kap. § 4. 210 v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 395 ff.; Seifert, NJW 1972, 1739, 1741; Soergel/ Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 22. 211 BGH vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 497 (Rn. 15); BGH vom 15.1.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165, 3167; BGH vom 30.9.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 245 f.; BGH vom 14.1.1999 – I ZR 203–96, NJW‑RR 1999, 984, 987; BGH vom 12.7.1995 – I ZR 176/93, NJW 1995, 2788, 2790; BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379 f.; Büning, Die Verjährung der Ansprüche aus unerlaubter Handlung, S. 99; Ebert, NJW 2003, 3035, 3036 f.; Hülsewig, GRUR 2011, 673, 676 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 595; MünchKommBGB/Wagner, § 852 Rn. 5; Nieder, PatMitt 2009, 540; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., 209 Für
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a) Hinweise in den Gesetzesmaterialien In den Gesetzesmaterialien zum Entwurf des BGB finden sich zu den Entwurfsfassungen des heutigen § 852 S. 1 BGB wie auch bei den anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht keine Hinweise auf eine ausdrückliche Einordnung der Verweisung als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung. In den Motiven zum BGB ist allerdings die Rede davon, § 720 des Entwurfs (Entwurf zur Vorgängerregelung des heutigen § 852 BGB) regle zugleich inhaltlich den „Kondiktionsanspruch“. 212 Aus einer derartigen Aussage lassen sich zwar keine zwingenden Schlüsse auf den Umfang der Verweisung ziehen. In § 720 des Entwurfs eine Regelung eines Bereicherungsanspruchs zu sehen, spricht aber zumindest dafür, die Vorschrift als Anspruchsgrundlage einzuordnen. Dies schließt wiederum das Vorliegen einer deklaratorischen Rechtsgrundverweisung aus, da eine solche nicht zu einem neuen, eigenständigen Anspruch führt, sondern lediglich auf eine ohnehin anwendbare Vorschrift hinweist.213 b) Abgrenzung von konstitutiver und deklaratorischer Verweisung Die Frage, ob es sich bei § 852 S. 1 BGB um eine eigenständige Anspruchsgrundlage oder lediglich um eine Erweiterung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs über den Verjährungszeitraum hinaus handelt, ist allerdings trotz dieser Vorgabe in den Motiven zum BGB ebenfalls streitig.214 Wenn § 852 S. 1 BGB einen selbständigen Anspruch begründet, kann die in dieser Vorschrift enthaltene Verweisung nicht deklaratorisch sein. aa) Wortsinn § 852 S. 2 BGB gibt vor, „dieser Anspruch“ verjähre in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Die Anordnung „dieser Anspruch“ bezieht sich eindeutig auf Satz 1 der Vorschrift – die sprachliche Fassung bietet insoweit keinen Interpretationsspielraum. Die Bezeichnung der Regelung in Satz 1 als „Anspruch“ zeigt, dass in dieser Vorschrift ein Anspruch enthalten sein muss. Dieser kann indes in einem eigenständigen Anspruch oder in einer Erweiterung des ursprünglichen deliktischen Schadensersatzanspruchs liegen, die Bezeichnung als Anspruch in Satz 2 bezöge sich in letzterem Fall S. 594 f.; Soergel/Krause, BGB, § 852 Rn. 2, 4; Staudinger/Vieweg, BGB, § 852 Rn. 17; Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 25. 212 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 743. 213 Zu deklaratorischen Verweisungen siehe allg. in Kap. 1, § 2 II. Für eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung in § 852 BGB a. F. wohl Seifert, NJW 1972, 1739, 1742. 214 Für eine selbstständige Anspruchsgrundlage Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 595 (Annahme eines Bereicherungsanspruchs); NK‑BGB/Katzenmeier, § 852 Rn. 2; PWW/Schaub, § 852 BGB Rn. 1. A. A. OLG Düsseldorf vom 18.2.2015 – VI‑U Kart 3/14, JZ 2015, 726, 729.
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auf den deliktischen Anspruch, der durch Satz 1 lediglich modifiziert wird. Der Wortsinn der Vorschrift ist demnach für beide Auslegungsvarianten – als Anspruchsgrundlage oder nicht – offen. bb) Systematik In systematischer Hinsicht gibt es mehrere Gründe, § 852 S. 1 BGB als Anspruchsgrundlage einzuordnen. Zunächst enthält § 852 S. 2 BGB eine besondere Verjährungsregelung, die, wenn sie sich auf § 852 S. 1 BGB bezieht, ein Indiz für seinen Charakter als Anspruchsgrundlage liefert (dazu unter (1)). Ferner kann der Charakter des Anspruchs, der von § 852 S. 1 BGB geregelt wird, Aufschluss darüber geben, ob es sich bei diesem um einen eigenständigen Anspruch handelt oder der ursprüngliche Anspruch lediglich modifiziert wird (dazu unter (2)). Schließlich bietet, wie zu zeigen ist, auch eine vergleichende Betrachtung des § 852 S. 1 BGB mit Rechtsfortwirkungsansprüchen innerhalb des BGB Indizien zur Bestimmung des Rechtscharakters der Norm (siehe unter (3)). (1) Verjährungsregelung, § 852 S. 2 BGB Die in § 852 S. 2 BGB enthaltene eigenständige Verjährungsregelung spricht dafür, dass es sich bei Satz 1 um eine Anspruchsgrundlage handelt. Gemäß § 194 Abs. 1 BGB unterliegen nur Ansprüche der Verjährung. Im Umkehrschluss bedeutet § 194 Abs. 1 BGB: Wenn eine Vorschrift eigenständig der Verjährung unterliegt, muss in ihr auch ein Anspruch enthalten sein.215 Für § 852 S. 1 BGB bestehen zwei Auslegungsalternativen: Entweder begründet § 852 S. 1 BGB einen Anspruch, für den Satz 2 eine spezielle Verjährungsregelung vorsieht, oder die Anordnung einer von der Regelverjährung abweichenden Frist in § 852 S. 2 BGB bezieht sich auf den ursprünglichen deliktischen Anspruch. Zunächst ist zu bedenken, dass § 852 S. 1 BGB neben der Anbindung an eine unerlaubte Handlung zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen zur Anspruchsbegründung aufstellt und die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs, an den er anknüpft, in eine Herausgabepflicht umwandelt. Satz 2 enthält demnach insgesamt nicht nur eine isolierte Verjährungsregelung eines unverändert bestehenden Anspruchs. Er bezieht sich vielmehr auf den durch Satz 1 der Regelung zumindest abgewandelten Anspruch. Es wäre eigenartig, wenn der ursprüngliche Schadensersatzanspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist verjährte, derselbe Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen sodann abgewandelt würde und als solcher innerhalb einer anderen Frist verjährte. Derselbe Anspruch unterläge dann 215
Vgl. z. B. für § 822 BGB Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 2.
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zwei unterschiedlichen Verjährungsfristen.216 Die eigenständige Verjährungsregelung spricht vielmehr insbesondere im Zusammenspiel mit der zugleich in § 852 S. 1 BGB vorgenommenen Abwandlung des Tatbestandes und der Rechtsfolge des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs dafür, dass die Vorschrift einen eigenständigen Anspruch begründet und es sich hierbei mithin um eine Anspruchsgrundlage handelt. (2) Deliktischer Schadensersatz- oder bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch Der Anspruch des Geschädigten auf Herausgabe des durch die unerlaubte Handlung Erlangten wird einerseits als deliktischer Schadensersatzanspruch, andererseits als bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch eingeordnet. Handelte es sich um einen Schadensersatzanspruch, könnte dies sowohl bedeuten, dass es sich lediglich um eine Haftungserweiterung des ursprünglichen Anspruchs handelte, als auch, dass er eine eigenständige deliktische Anspruchsgrundlage bildete. Hat § 852 S. 1 BGB hingegen den Charakter eines bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs, wird es sich hierbei um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handeln, da der Anspruch seinem Charakter nach vom ursprünglichen Schadensersatzanspruch abweicht. (a) Vorgehen der Rechtsprechung Die Rechtsprechung nimmt an, § 852 S. 1 BGB gewähre einen Schadensersatzanspruch. 217 Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Erwägungen zur Änderung des § 852 BGB im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung dieser Einschätzung angeschlossen. 218 Er spricht jedoch im gleichen Atem216 BGH vom 15.1.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165, 3167; Staudinger/Vieweg, BGB, § 852 Rn. 18 sehen den deliktischen Schadensersatzanspruch grundsätzlich als verjährt an, wollen demgegenüber indes die Verjährung im Umfang der Bereicherung nicht durchgreifen lassen. 217 BGH vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 497 (Rn. 19); BGH vom 15.1.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165, 3167 (Restschadensersatzanspruch); BGH vom 14.1.1999 – I ZR 203–96, NJW‑RR 1999, 984, 987; BGH vom 12.7.1995 – I ZR 176/93, NJW 1995, 2788, 2790; BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379; BAG vom 24.10.2001 – 5 AZR 32/00, NZA 2002, 209, 211; OLG Düsseldorf vom 18.2.2015 – VI‑U Kart 3/14, JZ 2015, 726, 729; zustimmend aus der Lit. Büning, Die Verjährung der Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, S. 98 f.; PWW/Schaub, § 852 BGB Rn. 1 (Deliktsanspruch); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 219, 594 f.; Staudinger/Vieweg, BGB, § 852 Rn. 17 ff., 19; wohl auch Bernhard, NZKart 2014, 432; Hülsewig, GRUR 2011, 673, 674 ff.; Nieder, PatMitt 2009, 540 ff. mit der Bezeichnung als Restschadensersatzanspruch und der Zuordnung zum Deliktsrecht. A. A. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 83 V. 2., S. 595. 218 BT‑Drucks. 14/6040, S. 270. In den Motiven zum BGB ist hingegen noch von einem Bereicherungsanspruch die Rede, Motive zum BGB, Bd. 2, S. 743.
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zug von einem deliktischen Bereicherungsanspruch.219 Die Rechtsprechung bezeichnet den Anspruch mitunter ebenfalls als Bereicherungsanspruch, nimmt aber an, dieser habe den „Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung“.220 Zusätzlich soll es sich um einen Anspruch handeln, der die Rechtsnatur eines Schadensersatzanspruchs behalte. Die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 852 BGB im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung spricht in ähnlicher Weise von einem „deliktischen Bereicherungsanspruch“, der dogmatisch als Schadensersatzanspruch eingeordnet wird.221 Diese Aussagen sind in sich widersprüchlich. Zunächst wird über § 852 S. 1 BGB als „Anspruch“ gesprochen. Dieser wird als Bereicherungsanspruch bezeichnet. Beides spricht dafür, in § 852 S. 1 BGB eine Anspruchsgrundlage zu sehen. Dies wird sodann jedoch ausdrücklich abgelehnt und dem „Bereicherungsanspruch“ der Charakter einer Rechtsverteidigung zugesprochen.222 Der Bereicherungsanspruch behalte überdies die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch. Diese Vorgaben passen nicht zusammen: Wenn infolge des § 852 S. 1 BGB ein Anspruch besteht, hat die Vorschrift auch den Charakter einer Anspruchsgrundlage. Das ist, wie § 194 BGB zeigt, davon abhängig, ob der Geschädigte aufgrund des § 852 S. 1 BGB vom Schädiger ein Tun oder Unterlassen fordern kann. § 852 S. 1 BGB, der (eigene) Tatbestandsvoraussetzungen vorgibt, verpflichtet den Schuldner zur Herausgabe dessen, was er durch die unerlaubte Handlung erlangt hat. Hierbei handelt es sich um ein „Tun“ im Sinne des § 194 BGB. Wenn demnach die Voraussetzungen vorliegen, um § 852 S. 1 BGB als anspruchsbegründend anzusehen, schließt dies zugleich aus, dass die Vorschrift den Charakter einer Rechtsverteidigung hat. Ansprüche können zwar die Grundlage einer Rechtsverteidigung sein, wenn der Gläubiger sie beispielsweise im Wege der Aufrechnung oder durch Geltendmachen eines Zurückbehaltungsrechts einem anderen Anspruch entgegenhalten kann. Die Rechtsverteidigung liegt in dem Fall indes in der Erhebung des Zurückbehaltungsrechts oder des Aufrechnungseinwandes, aber nicht in dem Anspruch selbst. Konsequent erscheint hingegen das Vorgehen des BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003, in der er den deliktischen Schadensersatzanspruch als „als solche[n]“ fortbestehend ansieht, § 852 Abs. 3 BGB a. F. 219
BT‑Drucks. 14/6040, S. 270. vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 497 (Rn. 19); BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379; OLG Düsseldorf, 18.2.2015 – VI‑U Kart 3/14, JZ 2015, 726, 729. 221 BT‑Drucks. 14/6040, S. 270. 222 BGH vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 497 (Rn. 19); BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379; OLG Düsseldorf, 18.2.2015 – VI‑U Kart 3/14, JZ 2015, 726, 729. Der Einordnung als Rechtsverteidigung schließen sich Stimmen in der Lit. an: Hülsewig, GRUR 2011, 673, 674. 220 BGH
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als Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung einordnet und annimmt, der Anspruch verjähre in dem reduzierten Umfang innerhalb der durch § 852 Abs. 1 BGB a. F. vorgegebenen kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren ab Begehung der unerlaubten Handlung.223 Die Vorschrift wird dadurch durchgehend als deliktischer Schadensersatzanspruch behandelt und die Regelungen des Deliktsrechts werden einschließlich der diesbezüglichen vormaligen Verjährungsregelung konsequent angewendet. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Vorschrift als Haftungserweiterung anzusehen. Das zuletzt beschriebene Vorgehen entspricht aber keineswegs dem allgemeinen Vorgehen der Rechtsprechung, wie die davorstehende Darstellung zeigt. Auch hinsichtlich der einschlägigen Verjährungsregelungen gab es zu § 852 Abs. 3 BGB a. F. keine klare Linie. Die Rechtsprechung ging hierzu vielmehr überwiegend davon aus, der Anspruch auf Herausgabe stelle nach wie vor den ursprünglichen Schadensersatzanspruch dar, unterliege jedoch den Verjährungsregelungen des Bereicherungsrechts.224 Eine Erklärung, warum ein deliktischer Schadensersatzanspruch der für das Bereicherungsrecht geltenden Verjährung unterliegen soll, bleibt dabei aus. (b) Verschuldenserfordernis im Tatbestand als Grundlage der Auslegung Die Ansicht der Rechtsprechung, § 852 S. 1 BGB wandele den ursprünglichen Schadensersatzanspruch lediglich der Rechtsfolge nach um, ohne dabei den Rechtscharakter der Vorschrift zu ändern, erklärt sich aus einer Entwicklung, die auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1976 zurückgeht. Dort ging es um die Konkurrenz eines § 852 Abs. 2 BGB a. F. entsprechenden Anspruchs aus § 48 S. 2 PatG a. F. und § 15 Abs. 3 S. 2 GebrMG a. F. mit einem Anspruch nach den §§ 812 ff. BGB. In diesem Zusammenhang ordnete der BGH die Ansprüche aus den §§ 48 S. 2 PatG a. F., 15 Abs. 3 S. 2 GebrMG a. F. als Schadensersatzansprüche ein, weil sie „zu ihrer Entstehung ein schuldhaftes Verhalten“ voraussetzten. 225 Die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch im Unterschied zu einem Bereicherungsanspruch wurde demnach aus dem Verschuldenserfordernis abgeleitet. Auf diese Rechtsprechung nimmt der BGH ein gutes Jahr später in seiner grundlegenden Entscheidung zu § 852 Abs. 3 BGB a. F. Bezug, in der er begründet, dass es sich bei dieser Vorschrift um einen Bereicherungsanspruch im Gewand des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs handele, gegen des223 BGH vom 30.9.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 246. Ähnlich BGH vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 497 (Rn. 19). 224 BAG 24.10.2001 – 5 AZR 32/00, NZA 2002, 209, 211; BGH vom 19.9.1963 – VII ZR 12/62, NJW 1963, 2315, 2316. 225 BGH vom 30.11.1976 – X ZR 81/72, NJW 1977, 1194, 1195.
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sen Verjährung der Geschädigte sich mithilfe dieser Vorschrift in dem von ihr vorgegebenen Umfang verteidigen könne. 226 Ein Verschuldenserfordernis im Tatbestand einer Vorschrift kann ein Indiz für den Rechtscharakter dieser Norm sein. Insbesondere sind Verschuldenserfordernisse typische, wenn auch nicht zwingende Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen im Allgemeinen. 227 Gleichzeitig sind im BGB Ansprüche rar, die tatbestandlich ein Verschulden voraussetzen, in ihrer Rechtsfolge aber nicht zu einem Schadensersatzanspruch führen.228 Das Vorhandensein eines Verschuldenserfordernisses im Tatbestand einer Vorschrift stellt im Rahmen der Auslegung daher durchaus ein Indiz für die Bestimmung des Rechtscharakters dieser Vorschrift dar, wenn man in systematischer Hinsicht berücksichtigt, dass eine Verschuldensvoraussetzung für Schadensersatzansprüche charakteristisch ist. 229 Das Bereicherungsrecht unterscheidet sich hiervon typischerweise, weil es kein schuldhaftes Verhalten des Begünstigten voraussetzt.230 Dies allein zugrunde zu legen, greift jedoch aus zwei Gründen zu kurz. Zunächst übersieht eine derartige Argumentation die Verwandtschaft der Eingriffskondiktion mit dem Deliktsrecht. Die Eingriffskondiktion setzt zwar kein Verschulden des Bereicherten voraus, hat aber, weil sie einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt fremden Rechts voraussetzt, eine mit der des Deliktsrechts vergleichbare Güterschutzfunktion.231 Hinzu kommt, dass § 852 S. 1 BGB, um die Herausgabepflicht zu begründen, kein Verschulden voraussetzt, sondern vielmehr daran anknüpft, dass ein Anspruch, der vormals bestand, verjährt ist. Dass es sich dabei um einen deliktischen Anspruch handelt, der demnach verschuldensabhängig ist, spielt für den Tatbestand des § 852 S. 1 BGB nur indirekt eine Rolle, weil 226 BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379. 227 Schadensersatzansprüche können bspw. auch aus einer Gefährdungshaftung
resultieren, z. B. § 833 S. 1 BGB. 228 Ein Beispiel für einen solchen Anspruch stellt der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 284 BGB dar. Hierbei ist interessanterweise ebenfalls umstritten, ob es sich um eine Erweiterung des Schadensersatzanspruchs oder um einen Aufwendungsersatzanspruch handelt (siehe dazu für alle NK‑BGB/Arnold, § 284 Rn. 7 m. w. Nachw.; Staudinger/Schwarze, BGB, § 284 Rn. 9 m. w. Nachw.). Der Streit knüpft bei § 284 BGB allerdings nicht an das Verschuldenserfordernis im Tatbestand an. 229 Zum Verschuldensprinzip als Grundgedanke der deliktischen Haftung siehe für alle Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 350 ff. 230 Für alle Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 623. 231 Zur insoweit bestehenden Vergleichbarkeit von Eingriffskondiktion und Deliktsrecht für alle v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 353 ff.; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 29 (m. w. Nachw.); König, Ungerechtfertigte Bereicherung, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. II, S. 1515, 1550; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 39, 43 f., 56, 61 f.
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ein deliktischer Anspruch vorausgegangen sein muss. Um den Herausgabeanspruch zu begründen, bedarf es jedoch keines (erneuten) Verschuldens. (c) Bedeutung der Rechtsfolge für die Auslegung Eine Einordnung der Vorschrift als deliktischer Schadensersatzanspruch beruht allein auf der Existenz des Verschuldenserfordernisses im Tatbestand der unerlaubten Handlung, an die § 852 S. 1 BGB anknüpft. Eine darauf beruhende Bewertung übersieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfolge einer Vorschrift für deren Auslegung. Der Rechtsfolgenanordnung kommt im Rahmen der Gesetzesauslegung entscheidendes Gewicht zu.232 Der Gesetzgeber hat einer Norm bewusst eine bestimmte Rechtsfolge verliehen, die er als Konsequenz des jeweiligen Tatbestandes für angemessen erachtet.233 Tatbestandlich setzt § 851 S. 1 BGB eine unerlaubte Handlung voraus, durch die der Schädiger auf Kosten des Geschädigten etwas erlangt hat. Ferner betrifft die Vorschrift Fälle, in denen der Anspruch auf Ersatz des aus dieser unerlaubten Handlung resultierenden Schadens verjährt ist. Für ebendiese Tatbestandskonstellation hat der Gesetzgeber die Rechtsfolge der Herausgabe des Erlangten für angemessen erachtet. Der Gesetzgeber hat mithin ausdrücklich eine Herausgabepflicht angeordnet. Deliktische Schadensersatzansprüche statuieren demgegenüber regelmäßig eine Schadensersatzpflicht. Dies ist dem Grunde nach etwas anderes als eine Herausgabeverpflichtung. Ein Schadensersatzanspruch kann sich zwar unter Umständen als Herausgabeanspruch darstellen, allerdings resultiert dies aus dem Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB, nach dem der Zustand herzustellen ist, der bestünde, wenn das schadensstiftende Ereignis nicht stattgefunden hätte. Von einem solchen Herausgabeanspruch, der dem Ersatz des entstandenen Schadens dient, unterscheidet sich § 852 S. 1 BGB jedoch gerade, da er nicht den Schaden beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen will – der hierauf gerichtete ursprüngliche Ersatzanspruch ist vielmehr verjährt. In den Fällen des § 852 S. 1 BGB soll lediglich ein noch beim Schädiger aufgrund der unerlaubten Handlung vorhandener Vermögensvorteil zugunsten des Geschädigten abgeschöpft werden.234 Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht anstelle des Deliktsrechts im Fall der Verjährung des ursprünglichen Schadens232
Germann, Probleme und Methoden, S. 88; Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 90 f. Siehe auch Leenen, Typus, S. 181 (im Rahmen einer typologischen Rechtsfindung). 233 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 87; Nierwetberg, JZ 1983, 237, 239 (der Gesetzgeber wolle durch die Zuweisung einer „gerechten“ Rechtsfolge „Lebenskonflikte“ lösen); Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 91. Vgl. Engisch, Einführung, S. 40 f. zur Freiheit des Gesetzgebers, einem Tatbestand eine Rechtsfolge zuzuweisen; Larenz, Methodenlehre, S. 251 ff. 234 Zur Abschöpfungsfunktion siehe Bernhard, NZKart 2014, 432, 433; Musielak, JA
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ersatzanspruchs wäre wenig sinnvoll, wenn der Umfang der Ersatzpflicht gleichbleibend wäre. Eine gleichbleibende Verpflichtung hätte ebenso gut durch eine punktuelle Verlängerung der Verjährung erreicht werden können. Der Bereicherungsanspruch wird vielmehr dem Umfang nach regelmäßig hinter dem deliktischen Schadensersatzanspruch zurückbleiben. Der Blickwinkel der Vorschrift wendet sich ab von der Orientierung am Schaden des Geschädigten – wie es bei Schadensersatzansprüchen stets erfolgt – hin zu einer Orientierung an dem erlangten Vermögensvorteil des Schädigers. Die Zweckrichtungen des Schadensersatzanspruchs, der dem Ausgleich eines erlittenen Verlusts beim Gläubiger dient, und des Anspruchs auf Herausgabe des Erlangten, der der Abschöpfung eines Erlangten des Schuldners dient, unterscheiden sich insoweit.235 Die gesetzgeberische Konzeption des Bereicherungsrechts basiert auf dem Abschöpfungsgedanken eines unberechtigten Habens.236 Dieses Verständnis ist allerdings im Zuge der Differenzierung in die zu dem unrechtmäßigen Haben führenden Ursachen 237 zunehmend angezweifelt worden.238 Die deutliche Trennung in die verschiedenen Kondiktionsarten 239 und die dadurch stärkere Betonung der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede hat Kritik an der Annahme, allen Kondiktionsarten liege einheitlich der Gedanke der Abschöpfung eines zu Unrecht erlangten Vermögensvorteils zugrunde, hervorgerufen.240 2017, 1 f.; NK‑BGB/Katzenmeier, § 852 Rn. 2; Thöne, JuS 2019, 193, 197. Vgl. auch BGH vom 15.1.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165, 3168. 235 Zur diesbezüglichen Unterscheidung von deliktischem Schadensersatz und Bereicherungsrecht siehe Beuthien, FS Söllner, S. 125, 131 (im Zshg. mit der GoA); Frieser, Bereicherungswegfall, S. 29 f.; Hagen, FS Larenz, S. 867 f.; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 68; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 1 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128 f.; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 6; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 607 (nur für die Nichtleistungskondiktion); Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 2; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 9 Rn. 3; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 20, 98. 236 Siehe Heinemeyer, JZ 2017, 918, 923; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 185 ff., 209, 605, 611 (selbst nur befürwortend für die Nichtleistungskondiktion, S. 212, 216, 611 ff.); Thomale/Zimmermann, AcP 217 (2017), S. 246, 249; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, S. 173 ff. Vgl. auch BGH 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021, 2023 (Rn. 27); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 2 (unter Hinweis auf das römische Recht); Musielak, JA 2017, 1, 2. 237 Grundlegend Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung; v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333 ff. 238 Coestede, Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, S. 41 ff.; Rengier, AcP 177 (1977), S. 418, 421 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 191, 605 ff.; Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 454 f. 239 Siehe dazu z. B. die zusammenfassende Darstellung bei Jahn, Der Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis, S. 11 ff. 240 Flessner, Wegfall der Bereicherung, S. 104 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 191 ff., 605 ff.
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Im Zuge dessen ist ferner die unbedingte Orientierung an den Schuldnerinteressen kritisiert und der Gedanke der Restitution zum Schutz des Gläubigers betont worden. 241 Inwieweit der Abschöpfungsgedanke das Bereicherungsrecht noch bestimmt, wird daher uneinheitlich beurteilt. Dass ihm im Bereicherungsrecht indes noch eine Rolle zukommt und er überdies der Konzeption des Bereicherungsrechts im Ursprung zugrunde liegt, dürfte dagegen unstreitig sein.242 Eine Abschöpfungsfunktion wird von ihren Kritikern zumindest noch für die Nichtleistungskondiktion angenommen und insbesondere anerkannt, dass es Fälle der ungerechtfertigten Bereicherung gibt, in denen der Bereicherungsanspruch ausschließlich der Abschöpfung dient.243 Die Orientierung am Vermögensvorteil des zu Unrecht Bereicherten entspricht demnach einem Grundgedanken des Bereicherungsrechts.244 § 852 S. 1 BGB hat somit dieselbe Funktion, die auch Bereicherungsansprüchen innewohnt. Der Tatbestand des § 852 Abs. 1 BGB knüpft abweichend vom Bereicherungsrecht nur deshalb an den einer unerlaubten Handlung an, um die Anspruchssituation festzulegen. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten soll weder das Fehlverhalten des Schädigers sanktionieren noch den Vermögensverlust des Gläubigers ersetzen – diese Funktion kommt dem ursprünglichen und § 852 S. 1 BGB zugrunde liegenden deliktischen Schadensersatzanspruch zu. Die letztgenannten Funktionen verwirklichen sich bei Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der Verjährungsfrist. Nach deren Ablauf soll nur subsidiär zumindest noch der Vorteil des Schädigers abgeschöpft werden, um den Geschädigten zu schützen. Die Schutzzwecke 241 Kaehler, Bereicherung und Vindikation, S. 15 ff.; 146 ff.; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. 2004, § 818 Rn. 66; Rengier, AcP 177 (1977), S. 418, 421 f. Ähnl. Reeb, JuS 1974, 513, 514. Siehe die Darstellung und Bewertung der beiden versch. Positionen bei Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 213 ff. 242 Dies zeigen die Ausführungen des BGH 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021, 2023 (Rn. 27); sowie bei Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 47 2., S. 34, § 51 II. 1. b), S. 108; Heinemeyer, JZ 2017, 918, 923; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 1 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128, 261; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 1; Musielak, JA 2017, 1, 2 ff.; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 4 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 185; 212, 239, 272 ff., 607, 611 ff.; Soergerl/Hadding, BGB, § 818 Rn. 4; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 216, 218, 624. Siehe zu der Thematik insges. die ausführl. Darstellung von Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 185 ff. 243 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 607, 611. 244 Dies zeigt bereits die Argumentation der Gesetzesverfasser im Zshg. mit dem heutigen § 818 Abs. 3 BGB, Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 706 f. Ferner Beuthien, FS Söllner, S. 125, 131 (im Zshg. mit der GoA); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 111; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128 (unter Hinweis auf die grds. Unabhängigkeit des Bereicherungsrechts vom Verschulden des Schuldners); Musielak, JA 2017, 1 f.; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 4, 6; Soergel/SchmidtKessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 2; Thöne, JuS 2019, 193, 197.
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der deliktischen Vorschrift wandeln sich in solche um, die typisch für das Bereicherungsrecht sind. Daher ist es auch konsequent auf die Regelungen des Letzteren zu verweisen. (d) Fazit zur Einordnung als Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch Das Verschuldenserfordernis hat demnach im Tatbestand des § 852 S. 1 BGB anders als in dem des zugrunde liegenden deliktischen Anspruchs keine eigenständige Funktion mehr. Es kann daher auch nicht tragendes Prinzip der Auslegung dieser Vorschrift sein. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass es sich bei § 852 S. 1 BGB um eine bereicherungsrechtliche Herausgaberegelung und damit insgesamt um eine Anspruchsgrundlage handelt. Dies schließt es nicht aus, den Anspruch aufgrund seiner Herkunft als deliktischen Bereicherungsanspruch einzuordnen – im Gegenteil: dies wird der Struktur der Vorschrift gerecht, indem seinem Ursprung entsprechend auf den Anspruch hingewiesen wird, aus dem § 852 S. 1 BGB hervorgeht, gleichzeitig aber der Charakter des § 852 S. 1 BGB als bereicherungsrechtlichem Herausgabeanspruch Rechnung getragen wird. (3) Fortwirkung der Ersatzpflicht Ein weiteres Argument dafür, in § 852 S. 1 BGB eine Anspruchsgrundlage zu sehen, ist seine Vergleichbarkeit mit Rechtsfortwirkungsansprüchen aus dem BGB. Derartige Ansprüche, zum Beispiel § 951 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 977 BGB, 245 führen einen untergegangenen Anspruch zum Schutz desjenigen, der hierdurch einen Rechtsverlust erlitten hat, fort. Im Fall des § 852 S. 1 BGB handelt es sich zwar um einen noch bestehenden, aber nicht mehr durchsetzbaren Anspruch. Auch dieser gleicht jedoch zugunsten des Gläubigers einen für diesen aus rechtlichen Gründen nicht mehr realisierbaren Anspruch aus, indem er eine verbleibende Bereicherung des Schuldners abschöpft. Hinsichtlich des Sinn und Zwecks der Vorschrift als „Fortwirkungsanspruch“ wird mitunter eine Parallele zu § 977 BGB gezogen, 246 bei dem es sich, wie bei Rechtsfortwirkungsansprüchen typischerweise, um eine Anspruchsgrundlage handelt. cc) Amtliche Überschrift der Vorschrift § 852 BGB wurde im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung nicht nur inhaltlich geändert, der Vorschrift wurde zugleich eine andere Überschrift gegeben. Während die Regelung zuvor lediglich als „Verjährung“ überschrieben war und dem Grunde nach die regelmäßige Verjährung delikti245 Zur
allg. anerkannten Rechtsfortwirkungsfunktion des § 951 BGB siehe nur MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 1; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 6 Rn. 20; zu § 977 BGB MünchKommBGB/Oechsler, § 977 Rn. 1. 246 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 595.
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scher Ansprüche regelte, steht § 852 BGB seit 2002 unter der Überschrift „Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung“. Die Bezeichnung als „Anspruch“ in der Überschrift der Vorschrift gibt zwar nicht zwingend vor, dass es sich hierbei um eine Anspruchsgrundlage handelt, die Überschrift liefert aber zumindest ein zusätzliches Indiz hierfür. Aus der Gesetzesbegründung zur Änderung der Vorschrift ergibt sich nichts Gegenteiliges, auch wenn der Gesetzgeber sich ausdrücklich der Rechtsprechung des BGH zu § 852 BGB a. F. anschließt. Der Gesetzgeber spricht in diesen Materialien von einem „Anspruch“ aus § 852 S. 1 BGB, den er als „deliktischen Bereicherungsanspruch“ einordnet.247 dd) Fazit zum Anspruchscharakter Die besseren Argumente sprechen dafür, § 852 S. 1 BGB als Vorschrift anzusehen, die einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch statuiert. Dies schließt es nicht aus, den Anspruch zugleich dem Deliktsrecht zuzuordnen, da er aus einer unerlaubten Handlung hervorgeht. Dieser Ursprung beeinflusst die Auslegung der Vorschrift. § 852 S. 1 BGB begründet aber keinen deliktischen Schadensersatzanspruch, sondern einen deliktischen Bereicherungsanspruch in Form eines Herausgabeanspruchs. Da es sich bei § 852 S. 1 BGB um eine Anspruchsgrundlage handelt, die eigenständige Tatbestandsvoraussetzungen enthält, die zur Anspruchsbegründung erforderlich aber zugleich auch hinreichend sind248, handelt es sich in der in dieser Vorschrift enthaltenen Verweisung nicht um eine deklaratorische Verweisung auf das Bereicherungsrecht. Diese Einordnung wird durch die Verjährungsregelung, die seit der Schuldrechtsreform für das Bereicherungsrecht gilt, gestützt (siehe sogleich unter ee)). ee) Verjährung eines konkurrierenden Bereicherungsanspruchs Die Interpretation des § 852 S. 1 BGB als deklaratorische Verweisung beruhte unter anderem auf dem Verjährungssystem des BGB in seiner Fassung vor 2002. Bereicherungsrechtliche Ansprüche verjährten hiernach regelmäßig in 30 Jahren, während für das Deliktsrecht eine kurze Verjährung von drei Jahren (§ 852 Abs. 1 BGB a. F.) galt. Ab dem Eintritt der Verjährung des deliktischen Schadensersatzanspruchs war ein unter Umständen ebenfalls bestehender bereicherungsrechtlicher Anspruch noch nicht verjährt. Dies eröffnete die Möglichkeit, in § 852 Abs. 3 BGB a. F. eine deklaratorische Verweisung auf ebendiesen noch durchsetzbaren Bereicherungsanspruch zu sehen.249 Da Bereicherungsansprüche seit der Neuregelung des 247
BT‑Drucks. 14/6040, S. 270. Siehe zur Vollständigkeit des Tatbestandes sogleich unter d). 249 So v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 394 f.; Seifert, NJW 1972, 1739 ff. 248
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Verjährungsrechts durch die Schuldrechtsreform innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB verjähren, verjähren der deliktische Schadensersatzanspruch und ein hiermit konkurrierender Bereicherungsanspruch seitdem gleichzeitig. Eine deklaratorische Verweisung auf das Bereicherungsrecht führte zu einem ebenfalls verjährten und demnach nicht mehr durchsetzbaren Bereicherungsanspruch und liefe mithin nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs leer. 250 Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er in § 852 S. 2 BGB eine eigene Verjährungsregelung für den Anspruch seines Satz 1 geschaffen hat, die von der des originären Bereicherungsanspruchs abweicht. ff) Auslegungsergebnis: Konstitutive Verweisung § 852 S. 1 BGB ist nach alledem als Anspruchsgrundlage und demnach als konstitutive Verweisung zu qualifizieren. Ob diese sich lediglich auf die Rechtsfolge oder auch auf den Rechtsgrund des Bereicherungsrechts bezieht, ist damit noch nicht geklärt, da die durch die Verweisung jedenfalls bewirkte Modifikation in der Rechtsfolge – von einer Schadensersatz- zu einer Herausgabepflicht – sowohl Folge einer konstitutiven Rechtsgrundals auch einer konstitutiven Rechtsfolgenverweisung sein kann. Die Vorschrift muss demnach ausgelegt werden, um ihren Rechtscharakter zu bestimmen (siehe dazu im Folgenden). c) Wille des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Schuldrechtsmodernisierung Die Änderungen, die an § 852 BGB im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung vorgenommen wurden, deuten – wie gezeigt – darauf hin, dass der Gesetzgeber die Vorschrift als eigene Anspruchsgrundlage konzipiert wissen wollte, obwohl er diese als Schadensersatzanspruch einordnet. Dieser Systematik entspricht es, dass die Gesetzgebungsmaterialien ausdrücklich vorgeben, bei § 852 S. 1 BGB handele es sich um eine Rechtsfolgenverweisung.251 Der Gesetzgeber hat sich demnach der Rechtsprechung zur alten Fassung des § 852 BGB angeschlossen, die in dieser Vorschrift ebenfalls eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht sieht.252 Die Anspruchsgrundlage des § 852 S. 1 BGB verweist dieser Sichtweise nach im Wege einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.253 250 Soergel/Krause,
BGB, § 852 Rn. 2; Siehe auch Ebert, NJW 2003, 3035, 3036 f.; Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 35. 251 BT‑Drucks. 14/6040, S. 270. 252 Zu § 852 a. F. BGB BGH vom 30.9.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 245 f.; BGH vom 14.1.1999 – I ZR 203–96, NJW‑RR 1999, 984, 987; BGH vom 12.7.1995 – I ZR 176/93, NJW 1995, 2788, 2790; BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379 f. 253 Dass der Gesetzgeber dennoch annimmt, es handele sich dogmatisch um einen Schadensersatzanspruch, schließt dies nicht aus. Lediglich der gegenteilige Schluss von
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d) Vollständigkeit im Tatbestand und eigenständige Anordnung der Grund-Rechtsfolge Der Tatbestand des § 852 S. 1 BGB enthält zahlreiche Voraussetzungen und ordnet mit der Herausgabepflicht seine Grund-Rechtsfolge eigenständig an. Dies ist für die bisher betrachteten Rechtsfolgenverweisungen ebenfalls charakteristisch.254 Die Verweisung wäre dennoch konstitutiv, wenn sie anspruchsbegründende Voraussetzungen der bereicherungsrechtlichen Tatbestände benötigte, um den Anspruchsumfang schon tatbestandlich einzugrenzen, weil andernfalls ein ausufernder Anspruch entstünde, den § 852 S. 1 BGB seinem Sinn und Zweck nach nicht begründen soll. Ebenso wäre es denkbar, dass der Anspruch gemäß § 852 S. 1 BGB zu eng wäre, wenn er nicht anhand der Tatbestandsvoraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs erweitert würde. Wie zu zeigen ist, erfordern der Sinn und Zweck des § 852 S. 1 BGB jedoch keine solche Tatbestandseingrenzung oder -erweiterung durch eine Voraussetzung einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage. aa) Sinn und Zweck der Regelung Der Anspruch auf Herausgabe des durch die unerlaubte Handlung Erlangten dient dem Schutz des Geschädigten, indem dem Schädiger eine durch die unerlaubte Handlung erlangte Bereicherung auch dann nicht verbleiben soll, wenn der Schadensersatzanspruch bereits verjährt ist und der Geschädigte demnach leer ausginge, während dem Schädiger das Erlangte verbliebe.255 Der Geschädigte ist in bestimmten Sachverhaltskonstellationen schützenswert, obwohl er die Verjährungsfrist ungenutzt hat verstreichen lassen, weil es für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zum Beispiel eines zeitlich und finanziell aufwändigen Vorprozesses bedarf, in dem zunächst das Vorliegen der Rechtsverletzung, beispielsweise im Fall einer Patentrechtsverletzung, festgestellt werden muss.256 § 852 S. 1 BGB bezweckt die Abschöpfung einer beim Schädiger noch vorhandenen Bereicherung, 257 wenn der Schadensersatzanspruch nicht mehr durchsetzbar ist. Dadurch hat der Anspruch eine Art Auffangfunktion. Diese ist auch bei anderen Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereider Einordnung als Bereicherungsanspruch auf eine Rechtsverteidigung wäre aus systematischen Gründen nicht stringent. 254 Siehe die Analysen der §§ 951 Abs. 1 S. 1, 977 BGB in diesem Kapitel. 255 Hülsewig, GRUR 2011, 673, 674; Meier-Beck, GRUR 1993, 1, 5; Staudinger/ Vieweg, BGB, § 852 Rn. 1. Siehe auch Bernhard, NZKart 2014, 432, 433. 256 Hülsewig, GRUR 2011, 673, 674. Für Kartellrechtsverstöße Bernhard, NZKart 2014, 432, 434. 257 Zur Abschöpfungsfunktion des § 852 S. 1 BGB siehe Bernhard, NZKart 2014, 432, 433; NK‑BGB/Katzenmeier, § 852 Rn. 2. Vgl. auch BGH vom 15.1.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165, 3168.
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cherungsrecht, wie beispielsweise den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 951 Abs. 1 S. 1, 977 BGB, zu beobachten.258 Hier zeigt sich eine Parallele der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, die dazu dienen, einen Anspruch zu schaffen oder dahingehend abzuwandeln, damit er ebendiese Funktion der Abschöpfung erfüllt.259 Das Bereicherungsrecht hat dem Grunde nach eine solche Perspektive, d. h. es dient dazu, eine nicht aufrecht zu erhaltene Bereicherung abzuschöpfen.260 Es ist überwiegend am Vorteil des Bereicherten orientiert und hält zum Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung ein umfassendes Abwicklungssystem bereit. Diese Parallele rechtfertigt die Anwendung der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts im Fall des § 852 S. 1 BGB und erklärt die auf die Anwendung dieses Abwicklungssystems gerichtete Verweisung. bb) Eingrenzung durch die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion Die Annahme, bei § 852 S. 1 BGB handele es sich um eine Rechtsfolgenverweisung, eröffnet den Weg zu einer eigenständigen und von den Tatbeständen des Bereicherungsrechts unabhängigen Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen des § 852 S. 1 BGB. Auf dieser Grundlage besteht inzwischen Einigkeit, dass § 852 S. 1 BGB mit dem Erfordernis, der Schädiger müsse „auf Kosten des Verletzten etwas erlangt“ haben, anders als § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB kein Unmittelbarkeitserfordernis hinsichtlich der Vermögensverschiebung aufstellt. 261 Diese Annahme ist auf der Grundlage einer Rechtsfolgenverweisung anders als bei einer Rechtsgrundverweisung möglich, zwingend ist ein solcher Schluss jedoch nicht, da die Auslegung der Vorschrift auch ohne Rechtsgrundverweis auf das Bereicherungsrecht der des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB entsprechen könnte. Da § 852 S. 1 BGB selbst das Merkmal „auf Kosten des Geschädigten“ enthält, ist es nicht erforderlich, im Wege einer Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht zu verweisen, um die Herausgabepflicht nur bei Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung zu verlangen. Diese Frage ist vielmehr durch eine Auslegung des § 852 S. 1 BGB zu beantworten. 258 Siehe dazu die jeweiligen Erläuterungen in diesem Kap. unter § 1 II. 1. und 2., sowie zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB in § 4. 259 Für die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 584 f. 260 Dazu vorstehend unter c). Siehe i. Ü. Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 57; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 1; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 185 ff., 190. 261 Zum Verzicht auf das Unmittelbarkeitserfordernis BGH vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 498 (Rn. 21); BGH vom 14.2.1978 – X ZR 19/76, NJW 1978, 1377, 1379; v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 401; Hülsewig, GRUR 2011, 673, 675 ff. (für das Patentgesetz); MünchKommBGB/Wagner, § 852 Rn. 6; Nieder, PatMitt 2009, 540; Staudinger/Vieweg, BGB, § 852 Rn. 9.
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Für eine vom Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2. Fall BGB abgekoppelte Auslegung des Merkmals „auf Kosten des Verletzten“ gemäß § 852 S. 1 BGB spricht allerdings dessen Schutzzweck. Dieser würde unterlaufen, wenn die Herausgabepflicht nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs oder eines anderen konkurrierenden Anspruchs an einer fehlenden Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung scheiterte, da der Schädiger das Erlangte behalten dürfte, wenn dem Geschädigten in diesen Fällen der Anspruch versagt würde. § 852 S. 1 BGB ist nicht zu entnehmen, dass dem Schädiger in diesen Fällen eine bei ihm noch vorhandene Bereicherung verbleiben soll.262 Die Fälle, in denen es an der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung fehlt, weil ein Mittäter den Vermögensvorteil durch einen anderen Tatbeteiligten und nicht direkt vom Geschädigten erlangt hat, werden im Gegenteil gerade als Argument verwendet, um zu zeigen, dass ein Versagen des Anspruchs in diesen Fällen dem Schutzzweck des § 852 S. 1 BGB zuwiderliefe.263 Folge einer solchen Interpretation ist, dass der Tatbestand des § 852 S. 1 BGB auch solche Vermögensverschiebungen erfasst, die im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Nichtleistungskondiktion nicht erfasst werden. Die Herausgabepflicht gemäß § 852 S. 1 BGB ist daher unter Umständen umfassender als die gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass dem Gläubiger vor der Verjährung der ursprünglichen Ansprüche verschiedenartige Ansprüche nach unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen zustanden. Wenn der Bereicherungsanspruch in Form der Nichtleistungskondiktion selbst in diesem Stadium auch engere Voraussetzungen hat und demnach nicht eingreift, werden die Rechte des Gläubigers jedoch durch die anderen einschlägigen Anspruchsgrundlagen hinreichend gewahrt.264 Im Regelfall wird bereits der Schadensersatzanspruch – zum Beispiel gemäß § 823 Abs. 1 BGB – umfangreicher sein als der spätere auf Herausgabe des durch die Schädigung Erlangten gerichtete Anspruch. Wenn diese Ersatzansprüche nun aber verjährt sind, soll dem Gläubiger wenigstens noch eine Abschöpfung einer beim Schuldner verbleibenden Bereicherung möglich sein und dabei ist der Schuldner, der im Ausgangspunkt eine unerlaubte Handlung begangen hat, nicht schutzwürdig.265 262 Vgl.
BGH vom 30.11.1976 – X ZR 81/72, NJW 1965, 1914, 1915; Staudinger/ Vieweg, BGB, § 852 Rn. 2. Für die parallele Regelung in § 141 S. 2 PatG Hülsewig, GRUR 2011, 673, 675 f. 263 BGH vom 30.11.1976 – X ZR 81/72, NJW 1965, 1914, 1915; Staudinger/Vieweg, BGB, § 852 Rn. 2. Siehe auch insoweit Hülsewig, GRUR 2011, 673, 675 f. (für § 141 PatG). 264 Dem Bereicherungsanspruch wird neben dem Schadensersatzanspruch unterschiedlich hohe Bedeutung beigemessen. Für eine hohe Bedeutung Ebert, NJW 2003, 3035, 3036; dagegen Nieder, PatMitt 2009, 540, 543. 265 Die fehlende Schutzwürdigkeit des Schuldners eines deliktischen Anspruchs
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e) Fazit zum Verweisungscharakter des § 852 S. 1 BGB Nach alledem handelt es sich bei § 852 S. 1 BGB um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht. Sie zeigt in ihrem Aufbau und ihrem Sinn und Zweck nach Strukturen, die andere Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht ebenfalls aufweisen und bestätigt damit den bereits aus den Untersuchungen der §§ 951 Abs. 1 S. 1, 977 BGB gewonnenen Eindruck einer inneren Systematik der Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht.266 4. Konkrete Einordnung von § 682 BGB § 682 BGB enthält zwei verschiedene Verweisungen – eine auf das Recht der unerlaubten Handlung und eine auf das Bereicherungsrecht. Für beide stellt sich die Frage nach dem Umfang der Verweisung. Da § 682 BGB die Verantwortlichkeit nach dem Deliktsrecht und dem Bereicherungsrecht nebeneinander stellt, bedeutet die Verweisung auf diese beiden Bereiche nicht zwingend, anders als zum Beispiel im Fall des § 527 BGB, dass es sich um eine Rechtsgrundverweisung hinsichtlich des einen und eine Rechtsfolgenverweisung hinsichtlich des anderen Rechtsbereichs handelt. § 527 BGB statuiert zwar ebenfalls zwei Verweisungen; diese dienen indes, anders als die Verweisungen in § 682 BGB, der Begründung desselben Anspruchs. Hierfür verweist § 527 BGB lediglich auf zwei unterschiedliche Rechtsgebiete – auf das Rücktrittsrecht hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen und auf das Bereicherungsrecht hinsichtlich der Rechtsfolgen.267 § 682 BGB enthält demgegenüber zwei voneinander unabhängige Verweisungen, die sich auf unterschiedliche Ansprüche, nämlich Schadensersatzansprüche einerseits und Herausgabeansprüche andererseits beziehen. Sie sind daher hinsichtlich ihres Umfangs isoliert zu betrachten. Trotz dieser Unterschiede dienen beide Verweisungen des § 682 BGB, wie zu zeigen ist, einem gemeinsamen Zweck. a) Gemeinsamer Zweck der Verweisungen § 682 BGB schützt beschränkt geschäftsfähige oder geschäftsunfähige Geschäftsführer vor einer Haftung nach den allgemeinen Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, namentlich nach den §§ 678 sowie 677, 681, 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz und gemäß den §§ 677, 681 S. 2, wird bereits in den Motiven zum BGB hervorgehoben: Motive zum BGB, Bd. 2, S. 743 f. Vgl. auch BGH vom 26.3.2019 – X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, 497 (Rn. 20), der den Sanktionsgedanken erwähnt. 266 Siehe hierzu ausführl. die vorstehenden Auswertungen unter 1. und 2. 267 Zu § 527 BGB ausführl. in diesem Paragrafen nachfolgend unter 9. und in Kap. 3, § 1 II. 2. a).
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667 BGB auf Herausgabe.268 Sowohl die Schadensersatzhaftung gemäß den §§ 823 ff. BGB als auch der Umfang der Herausgabepflicht nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen bleiben insbesondere wegen der Verschuldensregelungen einerseits und der Möglichkeit, sich gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen, andererseits, dem Umfang nach hinter den Schadensersatz- und Herausgabepflichten nach den §§ 677, 678, 681, 667, 280 BGB zurück. b) Die Verweisung auf das Deliktsrecht Die erste Verweisung in § 682 BGB bezieht sich auf die Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. Diese Verweisung auf die §§ 823 ff. BGB wird nahezu übereinstimmend als Rechtsgrundverweisung eingeordnet.269 In der sprachlichen Abfassung des § 682 BGB kommt dies nicht deutlich zum Ausdruck. Dies ist zumindest für Verweisungen auf das Bereicherungsrecht charakteristisch. Aus der Formulierung dieser Verweisungsvorschriften lässt sich typischerweise nicht erkennen, um welche Art der Verweisung es sich handelt. Für das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung auf das Deliktsrecht spricht, dass § 682 BGB neben der Vorgabe, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch einen beschränkt geschäftsfähigen oder geschäftsunfähigen Geschäftsführer vorliegen muss, keine eigenen Tatbestandsvoraussetzungen zur Anspruchsbegründung aufstellt. Er ordnet insbesondere anders, als dies bei Rechtsfolgenverweisungen typischerweise der Fall ist, 270 seine Grund-Rechtsfolge nicht selbst an. Zur Ausfüllung des Tatbestandes bedarf es mithin weiterer, in § 682 BGB nicht ohne Hinzunahme einer anderen Vorschrift enthaltener Voraussetzungen. Die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen könnten sich zwar auch aus den anderen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben, die durch die Regelungen über die unerlaubten Handlungen dann lediglich in ihrer Rechtsfolge modifiziert würden. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Haftungserleichterungen, die die deliktische Haftung gegenüber der vertraglichen gewährt, in den Tatbeständen der deliktischen Schadensersatzansprüche enthalten sind. Die Vorteile des deliktischen Schädigers liegen in dem Verschuldenserfordernis, das im Fall des § 678 BGB nicht besteht 268 Für alle ausführl. Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 188 ff. 269 Hassold, JR 1989, 358, 361; NK‑BGB/Schwab, § 682 Rn. 4; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 591; Soergel/Beuthien, BGB, § 682 Rn. 1, 3; Staudinger/Bergmann, BGB, § 682 Rn. 3; Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 27. A. A. Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 184 ff.; MünchKommBGB/Schäfer, § 682 Rn. 5 ff.; RGRK/Steffen, § 682 Rn. 2. 270 Siehe nur die bisher in diesem Abschnitt untersuchten Vorschriften unter 1.–3.
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und für das es, anders als bei der vertraglichen Haftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB, keine Vermutungsregelung gibt. Hinzu kommen die Erleichterungen, die das Deliktsrecht durch die Einschränkungen der Verschuldensfähigkeit Minderjähriger in § 828 BGB vorsieht, der ebenfalls im Tatbestand des § 823 BGB zu berücksichtigen ist. Hierfür allein bedürfte es indes keiner Rechtsgrundverweisung, da § 276 Abs. 1 S. 2 BGB, der im Rahmen der Prüfung des Vertretenmüssens bei der (quasi-)vertraglichen Haftung anwendbar wäre, ebenfalls auf die §§ 827, 828 BGB verweist. 271 Ferner privilegiert § 823 Abs. 1 BGB den Schädiger durch den auf die dort aufgezählten Rechtsgüter beschränkten Schutz gegen Schädigungen. Eine Rechtsfolgenverweisung würde demnach den von § 682 BGB bezweckten Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen nicht realisieren, da es hierfür einer Anwendung der tatbestandlichen Regelungen des deliktischen Schadensersatzanspruchs bedarf.272 Dies wird durch eine Rechtsgrundverweisung auf das Deliktsrecht ermöglicht. Als Rechtsfolgenverweisung auf das Deliktsrecht liefe die Verweisung dagegen weitgehend leer.273 § 682 BGB stellt daher als Verweisung auf das Deliktsrecht eine Rechtsgrundverweisung dar. c) Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht erfolgt in § 682 BGB einleitend durch dieselbe Anordnung („nach den Vorschriften über […] und über die […]“) wie die dortige Verweisung auf den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. Da eine einheitliche Formulierung es nahelegt, die Vorschrift auch hinsichtlich der Verweisung in gleicher Weise auszulegen, 274 spricht dies dafür, in der Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 682 BGB ebenfalls eine Rechtsgrundverweisung zu sehen. Mit guten Gründen wird dies von Teilen der Literatur dennoch anders bewertet.275 271 MünchKommBGB/Schäfer,
§ 682 Rn. 6. Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 27. Vgl. auch Staudinger/Bergmann, BGB, § 682 Rn. 3, der ausdrückl. hervorhebt, die Verweisung bewirke, dass der beschränkt geschäftsfähige oder geschäftsunfähige Geschäftsführer nicht wegen primärer Vermögensschäden hafte. 273 So auch die Einschätzung von MünchKommBGB/Schäfer, § 682 Rn. 7 f. 274 Hadding, FS Mühl, S. 225, 251; Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 185. Allgemein dazu, dass der gleiche Wortsinn auf einen gleichen Inhalt hindeutet Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, S. 178 f. Dem entsprechen die Empfehlungen des BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 220. A. A. konkret für die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 680. 275 Für eine Rechtsfolgenverweisung Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 183, 185 ff.; RGRK/Steffen, § 682 Rn. 2; Schulien, NJW 1963, 1878, 1879; Staudinger/Bergmann, BGB, § 682 Rn. 3; Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 27. A. A. NK‑BGB/Schwab, § 682 Rn. 6; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 583, 591; Soergel/Beuthien, BGB, § 682 Rn. 1. 272
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Die Frage, ob eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung vorliegt, ist bei § 682 BGB regelmäßig mit dem Streit darüber verknüpft, ob eine Geschäftsführung ohne Auftrag mit einem nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer auch ohne Zustimmung der vertretungsberechtigten Person zustande kommt.276 Denn wenn das Entstehen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht an die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers geknüpft ist und eine solche daher auch durch ein Handeln eines nicht (voll) Geschäftsfähigen entstehen kann, dann stellt sie einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts dar. Ein Bereicherungsanspruch des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer gemäß den §§ 812 ff. BGB scheiterte an einem die Vermögensverschiebung tragenden Rechtsgrund – der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die in § 682 BGB normierten Ansprüche liefen weitgehend leer.277 Wenn dagegen durch das nicht genehmigte Handeln eines nicht voll Geschäftsfähigen keine Geschäftsführung ohne Auftrag begründet werden kann, fehlt es an einem Rechtsgrund für Vermögensverschiebungen im Verhältnis des Geschäftsführers zum Geschäftsherrn, sodass der Weg ins Bereicherungsrecht grundsätzlich eröffnet ist. Die heute ganz herrschende Meinung geht davon aus, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag auch durch ein Handeln eines nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführers entstehen kann.278 Dies führt dazu, dass eine etwaige Rechtsgrundverweisung in § 682 BGB einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer regelmäßig aufgrund des bestehenden Rechtsgrundes ausschlösse, wenn es sich um eine vollumfassende Verweisung handelte. Da der nicht (voll) Geschäftsfähige nach § 682 BGB „nur“ nach den dort einbezogenen Vorschriften verantwortlich sein soll, bestehen ebenfalls keine Ansprüche des Geschäftsherrn gemäß den Vorschriften der §§ 677 ff. BGB gegen ihn. Der von § 682 BGB bezweckte Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen wäre bei einer solchen Interpretation sehr stark, da gegen den Geschäftsführer keinerlei Ansprüche auf Herausgabe eines durch die Geschäftsführung Erlangten bestünden. Die Verantwortlichkeit für Schäden wäre dadurch auf das Deliktsrecht beschränkt und die Verweisung auf das Bereicherungsrecht überflüssig. Dies spricht gegen das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung. 276 Hassold, JR 1989, 358, 361; Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 180 f. (der die Verknüpfung allerdings nicht als zwingend ansieht). 277 Soergel/Beuthien, BGB, § 682 Rn. 2. 278 Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 172 ff.; 179 f., 183; Knoche, MDR 1964, 193 ff.; Larenz, Schuldrecht II/1, S. 446; MünchKommBGB/ Schäfer, § 682 Rn. 1; Schulien, NJW 1963, 1878, 1879; Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 47 ff., § 682 Rn. 3. Zumind. krit. Hassold, JR 1989, 358, 360, 361, 362.
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Als Rechtsfolgenverweisung knüpft § 682 BGB an die bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag dem Grunde nach bestehende Herausgabepflicht des aus der Geschäftsführung Erlangten gemäß den §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB an, die lediglich über die §§ 682, 818 ff. BGB auf den Umfang der §§ 818 ff. BGB beschränkt wird. 279 Die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs ergeben sich somit aus den §§ 677, 681 S. 2, 667, 682 BGB. Es ist daher nicht problematisch, dass § 682 BGB, anders als es bei Rechtsfolgenverweisungen üblich ist, weder umfassende Tatbestandsvoraussetzungen noch seine Grund-Rechtsfolge eigenständig anordnet, da sich diese aus der allgemeinen Verpflichtung der §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB ergeben. Diese letztere Pflicht bestünde nämlich für den nicht voll geschäftsfähigen Geschäftsführer, wenn es § 682 BGB nicht gäbe. Für die Vertreter der Ansicht, nach denen bei einem rechtsgeschäftlichen Handeln des nicht (voll) Geschäftsfähigen eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, bedeutet die Interpretation als Rechtsfolgenverweisung ebenfalls eine interessengerechte Lösung. Denn wenn keine Einwilligung oder Genehmigung des Handelns erfolgt, entsteht in diesen Fällen kein gesetzliches Schuldverhältnis einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Damit liegen die Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs gemäß den §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB ohnehin nicht vor, sodass es auf eine Privilegierung nach § 682 BGB nicht ankommt.280 Die §§ 812 ff. BGB sind in diesen Fällen originär anwendbar. Wenn Vorstehendes auch dafür spricht, § 682 BGB als Rechtsfolgenverweisung anzusehen, so ist dennoch als Gegenprobe zu untersuchen, ob die Auslegung der Vorschrift im Sinne einer partiellen Rechtsgrundverweisung nicht ebenfalls möglich und sinnvoll wäre. Als partielle Rechtsgrundverweisung könnte der Sinn der Verweisung in § 682 BGB darin liegen, vorzugeben, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag in den Fällen, in denen sie entsteht, obwohl der Geschäftsführer nicht (voll) geschäftsfähig ist, ausnahmsweise keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellt. Dadurch würde das Bestehen eines Herausgabeanspruchs des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer gemäß einer der Ansprüche des § 812 BGB nur noch von den sonstigen Voraussetzungen, nicht aber vom Fehlen eines Rechtsgrundes für die Vermögensverschiebung abhängen. Die Frage ist jedoch, welchen Mehrwert eine derartige Interpretation gegenüber der Auslegung im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung hätte. Wenn der Tatbestand der jeweils einschlägigen Kondiktionsart des Bereicherungsrechts anwendbar wäre und eine oder mehrere Tatbestandsvoraussetzungen des Kondiktionstatbestandes im Einzelfall nicht erfüllt wären, 279 So im Ergebnis Hadding, FS Mühl, S. 225, 239 f.; wohl auch Staudinger/Bergmann, BGB, § 682 Rn. 3 a. E. 280 Vgl. NK‑BGB/Schwab, § 682 Rn. 1.
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würde dies gegenüber der Anwendung des § 682 BGB ohne diese Voraussetzungen zu Einschränkungen führen. Hierdurch würde ein weitergehender Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen erreicht, als wenn tatbestandlich lediglich nach den §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB vorausgesetzt wird, dass der Geschäftsführer aus der Geschäftsführung etwas erlangt haben muss. Der Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen wäre demnach durch eine partielle Rechtsgrundverweisung stärker als durch eine Rechtsfolgenverweisung. Dies führt unter Umständen zu einem übersteigerten Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen, der mit dem Schutzzweck des § 682 BGB ebenfalls nicht vereinbar sein dürfte.281 Der Sinn und Zweck der Verweisung auf das Bereicherungsrecht liegt vielmehr in dem zugleich ausreichenden Schutz des nicht (voll) Geschäftsfähigen durch § 818 Abs. 3 BGB.282 Die Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht reicht für eine angemessene Privilegierung beschränkt Geschäftsfähiger und Geschäftsunfähiger aus, da es interessengerecht ist, den nicht (voll) geschäftsfähigen Geschäftsführer vor einem Eingriff in seine bestehende Rechtsposition zu schützen, gleichzeitig ist er jedoch nicht schutzwürdig, wenn er durch die Geschäftsbesorgung einen Vorteil erlangt hat. Dieser sollte vielmehr an den Geschäftsherrn herauszugeben sein. Ebendieses Gleichgewicht wird durch eine Rechtsfolgenverweisung in § 682 BGB erreicht. 5. Konkrete Einordnung der Verweisung in § 684 S. 1 BGB Die Einordnung der Verweisung auf die ungerechtfertigte Bereicherung in § 684 S. 1 BGB ist streitig. Einer Ansicht nach handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, die Gegenmeinung ordnet sie als Rechtsfolgenverweisung ein.283 Für das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung werden im Wesentlichen zwei Aspekte angeführt: Es soll sich erstens um eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung handeln, da die Voraussetzungen eines Kondiktionstatbestandes gemäß § 812 BGB regelmäßig vorlägen, wenn der Geschäftsherr etwas aufgrund einer nicht in seinem Interesse erfolgten Ge281
Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderjährige, S. 181. Entsprechend betont Staudinger/Bergmann, BGB, § 682 Rn. 3 die Privilegierung durch § 818 Abs. 3 BGB. 283 Für eine Rechtsgrundverweisung Batsch, AcP 171 (1971), S. 218, 227; Gursky, AcP 185 (1985), S. 13, 40; Henssler, JuS 1991, 924, 928; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 188; Loyal, JZ 2012, 1102, 1104 f. (zumindest grundsätzlich); NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7; Reeb, JuS 1973, 624, 627; Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 46. Für eine Rechtsfolgenverweisung BGH vom 14.6.1976 – III ZR 81/74, WM 1976, 1056, 1060; Erman/Dornis, BGB, § 684 Rn. 2; Kastrup, Jura 2014, 219, 223; MünchKommBGB/ Schäfer, § 684 Rn. 6; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 592 f.; RGRK/Steffen, § 684 Rn. 8; Schildt, JuS 1995, 953, 958; Staudinger/Bergmann, BGB, § 684 Rn. 5. 282
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schäftsbesorgung durch den Geschäftsführer erlangt hat.284 Zweitens wird der im Zuge einer Rechtsgrundverweisung für möglich gehaltenen Anwendung der bereicherungsrechtlichen Einreden und Einwendungen entscheidendes Gewicht beigemessen. Dies sei unerlässlich, um nicht Gefahr zu laufen, einen systemfremden Anspruch zu schaffen.285 Da die §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB andernfalls nicht anwendbar seien, müsse es sich bei der Verweisung hierfür um eine Rechtsgrundverweisung handeln. 286 Mitunter wird vertreten, die Verweisung sei in einigen Fällen als Rechtsgrund- und in anderen als Rechtsfolgenverweisung zu interpretieren.287 a) Deklaratorische Rechtsgrundverweisung Wenn es sich um eine rein deklaratorische Verweisung handelte, ist damit zugleich ihr Charakter als Rechtsgrundverweisung verbunden.288 Wohl nicht zuletzt aufgrund entsprechender Hinweise in den Gesetzesmaterialien zu § 684 BGB gibt es Stimmen in der Literatur, die in der Verweisung auf das Bereicherungsrecht eine Bezugnahme auf die condictio ob rem des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB sehen.289 aa) Deklaratorische Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB Als Bezugnahme auf die condictio ob rem kann die Verweisung jedoch nicht deklaratorisch sein, da die Zweckverfehlungskondiktion nach dieser Vorschrift eine Zweckvereinbarung zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger voraussetzt, für die nach heute herrschender Ansicht zumindest ein stillschweigendes Einverständnis zwischen den Parteien erforderlich ist.290 Dies ist in den Fällen der unberechtigten Geschäftsfüh284
Batsch, AcP 171 (1971), S. 218, 227; Gursky, AcP 185 (1985), S. 13, 40. 6. Aufl. 2012, § 684 Rn. 4. 286 Siehe Henssler, JuS 1991, 924, 928; Meier-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 455. Ohne sich zum Charakter der Verweisung zu positionieren: D. Giesen, Jura 1996, 344, 346. Gegen den Ausschluss der Einreden und Einwendungen auch im Fall einer Rechtsfolgenverweisung wenden sich BeckOGK/Thole, § 684 BGB Rn. 5; Erman/Dornis, BGB, § 684 Rn. 2; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 6; Soergel/Beuthien, BGB, § 684 Rn. 4 (Fn. 13). Grundlegend Hadding, FS Mühl, S. 225, 248 ff. 287 Harder, JuS 1972, 395, 399 (Fn. 39); Schindler, AcP 165 (1965), S. 499, 507, 509. 288 Siehe allg. dazu in Kap. 1, § 2 II., IV. 289 BeckOGK/Thole, § 684 BGB Rn. 12; Loyal, JZ 2012, 1102, 1105 f. Für die Gesetzesverfasser Motive zum BGB, Bd. 2, S. 866. 290 Zu dieser Anforderung an eine Zweckvereinbarung BGH vom 25.11.2009 – XII ZR 92/06, NJW 2010, 998, 1000; BGH vom 18.2.2009 – XII ZR 163/07, NJW‑RR 2009, 1142, 1143 f.; BGH vom 19.1.1973 – V ZR 24/71, NJW 1973, 612, 613; BGH vom 29.11.1965 – VII ZR 214/63, NJW 1966, 540, 541; MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 449 f.; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, § 812 Rn. 112; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 10 Rn. 62 ff. A. A. (einseitige Zweckbestimmung ausr.) Loyal, JZ 2012, 1102, 1107; ders., Die „entgeltliche“ Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 224 ff. (mit ausführl. Auseinandersetzung); Wieling, Bereicherungsrecht, § 3 III. 3. g. 285 MünchKommBGB/Seiler,
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rung ohne Auftrag allerdings gerade nicht der Fall – die Geschäftsführung muss dem wirklichen und mutmaßlichen Willen und dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn zuwiderlaufen, damit es sich um eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handelt.291 Gäbe es hingegen ein zumindest stillschweigendes Einverständnis zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn, läge eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, auf die § 684 BGB ohnehin keine Anwendung findet. Wie sich den Beratungen zum BGB entnehmen lässt, haben die Gesetzesverfasser in der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zunächst allerdings gerade einen Anwendungsfall der condictio ob rem gesehen.292 (1) Die Einordnung der Verweisung durch den Gesetzgeber Im Laufe der Beratungen zum BGB wurde erwogen, die Verweisung in dem heutigen § 684 S. 1 BGB auf diese Kondiktionsart zu beschränken. 293 Die Entscheidung, ob eine Ausweitung der Verweisung auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung erfolgen sollte, wurde später allerdings der Redaktionskommission überlassen.294 Dass die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag anfänglich als Anwendungsfall der condictio ob rem eingeordnet wurde, liegt an den Anforderungen, die an die Zweckbindung im Rahmen dieser Kondiktionsart zu stellen sind. Der Gesetzgeber ging im ersten Entwurf zum BGB davon aus, der Leistende müsse ausdrücklich oder stillschweigend erklären, dass seine Leistung unter der Voraussetzung des Eintritts eines künftigen Ereignisses oder rechtlichen Erfolgs stehe (§ 742 des ersten Entwurfs zum BGB). Dem lag die von Windscheid geprägte Lehre von der Voraussetzung zugrunde, nach der eine Leistung unter einer einseitig zu erklärenden Voraussetzung stehen konnte. Diese Voraussetzung war in ihrer Bedeutung zwischen einem bloßen Motiv für eine Leistung und einer Bedingung einzuordnen.295 Das fremdnützige Handeln des unberechtigten Geschäftsführers wurde regelmäßig als diesen Vorgaben entsprechend angesehen. Solange die Voraussetzung als einseitig durch den Leistenden bestimmt anzusehen ist, ist dieses Ergebnis für die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag in der Regel zutreffend. In den Beratungen zum BGB wurde allerdings zugleich darauf hingewiesen, die Voraussetzungen der condictio ob rem lägen 291 Gegen
die Anwendbarkeit des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB auch NK‑BGB/ Schwab, § 684 Rn. 6. A. A. Loyal, JZ 2012, 1102, 1105, der die Entsprechung zur Zweckbestimmung in der Geschäftsbesorgungsabsicht sieht; Wieling, Bereicherungsrecht, § 3 III. 4. 292 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 866; Beratungen der Ersten Kommission, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 150. 293 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 866. 294 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 740. 295 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 163 ff.
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unter Umständen nicht in sämtlichen Fällen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vor, da der Geschäftsführer möglicherweise nicht stets hinreichend erklärt habe, er leiste in Aussicht einer Genehmigung seines Handelns durch den Geschäftsherrn.296 Der Gesetzgeber hat daher im Ansatz bereits ein Problem hinsichtlich der für die condictio ob rem erforderlichen Zweckbindung gesehen, obwohl er die Anforderungen hieran zumindest im Stadium des ersten Entwurfs zum BGB noch anders beurteilt hat als dies später der Fall war und nach heute vorherrschender Meinung ist. Aus Sicht des Gesetzgebers wurde die Verweisung auf das Bereicherungsrecht auf diese Weise konstitutiv, 297 weil die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB in den Fällen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zumindest in Einzelfällen nicht vorliegen könnten. Da eine Rückabwicklung indes auch in diesen Fällen möglich sein sollte, musste der Anwendungsbereich der condictio ob rem durch eine entsprechende Verweisung über dessen originären Anwendungsbereich hinaus auf die Fälle des § 684 S. 1 BGB ausgedehnt werden. Das Erfordernis der ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärung über den verfolgten Zweck wurde im Zuge der Beratungen zum BGB über das Bereicherungsrecht allerdings aufgegeben und stattdessen die später Gesetz gewordene Fassung des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB gewählt. Dabei wurde ausdrücklich auf die einseitige Erklärung des Leistenden verzichtet und vielmehr eine Einigung der Parteien über den mit der Leistung bezweckten Erfolg gefordert.298 Welcher Rechtsnatur diese Einigung sein sollte, wurde, soweit aus den Materialien zum BGB ersichtlich, nicht näher bestimmt. Ob der Gesetzgeber nach dieser Änderung der Entwürfe zum Bereicherungsrecht auf seiner Einordnung der Herausgabe des durch die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag Erlangten als condictio ob rem bewusst beharrt hat, geht aus den Materialien zum BGB nicht hervor. Die Verweisung in § 684 S. 1 BGB bezog sich noch lange auf die Vorschriften, die die condictio ob rem regelten – dies wurde erst durch die Redaktionskommission anders entschieden.299 Ob dies jedoch lediglich ein Überbleibsel aus den ursprüng296 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 866; Beratungen der Ersten Kommission nach Jakobs/ Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 150. 297 Die Verweisung wurde geschaffen, um sämtliche Zweifel an der Anwendbarkeit der condictio ob rem auszuräumen: Motive zum BGB, Bd. 2, S. 866; Beratungen der Ersten Kommission nach Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 150. 298 Dies ergibt sich aus den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamts, Prot-RJA 586, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 835. Die weitere Diskussion drehte sich dann nicht mehr um die Frage der Einseitigkeit oder Beidseitigkeit der Zweckbestimmung, sondern nur noch um den Begriff der Zweckbestimmung, namentlich in seiner Abgrenzung zum bloßen Beweggrund. Siehe Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 691. 299 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 740.
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lichen Erwägungen war oder bewusst nach einer vorherigen Reflektion des geänderten Verständnisses der Zweckverfehlungskondiktion geschah, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Wenn die Einordnung als condictio ob rem weiterhin Gültigkeit hatte und der Gesetzgeber die Anforderung an den mit der Leistung zusätzlich verbundenen Zweck im Rahmen der condictio ob rem im Bereicherungsrecht dadurch verschärft hat, dass er von einer einseitigen Erklärung zu einer wie auch immer gearteten Zweckvereinbarung gelangt ist, wirkt die Verweisung auf die condictio ob rem in § 684 S. 1 BGB umso mehr konstitutiv. Die Anforderungen an eine „Parteivereinbarung“ im Fall der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag werden nämlich unabhängig davon, wie die Voraussetzungen hierfür sind, mangels übereinstimmendem Parteiwillen ohnehin nicht erreicht. Es sind jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber von seiner Absicht abgerückt ist, mit § 684 S. 1 BGB eine konstitutive Verweisung auf das Bereicherungsrecht zu schaffen. (2) Der systematische Zusammenhang zwischen § 684 BGB und § 685 BGB Die Intention des Gesetzgebers, eine konstitutive Verweisung zu schaffen, spiegelt sich zudem in der Systematik der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, namentlich in der Existenz des § 685 BGB, wider. § 685 Abs. 1 BGB ist eine Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens300: Wer ein Geschäft eines anderen besorgt und dabei damit rechnet, hierdurch unter Umständen selbst eine Vermögenseinbuße zu erleiden, die er von dem Geschäftsherrn nicht ersetzt verlangen möchte, und später entgegen dieser ursprünglichen Intention dennoch Ersatz verlangt, verhält sich widersprüchlich. Der Einwand des § 685 Abs. 1 BGB bezieht sich auf § 683 BGB und § 684 S. 1 BGB.301 Da § 683 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch regelt, ist dadurch, dass § 685 Abs. 1 BGB sich auch auf diesen Anspruch erstreckt, ausgeschlossen, dass er nur dafür geschaffen ist, einen Bereicherungsanspruch in seinem originären Anwendungsbereich auszuschließen. § 685 BGB ist auch nicht für sämtliche Bereicherungsansprüche im Zusammenhang mit einer Geschäftsführung per se anwendbar. In den Fällen der Nutzung eines zur Miete oder leihweise überlassenen Gebäudes oder einer Wohnung, die der Mieter oder Entleiher in der Erwartung einer späteren Nutzung umbaut, soll § 685 BGB einem Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB zum Beispiel nicht entgegenstehen.302 All dies spricht dafür, dass § 685 BGB auf spezielle Ansprüche 300
Für alle Larenz, Schuldrecht II/1, § 57 I. b), S. 449. vom 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313, 314; Erman/Dornis, BGB, § 685 Rn. 2; NK‑BGB/Schwab, § 685 Rn. 3; Soergel/Beuthien, BGB, § 685 Rn. 1. 302 Erman/Dornis, BGB, § 685 Rn. 2 unter Rückgriff auf BGH vom 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789, 1790 f.; BGH vom 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1985, 301 BGH
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der Geschäftsführung ohne Auftrag zugeschnitten ist und die Verweisung in § 684 S. 1 BGB daher nicht nur deklaratorisch ist, sondern die Vorschrift einen eigenen Anspruch begründet. (3) Verweisung auf das Bereicherungsrecht im Allgemeinen Der Gesetzgeber hat in § 684 S. 1 BGB trotz der ursprünglich anderslautenden Entwürfe nicht ausschließlich auf § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB verwiesen, sondern die Vorschriften des Bereicherungsrechts allgemein in Bezug genommen.303 Auch wenn die Motive der Kommissionen zur Beratung des BGB sowie die Systematik der §§ 684 S. 1, 685 BGB dafür sprechen mögen, die Verweisung als konstitutiv anzusehen, kann sie dennoch deklaratorischer Natur sein, obwohl im Fall der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag mangels stillschweigender Willensübereinkunft über den zu erreichenden Zweck keine condictio ob rem vorliegt,304 wenn hinsichtlich der Herausgabeansprüche des Geschäftsführers stattdessen stets ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall oder 2. Fall BGB gegeben wäre. In dem Fall hätte es der Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 684 S. 1 BGB entgegen der Annahme der Kommission zur Beratung des BGB nicht bedurft, um einen Anspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten sicherzustellen. bb) Deklaratorische Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. oder 2. Fall BGB Ob die Verweisung sich als deklaratorisch hinsichtlich der Leistungs- oder der Nichtleistungskondiktion erweisen kann, hängt zunächst davon ab, ob das erlangte Etwas dem Geschäftsherrn durch eine Leistung des Geschäftsführers oder in sonstiger Weise zugeflossen ist. Dies bestimmt sich wiederum danach, welchen Zweck der Geschäftsführer bei der Geschäftsführung im Einzelfall verfolgt hat und ob seine Handlung daher nach allgemeinen Grundsätzen als Leistung anzusehen ist.305 Wendet man die §§ 677 ff. 313, 314; NK‑BGB/Schwab, § 685 Rn. 4. Der BGH äußert sich allerdings nicht ausdrückl. zu dieser Frage. Er hält allerdings einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB jeweils für möglich, obwohl er die Voraussetzungen des § 685 BGB zuvor als gegeben angesehen hat. 303 Dies war ursprünglich, in § 758 des Ersten Entwurfs, anders, da dieser ausschließlich auf die §§ 742–744 dieses Entwurfs verwies, die nur die condictio ob rem regelten. Erst in § 615 des Zweiten Entwurfs hatte die Verweisung den heutigen Umfang. 304 Wer einen Fall der condictio ob rem annimmt, kommt wohl ebenfalls zu dem Ergebnis, es liege eine konstitutitve Verweisung vor, da die Voraussetzungen dieser Kondiktionsart nicht in jedem Fall der unberechtigten GoA vorliegen werden. So z. B. Loyal, JZ 2012, 1102, 1104 f. (mit Fn. 39). 305 Im Regelfall gegen eine Leistung NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 6. Einen Fall der condictio indebiti lehnt ab Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 5 Rn. 55. Für eine Verweisung auf die condictio indebiti dagegen Kastrup, Jura 2014, 219, 223.
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BGB auf die Durchführung nichtiger Verträge an, was freilich umstritten ist,306 wird sich die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, als Fall der condictio indebiti darstellen.307 Da die Fallgestaltungen der Geschäftsführung ohne Auftrag vielgestaltig sind, weil die Geschäftsbesorgung in Tätigkeiten unterschiedlicher Art liegen kann, kann die Beurteilung, ob eine Leistung des Geschäftsführers an den Geschäftsherrn vorliegt, je nach der Art der Geschäftsführung unterschiedlich ausfallen. Denkbar ist beispielsweise auch eine Nichtleistungskonstellation, wenn der Geschäftsherr durch die Aufwendungen des Geschäftsführers unmittelbar etwas auf dessen Kosten erlangt hat.308 Dass die Geschäftsführung sich sowohl als Leistung als auch als Nichtleistung darstellen kann, spricht dafür, die Verweisung als deklaratorisch zu betrachten. Sie bezöge sich als solche auf § 812 BGB, der je nach Sachverhaltskonstellation in einer seiner Varianten gegeben wäre. Die Verweisung auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB kann jedoch unabhängig davon, auf welche Variante sie sich beziehen sollte, nur dann deklaratorischer Natur sein, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. Das heißt vor allem, dass die Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt sein müsste. Nach der vielfach als „tradierte“ Auffassung bezeichneten Lehre stellt die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag keinen Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB dar.309 Diese Ansicht wird zunehmend kritisiert.310 Vielerorts findet sich ferner der Hinweis, die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag bilde einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts; die ausdrückliche Aussage, die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag stelle keinen Rechtsgrund in diesem Sinne dar, wird indes nicht getroffen.311 Im Zusammenhang mit § 678 BGB wird angenommen, der Geschäftsführer, der das Geschäft zwar nicht im 306 Für eine Anwendung der §§ 677 ff. BGB BGH vom 30.9.1993 – VII ZR 178/91, NJW 1993, 3196 m. w. Nachw.; NK‑BGB/Schwab, § 677 Rn. 43 ff. Dagegen Einsele, JuS 1998, 401, 402 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 74 III. 2., S. 348 m. w. Nachw.; Lorenz, NJW 1996, 883 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 45. 307 Siehe NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 6 zur Einordnung als „Leistung“ in diesen Fällen. 308 NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 6 (Aufwendungskondiktion). Grds. für eine Einordnung als Aufwendungskondiktion Beuthien, FS Söllner, S. 125, 130; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 188. 309 OLG Hamm vom 9.1.1974 – 11 U 198/73, NJW 1974, 951, 952; Henssler, JuS 1991, 924, 927; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 557 f.; RGRK/ Steffen, § 684 Rn. 8; Soergel/Beuthien, BGB, § 684 Rn. 2. 310 Röthel, Jura 2012, 598, 601; Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 96 ff., 240, 242; § 684 Rn. 3. 311 BGH vom 11.7.1996 – III ZR 7/95, WM 1996, 2159, 2162; BGH vom 30.9.1993 – VII ZR 178/91, NJW 1993, 3196; Wittmann, Begriff und Funktionen der GoA, S. 130, 139–149.
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Einklang mit dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsführers übernommen hat, dies aber weder erkannt hat noch hätte erkennen müssen (fehlendes Übernahmeverschulden), hafte gemäß §§ 280 Abs. 1, 677 BGB für eine unsachgemäße Geschäftsausführung.312 Um diesen Anspruch begründen zu können, muss die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag zumindest in diesen Fällen als gesetzliches Schuldverhältnis eingeordnet werden.313 Konsequenterweise stellt sie dann auch einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB dar. Für die Fälle des fehlenden Übernahmeverschuldens bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen aus haftungsrechtlicher Sicht gute Argumente für die Annahme, hierin liege ein Schuldverhältnis.314 Denn auch der unberechtigte Geschäftsführer, der nicht erkennen musste, dass er dem Willen und objektiven Interesse des Geschäftsherrn zuwider handelte, will ein fremdes Geschäft führen. Seine Sichtweise ist demnach in diesen Fällen identisch mit der bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Es erscheint daher nur sachgerecht, wenn er bei einem Ausführungsverschulden auch in gleicher Weise haften muss wie bei der berechtigten Geschäftsführung. Andernfalls würde er in unbilliger Weise privilegiert.315 Wenn zumindest in diesen Fällen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu Recht ein gesetzliches Schuldverhältnis gesehen wird, besteht jedenfalls insofern ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung, der die Verweisung in § 684 S. 1 BGB auf das Bereicherungsrecht konstitutiv werden lässt. Das Bereicherungsrecht wäre ohne eine gesonderte Anordnung unanwendbar, weil die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB wegen des bestehenden Rechtsgrundes nicht vorliegen. Nimmt man in den Fällen, in denen den Geschäftsherrn ein Übernahmeverschulden trifft, mit der „tradierten“ Auffassung an, die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag bilde keinen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts und ist damit zumindest denkbar, dass die Voraussetzungen eines Kondiktionstatbestandes des § 812 BGB vorliegen, wäre die Verweisung möglicherweise teils deklaratorisch und teils konstitutiv. Ob dieselbe Verweisung innerhalb einer Verweisungsvorschrift teilweise deklaratorisch und teilweise konstitutiv wirken kann, erscheint zumindest äußerst fraglich. Wie Verweisungen wirken – konstitutiv oder deklarato312 NK‑BGB/Schwab,
§ 678 Rn. 3; Looschelders, Schuldrecht BT, § 44 Rn. 6. Wohl auch Coester-Waltjen, Jura 1990, 608, 610. 313 Looschelders, Schuldrecht BT, § 44 Rn. 6; NK‑BGB/Schwab, § 678 Rn. 3. Grds. für ein gesetzl. Schuldverhältnis bei unberechtigter GoA Beuthien, FS Söllner, S. 125, 126 ff.; ohnehin für eine legitimierende Wirkung der unberechtigten GoA im Sinne des Bereicherungsrechts: Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem. zu § 677 ff. Rn. 99. 314 Looschelders, Schuldrecht BT, § 44 Rn. 6; Röthel, Jura 2012, 598, 601. 315 Looschelders, Schuldrecht BT, § 44 Rn. 6; vgl. auch Beuthien, FS Söllner, S. 125, 128.
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risch –, ist aus Sicht des Verweisungsobjekts zu beurteilen.316 Wenn dessen Anwendungsbereich durch seine Geltung im Rahmen der Verweisungsvorschrift faktisch ausgedehnt wird, ist die Verweisung konstitutiv. Dies ist bei § 684 S. 1 BGB zumindest in den Fällen gegeben, in denen den Geschäftsführer kein Übernahmeverschulden trifft. Die Verweisung hat dadurch geltungserweiternde Wirkung. Dass sie unter Umständen nur für bestimmte Fälle eine derartige Wirkung hat, ändert ihren grundsätzlich geltungserweiternden und damit konstitutiven Charakter nicht. Der Tatbestand des § 684 S. 1 BGB enthält ohne weitere Differenzierung einen grundsätzlichen Geltungsbefehl für das Verweisungsobjekt. In den Fällen, in denen sich ein solcher zugleich aus den Tatbestandsvoraussetzungen des Verweisungsobjekts selbst ergibt, enthält § 684 S. 1 BGB diesem gegenüber eine lex specialis. Wenn die Verweisung teils konstitutiv und teils deklaratorisch wirkte, würde das zugleich bedeuten, dass sich der jeweilige Anspruch je nach Fallkonstellation in einigen Fällen aus der Verweisungsvorschrift (wenn die Verweisung konstitutiv wirkt) und in den anderen aus dem Verweisungsobjekt ergäbe.317 Die Verweisungsvorschrift wäre in einem Fall Anspruchsgrundlage und in einem anderen nicht, obwohl sie sich als solche nicht verändert. Dies erscheint nicht sachgerecht. Ferner müsste bei einer derartigen Annahme für jeden Einzelfall zunächst der Charakter der Verweisung ermittelt werden, um die einschlägige Anspruchsgrundlage bestimmen zu können. Dieses Vorgehen wäre wenig praktikabel und würde die Handhabung des Gesetzes wesentlich erschweren. Es erscheint vielmehr naheliegend, dass eine Verweisung, die zumindest in einem Anwendungsfall der Verweisungsvorschrift konstitutiv wirkt, ihrem Charakter nach insgesamt als konstitutiv anzusehen ist. Der jeweilige Anspruch oder das jeweilige Recht ergibt sich dann einheitlich, das heißt für jeden Anwendungsfall, aus der Verweisungsvorschrift. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts bereits von sich aus vorliegen, stellt die Verweisungsvorschrift dann lediglich die gegenüber dem Verweisungsobjekt speziellere Vorschrift dar. b) Konstitutive Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung Da die Verweisung in § 684 S. 1 BGB konstitutiv ist, kann sie entweder eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung sein. Als Rechtsgrundverweisung wirkte sie partiell, weil sie – wie soeben gezeigt318 – jedenfalls das Erfordernis des fehlenden Rechtsgrundes des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ausschließen müsste. Ob es sich um eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgen316 317
Siehe dazu in Kap. 1, § 2 II. Zur Frage des Anspruchscharakters einer Verweisungsvorschrift siehe insbes. die Untersuchung des § 852 oben unter 3. 318 Vorstehend unter a) bb).
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verweisung handelt, ist anhand des Regelungsinhalts und der Struktur der Vorschrift zu bestimmen. Eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht wäre erforderlich, wenn der Tatbestand des § 684 S. 1 BGB als solcher nicht in ausreichendem Umfang Voraussetzungen enthielte, die die Rechtsfolgenanordnung tragen. aa) Konzeption des § 684 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung Für den Charakter des § 684 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung wird angeführt, der Tatbestand der Vorschrift sei ausführlich genug, um als Anspruchsgrundlage den Herausgabeanspruch zu bestimmen.319 Die Voraussetzungen des § 684 S. 1 BGB sollen in denen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 1. HS BGB und dem Fehlen der Voraussetzungen des § 683 BGB liegen.320 Ferner bestimmt § 684 S. 1 BGB, das aus der Geschäftsführung Erlangte sei herauszugeben. Diese Voraussetzungen füllen zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB aus und zwar je nach Lage des Falls als Leistungs- oder als Aufwendungskondiktion. Zudem ordnet § 684 S. 1 BGB in der für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht typischen Weise seine Grund-Rechtsfolge, die Herausgabe des Erlangten, selbst an. Eine Rechtsfolgenverweisung wird dennoch aus zwei Gründen für unzureichend erachtet: Im Drei-Personen-Verhältnis soll das Merkmal „auf dessen Kosten“ des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB einschränkend heranzuziehen sein, damit der Anspruch aus § 684 S. 1 BGB in bestimmten Fällen nicht in unsachgerechter Weise bestehe (dazu unter (1)).321 Außerdem sollen ohne Rechtsgrundverweisung in den Fällen, in denen die Geschäftsführung in dem Verkauf einer Sache des Geschäftsherrn bestand, Wertungswidersprüche entstehen können (dazu unter (2)).322 (1) Das Merkmal „auf dessen Kosten“ Das Merkmal „auf dessen Kosten“ des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB wird als entscheidende Einschränkung des Tatbestandes des § 684 S. 1 BGB erachtet, wenn der Geschäftsherr aus einer Geschäftsführung etwas erlangt hat, die Geschäftsführung aber in einer Leistung des Geschäftsführers an einen Dritten bestand.323 Derartige Situationen können sich insbesondere dann ergeben, wenn der vom Eigentümer verschiedene Besitzer einer Sache 319 OLG Hamm vom 9.1.1974 – 11 U 198/73, NJW 1974, 951, 952; Staudinger/Bergmann, BGB, § 684 Rn. 5. 320 Siehe dazu für alle den Prüfungsaufbau bei Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 5 Rn. 56. 321 NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7. 322 Loyal, JZ 2012, 1102, 1106. 323 NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7.
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einen anderen – den Geschäftsführer – mit Leistungen hinsichtlich dieser Sache beauftragt und anschließend zahlungsunfähig wird. Wenn sich der Geschäftsführer nun mit einem Herausgabeanspruch gemäß § 684 S. 1 BGB an den Eigentümer wendet, besteht Einigkeit, dass ein solcher Anspruch nicht gegeben ist.324 Dieses einheitliche Ergebnis wird jedoch unterschiedlich begründet. Einige Ansätze knüpfen daran an, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag, die § 684 S. 1 BGB enthält, nicht vorliegen: Dabei wird einerseits der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsführers zugunsten des Eigentümers verneint, weil der Geschäftsführer nur für den Besitzer und nicht für den Eigentümer tätig werden wollte,325 und andererseits angenommen, der Geschäftsführer habe kein Geschäft des Eigentümers geführt, da er ausschließlich im Rechtskreis des Besitzers, nicht aber in dem des Eigentümers tätig geworden sei326. Während letztere Begründung zweifelhaft erscheint, da der Geschäftsführer stets zugleich ein Geschäft des Eigentümers führt, wenn er dessen Sache zum Beispiel repariert,327 wird es in einer Vielzahl der so gelagerten Fälle aus dem oben genannten Grund tatsächlich bereits am Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsherrn zugunsten des Eigentümers fehlen.328 Dies muss indes nicht für jeden Einzelfall zwingend sein. Auch für diese Fälle bedarf es einer Begründung, warum der Geschäftsführer keinen Anspruch gemäß § 684 S. 1 BGB gegen den Eigentümer geltend machen kann. Die Rechtsprechung hat den Anspruch nach § 684 S. 1 BGB gegen den Eigentümer aufgrund der insoweit vorrangigen Leistungsbeziehung des Geschäftsführers zum Besitzer abgelehnt und damit das Prinzip des Vorrangs der Leistungskondiktion im Rahmen dieser Vorschrift angewendet, obwohl das Gericht die darin enthaltene Verweisung als Rechtsfolgenverweisung verstanden hat.329 Hieran wird kritisiert, dieser Begründung fehle „jede Rückbindung an den Tatbestand des § 684“.330 Diese lasse sich nur er324 BGH
vom 18.5.1983 – VIII ZR 86/82, BGHZ 87, 274, 278; OLG Nürnberg vom 19.3.2013 – 14 U 613/12, NJW‑RR 2013, 1325 f.; OLG Hamm vom 9.1.1974 – 11 U 198/73, NJW 1974, 951, 952 f.; Gursky, AcP 185 (1985), S. 13, 38; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994; NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7; Schubert, AcP 178 (1978), S. 425, 441 f. 325 Siehe z. B. BGH vom 18.5.1983 – VIII ZR 86/82, BGHZ 87, 274, 278. 326 OLG Nürnberg vom 19.3.2013 – 14 U 613/12, NJW‑RR 2013, 1325 f. 327 NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7. 328 Gursky, AcP 185 (1985), S. 13, 38; NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7. So auch die Motive zum BGB, Bd. 2, S. 869, die bei Beauftragung durch Dritte von einer Vermutung des fehlenden Fremdgeschäftsführungswillens ausgingen. 329 OLG Hamm vom 9.1.1974 – 11 U 198/73, NJW 1974, 951, 952 f. Für die Anwendung des Subsidiaritätsgedankens in Drei-Personen-Verhältnissen bei der GoA auch Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994 f. 330 NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 7.
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reichen, wenn im Rahmen des Tatbestandes des § 684 S. 1 BGB das Merkmal „auf dessen Kosten“ relevant sei.331 Wie bereits im Rahmen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB gezeigt, ist der Gedanke der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion gegenüber der Leistungskondiktion jedoch nicht in § 812 Abs. 1 S. 1 BGB normiert.332 Eine Verweisung hierauf ist daher nicht erforderlich, um dieses Prinzip im Rahmen des § 684 S. 1 BGB anzuwenden.333 Wenn es sich bei § 684 S. 1 BGB um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, spricht aus systematischen Gründen einiges dafür, dass die Vorschrift einen speziellen Kondiktionstatbestand darstellt, da sich dies bereits für andere Vorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten (so namentlich für die §§ 951 Abs. 1 S. 1, 977, 852 S. 1 BGB), erwiesen hat. Diese Einordnung beruht insbesondere auch auf der jeweiligen Zuweisung der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zu den Tatbeständen der Verweisungsvorschriften.334 Durch die Verweisung auf das Bereicherungsrecht erfolgt in § 684 S. 1 BGB eine ebensolche Zuweisung wie bei den anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. In den Fällen, in denen der Geschäftsherr vom Geschäftsführer zwar etwas erlangt hat, dies jedoch nicht auf einer Leistung beruhte, wird für § 684 S. 1 BGB mitunter auch angenommen, es handele sich um einen speziell geregelten Fall einer Aufwendungskondiktion335. Seinem Tatbestand nach ist § 684 S. 1 BGB einer Interpretation als Kondiktionstatbestand zugänglich, da er den Fall einer Vermögensverschiebung regelt, die nach der gesetzlichen Wertung nicht dauerhaft aufrechterhalten bleiben soll. Auf einen derartigen speziellen Kondiktionstatbestand336 im BGB außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung, müssen die bereicherungsrechtlichen Grundprinzipien anwendbar sein, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.337 Der Grundsatz der Subsidiarität der Nichtleistungsbeziehung gegenüber der Leistungsbeziehung ist jeder Nichtleistungskondiktion immanent, so auch der speziellen Kondiktion des § 684 S. 1 BGB. In den Drei-Personen-Konstellationen, die den Ausgangspunkt des Problems mar331 NK‑BGB/Schwab,
§ 684 Rn. 7. Siehe ausführl. unter 1. b) aa) (3) (a). So gar Stimmen in der Lit., die das Prinzip in § 812 BGB verankern: Beuthien, JuS 1987, 841, 844. 334 Ausführl. zur Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung für die Interpretation einer Vorschrift im Allgemeinen und den Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht im Besonderen in diesem Kap. § 3 I. 335 Einordnung als Aufwendungs-/Abschöpfungskondiktion bei Beuthien, FS Söllner, S. 125, 131 (im Zshg. mit der GoA); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 188 (allerdings als deklarator. Verweisung); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 563 ff.; Soergel/Beuthien, BGB, § 684 Rn. 2 (Auslagenkondiktion). 336 Der BGH spricht von § 684 S. 1 BGB als einem „Bereicherungsanspruch“ (BGH vom 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313, 314). 337 Siehe ausführl. dazu in diesem Kap. unter § 3. 332 333
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kieren und in denen in einem Verhältnis eine Leistungsbeziehung vorliegt, lässt sich der Ausschluss des Anspruchs gemäß § 684 S. 1 BGB stets mit dem Vorrang der Leistungsbeziehung begründen. Einer darüber hinausgehenden Anwendung des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten“ nach § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB bedarf es in diesen Fällen somit nicht. (2) Geschäftsbesorgung durch den Verkauf fremder Sachen Eine weitere Konstellation, die dafür sprechen soll, dass es sich bei § 684 S. 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht handelt, liegt in dem Verkauf einer Sache des Geschäftsherrn durch den Geschäftsführer. Überweise der Geschäftsführer in diesem Fall von sich aus den Erlös an den Geschäftsherrn, habe Letzterer mit ebendiesem Erlös etwas aus der Geschäftsführung erlangt, das er infolge des § 684 S. 1 BGB an den Geschäftsführer herausgeben müsse.338 Dieses Ergebnis ist unbestritten nicht interessengerecht, da der Geschäftsherr durch den Verkauf bei einer wirksamen Übereignung der Sache an einen Dritten seine Rechtsposition an der Sache verloren hat. Er hat demnach eine Vermögenseinbuße, die zumindest durch den Erlös aus dem Verkauf kompensiert werden muss, damit kein Wertungswiderspruch entsteht. Im Zusammenhang mit § 687 Abs. 2 BGB besteht eine vergleichbare Problematik, die unter dem Stichwort des Regress- oder Abschöpfungszirkels diskutiert wird.339 Die sich aus der dort bestehenden Verweisung sowohl auf § 681 BGB als auch auf § 684 S. 1 BGB ergebende Situation, dass der Geschäftsherr gemäß den §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB etwas herausverlangen kann, das der Geschäftsführer unmittelbar nach den §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB zurückbegehren kann, wird nach überwiegender Ansicht dadurch gelöst, dass der Anspruch des Geschäftsführers gemäß den §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB als reiner Aufwendungsersatzanspruch interpretiert wird.340 Mit diesem könne nicht jegliches Erlangte, sondern könnten ausschließlich die Aufwendungen des Geschäftsführers von diesem herausverlangt werden. So verstanden besteht die Gefahr des Regresszirkels nicht. Für den originären Anwendungsbereich des § 684 S. 1 BGB ist daher zu prüfen, ob er ebenfalls einen Auf338 Loyal, JZ 2012, 1102, 1106. Anders, wenn der Geschäftsherr den Erlös herausverlangt, da er sich nach vorzugswürdiger Ansicht widersprüchlich verhält, wenn er die Vorteile aus der Geschäftsführung herausverlangt, diese aber nicht genehmigt (NK‑BGB/Schwab, § 681 Rn. 4, § 684 Rn. 3). Sieht man in dem Herausverlangen eine konkludente Genehmigung der Geschäftsführung, sind ohnehin die Vorschriften über die berechtigte GoA anwendbar. 339 Für alle BeckOGK/Thole, § 684 BGB Rn. 11 (der die Parallele der Fälle anspricht); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 419; NK‑BGB/Schwab, § 687 Rn. 43 ff.; Soergel/Beuthien, BGB, § 687 Rn. 9. 340 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 419; NK‑BGB/Schwab, § 687 Rn. 43 ff.; Soergel/Beuthien, BGB, § 687 Rn. 9.
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wendungsersatzanspruch darstellt (dazu unter (a)) oder ob dies nicht der Fall ist und es andere Wege gibt, den aufgeworfenen Wertungswiderspruch zu vermeiden (dazu unter (b)). (a) Interpretation des § 684 S. 1 BGB als Aufwendungsersatzanspruch Es gibt Tendenzen, in § 684 S. 1 BGB innerhalb seines originären Anwendungsbereichs einen Aufwendungsersatzanspruch zu sehen. Einige Stimmen in der Literatur sprechen sich dafür aus, den Umfang der Herausgabe im Rahmen des § 684 S. 1 BGB auf das Maß der Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB der Höhe nach zu begrenzen.341 Nach diesem Verständnis handelt es sich bei § 684 S. 1 BGB um einen Aufwendungsersatzanspruch, der bezogen auf die getätigten Aufwendungen im Umfang der beim Geschäftsherrn noch vorhandenen Bereicherung besteht. Der Wertungswiderspruch, der sich beim Verkauf fremder Sachen und der freiwilligen Erlösherausgabe ergibt, besteht bei einer derartigen Interpretation nicht, da der Erlös keine Aufwendung des Geschäftsführers darstellt.342 Es sprechen jedoch gewichtige Argumente dagegen, § 684 S. 1 BGB per se als Aufwendungsersatzanspruch zu interpretieren. (aa) Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung Wie die Untersuchung des § 852 S. 1 BGB gezeigt hat, gibt die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge Anhaltspunkte, um den Rechtscharakter der Vorschrift im Wege der Auslegung zu bestimmen,343 da der Gesetzgeber einer Norm eine bestimmte, zu ihrer Tatbestandsanordnung passende Rechtsfolge zuweist.344 In § 684 S. 1 BGB hat der Gesetzgeber eine Herausgabepflicht angeordnet. Hätte er einen Aufwendungsersatzanspruch regeln wollen, hätte es nahegelegen, stattdessen eine Ersatzpflicht anzuordnen.345 Dies hätte nicht unmittelbar in § 684 S. 1 BGB selbst erfol341 RGRK/Steffen, § 684 Rn. 9; Staudinger/Bergmann, BGB, § 684 Rn. 3, 5, 10; Wolf, JZ 1966, 467, 469 f. A. A. Loyal, JZ 2012, 1102, 1108 f.; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 3; Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 45. 342 Gegen eine Übertragung der zu § 687 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze auf den originären Anwendungsbereich des § 684 S. 1 BGB NK‑BGB/Schwab, § 681 Rn. 5; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 717. 343 Zur Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung für die Auslegung Germann, Probleme und Methoden, S. 88 f.; Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 90 f. Siehe auch Leenen, Typus, S. 181 (im Rahmen einer typologischen Rechtsfindung). Zu § 852 S. 1 BGB siehe insoweit oben unter 3. b) bb). 344 Siehe zur bewussten Zuweisung einer Rechtsfolge zu einem Tatbestand Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 87; Nierwetberg, JZ 1983, 237, 239 (Gesetzgeber wolle durch die Zuweisung einer „gerechten“ Rechtsfolge „Lebenskonflikte“ lösen); Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 90. 345 Siehe zur Unterscheidung in Ersatz- und Herausgabepflicht insoweit auch Loyal, JZ 2012, 1102, 1108.
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gen müssen, andernfalls wäre aber eine irgendwie geartete Anknüpfung an die §§ 677, 670 BGB sinnvoll gewesen, um die Anbindung an den Aufwendungsersatz zu verdeutlichen. Der Gesetzgeber hat dies gerade nicht getan, sondern vielmehr einen Herausgabeanspruch angeordnet, ohne diesen bereits von sich aus einzuschränken. Dies spricht gegen die Einordnung als Aufwendungsersatzanspruch. (bb) Anhaltspunkte aus der Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht ebenfalls dagegen, den Anspruch als gedeckelten Aufwendungsersatzanspruch einzuordnen. Der Gesetzgeber hat in § 684 S. 1 BGB einen Anwendungsfall der condictio ob rem gesehen, deren Prinzipien er in den Fällen des § 684 S. 1 BGB gerade aufrechterhalten wissen wollte.346 Als Anwendungsfall der condictio ob rem handelte es sich aber um einen Herausgabe- und nicht um einen Aufwendungsersatzanspruch. (cc) Interessenlage Für die Interpretation als Aufwendungsersatzanspruch soll im Übrigen die Interessenlage bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen. Insbesondere solle der unberechtigte Geschäftsführer, auch wenn die Bereicherung des Geschäftsherrn die Aufwendungen übersteigt, nicht besser stehen als der berechtigte, der gemäß den §§ 683, 670 BGB lediglich den Ersatz der tatsächlich getätigten Aufwendungen verlangen kann.347 Die Gefahr der Benachteiligung des berechtigten Geschäftsführers besteht jedoch nicht. Der Geschäftsherr hat die Möglichkeit, die Geschäftsführung zu genehmigen (§ 684 S. 2 BGB) und dadurch eine Begrenzung des Aufwendungsersatzes herbeizuführen, wenn dies zu seinem Vorteil gereicht.348 Er muss demnach nicht durch eine Begrenzung des Anspruchs gemäß § 684 S. 1 BGB geschützt werden. Möchte der Geschäftsherr die Vorteile aus der Geschäftsführung behalten, Letztere aber zugleich nicht genehmigen, verhält er sich widersprüchlich.349 Einer darüber hinausgehenden Gefahr einer aufgedrängten Bereicherung des Geschäftsherrn kann mit den hierzu im Bereicherungsrecht entwickelten Grundsätzen hinreichend begegnet werden.350 Hinter § 684 S. 1 BGB steht insgesamt die Systematik des Bereiche346 Motive
zum BGB, Bd. 2, S. 866 f. Siehe ferner die Auswertung der Entstehungsgeschichte und die entsprechende Folgerung bei Loyal, JZ 2012, 1102, 1108 f. 347 Wolf, JZ 1966, 467, 469 f. 348 Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 3. Wolf, JZ 1966, 467, 470, meint, es sei nicht sachgerecht, den Geschäftsherrn auf die Genehmigungsmöglichkeit zu verweisen. 349 NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 3, der hinsichtlich der Wertung u. a. auf eine Entscheidung des BGH vom 26.4.2001 – VII ZR 222/99, NJW 2001, 3184, 3186 verweist. 350 Loyal, JZ 2012, 1102, 1109.
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rungsrechts, nicht an den Vermögensverlust des Bereicherungsgläubigers, sondern in erster Linie an die Bereicherung im Vermögen des Bereicherungsschuldners anzuknüpfen.351 (dd) Fazit zum Rechtscharakter des § 684 S. 1 BGB Nach alledem ist § 684 S. 1 BGB nicht als Aufwendungsersatzanspruch zu verstehen. Diese Eingrenzung eignet sich mithin nicht, um den drohenden Wertungswiderspruch bei der Erlösauskehr an den Geschäftsherrn nach dem Verkauf seiner Sache durch den Geschäftsführer zu vermeiden. (b) Vermeidung des Wertungswiderspruchs durch Einordnung als Rechtsgrundverweisung Die Einordnung der Verweisung des § 684 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung begegnet Bedenken in der Literatur, da der vorbenannte Wertungswiderspruch in diesem Fall lediglich durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB beseitigt werden könne, den der Geschäftsherr insofern erheben müsste.352 Da es sich allerdings bei dem Herausgabeverlangen des Geschäftsherrn um eine Konsequenz des Tatbestands des § 684 S. 1 BGB handele, würde der Tatbestand dieser Vorschrift durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs standardmäßig eingeschränkt, worin nicht der Sinn und Zweck dieses Einwands liege, der der Vermeidung unbilliger Ergebnisse im Einzelfall diene. Wenn der Tatbestand einer grundsätzlichen Einschränkung bedürfe, spreche dies vielmehr dafür, in § 684 S. 1 BGB eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht zu sehen. Dies verpflichtete zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Kondiktion, die in § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall gesehen wird. Da der Geschäftsführer mit der Überweisung des Erlöses seine Herausgabepflicht gegenüber dem Geschäftsherrn erfülle und den mit seiner Leistung angestrebten Zweck mithin erreiche, könne die condictio ob rem in den vorbenannten Fällen keinen Herausgabeanspruch begründen.353 Damit wird ein möglicher Wertungswiderspruch vermieden. Diese Einordnung ist aus zwei Gründen problematisch. Zunächst basiert sie auf der Annahme, § 684 S. 1 BGB sei als Verweisung auf die Zweckverfehlungskondiktion anzusehen. Dies ist jedoch, wie gezeigt, nicht der Fall. Ferner bedarf es der Einschränkung des Tatbestandes des § 684 S. 1 BGB weder durch die Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht noch durch den Einwand des § 242 BGB. Der Tatbestand des § 684 S. 1 BGB knüpft zwar an das gegenständlich Erlangte an, das in 351
Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616. Allg. zu diesem Prinzip des Bereicherungsrechts siehe in diesem Kap. § 4 VI. 1. b) ee) (1) (b). 352 Loyal, JZ 2012, 1102, 1106. 353 Loyal, JZ 2012, 1102, 1106.
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der vorgegebenen Fallkonstellation in dem Erlös besteht. Dieses erlangte Etwas ist jedoch der Ersatz für den Verlust dessen, was der Geschäftsführer aus dem Vermögen des Geschäftsherrn zuvor entzogen hat. Der Geschäftsherr hat daher strenggenommen nichts aus der Geschäftsführung erlangt, da er durch die Geschäftsführung überhaupt erst etwas verloren hat. Der Anspruch des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer auf Herausgabe des Erlöses ist ein Bereicherungsanspruch, der an die Stelle eines Herausgabeanspruchs bezüglich der Sache tritt, der bestünde, wenn Letztere nicht veräußert worden wäre. Diese Herausgabe ist allerdings im Sinne des § 818 Abs. 2 BGB unmöglich, wenn der Geschäftsführer die Sache wirksam an einen Dritten übergeben und übereignet hat. In dem Fall ist der Geschäftsführer dem Geschäftsherrn zum Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB verpflichtet. Diese Pflicht erfüllt er mit der Erlösherausgabe. Der Geschäftsherr hat den Erlös daher nicht aus der Geschäftsführung erlangt, er hat mit ihm lediglich einen Wertersatz für seinen Verlust erhalten. Damit liegt die Tatbestandsvoraussetzung des § 684 S. 1 BGB, nach der der Geschäftsherr etwas aus der Geschäftsführung erlangt haben muss, bereits nicht vor.354 Der Tatbestand des § 684 S. 1 BGB bedarf somit keiner weiteren Einschränkung durch § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Konstellation des Verkaufs fremder Sachen zwingt mithin ebenfalls nicht dazu, in der Verweisung des § 684 S. 1 BGB auf das Bereicherungsrecht eine Rechtsgrundverweisung zu sehen. bb) Fazit zur Konzeption des § 684 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung Es sind mithin keine Gründe ersichtlich, die die Annahme tragen, § 684 S. 1 BGB sei eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht. Insbesondere ergibt sich aus § 684 S. 1 BGB auch kein Hinweis darauf, dass es sich um eine partielle Verweisung handelt. Die Verweisung kann als Rechtsgrundverweisung jedoch nicht vollumfänglich sein, da es Fälle der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gibt, in denen diese einen Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts darstellt. Der Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB besteht daher insofern in keiner seiner Varianten. Da zudem zur Anspruchsbegründung in § 684 S. 1 BGB keine zusätzlichen Voraussetzungen des § 812 BGB und auf der anderen Seite auch keine Einschränkungen des Tatbestandes durch diese Vorschrift erforderlich sind, um etwaige Wertungswidersprüche zu vermeiden, spricht die Konzeption des § 684 S. 1 BGB für das Vorliegen einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.
354 Zu demselben Ergebnis gelangt, wer bereits tatbestandlich eine Bereicherung des Geschäftsherrn verlangt.
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c) Zusammenfassendes zum Verweisungscharakter Die Analyse des § 684 S. 1 BGB hat gezeigt, dass es sich hierbei um eine konstitutive Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht handelt. Diese Einordnung entspricht der Konzeption der Vorschrift durch den Gesetzgeber, obwohl dieser den Tatbestand des § 684 S. 1 BGB aus anderen Gründen für nicht nur deklaratorisch erachtet hat. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift ebenso wie die anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht als speziellen Kondiktionstatbestand konzipiert.355 Als solcher handelt es sich bei ihm – wie in den anderen Fällen der konstitutiven Verweisung auf das Bereicherungsrecht – um eine Anspruchsgrundlage. Im Zusammenhang mit § 684 S. 1 BGB stellt sich daher die vieldiskutierte Frage, ob die Einreden und Einwendungen der §§ 813 ff. BGB infolge von Rechtsfolgenverweisungen anwendbar sind.356 6. Konkrete Einordnung der §§ 1434, 1457 BGB Die wortgleichen §§ 1434, 1457 BGB, die eine Herausgabepflicht bei Bereicherung des Gesamtguts im Güterstand der Gütergemeinschaft regeln, verweisen auf die Vorschriften des Bereicherungsrechts. Sie erfassen jeweils verschiedene Fallgestaltungen beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts durch einen der beiden Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben. Hinsichtlich der Einordnung der Verweisung als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung findet sich zu § 1434 BGB zwar zu einer seiner denkbaren Konstellationen der Hinweis auf eine Rechtsfolgenverweisung, daneben aber entweder keine eindeutige Aussage zur Wirkungsweise in den anderen Fällen oder insoweit die Einordnung als Rechtsgrundverweisung.357 § 1457 BGB wird hingegen übereinstimmend als Rechtsfolgenverweisung eingeordnet.358 Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht ist in den §§ 1434, 1457 BGB strukturell in vergleichbarer Hinsicht ausgestaltet wie in den bisher betrach355 Für
eine Einordnung als spezielle Kondiktion Beuthien, FS Söllner, S. 125, 130; Coester-Waltjen, Jura 1990, 608, 610; Henssler, JuS 1991, 924, 927, 928; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 659; Schildt, JuS 1995, 953, 958. Dagegen Staudinger/Bergmann, BGB, § 684 Rn. 3. 356 Zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften infolge von § 684 S. 1 BGB und Rechtsfolgenverweisungen im Allgemeinen siehe in diesem Kap. § 4 VIII. 357 Die ausdrückliche Einordnung als Rechtsfolgenverweisung ist bei BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 2; Staudinger/Thiele, BGB, § 1434 Rn. 6 (die Verweisung sei „insoweit“ eine Rechtsfolgenverweisung) auf einen der Anwendungsfälle beschränkt, ohne dass die anderen Fälle als Rechtsgrundverweisung bezeichnet werden. Eine ausdrückl. Unterscheidung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung in den verschiedenen Fällen findet sich dagegen bei NK‑BGB/Völker, § 1434 Rn. 4. 358 BeckOK BGB/Siede, § 1457 Rn. 2; Behmer, FamRZ 1988, 339, 345; NK‑BGB/ Völker, § 1457 Rn. 2; Soergel/Gaul/Althammer, BGB, § 1457 Rn. 3.
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teten Verweisungen, soweit sie sich auf die Herausgabepflicht bezieht. Dies spricht dafür, dass es sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung handelt. Der These ist im Folgenden nachzugehen (siehe unter b), c)). Daneben verwenden die §§ 1434, 1457 BGB den Begriff „bereichert“ im Tatbestand. Dies ist gegenüber den Vorgehensweisen der anderen Verweisungen ungewöhnlich. Darin könnte eine weitere Verweisung auf das Bereicherungsrecht liegen (siehe dazu sogleich unter a)). a) Inhalt des Bereicherungsbegriffs Da der Bereicherungsbegriff den Tatbestand der Vorschriften bestimmt, könnte darin eine Rechtsgrundverweisung auf die §§ 812–817 BGB liegen. Der Begriff „bereichert“ findet sich in den §§ 812–817 BGB nicht, sondern wird im Bereicherungsrecht erstmals in § 818 Abs. 3 BGB relevant.359 Eine Verweisung auf die §§ 812–817 BGB wäre in den §§ 1434, 1457 BGB demnach wenig hilfreich, um das Erfordernis der Bereicherung zu konkretisieren. Eine etwaige dem Begriff „bereichert“ immanente Verweisung der §§ 1434, 1457 BGB könnte sich alternativ auf § 818 Abs. 3 BGB und die mit ihm zusammenhängenden Vorschriften beziehen. Im Zuge einer konstitutiven Verweisung auf diese Regelungen würde deren Inhalt in die §§ 1434, 1457 BGB inkorporiert.360 Mit einer konstitutiven Verweisung bezweckt der Gesetzgeber unter anderem eine Ergänzung der Verweisungsvorschrift durch das Verweisungsobjekt. § 818 Abs. 3 BGB kann die §§ 1434, 1457 BGB indes nicht um eine Definition des Bereicherungsbegriffs ergänzen, da er selbst voraussetzt, dass eine Bereicherung vorgelegen haben und entfallen sein muss. Nach § 818 Abs. 3 BGB könnte allenfalls der Umfang einer Bereicherung bestimmt werden, wenn zusätzlich die weiteren Regelungen der §§ 818 ff. BGB Anwendung fänden. Dies wird jedoch, wie zu zeigen ist, in den §§ 1434, 1457 BGB bereits durch die weitere Verweisung auf das Bereicherungsrecht erreicht. Der Begriff „bereichert“ dient im Tatbestand dieser Vorschriften vielmehr ausschließlich dazu, den primären Bereicherungsgegenstand zu ermitteln. Wenn unterschiedliche Vorschriften denselben Begriff verwenden, muss hierin keineswegs stets eine Verweisung liegen. Diese Regelungen können vielmehr ebenso gut schlicht ein einheitliches Begriffsverständnis haben oder die Begriffe können sogar unterschiedlich besetzt sein. Der klassische Fall der Verweisung durch das Verwenden einer bestimm359 Zur Verortung des Bereicherungsbegriffs in den Vorschriften des Bereicherungsrechts z. B. Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 311 ff.; Larenz, FS v. Caemmerer, S. 209, 212 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 254 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff. 360 Zur inkorporierenden Wirkung konstitutiver Verweisungen siehe Kap. 1, § 1 II. 2.
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ten Formulierung ist eine Verweisung auf Definitionsnormen.361 Wenn § 929 S. 1 BGB beispielsweise den Begriff der „Sache“ verwendet, liegt hierin eine konkludente, deklaratorische Verweisung auf § 90 BGB. § 929 S. 1 BGB begründet hingegen nicht gleichzeitig eine Verweisung auf § 946 BGB, der ebenfalls den Begriff der Sache verwendet. Letzterer verweist vielmehr seinerseits stillschweigend und in deklaratorischer Weise auf § 90 BGB. Den §§ 929 S. 1, 946 BGB liegt demnach ein einheitliches Verständnis des Begriffs der Sache zugrunde, ohne dass eine der Vorschriften auf die andere verweist. Die Verwendung eines andernorts im Gesetz befindlichen Begriffs ist demnach jedenfalls dann eine Verweisung, wenn das Verweisungsobjekt eine Legaldefinition enthält.362 In anderen Fällen ist es denkbar, aber keinesfalls zwingend. Die Struktur der §§ 1434, 1457 BGB spricht, wie gesehen, gegen eine Einordnung als Verweisung. Es ist allerdings naheliegend, den Bereicherungsbegriff in Anlehnung an die Grundsätze des Bereicherungsrechts zu bestimmen, da die §§ 1434, 1457 BGB schon der Überschrift nach Fälle der „ungerechtfertigten Bereicherung des Gesamtguts“ regeln und dadurch ihre Parallele zum Bereicherungsrecht zum Ausdruck bringen.363 Ob eine Bereicherung des Gesamtguts vorliegt, wird in den §§ 1457, 1434 BGB herkömmlicher Weise auch tatsächlich unter ausdrücklichem Rückgriff auf die Grundsätze des Bereicherungsrechts bestimmt.364 Eine Berei361 Siehe dazu auch das Beispiel der Wendung „nicht in gutem Glauben“ unter Kap. 1, § 2 I. 362 Die Legaldefinitionen können dabei auch bereits als Vorschriften des Allgemeinen Teils von sich aus anwendbar sein. Dies ist z. B. bei § 90 BGB der Fall. Zum Verhältnis von Verweisung und allgemeinem Teil siehe oben Kap. 1, § 3 III. 1. Es gibt aber auch Legaldefinitionen, die sich weder im Allgemeinen Teil des BGB noch im allgemeinen Teil eines der anderen Bücher des BGB befinden, auf die aber durch andere Vorschriften verwiesen wird. So enthält z. B. § 925 Abs. 1 S. 1 BGB eine Legaldefinition der Auflassung. § 925 BGB steht im Titel 2 des Abschnitts 3 des dritten Buchs (Eigentum) des BGB, der den Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken regelt. In § 873 Abs. 1 BGB findet sich durch die Verwendung des Begriffs der Einigung über den Eigentumsübergang an einem Grundstück eine Verweisung auf die in § 925 Abs. 1 S. 1 BGB befindliche Legaldefinition dieser Form der Einigung. § 873 BGB steht im zweiten Abschnitt des dritten Buchs (Eigentum) des BGB, der allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken regelt. Die Verweisung erfolgt daher aus einem allgemeinen Teil der Vorschriften über Grundstücke auf den spezielleren Teil des Erwerbs und Verlusts des Eigentums an Grundstücken. Es handelt sich mithin um eine Verweisung aus einem allgemeinen in einen speziellen Teil des Grundstücksrechts. § 925 Abs. 1 S. 1 BGB gilt aber dennoch bereits von sich aus für § 873 BGB, da er selbst ausdrücklich seine Geltung für § 873 BGB anordnet. 363 Jaeger, ZJS 2013, 327, 331 sieht in dem ähnlichen Fall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eine „terminologische Bezugnahme auf den Bereicherungsbegriff“. 364 BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 2; Staudinger/Thiele, BGB § 1434 Rn. 4. Wohl auch Dölle, Familienrecht, § 71 I. 3., wenn er die Bereicherung mit „(die §§ 818 f. BGB)“ beschreibt.
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cherung liege in allem, was das Gesamtgut erlangt habe.365 Es ist von einem „Vermögenszuwachs“ sowie einer „Vermögensmehrung“ die Rede.366 Für die möglichen Gegenstände einer Bereicherung wird auf § 812 BGB hingewiesen.367 Ob eine Bereicherung vorliegt, wird im Bereicherungsrecht dagegen im Rahmen der §§ 818 ff. BGB nach wirtschaftlichen Maßstäben bestimmt.368 Im Wesentlichen erfolgt eine vergleichende Betrachtung der ursprünglichen Vermögenslage mit der zum Zeitpunkt der Herausgabepflicht, wobei das Aktivvermögen die Passivposten übersteigen muss, damit eine Bereicherung vorliegt.369 Im Bereicherungsrecht wird die primäre Herausgabeverpflichtung allerdings durch das Erlangte bestimmt, sodass im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB davon lediglich noch etwaige Abzüge gemacht werden, um zu ermitteln, ob noch eine Bereicherung vorhanden ist.370 Obwohl die §§ 1434, 1457 BGB auf tatbestandlicher Ebene verlangen, das Gesamtgut müsse bereichert sein, ist das Vorgehen bei ihnen mit dem des Bereicherungsrechts vergleichbar. Der primäre Bereicherungsgegenstand wird in den §§ 1434, 1457 BGB in Anlehnung an die Voraussetzungen der Leistungskondiktion – „etwas erlangt“ und „durch Leistung“ – bestimmt.371 Auf die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB wird dadurch jedoch nicht Bezug genommen, da die §§ 1434, 1457 BGB, wie zu zeigen ist, selbst die Tatbestandsvoraussetzungen einer Leistungskondiktion vorgeben.372 Der Inhalt des Bereicherungsbegriffs wird daher eher aufgrund dieser Vorgaben bestimmt als anhand derer des Bereicherungsrechts. Die §§ 1434, 1457 BGB beziehen sich auf ein bestimmtes vorangegangenes Rechtsgeschäft – aus diesem muss sich die Bereicherung im Sinne eines erlangten Etwas ergeben. Dies entspricht den Voraussetzungen der Leistungskondiktion. Auf tatbestandlicher Ebene wird daher noch nicht ermittelt, ob das Gesamtgut auf diese Weise endgültig gemehrt ist oder etwaige vermögensmindernde Posten vielmehr noch in Abzug gebracht werden kön spekte nen. Wertungswidersprüche entstehen daraus nicht, weil ebendiese A 365 BeckOK
BGB/Siede, § 1457 Rn. 1; MünchKommBGB/Kanzleiter, § 1434 Rn. 1, § 1457 Rn. 1. 366 Staudinger/Thiele, BGB, § 1457 Rn. 2. 367 Staudinger/Thiele, BGB, § 1434 Rn. 4. 368 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 32; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 41. 369 Palandt/Sprau, BGB, § 818 Rn. 28. 370 MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 40 ff. 371 Das erlangte Etwas ist nicht mit dem Begriff der Bereicherung gleichzusetzen: v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 368; Jaeger, ZJS 2013, 327; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 254 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff.; Staudinger/Kaiser, BGB Vorbem. zu §§ 346–354 Rn. 28; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 1. A. A. Flume, FS BGH, Bd. 1, S. 525, 528 ff.; ders., GS Knobbe-Keuk, S. 111 ff. 372 Siehe dazu sogleich unter b).
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im Rahmen der auf die Herausgabepflicht bezogenen Verweisung berücksichtigt werden. Die §§ 1434, 1457 BGB verweisen daher auf tatbestandlicher Ebene nicht auf das Bereicherungsrecht, indem sie den Begriff „bereichert“ verwenden. Eine Verweisung erfolgt in diesen Vorschriften ausschließlich durch die Vorgabe, die Bereicherung sei „nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung aus dem Gesamtgut herauszugeben“. b) Rechtsgrundverweisung Die §§ 1434, 1457 BGB tragen der Situation Rechnung, dass in einer Gütergemeinschaft ein Ehegatte ein Rechtsgeschäft vornimmt, durch das das Gesamtgut bereichert wird, obwohl der handelnde Ehegatte ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten das Rechtsgeschäft nicht wirksam zulasten des Gesamtguts vornehmen durfte. Dabei sind verschiedene Fallgestaltungen denkbar. Zunächst kann nur einer der Ehegatten verwaltungsberechtigt sein (§ 1422 BGB). Ist dies der Fall, kann das Gesamtgut aus zwei Gründen ungerechtfertigt bereichert sein und dem dadurch Belasteten gemäß § 1434 BGB ein Herausgabeanspruch zustehen: Die Voraussetzungen des § 1434 können entweder vorliegen, weil der nicht verwaltungsberechtigte Ehegatte ein Rechtsgeschäft vornimmt oder weil der Verwalter ein Rechtsgeschäft vornimmt, zu dem er nach den §§ 1423–1425 BGB ausnahmsweise die Zustimmung des anderen Ehegatten hätte einholen müssen, dies aber unterlassen hat. In ersterem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Herausgabepflicht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB nicht vor, da ein Rechtsgrund für die Leistung des Dritten gegeben ist. Der nicht verwaltungsberechtigte Ehegatte kann nämlich wirksam Verpflichtungsgeschäfte eingehen. Damit liegt mit dem jeweiligen Verpflichtungsgeschäft ein Rechtsgrund für die Leistung des Dritten vor. Dass das Rechtsgeschäft nicht gegen das Gesamtgut wirkt, wenn der Verwalter nicht zugestimmt hat, hindert dessen Wirksamkeit nicht.373 Daher wäre der Erwerb ohne die Anordnung in § 1434 BGB kondiktionsfest und die Verweisung auf das Bereicherungsrecht ist somit nicht lediglich deklaratorischer Natur. Schließt dagegen der an sich allein verwaltungsberechtigte Ehegatte ein Rechtsgeschäft ab, kann hierfür gemäß den §§ 1423–1425 BGB ausnahmsweise die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich sein. Fehlt diese, kann der Verwalter ebenfalls ein wirksames Rechtsgeschäft abschließen, dies wirkt aber nur für und gegen ihn persönlich. Der Dritte leistet daher nicht an das Gesamtgut, sondern an den Verwalter. Es liegt mithin keine Leistung im Verhältnis des Dritten zum Gesamtgut vor. Dass das Gesamtgut dennoch bereichert ist, beruht 373 Siehe BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 2; NK‑BGB/Völker, § 1434 Rn. 2; Staudinger/Thiele, BGB, § 1434 Rn. 6.
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auf der Anordnung in § 1416 BGB.374 Da an dieses nicht geleistet wurde und auch kein Erwerb aufgrund eines Eingriffs in ein fremdes Rechtsgut vorliegt, wäre der Erwerb des Gesamtguts in diesen Fällen nach den §§ 812 ff. BGB kondiktionsfest, wenn § 1434 BGB nicht die Herausgabepflicht anordnete. Dadurch wird die Verweisung konstitutiv. § 1457 BGB liegt eine gemeinschaftliche Verwaltung des Gesamtguts (§ 1450 BGB) zugrunde. In deren Rahmen kann sich der Fall ereignen, dass ein Ehegatte entgegen den Vorgaben des § 1450 BGB ein Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Zustimmung des anderen Ehegatten vornimmt. Das Rechtsgeschäft ist, wie auch in den Fällen des § 1434 BGB, in der Regel wirksam.375 Es verpflichtet aber ausschließlich den handelnden Ehegatten und nicht zugleich das Gesamtgut. Wenn eine Sache, die aufgrund des Rechtsgeschäfts mit dem allein handelnden Ehegatten an diesen geleistet wurde, aufgrund des § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB dem Gesamtgut zufließt, ist dieses bereichert, obwohl keine Leistung an das Gesamtgut vorliegt. Auch hier fehlt es daher an einer Voraussetzung der Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB. Die Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen erfolgt aufgrund der dadurch konstitutiv wirkenden Vorgabe in § 1457 BGB. Die Voraussetzungen einer Leistungskondiktion gemäß § 812 BGB liegen in den Fällen der §§ 1434, 1457 BGB demnach nicht sämtlich vor. § 812 BGB könnte deren Tatbestände dem Grunde nach daher jeweils um mindestens eine weitere Voraussetzung ergänzen. Die Tatbestände der §§ 1434, 1457 BGB sind jedoch so ausgestaltet, dass sie die Voraussetzungen, die erforderlich sind, um eine Herausgabepflicht zu begründen, bereits selbst anordnen. Eine Ergänzung durch die über die §§ 1434, 1457 BGB hinausgehenden Voraussetzungen des § 812 BGB wäre nicht sinnvoll, weil diese Voraussetzungen in den Fällen der §§ 1434, 1457 BGB gerade nicht gegeben sind. Der Anspruch auf Herausgabe nach den §§ 1434, 1457 BGB wäre demnach stets ausgeschlossen, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB vorliegen müssten. Die weiteren Tatbestandsmerkmale der Leistungskondiktion liegen in den Fällen der §§ 1434, 1457 BGB hingegen ohnehin vor, sodass es einer Verweisung hierauf nicht bedarf. Das einzige ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmal – das der Bereicherung – ist in den §§ 812–817 BGB dagegen ebenfalls nicht bestimmt, da dieses im Bereicherungsrecht erstmals in § 818 Abs. 3 BGB genannt ist.376 374 Siehe zu dieser Konstellation insgesamt BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 2; NK‑BGB/Völker, § 1434 Rn. 2; Staudinger/Thiele, BGB, § 1434 Rn. 5. 375 NK‑BGB/Völker, § 1457 Rn. 1. 376 Zur Verortung des Bereicherungsbegriffs in den Vorschriften des Bereicherungsrechts z. B. Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 311 ff.; Larenz, FS v. Caemmerer, S. 209,
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Eine Rechtsgrundverweisung auf die Nichtleistungskondiktion widerspräche dem insoweit eindeutigen Wortsinn der §§ 1434, 1457 BGB, die ausschließlich Bereicherungen „durch Rechtsgeschäft“ erfassen. Ihnen muss somit eine Leistungsbeziehung zugrunde liegen.377 Eine weitere Ergänzung durch eine Rechtsgrundverweisung auf das Recht der Nichtleistungskondiktion ist nicht erforderlich, da diese neben den §§ 1434, 1457 BGB anwendbar bleibt und hierfür auch Anwendungsfälle denkbar sind, zum Beispiel im Fall des gesetzlichen Eigentumserwerbs.378 Der Aufbau der Tatbestände der §§ 1434, 1457 BGB spricht demnach gegen deren Charakter als konstitutive Rechtsgrundverweisungen. c) Rechtsfolgenverweisung Die §§ 1434, 1457 BGB enthalten unstreitig Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Nachdem gezeigt werden konnte, dass der Tatbestand dieser Vorschriften zur Begründung der von ihm jeweils selbst vorgegebenen Grund-Rechtsfolge vollständig ist, handelt es sich hierbei um konstitutive Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. Insbesondere wirkt die Verweisung in § 1434 BGB nicht in verschiedenen Fallgestaltungen unterschiedlich379, sondern einheitlich als Rechtsfolgenverweisung. § 1434 BGB begründet für beide von ihm vorgesehenen Fälle vollständige Tatbestandsvoraussetzungen.380 Als konstitutive Rechtsfolgenverweisungen sind die §§ 1434, 1457 BGB Anspruchsgrundlagen.381 Die tatbestandliche Struktur der Vorschriften spricht ferner dafür, in ihnen spezielle, eigenständige Kondiktionstatbestände zu sehen.382 Sie enthalten zunächst einige Tatbestandsmerkmale, die sich mit denen der Kondiktionen des § 812 BGB decken. Außerdem regeln sie ausdrücklich Fälle einer ungerechtfertigten Bereicherung – sie begründen ein unberechtigtes Haben für Fälle, in denen die Bereicherungs212 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 254 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff. 377 Siehe NK‑BGB/Völker, § 1434 Rn. 3; Staudinger/Thiele, BGB, § 1434 Rn. 4 (verlangt aber nicht, dass die Bereicherung durch das Rechtsgeschäft bewirkt wurde). 378 Erman/Heinemann, BGB, § 1434 Rn. 3; Soergel/Gaul/Althammer, BGB, § 1434 Rn. 3. Allg., d. h. unabhängig vom Bsp. des gesetzlichen Eigentumserwerbs, BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 2 (für die Eingriffskondiktion); MünchKommBGB/Kanzleiter, § 1434 Rn. 2. 379 So aber NK‑BGB/Völker, § 1434 Rn. 4; wohl auch Staudinger/Thiele, BGB, § 1434 Rn. 6. 380 Siehe soeben unter b). 381 Als solche ordnet NK‑BGB/Völker, § 1434 Rn. 1 zumindest § 1434 BGB ein. Zu § 1457 BGB äußert er sich nicht in dieser Deutlichkeit (§ 1457 Rn. 2). 382 Als eigenständigen Bereicherungsanspruch ordnet die §§ 1434, 1457 BGB wohl auch Rauscher, Familienrecht, Rn. 454, 458 ein.
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ansprüche der §§ 812 ff. BGB dies nicht tun, weil ein Rechtsgrund für die jeweilige Vermögensverschiebung besteht. d) Verweisungsumfang Die Rechtsfolgenverweisungen in den §§ 1434, 1457 BGB beziehen sich nach allgemeiner Einordnung jedenfalls auf die §§ 818, 819 BGB.383 Hierbei gelten die zu letzteren Vorschriften entwickelten Grundsätze.384 Hinsichtlich der verschärften Haftung gemäß den §§ 818 Abs. 4, 819 BGB gibt es im Fall des § 1457 BGB nach übereinstimmender Ansicht Einschränkungen bei Bösgläubigkeit nur eines der beiden Ehegatten.385 Hierin liegt aber keine Einschränkung im Umfang der Verweisung auf die bereicherungsrechtlichen Regelungen an sich, sondern eine notwendige Modifikation aufgrund der Situation zweier grundsätzlich verwaltungsberechtigter Personen, deren Kenntnis maßgeblich sein kann. Die §§ 820, 822 BGB finden in der Literatur soweit ersichtlich keine Erwähnung im Zusammenhang mit der Verweisung in den §§ 1434, 1457 BGB. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass ihre Anwendbarkeit ausgeschlossen ist, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Beispielsweise bestehen keine Anhaltspunkte dafür, § 822 BGB bei einer unentgeltlichen Weitergabe der Sache an einen Dritten infolge der Verweisungen nicht für anwendbar zu erachten.386 7. Konkrete Einordnung der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB Die §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB werden als Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht eingeordnet.387 Der Normtext gibt für diese Einordnung ebenso wenig Anhaltspunkte wie in den anderen Fällen der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, da die Formulierung mit den überwiegenden Verweisungen auf diesen Bereich übereinstimmt („nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben“). Für eine Einordnung als Rechtsfolgenverweisungen spricht aber in den Fällen der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB der Aufbau ihrer Tatbestände. Beide Vorschriften haben umfassende Tatbestandsvorausset383 BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 3; Behmer, FamRZ 1988, 339, 345; MünchKommBGB/Kanzleiter, § 1434 Rn. 3; NK‑BGB/Völker, § 1457 Rn. 2; Soergel/Gaul/Althammer, BGB, § 1434 Rn. 3, § 1457 Rn. 3. 384 Z. B. für § 819 BGB MünchKommBGB/Kanzleiter, § 1434 Rn. 3. 385 BeckOK BGB/Siede, § 1457 Rn. 2; Behmer, FamRZ 1988, 339, 345; Erman/Heinemann, BGB, § 1457 Rn. 1; NK‑BGB/Völker, § 1457 Rn. 2; Soergel/Gaul/Althammer, BGB, § 1457 Rn. 3. 386 Zum Umfang von Rechtsfolgenverweisungen im Allgemeinen unter § 4. 387 Für § 988 BGB Erman/Ebbing, BGB, § 988 Rn. 9; Reischl, JR 1999, 25; Roth, JuS 1997, 897, 899; Soergel/Stadler, BGB, § 988 Rn. 2, 8; Staudinger/Gursky, BGB, § 988 Rn. 13. Für § 993 BGB Erman/Ebbing, BGB, § 993 Rn. 7; Roth, JuS 1997, 897, 901; Soergel/Stadler, BGB, § 993 Rn. 3; Staudinger/Gursky, BGB, § 993 Rn. 5.
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zungen, nach denen sich der jeweilige Anspruch begründen lässt, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Tatbestände der §§ 812 ff. BGB bedarf. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Bereicherungsrechts sind in den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB jeweils enthalten und bieten daher keine zusätzlichen Einschränkungen, die eine Verweisung erfordern könnten. Die §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB regeln zudem ausschließlich Nutzungsersatzansprüche. Gegenstand der Herausgabe ist bei § 812 Abs. 1, 2 BGB jeweils das erlangte Etwas. Die Pflicht zur Herausgabe aus diesem gezogener Nutzungen ergibt sich erst aus § 818 Abs. 1 BGB. Ein Rechtsgrundverweis auf § 812 BGB führte innerhalb der Nutzungsersatzansprüche der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB daher nur dann weiter, wenn die Nutzungen das erlangte Etwas wären, da ihre Herausgabe andernfalls ohnehin erst durch § 818 Abs. 1 BGB bestimmt würde und die Voraussetzungen des § 812 sich nicht auf die Nutzungen, sondern deren Muttersache beziehen. Wären die Nutzungen dagegen als das erlangte Etwas im Sinne des § 812 BGB anzusehen, schiede der Bereicherungsanspruch nach dieser Vorschrift zumindest in den Fällen des § 988 BGB regelmäßig aus, da der Besitzer unter Umständen gemäß § 955 Abs. 1 S. 1 BGB das Eigentum an den Früchten erwirbt und der gesetzliche Eigentumserwerb einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB darstellt.388 Damit besteht eine mit §§ 951 Abs. 1 S. 1, 816 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Situation.389 Für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB konnte bereits gezeigt werden, dass eine Rechtsgrundverweisung auf § 812 BGB nicht sachgerecht ist. Ferner ordnen die §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB mit der Pflicht zur Herausgabe der entsprechenden Nutzungen jeweils ihre Grund-Rechtsfolge eigenständig an. Während der Tatbestand dieser Regelungen umfassend ausgestaltet ist, fehlt es an Regelungen über den Umfang der Herausgabepflicht. In der Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht liegt daher in beiden Vorschriften keine konstitutive Rechtsgrundverweisung. Der Bedarf, die Rechtsfolgen näher auszugestalten, spricht eher für das Vorliegen einer Rechtsfolgenverweisung, die dieses Bedürfnis erfüllen kann. Da die Tatbestandsvoraussetzungen eines Kondiktionstatbestands der §§ 812 ff. BGB jedoch in den Fällen der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB in der Regel ebenfalls vorliegen, ist fraglich, ob es sich nicht um deklaratorische Rechtsgrundverweisungen auf das Bereicherungsrecht handelt und es einer konstitutiven 388
Siehe dazu ausführl. oben in diesem Paragrafen unter II. 1. a) aa). MünchKommBGB/Raff, § 988 Rn. 1 f. Jeweils für § 816 Abs. 1 S. 2 BGB NK‑BGB/Schanbacher, § 988 Rn. 2; Roth, JuS 1997, 897, 899; Staudinger/Gursky, BGB, § 988 Rn. 2 (allerdings differenzierend). Der Gesetzgeber hat auch bereits eine einheitliche Linie gesehen: Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 349 f. 389 Siehe
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Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 812 ff. BGB bereits aus diesem Grund nicht bedarf. a) § 988 BGB § 988 BGB ordnet im Fall des unentgeltlichen Besitzerwerbs eines Besitzers, der sich einer Vindikationslage ausgesetzt sieht, eine Pflicht zur Herausgabe der vor Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen an. In diesem Fall werden regelmäßig zugleich die Voraussetzungen eines Kondiktionstatbestandes des § 812 BGB vorliegen. Dies spricht für den Charakter der Verweisung als deklaratorische Rechtsgrundverweisung, da eine solche regelmäßig vorliegt, wenn in der Normsituation, die die Verweisungsvorschrift vorsieht, bereits originär die Voraussetzungen zumindest einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage vorliegen.390 Eine konstitutive Verweisung kann in diesen Fällen allerdings dennoch vorliegen, wenn die Verweisungsvorschrift beispielweise eine lex specialis begründet. Dies ist bei § 988 BGB aus verschiedenen Gründen der Fall. Zunächst ist der Tatbestand des § 988 BGB gegenüber denen des § 812 BGB speziell. Er ordnet, anders als der insoweit allgemein gehaltene § 812 BGB, lediglich für bestimmte Fälle, nämlich solche des unentgeltlichen Besitzes, eine Herausgabepflicht an, obwohl auch bei einer entgeltlichen Besitzerlangung die Voraussetzungen einer der Varianten des § 812 BGB vorliegen können. Damit beschränkt § 988 BGB den Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob er für die Fälle des entgeltlich aber rechtsgrundlos erlangten Besitzes entsprechende Anwendung finden soll.391 Die Diskussion um diese Problematik verdeutlicht vielmehr die tatbestandliche Enge des § 988 BGB, da Ausgangspunkt des Streits gerade diese Beschränkung der Herausgabepflicht auf den unentgeltlichen Besitzer ist, die zu einer Benachteiligung des entgeltlich aber rechtsgrundlos Besitzenden führt. Ferner eröffnet § 988 BGB für die von ihm geregelten Fälle überhaupt erst die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts, dessen Voraussetzungen zwar grundsätzlich vorliegen, das aber aufgrund der Anordnung in § 993 Abs. 1 2. HS BGB dennoch unanwendbar ist. Um den redlichen Besitzer zu schützen, schließt § 993 Abs. 1 2. HS BGB bei Vorliegen einer Vindikationslage unter anderem Nutzungsersatzansprüche gegen diesen aus. § 988 BGB hat insoweit die Funktion, diese Sperrwirkung hinsichtlich des Bereicherungs390 Siehe 391 Siehe
dazu Kap. 1, § 2 II. dazu BGH vom 22.6.2007 – V ZR 136/06 (KG), NJW 2008, 221, 222 (Rn. 11 f.); BGH vom 25.2.1960 – II ZR 125/58, NJW 1960, 1105, 1107; sowie die umfangreichen Darstellungen bei Brehm/Berger, Sachenrecht, § 8 Rn. 30 ff.; MünchKommBGB/ Raff, § 988 Rn. 6 ff.; Soergel/Stadler, BGB, Vor § 987 Rn. 27 f.; Staudinger/Gursky, BGB, § 988 Rn. 10 f.
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rechts außer Kraft zu setzen. Dies soll jedoch nicht vollumfänglich, sondern ausschließlich für die in § 988 BGB normierten Fälle geschehen. § 988 BGB ist demnach ein spezieller Kondiktionstatbestand,392 der der Sperrwirkung des § 993 Abs. 1 2. HS BGB nicht unterfällt. Auf diese Weise dehnt die Vorschrift den originären Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts aus, da dessen Anwendungsbereich sich aufgrund der Sperrwirkung nicht auf Ansprüche gegen den gutgläubigen, unverklagten Besitzer erstreckt, soweit die Voraussetzungen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses vorliegen. Die Verweisung hat daher geltungserweiternde Wirkung hinsichtlich des Bereicherungsrechts. Die tatbestandliche Regelung des Nutzungsersatzanspruchs erfolgt in § 988 BGB selbst.393 b) § 993 Abs. 1 1. HS BGB § 993 BGB hat eine mit der des § 988 BGB vergleichbare Funktion, da er ebenfalls für einen speziellen Fall den Anwendungsbereich des bereicherungsrechtlichen Nutzungsersatzes im Rahmen des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses eröffnet und mit der Grundregel des § 993 Abs. 1 2. HS BGB nur die darüber hinausgehenden Fälle sperrt. Hinsichtlich der Verweisung auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts wird § 993 Abs. 1 1. HS BGB regelmäßig als § 988 BGB entsprechend angesehen.394 § 993 Abs. 1 1. HS BGB regelt mit seinen ausführlichen Tatbestandsvoraussetzungen einen speziellen Bereicherungsanspruch in Form eines Nutzungsherausgabeanspruchs für sogenannte Übermaßfrüchte. Diese wären nach den §§ 812, 818 Abs. 1 BGB vom Umfang der Nutzungsherausgabepflicht umfasst, wenn das Bereicherungsrecht nicht im Anwendungsbereich des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses hinsichtlich des Nutzungsersatzes gesperrt wäre. Die Verweisung ist aus diesem Grund nicht lediglich deklaratorischer Natur. § 993 Abs. 1 1. HS BGB statuiert einen speziellen Nutzungsherausgabeanspruch, auf dessen Rechtsfolgen die Regelungen des Bereicherungsrechts Anwendung finden.395 Die Vorschrift wird daher zutreffend als Anspruchsgrundlage eingeordnet.396 Der Anwendungsbereich der bereicherungsrechtlichen Regelungen wird mithin über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hi392 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 595 f. sehen hierin einen Spezialfall der Abschöpfungskondiktion. 393 NK‑BGB/Schanbacher, § 988 Rn. 1 bezeichnet § 988 BGB als besonderen Tatbestand der Eingriffskondiktion. 394 BeckOGK/Spohnheimer, § 993 BGB Rn. 14 (Entsprechung auf Rechtsfolgenseite); Roth, JuS 1997, 897, 901; Staudinger/Gursky, BGB, § 993 Rn. 5. 395 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 595 f. sehen einen Spezialfall der Abschöpfungskondiktion, Soergel/Stadler, BGB, § 993 Rn. 3 bezeichnet § 993 Abs. 1 1. HS BGB als „Sonderform der Eingriffskondiktion“. 396 Erman/Ebbing, BGB, § 993 Rn. 2.
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naus auf den speziellen Herausgabeanspruch des § 993 Abs. 1 1. HS BGB ausgedehnt. c) Umfang der Verweisungen Hinsichtlich des Umfangs der Verweisung bestehen in den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB keine Anhaltspunkte dafür, dass die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB eingeschränkt sein könnte.397 Dies schließt freilich etwaige Korrekturen, wie sie sich im Rahmen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungen häufig finden, im Einzelfall nicht aus.398 Die Pflicht zur ergänzenden Nutzungsherausgabe gemäß § 818 Abs. 1 BGB läuft infolge der Verweisungen leer, da die Nutzungen bereits der primäre Bereicherungsgegenstand sind.399 Für die verschärfte Haftung gemäß den §§ 818 Abs. 4, 819 BGB verbleibt in den Fällen des § 988 BGB ein geringer Anwendungsbereich, da bei Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit ohnehin eine Haftung des Besitzers nach den §§ 987, 989, 990 BGB besteht, nach denen er ebenfalls zur Nutzungsherausgabe verpflichtet ist.400 Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Anknüpfungspunkte der §§ 987, 989, 990 BGB und der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB mit der Sache einerseits und den Nutzungen andererseits unterschiedliche sind. Die Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit wird sich in der Praxis aber regelmäßig sowohl auf das Besitzrecht hinsichtlich der Sache als auch auf die Nutzungsziehung hieraus beziehen, so dass insofern in einer Vielzahl der Fälle ein Gleichlauf bestehen wird.401 Die Privilegierung des Haftenden gemäß § 818 Abs. 3 BGB hat in den Fällen der §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB entscheidendes Gewicht. Die trotz der Anordnung des § 993 Abs. 1 2. HS BGB an sich fehlende Haftung des redlichen Besitzers wird zugunsten des Eigentümers in den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB durchbrochen.402 Der Entreicherungseinwand verbleibt in diesem Fall als Schutz für den gutgläubigen, unverklagten Besitzer.403 397 Der Hinweis, die Herausgabe richte sich nach den §§ 812 ff. (Erman/Ebbing, BGB, § 993 Rn. 5), findet sich zu § 993 BGB ebenso wie für andere Rechtsfolgenverweisungen. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Sammelbezeichnung der bereicherungsrechtlichen Vorschriften handelt, ohne dass hiermit konkrete Aussagen über die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften getroffen werden sollen (siehe die Ausführungen bei Erman/Ebbing, BGB, § 993 Rn. 7 kurz danach). 398 Ausführl. zum Umfang der Herausgabe mit Erläuterungen zahlreicher Einzelfälle Staudinger/Gursky, BGB, § 988 Rn. 13 ff. 399 Soergel/Stadler, BGB, § 988 Rn. 8 (Fn. 33). 400 Soergel/Stadler, BGB, § 988 Rn. 8. 401 Vgl. die Einschätzung von MünchKommBGB/Raff, § 988 Rn. 17. 402 Den Schutz des Eigentümers betont insoweit auch der BGH vom 12.12.1997 – V ZR 81/97, NJW 1998, 989, 990 unter Bezugnahme auf die Protokolle zum BGB, Bd. 3, S. 349 f. 403 Zur Schutzmöglichkeit des bereicherten Besitzers durch den Einwand der Entreicherung siehe ausführl. Wieling, AcP 169 (1969), S. 137, 145 ff.
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Dies ist eine für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht typische Vorgehensweise. d) Fazit zu den Verweisungen in den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB Bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht in den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB handelt es sich um Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. Beide Vorschriften enthalten spezielle Herausgabeansprüche, die sich ihrem Umfang nach am bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungssystem orientieren. Die Verweisungen sind konstitutiver Natur und beziehen sich zumindest auf die §§ 818, 819 Abs. 1, 822 BGB. 8. Konkrete Einordnung der Verweisung in § 1301 S. 1 BGB Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 1301 S. 1 BGB wird überwiegend als Rechtsfolgenverweisung eingeordnet.404 Die Vorschrift, nach der Geschenke unter Verlobten beim Unterbleiben der Eheschließung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangt werden können, wird einerseits dem Bereicherungsrecht und andererseits dem Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zugeordnet.405 a) Art der Verweisung § 1301 S. 1 BGB als Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht einzuordnen, entspricht insgesamt der Systematik dieser Vorschrift. Zunächst liegt hierin keine rein deklaratorische Verweisung auf das Bereicherungsrecht, da, wie im Folgenden erläutert wird, nicht stets einer der Tatbestände des § 812 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn jemand Geschenke aus der Zeit eines Verlöbnisses nach Lösung ebendieses Verlöbnisses zurückfordert (sogleich unter aa)). Als konstitutive Verweisung kann sich die Ver404 BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 34; Dethloff, Familienrecht, § 2 Rn. 16; Erbarth, FPR 2011, 89, 94; Fuge, ZFE 2004, 270, 271; Göppinger, JuS 1968, 405; MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 1, 5; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 13; Rauscher, Familienrecht, Rn. 132; Röthel, Jura 2006, 641, 642; Rupp, RabelsZ 83, S. 154, 165; Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 10; Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 14. Abw. Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 8 Rn. 55 („keine reine Rechtsfolgenverweisung“). 405 Bereicherungsrechtliches Verständnis bei BGH vom 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411, 1412; BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 265; Fenn, FamRZ 1975, 41, 42; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 8 Rn. 55; Göppinger, JuS 1968, 405; Knütel, FS Jayme, Bd. 2, S. 1487, 1498; MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 1; Neumann-Duesberg, MDR 1968, 639; Sternberg, ArchBürgR 39 (1913), S. 242, 243, 244. Einen Fall des WGG nehmen an Erbarth, FPR 2011, 89, 93; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 2. Keine der beiden Varianten, sondern einen Anspruch sui generis sehen in § 1301 S. 1 BGB: Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1; Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 1.
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weisung sodann als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung darstellen (dazu unter bb)). aa) Deklaratorische Verweisung Die Tatbestände des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB setzen zunächst unabhängig von der jeweils einschlägigen Variante einen fehlenden Rechtsgrund voraus. Der Rechtsgrund der Schenkung liegt bei den von § 1301 S. 1 BGB erfassten Schenkungen in dem ihnen jeweils zugrunde liegenden Schenkungsvertrag. Dieser Vertrag verliert seine Wirksamkeit nicht durch die Beendigung des Verlöbnisses und bildet damit regelmäßig auch nach dem Beendigungszeitpunkt den Rechtsgrund für die Leistung. Dies ist zugleich der Grund dafür, dass die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB in den Fällen des § 1301 S. 1 BGB in der Regel ebenfalls nicht vorliegen, da der Schenkungsvertrag als Rechtsgrund für die Leistung nicht später weggefallen ist. Es bliebe daher lediglich der Tatbestand der Zweckverfehlungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB, der seinem originären Anwendungsbereich nach einschlägig sein könnte. § 1301 S. 1 BGB sollte nach dem ersten Entwurf des BGB zunächst ein Anwendungsfall der condictio ob rem sein.406 Hierfür wurde die Vorschrift des § 1229 des Ersten Entwurfs (der heutige § 1301 BGB) so ausgestaltet, dass ihre Voraussetzungen diejenigen der condictio ob rem desselben Entwurfs (dort § 742) ausfüllten.407 Eine Verweisung auf die condictio ob rem im Speziellen oder auf das Bereicherungsrecht im Allgemeinen enthielt § 1229 des Ersten Entwurfs nicht. Mit der wesentlichen Änderung des Bereicherungsrechts im Zuge der Beratungen des BGB wurde sodann die Notwendigkeit gesehen, § 1229 des Entwurfs anzupassen.408 Infolgedessen wurde in den heutigen § 1301 S. 1 BGB die Verweisung auf das Bereicherungsrecht aufgenommen. In den Protokollen zum BGB ist zum Bezugspunkt dieser Verweisung ausgeführt, es bleibe der Rechtsprechung überlassen, „die im Fall des § 1229 anwendbaren Vorschriften zu finden“.409 Der Gesetzgeber wollte sich daher weder auf eine bestimmte in Bezug genommene Kondiktionsart noch auf einen näher bestimmten Umfang der Verweisung festlegen. In den Beratungen zu dieser Vorschrift wurde allerdings sowohl die Ansicht vertreten, es handele sich um einen Fall der condictio ob causam finitam als auch die, es liege eine Kondiktionsart sui generis vor, da weder eine condictio ob causam finitam noch eine condictio ob rem gegeben sei.410 406
Motive zum BGB, Bd. 4, S. 7.
409
Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 11. Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 11.
407 Motive zum BGB, Bd. 4, S. 7. 408 Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 10. 410
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Die Voraussetzungen einer condictio ob rem können im Einzelfall vorliegen, wenn einer der Verlobten während der Dauer des Verlöbnisses dem anderen etwas schenkt und dabei beispielweise den durch den jeweils anderen gebilligten Zweck verfolgt, die Sache im Rahmen einer künftigen Ehe gemeinsam zu nutzen oder anderweitig hiervon zu profitieren.411 Allein die allgemeine Erwartung einer späteren Eheschließung, die bei einem bestehenden Verlöbnis in aller Regel vorliegt, begründet hingegen noch keine Zweckbestimmung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB für das konkrete Rechtsgeschäft.412 Dafür müssen vielmehr darüberhinausgehende Anhaltspunkte vorliegen, die nicht in jedem Fall einer Schenkung während der Dauer eines Verlöbnisses gegeben sein werden. Um nicht stets auf eine entsprechende Zweckbestimmung oder jedenfalls ihren konkreten Nachweis im Einzelfall angewiesen zu sein, ordnet § 1301 S. 1 BGB die Herausgabepflicht unabhängig von dieser konkreten Zweckbestimmung an.413 Die Vorschrift erleichtert demnach die Voraussetzungen einer condictio ob rem und ist somit nicht rein deklaratorischer Natur. Gegen das Vorliegen einer deklaratorischen Verweisung spricht zudem die eigenständige Regelung über den Verjährungsbeginn in § 1302 BGB. Da gemäß § 194 Abs. 1 BGB ausschließlich Ansprüche der Verjährung unterliegen, muss es sich bei § 1301 S. 1 BGB um eine Anspruchsgrundlage handeln. § 1302 BGB gibt insofern ausdrücklich vor, die §§ 1298 bis 1301 BGB begründeten „Ansprüche“. Verweisungsvorschriften, die deklaratorische Verweisungen enthalten, stellen indes keine Anspruchsgrundlagen dar, da der Anspruch sich in diesen Fällen aus der jeweils von sich aus anwendbaren Anspruchsgrundlage des Bereicherungsrechts ergibt. bb) Rechtsfolgenverweisung Als konstitutive Verweisung kann § 1301 S. 1 BGB dem Grunde nach eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung enthalten. Für das Vorliegen einer Rechtsfolgenverweisung spricht zunächst, dass § 1301 S. 1 BGB eigene Tatbestandsvoraussetzungen aufstellt, nach denen die Rechtsfolge begründbar ist.414 Es ist nicht ersichtlich, dass es zur Eingrenzung des Tatbestandes, namentlich zum Schutz vor dessen Ausuferung oder zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, einer Eingrenzung durch weitere Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB im Wege einer partiellen Rechts411 Für eine entsprechende Erwartung im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als mögliche Zweckvereinbarung BGH vom 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277, 3280; Grziwotz, FamFR 2010, 145, 146. 412 Erbarth, FPR 2011, 89, 94; Füllkrug, Eheversprechen, S. 56; Neumann-Duesberg, MDR 1968, 639; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 2; Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1. 413 Siehe Erbarth, FPR 2011, 89, 94; Fenn, FamRZ 1975, 41, 42. 414 Göppinger, JuS 1968, 405; Röthel, Jura 2006, 641, 642.
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grundverweisung bedürfte. Es ist vielmehr gerade der Sinn und Zweck des § 1301 S. 1 BGB, Geschenke, die während des Verlöbnisses gemacht wurden, in umfangreicher Weise zurückfordern zu können, ohne dass es in jedem Fall einer Zweckabrede im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB bedürfte.415 § 1301 S. 1 BGB schafft einen erweiterten Tatbestand, der eine Rückforderung unter weniger strengen Voraussetzungen ermöglicht, der sich dabei jedoch auf den gleichen Grundgedanken zurückführen lässt wie die condctio ob rem.416 Es handelt sich mithin um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht. Als solche hat § 1301 S. 1 BGB den Charakter einer Anspruchsgrundlage.417 b) Rechtsnatur des Anspruchs Wenn es sich bei § 1301 S. 1 BGB um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, bedeutet dies auf der Grundlage der zu den bisher untersuchten Vorschriften gefundenen Erkenntnisse, dass die Vorschrift einen speziellen Kondiktionstatbestand enthält.418 Sie begründet nach diesem Verständnis einen bereicherungsrechtlichen Anspruch außerhalb des Bereicherungsrechts.419 Diese Annahme entspricht der Struktur der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht innerhalb des BGB und fußt unter anderem auf der Bedeutung von Rechtsfolgeregelungen für einen Anspruch. Eine bestimmte Rechtsfolge wird einem Tatbestand zugewiesen, weil der Gesetzgeber sie als passende Konsequenz aus der tatbestandlichen Regelung ansieht.420 Der Rechtscharakter der jeweiligen Vorschrift als Kondiktion ergibt sich daher nicht aus der Rechtsfolgenverweisung allein,421 sondern vielmehr aus dem Zusammenspiel aus einem Tatbestand, der eine kondiktionsähn415
Erbarth, FPR 2011, 89, 94 (unter Hinweis auf den Verzicht auf den Nachweis der Zweckbestimmung); Fenn, FamRZ 1975, 41, 42. 416 Für einen gemeinsamen Grundgedanken BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 2; Knütel, FS Jayme, Bd. 2, S. 1487, 1498 (Sonderfall der condictio ob rem); Röthel, Jura 2006, 641, 642. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 8 Rn. 55, sehen in § 1301 S. 1 BGB eine Erweiterung der Zweckverfehlungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 2 BGB. 417 In § 1301 S. 1 BGB sehen eine Anspruchsgrundlage BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 1; MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 1; Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1. 418 Siehe insoweit die Untersuchung der §§ 684 S. 1, 852 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 977, 988, 993, 1434, 1457 BGB. 419 In diese Richtung wohl auch Rupp, RabelZ 83, S. 154, 165. 420 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 87; Nierwetberg, JZ 1983, 237, 239 (der Gesetzgeber wolle durch die Zuweisung einer „gerechten“ Rechtsfolge „Lebenskonflikte“ lösen); Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 90 f. Zur Bedeutung der Rechtsfolge siehe auch Germann, Probleme und Methoden, S. 88 f.; Leenen, Typus, S. 181 (im Rahmen einer typologischen Rechtsfindung). 421 Siehe Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1 nach dem „allein die Verweisung auf
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liche Grundsituation vorgibt, und der Zuweisung der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zu diesem Tatbestand.422 Die durch die bisherige Untersuchung indizierte Annahme, Vorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht seien spezielle Kondiktionstatbestände, wird, wie zu zeigen ist, durch § 1301 S. 1 BGB bestätigt. aa) Hinweise in der Entstehungsgeschichte Die Gesetzeshistorie zu § 1301 S. 1 BGB bestätigt zunächst die Annahme, es handele sich hierbei um einen bereicherungsrechtlichen Kondiktionstatbestand. Im Verlauf der Beratungen zum BGB entwickelte sich die Vorschrift von einem Anwendungsfall der condictio ob rem hin zu einer Verweisung auf das Bereicherungsrecht, die als – wenn auch nicht näher bestimmte – Kondiktion eingeordnet wurde.423 bb) Einordnung anhand der tatbestandlichen Vorgaben Die Vorschrift des § 1301 S. 1 BGB wird von einigen Stimmen in der Literatur in die Nähe des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gerückt oder gar als Anwendungsfall dieses Rechtsphänomens angesehen.424 Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, Schenkungen an einen Verlobten oder eine Verlobte dienten nicht dem Zweck der Eheschließung, sondern erfolgten unter anderem im Vertrauen auf eine künftige Ehe.425 Die Voraussetzungen einer condictio ob rem liegen demnach nicht vor, wenn nicht im Einzelfall ein über die Eheschließung hinausgehender Zweck konkret verfolgt wird oder die Eheschließung ausdrücklich zum Zweck der Schenkung bestimmt wird. Dies ist regelmäßig wohl nicht der Fall. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1301 S. 1 BGB weichen aber ebenfalls von denen des § 313 Abs. 1 BGB ab, da dieser unter anderem voraussetzt, dass einer Partei ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist.426 Diese Einschränkung kennt § 1301 S. 1 BGB nicht, er bleibt demnach hinter den Anforderungen des § 313 Abs. 1 BGB zurück. das Bereicherungsrecht“ den „Anspruch (…) nicht zu einem besonderen (gar: eigenständigen) Bereicherungsanspruch“ macht. 422 Vgl. Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 47 f., 60 zur Bedeutung des Zusammenspiels von Tatbestand und Rechtsfolge für die „Bedeutung“ eines Rechtsbegriffs. 423 Siehe zunächst die Motive zum BGB, Bd. 4, S. 7 und sodann die Protokolle zum BGB, Bd. 4, S. 11. 424 Erbarth, FPR 2011, 89, 93; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 2; Rauscher, Familienrecht, Rn. 132. MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 1 sieht § 1301 BGB als Bereicherungsanspruch an, bezeichnet ihn in Rn. 7 indes zugleich als Konkretisierung der Lehre von der Geschäftsgrundlage. Dagegen ausdrückl. BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 265. 425 NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 2. 426 BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 3.
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Der Schluss, § 1301 S. 1 BGB sei als Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kein bereicherungsrechtlicher Anspruch, ist daher nicht zwingend, obwohl § 1301 S. 1 BGB tatbestandlich dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nahe steht. Letzteres Rechtsinstitut beruht gerade darauf, dass einem Rechtsgeschäft bestimmte Umstände zugrunde liegen, ohne dass es hierüber eine auch nur stillschweigende Einigung der Parteien gibt.427 § 1301 S. 1 BGB ermöglicht eine Rückforderung, wenn eine hiervon erfasste Schenkung nicht mit dem ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarten Zweck der Eheschließung verknüpft war. Dies entspricht eher den Anforderungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als den strengeren Anforderungen der condictio ob rem. Denn § 1301 S. 1 BGB enthält gerade Erleichterungen gegenüber § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB, wie es auch bei § 313 Abs. 1 BGB der Fall ist.428 Dennoch entspricht der Tatbestand des § 1301 S. 1 BGB seiner Struktur nach einem Kondiktionstatbestand, wie ihn § 812 BGB vorgibt. § 1301 S. 1 BGB regelt in gleicher Weise wie die Kondiktionstatbestände des Bereicherungsrechts die Situation, dass eine Partei eine Vermögensmehrung erfahren hat, die nicht dauerhaft aufrechterhalten bleiben soll. Dies hat § 1301 S. 1 BGB ebenfalls vor Augen, er erleichtert lediglich die Voraussetzungen für die Rückgewähr gegenüber § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB. Diese Vorgehensweise, eine Vermögensverschiebung nicht auf Dauer aufrechterhalten zu wollen und für die hierzu geschaffene Herausgabepflicht die tatbestandlichen Anforderungen gegenüber den Kondiktionstatbeständen des Bereicherungsrechts zu verändern, ist das Wesen einer jeden Rechtsfolgenverweisung. Denn bei gleichbleibendem Tatbestand hätte es der Verweisung auf das Bereicherungsrecht überhaupt nicht bedurft, da §§ 812 ff. BGB von sich aus anwendbar wären. Die Verweisung wäre allenfalls deklaratorischer Natur. Dass die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB in den Sachverhalten, die sich unter § 1301 S. 1 BGB subsumieren lassen, nicht vorliegen, ist demnach noch kein Grund von vornherein auszuschließen, es handele sich hierbei um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch. Im Schenkungsrecht existiert beispielsweise mit § 531 Abs. 2 BGB eine deklaratorische Verweisung auf das Bereicherungsrecht, obwohl es sich bei dem Schenkungswiderruf um einen Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage handeln soll.429 In diesem Fall liegen zugleich die Voraussetzun427 Zum
Rn. 1.
Normzweck des § 313 BGB insoweit MünchKommBGB/Finkenauer, § 313
428 Zum Verhältnis des WGG zur condictio ob rem MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 178 ff. 429 BGH 21.12.2005 – X ZR 108/03, NJW‑RR 2006, 699, 700; MünchKommBGB/ Koch, § 530 Rn. 1; Muscheler, AcP 203 (2003), S. 469, 499 (Wegfall der moralischen Geschäftsgrundlage); Staudinger/Chiusi, BGB, § 530 Rn. 1.
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gen einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage, des § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB, vor.430 Ein Anwendungsfall eines Sonderfalls des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann daher durchaus einen Kondiktionstatbestand ausfüllen, es ist nicht ersichtlich, warum er dann nicht auch einen Kondiktionstatbestand darstellen kann. Insofern ist ferner zu bedenken, dass vor der Kodifikation des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in den Fällen, in denen die Geschäftsgrundlage entfallen ist und das Rechtsgeschäft der veränderten Sachlage nicht angepasst werden konnte, der Vertrag ausnahmsweise aufgelöst wurde und die vertraglichen Leistungspflichten damit ex tunc erloschen sind.431 Nach ganz überwiegender Ansicht erfolgte die Rückabwicklung in diesen Fällen nach Bereicherungsrecht.432 Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führte demnach in den Fällen, in denen eine Rückabwicklung erforderlich war, anders als nach § 313 BGB zu den Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts. Erst durch die Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber dem Wegfall der Geschäftsgrundlage daher hinsichtlich der Abwicklung eines nicht anpassungsfähigen Vertrags rücktrittsrechtlichen Charakter zuerkannt. Die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, die dem Wegfall der Geschäftsgrundlage angehören, hat er dieser Änderung nicht angepasst. Dies spricht dafür, dass es sich hierbei um Kondiktionstatbestände handelt. cc) Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung Dass § 1301 S. 1 BGB tatbestandlich dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nahesteht, muss auch aus anderen Gründen nicht zwingend bedeuten, dass es sich nicht um einen Kondiktionstatbestand handeln kann. § 527 Abs. 1 BGB kombiniert einen Tatbestand, der sich an einem Rückabwicklungssystem orientiert, mit einer Rechtsfolgenanordnung, die ein anderes System zur Anwendung gelangen lässt: Er verweist hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen auf das Rücktrittsrecht, hinsichtlich der Rechtsfolgen aber auf das Bereicherungsrecht. § 527 Abs. 1 BGB ist, wie zu zeigen ist, ebenfalls ein Kondiktionstatbestand. Der Gesetzgeber hat mit den konstitutiven Verweisungen auf das Bereicherungsrecht spezielle Herausgabeansprüche geschaffen, das heißt, er hat die Herausgabe einer Sache oder eines sonstigen erlangten Etwas tatbestandlich an spezielle Voraussetzungen geknüpft, die über den Anwendungsbereich des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung hinausgehen oder ihn einschränken, in der Rechtsfolge aber 430 Siehe in diesem Kap. § 1 II. 431 BGH vom 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314, 315; BGH vom 5.12.1984 –
VIII ZR 277/83, NJW 1985, 796, 797. 432 BGH vom 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314, 315; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 48; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, § 242 Rn. 132; für die Gegenansicht Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl. 1990, § 242 Rn. 265.
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dennoch eine Herausgabe nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen anordnen. Die Tatbestände weichen dabei in den einzelnen Voraussetzungen zwar von denen der §§ 812, 816, 817 S. 1 BGB ab, die ihnen zugrunde liegende Ausgangssituation ist aber mit der der bereicherungsrechtlichen Tatbestände identisch. Sie beruhen jeweils auf einer irregulären Vermögensverschiebung, die nicht auf Dauer aufrechterhalten, sondern im Wege einer Abschöpfung eines bei einer Partei vorhandenen Vorteils ausgeglichen werden soll.433 Dies schließt es freilich nicht aus, dass die Tatbestände zugleich anderen Tatbeständen außerhalb des Bereicherungsrechts ähneln. Vorschriften, die zum Beispiel eine Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht anordnen, können umgekehrt tatbestandlich dennoch die Struktur von Bereicherungstatbeständen haben. Sie werden nur deshalb nicht zu Bereicherungsansprüchen, weil der Gesetzgeber ihnen eine anderweitige Rechtsfolge zuweist. Damit betont er zugleich den Charakter des Anspruchs als Ausdruck des fortbestehenden Vertrags. Das Rücktrittsrecht dient zwar ebenfalls der Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen und ist insoweit mit dem Bereicherungsrecht vergleichbar,434 die Rückabwicklung nach einem Rücktritt erfolgt aber anhand anderweitiger Rechtsfolgen, die der Gesetzgeber dem Rücktrittsrecht im Einklang mit der diesem Recht zugedachten Wirkung zugewiesen hat. Der Rücktritt beseitigt nach seit langem ganz herrschender Ansicht ausschließlich die primären Leistungspflichten ex nunc und lässt die Wirksamkeit des Schuldverhältnisses im Übrigen unberührt.435 Aus dem Grund liegen nach einem Rücktritt nicht die Voraussetzungen eines Tatbestandes des § 812 BGB vor, denn das Schuldverhältnis bildet auch nach dem Rücktritt den Rechtsgrund für die Leistung. Dennoch soll die Vermögensverschiebung, die durch einen Leistungsaustausch stattgefunden hat, nicht auf Dauer aufrechterhalten blei433 Zu diesem Grundgedanken des Bereicherungsrechts Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 47 3., S. 36; MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 1, 4; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 128; Musielak, JA 2017, 1, 2; Soergel/Schmidt-Kessel/ Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 1. 434 MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 2. Speziell für die Rückabwicklung von Verträgen Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 4 f. und für das Bereicherungsrecht für Vermögensverschiebungen im Allgemeinen S. 28. Für beide Rückabwicklungssysteme sollen nach der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts soweit möglich dieselben Prinzipien gelten: Abschlußbericht der Schuldrechtskommission, S. 185. 435 BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 10); BGH vom 14.3.2000 – X ZR 115/98, NJW‑RR 2001, 1332, 1334; BGH vom 10.7.1998 – V ZR 360/96, NJW 1998, 3268 f.; so auch die Begr. des RegE zum Rücktrittsrecht, BT‑Drucks. 14/6040 S. 191. Aus der Lit. zu dieser Problematik Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 157 ff.; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 36; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 4; Stoll, AcP 131 (1929), S. 141, 163 ff.; Wolf, AcP 153 (1954), S. 97, 104 ff.; Wunner, AcP 168 (1968), S. 425 ff., 449. A. A. Kohler, Rückabwicklung, S. 23 ff.; Soergel/Lobinger, BGB, Vor § 346 Rn. 13 ff.
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ben. Der Grundgedanke dessen ist mit dem der condictio ob causam finitam gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB vergleichbar. Bevor sich die heute ganz überwiegend anerkannte Wirkung des Erlöschens der primären Leistungspflichten für die Zukunft entwickelt hat, wurde unter anderem angenommen, nach einem Rücktritt liege ein besonderer Fall der ungerechtfertigten Bereicherung vor.436 Im Fall des Rücktritts fällt zwar nach heute vorherrschendem Verständnis nicht der rechtliche Grund für die Leistung nachträglich weg, durch die Umwandlung des Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis und den damit verknüpften wechselseitigen Rückgewährpflichten wird den jeweiligen Vermögensverschiebungen indes ebenfalls die Grundlage entzogen. Die Vermögensverschiebung soll für die Zukunft aufgehoben werden. Der Gesetzgeber hat diesem Grundgedanken lediglich mit den insoweit maßgeblichen §§ 346 ff. BGB eine andere Rechtsfolge zugewiesen. Hätte der Gesetzgeber die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts als Maßstab einer Rückabwicklung für sachgerecht erachtet, hätte er diese für anwendbar erklären können. Dies hätte dem Rückgewähranspruch ein anderes Gepräge gegeben. Mit der Entscheidung gegen die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts hat der Gesetzgeber daher den Anspruchsinhalt und damit zugleich dessen Charakter geprägt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass dem Rücktritts- und dem Bereicherungsrecht im Ausgangspunkt zumindest in Teilen dasselbe Ziel – die Rückabwicklung – zugrunde liegt.437 Das Bereicherungsrecht hält ein allgemeines Rückabwicklungssystem für ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen bereit, während das Rücktrittsrecht speziell der Rückabwicklung gestörter Vertragsbeziehungen dient.438 Entsprechend unterscheiden sich die Rechtsverhältnisse bei der Rückabwicklung als vertraglichem Rückgewährschuldverhältnis einerseits und als gesetzlichem Schuldverhältnis andererseits. Die Grundidee besteht jedoch in beiden Fällen in der Rückabwicklung eines ungerechtfertigten Habens. Das Rücktrittsrecht trägt lediglich der speziellen Rückabwicklungssituation bei Verträgen Rechnung, während das Bereicherungsrecht für sämtliche Fälle nicht aufrecht zu erhaltender Vermögensverschiebungen Rückabwicklungsvorgaben bereithält.439 436 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 156; vgl. auch die Darstellung von Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 422; Soergel/Lobinger, BGB, Vor § 346 Rn. 12, 18 ff. 437 Dem Grunde nach wohl auch v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 342 f. (der die Leistungskondiktion auf derselben Ebene ansiedelt wie sonstige schuldrechtliche Rückabwicklungsansprüche); MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 2. Noch deutlicher Soergel/Lobinger, BGB, Vor § 346 Rn. 19 ff., der annimmt, die Rückabwicklungsansprüche seien bereicherungsrechtlicher Natur. 438 Zu diesem Unterschied ausführl. Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 4 f., 28, 67, 522. 439 Zum Charakter des Bereicherungsrechts als allgemeinem Rückabwicklungssytem v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 342 (für die Leistungskondiktion); Kaiser, Die
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§ 313 BGB ist ein ähnliches Beispiel – ihm sind nach heutiger Rechtslage zwar nicht mehr die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zugewiesen,440 er steht aber tatbestandlich sehr wohl einer condictio ob rem nahe.441 Die Abgrenzung zwischen condictio ob rem und § 313 BGB wird in problematischen Fällen konsequenterweise unter anderem nach den Rechtsfolgen dieser Regelungen vorgenommen.442 Die Anordnung der Rechtsfolgen spielt demnach für die Bestimmung der Rechtsnatur einer Vorschrift eine zentrale Rolle.443 Die Rechtsnatur der Vorschrift ergibt sich freilich nicht aus dieser Rechtsfolgenanordnung allein, sondern aus dem Zusammenspiel von Tatbestand und Rechtsfolge, da der Gesetzgeber einem bestimmten Tatbestand nicht grundlos genau diese Rechtsfolge zugewiesen hat.444 Der Gesetzgeber hätte in § 1301 S. 1 BGB schließlich, wenn er keinen Kondiktionstatbestand hätte schaffen wollen, auf das Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verweisen können, an dem er sich tatbestandlich bei der Verweisungsvorschrift orientiert hat. Dies hat er jedoch nicht getan. Bei Schaffung des BGB war eine derartige Verweisung nicht möglich, da das Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im BGB von 1900 nicht kodifiziert war. Zudem wurde der Wegfall der Geschäftsgrundlage, der im Rahmen des § 242 BGB relevant war, bis zu seiner Regelung in § 313 BGB hinsichtlich der Rückabwicklung erbrachter Leistungen bereicherungsrechtlich behandelt.445 Eine Verweisung auf das Rücktrittsrecht war demnach nicht naheliegend. Da § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB und § 313 BGB derselbe Gedanke zugrunde liegt, lag es für den historischen Gesetzgeber vielmehr auf der Hand, stattdessen446 eine Ähnlichkeit zur condictio ob Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 5, 28, 67 (im Unterschied zum Rücktrittsrecht; zu den unterschiedlichen Funktionen dieser Rückabwicklungsmechanismen dort S. 509–512). Eine allg. Aussage zur Funktion des Bereicherungsrechts als System, „missbilligte“ Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, findet sich bei BeckOK BGB/Wendehorst, § 812 Rn. 3. 440 Zur Rückabwicklung ausgetauschter Leistungen nach von aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfallener Leistungspflichten nach Bereicherungsrecht vor der Schuldrechtsreform für die überwiegende Ansicht BGH vom 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314, 315; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 48; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, § 242 Rn. 132. 441 MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 178. 442 Siehe die Abgrenzung bei MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 181. 443 Siehe z. B. zur Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung für § 313 BGB MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 181. 444 Zur Bedeutung des Zusammenspiels von Tatbestand und Rechtsfolge LübbeWolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 47 f., 60; Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 90 f. (unter Betonung der Zuordnung der Rechtsfolge). 445 BGH vom 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314, 315; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 48; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, § 242 Rn. 132. 446 Diese Alternativität dient der Betonung der Vergleichbarkeit der beiden Rechts-
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rem zu sehen. Wenn § 313 BGB mit § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB vergleichbar ist und § 1301 S. 1 BGB wiederum mit § 313 BGB, dann liegt es nahe, dass sich auch die §§ 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall und 1301 S. 1 BGB ähneln.447 Hätte der Gesetzgeber für die Rückgabe von Verlobungsgeschenken die Anwendung des § 313 BGB für sachgerecht erachtet, hätte er im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung, mit der § 313 BGB als Kodifikation des bis dahin richterrechtlich anerkannten Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ins BGB gelangt ist, zugleich § 1301 S. 1 BGB an diese geänderte Rechtslage anpassen können. Er hätte lediglich die Verweisung auf das Bereicherungsrecht durch eine Bezugnahme auf § 313 BGB ersetzen müssen. Diesen Austausch hat der Gesetzgeber jedoch nicht vorgenommen. Dies geschah aus gutem Grund, da mit der Verweisung auf das Bereicherungsrecht und dem dadurch anwendbaren § 818 Abs. 3 BGB ein Schutz des Beschenkten einhergeht, der verlorenginge, wenn statt der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts die des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar wären. Eine Vertragsanpassung als primäre Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) wäre bei Auflösung eines Verlöbnisses kaum sachgerecht, weil praktisch schwer vorstellbar ist, die Schenkung den geänderten Bedingungen anzupassen.448 Da eine Vertragsanpassung daher bei Auflösung des Verlöbnisses nicht sachgerecht erscheint, liefe die Rückabwicklung der Schenkungen auf eine Rückabwicklung nach rücktrittsrechtlichen Vorschriften hinaus. Hierbei bestünde keine Privilegierung des Beschenkten, die § 818 Abs. 3 BGB entspricht. Der Schutz des Beschenkten ist jedoch berechtigt, da er im Vertrauen auf den Fortbestand des Verlöbnisses mit einer Herausgabepflicht nicht rechnen musste. War er bösgläubig, trägt § 819 Abs. 1 BGB diesem Umstand hinreichend Rechnung. Die Tatsache, dass das Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage seiner primären Rechtsfolge nach für die Rückabwicklung von Schenkungen nach Auflösung des Verlöbnisses keine interessengerechten Regelungen vorsieht, spricht dagegen, in § 1301 S. 1 BGB eine vollumfängliche Verweisung auf § 313 BGB zu etablieren. Wenn überhaupt erschiene es sinnvoller, sogleich auf die Rechtsfolgen des Rücktritts zu verweisen. Auch hiervon hat der Gesetzgeber – und zwar sowohl der des BGB von 1900 als auch der von 2002 – indes abgesehen und dem Bereicherungsrecht den Vorzug gegeben. Nach institute. Es handelt sich nicht um eine nachgewiesene Alternativitätsüberlegung des Gesetzgebers, der in diesem Zshg. sicher nicht über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nachgedacht hat. 447 Für die Nähe von § 1301 S. 1 und § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 265; BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 2; Fenn, FamRZ 1975, 41, 42; Knütel, FS Jayme, Bd. 2, S. 1487, 1498 (Sonderfall der condictio ob rem); Röthel, Jura 2006, 641, 642. 448 Siehe die Einschätzung bei Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1.
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alledem handelt es sich bei § 1301 S. 1 BGB um einen besonders geregelten Kondiktionstatbestand im Verlöbnisrecht.449 c) Umfang der Verweisung § 1301 S. 1 BGB bezieht sich als Rechtsfolgenverweisung auf § 818 BGB. Es gibt ferner keine Anhaltspunkte, die gegen die Anwendung der §§ 819 Abs. 1 2. Fall, 822 BGB sprechen.450 Vielmehr erscheint die Anwendung dieser Vorschriften geboten, um das Rechtsfolgensystem des Bereicherungsrechts wertungsentsprechend auf § 1301 S. 1 BGB zu übertragen. Die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB werden wegen ihres speziellen Zuschnitts auf die Kondiktionen in den §§ 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall, 2. Fall, 817 S. 1 BGB, die den Voraussetzungen nach nicht vorliegen, überwiegend für unanwendbar erachtet.451 Dies ist nach vorsichtiger, noch zu prüfender Einschätzung jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass sie dem Grunde nach nicht vom Umfang der Verweisung auf die „Rechtsfolgeregelungen“ umfasst sind, sondern, dass sie von der Verweisung zwar grundsätzlich erfasst werden, die Verweisung aber im Einzelfall leerläuft, weil die Grundsituation der Verweisungsvorschrift nicht geeignet ist, ihre Anwendung auszulösen.452 9. Konkrete Einordnung des § 527 Abs. 1 BGB § 527 Abs. 1 BGB nimmt gegenüber anderen Verweisungen auf das Bereicherungs- und das Rücktrittsrecht eine Sonderstellung ein, weil er hinsichtlich der Rechtsfolgen auf das Bereicherungsrecht, zur Ausfüllung seines Tatbestands jedoch ausdrücklich auf die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts, verweist. Er enthält demnach zwei verschiedene Verweisungen, die indes nur dazu beitragen, einen einheitlichen Anspruch zu begründen. § 527 Abs. 1 BGB kombiniert damit als einzige Vorschrift im BGB innerhalb desselben Anspruchs ausdrücklich zwei unterschiedliche Rückabwicklungsmöglichkeiten miteinander.453 Der Charakter der Verweisungen ist anhand 449
Ebenso BGH vom 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411, 1412; NeumannDuesberg, MDR 1968, 639; Sternberg, ArchBürgR 39 (1913), S. 242, 244; wohl auch Hadding, FS Mühl, S. 225, 265 („selbständiger Bereicherungstatbestand“). A. A. Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1. 450 Für eine Anwendbarkeit der §§ 818, 819 Abs. 1, 822 BGB BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 35–37; Göppinger, JuS 1968, 405 f.; MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 5; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 13 (ohne Äußerung zu § 822 BGB); Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 11 (ohne Äußerung zu § 822 BGB). 451 BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 38; MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 5 (ohne Begründung). Ausdrückl. (nur) für § 820 BGB: NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 13; Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 11; Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 21. 452 Siehe in diesem Kap. § 4 VIII. 453 Es gibt auch andere Verweisungsvorschriften, die versch. Rückabwicklungssysteme kombinieren (z. B. § 628 Abs. 1 S. 3 BGB). In diesen Vorschriften wird aber anders
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des Aufbaus des § 527 Abs. 1 BGB zweifelsfrei zu erkennen, obwohl er sich hinsichtlich der Verweisung auf das Bereicherungsrecht der Formulierung nach nicht von den anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht unterscheidet. a) Kombination aus Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung Für die Verweisung auf das Rücktrittsrecht macht § 527 Abs. 1 BGB bereits der Formulierung nach eine eindeutige Vorgabe für den Verweisungsumfang, indem er die Herausgabe „unter den für das Rücktrittsrecht (…) bestimmten Voraussetzungen“ anordnet. Demnach müssen die Voraussetzungen eines gesetzlich bestimmten Rücktrittsrechts vorliegen, damit eine Herausgabepflicht des Beschenkten besteht. Es handelt sich somit um eine – wie noch zu zeigen ist partielle454 – Rechtsgrundverweisung. Der Umfang der Herausgabe richtet sich sodann nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Neben den Voraussetzungen des Rücktrittsrechts die Tatbestandsvoraussetzungen des Bereicherungsrechts für anspruchsbegründend anzusehen, erscheint nicht sinnvoll. Ferner liegen die Voraussetzungen des Bereicherungsrechts nicht schon von sich aus und dadurch keine deklaratorische Verweisung vor: Die Tatbestandsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB (condictio ob rem) liegen nicht vor, da der mit der Schenkung als der Leistung bezweckte Erfolg nicht in der Erfüllung der Auflage, sondern vielmehr in der Zuwendung an den Beschenkten liegt.455 Der Zweck der Zuwendung wird auch erreicht, wenn die Auflage nicht erfüllt wird. Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 527 Abs. 1 BGB ist aus diesem Grund nicht als deklaratorische Rechtsgrundverweisung anzusehen. Das Bereicherungsrecht bestimmt vielmehr den Umfang der Herausgabepflicht. § 527 Abs. 1 BGB kombiniert somit eine Rechtsgrundverweisung auf das Rücktrittsrecht mit einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.456 § 527 Abs. 1 BGB enthielt diese Zweiteilung bereits in seiner ursprünglichen Fassung bei Schaffung des BGB. Der historische Gesetzgeber hat als in § 527 Abs. 1 BGB nicht im Tatbestand auf das eine und in der Rechtsfolge auf das andere System verwiesen. 454 Zum Umfang der Verweisung ausführl. in Kap. 3, § 1 II. 2. 455 Zum Zweck der Schenkung siehe Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 32; Staudinger/ Chiusi, BGB, § 527 Rn. 1. 456 Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht wird übereinstimmend als Rechtsfolgenverweisung eingeordnet: jurisPK BGB/Kühle, § 527 Rn. 13; MünchKommBGB/ Koch, § 527 Rn. 3; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 588 f.; Soergel/Eckert, BGB, § 527 Rn. 4; Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 9. Ohne die Verweisung ausdrückl. als Rechtsfolgenverweisung zu bezeichnen: BGH 14.2.1952 – IV ZR 63/51, NJW 1952, 620.
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daher schon zu diesem Zeitpunkt in die Verweisung auf die Voraussetzungen eines Vorschriftengebiets und die Verweisung auf die Rechtsfolgen eines Abschnitts differenziert. In den Materialien zum BGB zu § 527 findet sich dennoch kein Hinweis auf eine Unterscheidung in die Kategorien „Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung“. Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht wird vom historischen Gesetzgeber ohnehin nicht näher erläutert, wohingegen die Verweisung auf die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts erst im Laufe der Beratungen eingeführt und die Motive hierfür ausführlich dargelegt wurden.457 Die Probleme, die sich um § 527 Abs. 1 BGB ranken, betreffen auch nicht die Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht, sondern die Verweisung auf die Voraussetzungen des Rücktritts. Dabei dreht sich die Diskussion um die Dynamik der Verweisung auf das Rücktrittsrecht und die damit verbundene Anpassungsautomatik. Während § 527 Abs. 1 BGB zunächst in Übereinstimmung mit dem Rücktrittsrecht ein Verschulden voraussetzte, ist dies seit der Schuldrechtsreform nicht mehr der Fall, wenn die Verweisung dynamischer Natur ist. Seit der Änderung des Rücktrittsrechts im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ist das Verschulden des anderen Teils im Unterschied zur alten Rechtslage keine zwingende Rücktrittsvoraussetzung mehr. § 527 Abs. 1 BGB setzt seinerseits die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts voraus und wird daher durch die unveränderte Verweisung an das geänderte Rücktrittsrecht angepasst. Für die Nichterfüllung der Auflage wäre demnach im Rahmen des § 527 Abs. 1 BGB ebenfalls kein Verschulden erforderlich, um die Herausgabepflicht zu begründen. Die Schuldhaftigkeit der Nichterfüllung einer Auflage durch den Beschenkten war im Rahmen der Beratungen des BGB allerdings eine tragende Erwägung der Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB auf das Rücktrittsrecht.458 Vereinzelte Stimmen in der Literatur plädieren daher trotz der Änderungen im Rücktrittsrecht dafür, das Herausgabeverlangen des Schenkers gemäß § 527 Abs. 1 BGB nur bei einer schuldhaften Nichterfüllung der Schenkungsauflage durch den Beschenkten zuzulassen, um den Beschenkten nicht über Gebühr zu belasten.459 Die mit dynamischen Verweisungen allgemein bezweckte Anpassungsautomatik im Fall der Änderung des Verweisungsobjekts würde damit durchbrochen. Da es keine Anzeichen dafür gibt, dass es sich bei § 527 Abs. 1 BGB um eine statische Verweisung handelt, findet dem Grunde nach eine 457 Zur Entwicklung von eigenen Voraussetzungen in § 448b des Entwurfs (dem heutigen § 527 BGB) hin zu der Verweisung Mugdan, Bd. 2, S. 752. Zur Erläuterung der Vorschrift als spezieller Rückforderungsvorschrift nach den Voraussetzungen des Rücktrittsrecht siehe Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 32 f. 458 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 32. 459 jurisPK BGB/Kühle, § 527 Rn. 5, 7 f.
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Anpassung an die geänderten Voraussetzungen des Rücktritts statt.460 Hätte der Gesetzgeber dies verhindern wollen, hätte er im Zuge der Änderung des Rücktrittsrechts die Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB entfernen oder modifizieren müssen. b) Besonderer Kondiktionstatbestand Aufgrund der Kombination von Rücktritts- und Bereicherungsrecht in § 527 Abs. 1 BGB stellt sich bei dieser Vorschrift im Besonderen die Frage nach ihrem Rechtscharakter. § 527 Abs. 1 BGB wird dabei unter anderem als ein in den Rechtsfolgen besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht bezeichnet.461 Andernorts findet sich der Hinweis, bei § 527 BGB handele es sich wie bei den §§ 528 Abs. 1 S. 1, 530 BGB um einen Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.462 Ob § 527 Abs. 1 BGB seinem Rechtscharakter nach ein reiner Kondiktionstatbestand ist oder ob die Vorschrift zugleich oder ausschließlich ein Rücktrittsrecht statuiert, richtet sich danach, wie sie konzipiert ist. Für das Verständnis der Vorschrift ist dabei im Ausgangspunkt zunächst grundlegend, dass der Rücktritt als solcher ein Gestaltungsrecht und keinen Anspruch darstellt.463 Im Recht des Rücktritts wird zwischen Rücktrittsgründen einerseits und den Rechtsfolgen des Rücktritts andererseits unterschieden. Unter gewissen Voraussetzungen entsteht demnach zunächst ein Rücktrittsrecht, das heißt die Möglichkeit, sich von einem bestehenden Vertrag zu lösen. Um infolgedessen eine Leistung zurückfordern zu können, bedarf es zunächst einer Ausübung dieses Gestaltungsrechts durch den Rechtsinhaber (§ 349 BGB). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, entsteht gemäß § 346 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf die Rückgewähr einer geleisteten Sache. Die §§ 346 ff. BGB regeln demnach die Rechtsfolgen des Rücktritts, die insbesondere in einem Anspruch auf die Rückgewähr der jeweiligen Leistung bestehen. Das Rücktrittsrecht unterscheidet daher zwischen dem Rücktritt als Gestaltungsrecht, seiner Ausübung und den Rechtsfolgen des ausgeübten Gestaltungsrechts. Die zentrale Rechtsfolge des Rücktritts ist die Umwandlung des Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis, in dessen Rahmen eine Rückabwicklung der wechselseitig erbrachten Leistungen erfolgt.464 Dabei sollen die Grundsätze des ursprünglich geschlossenen Vertrags ihren Wertungen nach erhalten bleiben. 460 Eine Anpassung an das geänderte Rücktrittsrecht nehmen BeckOGK/Harke, § 527 BGB Rn. 5; MünchKommBGB/Koch, § 527 Rn. 2; Soergel/Eckert, BGB, § 527 Rn. 1; Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 2 an. 461 Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 1. 462 BGH vom 21.12.2005 – X ZR 108/03, NJW‑RR 2006, 699, 700. 463 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 1. 464 MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 1, 13; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 1–6.
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§ 527 Abs. 1 BGB verweist hinsichtlich des Rücktritts auf die „für das Rücktrittsrecht (…) bestimmten Voraussetzungen“. Dem Wortsinn nach ist dies so zu verstehen, dass es um die Voraussetzungen eines Rücktrittsgrundes geht. Dass hiervon auch die Pflicht zur Ausübung des Gestaltungsrechts gemäß § 349 BGB mitumfasst ist, lässt sich dem Wortsinn hingegen nicht entnehmen. Die Erklärung gemäß § 349 BGB ist zwar Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt, sie ist aber die Ausübung des nach anderen Vorschriften – vertraglicher oder gesetzlicher Art – begründeten Rücktrittsrechts. Wenn also § 527 Abs. 1 BGB eine Herausgabe „unter den für das Rücktrittsrecht (…) bestimmten Voraussetzungen“ anordnet, spricht dies dafür, dass es nur um die Voraussetzungen zur Begründung des Rücktrittsrechts, also des Grundes für den Rücktritt, geht und nicht um die Ausübung dieses Rechts. Damit wäre § 349 BGB von der Verweisung nicht umfasst. Da im Übrigen weder § 527 Abs. 1 BGB noch eine andere Vorschrift des Schenkungsrechts eine Ausübungspflicht regeln, bedarf es für ein Herausgabeverlangen nach § 527 Abs. 1 BGB keiner vorherigen „(Teil-)Rücktrittserklärung“. § 527 Abs. 1 BGB begründet mithin kein Gestaltungsrecht,465 weil das Wesen eines Gestaltungsrechts darin liegt, dass es auszuüben ist. Da die Verweisung die sonstigen Vorschriften der §§ 346 ff. BGB ebenfalls nicht umfasst, sondern vielmehr stattdessen zur Rückabwicklung bereicherungsrechtliche Regelungen angewendet wissen will – wie die entsprechende Verweisung ausdrücklich vorgibt –, entsteht im Fall des § 527 Abs. 1 BGB auch aus diesem Grund kein rücktrittsrechtliches Rückgewährschuldverhältnis. Die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts haben in § 527 Abs. 1 BGB wohl vielmehr die Funktion, den dort vorgegebenen Herausgabeanspruch zu begründen. Es handelt sich nicht um ein Rücktrittsrecht, das sodann auszuüben ist und zu einer Umwandlung des Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis führt. Die Rücktrittsvoraussetzungen dienen vielmehr dazu, das unberechtigte Haben als Vorgabe eines Bereicherungsanspruchs zu begründen, der verhindern soll, dass der Beschenkte einen Vorteil erlangt, weil er die Schenkungsauflage nicht erfüllt.466 Dieses Vorgehen – tatbestandlich zu regeln, warum eine Vermögensverschiebung nicht dauerhaft aufrecht erhalten bleiben soll, obwohl ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung grundsätzlich (fort-)besteht – ist ein typisches Merkmal der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungs-
465 Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 7 spricht allerdings von einem § 527 Abs. 1 BGB zugrunde liegenden Gestaltungsrecht. 466 Zum unrechtmäßigen Haben siehe Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 589. Zum Sinn und Zweck der Vorschrift, den Beschenkten zur Auflagenerfüllung anzuhalten Protokolle zum BGB nach Mugdan, Bd. 2, S. 754; Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 1.
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recht.467 § 527 Abs. 1 BGB reiht sich in diese Systematik ein. Diese Interpretation steht im Einklang mit den Motiven des historischen Gesetzgebers bei Schaffung des BGB. Denn die Voraussetzungen der Herausgabe gemäß § 527 Abs. 1 BGB wurden an das Rücktrittsrecht geknüpft, um den Beschenkten davor zu schützen, in jedem Fall der Nichterfüllung der Auflage zur Herausgabe verpflichtet zu sein. Der Gesetzgeber wollte demnach schlicht die Anforderungen an das Entstehen eines Herausgabeanspruchs gegenüber einer rein bereicherungsrechtlichen Lösung bei bloßer Nichterfüllung der Auflage verschärfen.468 Gleichzeitig sollte die Rückabwicklung nicht nach den Grundsätzen des Rechts des Rücktritts erfolgen. Dadurch konnte die Privilegierung des Beschenkten durch § 818 Abs. 3 BGB sichergestellt werden. Ferner bietet das auf die Aufrechterhaltung der Wertungen bei gegenseitigen Verträgen zugeschnittene Rückabwicklungsschuldverhältnis keine passenden Wertungen für die einseitige Leistung bei der Schenkung. Das Schenkungsrecht verweist daher auch stets auf das Bereicherungsrecht, wenn es um die Begründung einer Herausgabepflicht geht, und nicht auf die Rechtsfolgen eines Rücktritts. Es handelt sich bei § 527 Abs. 1 BGB demnach um einen speziellen Kondiktionstatbestand im Schenkungsrecht.469 c) Umfang der Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht Für den Umfang der Verweisung auf das Bereicherungsrecht gelten an sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 818 bis 822 BGB.470 § 527 Abs. 1 BGB modifiziert allerdings ausdrücklich die prinzipiell vollumfänglich gegebene Herausgabepflicht nach den §§ 818 ff. BGB, da er die Herausgabe nur hinsichtlich dessen anordnet, was der Beschenkte zur Erfüllung der Auflage von dem Schenker erhalten hat („insoweit“). Diese Vorgehensweise ist, wie die beispielhafte Analyse des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB (keine Herausgabe, sondern stets Wertersatz) gezeigt hat, für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht nicht untypisch.
467 Dies hat sich insbes. im Rahmen der Untersuchung der §§ 951 Abs. 1 S. 1, 977, 852 S. 1, 682, 684 S. 1, 1301 S. 1, 1434, 1457 BGB gezeigt. 468 Aus den Materialien zum BGB nach Mugdan, Bd. 2, S. 753. 469 In den Materialien zum BGB ist auch stets die Rede von einer Möglichkeit des Schenkers, zu „kondizieren“: Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 32 f. Für eine Einordnung des § 527 Abs. 1 BGB als „Bereicherungsanspruch“ v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 644, 649 ff. 470 So wird auf deren Geltung idR im Wesentlichen schlicht hingewiesen: jurisPK BGB/Kühle, § 527 Rn. 13; MünchKommBGB/Koch, § 527 Rn. 3 (§§ 818 ff.); Staudinger/ Chiusi, BGB, § 527 Rn. 9. Zum Zeitpunkt des Eintritts der verschärften Haftung gem. § 819 Abs. 1 BGB RGRK/Mezger, § 527 Rn. 3.
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III. Zusammenfassendes zur Einordnung von Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Die bisherige Betrachtung ausgewählter Verweisungen auf das Bereicherungsrecht hat einige Ausgangsprämissen bestätigt und weitergehende Erkenntnisse hervorgebracht. 1. Für die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht konnte gezeigt werden, dass Rechtsfolgenverweisungen stets konstitutiv sind, da für die Geltung der Rechtsfolgeregelung einer von sich aus nicht anwendbaren Vorschrift eine gesonderte Anordnung erforderlich ist. Der Geltungsbefehl aus der bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage greift nicht ein, wenn die Verweisung sich nicht auf den „Rechtsgrund“ erstreckt. Die Rechtsfolge des Verweisungsobjekts kann ohne dessen Tatbestand und ohne externen Geltungsbefehl nicht von sich aus anwendbar sein. 2. Die Verweisungen, die sich als konstitutiv erwiesen haben, erweitern, wie eingangs angenommen, faktisch den Geltungsbereich des Verweisungsobjekts. Dies geschieht überwiegend, weil eine oder mehrere Voraussetzungen des Verweisungsobjekts in den Anwendungsfällen der Verweisungsvorschrift nicht gegeben sind. Daneben kann die Geltungserweiterung sich aber, wie bei den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB, auch daraus ergeben, dass die Anwendbarkeit des Verweisungsobjekts ausgeschlossen ist, obwohl seine Voraussetzungen an sich gegeben sind. Die Unanwendbarkeit wird in diesen Fällen durch eine andere Vorschrift angeordnet. Diese Anordnung wird durch die Verweisung überwunden, die dadurch konstitutiv ist. 3. Rechtsgrundverweisungen können der Ausgangsprämisse nach sowohl deklaratorischer als auch konstitutiver Natur sein. Konstitutive Rechtsgrundverweisungen auf das Bereicherungsrecht existieren allerdings nicht. Entgegen der wohl überwiegenden Ansicht handelt es sich insbesondere auch bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nicht um eine Rechtsgrund-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung. Rechtsgrundverweisungen auf das Bereicherungsrecht sind rar – mit den §§ 516 Abs. 2 S. 3, 531 Abs. 2, 556g Abs. 1 S. 3 existieren im BGB lediglich drei dieser Verweisungen. Diese sind deklaratorischer Natur, da die Voraussetzungen der Verweisungsobjekte in den dort geregelten Fällen bereits von sich aus vorliegen. Deklaratorische Verweisungen haben nach den Erkenntnissen zu diesen Vorschriften nicht den Charakter von Anspruchsgrundlagen. Während § 531 Abs. 2 BGB ausweislich der Motive zum BGB wohl bereits von Beginn an als deklaratorische Rechtsgrundverweisung konzipiert war, war § 516 Abs. 2 S. 3 BGB zumindest im Ausgangspunkt der Beratungen als Verweisung konstitutiv. Das Verständnis der Vorschrift hat sich allerdings durch das geänderte Verständnis des Bereicherungsrechts als dem Verweisungsobjekt geändert.
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4. Für die §§ 527 Abs. 1, 682, 684 S. 1, 852 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 977, 988, 993 Abs. 1, 1301 S. 1, 1434, 1457 BGB konnte nachgewiesen werden, dass es sich um konstitutive Rechtsfolgenverweisungen handelt. Die weiteren Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sind im Folgenden daraufhin zu überprüfen, ob es sich tatsächlich stets um Rechtsfolgenverweisungen handelt. Für einige von ihnen entspräche dies der Einordnung in Rechtsprechung und Literatur. Da alle konstitutiven Verweisungen solche im materiellen Sinn sind, bedeutete dies zugleich, dass sämtliche Verweisungen im materiellen Sinn auf das Bereicherungsrecht Rechtsfolgenverweisungen wären. 5. Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten umfassende Tatbestandsvoraussetzungen und geben ihre Grund-Rechtsfolge selbst vor. § 682 BGB scheint der Formulierung der Verweisung nach anders strukturiert zu sein. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Regelung an andere Vorschriften aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag anknüpft, aus denen sich die Tatbestandsvoraussetzungen sowie die Grund-Rechtsfolge entnehmen lassen. § 682 BGB begründet daher keine Ausnahme von dieser Regel. 6. Die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht modifizieren in vielen Fällen die Vorgaben der §§ 818 ff. BGB, indem sie zum Beispiel die Grund-Rechtsfolge nicht in einer gegenständlichen Herausgabe, sondern in einer Vergütung in Geld sehen (§ 951 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie passen das Rechtsfolgensystem des Bereicherungsrechts auf diese Weise an die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Verweisungsvorschrift an. 7. § 818 BGB scheint als Regelung über den Umfang des Bereicherungsanspruchs infolge sämtlicher Rechtsfolgenverweisungen anwendbar zu sein. Aufgrund der speziellen Vorgaben der jeweiligen Verweisungsvorschrift kann die Verweisung auf § 818 BGB allenfalls für einzelne Absätze leerlaufen. 8. Eine Verweisung ist auch dann insgesamt konstitutiv, wenn sie den Anwendungsbereich des Verweisungsobjekts nur für bestimmte Fälle ausdehnt. In den Sachverhaltskonstellationen, in denen die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts ebenfalls vorliegen und demnach keine Geltungserweiterung stattfindet, ist die Verweisungsvorschrift als Anspruchsgrundlage gegenüber den allgemeinen Regelungen des Verweisungsobjekts die speziellere Vorschrift. Eine einheitliche Verweisung ist immer entweder Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung und kann sich nicht in einem Einzelfall als Rechtsgrundverweisung und in einem anderen als Rechtsfolgenverweisung darstellen. Enthält eine Verweisungsvorschrift hingegen mehrere Verweisungen, können diese unterschiedlicher Natur sein. 9. Die Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, scheinen nach den bisherigen Erkenntnissen
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aus den Einzelanalysen spezielle Kondiktionstatbestände zu sein, die Herausgabeansprüche außerhalb des Abschnitts über ungerechtfertigte Bereicherungen regeln. Dieser Erkenntnis wird im Folgenden (unter § 3) nachgegangen. Zudem fällt auf, dass die bisher betrachteten Verweisungsvorschriften Vermögensverschiebungen betreffen, die überwiegend zwar mit Rechtsgrund erfolgt sind, bei denen die Vermögensverschiebung aber dennoch als nicht sach- und interessengerecht erachtet wird und daher nicht auf Dauer aufrechterhalten bleiben soll. Dies unterscheidet diese speziellen Kondiktionen von den meisten Bereicherungsansprüchen nach den §§ 812 ff. BGB. Letztere setzen überwiegend einen fehlenden Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung voraus, um die Rückabwicklung zu rechtfertigen. Anders ist dies jedoch zum Beispiel bei § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB, der Zweckverfehlungskondiktion, bei der die Vermögensverschiebung ebenfalls mit Rechtsgrund erfolgt und nur aus einem anderen Grund – der fehlenden Zweckerreichung – nicht dauerhaft aufrecht erhalten bleiben soll. Die Funktion eines Kondiktionstatbestandes, die Herausgabe eines Erlangten auch dann anzuordnen, wenn ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung bestand, solange diese indes aus anderen Gründen nicht aufrechterhalten bleiben soll, ist dem Bereicherungsrecht daher nicht gänzlich fremd. 10. Die für das Bereicherungsrecht in ihrer Allgemeingültigkeit umstrittene Funktion der Abschöpfung eines irregulären Vermögensvorteils kommt in den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht noch zum Ausdruck. Dies zeigt insbesondere die Analyse der §§ 852 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 977, 1301 S. 1 BGB und ist im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung für weitere Vorschriften zu überprüfen.471
§ 3 Die Rechtsnatur von Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht Die bisherige Untersuchung hat für einzelne Verweisungsvorschriften im BGB, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, gezeigt, dass es sich bei ihnen um spezielle Kondiktionstatbestände außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung handelt.472 Ei471 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., sehen eine Abschöpfungsfunktion der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB (S. 585), des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB (S. 589), der §§ 1301 S. 1, 1390, 1434, 1547, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1, 2196 Abs. 1, 1973 Abs. 2, 1989, 2021 BGB (S. 596) sowie der §§ 988, 993 Abs. 1 S. 1 BGB (S. 595 f.). 472 Siehe jeweils die Einzelanalysen in diesem Kap. § 2.
§ 3 Die Rechtsnatur von Verweisungsvorschriften
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nige von ihnen werden von Stimmen in Rechtsprechung und Literatur auch ausdrücklich als besondere Kondiktionsfälle bezeichnet oder eingeordnet: §§ 527 Abs. 1, 528, 684 S. 1, 852 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 988, 993 Abs. 1, 1301 S. 1, 1434, 1457 BGB.473 Diese Einordnung ist indes keinesfalls für sämtliche dieser Vorschriften unumstritten. Anderen Vorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht vorgeben, wird zumindest kein bereicherungsrechtlicher Charakter zuerkannt oder ihr Charakter als Kondiktion verneint, wie beispielsweise § 1390 Abs. 1 S. 2 BGB (güterrechtlicher Anspruch),474 § 2287 BGB (deliktischer Anspruch),475 § 2329 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch)476 oder § 547 Abs. 1 S. 2 BGB.477 Letzterer wird gerade deshalb als vertraglicher Rückerstattungsanspruch eingeordnet, weil er einen Rechtsfolgen- und keinen Rechtsgrundverweis auf das Bereicherungsrecht enthalte.478 Auch diese Einordnungen sind allerdings nicht unumstritten. Die Zuordnung der genannten Vorschriften zu einer bestimmten Verweisungsart erfolgt demnach für jede Norm eigenständig und nicht aufgrund eines einheitlichen Prinzips.479 Lediglich in der in der Literatur ebenfalls zu findenden Annahme, Rechtsfolgenverweisungen änderten den Rechtscharakter einer Vorschrift nicht,480 deutet sich eine grundsätzliche 473
§§ 527 Abs. 1, 528 Abs. 1 S. 1 BGB: v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 649 ff., 654; § 684 S. 1 BGB: BGH vom 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313, 314; Beuthien, FS Söllner, S. 125, 130; v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 659; § 852 S. 1 BGB: Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 595; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 210; § 951 Abs. 1 S. 1 BGB: Hadding, Der Bereicherungsausgleich, S. 23; Mauser, Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs gemäß § 951 Abs. 1 BGB, S. 8 ff., 14, 121; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 210; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 1079; § 988 BGB: NK‑BGB/Schanbacher, § 988 Rn. 1; § 993 BGB: Soergel/Stadler, BGB, § 993 Rn. 3; § 1301 S. 1 BGB: BGH vom 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411, 1412; Neumann-Duesberg, MDR 1968, 639; Sternberg, ArchBürgR 39 (1913), S. 242, 244; §§ 1434, 1457 BGB wohl Rauscher, Familienrecht, Rn. 454, 458. 474 MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 5; wohl auch Staudinger/Thiele, BGB, § 1390 Rn. 14. 475 Knütel, NJW 1989, 2504, 2506 f. 476 Knütel, NJW 1989, 2504, 2505 (m. w. Nachw. in Fn. 16, 17). 477 Zu den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB siehe in diesem Kap. § 4 IV. Zu § 547 BGB siehe in diesem Kap. § 5 II. 478 BGH vom 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, BGHZ 54, 347, 351 (zu § 557a BGB a. F.); Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 23. A. A. Hadding, FS Mühl, S. 225, 237 (bereicherungsrechtlicher Anspruch). 479 So der ausdrückl. Hinweis von v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 679 f. 480 Siehe ErfK/Wank, § 618 BGB Rn. 30; MünchKomm/Henssler, § 618 Rn. 100; Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 1 (nach dem „allein die Verweisung auf das Bereicherungsrecht“ den „Anspruch […] nicht zu einem besonderen [gar: eigenständigen] Bereicherungsanspruch“ macht); Staudinger/Oetker, BGB, § 618 Rn. 304 („wegen ihres Chrakters als Rechtsfolgenverweisung“); Staudinger/Thiele, BGB, § 1390 Rn. 14 (Rechtsgrund im Güterrrecht, nur Umfang nach Bereicherungsrecht unter Hinweis auf den Charakter als „Rechtsfolgenverweisung“); Staudinger/Vieweg, BGB, § 852 Rn. 19 (als Rechtsfolgenverweisung behalte der Anspruch seine Rechtsnatur); Wörlen/Leinhas,
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Linie zur Bestimmung des Rechtscharakters von Verweisungsvorschriften an. Demzufolge käme den Verweisungsvorschriften mithin stets der Charakter zu, der dem Regelungsgebiet entspricht, dem die jeweilige Verweisungsvorschrift entstammt. Dies spricht gegen eine Einordnung als Kondiktionstatbestände.481 Die Frage nach dem Rechtscharakter einer Verweisungsvorschrift gewinnt gerade dann an Bedeutung, wenn je nach Einordnung des Anspruchs in die eine oder andere Kategorie andere, den Anspruch hemmende, ausschließende oder ergänzende Vorschriften zur Anwendung gelangen. So können zum Beispiel je nach Art des Anspruchs unterschiedliche Verjährungsregelungen anwendbar sein.482 Ferner kann die Einordnung von Verweisungsvorschriften, die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, als Kondiktionstatbestände möglicherweise die Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Einwendungen begründen.483 In zivilprozessualer Hinsicht kann sich der Rechtscharakter eines Anspruchs schließlich auf den Gerichtsstand auswirken, weil für bestimmte Ansprüche ein besonderer Gerichtsstand besteht.484
I. Tatbestands- oder Rechtsfolgenorientierung zur Bestimmung des Rechtscharakters einer Vorschrift Hinter der Frage, ob Rechtsfolgenverweisungen Einfluss auf die Bestimmung der Rechtsnatur einer Vorschrift haben können, steht das Problem, wonach sich der Rechtscharakter einer Vorschrift bestimmt – nach ihrem Tatbestand oder ihrer Rechtsfolge. Eine Bestimmung anhand des Tatbestandes liegt nahe, da dieser die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit festlegt und den Rechtsgrund des Anspruchs oder Rechts bildet. Allerdings bestimmt die Rechtsfolge den eigentlichen Inhalt und Umfang des Rechts oder Anspruchs, das heißt z. B. die zu erbringende Leistung o. ä., die der Berechtigte infolge der Vorschrift fordern kann. Der Gesetzgeber verleiht einer Norm auf diese Weise bewusst eine bestimmte Rechtsfolge.485 JA 2006, 22, 26 („dogmatisch meist nicht bereicherungsrechtlich“). Siehe ferner BGH vom 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, BGHZ 54, 347, 351 (zu § 557a BGB a. F.). 481 Ausdrückl. gegen die Einordnung von Rechtsfolgenverweisungen als Kondiktionen BeckOK BGB/Wendehorst, § 812 Rn. 34. 482 Zu der durch die Vereinheitlichung des Verjährungsrechts freilich geringeren Bedeutung für die Anknüpfung an die jeweilige Verjährungsfrist zu § 618 BGB Staudinger/ Oetker, BGB, § 618 Rn. 306. 483 Zur Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Einwendungen siehe in diesem Kap. § 4 VIII. 484 v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 687 f., 708 ff. 485 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 87; Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 90 ff.; wohl auch Larenz, Methodenlehre, S. 252 f. Siehe zum Verhältnis von
§ 3 Die Rechtsnatur von Verweisungsvorschriften
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Tatsächlich prägt das Zusammenspiel von Tatbestand und Rechtsfolge den Normcharakter. Die Rechtsnatur eines Anspruchs bestimmt sich nicht allein nach dem Tatbestand oder ausschließlich nach der Rechtsfolge einer Vorschrift. Dies trüge der konditionalen Verknüpfung dieser beiden Elemente eines Rechtssatzes nicht hinreichend Rechnung.486 Der Tatbestand bestimmt den Grund für die Existenz der Vorschrift, während die Rechtsfolge das Ziel benennt, das die jeweilige Vorschrift verfolgt.487 Der Tatbestand einer Vorschrift wird nicht zu seinem Selbstzweck, sondern mit einer bestimmten Zielsetzung geschaffen. Er beschreibt einen bestimmten Sachverhalt, der durch die Rechtsfolge normativ bestimmt werden soll488 – die Rechtsfolge stellt das Ergebnis des im Tatbestand aufgeworfenen Problems dar. Es liegt nahe, dass derselben Rechtsfolge dabei tatbestandlich eine vergleichbare Wertung zugrunde liegt.489 Der Anspruchsaufbau, mit dem juristische Fragestellungen in der Regel angegangen werden, verdeutlicht dieses Zusammenspiel. Um eine Rechtsfrage zu lösen, ist der Fokus zunächst auf die Rechtsfolgenseite der Vorschriften des einschlägigen Rechtsgebietes zu richten, um zu ermitteln, welche Vorschrift als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt.490 Nach Auffinden einer oder mehrerer der Rechtsfolge nach passenden Anspruchsgrundlagen werden die Tatbestandsvoraussetzungen der maßgeblichen Vorschriften auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft.491 Diese konditionale Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge macht den jeweiligen Anspruch in seinem Wesen aus. Beide Elemente müssen daher auch Bedeutung für dessen Wirkung haben. Die Rechtsnatur einer Vorschrift ist konsequenterweise von diesen beiden Elementen geprägt und wird darüber hinaus von dem Gesamtzusammenhang beeinflusst, in den der Gesetzgeber die Norm eingebettet hat. Ein Anspruch im Deliktsrecht ist deliktischer Natur, weil er auf einer unerlaubten Handlung einer Person basiert. Ein Anspruch im Bereicherungsrecht ist bereicherungsrechtlicher Natur, da ihm eine unberechtigte Vermögenszuordnung zugrunde liegt.492 Während deliktsrechtliche Ansprüche gemäß den §§ 823 ff. BGB stets auf Schadensersatz und bereicherungsrechtliche Tatbestand und Rechtsfolge ferner Engisch, Einführung, S. 61 ff.; Nierwetberg, JZ 1983, 237, 239 (bezeichnet die beiden Elemente als „sinnhafte normative Einheit“). 486 Zum Rechtssatz als „Konditionalgefüge“ siehe Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 290 f.; Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 25 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 25 f. 487 Kuhn, JuS 2008, 956, 957. 488 Larenz, Methodenlehre, S. 252 f. 489 Loyal, JZ 2012, 1102, 1103. 490 Kuhn, JuS 2008, 956, 960; Leenen, Jura 2011, 723; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 3. 491 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 3. 492 Siehe zu diesem Grundgedanken des Bereicherungsrechts BeckOK BGB/Wendehorst, § 812 Rn. 3; v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 335; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2,
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
nach den §§ 812 ff. BGB auf Herausgabe gerichtet sind, gibt es auch Abschnitte im BGB, die einem Grund-Typus zugeordnet werden können, aber aufgrund ihrer Rechtsfolge dennoch unterschiedlicher Natur sind. Ein Anspruch im Abschnitt über das Eigentum ist beispielsweise ein dinglicher Anspruch, unabhängig davon, ob er auf Schadensersatz oder Herausgabe gerichtet ist. Er wird aber gleichzeitig durch seine Rechtsfolge geprägt und ist dann entsprechend ein dinglicher Herausgabeanspruch oder ein dinglicher Schadensersatzanspruch. Dies legt es nahe, dass beispielsweise ein deliktischer Anspruch gleichzeitig bereicherungsrechtlichen Charakter haben kann. 1. Rechtscharakter verschiedener Anspruchsgrundlagen im BGB Das BGB kennt verschiedene Anspruchstypen, die gängiger Weise unterschieden werden: Vertragliche Ansprüche, quasi-vertragliche Ansprüche, dingliche Ansprüche, deliktische Ansprüche und bereicherungsrechtliche Ansprüche. Ferner existieren im Familien- und Erbrecht spezielle Ansprüche, die zum Beispiel dem ehelichen Güterrecht oder dem Pflichtteilsrecht zugeordnet werden. Diese Ansprüche werden aufgrund ihrer Rechtsnatur in die genannten Kategorien eingeordnet. Die jeweiligen Anspruchstypen haben unterschiedlich prägende Merkmale. Letztere können im Tatbestand der betroffenen Vorschrift enthalten sein – so zum Beispiel das Verschuldensmerkmal und die Verletzung bestimmter absoluter Rechte in § 823 Abs. 1 BGB – oder die Rechtsfolgen eines Abschnitts prägen, wie zum Beispiel die im BGB einzigartige Möglichkeit in § 818 Abs. 3 BGB,493 sich gegenüber einem Anspruch mit dem Einwand der Entreicherung verteidigen zu können. Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ist durch eine bestimmte Rechtssituation geprägt – dem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz. Dies ist dem Grunde nach eine tatbestandliche Unterscheidung, die sich zugleich darin niederschlägt, dass der Abschnitt über das EigentümerBesitzer-Verhältnis im BGB verschiedenartige Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Rechtsfolgenanordnungen kennt – Herausgabe, Schadensersatz, etc.494 Je umfangreicher ein Rechtsfolgensystem in einem Abschnitt des BGB ausgestaltet ist, desto prägender kann es für den jeweiligen Abschnitt sein. Wenn die Regelungen in diesem Teil hingegen einer speziellen Lebenssachverhaltskonstellation Rechnung tragen, ist der Tatbestand für diesen Abschnitt kennzeichnend. So liegt es beispielsweise im Recht der § 47 3., S. 36; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 128; Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 20 f. 493 Gödicke, Bereicherungsrecht und Dogmatik, S. 175; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 208. Siehe auch Weiss, JuS 2012, 965, 969, der gar annimmt, § 818 Abs. 3 BGB enthalte die einzige Wertung des Bereicherungsrechts. 494 Zu den Verweisungen auf das EBV siehe in Kap. 4, § 2.
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Geschäftsführung ohne Auftrag. Deren Regelungen sollen eine bestimmte Situation, nämlich die, in der jemand, ohne dazu beauftragt zu sein, ein fremdes Geschäft führt, rechtlich ordnen.495 Bei Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte ist die Aussage, eine Rechtsfolgenverweisung führe nicht zu einer „Änderung der Rechtsnatur“ eines Anspruchs, in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Denn die Anordnung der Rechtsfolge ist ein prägender Teil eines jeden Anspruchs. Sie bestimmt die Rechtsnatur des Anspruchs mit. Wie stark ihr bestimmender Einfluss dabei ist, hängt davon ab, inwieweit sie kennzeichnende Besonderheiten enthält. Liegen die prägenden Merkmale hingegen auf der Tatbestandsebene, wird der Rechtscharakter maßgeblich hiervon bestimmt. Dieser Unterschied soll anhand der prägenden Merkmale des Deliktsrechts einerseits und des Bereicherungsrechts andererseits erläutert werden. a) Kennzeichnende Merkmale des Deliktsrechts Die Besonderheit des Deliktsrechts liegt im Rechtsgrund des Delikts – der Begehung der unerlaubten Handlung.496 Diese ist der Aspekt, an den der Gesetzgeber eine Wertung geknüpft hat, die das Schutzsystem des Geschädigten in den §§ 823 ff. BGB prägt. Die beiden zentralen Säulen des Deliktsrechts sind dabei die Verschuldens- sowie die Gefährdungshaftung.497 Die das Deliktsrecht prägenden Merkmale unterscheiden es von der vertraglichen Haftung einerseits und der bereicherungsrechtlichen Haftung andererseits.498 Wenn eine Verweisung im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Deliktsrecht verweist, wie es beispielsweise bei § 618 Abs. 3 BGB der Fall ist, dann bezieht sich diese Verweisung nicht auf den das Deliktsrecht prägenden Grund – die Begehung einer unerlaubten Handlung. Die Verweisung, die sich als Einzelverweisung ausschließlich auf die §§ 842– 846 BGB erstreckt, bezieht sich vielmehr auf Regelungen über den Umfang der Ersatzpflicht, die das Deliktsrecht nicht im Kern prägen. Eine Rechtsfolgenverweisung hierauf macht den Anspruch nicht zu einem deliktischen Anspruch.499 Im Schadensersatzrecht besteht zusätzlich die Besonderheit, dass einer Ausgangssituation (einer Schädigung und der daraus folgenden Ersatzpflicht) mit den §§ 249 ff. BGB im Vertrags- und im Deliktsrecht im Grunde dasselbe Rechtsfolgensystem zugeordnet wird. Diese Gleichbehandlung beruht darauf, dass es sich in beiden Fällen um Schadensersatzansprüche handelt. Insoweit besteht eine Parallele, die es recht495 Zu den Verweisungen auf die GoA siehe in Kap. 4, § 1. 496 Siehe zu diesem Grundgedanken v. Caemmerer, FS Rabel,
S. 333, 335, der den Grundgedanken für ausfüllungsbedürftig hält. 497 Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 54, S. 143 ff. 498 Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 54 IV., S. 149 f. 499 ErfK/Wank, § 618 BGB Rn. 30; Staudinger/Oetker, BGB, § 618 Rn. 304.
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fertigt, ihnen dasselbe Rechtsfolgensystem zuzuordnen. Die Gleichbehandlung wird durch die Regelung der §§ 249 ff. BGB im allgemeinen Teil des Schuldrechts erreicht.500 Das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Grundtypen von Ansprüchen ist demnach nicht deren Rechtsfolge, sondern der Aspekt, ob die Verletzungshandlung, die zu der Schädigung geführt hat, sich innerhalb eines Vertragsverhältnisses ereignet hat oder nicht. Die §§ 842–846 betreffen mit den §§ 842, 843 BGB lediglich den Haftungsumfang, ohne dabei charakteristische Elemente eines deliktischen Anspruchs zu haben. Sie überschneiden sich im Übrigen mit den §§ 249 ff.,501 die schon aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit nicht als den Rechtscharakter eines Abschnitts des besonderen Schuldrechts prägend eingeordnet werden können. Bei den §§ 844, 845 BGB handelt es sich dem Grunde nach um eigene Anspruchsgrundlagen des Dritten. Sie bestimmen dessen Ansprüche, wenn der eigentliche Gläubiger weggefallen ist, weil er verstorben ist. Dadurch führen diese Vorschriften den ursprünglichen Anspruch des Gläubigers fort und leiten ihn auf den Dritten über. Der Anspruch behält dabei seine Rechtsnatur. Eine Verweisung auf die §§ 844, 845 BGB sowie auf § 846 BGB, der in den Fällen der §§ 844, 845 BGB den Mitverschuldenseinwand regelt, verändert die Rechtsnatur des ursprünglichen Anspruchs somit nicht.502 Diese Struktur des Deliktsrechts zeigt, dass eine Rechtsfolgeregelung immer nur dann Auswirkungen auf die Bestimmung des Rechtscharakters hat, wenn sie diesen in besonderer Weise prägt. Sofern das charakteristische Element hingegen im Tatbestand enthalten ist, hat dieser einen größeren Einfluss auf den Rechtscharakter der jeweiligen Vorschrift und prägt diesen in der Konsequenz stärker.503 b) Kennzeichnende Merkmale des Bereicherungsrechts Das Bereicherungsrecht zeichnet sich insbesondere durch sein in den Einzelheiten ausgestaltetes Rechtsfolgensystem aus. Zwar wird das Bereiche500 Zur
insoweit vergleichbaren Funktion von allgemeinem Teil und Verweisung siehe Kap. 1, § 3 III. 1. 501 Zu der Frage, ob für die §§ 842–843 BGB überhaupt ein über die §§ 249 ff. BGB hinausgehender Anwendungsbereich besteht und zum Standort dieser Regelungen im Deliktsrecht MünchKommBGB/Wagner, § 843 Rn. 1 ff. 502 Hinzukommt, dass die Verweisung in § 618 Abs. 3 BGB anders strukturiert ist als die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht, weil sie keine Anspruchsgrundlage ist, sondern den Umfang der Rechtsfolge einer anderen Anspruchsgrundlage, nämlich des vertraglichen Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 Abs. 1 BGB, modifiziert (siehe AR/Kamanabrou, § 618 BGB Rn. 32; HWK/Krause, § 618 BGB Rn. 34). Dies unterscheidet die Verweisung strukturell von den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. 503 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 612 stellen insoweit fest: „Ein Rechtsbegriff ist nach dem zu benennen, was ihn charakterisiert.“.
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rungsrecht als gesetzlich spärlich geregelte Materie bezeichnet,504 im Vergleich zu anderen Bereichen des BGB außerhalb allgemeiner Teile enthält es jedoch ausdifferenzierte Rechtsfolgeregelungen. aa) Grundlagen des Bereicherungsrechts Die Grundlagen des Bereicherungsrechts sind in vielerlei Hinsicht umstritten. Zunächst herrscht Uneinigkeit über die Bedeutung der verschiedenen bereicherungsrechtlichen Kondiktionsarten. Die Diskussion betrifft die Frage, ob es sich bei § 812 Abs. 1 BGB dem Grunde nach um einen einheitlichen Bereicherungsanspruch mit unterschiedlichen Ursachen handelt (sog. Einheitslehren) oder ob hierin wesensverschiedene Tatbestände normiert sind, die auf unterschiedlichen Grundlagen basieren (sog. Trennungslehren). Die verschiedenen Ansichten in der Literatur lassen sich diesen beiden Grundpositionen zuordnen, sie unterscheiden sich jedoch in den Einzelheiten. Daher existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien zu dieser Frage.505 Der Konzeption des Bereicherungsrechts durch den historischen Gesetzgeber lag nach wohl unstreitiger Interpretation der Gesetzesmaterialien jedoch zumindest ein einheitliches Prinzip zugrunde, nach dem sich niemand zulasten eines anderen rechtsgrundlos bereichern darf.506 Der Gesetzgeber hat durchaus anerkannt, dass der ungerechtfertigten Bereicherung verschiedene Ursachen zugrunde liegen können und einige der möglichen Fälle als eigene Kondiktionstatbestände innerhalb des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung geregelt. Infolgedessen sollte indes auf Rechtsfolgenebene ursachenunabhängig das tatbestandlich vorausgesetzte unberechtigte Haben ausgeglichen werden.507 Eine getrennte Betrachtung zumindest der Leistungskondiktion einerseits und der Nichtleistungskondiktion andererseits ist inzwischen ganz überwiegend anerkannt und wird soweit ersichtlich flächendeckend zugrunde gelegt.508 Die weitere Differenzierung innerhalb der Nichtleistungskondiktion ist über die Anerkennung 504
Gödicke, Bereicherungsrecht und Dogmatik, S. 30. die zusammenfassenden Darstellungen bei Jahn, Der Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis, S. 11 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 3 ff. sowie die ausführl. Darstellung (u. a. der histor. Entwicklung) bei Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 84 ff., insbes. S. 287 ff. 506 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 190; Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 304 f. 507 Für die Interpretation des gesetzgeberischen Willens auf der Grundlage der Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 706 ff.: Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 190, 194. 508 Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, S. 34 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 6; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 665 (u. a. unter Hinweis auf die Übernahme der Unterscheidung durch die Rspr.); MünchKommBGB/Schwab, § 812 Rn. 44; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 16 f. Siehe die deutl. Bewertung bei Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 207. 505 Siehe
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der Eingriffskondiktion hinaus allerdings umstritten. Zudem herrscht Uneinigkeit über den Grund der Differenzierung in Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen. Einige sehen die Unterscheidung in die diversen Kondiktionsarten als verschiedene Ausprägung eines einheitlichen Herausgabeanspruchs an. Andere betonen dagegen den Vorgang stärker, der die irreguläre Vermögenslage herbeigeführt hat. Auf letzterer Grundlage werden die verschiedenen Kondiktionen streng voneinander getrennt.509 Durch die Entwicklung ursachenabhängiger Kondiktionstypen510 und damit einhergehend die Fokussierung auf den Bereicherungsvorgang hat die Betonung des unberechtigten Habens als Grundlage sämtlicher Bereicherungsansprüche zumindest in ihrer Allgemeingültigkeit Kritik erfahren.511 Dennoch scheinen die Anhänger der Trennungslehren überwiegend nicht zu leugnen, dass die verschiedenen, sowohl tatbestandlich als auch in der Anwendung und Auslegung der §§ 818 ff. BGB unterschiedlich zu behandelnden Kondiktionen dasselbe Ziel vor Augen haben, nämlich die Rückabwicklung eines ungerechtfertigten Vermögenserwerbs.512 Zu den verschiedenen Voraussetzungen, unter denen die Rückforderung nach den jeweiligen Tatbeständen möglich ist, kann auch eine den Eigenarten der jeweiligen Kondiktion entsprechende Modifikation in der Anwendung der §§ 818 ff. BGB erforderlich sein.513 Der Gesetzgeber hat den verschiedenen Kondiktionsarten ursprünglich jedoch dieselbe Rechtsfolge zugeordnet.514 Das Rechtsfolgensystem der §§ 818 ff. BGB wird auch weiterhin der Rückabwicklung zugrunde gelegt und sodann innerhalb der einzelnen Vorschriften in unterschiedlichem Umfang modifiziert, wie beispielsweise im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB bei der 509
Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 463 ff. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereichung; v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333 ff. 511 Flessner, Wegfall der Bereicherung, S. 107; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 203 f. (die Funktion des Bereicherungsrechts wandele sich je nach Ursache der Bereicherung); Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 454 f. 512 Musielak, JA 2017, 1 (als Aufgabe des Bereicherungsrechts); NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 1, 17; Thomale/Zimmermann, AcP 217 (2017), S. 246, 249 (Ausgleich unberechtigten Habens); deutl, auch MünchKomm/Lieb, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 4 (Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 426 ff. bezeichnet diese Lehren als vermittelnde, konstatiert abschließend [S. 732] aber gleichfalls, dass bis auf einige wenige Extrempositionen sämtliche Vertreter der Einheits- und Trennungslehren Elemente der jeweils anderen Lehre enthalten.). Wohl auch Gödicke, Bereicherungsrecht und Dogmatik, S. 173, 185 f. 513 So die eindringliche Forderung von Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 604 ff. 514 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 706 für die Fälle der Leistung und S. 707 für das damit vergleichbare ohne Leistung erlangte Etwas. Siehe dazu Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 115 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 190 f., 194; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 36 a. E. 510 Grundlegend
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Rückabwicklung rechtsgrundloser Leistungen. Die geforderten Modifikationen betreffen vor allem die Leistungskondiktion in ihrer Ausprägung als Rückabwicklung gescheiterter Vertragsverhältnisse.515 Den Verweisungstatbeständen, die auf das Bereicherungsrecht verweisen, liegen allerdings in vielen Fällen Nichtleistungskonstellationen und im Übrigen keine gescheiterten Vertragsbeziehungen zugrunde, die eine entsprechende Modifikation erforderlich machen könnten. Die verschiedenen Kondiktionen führen ferner im Ergebnis sämtlich zu einer Herausgabe des Erlangten und korrigieren auf diese Weise einen Vermögenserwerb, der nach den Vorgaben der Rechtsordnung nicht dauerhaft aufrechterhalten bleiben soll. Unabhängig von dem Umfang des Einflusses der verschiedenen Kondiktionstatbestände liegt hierin ein Grundgedanke des Bereicherungsrechts, der bei allen nicht zu leugnenden Unterschieden der verschiedenen Kondiktionstypen diese einheitlich prägt. bb) Fazit zu den Grundlagen und ihrer Auswirkung auf das Rechtsfolgensystem Eine nicht gerechtfertigte Vermögensverschiebung nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten, sondern das (ohne Rechtsgrund) Erlangte herausgeben zu müssen und dabei gegebenenfalls lediglich mit dem noch vorhandenen Vorteil zu haften, lässt sich in ein tatbestandsprägendes Element der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung516 und einer die Rechtsfolge prägenden Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung differenzieren. Das Rechtsfolgensystem des Bereicherungsrechts, in dessen Zentrum § 818 Abs. 3 BGB steht517, ist in den Einzelheiten für eine Vielzahl möglicher Gegebenheiten ausdifferenziert.518 Die Möglichkeit, sich in bestimmten Fällen auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen zu können, ist ein Alleinstellungsmerkmal des Bereicherungsrechts im Vergleich mit anderen Rückabwicklungssystemen. Vor diesem Hintergrund ist es ein prägendes Merkmal dieses Rechtsbereichs. Das System der 515
Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 321 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 604 ff. (siehe dort auch die Auswertung der Rspr. S. 199 ff., 201); Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 376 ff., 624. 516 Krit. Schäfer, Das Bereicherungsrecht in Europa, S. 454 f., der indes zusammenfassend dennoch festhält, die Varianten „Leistung“ und „in sonstiger Weise“ seien „alternative Bereicherungsmodi“ und basierten beide auf der rechtsgrundlosen Bereicherung auf Kosten eines anderen (S. 733). 517 Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 112; RGRK/Heimann-Trosien, § 818 Rn. 21; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 233. Schildt, JuS 1995, 953, 954 sieht in § 818 Abs. 3 BGB den wesentlichen Unterschied zur Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht; Weiss, JuS 2012, 965, 969 bezeichnet § 818 Abs. 3 BGB sogar als die einzig eigene Wertung des Bereicherungsrechts. 518 Dies schließt freilich eine Kritik am bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungssystem an sich ebenso wenig aus wie die gegebenenfalls erforderlichen Korrekturen.
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bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen ist, wie zu zeigen ist, in seiner Konzeption an sich konsistent und ausgewogen, auch wenn es nicht alle Einzelfälle erfassen kann. Die Orientierung des Wertersatzes an objektiven Maßstäben und die möglichen Haftungsverschärfungen nach den §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB sowie die unter bestimmten Voraussetzungen eröffnete Durchgriffsmöglichkeit auf Dritte gemäß § 822 BGB sind Eckpfeiler dieses Systems. Es charakterisiert das Bereicherungsrecht.519 Eine Verweisungsvorschrift, die sich auf dieses Rechtsfolgensystem bezieht und dieses dadurch inkorporiert, wird konsequenterweise hierdurch genauso geprägt wie das Bereicherungsrecht selbst. 2. Fazit zum Einfluss der Elemente einer Vorschrift auf ihren Rechtscharakter und dessen Auswirkung auf Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht Der Rechtscharakter einer Vorschrift wird aus dem Zusammenspiel seines Tatbestands und seiner Rechtsfolgen geprägt. Dabei kann eines der Elemente dominant sein, weil seine Merkmale die Vorschrift besonders kennzeichnen. Das Bereicherungsrecht wird neben den tatbestandlichen Besonderheiten, die die einzelnen Kondiktionstatbestände charakterisieren, entscheidend durch sein Rechtsfolgensystem geprägt.520 Wenn eine Vorschrift im Wege eines Rechtsfolgenverweises hierauf Bezug nimmt, wird die Verweisungsvorschrift in gleicher Weise durch dieses Rechtsfolgensystem geprägt wie ein Anspruch aus dem Abschnitt über die ungerechtfertigte Bereicherung. Dies spricht dafür, der Verweisungsvorschrift bereicherungsrechtlichen Charakter zuzuerkennen. Im Rahmen des Rechtsfolgensystems gegebenenfalls erforderliche Korrekturen sind von dem Weg, über den die §§ 818 ff. BGB zur Anwendung gelangen – über eine Anspruchsgrundlage der §§ 812 ff. BGB oder über eine Verweisungsvorschrift –, unabhängig.
II. Einfluss der besonderen Konzeption des Bereicherungsrechts auf die Einordnung der hierauf verweisenden Vorschriften Da dessen Rechtsfolgen das Bereicherungsrecht prägen, bestimmen sie in vergleichbarer Weise auch den Charakter der Vorschriften, die hierauf verweisen. Dies spricht für eine Einordnung der entsprechenden Verweisungsvorschriften als Kondiktionstatbestände. Das Bereicherungsrecht ist über 519 Für
die allg. Nichtleistungskondiktion Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 612 f. 520 Ausschließlich für die Nichtleistungskondiktion Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 612 f.
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seine Rechtsfolgen hinaus, wie zu zeigen ist, in einer Weise konzipiert, die die Existenz spezieller Kondiktionen außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung zulässt521 und die gefundenen Erkenntnisse dadurch bestätigt. 1. Prinzip der einheitlichen Rechtsfolge bei Tatbestandsvielfalt Die Verweisungsvorschriften, die auf das Bereicherungsrecht Bezug nehmen, entsprechen ihrer Konzeption nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts selbst. Die Anspruchsgrundlagen innerhalb des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung legen für verschiedene Lebenssachverhalte fest, dass eine erfolgte Vermögensverschiebung irregulär und daher nicht aufrecht zu erhalten ist. Sie geben die Grund-Rechtsfolge, die Herausgabe des Erlangten, für den jeweils von ihnen geregelten Fall vor. Die Einzelheiten der Herausgabe bestimmen sich sodann für sämtliche Kondiktionstatbestände grundsätzlich einheitlich nach den §§ 818 ff. BGB.522 Die Vorschriften, die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, haben dieselbe Struktur – sie sind in derselben Weise aufgebaut und haben den Sinn, die Wertungen des Bereicherungsrechts auf Ansprüche außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung zu übertragen.523 Die Verweisungsvorschriften ordnen stets eigenständig an, dass und warum eine erfolgte Vermögensverschiebung nicht dauerhaft aufrechterhalten bleiben soll. Sie begründen das unberechtigte Haben. Zugleich legen sie eigenständig fest, was aus diesem Grund herauszugeben ist. Die Rechtsfolge bestimmt sich in den Einzelheiten allerdings mithilfe der Anordnung durch die Verweisung einheitlich nach den Regeln des Bereicherungsrechts. Die Besonderheit des Bereicherungsrechts, an verschiedene Ausgangssituationen dem Grunde nach dieselbe Rechtsfolge zu knüpfen, ähnelt strukturell dem Vorgehen des Gesetzgebers, wenn er eine Rechtsfolgenverweisung schafft. Denn bei Rechtsfolgenverweisungen knüpft er an einen bestimmten Tatbestand eine Rechtsfolge, die originär zu einem anderen Tatbestand gehört. Auf diese Weise erhalten die verschiedenen Tatbestände ebenfalls dieselbe Rechtsfolge.524 Daher entsprechen Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht ihrer Struktur nach Bereicherungsansprüchen. 521 So i. E. auch Loyal, JZ 2012, 1102, 1103. 522 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte
Bereicherung, S. 115 f. Dabei werden allerdings seit der Akzentuierung der verschiedenen Kondiktionsarten in unterschiedlicher Form Differenzierungen in der Anwendung der §§ 818 ff. BGB gefordert: Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, S. 321 ff. (für die „Gegenleistungskondiktion“); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 190 ff. (m. w. Nachw. zu verschiedenen Konzepten zur Korrektur), 604 ff.; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 376 ff. 523 Zur Übertragung der Wertungen aufgrund der gleichen Rechtsfolge siehe Loyal, JZ 2012, 1102, 1103. 524 Siehe Budde, Jura 1984, 578, 579. Grundlegend zu der Möglichkeit, dass verschie-
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Die Grundkonzeption, die der Gesetzgeber dem Bereicherungsrecht dadurch geben wollte, dass er den Kondiktionen ursachenunabhängig dieselbe Rechtsfolge zugewiesen hat, spricht im Übrigen auch dafür, dass er die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sämtlich als Rechtsfolgenverweisungen konzipiert hat. Wenn der Grund des unberechtigten Habens für den Eintritt der Rechtsfolgen unerheblich ist, gibt es auch keine Veranlassung auf die Vorschriften zu verweisen, die diese Gründe regeln. Dieses Vorgehen wird freilich kritisiert, es liegt der Konzeption des Gesetzes allerdings zugrunde.525 2. Inhaltliche Nähe der Regelungsgegenstände Auch inhaltlich stehen nicht wenige der bisher untersuchten Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht den Kondiktionstatbeständen der §§ 812 ff. BGB nahe. Für die §§ 527 Abs. 1, 684 S. 1, 1301 S. 1 BGB ist ihre Nähe zur condictio ob rem nicht zuletzt wegen der entsprechenden Hinweise in den Materialien zum BGB anerkannt. In den Fällen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB verwirklicht sich der Grundgedanke der Eingriffskondiktion. Diese Vergleiche ließen sich in ähnlicher Weise für die anderen Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht ziehen. Die Vorschriften ähneln ihrem Grundgedanken nach mithin den originär bereicherungsrechtlichen Ansprüchen. Einige der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht werden abweichend von der hier vertretenen Einordnung als deklaratorische Verweisungen angesehen (z. B. die §§ 684 S. 1, 852 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 977 BGB526). Diese Einordnung setzt eine Entsprechung zu einem bereicherungsrechtlichen Kondiktionstatbestand voraus. Auch wenn dem nicht gefolgt werden kann,527 zeigt sich hieran jedoch, dass die Struktur der Verweisungsvorschriften denen bereicherungsrechtlicher Kondiktionstatbestände entspricht. Eine Einordnung als solche wäre andernfalls von vornherein abwegig. Die §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB mit ihren speziellen Herausgabeansprüchen zeigen ebenfalls deutlich, dass Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht mit bereicherungsrechtlichen Herausgabeansprüchen dene Tatbeständen dieselbe Rechtsfolge haben: Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 65 ff. 525 Siehe in diesem Kap. § 3 I. 1. b) aa). 526 Für § 684 S. 1 BGB Batsch, AcP 171 (1971), S. 218, 227; Gursky, AcP 185 (1985), S. 13, 40. Zu § 852 S. 1 BGB v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 394 f.; Seifert, NJW 1972, 1739, 1741. Zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB siehe ausführl. und mit entspr. Nachw. in diesem Kap. § 2 II. 1. Zu § 977 BGB wohl MünchKommBGB/Oechsler, § 977 Rn. 1. 527 Siehe dazu die Argumentation im Rahmen der Einzelanalysen in diesem Kap. in § 2.
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vergleichbar sind, da sie den bereicherungsrechtlichen Tatbeständen dem Grunde nach entsprechen. Sie sind lediglich leges speciales.528 3. Orientierung an externen Wertungen Ein weiteres den Tatbestand bereicherungsrechtlicher Ansprüche kennzeichnendes Merkmal ist die Orientierung an an anderer Stelle des Gesetzes getroffenen Wertungen.529 Die Frage, ob einer Leistung ein Rechtsgrund zugrunde liegt oder lag und weggefallen ist, ist beispielsweise eine außerhalb des Bereicherungsrechts zu entscheidende Frage. Erst wenn diese dort im Sinne eines fehlenden Rechtsgrundes beantwortet wurde, schließen sich die Regelungen des Bereicherungsrechts an. Wenn durch Verweisungsvorschriften festgelegt wird, dass eine Vermögensverschiebung nicht dauerhaft aufrechterhalten werden soll, ist dies mit der Systematik vergleichbar, nach der das Fehlen des Rechtsgrundes außerhalb des Bereicherungsrechts bestimmt wird. Insofern stimmt das Vorgehen mit dem des Bereicherungsrechts überein. 4. Kein Widerspruch zum Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit Typischerweise überwinden die Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht das Vorhandensein eines Rechtsgrundes. Da ein solcher in den meisten Fällen der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht vorliegt,530 bestehen keine Ansprüche gemäß den §§ 812 BGB auf Herausgabe des Erlangten. Über die Verweisungen werden demnach Fälle als solche eines unberechtigten Habens eingeordnet, die nach dem Bereicherungsrecht selbst nicht hierunter fallen. Die §§ 812 ff. BGB sind zwar dadurch gekennzeichnet, dass sie Vermögensverschiebungen rückabwickeln, für die kein Rechtsgrund besteht und die daher nicht dauerhaft aufrecht erhalten bleiben sollen. Daneben auch Vermögensverschiebungen als rückabwicklungsbedürftig anzusehen, obwohl hierfür ein Rechtsgrund besteht, ist dennoch nicht systemfremd. Denn die condictio ob rem nach § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB (und die §§ 817 S. 1 816 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn man diese als Fälle einer Kondiktion trotz vorhandenem Rechtsgrund ansieht, was freilich umstritten ist531) regelt einen Fall, in dem eine Vermögensverschiebung 528
Siehe jeweils in diesem Kap. § 2 II. 7. v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 343; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, § 47 1., S. 27 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 662; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 623 ff. (allerdings mit starken Einschränkungen); Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 1. 530 Siehe jeweils die Einordnung der einzelnen Verweisungsvorschriften in diesem Kap. in § 2. 531 Siehe dazu die Darstellungen bei MünchKommBGB/Schwab, § 816 Rn. 2 ff., § 817 Rn. 4 ff. 529
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
für rückabwicklungsbedürftig erachtet wird, obwohl ihr ein Rechtsgrund zugrunde liegt. In § 813 Abs. 1 BGB ordnet der Gesetzgeber in ähnlicher Weise eine Erweiterung an, da die Rückforderung in den hiervon geregelten Fällen ebenfalls trotz eines fortbestehenden Rechtsgrundes möglich sein soll, wenn die Schuld, auf die geleistet wurde, dauerhaft einredebehaftet ist. Die bestehende Einrede ersetzt in dieser Vorschrift das Merkmal des fehlenden Rechtsgrundes.
III. Abschließende Einordnung der Rechtsnatur von Vorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht Nach alledem handelt es sich bei den Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, um Kondiktionstatbestände im BGB außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung.532 Sie enthalten bereicherungsrechtliche Spezialregelungen, auf die die bereicherungsrechtlichen Grundprinzipien anwendbar sein müssen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Das Bereicherungsrecht bildet für diese Vorschriften, wenn man so will, einen allgemeinen Teil.533 Zwar hat das Bereicherungsrecht innerhalb des BGB nicht die Stellung eines allgemeinen Teils, durch die zahlreichen Verweisungen hierauf bekommt es aber eine vergleichbare Funktion. Das Wesen eines allgemeinen Teils liegt darin, für verschiedene spezielle Regelungen allgemeine Prinzipien zu etablieren.534 Dessen Regelungen kommen zur Anwendung, wenn die dort jeweils normierten Voraussetzungen vorliegen. Durch eine Vielzahl von Bereichsverweisungen auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung wird dasselbe bewirkt wie durch einen allgemeinen Teil – das Bereicherungsrecht gibt allgemeine Prinzipien vor, die für zahlreiche spezielle Tatbestände gelten. Da die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgeregelungen bereits aufgrund der jeweiligen Verweisung anwendbar sind und die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Vorschriften der §§ 812, 816, 817 BGB in den Fällen konstitutiver Rechtsfolgenverweisungen nicht vorliegen können, weil die Verweisung sonst eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung wäre, betrifft diese Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Regelungen ausschließlich die bereicherungsrechtlichen Einwendungen. Dieser These wird im Folgenden (§ 4 VIII.) nachgegangen. Trotz der Einordnung der Verweisungsvorschriften als Kondiktionstatbestände verlieren diese nicht den Charakter des Rechtsbereichs, aus dem 532 Siehe
Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 (Fn. 12). eine grundsätzliche Zuordnung der §§ 812 ff. BGB zum Allgemeinen Teil Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 9. Vgl. zudem den Ansatz von v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 679 ff. 534 Siehe ausführl. Kap. 1, § 3 III. 1. 533 Für
§ 3 Die Rechtsnatur von Verweisungsvorschriften
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sie kommen. Denn ihre Tatbestände, die den Rechtscharakter, wie gesehen, durchaus mitbestimmen, sind durch das Recht der Regelungsgruppe geprägt, in der die Vorschriften stehen. Wenn der jeweilige Anspruch, wie beispielsweise in § 852 S. 1 BGB, auf einem zuvor bestandenen deliktischen Anspruch basiert, kann dies für den Normcharakter ebenfalls bedeutsam sein. Ebenso kann ein bereicherungsrechtlicher Anspruch im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Sonderregelungen dieses Rechtsbereichs bestimmt werden. Nicht selten bestehen spezielle Einwendungen im Recht der Verweisungsvorschrift, die die Regelung einschränken oder ergänzen. Beispielhaft sei hier auf § 685 BGB hingewiesen, der die Verweisungsvorschrift § 684 S. 1 BGB einschränkt. Hierin liegt die Besonderheit der speziell geregelten Bereicherungsansprüche gegenüber den allgemeinen Regeln aus dem Abschnitt der ungerechtfertigten Bereicherung. Die Existenz einer lex specialis, die einer allgemeinen Regelung vorgeht, ist dem Grunde nach ein Regelfall im System eines Gesetzbuches. Die speziell normierten Voraussetzungen gehen in diesen Fällen stets der lex generalis vor, die allerdings ergänzend eingreift, wenn die spezielleren Vorschriften keine oder keine umfassenden Vorgaben machen. Auch für die Zuweisung eines einheitlichen Rechtsfolgensystems zu unterschiedlichen Tatbeständen finden sich im BGB Vorbilder. Insbesondere die für das gesamte Schuldrecht geltenden Regelungen über den Umfang von Schadensersatzpflichten in den §§ 249 ff. BGB geben ein einheitliches Rechtsfolgensystem für sämtliche Schadensersatzansprüche vor. Ihre Anwendbarkeit setzt dementsprechend voraus, dass es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt. Dabei sind sowohl vertragliche, quasi-vertragliche als auch deliktische Schadensersatzansprüche erfasst. Die systematische Besonderheit gegenüber diesen Fällen liegt im Fall der speziellen Kondiktionstatbestände außerhalb des Bereicherungsrechts darin, dass eine Anspruchsart in ein anderes Anspruchssystem integriert wird, obwohl diese Anspruchsarten im Gefüge der zivilrechtlichen Ansprüche eigentlich unterschieden werden. Die nähere Untersuchung der Struktur der Bereicherungsansprüche hat jedoch gezeigt, dass hierin kein systematischer Widerspruch liegt. Innerhalb des Anspruchsaufbaus einer zivilrechtlichen Prüfung ergeben sich hierdurch ebenfalls keine Probleme. Das Vorrangverhältnis zwischen vertraglichen, quasi-vertraglichen sowie dinglichen Ansprüchen wird durch die Verweisungsvorschriften nicht durchbrochen, da sich aus der Verweisungsvorschrift ergibt, dass beispielsweise ein Vertragsverhältnis als Rechtsgrund im Sinne der speziellen Kondiktion nicht beachtlich ist oder weil das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sich in dem Fall selbst für eine Anwendung der bereicherungsrechtlichen Regelungen öffnet.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Ähnlich wie es vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche gibt, existieren demnach auch deliktische, familienrechtliche, rücktrittsrechtliche oder durch einen anderen Rechtsbereich des BGB geprägte Bereicherungsansprüche. Das Bereicherungsrecht fungiert durch die systematische Verweisung auf diesen Rechtsbereich für sämtliche Kondiktionen, auch wenn sie außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung geregelt sind, wie ein allgemeiner Teil. Die §§ 818 ff. BGB werden auf die speziellen Kondiktionstatbestände erstreckt und gelten für diese in gleicher Weise wie die §§ 249 ff. BGB für sämtliche Schadensersatzansprüche und die §§ 346 ff. BGB für Rücktritte gelten.535 Hierin zeigt sich die Parallele der Regelungstechniken der Verweisung und des allgemeinen Teils eines Gesetzbuchs. § 249 Abs. 1 BGB ordnet seine Geltung und die der Nachfolgevorschriften für die Fälle an, in denen eine Verpflichtung zum Schadensersatz besteht. Durch diese Anordnung wird die Anwendung für alle Schadensersatzansprüche bestimmt. Dabei sind sämtliche Schadensersatzansprüche aus Schuldverhältnissen erfasst, weil die Regelung über deren Umfang im Allgemeinen Schuldrecht erfolgt. § 818 Abs. 1 BGB schließt sich und die nachfolgenden Vorschriften an eine Herausgabeverpflichtung an. Da er im Abschnitt über die ungerechtfertigte Bereicherung geregelt ist, bezieht er sich ausschließlich auf Herausgabeansprüche, die auf den in diesem Titel geregelten Anspruchsgrundlagen beruhen. Durch eine Verweisung auf die §§ 818 ff. BGB kann dieser Geltungsbereich in gleicher Weise auf sämtliche Kondiktionstatbestände ausgedehnt werden, wie es der Fall wäre, wenn die §§ 818 ff. BGB in einem allgemeinen Teil geregelt wären und sich auf sämtliche Kondiktionstatbestände bezögen, die eine Herausgabepflicht begründen. Für das Verjährungsrecht und die zivilprozessualen Regelungen über Gerichtsstände bedeutet die Einordnung als spezielle Kondiktionstatbestände, die durch das Recht der Verweisungsvorschrift geprägt sind, dass insoweit die Regelungen anwendbar sind, die für das Recht der Verweisungsvorschrift gelten. Wenn dort spezielle Verjährungsbestimmungen existieren, sind diese anwendbar. Gleiches gilt für spezielle Verjährungsanordnungen in den §§ 196 ff. BGB. Besteht für bestimmte Ansprüche ein besonderer Gerichtsstand, wie dies zum Beispiel in § 32 ZPO für Klagen aus unerlaubter Handlung oder gemäß § 27 ZPO für die Erbschaft der Fall ist, und verweist eine Vorschrift aus dem Recht der unerlaubten Handlungen oder aus dem Erbrecht im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Bereicherungsrecht (z. B. die §§ 852 S. 1, 2021 BGB), verliert der auf dieser Rechtsgrundlage eingeklagte Anspruch nicht seinen Ursprung. Der Anspruch nach § 852 S. 1 BGB resultiert weiterhin aus einer unerlaubten Handlung und der gemäß 535
Siehe zu den §§ 346 ff. BGB ausführl. in Kap. 3, § 2.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 199
§ 2021 BGB aus der Erbschaft. Denn tatbestandlich setzt der Anspruch nach § 852 S. 1 BGB eine vorangegangene unerlaubte Handlung voraus, durch die der Bereicherungsschuldner etwas erlangt haben muss. § 32 ZPO knüpft den besonderen Gerichtsstand an ebendiese unerlaubte Handlung. Für § 32 ZPO ist im Übrigen anerkannt, dass er nicht auf solche Ansprüche aus unerlaubter Handlung beschränkt ist, die Schadensersatzansprüche begründen.536 Dass der Anspruch gemäß § 852 S. 1 BGB als deliktischer Bereicherungsanspruch auf Herausgabe des Erlangten gerichtet ist, spielt demnach für § 32 ZPO keine Rolle. Dies gilt ebenso für § 2021 BGB, für den der Gerichtsstand des § 27 ZPO einschlägig ist537, da der Anspruch dem Grunde nach aus der Erbschaft resultiert, auch wenn es sich aufgrund der Verweisung um eine Kondiktion handelt.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht Die Untersuchung der Verweisungsvorschriften, die auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung Bezug nehmen, hat gezeigt, dass unter diesen Verweisungen zwei verschiedene Verweisungsarten anzutreffen sind – deklaratorische Rechtsgrund- und konstitutive Rechtsfolgenverweisungen. Während die deklaratorischen Verweisungen aufgrund ihrer bloß hinweisenden Wirkung keine Probleme hinsichtlich des Umfangs der anzuwendenden Vorschriften bereiten, ist der Umfang der aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen anwendbaren Regelungen des Bereicherungsrechts seit jeher problematisch. Dabei ist zum einen fraglich, welche Vorschriften infolge der Verweisung anwendbar sind. Da diese Anwendbarkeit bei Rechtsfolgenverweisungen denknotwendig nicht sämtliche Vorschriften des Abschnitts der ungerechtfertigten Bereicherung umfasst, ist zusätzlich problematisch, ob die Vorschriften dieses Abschnitts, die nicht schon aufgrund der Verweisung anwendbar sind, aus anderen Gründen für die Verweisungsvorschriften gelten. Im Rahmen der Untersuchung wurde bereits angedeutet, dass zumindest § 818 BGB, der den Umfang der Herausgabepflicht im Bereicherungsrecht regelt, von den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht umfasst und infolgedessen anwendbar ist. Einige der betrachteten Verweisungen erfolgen gerade, um dem jeweiligen Schuldner die Privile536 BGH
5.5.2011 − IX ZR 176/10, NJW 2011, 2518, 2519; BGH 20.3.1956 – I ZR 162/55 NJW 1956, 911, 912; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 32 Rn. 14; Zöller/Schultzky, ZPO, § 32 Rn. 5 ff., 18. 537 MünchKommZPO/Patzina, § 27 Rn. 7; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 27 Rn. 5.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
gierung des § 818 Abs. 3 BGB an die Seite zu stellen.538 Die Anwendbarkeit des § 818 BGB wird als Konsequenz aus einer Rechtsfolgenverweisung auch allgemein nicht in Frage gestellt. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen indes auch, dass die Verweisungsvorschriften mitunter so ausgestaltet sind, dass einzelne Absätze des § 818 BGB trotz vollumfänglicher Verweisung auf diese Vorschrift nicht zur Anwendung kommen. Die Verweisung läuft insoweit ins Leere. Dies steht jedoch einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 818 BGB nicht entgegen, da das Leerlaufen auf die Vorgaben der jeweiligen Verweisungsvorschrift zurückzuführen ist. Die Anwendbarkeit des § 818 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht wird im Folgenden dennoch anhand der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB kritisch überprüft. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eignet sich vor allem deshalb für eine kritische Prüfung der Anwendung des § 818 BGB aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht, da es an sich naheliegend wäre, im Rahmen des Rücktrittsrechts rücktrittsrechtliche Rückabwicklungsvorschriften anzuwenden. Der Gesetzgeber hat sich trotz alledem für eine Verweisung auf das Bereicherungsrecht entschieden. Über § 818 BGB hinaus hat sich ferner für einige Verweisungen auf das Bereicherungsrecht zumindest die Anwendbarkeit der §§ 819 Abs. 1, 822 BGB angedeutet, die im Folgenden zu überprüfen ist. Die weitere Analyse soll den Umfang einiger Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht ermitteln, um präzisere Aussagen über die infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht anwendbaren Regelungen treffen zu können (dazu im Folgenden unter I.‑VI.). Dazu werden die jeweils betrachteten Verweisungsvorschriften zunächst der Gruppe der Rechtsfolgenverweisungen zugeordnet. Anschließend wird untersucht, welche Vorschriften aus dem Abschnitt der ungerechtfertigten Bereicherung infolge der Verweisung anwendbar sind, dabei liegt der Schwerpunkt jeweils auf den in ihrer Anwendung problematischen Vorschriften der §§ 818 ff. BGB. Die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB werden gesondert unter VII. behandelt. Anhand der bisher noch nicht betrachteten Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht soll ferner die Erkenntnis, Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht stellten spezielle Kondiktionstatbestände außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung dar, gesichert werden. Dies bestätigte zugleich die These, der Abschnitt über die ungerechtfertigte Bereicherung wirke für die spe538
So bspw. § 682 BGB (siehe unter § 2 II. 4. c)), §§ 988, 993 BGB (siehe unter § 2 II. 7. c), d)) oder § 1301 S. 1 BGB (siehe unter § 2 II. 8. b) cc), c)). NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 20 mit Verweis auf das RG (RGZ 81, 204, 206); PWW/Prütting, § 812 BGB Rn. 18; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 20.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 201
ziellen Kondiktionstatbestände wie ein allgemeiner Teil.539 Auf der Grundlage einer solchen Erkenntnis ließe sich die Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Einwendungen auf die speziellen Kondiktionstatbestände begründen (dazu unter VIII.).
I. Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB infolge des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB § 346 Abs. 3 S. 2 BGB begründet nach der Vorgabe des Gesetzgebers eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.540 Die Formulierung der Verweisung unterscheidet sich in dieser Vorschrift allerdings deutlich von der in nahezu sämtlichen anderen Vorschriften, die auf das Bereicherungsrecht verweisen. Daher ist zunächst zu untersuchen, ob es sich bei § 346 Abs. 3 S. 2 BGB überhaupt um eine Verweisung auf das Bereicherungsrecht handelt (dazu unter 1.), welchen Charakter sie gegebenenfalls hat und welche Vorschriften des Bereicherungsrechts anwendbar sind, wenn es sich tatsächlich um eine Rechtsfolgenverweisung handelt. Die Untersuchung erstreckt sich dabei zwar der Vollständigkeit halber auf die §§ 818–820, 822 BGB, der Schwerpunkt liegt aber auf den §§ 818 Abs. 1–3, 819 Abs. 1 BGB, deren Anwendbarkeit sich infolge des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB als problematisch erweist (dazu unter 2.). 1. Verweisungscharakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB § 346 Abs. 3 S. 2 BGB begründet eine Herausgabepflicht des Rückgewährschuldners nach einem Rücktritt. Hierfür muss zunächst ein Fall des § 346 Abs. 3 S. 1 BGB vorliegen, das heißt, es muss ein wirksamer Rücktritt erfolgt sein (§ 346 Abs. 1 BGB). Sodann muss die Rückgewähr der Sache aus einem der in § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 BGB genannten Gründe nicht möglich und der Schuldner demnach grundsätzlich zum Wertersatz verpflichtet sein. Diese Wertersatzpflicht müsste ihrerseits nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB ausnahmsweise entfallen. Wenn in dieser Situation beim Schuldner der Rückgewährpflicht trotz des Untergangs o. ä. der Sache eine darüber hinausgehende Bereicherung verbleibt, begründet § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eine nicht näher spezifizierte Herausgabepflicht. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift setzen sich somit aus den Vorgaben des § 346 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB und einer verbleibenden Bereicherung beim Schuldner zusammen. Einige Stimmen in der Literatur lassen sich so interpretieren, dass das Erfordernis der Bereicherung kein Tat539
540
Siehe in diesem Kap. § 3. BT‑Drucks. 14/6040, S. 196.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
bestandsmerkmal des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist: So ist beispielsweise davon die Rede, um die bereicherungsrechtliche Haftung infolge der Rechtsfolgenverweisung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB auszulösen, „genüge (…) bereits das Eingreifen eines Ausschlusstatbestandes für die Wertersatzpflicht“.541 Dies legt nahe, dass die Herausgabepflicht ausschließlich durch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 346 Abs. 1, 2 und Abs. 3 S. 1 BGB ausgelöst würde. Welche Funktion das Erfordernis der Bereicherung hat, bleibt bei dieser Interpretation offen. Unklar bleibt die Funktion des Bereicherungserfordernisses ferner, wenn es bereits über den Ausschluss der Wertersatzpflicht des § 346 Abs. 3 BGB allein heißt, er eröffne ein „Einfallstor“ für den Entreicherungseinwand.542 Beide Aussagen lassen sich so verstehen, als sei das Vorliegen einer Bereicherung kein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Wenn dies der Fall wäre, wäre der Tatbestand des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB allerdings unvollständig, da der Gegenstand der Herausgabepflicht hierin tatbestandlich nicht festgelegt würde.543 Die Vorschrift wäre in dem Fall nicht handhabbar. Dies spricht dafür, in der „Bereicherung“ in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ein Tatbestandsmerkmal zu sehen. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB soll nach der Gesetzesbegründung eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht darstellen.544 Dem schließen sich Rechtsprechung und Literatur an.545 Der ausdrückliche gesetzgeberische Wille gibt diese Interpretation auch unzweifelhaft vor. Der Wortsinn des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist für die Frage, um welche Art der Verweisung es sich hierbei handelt, zunächst ähnlich wenig aussagekräftig wie bei anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Vielmehr noch ist § 346 Abs. 3 S. 2 BGB seiner Formulierung nach schwerlich überhaupt als Verweisung zu erkennen, da er anders als die meisten Verweisungen auf das Bereicherungsrecht nicht davon spricht, dass sich die Herausgabe, o. ä. „nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung“ voll541 MünchKommBGB/Gaier,
§ 346 Rn. 68; Peter, ZJS 2015, 270, 271. Jaeger, ZJS 2013, 327, 330. 543 Vgl. Jaeger, ZJS 2013, 327, 331 zu § 347 Abs. 2 S. 2 BGB: der Tatbestand des § 347 könne ohne Rückgriff auf das Bereicherungsrecht nicht „aufgelöst“ werden. 544 BT‑Drucks. 14/6040, S. 196. 545 BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 16); BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912; Annuß, JA 2006, 184, 188; AnwKomBGB/Hager, § 346 Rn. 56; BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 628; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 91 (m. w. Nachw. in Fn. 39); ders., AcP 206 (2006), S. 769, 796 f.; Gaier, WM 2002, 1, 10; Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 542; ders., ZJS 2013, 327, 330; Kaiser, JZ 2016, 151; Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 418 f.; ders., JZ 2002, 682, 685; Lorenz, NJW 2015, 1725, 1726; MünchkommBGB/ Gaier, § 346 Rn. 68; Peter, ZJS 2015, 270, 271; Riehm, JuS 2016, 351, 352; Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 149; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218; Thier, FS Heldrich, S. 439, 448. 542
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 203
ziehen soll. Der einzige Anknüpfungspunkt dafür, in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB überhaupt eine Verweisungsvorschrift zu sehen, ist die dortige Verwendung des Wortes „Bereicherung“ als Bezugspunkt der Herausgabepflicht. Da die Bereicherung jedoch in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ein Tatbestandsmerkmal sein muss, damit die Vorschrift einen vollständigen Tatbestand hat, ist mittels Auslegung der Vorschrift zu untersuchen, ob die Vorschrift zugleich eine Rechtsfolgenverweisung darstellt und die Vorgabe des Gesetzgebers daher anhand der geschaffenen Regelung nachvollziehbar ist (dazu im Folgenden unter b), c)). Das Tatbestandsmerkmal der Bereicherung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB müsste allerdings nicht ausgefüllt werden, wenn eine mögliche Verweisung in dieser Vorschrift deklaratorisch wäre. Der Rückgewährgläubiger hätte in diesem Fall einen Herausgabeanspruch gemäß den §§ 812 ff. BGB gegen den Rückgewährschuldner. Der Bereicherungsbegriff diente lediglich dazu, auf die (originäre) Geltung dieser Vorschriften hinzuweisen. Vor einer näheren Betrachtung des Bereicherungsbegriffs und seiner Funktion in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist daher die Frage nach dem deklaratorischen oder konstitutiven Charakter einer möglichen Verweisung in dieser Vorschrift zu beantworten. a) Deklaratorischer Charakter einer möglichen Verweisung Als deklaratorische Verweisung könnte § 346 Abs. 3 S. 2 BGB darauf hinweisen, dass in den in § 346 Abs. 1, 3 BGB geregelten Fällen ein verbleibendes erlangtes Etwas herauszugeben ist, weil § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB dies bestimmt. Dazu müssten die Voraussetzungen einer condictio ob causam finitam vorliegen. Da der Rücktritt nach ganz überwiegender Ansicht ausschließlich die primären Leistungspflichten ex nunc zum Erlöschen bringt,546 besteht der Rechtsgrund für die bereits erbrachten Leistungen fort, sodass mangels nachträglichem Wegfall des Rechtsgrundes kein Fall des § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB vorliegt. Die Voraussetzungen einer anderen Kondiktion des § 812 BGB liegen ebenfalls nicht vor. Insofern ist die Verweisung, wenn es sich um eine solche handelt, jedenfalls nicht deklaratorischer Natur. In der Verwendung des Begriffs der Bereicherung könnte allenfalls noch eine deklaratorische Verweisung nur auf § 818 Abs. 3 BGB liegen. Eine deklaratorische Verweisung auf § 818 Abs. 3 BGB ist jedoch bereits aus dem Grund ausgeschlossen, dass § 818 Abs. 3 BGB ohne eine Geltungsanordnung in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht anwendbar sein kann. Das Bereicherungsrecht als solches ist bei einer Rückabwicklung nach er546 BGH
vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 10); BT‑Drucks. 14/6040 S. 191; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 36; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 4. A. A. Kohler, Rückabwicklung, S. 23 ff.; Soergel/Lobinger, BGB, Vor § 346 Rn. 13 ff.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
folgtem Rücktritt ohne ausdrückliche anderweitige Anordnung nicht anwendbar.547 Da § 818 Abs. 3 BGB im Anschluss an die §§ 812–817 BGB geregelt ist und sich auf die Pflicht zur Herausgabe bezieht, gelten seine Regelungen nur für bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche. Auf andere Ansprüche ist § 818 Abs. 3 BGB nicht originär anwendbar. Es bedarf mithin einer Geltungsanordnung aus dem Rücktrittsrecht, um die bereicherungsrechtlichen Regelungen zur Anwendung gelangen zu lassen. Eine deklaratorische Verweisung hat grundsätzlich keine solche Wirkung.548 § 346 Abs. 3 S. 2 BGB kann daher nicht den Charakter einer deklaratorischen Verweisung haben. b) Rechtsgrundverweisung Als Rechtsgrundverweisung könnte § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hinsichtlich § 812 BGB lediglich partiell wirken, da aufgrund des bestehenden Rechtsgrundes eine wesentliche Voraussetzung des § 812 BGB – die Rechtsgrundlosigkeit – in seinen gegebenenfalls einschlägigen Varianten nicht vorliegt. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB enthält allerdings im Zusammenspiel mit den sonstigen Regelungen der §§ 323, 346 BGB sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen, nach denen eine Herausgabepflicht begründet ist. Daher erscheint es nicht sachgerecht, unter Ausklammerung des Merkmals der Rechtsgrundlosigkeit, hierin eine partielle Rechtsgrundverweisung auf § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB zu sehen.549 c) Rechtsfolgenverweisung Wenn nun § 346 Abs. 3 S. 2 BGB durch die Verwendung des Begriffs der Bereicherung auf Tatbestandsebene keine Rechtsgrundverweisung begründet, könnte hierin schließlich – im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers und der Interpretation durch die herrschende Meinung – eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht liegen. Da der Bereicherungsbegriff auf Tatbestandsebene aber ebenfalls ausgefüllt werden muss, kann die Vorschrift nur als Rechtsfolgenverweisung zu verstehen sein, wenn entweder dem Bereicherungsbegriff oder der in ihm liegenden Rechtsfolgenverweisung eine Doppelfunktion zukommt. Der Begriff der Bereicherung könnte eine doppelte Funktion als Tatbestandsmerkmal einerseits und als Rechtsfolgenverweisung hinsichtlich des Umfangs der Herausgabe andererseits haben.550 Dabei wäre zunächst 547 So die ganz h. M., für alle Erman/Röthel, BGB, Vor §§ 346–354 Rn. 1; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 2; Jaeger, AcP 215 (2015), S. 533, 542; Palandt/Sprau, BGB, Einf. v. § 812 Rn. 6, § 812 Rn. 26. A. A. Kohler, AcP 208 (2008), S. 417 ff. 548 Siehe zur Wirkung deklaratorischer Verweisungen in Kap. 1, § 2 II. 549 Siehe BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 628. 550 So BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 634.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 205
zu ermitteln, ob eine Bereicherung vorliegt. Der Umfang einer aufgrund dessen bestehenden Herausgabepflicht richtete sich sodann nach den Rechtsfolgeregelungen des Bereicherungsrechts. Der Inhalt des Bereicherungsbegriffs könnte bei einer derartigen Interpretation entweder in derselben Weise bestimmt werden, wie im Rahmen der §§ 1434, 1457 BGB, das heißt, angenähert an den Begriff des erlangten Etwas,551 oder er könnte anhand der Grundsätze zu bestimmen sein, die § 818 Abs. 3 BGB zugrunde liegen. Ein zu dieser Konstruktion alternatives Konzept läge darin, in der Verwendung des Bereicherungsbegriffs in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ausschließlich eine Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 818 ff. BGB zu sehen. Diese Rechtsfolgenverweisung hätte eine doppelte Funktion, da mithilfe der in Bezug genommenen Vorschriften des Bereicherungsrechts zugleich – das heißt in einem Schritt – der Gegenstand sowie der Umfang der Herausgabe bestimmt würden. In dem Fall handelte es sich um eine Bereichsverweisung im Tatbestand, die sich allerdings auf die Rechtsfolgen eines anderen Vorschriftenkomplexes bezöge. Seiner Struktur nach wäre § 346 Abs. 3 S. 2 BGB bei einer derartigen Interpretation sicher einzigartig im BGB. aa) Doppelfunktion des Bereicherungsbegriffs Der Begriff der Bereicherung ist im BGB nicht definiert. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf eine Legaldefinition verzichtet, um Literatur und Praxis insoweit nicht „vorzugreifen“.552 Ungeachtet dessen entstammt der Begriff der Bereicherung im BGB jedoch dem Bereicherungsrecht, genauer dem Titel der „Ungerechtfertigten Bereicherung“. Für diesen Bereich des BGB ist der Begriff charakteristisch.553 Diese Bedeutung könnte, auch ohne dass hierin eine Legaldefinition liegt, dazu führen, dass die Verwendung des Begriffs an anderer Stelle des Gesetzes eine Verweisung auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung darstellt.554 Die §§ 1434, 1457 BGB haben gezeigt, dass dies nicht zwingend der Fall ist. Sie verwenden den Begriff „bereichert“ auf Tatbestandsebene, verweisen aber dadurch nicht auf das Bereicherungsrecht.555 Die Begriffsbestimmung orientiert sich lediglich an bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Es ist zu klären, ob dieses Ergebnis auf § 346 Abs. 3 S. 2 BGB übertragbar ist oder ob Letzterer eine andere Systematik hat. 551
Siehe dazu in diesem Kap. § 2 II. 6. a).
552 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 837. 553 Wenn er auch nicht mehr als Zentralbegriff
und Anknüpfungspunkt der primären Herausgabepflicht angesehen wird: MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125. 554 So könnte man z. B. Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 432 (Fn. 57) verstehen, wenn er meint, die Bereicherung sei „nach Maßgabe des § 818 Abs. 3“ zu bestimmen. 555 Siehe in diesem Kap. § 2 II. 6. a).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
(1) Bereicherungsbegriff Die §§ 1434, 1457 BGB statuieren zusätzlich zu dem Tatbestandsmerkmal der Bereicherung eine eindeutige Verweisung auf das Bereicherungsrecht. In ihren jeweiligen Tatbeständen wird die Frage nach dem Vorliegen einer Bereicherung unter Rückgriff auf die Grundsätze des Bereicherungsrechts bestimmt.556 Eine Bereicherung ist dabei in allem zu sehen, was das Gesamtgut erlangt hat.557 Ein derartiges Verständnis der Vorgabe einer Bereicherung orientiert sich an den Begrifflichkeiten der Leistungskondiktion nach § 812 BGB und stimmt nicht mit dem Prüfungsprogramm überein, das im Rahmen der §§ 818 ff. BGB in deren originären Anwendungsbereich vorzunehmen ist.558 Ob eine Bereicherung vorliegt, wird in § 818 Abs. 3 BGB nach wirtschaftlichen Maßstäben bestimmt.559 Im Wesentlichen erfolgt eine vergleichende Betrachtung der ursprünglichen Vermögenslage mit der zum Zeitpunkt der Herausgabepflicht, wobei das Aktivvermögen die Passivposten übersteigen muss, damit eine Bereicherung vorliegt.560 Da zuvor bereits im Rahmen der §§ 812–817 BGB der primäre Bereicherungsgegenstand ermittelt wurde, geschieht dies nur noch durch einen Abzug bestimmter Positionen von dieser ursprünglich ermittelten Bereicherung.561 Ein derartiger Vergleich wird im Rahmen der Herausgabepflicht gemäß den §§ 1434, 1457 BGB erst bei der Prüfung des Umfangs des Herausgabeanspruchs vorgenommen. Der Gesetzgeber hat hierfür gezielt eine zusätzliche Geltungsanordnung der Rechtsfolgeregelungen des Bereicherungsrechts eingefügt. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB erfordert in gleicher Weise wie die §§ 1434, 1457 BGB tatbestandlich eine Bereicherung. Dies spricht zunächst dafür, ihn tatbestandlich in derselben Weise zu interpretieren wie die §§ 1434, 1457 BGB. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB fehlt im Unterschied zu den vorbenannten Regelungen jedoch die ausdrückliche Verweisung auf das Bereicherungsrecht, durch die der Umfang der Herausgabepflicht näher bestimmt wird. Dies spricht dagegen, ihn in derselben Weise zu verstehen wie die vorbenannten familienrechtlichen Regelungen. 556 BeckOK BGB/Siede, § 1434 Rn. 2; Staudinger/Thiele, BGB § 1434 Rn. 4. Wohl auch Dölle, Familienrecht, § 71 I. 3., wenn er die Bereicherung mit „(die §§ 818 f. BGB)“ beschreibt. 557 MünchKommBGB/Kanzleiter, § 1457 Rn. 1. 558 Siehe zur Frage, wo die „Bereicherung“ in den Vorschriften des Bereicherungsrechts zu verorten ist z. B. Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 311 ff.; Larenz, FS v. Caemmerer, S. 209, 212 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 254 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff. 559 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 32; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 41. 560 Palandt/Sprau, BGB, § 818 Rn. 28. 561 MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 40 ff.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 207
Die Rechtsprechung handhabt § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dennoch in einer Weise, die an die Interpretation des Bereicherungsbegriffs in den §§ 1434, 1457 BGB erinnert. Der BGH ordnet § 346 Abs. 3 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung ein.562 Zur Funktionsweise der Verweisung musste er sich bisher nicht im Einzelnen äußern. In seiner letzten Entscheidung zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hat sich der Gerichtshof jedoch mit der Frage beschäftigt, ob beim Rückgewährschuldner eine herausgabefähige Bereicherung vorlag. Dies hat er verneint, da der Rückgewährschuldner seiner Ansicht nach nichts erlangt hatte, das er hätte herausgeben können.563 Der Rückgewährschuldner habe nur dann im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB etwas erlangt, wenn dieses „sich auf Grund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert“ habe „und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage“ eintrete.564 Der BGH verweist bezüglich dieser Definition interessanterweise ausgerechnet auf seine umstrittene Rechtsprechung im sogenannten „Flugreise-Fall“.565 An dieser wird insbesondere die fehlende klare Differenzierung zwischen dem auf tatbestandlicher Ebene erlangten Etwas und der, im Bereicherungsrecht erst im Rahmen der Rechtsfolgenanordnung relevanten Frage nach einer verbleibenden Bereicherung kritisiert.566 Diese Problematik entsteht im Bereicherungsrecht, weil das erlangte Etwas als primärer Bereicherungsgegenstand nach inzwischen herrschender Ansicht in den §§ 812 ff. BGB gegenständlich zu verstehen ist.567 Die §§ 818 ff. BGB betreffen dagegen den sekundären Bereicherungsgegenstand, das heißt, sie regeln Fälle, in denen es einen primären Bereicherungsgegenstand gibt oder gab, der als solcher nicht mehr (vollständig) herausgegeben werden kann oder der nicht oder nur zu einer verminderten Vermögensmehrung beim Bereicherungsschuldner geführt hat. Die Ausführungen des BGH lassen für § 346 Abs. 3 S. 2 BGB einerseits keine klare Trennung zwischen der Bestimmung des primären Bereicherungsgegenstandes und der sich anschließenden Festlegung des Anspruchsumfangs, in deren Rahmen zu fragen ist, ob noch eine Bereicherung 562 BGH
vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 16); BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912. 563 BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 19). 564 BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 19). 565 BGH vom 7.1.1971 – VII ZR 9/70, NJW 1971, 609, 610 f. 566 Siehe für diese Kritik nur Canaris, JZ 1971, 560, 561; Fervers/Gsell, NJW 2013, 3607, 3610; Gursky, JR 1972, 279, 280 ff.; Lieb, NJW 1971, 1289 ff.; Looschelders, Schuldrecht BT, § 54 Rn. 5; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 226; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 65. 567 v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 368; Fervers/Gsell, NJW 2013, 3607, 3610; Jaeger, ZJS 2013, 327; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 254 f.; Lieb, AcP 209 (2009), S. 164, 169; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 125 ff.; Staudinger/Kaiser, BGB Vorbem. zu §§ 346–354 Rn. 28; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 65. A. A. Flume, FS BGH, Bd. 1, S. 525, 528 ff.; ders., GS Knobbe-Keuk, S. 111 ff.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
verblieben ist, erkennen. Dies entspricht dem Aufbau des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, der nicht mehr bestimmt, als dass eine verbleibende Bereicherung herauszugeben ist. Der BGH prüft andererseits aber nicht konsequent nur das Vorliegen einer Bereicherung ohne Anknüpfung an den Begriff des erlangten Etwas. Die §§ 1434, 1457 BGB sind, obwohl sie eine Bereicherung des Gesamtguts als Bereicherungsgegenstand bestimmen, ihrer Struktur nach mit der des Bereicherungsrechts vergleichbar: Der Bereicherungsbegriff dient in ihrem Tatbestand lediglich dazu, den primären Bereicherungsgegenstand festzulegen, durch die zusätzliche Verweisung auf das Bereicherungsrecht wird anschließend sekundär der Umfang der Herausgabepflicht bestimmt. Die Struktur des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB weicht hiervon ab. Im Rücktrittsrecht ist nach § 346 Abs. 1 BGB primär der ursprüngliche Leistungsgegenstand zurückzugewähren. Insoweit stimmt § 346 Abs. 1 BGB mit dem Bereicherungsrecht überein.568 In den Fällen, die § 346 Abs. 3 S. 2 BGB regelt, ist jedoch bereits durch § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB bestimmt, dass ausnahmsweise keine Rückgewähr zu erfolgen hat. Eine Herausgabepflicht besteht daher grundsätzlich nicht. Die primär bestehende Pflicht ist dadurch entfallen. Dies belastet den Rückgewährgläubiger, dessen wechselseitige Rückgewährpflicht fortbesteht, obwohl sein Rückgewährgegner von seiner Pflicht befreit ist. Wenn beim Rückgewährschuldner allerdings eine Vermögensmehrung verbleibt, soll die Belastung des Rückgewährgläubigers zumindest dadurch ausgeglichen werden, dass dieser Vermögensüberschuss an ihn herauszugeben ist. Die primäre Rückgewährpflicht des Schuldners wird durch das System des § 346 Abs. 1–3 S. 1 BGB demnach umfassend bestimmt. Der Herausgabeanspruch nach § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hat daneben lediglich – wenn man so will, sekundär – die Funktion, dem Rückgewährgläubiger in den Fällen einen Anspruch gegen den Schuldner zu gewähren, in denen dessen Vermögen gemehrt ist.569 Die Risikoverteilung, die § 346 Abs. 1–3 S. 1 BGB bestimmt, soll den Rückgewährschuldner zwar entlasten, aber zugleich auch nicht mehr als dadurch bewirkt bevorteilen. Dafür erscheint es sachgerecht, zu prüfen, ob der Rückgewährschuldner in dieser Situation in dem Sinne bereichert ist, dass er im Vergleich zu seiner Vermögenslage vor dem Vertragsschluss nunmehr einen Vermögensüberschuss hat. Dies ist sinnvollerweise anhand einer Gesamtbetrachtung der den Leistungsgegenstand betreffenden Vermögenslage und nicht nur unter Berücksichtigung der dem Schuldner zugeflossenen Posten zu beurteilen. Dies 568 Jaeger, ZJS 2013, 327. 569 Teilweise wird sogar
nicht von einer sekundären sondern einer tertiären Funktion gesprochen: BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 627; Peter, ZJS 2015, 270 („auf der dritten Stufe“).
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 209
spricht dafür, seine Bereicherung mithilfe des Maßstabs des § 818 Abs. 3 BGB zu ermitteln. (2) Sinn einer Rechtsfolgenverweisung Der Bereicherungsbegriff kann nach alledem in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nur in derselben Weise zu verstehen sein, wie in § 818 Abs. 3 BGB. Die im Rahmen letzterer Vorschrift relevanten Posten müssen daher bereits im Tatbestand des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zur Ermittlung einer Bereicherung berücksichtigt werden.570 Wird der Gegenstand der Herausgabe bereits anhand der §§ 818 ff. BGB ermittelt, ist fraglich, welche Bedeutung § 818 Abs. 3 BGB auf Rechtsfolgenseite aufgrund einer Verweisung auf das Bereicherungsrecht noch haben sollte. Die in seinem Rahmen relevanten Aspekte sind vielmehr schon auf tatbestandlicher Ebene relevant. Eine Entreicherung kann auf Rechtsfolgenseite gar nicht mehr eintreten, da für den Fall, dass ihre Voraussetzungen vorliegen, schon tatbestandlich keine Bereicherung bestünde. Für § 818 Abs. 3 BGB wäre auf Rechtsfolgenebene höchstens dann noch ein Anwendungsbereich eröffnet, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln wäre, ob eine Bereicherung vorliegt. Danach eintretende Gesichtspunkte, die zu einer Entreicherung führen können, würden dann nicht mehr tatbestandlich für das Vorliegen einer Bereicherung, sondern gemäß § 818 Abs. 3 BGB für den Umfang der Herausgabe relevant. Auf Tatbestandsebene wäre zu einem bestimmten Zeitpunkt die Bereicherung zu ermitteln und auf Rechtsfolgenseite anhand desselben Maßstabs zu prüfen, ob sie über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.571 Mögliche frühere Zeitpunkte zur Bestimmung einer verbleibenden Bereicherung des Schuldners im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, die noch Raum für eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB auf Rechtsfolgenseite ließen, wären der des Zugangs der Rücktrittserklärung, der des Untergangs des ursprünglichen Leistungsgegenstandes oder der des Entstehens der Wertersatzpflicht. Der Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung nach § 349 BGB eignet sich schon deshalb nicht für eine Anknüpfung, weil der Rückgewährschuldner spätestens ab Kenntnis des Rücktritts (aufgrund der Rücktrittserklärung) bösgläubig im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB ist und sich im Rahmen des Haftungsumfangs somit ohnehin nicht mehr auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen könnte.572 Die Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB brächte ihm keinen Vorteil, solange auch § 819 Abs. 1 570 So BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 638. 571 BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 640. 572 Zum
Grundsatz, dass nach Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit kein Berufen auf § 818 Abs. 3 BGB mehr möglich ist: BGH vom 26.10.1978 – VII ZR 202/76, BGHZ 72, 252, 255 f.; BGH vom 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 150. Zu etwaigen Einschränkungen siehe ausführl. Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 52.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
BGB anwendbar wäre, was nach herrschender Meinung infolge des Rechtsfolgenverweises in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB der Fall ist.573 § 818 Abs. 3 BGB liefe damit – über den Umweg des § 819 Abs. 1 BGB – faktisch leer. Möglich wäre daher noch eine Anknüpfung an den Zeitpunkt des Untergangs des ursprünglichen Leistungsgegenstandes als in vielen Fällen frühestmöglichem Zeitpunkt oder an den, in dem die Wertersatzpflicht entsteht. Infolge eines Rücktritts entsteht beim Untergang des zurückzugewährenden Gegenstandes zunächst unabhängig davon, ob der Rückgewährschuldner entreichert ist, eine Wertersatzpflicht.574 Erst wenn diese ausnahmsweise und aus einem anderen Grund als einer Entreicherung entfällt, spielt gemäß § 346 Abs. 3 S. 2 BGB die Frage nach einer verbleibenden Bereicherung eine Rolle. Die Wertersatzpflicht soll in dem Moment entstehen, in dem die Rückgewähr der ursprünglich empfangenen Leistung unmöglich wird.575 Da die Wertersatzpflicht die Pflicht zur gegenständlichen Herausgabe ersetzt, die gegenständliche Rückgewährpflicht aber nach herrschender Meinung nicht vor Ausübung des Rücktritts besteht,576 kann der Zeitpunkt des Untergangs der Sache für das Entstehen der Wertersatzpflicht nur dann relevant sein, wenn er der Rücktrittserklärung zeitlich nachfolgt.577 Liegt der Zeitpunkt des Untergangs des ursprünglichen Leistungsgegenstandes dagegen vor der Erklärung des Rücktritts, entsteht die Wertersatzpflicht erst mit der Ausübung des Rücktritts. Ab diesem Zeitpunkt würde sodann indes wieder § 819 Abs. 1 BGB eingreifen und ein Berufen auf § 818 Abs. 3 BGB ausschließen. Das Vorliegen einer Bereicherung wäre daher tatbestandlich sinnvollerweise zum Zeitpunkt des Untergangs des eigentlichen Rückgewährgegenstandes zu ermitteln. In dem Fall verbliebe auf Rechtsfolgenseite, das heißt zur Ermittlung des Umfangs des Herausgabeanspruchs, ein Anwendungsbereich für § 818 Abs. 3 BGB. Diese Lösung hätte jedoch einen entscheidenden Nachteil: Wenn zum Zeitpunkt des Untergangs zu ermitteln wäre, ob eine Bereicherung vorliegt, könnten solche Vermögensmehrungen des Rückgewährschuldners nicht mehr als Bereicherung erfasst werden, die nach diesem Zeitpunkt eintreten. 573
Siehe dazu sogleich unter 2. e). Bereicherungsrecht entsteht gemäß § 818 Abs. 2 BGB ebenfalls eine Wertersatzpflicht, die jedoch bei einem ersatzlosen Untergang der Sache durch § 818 Abs. 3 BGB aus demselben Grund nicht mehr zu erfüllen ist, wie die Pflicht zur gegenständlichen Herausgabe. 575 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 168. 576 Erman/Röthel, BGB, Vor § 346 Rn. 1; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 1. A. A. Hager, FS Musielak, S. 195, 198 ff. 577 Für das Entstehen einer Wertersatzpflicht beim Untergang nach Rücktrittserklärung: BT‑Drucks. 14/6040, S. 194; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 132. A. A. Giesen, GS Heinze, S. 233, 234 ff., nach dem der Wertersatz für Störungen vor Erklärung des Rücktritts greift. Danach bestehe ein Schadensersatzanspruch nach § 346 Abs. 4 BGB. 574 Im
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 211
Dies gilt insbesondere für Surrogate, die der Rückgewährschuldner anstelle des untergegangenen ursprünglichen Leistungsgegenstandes erhält. Diese sollen indes nach allgemeiner Ansicht als Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anzusehen sein.578 Der Rückgewährgläubiger, der durch § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gerade geschützt werden soll, würde ohne ersichtlichen Grund benachteiligt, wenn nachträglich erlangte Surrogate nicht als Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB erfasst werden können. Ob eine Bereicherung vorliegt, muss vielmehr so spät wie möglich ermittelt werden, um sämtliche Vorteile zu erfassen, die der Rückgewährschuldner in Zusammenhang mit dem ursprünglichen Leistungsgegenstand erlangt. Dies bedeutet zugleich, dass für die Anwendung der §§ 818 ff. BGB auf Rechtsfolgenseite kein Raum ist, weil auf Tatbestandsebene bereits sämtliche Aspekte als für die Bereicherung relevant heranzuziehen sind. Eine mehrfache Berücksichtigung der §§ 818 ff. BGB wäre wenig sinnvoll. Eine dies bewirkende Auslegung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist demnach sowohl unter teleologischen als auch unter systematischen Gesichtspunkten nicht angezeigt. bb) Doppelfunktion der Rechtsfolgenverweisung Eine Interpretation des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung ist demnach nur möglich, wenn die Verweisung selbst in dieser Vorschrift eine Doppelfunktion hat, indem sie sowohl den Gegenstand der Herausgabepflicht als auch gleichzeitig deren Umfang bestimmt. Den Umfang eines Anspruchs auf tatbestandlicher Ebene vollständig zu bestimmen, ist im BGB nicht zwingend, aber auch nicht ungewöhnlich. Das Bereicherungsrecht bestimmt den Umfang des Herausgabeanspruchs grundsätzlich auch bereits auf tatbestandlicher Ebene – in Form des primären Bereicherungsgegenstandes. Die §§ 818 ff. BGB bestimmen lediglich den sekundären Bereicherungsgegenstand, wenn der primäre nicht herausgegeben werden kann (z. B. durch § 818 Abs. 1, 2 BGB), oder begrenzen den ursprünglichen Anspruch in bestimmten Fällen (so in § 818 Abs. 3 BGB). Im Bereicherungsrecht kommt § 818 Abs. 3 BGB eine subsidiäre Begrenzungsfunktion zu,579 da primär die Herausgabe des Erlangten geschuldet ist, ohne dass dabei der Umfang der Herausgabepflicht begrenzt ist. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB betrifft von vornherein nur den Fall, dass der ursprünglich zurückzugewährende Gegenstand nicht herausgegeben werden kann. Der Schuldner muss in diesen Fällen grundsätzlich Wertersatz leisten (§ 346 Abs. 2 BGB), diese Pflicht entfällt jedoch nach § 346 Abs. 3 S. 1 578 BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 17 ff.); BeckOGK/ Schall, § 346 BGB Rn. 638; Kaiser, JZ 2016, 151, 152, 154; Riehm, JuS 2016, 351, 353. 579 Siehe dazu v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 381 (konkret zur Ersparnis von Aufwendungen); Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 311 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 255; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 127.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Nr. 1–3 BGB. Das Schicksal des primär herauszugebenden Leistungsgegenstandes ist dadurch abschließend bestimmt. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB kann daher nicht nur einen bestehenden Anspruch begrenzen,580 er muss auch zunächst einen eröffnen. Er ist als solcher, das heißt bezogen auf die ursprüngliche Rückgewährpflicht des Schuldners, ein Sekundäranspruch.581 Allerdings ist er kein sekundärer Bereicherungsanspruch, da die primäre Rückgewährpflicht nach § 346 Abs. 1 BGB keine bereicherungsrechtliche ist. Bei der zurückzugewährenden Leistung handelt es sich demgemäß aus Sicht von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht um den primären Bereicherungsgegenstand. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB erfüllt zugleich die Funktion des § 812 BGB als auch die der §§ 818 ff. BGB, indem er einen Bereicherungsanspruch eröffnet, diesen aber von vornherein auf die vorhandene Bereicherung beschränkt. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt damit zugleich tatbestandlich bereits, was im Rahmen der §§ 812 ff. BGB und der §§ 1434, 1457 BGB erst durch die §§ 818 ff. BGB ermittelt wird – den Umfang einer verbleibenden Bereicherung. Wenn im Tatbestand der Vorschrift bereits bestimmt wird, ob und in welchem Umfang der Rückgewährschuldner noch bereichert ist, wird diese Bestimmung auf Rechtsfolgenebene obsolet. Mit dem Gegenstand der Herausgabe wird vielmehr auf diese Weise zugleich deren Umfang bestimmt. Gleichzeitig gibt § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, ebenso wie die bereicherungsrechtlichen Kondiktionstatbestände, vor, dass die Vermögensmehrung unberechtigt ist und dient der Abschöpfung des dadurch beim Rückgewährschuldner entstandenen Vorteils.582 § 346 Abs. 3 S. 2 BGB stellt demnach einen speziellen Kondiktionstatbestand dar, obwohl er anders als die bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen im Tatbestand eine Bereicherung voraussetzt. Der Umfang der Herausgabepflicht ist damit zugleich anhand der Regelungen des Bereicherungsrechts bestimmt. d) Fazit zum Verweisungscharakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist im Einklang mit dem gesetzgeberischen Willen und der Einordnung durch Rechtsprechung und Literatur als Rechtsfolgenverweisung anzusehen. Die Vorschrift hat jedoch eine spezifische Struktur, die sie von anderen Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht unterscheidet. Die Rechtsfolgenverweisung erfolgt in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB im Tatbestand und hat dadurch eine doppelte Funktion. Sie ermöglicht es, in einem Schritt tatbestandlich den Gegenstand der Herausgabe festzule580 Peter, ZJS 2015, 270 spricht zumindest missverständlich von einer Begrenzung des ursprünglichen Anspruchs auf Rückgewähr/Herausgabe. 581 BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 627. Vgl. auch MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68; Peter, ZJS 2015, 270. 582 BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 631, 633, 638; vgl. auch Peter, ZJS 2015, 270 (Ausgleich nicht gerechtfertigter Vermögensverschiebungen).
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 213
gen und auf Rechtsfolgenseite den Umfang der in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB angeordneten Herausgabepflicht zu bestimmen. Auch wenn dieses Vorgehen für Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen enthalten, untypisch ist, spricht nichts dagegen, die Verweisung als Rechtsfolgenverweisung einzuordnen, da sie sich auf die §§ 818 ff. BGB und damit die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts bezieht. Trotz seiner ungewöhnlichen Struktur als Rechtsfolgenverweisung handelt es sich bei § 346 Abs. 3 S. 2 BGB um einen speziellen Kondiktionstatbestand innerhalb des Rücktrittsrechts. Indem er die verbleibende Bereicherung als Tatbestandsmerkmal verwendet, weicht er zwar von der Struktur der bereicherungsrechtlichen Kondiktionstatbestände ab. Er ist mit ihnen aber dennoch vergleichbar. Denn er etabliert eine Herausgabepflicht, um eine von ihm als ungerechtfertigt angesehene Vermögensmehrung des Schuldners abzuschöpfen, die an sich auf einem Rechtsgrund beruht.583 2. Umfang der Rechtsfolgenverweisung Die Prämisse, Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht bezögen sich auf die §§ 818–820, 822 BGB, ist anhand der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zu überprüfen. Eine Einbeziehung einzelner Vorschriften der §§ 818–820, 822 BGB wäre jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn durch sie Widersprüche hervorgerufen würden. a) Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB Die Herausgabepflicht des Rückgewährschuldners bezüglich eines verbleibenden Bereicherungsgegenstandes584 ergibt sich aus § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Worin der Bereicherungsgegenstand besteht, ist anhand der Vorgaben des Bereicherungsrechts zu bestimmen. Sofern infolge der Verweisung auf das Bereicherungsrecht § 818 Abs. 1 BGB anwendbar wäre, könnte dies Einfluss darauf haben, ob gezogene Nutzungen oder Surrogate als Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anzusehen sind. Rechtsprechung und Literatur gehen nahezu einhellig von einer Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB infolge der Verweisung aus.585 Da das Rücktrittsrecht die Herausgabe gezogener Nutzungen und den Ersatz für entgegen den Regeln einer ordnungs583
Siehe BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 633. Der Begriff des Bereicherungsgegenstandes ist nicht rein körperlich gegenständlich zu verstehen. Es handelt sich um das Objekt der Herausgabe, das auch unkörperlich sein kann. 585 BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912 (Rn. 16); BeckOGK/ Schall, § 346 BGB Rn. 642 (entsprechende Anwendung); Kaiser, JZ 2016, 151 ff. (vor allem bzgl. Surrogaten); MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68; Peter, ZJS 2015, 270, 271. Allg. für §§ 818 ff. BGB Lorenz, NJW 2015, 1725,1726; Riehm, JuS 2016, 351, 352 (§§ 818, 819). Krit. allerdings Kohler, JZ 2018, 591, 592 (dort in Fn. 14). 584
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
gemäßen Wirtschaft nicht gezogene Nutzungen in den §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB regelt, könnten durch eine Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB infolge der Verweisung Konkurrenzen oder gar Widersprüche entstehen. aa) Nutzungsersatz Wenn Nutzungen aus einem Leistungsgegenstand, der nicht zurückgewährt werden kann, und für den wegen § 346 Abs. 3 S. 1 BGB kein Wertersatz zu leisten ist, als Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anzusehen wären, würde durch die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB eine Anspruchsgrundlage zur Herausgabe dieser Nutzungen geschaffen, deren Verhältnis zu den §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB klärungsbedürftig ist. Nutzungsersatzansprüche sind im Rücktrittsfolgenrecht grundsätzlich durch die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB geregelt. Gezogene Nutzungen könnten aber auch eine verbleibende Bereicherung gemäß den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB darstellen und aus diesem Grund an den Rückgewährgläubiger herauszugeben sein. Wenn die Ansprüche gleichgerichtet sind, kommt es auf die Unterscheidung nicht an. Die Verweisung auf § 818 Abs. 1 BGB wäre unter dem Aspekt des Nutzungsersatzes dann nicht erforderlich, aber auch nicht schädlich. In der Literatur wird hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Nutzungsersatzes in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB von vornherein differenziert: Nutzungen, die den ursprünglichen Leistungsgegenstand betreffen, seien nach rücktrittsrechtlichen Regelungen zu beurteilen. Durch die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB seien nur Nutzungen zu erfassen, die aus der „Bereicherung“ gezogen werden.586 (1) Nutzungen aus dem ursprünglichen Leistungsgegenstand (a) Herausgabe gezogener Nutzungen Aus dem ursprünglichen Leistungsgegenstand gezogene und trotz dessen Untergangs587 noch vorhandene Nutzungen sind von einem etwaigen Ausschluss des Wertersatzes gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 BGB für den erlangten Gegenstand ausgenommen und demnach grundsätzlich gemäß §§ 346 818 Abs. 1 BGB herauszugeben.588 Im Bereicherungsrecht bestimmt § Abs. 1 BGB die Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen. Nutzungen sind demnach bei Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB infolge der Verweisung als Bereicherung gemäß den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB 586 BeckOGK/Schall,
§ 346 BGB Rn. 642. Zur sprachlichen Vereinfachung ist hier sowie im Folgenden nur von einem „Untergang der Sache“ die Rede. Davon sollen auch die anderen Gründe erfasst sein, die nach § 346 Abs. 2 S. 1 BGB zu einer Unmöglichkeit der Rückgewähr und damit einem Wertersatzanspruch führen. 588 Zum Fortbestehen der Pflicht zum Nutzungsersatz bei Ausschluss der Wertersatzpflicht MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 57. 587
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 215
in grundsätzlich gleichem Umfang herauszugeben wie nach § 346 Abs. 1 BGB. Dem bereicherungsrechtlichen Anspruch kann allerdings, vorbehaltlich der Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB infolge der Verweisung,589 der Einwand der Entreicherung entgegengehalten werden. Das Rücktrittsrecht verpflichtet daher unter Umständen in größerem Umfang zur Herausgabe von Nutzungen oder zum Nutzungsersatz als die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB. Wendete man die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB in diesen Fällen vorrangig an, könnten dadurch Wertungswidersprüche zu der Konstellation entstehen, in der der Leistungsgegenstand noch vorhanden, § 346 Abs. 3 S. 2 BGB daher unanwendbar ist und die Nutzungen nach § 346 Abs. 1 BGB herauszugeben wären. Die Konstellationen sind an sich identisch und unterscheiden sich erst ab dem Zeitpunkt des Untergangs des Leistungsgegenstandes. Es gibt keinen Grund, den Schuldner eines untergegangenen Leistungsgegenstandes für solche Nutzungen zu privilegieren, die er in der Zeit vor dem Untergang gezogen hat.590 Der Gesetzgeber hat diese Nutzungen vielmehr bewusst dem Rückgewährgläubiger zugeschrieben, der ohne den Leistungsaustausch selbst in den Genuss der Nutzungen gekommen wäre. (b) Ersatz nicht gezogener Nutzungen Ein weiterer Unterschied im Umfang der Pflicht zur Nutzungsherausgabe ergibt sich, wenn der Schuldner bis zum Untergang der Sache aus ihr tatsächlich keine Nutzungen gezogen hat. Gemäß § 818 Abs. 1 BGB sind nur gezogene Nutzungen herauszugeben,591 wohingegen § 347 Abs. 1 BGB eine Wertersatzpflicht für nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogene Nutzungen bestimmt. Gemäß den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB bestünde in diesen Fällen somit kein Anspruch auf Nutzungsersatz, nach § 347 Abs. 1 BGB wäre ein solcher dagegen gegeben. Eine hinsichtlich der Nutzungen vorrangige Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB führte demnach zu einer Besserstellung des Rückgewährschuldners. Die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB regeln den Nutzungsersatz allgemein und schränken diesen namentlich nicht für die Fälle des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB 589
Siehe dazu nachfolgend unter c).
590 I. E. ebenso NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 66. 591 Die reine Nutzungsmöglichkeit in bestimmten Fällen als erlangt anzusehen, wird
im Rahmen des § 818 Abs. 1 BGB diskutiert (siehe dazu nur BGH vom 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 [Rn. 26 f.]; BeckOK BGB/Wendehorst, § 812 Rn. 58; Fervers/ Gsell, NJW 2013, 3607 ff.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 25 ff. m. w. Nachw.), erscheint für § 346 Abs. 3 S. 2 BGB aber schon deshalb nicht angemessen, da er bezweckt, eine im Vermögen des Schuldners realisierte Bereicherung abzuschöpfen (BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 [Rn. 19]; zum Bereicherungsrecht selbst ebenso BGH vom 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 [Rn. 26 f.]). Eine solche liegt indes nicht vor, wenn er keine Nutzungen gezogen hat.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
ein. Wollte man § 818 Abs. 1 BGB demgegenüber vorrangig anwenden, müssten die §§ 346, 347 Abs. 1 BGB insoweit teleologisch reduziert werden. Diese Erleichterung hinsichtlich des Nutzungsersatzes erscheint indes für die Fälle des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht sachgerecht. Bis zum Untergang der Sache ist diese nach § 346 Abs. 1 BGB grundsätzlich zurückzugewähren und entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogene Nutzungen sind dem Gläubiger zu ersetzen. Geht die Sache unter und besteht daher gemäß § 346 Abs. 2 BGB grundsätzlich eine Wertersatzpflicht, besteht auch der Anspruch nach § 347 Abs. 1 BGB fort. Wenn die Wertersatzpflicht ausnahmsweise nach § 346 Abs. 3 S. 1 BGB entfällt, besteht die Pflicht des § 347 Abs. 1 BGB grundsätzlich ebenfalls fort.592 Es ist kein Grund ersichtlich, sie entfallen zu lassen, weil § 346 Abs. 3 S. 2 BGB in den Fällen, in denen der Rückgewährschuldner noch bereichert ist, die Pflicht zur Herausgabe der verbleibenden Bereicherung anordnet. Letztere Pflicht soll ausschließlich eine zu Unrecht bestehende Vermögensmehrung beim Schuldner abschöpfen,593 das Verhältnis der Parteien des Rückgewährschuldverhältnisses im Übrigen jedoch unberührt lassen. Dem Gedanken, beim Schuldner lediglich einen vorhandenen Überschuss im Vermögen abzuschöpfen, entspräche es freilich, ihn nicht zum Ersatz solcher Nutzungen zu verpflichten, die er gar nicht gezogen hat und die daher auch nicht in seinem Vermögen vorhanden sind.594 Der Rückgewährschuldner muss jedoch nicht nur einseitig eine vorhandene Bereicherung herausgeben, sondern hat seinerseits einen (fortbestehenden) Anspruch auf Rückgewähr seiner Leistung. Diese besteht regelmäßig in einer Geldzahlung, er hat demnach einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Geldbetrags. Diesen Betrag soll er nach den Wertungen des Rücktrittsrechts in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB auch dann zurückerhalten, wenn er selbst den erhaltenen Leistungsgegenstand nicht zurückgewähren kann und dafür auch keinen Wertersatz leisten muss. Die gezogenen und die potentiellen Nutzungen aus dem untergegangenen Leistungsgegenstand sollen ihm dann allerdings nicht auch noch verbleiben. Er erhält den geleisteten Geldbetrag gemindert um den Betrag des Nutzungsersatzes zurück. Das Rücktrittsrecht mindert dadurch in gewissem Umfang die Belastung des Rückgewährgläubigers, der in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB mit dem Risiko des Untergangs des Leistungsgegenstandes belastet ist. Änderte sich die Pflicht zum 592 MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 57. 593 Zur Abschöpfungsfunktion des § 346 Abs. 3
S. 2 BGB BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 631, 638; Kohler, JZ 2013, 171, 173; Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 311 f.; Pioch, Nutzungen und die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 100. 594 Vgl. zum entsprechenden Gedanken beim Verwendungsersatz Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 371. Ausführl. zum Aufwendungs-/Verwendungsersatz nachfolgend unter c) bb).
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Nutzungsersatz, wenn der Rückgewährschuldner in dieser Situation im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB bereichert ist, geriete dieses rücktrittsrechtliche Wertungssystem aus den Fugen. Unabhängig von seiner möglichen Bereicherung erhält der Rückgewährgläubiger seinen Leistungsgegenstand zurück. Dürfte er eine verbleibende Bereicherung behalten, wäre sein Vermögen in zweifacher Hinsicht gemehrt – um den Leistungsgegenstand, den er zurückerhält, und um die Bereicherung.595 Der Rückgewährgläubiger erhielte dagegen nichts. Um dies auszugleichen, verpflichtet § 346 Abs. 3 S. 2 BGB den Rückgewährschuldner zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung. Er erhält daher seine Leistung zurück und die Bereicherung, die in seinem Vermögen zusätzlich vorhanden ist, wird an den Rückgewährgläubiger ausgekehrt. Dessen Verlust wird dadurch teilweise gemindert. Wenn der Nutzungsersatz in dieser Situation zugunsten des Rückgewährgläubigers verteilt wird, mindert dies den Rückgewähranspruch des Rückgewährschuldners. Er ist dadurch zwar in diesem Umfang bezüglich seiner Gesamtvermögenslage nicht mehr bereichert, der Grund dafür liegt jedoch in der diesbezüglichen Risikoverteilung durch das Rücktrittsrecht. Diese soll nicht dadurch verändert werden, dass eine eingetretene Bereicherung an den Rückgewährgläubiger herauszugeben ist. Dadurch wird lediglich der Verlust des Gläubigers reduziert. Dies wirkt sich nicht zulasten des Rückgewährschuldners aus, weil seine Rechtsposition dieselbe ist, die sie wäre, wenn ihm von vornherein keine Bereicherung verblieben wäre. Es erscheint somit sachgerecht, den Nutzungsersatz stets nach den §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Die Nutzungen, die den ursprünglichen Leistungsgegenstand betreffen, werden mithin anhand der rücktrittsrechtlichen Regelungen behandelt, um die Wertungen des Rücktrittsrechts aufrecht zu erhalten. (c) Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB könnte danach so zu verstehen sein, dass § 818 Abs. 1 BGB nur solche Nutzungen betrifft, die aus einem Gegenstand gezogen oder aufgrund eines Rechts erlangt wurden, das der Schuldner als solches ebenfalls – als Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB – herauszugeben hat.596 Die Verweisung auf § 818 Abs. 1 BGB wäre dadurch eingeschränkt. Alle Rechte und Positionen, die sich auf den ursprünglichen Leistungsgegenstand beziehen, wären dann von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht erfasst. Diese Sichtweise entspräche der Auslegung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dahingehend, dass in seinem Tatbestand zunächst mithilfe der bereicherungsrechtlichen Wertungen und 595 Siehe 596
Peter, ZJS 2015, 270 f. So das Verständnis von BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 642.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
ohne Rückgriff auf § 818 Abs. 1 BGB als primärer Bereicherungsgegenstand „die Bereicherung“ zu ermitteln ist und der Umfang der Herausgabepflicht bezüglich dieser Bereicherung erst anschließend – und damit im Sinne eines sekundären Bereicherungsanspruchs – anhand der §§ 818 ff. BGB zu bestimmen ist. Dies entspricht aber gerade nicht der Konzeption des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Dieser ist nicht in derselben Weise wie das Bereicherungsrecht oder die §§ 1434, 1457 BGB zweigliedrig aufgebaut. Es gibt keinen primären und sekundären, sondern nur einen einheitlichen Bereicherungsgegenstand, der in dem Umfang herauszugeben ist, in dem er besteht. Die gemäß § 818 Abs. 1 BGB grundsätzlich als sekundärer Bereicherungsgegenstand anzusehenden Nutzungen werden in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zum primären Bereicherungsgegenstand. § 818 Abs. 1 BGB bringt zum Ausdruck, dass jemand durch Nutzungen oder Surrogate bereichert wird und gibt § 346 Abs. 3 S. 2 BGB somit einen Anhaltspunkt, worin der Gegenstand einer Bereicherung liegen kann. Es erscheint daher zur Bestimmung des Vorliegens einer Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gerade sachgerecht, § 818 Abs. 1 BGB grundsätzlich heranzuziehen. § 818 Abs. 1 BGB ist demnach zwar grundsätzlich von der Verweisung erfasst, kann aber im konkreten Fall durch die spezielleren Regelungen des Rücktrittsrechts verdrängt werden. Verweisungsvorschriften werden regelmäßig durch ergänzende oder begrenzende Regelungen des Abschnitts, in dem sie sich befinden, mitbestimmt. Es entspricht der bisher ermittelten Systematik von Verweisungen, wenn § 346 Abs. 3 S. 2 BGB sich zwar grundsätzlich auf § 818 Abs. 1 BGB erstreckt, die Verweisung aber dort nicht zum Tragen kommt, wo spezielle rücktrittsrechtliche Regelungen bestehen, hinter die die demgegenüber allgemeineren bereicherungsrechtlichen Anordnungen zurücktreten. Diese Interpretation wird nicht nur der Systematik von Bereichsverweisungen im Allgemeinen, sondern auch der Konzeption der bereicherungsrechtlichen Herausgabepflicht in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gerecht, da Letztere als subsidiäre Haftung konzipiert ist.597 Sie greift demnach nicht ein, wenn rücktrittsrechtliche Regelungen existieren, die denselben Gegenstand regeln. (2) Nutzungen aus einem Surrogat Nach dem Untergang der Sache kann der Rückgewährschuldner aus dieser keine Nutzungen mehr ziehen – ein Nutzungsersatzanspruch ist insoweit denknotwendig ausgeschlossen. Es ist aber möglich, dass der Rückgewährschuldner zum Beispiel ein Surrogat für die Sache oder einen anderen Bereicherungsgegenstand erhalten hat, aus dem er Nutzungen zieht. Diese 597 Siehe BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 627 („subsidiärer Sekundäranspruch“); MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68; ähnl. Peter, ZJS 2015, 270 („dritte Stufe“).
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Nutzungen sind nach der Ansicht in der Literatur, die zwischen den Nutzungen aus dem ursprünglichen Bereicherungsgegenstand und denen aus der Bereicherung differenziert, nach den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB herauszugeben.598 Ob die §§ 346 Abs. 1, 347 BGB auf Nutzungen aus dem ursprünglichen Leistungsgegenstand beschränkt sind, lässt sich dem Wortsinn des § 346 Abs. 1 BGB nicht entnehmen. Er spricht lediglich davon, „gezogene Nutzungen“ seien herauszugeben und nicht darüber, dass es sich um Nutzungen aus der empfangenen Leistung handeln muss. Der Regelungsgegenstand des § 346 Abs. 1 BGB erstreckt sich allerdings schon nicht auf Surrogate. Es wäre merkwürdig, wenn zwar Surrogate selbst nicht von der Pflicht zur Herausgabe gemäß § 346 Abs. 1 BGB erfasst wären, die aus dem Surrogat gezogenen Nutzungen dagegen schon. Entsprechend wird die Problematik aus Surrogaten gezogener Nutzungen in der Literatur nicht im Zusammenhang mit der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen gemäß § 346 Abs. 1 BGB, sondern allenfalls bei dem nach einer Ansicht im Rückgewährschuldverhältnis anwendbaren § 285 BGB diskutiert.599 Im vergleichbaren Fall des Verwendungsersatzes nach § 347 Abs. 2 S. 1 BGB wird in der Literatur dessen entsprechende Anwendung auf Verwendungen auf Surrogate befürwortet.600 Die Interessenlage bei Verwendungen auf Surrogate ist durchaus mit der bei Verwendungen auf den Leistungsgegenstand vergleichbar. Dies ist im Fall der Nutzungsziehung ebenso: Das Surrogat ersetzt den ursprünglichen Leistungsgegenstand für den gezogene Nutzungen herauszugeben sind. Es ist naheliegend, dass sich diese Pflicht an dem Surrogat fortsetzt. In den Fällen, in denen ein Anspruch auf Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung besteht, fehlt es jedoch an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Durch die Verweisung auf das Bereicherungsrecht besteht mit den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB eine Anspruchsgrundlage für die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen. In diesen Fällen ist daher für eine entsprechende Anwendung der §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB kein Raum. Da § 818 Abs. 1 BGB keinen Ersatz für nicht gezogene Nutzungen vorsieht, muss der Rückgewährschuldner, der entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft aus einem Surrogat keine Nutzungen gezogen hat, für diese, anders als in den Fällen des § 347 Abs. 1 BGB, keinen Ersatz leisten. Daraus ergibt sich zwar ein Unterschied zwischen der Nutzung des ursprünglichen Leistungsgegenstandes und der eines Surrogats, dies entspricht aber dem Sinn 598 BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 642. 599 Staudinger/Caspers, BGB, § 285 Rn. 50;
Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 222. Zu § 285 BGB ist umstritten, ob er im Rückgewährschuldverhältnis zur Anwendung gelangt. Siehe dazu sogleich unter bb) (2) (b). 600 jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 54; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 55; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 42 (ohne explizit von einer Analogie zu sprechen).
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und Zweck des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Letzterer soll aus Gründen der Billigkeit bei dem Rückgewährschuldner, der nicht zum Wertersatz verpflichtet ist, eine verbleibende Bereicherung abschöpfen. Während die Wertungen des Rücktrittsrechts vorgehen, soweit dieses Regelungen enthält, setzt sich die Wertung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dort durch, wo das Rücktrittsrecht keine Wertungen vorgibt. Diese Bereicherung muss sich dann allerdings auch tatsächlich im Vermögen des Rückgewährschuldners manifestiert haben,601 was nicht der Fall ist, wenn er keine Nutzungen aus dem Surrogat gezogen hat. Der Unterschied, der sich daraus zur Rechtslage des Nutzungsersatzes bezüglich des ursprünglichen Leistungsgegenstandes ergibt, ist freilich nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Erstens besteht die Pflicht zur Nutzungsziehung nach § 347 Abs. 1 S. 1, 2 BGB zumindest beim Rücktritt aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts nur in den Grenzen der eigenüblichen Sorgfalt – in diesem Rahmen wird der Rückgewährgläubiger regelmäßig auch Nutzungen aus einem Surrogat ziehen. Zweitens besteht ab dem Zeitpunkt der in § 819 Abs. 1 BGB bestimmten Haftung – der Kenntnis des Rückgewährschuldners vom Rücktrittsrecht602 – nach den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 2, 987 BGB ebenfalls eine Pflicht zur Nutzungsziehung. Die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen aus einem Surrogat, das der Schuldner für den untergegangenen Leistungsgegenstand erhalten hat, richtet sich demnach ausschließlich nach den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 ff. BGB.603 Da die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB auf Nutzungen aus Surrogaten nicht anwendbar sind, können insoweit durch die Anwendung der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB keine Widersprüche zu den Vorgaben des Rücktrittsrechts entstehen. (3) Fazit zum Nutzungsersatz Die Regelungen über den Nutzungsersatz sprechen dafür, § 818 Abs. 1 BGB als von der Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht umfasst anzusehen. Die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB regeln die Ansprüche bezüglich Nutzungen allerdings vorrangig. § 818 Abs. 1 BGB erlangt dadurch im Rahmen von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB Bedeutung für Nutzungen aus einem Surrogat, das der Rückgewährschuldner anstelle des ursprünglichen Leistungsgegenstandes erlangt hat. Praktisch dürfte der Anwendungsbereich des § 818 Abs. 1 BGB bezüglich des Nutzungsersatzes gering sein, da zum 601
BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 19).
602 Siehe dazu unter e) bb). 603 Im originären Anwendungsbereich
des § 818 Abs. 1 BGB wird dieser auf Nutzungen aus Surrogaten erstreckt. Für alle Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 283.
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einen eine verbleibende Bereicherung so beschaffen sein muss, dass daraus Nutzungen gezogen werden können, was zum Beispiel nicht der Fall ist, wenn es sich hierbei um ersparte Aufwendungen handelt. Zum anderen richtet sich die Pflicht zum Nutzungsersatz gemäß § 818 Abs. 1 BGB ab dem Zeitpunkt der in § 819 Abs. 1 BGB bestimmten Haftung – der Kenntnis des Rückgewährschuldners vom Rücktrittsrecht604 – nach den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 987 BGB. Der Anwendungsbereich des § 818 Abs. 1 BGB bleibt hinsichtlich etwaiger Nutzungen demnach auf den Zeitraum des Erhalts des Surrogats bis zur Kenntnis des Rückgewährschuldners vom Rücktrittsgrund beschränkt. bb) Herausgabe von Surrogaten Das Rücktrittsrecht selbst enthält keine Regelung zur Herausgabe von Surrogaten. Wenn sich die Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, wie allgemein angenommen, auf § 818 Abs. 1 BGB erstreckt,605 ist damit zugleich bestimmt, dass ein vom Rückgewährschuldner erlangtes und in seinem Vermögen noch vorhandenes Surrogat eine verbleibende Bereicherung im Sinne dieser Vorschrift darstellt.606 (1) Regelfall: Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB Der BGH nimmt dem Grunde nach an, der Rückgewährschuldner sei durch Ersatzansprüche im Sinne der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB bereichert, die er aufgrund des Untergangs der Sache gegen Dritte erworben hat.607 Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem allgemeinen Umfang der Pflicht zur Surrogatsherausgabe nach § 818 Abs. 1 BGB.608 Da das Rücktrittsrecht den Umgang mit Surrogaten nicht selbst regelt, kann dieses Ergebnis hierzu nicht im Widerspruch stehen. Die fehlende Erfassung von Surrogaten durch das Rücktrittsrecht spricht im Übrigen für die Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB infolge der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, da dadurch 604
Siehe dazu unter e) bb). BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912 (Rn. 16); BeckOGK/ Schall, § 346 BGB Rn. 642 (entsprechende Anwendung); Kaiser, JZ 2016, 151 ff.; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68; Peter, ZJS 2015, 270, 271. Allg. für §§ 818 ff. BGB Lorenz, NJW 2015, 1725,1726; Riehm, JuS 2016, 351, 352 (§§ 818, 819). Krit. jedoch Kohler, JZ 2018, 591, 592 (dort Fn. 14). 606 So daher BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 17 ff.); BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 638; Kaiser, JZ 2016, 151, 152, 154; Riehm, JuS 2016, 351, 353. 607 BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 17 ff., allerdings unter Ablehnung einer Bereicherung im konkreten Fall); BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912. Zust. aus der Lit. BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 642; Peter, ZJS 2015, 270, 271; Riehm, JuS 2016, 351, 353. 608 Siehe dazu allg. MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 44; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 19. 605
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gewährleistet ist, dass Surrogate als Bereicherung erfasst sind. Zudem stimmen die Regelungsgegenstände des § 818 Abs. 1 BGB, die sich auf Surrogate beziehen, mit den in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB denkbaren Surrogaten weitgehend überein: § 818 Abs. 1 BGB regelt unter anderem die Herausgabe dessen, was der Empfänger „als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirbt“. Dies erfasst solche Surrogate, die ein Rückgewährgläubiger erlangen kann, wenn er den ursprünglichen Leistungsgegenstand nicht nach § 346 Abs. 1 BGB zurückgeben muss und von der Wertersatzpflicht befreit ist. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2–3, Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB haben in ihren jeweiligen Nummern ganz überwiegend die Fälle des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache vor Augen, die namentlich durch eine Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung der Sache eintreten können. (2) Sonderfall: commodum ex negotiatione Ein Surrogat für den ursprünglichen Leistungsgegenstand kann in einem rechtsgeschäftlichen Veräußerungserlös – einem sogenannten commodum ex negotiatione – bestehen. Das commodum ex negotiatione ist nach überwiegender Ansicht nicht vom Umfang der Herausgabepflicht gemäß § 818 Abs. 1 BGB erfasst, der Schuldner ist lediglich gemäß § 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet.609 Wenn dieses Vorgehen ins Rücktrittsrecht übertragen würde und eine Herausgabepflicht bezüglich dieses Surrogats nach § 346 Abs. 3 S. 2 BGB infolgedessen entfiele, verbliebe dem Rückgewährschuldner eine nicht herauszugebende Bereicherung. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dient jedoch gerade dem Zweck, eine Bereicherung des von der Wertersatzpflicht befreiten Rückgewährschuldners zu verhindern. (a) Anwendungsfälle in der Praxis Die geschilderte Problematik wird in der Praxis freilich wenig Bedeutung haben, da ein commodum ex negotiatione in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB selten eine verbleibende Bereicherung darstellt.610 Der Rückgewährschuldner müsste, um einen entsprechenden Erlös erlangen zu können, die aufgrund des Vertrags erlangte Sache veräußert haben. Gleichzeitig müsste er zum Wertersatz verpflichtet sein und einer der Ausschlusstatbestände des § 346 Abs. 3 S. 1 BGB eingreifen, die ihn von seiner Wertersatzpflicht befreien. Im Fall der Veräußerung des erlangten Gegenstandes ist der Rück609 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314; BGH vom 11.10.1979 – VII ZR 285/78, NJW 1980, 178; BGH vom 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 110 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 46 f. (m. w. Nachw. in Fn. 150); a. A. Musielak, JA 2017, 1, 2 (m. w. Nachw. in Fn. 14). 610 Vgl. Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 178 für den Fall der Weiterveräußerung ohne vorherige Verarbeitung/Umbildung.
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gewährschuldner nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet. Da sich der Ausschluss der Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB jedoch auf die Fälle der Verarbeitung oder Umgestaltung der Sache bezieht und die Varianten des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3 BGB auf eine Beschädigung, Zerstörung oder sonstige Verschlechterung der Sache zugeschnitten sind, greift bei Veräußerung der Sache keiner der Ausschlusstatbestände unmittelbar ein. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB soll in den Fällen der Unmöglichkeit der Herausgabe aufgrund einer Veräußerung aber entsprechend anzuwenden sein.611 Dass sich daraus in größerem Umfang praktische Anwendungsfälle ergeben, erscheint zweifelhaft.612 Theoretisch sind indes Fälle denkbar, sodass sich Konstellationen ergeben können, in denen der Rückgewährschuldner ein rechtsgeschäftlich erlangtes Surrogat behalten dürfte, wenn § 818 Abs. 1 BGB im Rahmen von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB unverändert zur Anwendung gelangen würde und sich die Pflicht zur Herausgabe nicht aus einer anderen Regelung ergäbe.613 Die Situationen, in denen § 818 Abs. 1 BGB einen adäquaten Maßstab liefert, um den Gegenstand sowie den Umfang der Herausgabepflicht des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zu bestimmen, überwiegen jedoch. Dies spricht dafür, § 818 Abs. 1 BGB als von der Verweisung auf das Bereicherungsrecht umfasst anzusehen und das commodum ex negotiatione in anderer Weise als Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zu erfassen. (b) Das commodum ex negotiatione als Bereicherung iSv § 346 Abs. 3 S. 2 BGB Gegen die Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB auf das commodum ex negotiatione werden neben dem aus den Gesetzgebungsmaterialien ermittelten Willen des Gesetzgebers614 in seinem originären Anwendungsbereich im Wesentlichen zwei Argumente vorgebracht. Zunächst spricht der Wortsinn des § 818 Abs. 1 BGB gegen eine Erfassung dieses Surrogats. Die Vorschrift erfasst als Surrogate „dasjenige, was der Empfänger aufgrund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt“. Der rechtsgeschäftliche Erlös aus der Veräußerung einer erlangten Sache ist in § 818 Abs. 1 BGB gerade nicht genannt.615 Ferner wird es für sachgerecht erachtet, den Gläubiger statt auf den Anspruch zur Herausgabe des Surrogats auf einen Wertersatzanspruch 611 So die h. M.: Erman/Röthel, BGB, § 346 Rn. 26; Kohler, AcP 206 (2006), S. 683, 699 f.; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 64. 612 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 210. Vgl. auch Linke, Die Rückabwicklung, S. 182. 613 Zu § 285 BGB als anderem möglichen Herausgabeanspruch siehe sogleich unter (c). 614 Dazu Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 17. 615 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 266; MünchKommBGB/Schwab, § 818
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu verweisen. Dessen Umfang richtet sich nach dem objektiven Wert der veräußerten Sache.616 Wenn der Bereicherungsschuldner mit dem Erlös einen Gewinn erzielt hat, kommt dieser dem Gläubiger dadurch nicht zugute.617 Während sich das Wortsinn-Argument auf die Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB übertragen ließe, ist das Argument, der Wertersatz im Umfang des objektiven Sachwerts sei die gegenüber der vollumfänglichen Herausgabe des Erlöses sach- und interessengerechtere Lösung, nicht auf § 346 Abs. 3 S. 2 BGB übertragbar. Der ausnahmsweise Entfall der Wertersatzpflicht ist gerade zwingende Voraussetzung dafür, dass § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anwendbar ist. Es existiert demnach keine Wertersatzpflicht, die den Umfang der Erlösherausgabe sachgerechter bestimmen könnte. § 818 Abs. 2 BGB anzuwenden, wäre daher keine Lösung, die dem Sinn und Zweck des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB entspräche, wenn dies dazu führte, dass der Rückgewährschuldner den Veräußerungserlös vollständig behalten dürfte. Dass § 818 Abs. 1 BGB seinem Wortsinn nach das commodum ex negotiatione ausdrücklich nicht erfasst, muss nicht bedeuten, dass dieses nicht trotzdem eine Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB darstellen kann. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB spricht ausdrücklich von einer verbleibenden Bereicherung. Im eigentlichen Anwendungsbereich des § 818 Abs. 3 BGB ist anhand einer Betrachtung der Vermögenslage des Schuldners zu bestimmen, ob bei ihm eine Vermögensmehrung und damit insgesamt noch eine Bereicherung vorliegt.618 Es gibt keinen Grund, die Bereicherung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht in derselben Weise zu bestimmen. Wie zu zeigen ist, ist § 818 Abs. 3 BGB, für den die Frage nach der Bereicherung im Bereicherungsrecht relevant ist, von der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB erfasst.619 Wenn der Rückgewährschuldner einen Veräußerungserlös erhalten hat, ist sein Vermögen in diesem Umfang gemehrt und er ist bereichert. § 818 Abs. 1 BGB kann zwar im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dabei helfen, Rn. 46; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 276; Soergel/ Hadding, BGB, § 818 Rn. 20. 616 Die h. M. legt den objektiven Wert zugrunde: BGH vom 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021, 2023 m. w. Nachw. zur st. Rspr.; BAG vom 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, AP Nr. 129 zu § 615 BGB, Rn. 54; BGH vom 5.7.2006 – VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847, 2852; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 81 f. m. w. Nachw.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 26, m. w. Nachw. Nach a. A. ist der Maßstab aus der Perspektive des Bereicherungsschuldners versubjektiviert: Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 17 ff.; Hagen, FS Larenz, 1973, S. 867, 883 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 168 ff. 617 MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 46; Peters, AcP (205) 2005, S. 159, 189 f. 618 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 31 ff. (bei Gutgläubigkeit des Schuldners); Palandt/Sprau, BGB, § 818 Rn. 28. 619 Siehe dazu nachfolgend unter c).
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 225
zu ermitteln, ob eine Bereicherung vorliegt, es wäre jedoch wenig sinnvoll, ihn insoweit als abschließende Regelung zu betrachten. Seine Funktion ist im Rahmen von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eine andere als im Rahmen des Bereicherungsrechts. Während er bezogen auf Surrogate im Bereicherungsrecht die Funktion hat, den Gegenstand der Herausgabe festzulegen, wenn der eigentliche primäre Bereicherungsgegenstand zerstört, beschädigt oder entzogen wurde, ist er in dem Anwendungsbereich, den § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ihm vermittelt, dafür verantwortlich, zu ermitteln, ob eine Bereicherung des Rückgewährschuldners vorliegt. Hierbei handelt es sich, auch wenn der Herausgabeanspruch ein sekundärer Anspruch ist, um den primären Bereicherungsgegenstand. Diese Verschiebung der Perspektive des § 818 Abs. 1 BGB ist der Struktur der Verweisungsvorschrift (§ 346 Abs. 3 S. 2 BGB) geschuldet, da diese die §§ 818 ff. BGB anders als das Bereicherungsrecht selbst bereits dafür heranzieht, den primären Bereicherungsgegenstand zu ermitteln. Auf dieser Grundlage besteht grundsätzlich eine Pflicht zur Herausgabe eines Erlöses aus der Veräußerung des Leistungsgegenstandes gemäß § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Da die Vorschrift den Umfang der Herausgabe nicht über die Vorgaben des Bereicherungsrechts hinaus einschränkt und weil das Bereicherungsrecht keine Begrenzung des diesbezüglichen Herausgabeanspruchs kennt, die in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eingreifen könnte, besteht die Herausgabepflicht zunächst vollumfänglich. Der Anspruch nach § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ginge dadurch über einen vergleichbaren bereicherungsrechtlichen Anspruch hinaus, obwohl er sich seinem Gegenstand und Umfang nach eigentlich nach dem Bereicherungsrecht richtet. Eine derartige Erweiterung wäre nur sachgerecht, wenn das Rücktrittsrecht sie gebietet. Die vollumfängliche Herausgabe eines erzielten Veräußerungserlöses läuft allerdings nicht nur den Wertungen des Bereicherungsrechts, sondern auch denen des Rücktrittsrechts zuwider. Sofern der Rückgewährschuldner einen erzielten Veräußerungserlös, der den Wert der Sache übersteigt, in voller Höhe herausgeben müsste, würde der Rückgewährgläubiger unbilligerweise privilegiert. Der Rückgewährschuldner ist nach § 346 Abs. 2 BGB grundsätzlich zum Wertersatz verpflichtet, wenn er den erhaltenen Leistungsgegenstand nicht herausgeben kann. Diese Wertersatzpflicht entfällt in den von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB erfassten Konstellationen zum Schutz des Rückgewährschuldners.620 Obwohl die Regelung daher eigentlich den Rückgewährschuldner schützen soll, würde der Rückgewährgläu620
Zum Schutzzweck des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB i. S. d. Privilegierung des Rücktrittsberechtigten: Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen, S. 77 f.; Linke, Die Rückabwicklung, S. 58 f., 176 f.; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 63; Staudinger/ Kaiser, BGB, § 346 Rn. 202 ff.
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biger durch sie privilegiert, wenn der Schuldner den Leistungsgegenstand veräußert und dafür einen den Wert im Sinne des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB übersteigenden Veräußerungserlös erlangt hätte, den er infolge des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB an den Rückgewährgläubiger herausgeben müsste. Mit dem höheren Veräußerungserlös könnte er mehr herausverlangen, als er an Wertersatz beanspruchen könnte, wenn die Wertersatzpflicht nicht entfiele. Der Umfang der Herausgabepflicht des Veräußerungserlöses muss daher auf den Betrag begrenzt werden, den der Rückgewährgläubiger als Wertersatz erhalten hätte, wenn die Wertersatzpflicht nicht entsprechend § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ausnahmsweise entfallen wäre.621 Andernfalls würde der Rückgewährgläubiger entgegen der Wertung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB beim Ausschluss der Wertersatzpflicht bessergestellt, als wenn diese bestünde. (c) Anwendbarkeit des § 285 BGB Als Anspruchsgrundlage einer Herausgabe des commodum ex negotiatione kommt ferner § 285 BGB in Betracht. Nach überwiegender, wenn auch zunehmend kritisierter Ansicht findet dieser auf das Rückabwicklungsschuldverhältnis grundsätzlich Anwendung.622 Im Unterschied zu § 818 Abs. 1 BGB ist der Schuldner gemäß § 285 BGB zur Herausgabe eines commodum ex negotiatione verpflichtet.623 Ob § 285 BGB außerhalb des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnis anwendbar ist, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Für die von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB erfassten Fälle ist seine Anwendbarkeit aber jedenfalls weitgehend abzulehnen. § 818 Abs. 1–3 621 So i. E. NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 66 (unter Hinweis auf die systematische Stellung des Abs. 3 als Ausnahme zu Abs. 2); Schwab/Wippler, JuS 2004, 404, 407. Siehe auch Kaiser, JZ 2016, 151, 153 (allerdings über Anwendung von § 818 Abs. 1 BGB). 622 BT‑Drucks. 14/6049, S. 194; Erman/Röthel, BGB, § 346 Rn. 45; jurisPK BGB/ Faust, § 346 Rn. 120; Kohler, JZ 2018, 591, 592 (dort Fn. 14, der sich gar dafür ausspricht § 285 BGB als abschließende Regelung zu Surrogaten anzusehen); Lorenz, NJW 2015, 1725, 1727 f.; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 56; Palandt/Grüneberg, BGB, § 346 Rn. 20; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218, 221 f. (jetzt allerdings Kaiser, JZ 2016, 151, 153 f. für die a. A.). A. A. Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 59; Staudinger/Caspers, BGB, § 285 Rn. 13. Krit. Hartmann, Der Anspruch auf das stellvertretende commodum, S. 90 f., m. w. Nachw. Differenzierend: Linardatos/Russmann, Jura 2013, 861, 869 ff. Offengelassen: BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 f. (Rn. 21). 623 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 14, Palandt/Sprau, BGB, § 818 Rn. 15. Aus der Rspr. zu § 285 BGB einerseits: BGH vom 15.10.2004 – V ZR 100/04, NJW‑RR 2005, 241, 242; BGH vom 27.10.1982 – V ZR 24/82, NJW 1983, 929, 930; zu § 818 Abs. 1 BGB andererseits: BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314; BGH vom 11.10.1979 – VII ZR 285/78, NJW 1980, 178; BGH vom 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 110 f. A. A. Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 59. Für ein einheitliches Prinzip Hartmann, Der Anspruch auf das stellvertretende commodum, S. 245 ff., 269 ff. mit ausführl. Darstellung der Streitstände zu § 285 BGB und den §§ 812 ff. BGB.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 227
BGB verdrängt § 285 BGB im originären Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts.624 Ausnahmen gelten lediglich ab Eintritt der Rechtshängigkeit nach § 818 Abs. 4 BGB oder einer verschärften Haftung gemäß § 819 Abs. 1 BGB.625 Es gibt keinen Grund, das Konkurrenzverhältnis des § 285 BGB zu § 818 Abs. 1–3 BGB anders zu lösen, wenn § 818 BGB nicht originär, sondern aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eingreift.626 Insbesondere beruht der Ausschluss der Anwendung nicht nur auf § 818 Abs. 1 BGB, sondern auf dem Umfang der Herausgabe, den § 818 Abs. 1–3 BGB durch ein in sich geschlossenes System bestimmt. Dieses System wird durch die Verweisung auf die Fälle des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB übertragen und kann in dessen Anwendungsbereich daher ebenfalls die Unanwendbarkeit des § 285 BGB begründen. Im Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist der Rückgriff auf § 285 BGB somit aufgrund der vorrangigen Anwendung des § 818 Abs. 1–3 BGB versperrt. § 285 BGB greift neben § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nur, wenn eine parallele Anwendung auch im Bereicherungsrecht ausnahmsweise zulässig ist. Dies ist nach Eintritt der verschärften Haftung gemäß den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 819 Abs. 1 BGB der Fall.627 Ein vor diesem Zeitpunkt erlangter Veräußerungserlös stellt eine Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dar und ist als solche an den Rückgewährgläubiger herauszugeben. Der Umfang der Herausgabepflicht ist dabei auf denjenigen begrenzt, in dem der Rückgewährschuldner Wertersatz hätte leisten müssen, wenn die Wertersatzpflicht nicht entsprechend § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ausnahmsweise entfallen wäre. cc) Fazit zur Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB § 818 Abs. 1 BGB ist infolge der Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anwendbar. Wenn der Rückgewährschuldner Nutzungen gezogen oder ein Surrogat für den ursprünglichen Leistungsgegenstand erlangt hat, ist er nach § 818 Abs. 1 BGB als bereichert anzusehen. Die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB enthalten demgegenüber jedoch vorrangige Spezialregelungen. Soweit diese eine Herausgabe von Nutzungen an624 Siehe zum Verhältnis von § 285 BGB und § 818 Abs. 1–3 BGB Staudinger/Caspers, BGB, § 285 Rn. 14. 625 BGH vom 10.5.2006 – XII ZR 124/02, NJW 2006, 2323, 2326; BGH vom 11.10.1979 – VII ZR 285/78, BGHZ 75, 203, 205 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 50; Weiss, JuS 2012, 965, 969. 626 Kaiser, JZ 2016, 151, 153; Linardatos/Russmann, Jura 2013, 861, 869 ff.; Schwarze, Leistungsstörungen, § 26 Rn. 25. A. A. Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 370. 627 BGH vom 10.5.2006 – XII ZR 124/02, NJW 2006, 2323, 2326; BGH vom 11.10.1979 – VII ZR 285/78, BGHZ 75, 203, 205 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 50; Weiss, JuS 2012, 965, 969.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
ordnen oder zum Ersatz für nicht gezogene Nutzungen verpflichten, stellen diese Nutzungen keine Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dar. Aufgrund der Verweisung auf § 818 Abs. 1 BGB ist der Rückgewährschuldner zur Herausgabe von Surrogaten verpflichtet. Auch wenn § 818 Abs. 1 BGB das commodum ex negotiatione nicht erfasst, stellt dieses eine Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dar. Nach Sinn und Zweck des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist ein solches Surrogat jedoch maximal in dem Umfang zu ersetzen, in dem der Rückgewährschuldner nach § 346 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet gewesen wäre, wenn diese Verpflichtung nicht entsprechend § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB entfallen wäre. Die Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB spricht dafür, § 818 Abs. 1 BGB infolge von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht für anwendbar zu erachten. Die Regelung hat sogar in einem Fall wie § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, in dem ihr Anknüpfungspunkt verschoben wird, weil sie nicht wie im Rahmen des Bereicherungsrechts nur sekundär für die Bestimmung des Herausgabeumfangs verantwortlich ist, einen Anwendungsbereich. Dies gilt auch für den Nutzungsersatz, obwohl die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB diesbezüglich Spezialregelungen enthalten. dd) Ausblick auf andere Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht Andere Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht regeln die Herausgabe von Nutzungen oder Surrogaten nicht. Die von ihnen angeordnete Herausgabepflicht kann in sinnvoller Weise durch § 818 Abs. 1 BGB um gezogene Nutzungen ergänzt oder durch die Pflicht zur Herausgabe eines erlangten Surrogates ersetzt werden. Dies schließt freilich nicht aus, dass § 818 Abs. 1 BGB wegen einer im Bereich der Verweisungsvorschrift bestehenden Spezialregelung im Einzelfall ggf. leerläuft. b) Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB Infolge einer Rechtsfolgenverweisung wird im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB auch § 818 Abs. 2 BGB für anwendbar erachtet.628 Die Vorschrift wird in Fällen relevant, in denen eine etwaige verbleibende Bereicherung nicht in einer gegenständlichen Leistung besteht und daher ihr Wert zu ermitteln ist, um die Höhe der Herausgabepflicht bestimmen zu können. Für § 346 Abs. 3 S. 2 BGB sollen in der Praxis wenige Anwendungsfälle exis628 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218, ohne die Vorschrift zu nennen, aber unter Rückgriff auf den obj. Maßstab des § 818 Abs. 2 BGB. I. E. ebenso, aber mit eigenständiger Begründung: Kohler, JZ 2002, 682, 685 f. I. Ü. wird auf die Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB oder §§ 818, 819 BGB verwiesen: Lorenz, NJW 2015, 1725, 1726; Riehm, JuS 2016, 351, 352.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 229
tieren.629 Wie die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB aufgrund der Verweisung zeigen, gibt es indes durchaus Fälle, in denen die Vorschrift zum Tragen kommt. In den bisher betrachteten Beispielen hat der Rückgewährschuldner mit Nutzungen oder Surrogaten eine gegenständliche Leistung erlangt. Im häufig zitierten Schulfall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB steht jedoch eine nicht gegenständliche Leistung als Bereicherung im Raum: Ein Gast, der im Restaurant einen Salat serviert bekommt, entdeckt darin eine Schnecke, nachdem er bereits einen Teil des Salates verspeist hat.630 Er lässt den Salat daraufhin zurückgehen. Der Gast ist dadurch nach § 323 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB vom Vertrag zurückgetreten und gemäß § 346 Abs. 1 BGB grundsätzlich zum Wertersatz verpflichtet. Da er den Salat teilweise verzehrt hat, ist ihm dessen vollumfängliche Herausgabe unmöglich, sodass er grundsätzlich nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB Wertersatz leisten muss. Diese Pflicht entfällt jedoch analog § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB.631 Eine verbleibende Bereicherung ist nach § 346 Abs. 3 S. 2 BGB herauszugeben. Der Gast ist in diesen Fällen jedenfalls in Höhe dessen bereichert, das er verzehrt hat.632 Unter Umständen hat er zusätzlich Aufwendungen für ein (weiteres) Essen erspart, wenn er nach dem Anblick der Schnecke vorerst keine Nahrung mehr zu sich nehmen kann.633 Dessen Wert muss sodann ermittelt werden. Nach den Maßstäben des § 818 Abs. 2 BGB ist der Berechnung des Wertersatzes der objektive Wert des Erlangten zugrunde zu legen.634 Richtete sich die Bestimmung des Ersatzumfangs 629
Annuß, JA 2006, 184, 188; Bockholdt, AcP 206 (2006), S. 769, 797; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218. A. A. Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 151. 630 Zu diesem Beispiel: AG Burgwedel vom 10.4.1986 – 22 C 669/85, NJW 1986, 2647; Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 218 f.; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68; NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 50; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 260; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218. 631 So die wohl überw. Ansicht: Faust, JuS 2009, 481, 485; NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 50; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 175 jeweils m. w. Nachw. Bei Subsumtion unter eine der anderen Nummern des § 346 Abs. 3 S. 1 BGB entfiele die Wertersatzpflicht entsprechend hiernach. So z. B. Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 218 f., 320 (für § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB). Welche Variante des § 346 Abs. 3 S. 1 BGB einschlägig ist, ist für die vorliegende Untersuchung nicht relevant, da das Ergebnis – der Entfall der Wertersatzpflicht – in jedem Fall identisch ist. 632 Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 218 f.; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218. A. A. NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 50 (Nutzungsersatz). 633 MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68 (der auf die Sättigung abstellt); Reinicke/ Tiedke, Kaufrecht, Rn. 260. 634 H. M.: BGH vom 7.3.2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021, 2023 m. w. Nachw. zur st. Rspr.; BAG vom 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, AP Nr. 129 zu § 615 BGB, Rn. 54; BGH vom 5.7.2006 – VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847, 2852; Kohler, JZ 2018, 591, 592 (subj. Maßstab aber im Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB); MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 81 f. m. w. Nachw.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 26, m. w. Nachw. Nach a. A. ist der Maßstab aus der Perspektive des Bereicherungsschuld-
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
hingegen nach rücktrittsrechtlichen Maßstäben, wäre gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB der Wert der Gegenleistung als Bezugsgröße relevant. Zwischen diesen beiden Maßstäben gibt es oft nicht unerhebliche Unterschiede.635 Aus diesem Grund erlangt eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB Bedeutung, weil sie zur Anwendung des bereicherungsrechtlichen Maßstabs führt. Die Wertermittlung nach objektiven Maßstäben ist in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB sinnvoll. Die Vorschriften über den Ausschluss des Wertersatzes im Rücktrittsrecht sollen den Rückgewährschuldner schützen, indem sie ihn von der Gefahrtragung hinsichtlich des Untergangs des Leistungsgegenstandes entlasten.636 Wenn ihm jedoch trotz des Untergangs eine Bereicherung verbleibt, bedarf er dieses Schutzes nicht, da er durch die Befreiung von der Wertersatzpflicht auch nicht bessergestellt werden soll, als er ohne den Abschluss des ursprünglichen Vertrags gestanden hätte. Daher soll er eine verbleibende Bereicherung an den Gläubiger herausgeben müssen. Wenn diese nicht gegenständlich vorhanden ist, weil die Bereicherung zum Beispiel in der Ersparnis von Aufwendungen besteht, ist es sachgerecht, den Schuldner zum Ersatz des objektiven Werts der Sache zu verpflichten. Da die Herausgabepflicht des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anders als die Wertersatzpflicht des § 346 Abs. 2 BGB, die an den Wertungen des ursprünglichen Vertrags festhalten will,637 lediglich eine Abschöpfung eines verbleibenden Vermögensvorteils erreichen will, liegt der Vorschrift insoweit derselbe Rechtsgedanke zugrunde wie den bereicherungsrechtlichen Vorschriften.638 Der Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigt demnach ners versubjektiviert: Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 17 ff.; Hagen, FS Larenz, 1973, S. 867, 883 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 168 ff.; konkret für den „Schnecken-Fall“ Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 110. 635 Giesen, GS Heinze, S. 233, 237 f.; Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 435; ders., JZ 2002, 682, 685. A. A. Pioch, Nutzungen und die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 68 ff.; Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 150 (für eine „Subjektivierung des Wertbegriffs“ im Bereicherungsrecht). 636 Erman/Röthel, BGB, § 346 Rn. 2, 18. Siehe auch Linardatos/Russmann, Jura 2013, 861, 868. 637 Zu § 346 Abs. 2 BGB insoweit BGH vom 30.6.2017 – V ZR 134/16, NJW 2017, 3438, 3441 (Rn. 28); Benicke, ZGS 2002, 369, 374; Canaris, FS Wiedemann, S. 3, 12 ff.; Giesen, GS Heinze, S. 233, 238; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 53 f. 638 Siehe Peter, ZJS 2015, 270 (Ausgleich nicht gerechtfertigter Vermögensverschiebungen); Pioch, Nutzungen und die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 100, spricht den §§ 346 ff. BGB und den §§ 812 ff. BGB eine Abschöpfungsfunktion zu. Zur in den Einzelheiten allerdings umstr. Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsrechts Beuthien, FS Söllner, S. 125, 131 (im Zshg. mit der GoA); Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 57; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 1 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 185 ff. Siehe auch Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 2 zur Orientierung am Vermögensvorteil.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 231
eine einheitliche Behandlung mit dem Bereicherungsrecht. Wenn sie nicht gegenständlicher Natur ist, ist für eine verbleibende Bereicherung demnach gemäß den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 2 BGB Wertersatz nach objektiven Maßstäben zu leisten.639 c) Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB Im Zusammenhang mit der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist regelmäßig die Rede davon, sie führe unter anderem dazu, dass der Schuldner sich auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen könne.640 Im Rahmen der bisher untersuchten Rechtsfolgenverweisungen findet § 818 Abs. 3 BGB Anwendung.641 Diese Verweisungen dienen regelmäßig gerade der Privilegierung des rückgabepflichtigen Schuldners, die sich aus § 818 Abs. 3 BGB ergibt.642 Bei § 346 Abs. 3 S. 2 BGB besteht gegenüber anderen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht die Besonderheit, dass eine „verbleibende Bereicherung“ bereits eine seiner Tatbestandsvoraussetzungen ist. § 818 Abs. 3 BGB setzt den Begriff der Bereicherung ebenfalls voraus. Ihm liegt die Frage zugrunde, ob der Empfänger „nicht mehr bereichert ist“. Die Tatbestände ähneln sich derart, dass alleine diese Ähnlichkeit für eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB infolge der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB spricht. Auch der Sinn und Zweck des § 818 Abs. 3 BGB, den bestehenden Herausgabeanspruch auf eine noch vorhandene Bereicherung zu begrenzen, entspricht dem des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB.643 Im Bereicherungsrecht kommt ihm freilich eine subsidiäre Begrenzungsfunktion zu,644 wohingegen der Herausgabeanspruch gemäß § 346 Abs. 3 S. 2 BGB von vornherein auf die verbleibende Bereicherung gerichtet ist. Der gemeinsame Grundgedanke der Anspruchsbegrenzung legt es nahe, § 818 Abs. 3 BGB im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anzuwenden. Dabei sind für 639
A. A. Kohler, JZ 2018, 591, 592. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 661; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 68; NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 66; Peter, ZJS 2015, 270, 271; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 260; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 584 f.; Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 371; Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 149. I. Ü. Kohler, JZ 2002, 682, 684 (bei einer der für ihn denkbaren Auslegungsvarianten des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB); Ernst, FS Huber, S. 165, 235 ff. greift zumindest auf § 818 Abs. 3 BGB zurück. 641 Siehe dazu jeweils die Einzeluntersuchungen, z.B die des § 682 BGB in diesem Kap. in § 2 II. 4. c). 642 Für § 346 Abs. 3 S. 2 BGB daher auch Linke, Die Rückabwicklung, S. 67 f.; Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 149. Für § 684 S. 1 BGB Staudinger/Bergmann, BGB, § 684 Rn. 5. Allg. zu diesem Ziel Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 20. 643 Zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 627, 629, 631. 644 Siehe dazu v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 381 (konkret zur Ersparnis von Aufwendungen); Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 311 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 71 I. 1., S. 255; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 127. 640
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§ 818 Abs. 3 BGB auch in dem ihm durch § 346 Abs. 3 S. 2 BGB vermittelten Anwendungsbereich grundsätzlich die im Bereicherungsrecht entwickelten Maßstäbe richtungsweisend. Die Orientierung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB an den Grundsätzen des Bereicherungsrechts schließt es indes nicht aus, im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung des Schuldners Besonderheiten des Rücktrittsrechts zu berücksichtigen.645 Für die Bestimmung des Umfangs der Bereicherung können im Rücktrittsrecht namentlich Abweichungen hinsichtlich der Anwendung der Saldotheorie und der Abzugsfähigkeit von Verwendungen und Aufwendungen erforderlich sein. aa) Anwendung der Saldotheorie Die Rechtsfolgenverweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB wird vereinzelt deshalb als eingeschränkt betrachtet, weil sie sich nicht auf die grundsätzlich im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB geltenden Grundsätze der Saldotheorie beziehe.646 Die Saldotheorie kommt richtigerweise für § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht zur Anwendung. § 346 BGB gibt ein in sich geschlossenes System der Rückabwicklung des Schuldverhältnisses vor. Er regelt im Kern die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, deren Besonderheiten im Bereicherungsrecht nicht eigenständig erfasst sind647 und daher über die Saldotheorie berücksichtigt werden sollen. Die Saldotheorie gilt im Bereicherungsrecht jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur im Rahmen der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, bei denen die Parteien dem Grunde nach wechselseitige Bereicherungsansprüche haben.648 § 346 Abs. 3 S. 2 BGB stellt allerdings von vornherein nur einen einseitigen Bereicherungsanspruch dar – der gleichfalls bestehende Anspruch des Rückgewährschuldners auf Rückgewähr des von ihm Geleisteten ist nicht bereicherungsrechtlicher Natur. Auf einen Bereicherungsanspruch, der von vornherein nur einer Partei zusteht, findet die Saldotheorie auch innerhalb des originären Anwendungsbereichs des Bereicherungsrechts keine Anwendung. Es entspricht daher dem Vorgehen des Bereicherungsrechts, sie auf § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht anzuwenden.
645 Das Rücktrittsrecht fließt in seinen Wertungen ohnehin auch grundsätzlich in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ein, wie das Beispiel der Saldotheorie zeigt. Zur Saldotheorie und den Einflüssen des Rücktrittsrechts siehe z. B. die Darstellungen bei MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 234 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 41 ff.; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 377 ff. 646 BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 629, 637, 641. 647 Dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 231; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 234; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 12 Rn. 31. 648 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 12 Rn. 31. Siehe auch Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 136 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 327 f.
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bb) Abzug von Aufwendungen Nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts handelt es sich bei Aufwendungen und Verwendungen649 des Rückgewährschuldners grundsätzlich um abzugsfähige Posten im Rahmen der Bestimmung einer Bereicherung.650 Die Verwendungen sind vollumfänglich und ohne Rücksicht auf etwaige aus anderen Bereichen, insbesondere der §§ 994 ff. BGB, bekannte Einschränkungen abzugsfähig.651 Hiervon weicht die Rechtsprechung selbst dann nicht ab, wenn § 818 Abs. 3 BGB über die Verweisung in § 988 BGB zur Anwendung gelangt. Obwohl das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in den dort geregelten Verwendungsersatzansprüchen Einschränkungen der Ersatzfähigkeit enthält, sollen Verwendungen für § 818 Abs. 3 BGB in gleicher Weise vollumfänglich zu berücksichtigen sein, wie es in dessen originären Anwendungsbereich erfolge.652 Der BGH begründet dies mit der unterschiedlichen Schutzrichtung des § 988 BGB einerseits und der §§ 994 ff. BGB andererseits. Für den Umfang der Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB stellt sich daher die Frage, ob Aufwendungen und Verwendungen aufgrund der Sonderregelungen des § 347 Abs. 2 BGB nicht vom Umfang der Bereicherung abzuziehen sind und der Rückgewährschuldner diesbezüglich auf einen Gegenanspruch verwiesen wird oder ob ein Abzug von der Bereicherung – ähnlich wie in den Fällen des § 988 BGB – erfolgt. Die Literatur erwägt beide Möglichkeiten. Da eine doppelte Berücksichtigung der Aufwendungen unzulässig ist,653 kommt lediglich eine der beiden Alternativen in Betracht. (1) Anspruchsmindernde Berücksichtigung Eine Ansicht in der Literatur befürwortet die Abzugsfähigkeit von Verwendungen oder Aufwendungen von der verbleibenden Bereicherung. Danach ist ein Anspruch des Rückgewährschuldners nach § 347 BGB konsequenterweise ausgeschlossen, da andernfalls die Gefahr einer mehrfachen Berücksichtigung derartiger Aufwendungen bestünde.654 Die grundsätzli649 Sofern im Folgenden von Aufwendungen die Rede ist, soll zur sprachlichen Vereinfachung hiervon als Oberbegriff auch die Gruppe der Verwendungen erfasst sein. 650 BGH vom 5.7.2006 – VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847, 2852; BGH vom 19.1.1999 – X ZR 42–97, NJW 1999, 1626, 1629; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 135 ff. (insbes. 151 ff., 159 f.); Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 37. 651 BGH vom 12.12.1997 – V ZR 81/97, NJW 1998, 989, 990 f.; Canaris, JZ 1992, 1114, 1115; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 159. Krit. im Anwendungsbereich des § 988 BGB Gursky, JZ 1998, 686, 688; Reischl, JR 1999, 25 f. 652 BGH vom 12.12.1997 – V ZR 81/97, NJW 1998, 989, 990 f. A. A. wohl Gursky, JZ 1998, 686, 688; Reischl, JR 1999, 25 f. 653 jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 67; MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 15. 654 BeckOK BGB/H. Schmidt, § 347 Rn. 7; Krebs, DB 2000, Beil. Nr. 14, 1, 13;
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che Anerkennung der Abzugsfähigkeit sagt noch nichts über den Umfang der Anspruchsminderung aus, denn die Aufwendungen könnten entweder vollumfänglich655 oder nur in dem Umfang berücksichtigt werden, in dem sie auch nach § 347 Abs. 2 BGB ersatzfähig wären. Viele Vertreter dieser Ansicht äußern sich nicht zum Umfang der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Fall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Sie berücksichtigen allerdings gegenüber dem Wertersatzanspruch nach § 346 Abs. 2 BGB in Anlehnung an die Gesetzesbegründung ausschließlich solche Aufwendungen, die auch nach § 347 Abs. 2 BGB ersatzfähig wären.656 Dies spricht eher für eine nach den Grundsätzen des § 347 Abs. 2 BGB eingeschränkte Berücksichtigung. Die vereinzelten Stimmen, die sich zu dieser Frage äußern, befürworten indes ohne Rücksicht auf den Umfang eines etwaigen Anspruchs nach § 347 Abs. 2 BGB eine vollumfängliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Die Pflicht zur Herausgabe einer noch vorhandenen Bereicherung sei nur im Umfang aktuell noch vorhandener Vermögensvorteile sachgerecht. Diese bestünden indes in dem Umfang nicht, in dem sie durch Aufwendungen aufgezehrt seien.657 Will man dem Bereicherungsrecht grundsätzlichen Vorrang vor § 347 Abs. 2 BGB einräumen, ist es konsequent, die Aufwendungen vollumfänglich bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, da nur dieses Vorgehen dem Bereicherungsrecht entspricht. Sieht man § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dagegen als subsidiäre Haftung an, die nur greift, sofern das Rücktrittsrecht keine abweichenden Vorgaben macht, ist es stringent, § 347 Abs. 2 BGB als vorrangig anzusehen, soweit sein Anwendungsbereich reicht. (2) Keine Berücksichtigung Alternativ sollen Verwendungen und sonstige Aufwendungen stets nach § 347 BGB zu ersetzen und nicht schon im Rahmen einer verbleibenden Bereicherung anspruchsmindernd zu berücksichtigen sein.658 Auf diese Weise wird eine unzulässige doppelte Berücksichtigung – zunächst bereicherungsmindernd im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB und sodann als ersatzfähige Aufwendungen gemäß § 347 BGB – dieser Posten ausgeschlossen. Aufwendungen des Rückgewährschuldners sind dann grundsätzlich ausschließlich im Umfang des § 347 Abs. 2 BGB ersatzfähig. MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 16; Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 370. 655 So Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 370 f. 656 BT‑Drucks. 16/6040, S. 197; BeckOK BGB/H. Schmidt, § 347 Rn. 7; MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 15. 657 Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 370 f. 658 Allerdings differenzierend nach den Ausschlusstatbeständen des § 346 Abs. 3 S. 1 BGB: jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 68; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 44, 59.
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Da § 347 Abs. 2 BGB die in Rede stehenden Aufwendungen regelt, er aber nicht zur Anwendung gelangen darf, wenn die Aufwendungen bereits nach § 818 Abs. 3 BGB bereicherungsmindernd berücksichtigt werden, wäre eine teleologische Reduktion des § 347 Abs. 2 BGB erforderlich, um seine Unanwendbarkeit zu begründen. Dies stünde zwar im Einklang mit der Intention des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, lediglich eine vorhandene Bereicherung abzuschöpfen, widerspräche allerdings seinem subsidiären Eingreifen im Verhältnis zu den bestehenden rücktrittsrechtlichen Regelungen. Ebenso wie bezüglich etwaiger Nutzungsersatzansprüche659 sind die Wertungen des Rücktrittsrechts über das Verhältnis der Parteien des Rückgewährschuldverhältnisses auch hinsichtlich getätigter Aufwendungen soweit aufrecht zu erhalten, wie sie gesetzlich vorgegeben sind. Der Rückgewährschuldner wird dadurch bei einer verbleibenden Bereicherung (bei der die Aufwendungen nicht abgezogen werden) vermögensmäßig genauso gestellt wie er stünde, wenn ihm keine Bereicherung verblieben wäre. Gegen eine bereicherungsmindernde Berücksichtigung der Verwendungen und sonstigen Aufwendungen spricht zudem, dass § 2022 Abs. 1 S. 1 BGB in einem vergleichbaren Fall ausdrücklich bestimmt, dass die Verwendungsund Aufwendungsersatzansprüche, die er dem Erbschaftsbesitzer gewährt, unter dem Vorbehalt stehen, dass die Aufwendungen nicht schon auf die Bereicherung nach § 2021 BGB angerechnet wurden. Hätte der Gesetzgeber die Aufwendungen als abzugsfähige Posten im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB angesehen, hätte es nahegelegen, im Rücktrittsrecht eine, § 2022 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechende Einschränkung vorzusehen. (a) Ausnahme im Fall des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB Ausnahmsweise soll ein Abzug getätigter Verwendungen von der Bereicherung erfolgen, wenn der Wertersatzanspruch gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen ist, da die notwendigen Verwendungen in dem Fall nach § 347 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich nicht ersatzfähig sind.660 Die Anerkennung dieser Ausnahme entspricht der Intention des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB als verbleibende Bereicherung nur abzuschöpfen, was im Vermögen des Rückgewährschuldners tatsächlich vorhanden ist.661 Wenn man allerdings grundsätzlich einen Vorrang des § 347 Abs. 2 BGB vor einer Abzugsfähigkeit der Verwendungen im Rahmen der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 3 BGB anerkennt, muss die in § 347 Abs. 2 BGB getroffene Wertung des Gesetzgebers akzeptiert werden. Der Hintergrund dafür, § 347 Abs. 2 BGB grundsätzlich als vorrangig anzusehen, besteht darin, die Wer659
Siehe dort (vorstehend unter a) aa)) die ausführl. Argumentation. BGB, § 347 Rn. 44. des Schuldners BGH vom 25.3.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 (Rn. 19). 660 jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 68; Staudinger/Kaiser, 661 Zum Erfordernis der Manifestation im Vermögen
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tungen des Rücktrittsrechts über die Ersatzfähigkeit von Aufwendungen nicht durch eine Berücksichtigung im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zu unterlaufen. Die Wertungen des § 347 BGB und seine Anspruchsbegrenzungen werden indes gerade aufrecht erhalten, wenn kein Abzug etwaiger Verwendungen im Rahmen der Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB erfolgt und dem Rückgewährschuldner stattdessen ein eigenständiger Ersatzanspruch gemäß § 347 Abs. 2 BGB verbleibt, mit dem er gegebenenfalls aufrechnen kann. Wenn § 347 Abs. 2 S. 1 BGB für die Fälle des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB bestimmte Aufwendungen als nicht ersatzfähig erachtet, ist diese gesetzgeberische Wertung im Rahmen eines grundsätzlichen Vorrangs des § 347 Abs. 2 BGB vor § 818 Abs. 3 BGB zu akzeptieren. (b) Sonderfall: Aufwendungen auf Surrogate Wenn der Rückgewährschuldner ein Surrogat für den untergegangenen Leistungsgegenstand erhält, kann er auf dieses Aufwendungen tätigen. Derartige Aufwendungen sind nicht von § 347 Abs. 2 BGB erfasst. Ähnlich wie die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Nutzungen,662 bezieht sich § 347 Abs. 2 BGB seinem Wortsinn nach nicht ausdrücklich auf Aufwendungen auf den ursprünglichen Leistungsgegenstand. Da das Rücktrittsrecht aber bereits die Herausgabe von Surrogaten nicht selbst erfasst, ist es – ebenso wie bei den Ansprüchen betreffend Nutzungen – sachgerecht, den Anwendungsbereich des § 347 Abs. 2 S. 1, 2 BGB nicht auf Verwendungen und Aufwendungen auf ein derartiges Surrogat zu erstrecken.663 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB lässt sich freilich eine entsprechende Anwendung des § 347 Abs. 2 BGB befürworten, sofern der Rückgewährschuldner Verwendungen auf Surrogate getätigt hat.664 Da § 346 Abs. 3 S. 2 BGB jedoch durch seine Verweisung auf das Bereicherungsrecht § 818 BGB erfasst, besteht innerhalb seines Anwendungsbereichs kein Bedürfnis dafür, § 347 Abs. 2 BGB analog heranzuziehen. Die Verwendungen und sonstigen Aufwendungen sind bei der Ermittlung des Umfangs der Bereicherung im Einklang mit den für § 818 Abs. 3 BGB allgemein geltenden Grundsätzen anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Dies trägt dem Sinn und Zweck des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, lediglich einen vorhandenen Vermögensüberschuss beim Schuldner abzuschöpfen, Rechnung. Für die Fälle, in denen die Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen ist und Verwendungen auf den 662 663
Siehe dazu vorstehend unter a) aa). Für die Beschränkung des § 347 Abs. 2 S. 1 BGB auf Verwendungen auf den Leistungsgegenstand Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 34; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 24. 664 So jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 54; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 55; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 42 (ohne explizit von einer Analogie zu sprechen).
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ursprünglichen Leistungsgegenstand getätigt wurden, kann dieser Wertung, wie soeben gezeigt, nicht zur Durchsetzung verholfen werden. In dem Fall existiert aber auch eine gesetzliche Regelung, die dies versperrt, wenn man sie nicht im Ausnahmefall extensiv – und zwar über ihren Wortlaut hinaus – auslegen wollte. Denn § 347 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt ausdrücklich, dass Verwendungen nur ersatzfähig sind, wenn die Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2 BGB ausgeschlossen ist. Darin liegt zugleich implizit die Vorgabe, dass in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB kein Verwendungsersatzanspruch bestehen soll. Da Ersatzansprüche für Verwendungen und sonstige Aufwendungen auf Surrogate jedoch im Rücktrittsrecht überhaupt nicht geregelt sind, existiert diesbezüglich auch keine Vorgabe, dass diese in bestimmten Fällen nicht ersatzfähig sein sollen. Es kann daher nicht dessen Wertungen zuwiderlaufen, sie als abzugsfähige Posten im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB anzusehen. Da es überdies der Intention des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB entspricht, die Verwendungen ohne Rücksicht auf ihre Ersatzfähigkeit gemäß § 347 Abs. 2 S. 1 BGB als bereicherungsmindernd anzuerkennen, besteht in diesen Fällen kein Raum für eine entsprechende Anwendung von § 347 Abs. 2 S. 1 BGB. Ab dem in § 819 Abs. 1 BGB bestimmten Zeitpunkt665 besteht freilich ein Verwendungsersatzanspruch gemäß den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 2, 994 Abs. 2, 995 BGB. Die Aufwendungen sind ab diesem Zeitpunkt allein nach diesen Vorschriften zu behandeln und können nicht mehr bereicherungsmindernd in Abzug gebracht werden.666 cc) Fazit zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen Verwendungs- und sonstige Aufwendungsersatzansprüche richten sich im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses auch in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB vornehmlich nach § 347 Abs. 2 BGB. Seine Wertungen sind gegenüber den bereicherungsrechtlichen vorrangig, soweit dessen Regelungsbereich reicht. Um eine doppelte Berücksichtigung der Aufwendungen zu verhindern, sind diese im Zuge des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht bereicherungsmindernd in Abzug zu bringen, sofern ein Anspruch nach § 347 Abs. 2 S. 1, 2 BGB entweder besteht oder nur deshalb nicht besteht, weil eine seiner Voraussetzungen im Einzelfall nicht vorliegt. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 347 Abs. 2 BGB richtet sich die Abzugsfähigkeit von Verwendungen und anderweitigen Aufwendungen hingegen aufgrund der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nach den allgemein im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB geltenden Grundsätzen. 665 Siehe dazu im Folgenden unter e) bb). 666 RG vom 20.5.1927 – (VII) VI 518/26,
RGZ 117, 112, 114 (für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, § 818 Abs. 4 BGB); MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 316 (für den originären Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts).
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d) Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB Da die Abs. 1–3 des § 818 BGB infolge der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anwendbar sind, erscheint es sachgerecht, dem Grunde nach auch von einer Anwendbarkeit des § 818 Abs. 4 BGB auszugehen, da § 818 BGB ein in sich geschlossenes Regelungssystem zugrunde liegt und dieses durchbrochen würde, wenn nur einzelne Regelungsgegenstände der Vorschrift anwendbar wären. Es ist denkbar, das System nicht als Ganzes auf den Anwendungsbereich der Verweisungsvorschrift zu übertragen, dafür müssten sich indes aus der Verweisungsvorschrift oder den sie ergänzenden Regelungen zusätzliche Anhaltspunkte ergeben. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Verweisungsvorschrift die Anwendung einzelner Teile einer Vorschrift ausdrücklich oder ihrem Sinn und Zweck nach ausschließt. Im Rücktrittsrecht gelten hinsichtlich § 818 Abs. 4 BGB tatsächlich Besonderheiten. § 818 Abs. 4 BGB entfaltet bezüglich § 346 Abs. 3 S. 2 BGB keine Wirkung, da bei Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB die hierfür maßgebliche Kenntnis spätestens zum Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung vorliegt667 und eine etwaige verschärfte Haftung ab diesem Zeitpunkt eintritt. Eine Klage aufgrund des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB kann erst danach rechtshängig werden, da vor Ausübung des Gestaltungsrechts keine Grundlage hierfür besteht. § 818 Abs. 4 BGB erlangt demnach keine Bedeutung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er infolge der Verweisung grundsätzlich unanwendbar ist. Es gibt im Rücktrittsrecht keine Gründe, die gegen seine Anwendung sprechen, die Vorschrift läuft lediglich aufgrund des für § 819 Abs. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkts insoweit leer. e) Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB aa) Grundlage der Anwendbarkeit Ob § 819 Abs. 1 BGB infolge eines Rechtsfolgenverweises in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB anwendbar ist, ist umstritten. Einer Ansicht nach ist dies abzulehnen, da es sich bei den aus § 819 Abs. 1 BGB resultierenden Ansprüchen um Schadensersatzansprüche handele, die von der Verweisung auf das Bereicherungsrecht, die auf eine „Herausgabe“ gerichtet sei, nicht umfasst seien.668 Überwiegend wird § 819 Abs. 1 BGB dagegen für anwendbar erachtet.669 Dabei wird unter anderem mit dem Sinn und Zweck der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB argumentiert. Das Wissen um die Heraus667 Siehe zu den unterschiedl. Ansichten über den maßgeblichen Zeitpunkt ausführl. im Folgenden unter e) bb). 668 Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 149. 669 AnwKomBGB/Hager, § 346 Rn. 56; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/H. Schmidt, BGB, § 346 Rn. 69; Jaeger, ZJS 2013, 327, 330; jurisPK BGB/Faust, § 346 Rn. 97; Münch346 Rn. 68; NK‑BGB/Hager, § 346 Rn. 66; Staudinger/Kaiser, KommBGB/Gaier, § BGB, § 346 Rn. 218. In der Tendenz zumindest auch Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 419.
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gabepflicht erhöhe die Haftungsanforderungen an den Verpflichteten.670 Unabhängig vom konkreten Fall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB spricht für eine Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung, dass der historische Gesetzgeber des BGB in einigen dieser Fälle eine Geltung der bereicherungsrechtlichen Regelungen über die verschärfte Haftung bei Bösgläubigkeit des Bereicherungsschuldners ausdrücklich angewendet wissen wollte.671 Dies betrifft unter anderem die Verweisung im heutigen § 2287 Abs. 1 BGB, bei dessen Begründung der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen hat, die bereicherungsrechtlichen Vorschriften dienten zur näheren Bestimmung des Umfangs des Anspruchs.672 Die Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen beruht darüber hinaus, wie zu zeigen ist, auf seiner Konzeption als Haftungserweiterung. (1) Konzeption des § 819 Abs. 1 BGB als Haftungserweiterung Die zuletzt genannte Ansicht ist vorzugswürdig. § 819 Abs. 1 BGB hat nicht den Charakter eines Schadensersatzanspruchs. Er erweitert vielmehr die in § 818 Abs. 4 BGB für den Fall der Rechtshängigkeit statuierte Haftung nach den allgemeinen Vorschriften.673 Der Rechtscharakter des § 818 Abs. 4 BGB bestimmt somit den der Haftungserweiterung des § 819 Abs. 1 BGB. Der in § 818 Abs. 4 BGB enthaltene Verweis auf die allgemeinen Vorschriften ist zwar seinem Umfang nach im Einzelnen umstritten, aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift ergibt sich aber, dass er unter anderem dazu führt, dem Bereicherungsschuldner das Berufen auf den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zu verwehren.674 Es besteht ferner zumindest insoweit Einigkeit, dass die Verweisung zudem jedenfalls die §§ 291, 292 BGB und darüber die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses umfasst.675 Hiernach muss der Verpflichtete nicht nur Schadens-, sondern auch Nutzungsersatz leisten. Außerdem ergeben sich aus § 291 BGB die von den bereicherungsrechtlichen Vorschriften abweichenden allgemeinen Zinspflichten. Die aus der Verweisung des § 818 Abs. 4 BGB resultierenden Ansprüche sind mithin verschiedenartig. Es handelt sich in der Zusammenschau um eine Erweiterung der Herausgabepflicht 670 AnwKomBGB/Hager, § 346 Rn. 56. 671 Dies ergibt sich aus den Materialien zu den §§ 2021, 2287 Abs. 1, 2329 BGB. Siehe
dazu mit entspr. Nachw. unter IV. 672 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 328. 673 MünchKommBGB/Schwab, § 819 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 819 Rn. 3. 674 Motive zum BGB, Bd. 2, S. 841. 675 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 50; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 311 ff.; Palandt/Sprau, BGB, § 818 Rn. 52; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 69; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 50. Siehe auch schon die Motive zum BGB, Bd. 2, S. 841.
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gemäß § 818 Abs. 1, 2 und 3 BGB um verschiedene Posten676 und nicht um einen reinen Schadensersatzanspruch. § 819 Abs. 1 BGB erweitert jeden dieser Ansprüche und bezieht sich daher ebenfalls auf den Umfang der Herausgabe, wie § 818 BGB ihn in seinem jeweils einschlägigen Absatz vorgibt. Der spezifische Zusammenhang zwischen § 819 Abs. 1 BGB und § 818 BGB spricht dafür, ihn infolge einer Rechtsfolgenverweisung stets als anwendbar zu erachten. (2) Übertragung der Wertungen des § 819 Abs. 1 BGB auf das Rücktrittsrecht Es spricht nichts dagegen, den in § 819 Abs. 1 BGB verankerten Rechtsgedanken des Bereicherungsrechts über die Haftungsverschärfung ab Kenntnis auf das Rücktrittsrecht zu übertragen, sofern es in dessen Rahmen um die Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung geht. Es ist vielmehr sogar sinnvoll, das in sich geschlossene Rückabwicklungssystem des Bereicherungsrechts infolge einer Verweisung immer dann aufrecht zu erhalten, wenn nicht etwaige Besonderheiten des Rechts der Verweisungsvorschrift entgegenstehen. Im Rücktrittsrecht verfolgt die Anordnung der Herausgabe der verbleibenden Bereicherung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gerade die Ausgleichsfunktion, die auch den Bereicherungsansprüchen selbst zugrunde liegt.677 Es gibt keinen rücktrittsspezifischen Grund, den Rückgewährpflichtigen ab Kenntnis der Herausgabepflicht in besonderem Umfang zu privilegieren.678 bb) Beginn der Haftung gemäß § 819 Abs. 1 BGB Zusätzlich zu der Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung ist in Fällen, in denen § 819 Abs. 1 BGB über eine Rechtsfolgenverweisung zur Anwendung gelangt, problematisch, ab welchem Zeitpunkt die dort angeordnete verschärfte Haftung eintritt. § 819 Abs. 1 BGB ordnet die verschärfte Haftung ab dem Zeitpunkt an, zu dem der Herausgabeverpflichtete vom Fehlen des Rechtsgrundes positive Kenntnis erlangt. Da nach einem Rücktritt vom Vertrag der Rechtsgrund für die Leistung fortbesteht, kann für die Kenntnis im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB bei einem Rücktritt nicht an den Zeitpunkt des „Mangels des rechtlichen Grundes“ angeknüpft werden. Durch 676 Soergel/Hadding, BGB, § 819 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, 677 Peter, ZJS 2015, 270. Siehe auch BeckOGK/Schall, § 346
BGB, § 819 Rn. 4. BGB Rn. 631. 678 Wenn man § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB in den Fällen in denen der Rücktrittsberechtigte seinen Rücktrittsgrund kennt, aufgrund einer teleologischen Reduktion für unanwendbar hält, ist § 346 Abs. 3 S. 2 BGB schon nicht mehr anwendbar. Siehe Kaiser, JZ 2016, 151, 153; Peter, ZJS 2015, 270, 271, jeweils m. w. Nachw. zu den Befürwortern der teleologischen Reduktion. § 819 Abs. 1 BGB greift dann nur in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–2 BGB.
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die Verweisung wird der mangelnde Rechtsgrund als Anspruchsvoraussetzung obsolet. Anstelle der Kenntnis über den Mangel des rechtlichen Grundes muss daher an eine Voraussetzung der rücktrittsrechtlichen Vorschrift angeknüpft werden, die sachgerecht erscheint, damit die Wertung des § 819 Abs. 1 BGB bei dessen Anwendung aufrechterhalten bleibt. Im Fall eines vorausgegangenen Rücktritts gibt es verschiedene denkbare Varianten einer zeitlichen Anknüpfung. Die Kenntnis des Rücktrittsgrundes könnte ebenso maßgeblich sein679 wie die Kenntnis von der Ausübung des Rücktritts.680 Letztere wird regelmäßig ab dem Zugang der Rücktrittserklärung vorliegen. Für beides gibt es auf den ersten Blick gute Gründe: Auf den Zeitpunkt der Rücktrittsausübung, das heißt regelmäßig des Zugangs der Rücktrittserklärung, abzustellen, wird dem Charakter des Rücktritts als Gestaltungsrecht am ehesten gerecht, da durch die Gestaltungserklärung die Folgen des Rücktritts überhaupt erst ausgelöst werden. Vor diesem Zeitpunkt ist noch unklar, ob jemals eine Rückabwicklung erfolgen wird. Die Kenntnis vom Rücktrittsgrund wird dagegen in anderen Zusammenhängen häufiger mit der Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit im Bereicherungsrecht gleichgesetzt.681 Ab diesem Zeitpunkt liegt eine Kenntnis der Störung des Rechtsverhältnisses vor, was dafür sprechen könnte, hierin den maßgeblichen Zeitpunkt der in § 819 Abs. 1 BGB angeordneten Haftung zu sehen, da der Rückgewährschuldner ab diesem Moment nicht mehr schutzwürdig ist. Er kann sich auf eine mögliche Rückgewährpflicht einstellen. (1) Vergleichende Betrachtung der Problematik im Rücktritts-, Schenkungs- und Anfechtungsrecht Um die Problematik um den maßgeblichen Zeitpunkt zu lösen, bietet sich ein Blick ins Schenkungs- und ins Anfechtungsrecht an, da sich um § 531 Abs. 2 BGB eine parallele Diskussion rankt und das Anfechtungsrecht die Frage nach dem entscheidenden Zeitpunkt durch eine explizite Regelung in § 142 Abs. 2 BGB beantwortet. Bei § 531 Abs. 2 BGB entfällt der Rechtsgrund durch eine Gestaltungserklärung im Nachgang zu einem Widerrufsgrund. Dadurch bestehen im Widerrufsrecht, vergleichbar mit § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, zwei mögliche zeitliche Anknüpfungspunkte einer verschärften Haftung gemäß § 819 Abs. 1 BGB: Die Kenntnis vom Vorliegen eines Widerrufsgrunds, das heißt den 679 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/H. Schmidt, BGB, § 346 Rn. 69; Jaeger, ZJS 2013, 327, 330; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218; Thier, FS Heldrich, S. 439, 450. 680 jurisPK BGB/Faust, § 346 Rn. 103. 681 Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen, S. 59; Thier, FS Heldrich, S. 439, 447, 450. Angedeutet bei Konzen, FS Canaris, S. 605, 625. A. A. wohl Linke, Die Rückabwicklung, S. 69 (Fn. 311 a. E.).
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Zeitpunkt der eigenen Verfehlung, oder die Kenntnis des tatsächlich erfolgten Widerrufs, das heißt den Zugang der Widerrufserklärung. Dies verhält sich ebenso bei einer Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses aufgrund einer vorangegangenen Anfechtung. Hierbei stellen die Kenntnis des Anfechtungsgrundes und der Zugang der Anfechtungserklärung die möglichen zeitlichen Anknüpfungspunkte dar. Für alle genannten Rechtsinstitute gibt § 819 Abs. 1 BGB selbst keine ausdrückliche Antwort auf die Frage, an welchen der möglichen zeitlichen Momente anzuknüpfen ist. Dies ist dem Charakter der Rechte als Gestaltungsrechte geschuldet. Lediglich das Anfechtungsrecht entscheidet die Frage eigenständig in § 142 Abs. 2 BGB, der vorgibt, dass dem Verpflichteten bereits die Kenntnis und darüber hinaus sogar das Kennenmüssen der Anfechtbarkeit und mithin des Anfechtungsgrundes schadet. Diese Anknüpfung ergibt sich aber nicht aus § 819 Abs. 1 BGB, sondern erst aus der speziellen Regelung des § 142 Abs. 2 BGB. Ohne diese Regelung wäre die Frage, woran anzuknüpfen ist, bei der Anfechtung ebenso offen wie in den Fällen des Schenkungswiderrufs und des Rücktritts. (2) Sinn und Zweck des § 819 Abs. 1 BGB als Auslegungsmaßstab Der maßgebliche Zeitpunkt ist für das Rücktritts- und Schenkungsrecht aus dem Sinn und Zweck des § 819 Abs. 1 BGB zu ermitteln. § 819 Abs. 1 BGB trägt der Situation Rechnung, dass der Schuldner der Herausgabepflicht diese Pflicht kennt. Ab diesem Zeitpunkt sieht die Vorschrift ihn nicht mehr in gleichem Maße wie zuvor als schutzwürdig an. Da er weiß, dass er das erlangte Etwas nicht dauerhaft behalten darf, muss er hiermit besonders sorgfältig verfahren oder andernfalls zum Beispiel für etwaige Schäden, die den Umfang seiner Herausgabemöglichkeit reduzieren, verschärft haften. Entscheidend ist demnach, ab wann der Schuldner seine Herausgabepflicht kennt. Bei Gestaltungsrechten besteht erst mit deren Ausübung Sicherheit über den Eintritt ihrer jeweiligen Wirkungen.682 Der Berechtigte hat ein Wahlrecht, ob er ein ihm zustehendes Gestaltungsrecht ausüben möchte oder nicht. Verzichtet er hierauf, treten auch die dazugehörigen Rechtsfolgen nicht ein. Der Anspruchsgegner weiß daher erst zum Zeitpunkt der Ausübung, ob er sich beispielsweise einer Herausgabepflicht ausgesetzt sehen muss oder nicht. Dem entspräche es, bei Wegfall eines Rechtsgrundes oder Umgestaltung des Schuldverhältnisses aufgrund eines ausgeübten Gestaltungsrechts an die Kenntnis der Ausübung dieses Rechts, das heißt den Zugang der Gestaltungserklärung, anzuknüpfen. Wenn allerdings derjenige zur Rückgewähr der Sache verpflichtet ist, der das Gestaltungsrecht ausübt, kennt er bereits ab dem Auftreten des Widerrufs-, 682
Speziell für den Schenkungswiderruf Staudinger/Chiusi, BGB, § 531 Rn. 17.
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Rücktritts- oder Anfechtungsgrundes seine potentielle Herausgabepflicht. Er kann dann selbst entscheiden, ob er diese durch die Ausübung des Gestaltungsrechts auslöst oder nicht. Es wäre unbillig, ihn bis zur Ausübung des Gestaltungsrechts zu schützen, obwohl er die potentielle Rückgewährpflicht bereits zuvor kennt. Der Zeitpunkt der Kenntnis des Anfechtungsgegners, der den Anfechtungsgrund verschuldet hat – zum Beispiel, weil er seinen Vertragspartner bei Abschluss des Vertrags arglistig getäuscht hat –, liegt sogar noch davor. In dem Fall ist er von Beginn an nicht schutzwürdig, da er die Tatsachen, die einer möglichen Anfechtung und damit seiner potentiellen Herausgabepflicht zugrunde liegen, von Anfang an kennt. (a) Sonderstellung der Anfechtung Dem trägt im Anfechtungsrecht § 142 Abs. 2 BGB Rechnung. Da beide Parteien eine Leistung erbringen und bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes auch anfechtungsberechtigt sein können, kann auch jede Partei Kondiktionsgläubiger oder -schuldner sein. Wenn der Anfechtende gleichzeitig der Rückgewährpflichtige ist, haftet er verschärft ab Kenntnis/Kennenmüssen der Anfechtbarkeit, die dann zeitlich vor der Anfechtungserklärung liegt. Ficht hingegen der Rückgewährgläubiger das Rechtsgeschäft an, dann wird der Anfechtungsgegner davon entweder erst mit Zugang der Anfechtungserklärung Kenntnis erlangen und haftet erst ab diesem Zeitpunkt nach § 819 Abs. 1 BGB oder hat den Anfechtungsgrund bewusst geschaffen und haftet entsprechend bereits ab diesem frühen Zeitpunkt verschärft. (b) Ausgangslage beim Schenkungswiderruf Beim Widerruf einer Schenkung liegt die Situation etwas anders, da bei einer Schenkung nur eine der Parteien – der Schenker – eine Leistung erbringt. Der widerrufende Schenker ist stets Rückgewährgläubiger und der Beschenkte stets Schuldner der Herausgabepflicht. Letzterer erlangt spätestens mit Zugang des Schenkungswiderrufs Kenntnis von seiner Rückgewährpflicht. Da der Widerruf einer Schenkung nach § 530 BGB allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, die ein Fehlverhalten des Beschenkten voraussetzen, sind dem Beschenkten bereits zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens die Möglichkeit des Widerrufs und damit das potentielle Bestehen einer Rückgewährpflicht bewusst. Dennoch wird im Schenkungsrecht überwiegend der Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung als für die Kenntnis maßgeblich erachtet.683 Die Richtigkeit die683 BGH vom 19.1.1999 – X ZR 42–97, NJW 1999, 1626, 1629; Hadding, FS Mühl, S. 225, 236; MünchKommBGB/Koch, § 531 Rn. 9; Soergel/Eckert, BGB, § 531 Rn. 4; Staudinger/Chiusi, BGB, § 531 Rn. 17. A. A. angedeutet bei Jülicher, ZEV 1998, 201, 203 (obwohl er streng nach dem Wortsinn des § 819 BGB auch den Zeitpunkt der Widerrufserklärung für maßgeblich erachtet).
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ser Einschätzung ergibt sich ausdrücklich aus den Gesetzesmaterialien zu § 531 BGB, die belegen, dass bereits bei Schaffung des BGB Unsicherheiten hinsichtlich der Eindeutigkeit der Verweisung im heutigen § 531 Abs. 2 BGB bestanden.684 Im Ergebnis wurde die Verweisung dennoch beibehalten und darauf verwiesen, dass Bezugspunkt für die verschärfte Haftung nach dem heutigen § 819 Abs. 1 BGB die Kenntnis vom Widerruf der Schenkung und mithin vom Zugang der Widerrufserklärung sei.685 Für diese Ansicht wird zu Recht angeführt, ohne eine Erklärung des Widerrufs sei für den Beschenkten zum einen unter Umständen unklar, ob seine Verfehlung gravierend genug war, um einen Widerrufsgrund zu begründen. Ferner weiß er auch nicht sicher, ob der Schenker aus seiner Verfehlung tatsächlich Konsequenzen ziehen wird.686 Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Verfehlung kann daher eine Rechtsunsicherheit hervorrufen, die vermieden wird, wenn an den eindeutig ermittelbaren Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung angeknüpft wird.687 Eine anderweite Anknüpfung könne sich allenfalls aus einer Analogie zu § 142 Abs. 2 BGB ergeben,688 die jedoch die gleiche Rechtsunsicherheit hervorriefe. Ferner fehlt es aufgrund des eindeutig geäußerten Willens des historischen Gesetzgebers bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. (c) Folgerungen für das Rücktrittsrecht Im Fall des Rücktritts von einem gegenseitigen Vertrag gibt es ähnlich wie bei der Anfechtung aufgrund der wechselseitigen Leistungspflichten grundsätzlich für jede Partei die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen. Das Problem einer zeitlichen Anknüpfung der Kenntnis im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB entsteht allerdings nur in der Konstellation des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, in der unabhängig davon, welche Partei den Rücktritt erklärt, nur der Empfänger der gegenständlichen Leistung Rückgewährschuldner sein kann. Der Empfänger der Geldleistung muss diese stets nach § 346 Abs. 1 BGB zurückgewähren, ohne dass es auf eine etwaige Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 2 BGB ankäme – § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, der eine bestehende Wertersatzpflicht und deren Entfall gemäß seinem S. 1 voraussetzt, kann daher insoweit nicht eingreifen. In den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB tritt aufgrund der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Sonderkonstellation regelmäßig der Empfänger der gegenständlichen Leistung vom Vertrag zurück. Theo684
Mugdan, Bd. 2, S. 169, 758 f. Mugdan, Bd. 2, S. 759. Hadding, FS Mühl, S. 225, 236; Staudinger/Chiusi, BGB, § 531 Rn. 17. 687 BGH vom 19.1.1999 – X ZR 42–97, NJW 1999, 1626, 1629. 688 So für die Fälle des Schenkungswiderrufs: Ivens, ZErb, 2010, 286, 288. Außerdem noch MünchKommBGB/Kollhosser, 3. Aufl. 1995, § 531 Rn. 4; Staudinger/Cremer, BGB, Neubearb. 1995, § 531 Rn. 3. 685 686
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retisch ist indes auch ein Rücktritt der anderen Partei denkbar, namentlich beim Bestehen eines vertraglichen Rücktrittsrechts.689 Wenn der Empfänger der gegenständlichen Leistung der Rücktrittsberechtigte ist, kennt er die potentielle Herausgabepflicht ab dem Zeitpunkt, ab dem ihm der Rücktrittsgrund bewusst wird. Letzterer wird regelmäßig in einem der Gründe des § 323 BGB bestehen. Ab da hat er es selbst in der Hand, den Rücktritt auszuüben oder nicht, es sei denn, sein Vertragspartner tritt bereits vorher aufgrund eines vertraglichen Rücktrittsrechts zurück. Beim vertraglichen Rücktrittsrecht soll der Empfänger einer Leistung jedoch einem allgemeinen Rechtsgedanken nach ohnehin weniger schutzwürdig sein, weil er mit der Möglichkeit des Rücktritts jeder Zeit rechnen müsse.690 Die Schutzwürdigkeit des Rückgewährschuldners unterscheidet sich beim Rücktritt daher von der des Beschenkten beim Schenkungswiderruf. Außerdem besteht keine der Situation beim Schenkungswiderruf vergleichbare Rechtsunsicherheit, die gegen eine Anknüpfung an den Zeitpunkt der Kenntnis vom Rücktrittsrecht spricht. Denn beim Schenkungswiderruf ist der Verfehlende als derjenige, der die Ausübung des Gestaltungsrechts nicht sicher beeinflussen kann, gleichzeitig Schuldner der Rückgewährpflicht, während § 346 Abs. 3 S. 2 BGB die Situation zugrunde liegt, dass der Zurücktretende regelmäßig Rückgewährschuldner ist. Ihm gebührt daher die Ausübung des Gestaltungsrechts. Ausnahmen ergeben sich möglicherweise bei einem vertraglichen Rücktrittsrecht, bei dem der potentielle Rückgewährschuldner jedoch schon dem Grunde nach weniger schutzwürdig ist. Die überwiegende Literatur knüpft daher hinsichtlich der Kenntnis im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB an die Kenntnis des Rücktrittsgrundes an.691 Die Gesetzesmaterialien zu § 346 BGB sind für die Lösung des Problems wenig aufschlussreich. Es finden sich lediglich Aussagen zur Pflicht der sorgsamen Behandlung des empfangenen Gegenstandes, die spätestens ab Ausübung des Rücktrittsrechts, möglicherweise jedoch schon zu einem früheren, allerdings nicht näher spezifizierten Zeitpunkt bestehen soll.692 Dies könnte der Zeitpunkt der Kenntnis des Rücktrittsgrundes sein. Auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Rücktrittsgrundes abzustellen, entspricht 689 Zu den denkbaren Konstellationen im Zshg. mit Surrogaten siehe ausführl. vorstehend unter a) bb) (2) (a). 690 BT‑Drucks. 14/6040, S. 195. Der Rechtsausschuss des 14. Deutschen Bundestages hat daher ab Kenntnis der Rücktrittslage den gesetzlich Rücktrittsberechtigten mit dem Inhaber eines vertraglichen Rücktrittsrechts als vergleichbar angesehen: BT‑Drucks. 14/7052, S. 193. 691 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/H. Schmidt, BGB, § 346 Rn. 69; Jaeger, ZJS 2013, 327, 330; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 218; Thier, FS Heldrich, S. 439, 450. A. A. jurisPK BGB/Faust, § 346 Rn. 97. 692 BT‑Drucks. 14/7052, S. 194; BT‑Drucks. 14/6040, S. 195.
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somit insgesamt dem Schutzzweck des § 819 Abs. 1 BGB,693 ohne dass ähnlich wie im Schenkungsrecht Besonderheiten des Rücktrittsrechts entgegenstehen. Auf einen noch davor liegenden Zeitpunkt des Kennenmüssens abzustellen, entspricht nicht dem Maßstab des § 819 Abs. 1 BGB selbst. Ohne eine entsprechende Anordnung – wie sie § 142 Abs. 2 BGB trifft – gibt es keinen Grund, abweichend von § 819 Abs. 1 BGB diesen früheren Zeitpunkt als maßgeblich zu erachten. cc) Bedeutung von § 819 Abs. 1 BGB im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB Aufgrund der Vorgaben des § 819 Abs. 1 BGB kann der Rückgewährschuldner sich ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Rücktrittsgrundes nicht mehr auf § 818 Abs. 3 BGB berufen.694 Danach eintretende Vermögensminderungen reduzieren demnach den Umfang der Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht. Fraglich ist, ob § 819 Abs. 1 BGB für § 346 Abs. 3 S. 2 BGB darüber hinaus noch in anderer Weise Bedeutung erlangt. Die verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB kann Zinspflichten nach allgemeinen Regelungen oder Ansprüche aus dem allgemeinen Schuldrecht auslösen und zu Schadens- oder Nutzungsersatzansprüchen nach den Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses führen. Etwaige Zins- oder Schadensersatzpflichten sowie sonstige Nutzungsersatzansprüche nach bereicherungsrechtlichen Regelungen können ausschließlich Nutzungen oder Schäden betreffen, die nicht schon durch das Rücktrittsrecht selbst geregelt werden, da dessen Regelungen insoweit vorrangig sind.695 (1) Auswirkungen auf Nutzungsersatzansprüche Für Nutzungsersatzansprüche folgt hieraus, dass das Bereicherungsrecht grundsätzlich auf Nutzungen aus Surrogaten für den ursprünglichen Leistungsgegenstand anwendbar ist, die nach dem Untergang der Sache gezogen werden oder gezogen werden müssten.696 Ab Kenntnis des Rückgewährschuldners vom Rücktrittsgrund sind diese nach den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 2, 987 BGB herauszugeben, der die Regelung der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 1 BGB ab diesem Zeitpunkt verdrängt. Damit sind auch solche Nutzungen zu ersetzen, die der Rückgewährschuldner entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft schuldhaft nicht 693 Vgl.
Konzen, FS Canaris, S. 605, 622 ff. (insbes. S. 625 f.). Wenn im Bereicherungsrecht trotz Eintritts der verschärften Haftung ausnahmsweise dennoch ein Berufen auf § 818 Abs. 3 BGB möglich ist, gilt dies in gleicher Weise in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB. Siehe dazu für das Bereicherungsrecht, u. a. für Fälle der Zufallshaftung: Motive zum BGB, Bd. 2, S. 841; Huber, GS Heinze, S. 395, 411; Kohler, JZ 2002, 682, 694; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 331; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 52. 695 Siehe für Nutzungen ausführl. vorstehend unter a) aa). 696 Siehe dazu oben unter unter a) aa) (2). 694
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zieht (§ 987 Abs. 2 BGB). Dies ist vor dem Hintergrund sachgerecht, dass der Rückgewährschuldner nicht mehr schutzwürdig ist, wenn er seine potentielle Herausgabepflicht kennt. (2) Zinsansprüche Ein Anspruch auf Ersatz von Zinsen aus einer etwaigen Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB richtet sich bis zum Zeitpunkt der Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB ebenfalls nach § 818 Abs. 1 BGB. Der Rückgewährschuldner muss dem Rückgewährgläubiger erzielte Zinsen als Nutzungen herausgeben. Ab dem Zeitpunkt der in § 819 Abs. 1 BGB bestimmten Haftung ist eine verbleibende Bereicherung nach den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 291, 288 BGB zu verzinsen, sofern es sich hierbei um einen Geldbetrag handelt. (3) Schadensersatz Die Schadensersatzpflicht gemäß den §§ 989, 990 BGB erlangt im Rücktrittsrecht keine praktische Bedeutung, da die §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB ebenfalls Schadensersatzpflichten statuieren. Aus letzteren Vorschriften ergeben sich gegenüber denen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses weiterreichende Ansprüche. Beide Ansprüche, § 346 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 280 BGB und die §§ 989, 990 BGB, sind zunächst verschuldensabhängig. Mit der Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Verschuldensnachweis für den Gläubiger in den Fällen der §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB allerdings anders als für die §§ 989, 990 BGB unter Umständen entbehrlich. Die Haftung nach den §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB kann daher auch dann bestehen, wenn eine solche gemäß den §§ 989, 990 BGB am Verschuldensnachweis scheitert. Der Umfang der Ersatzpflicht richtet sich jeweils nach den §§ 249 ff. BGB und ist demnach für beide Anspruchsgrundlagen identisch. Eine Schadensersatzpflicht gemäß den §§ 989, 990 BGB könnte höchstens dadurch Bedeutung erlangen, dass sie ab einem früheren Zeitpunkt eingriffe als eine Ersatzpflicht gemäß den §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB.697 Dies ist jedoch nicht der Fall, da einer Ansicht nach die Haftung nach den §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB bereits ab Kennenmüssen des Rücktrittsgrundes und damit vor der für § 819 Abs. 1 BGB maßgeblichen positiven Kenntnis greift.698 Einer anderen Ansicht zufolge kann eine Haftung gemäß den §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB zwar nicht vor Entstehen des Rückgewährschuldverhältnisses eintreten, ab Kenntnis des Rücktrittsgrundes wird dann aber 697 Kohler, JZ 2002, 682, 694. 698 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/H. Schmidt,
BGB, § 346 Rn. 71; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 71; Palandt/Grüneberg, BGB, § 346 Rn. 18 (für den Rücktrittsberechtigten).
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zumeist eine Haftung nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB begründet.699 Die Einzelheiten hierzu sind umstritten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Schadensersatzhaftung gemäß den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 989, 990 BGB in den Fällen des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB praktisch bedeutungslos ist.700 Zwar kann ein Schadensersatzanspruch nach diesen Vorschriften parallel zu einem solchen gemäß den §§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB bestehen, er wird dem Anspruchsinhaber aber in aller Regel keine Vorteile gegenüber dem Schadensersatzanspruch nach Leistungsstörungsgrundsätzen bieten. (4) Fazit zur Bedeutung des § 819 Abs. 1 BGB für das Rücktrittsrecht § 819 Abs. 1 BGB erlangt über die Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB Bedeutung im Zusammenhang mit Nutzungsersatzansprüchen und Zinspflichten. Bezüglich etwaiger Schadensersatzansprüche dürften die Auswirkungen hingegen gering sein. Wesentliches Gewicht kommt § 819 Abs. 1 BGB insbesondere als Grenze des § 818 Abs. 3 BGB zu. Hierin zeigt sich ein Zusammenhang zwischen § 819 Abs. 1 BGB und § 818 Abs. 3 BGB,701 der dafür spricht, dass § 819 Abs. 1 BGB infolge von Rechtsfolgenverweisungen stets anwendbar sein muss, wenn § 818 Abs. 3 BGB anwendbar ist und keine Besonderheiten der jeweiligen Verweisungsvorschrift entgegenstehen. f) Anwendung von § 822 BGB Da die Anwendung des § 822 BGB, wie anhand einer Analyse des § 528 BGB zu zeigen ist, in ähnlicher Weise wie die des § 819 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf der des § 818 Abs. 3 BGB beruht,702 ist dieser durch eine Rechtsfolgenverweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB in gleicher Weise anwendbar wie § 818 Abs. 3 BGB. Er erlangt in diesen Fällen Bedeutung, wenn der Rückgewährschuldner beispielsweise einen Erlös für die Sache erlangt und diesen an einen Dritten verschenkt hat, bevor er den Rücktrittsgrund kennt. Der praktische Anwendungsbereich des § 822 BGB dürfte aufgrund der wenigen denkbaren Beispiele allerdings gering sein.703 699
Annuß, JA 2006, 184, 188; Erman/Röthel, BGB, § 346 Rn. 41; Faust, JuS 2009, 481, 485; Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen, S. 52 ff.; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 226 ff., 281. A. A. Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 436 f.; ders., JZ 2002, 682, 694. Krit. auch Schwab, JuS 2002, 630, 636. 700 jurisPK BGB/Faust, § 346 Rn. 97. Dies gilt selbst dann – wie Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 437 meint – wenn in theoretisch denkbaren Ausnahmefällen noch Unterschiede bestehen können. Diese Fälle dürften praktisch so selten sein, dass sie keine derartige Bedeutung der Haftung nach den §§ 989, 990 BGB begründen können, die allein eine Verweisung rechtfertigte. 701 Für eine wechselseitige Einflussnahme der Vorschriften Soergel/Hadding, BGB, § 819 Rn. 1. 702 Siehe dazu nachfolgend unter VI. 1. b) ee). 703 Siehe dazu Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 91.
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3. Rechtscharakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB § 346 Abs. 3 S. 2 BGB enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht, indem er tatbestandlich eine „verbleibende Bereicherung“ voraussetzt und zu deren Herausgabe verpflichtet. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist bislang das einzige Beispiel innerhalb des BGB, bei dem das Verwenden des Bereicherungsbegriffs im Tatbestand der Vorschrift im Ergebnis zu einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht führt. Die anderen Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht finden sich in den jeweiligen Rechtsfolgeregelungen der Verweisungsvorschriften. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB zeigt, dass dies nicht zwingend ist, sondern eine Rechtsfolgenverweisung auch im Tatbestand einer Vorschrift verankert sein kann. In § 346 Abs. 3 S. 2 BGB entsteht dadurch aus dem Grund kein Widerspruch, weil die Verweisung, obwohl sie den Tatbestand ausfüllt, zugleich den Umfang der Herausgabepflicht bestimmt. Die Rechtsfolgenverweisung hat in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB daher eine Doppelfunktion. Mithilfe der dadurch in Bezug genommenen §§ 818 ff. BGB wird der Gegenstand der Herausgabepflicht und damit gleichzeitig deren Umfang bestimmt. Diese für eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht untypische Normstruktur ändert jedoch nichts daran, dass § 346 Abs. 3 S. 2 BGB wie die anderen Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht einen speziellen Kondiktionstatbestand darstellt.704 Ohne seine Existenz hätte der Rückgewährgläubiger, der für einen untergegangenen Leistungsgegenstand gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB keinen Wertersatz erhält, keinen Anspruch darauf, dass ihm der Rückgewährschuldner zumindest eine verbleibende Bereicherung herausgibt. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gibt vor, dass diese Bereicherung ungerechtfertigt ist. Dadurch entspricht er trotz aller Unterschiede seiner Struktur nach den bisher untersuchten Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht. In Kombination mit den weiteren Teilen des § 346 BGB enthält er sämtliche Tatbestandsmerkmale, die die von ihm ebenfalls eigenständig angeordnete Rechtsfolge – die Herausgabe des Erlangten – begründen. Die Vorschrift regelt Fälle, in denen eine Partei aufgrund der nicht gegebenen Wertersatzpflicht eine Vermögensmehrung erfahren hat, die nicht dauerhaft aufrechterhalten bleiben soll. Durch das Bereicherungsrecht kann diese Vermögensmehrung jedoch nicht abgeschöpft werden, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Rücktritt bringt nach ganz überwiegender Ansicht ausschließlich die primären Leistungspflichten ex nunc zum Erlöschen, sodass 704 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 577, 585, 587 sehen in § 346 BGB einen Spezialfall der Zweckverfehlungskondiktion (mit der Unterscheidung in primäre und nachträgliche Zweckverfehlung).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
der Rechtsgrund für die bereits erbrachten Leistungen bestehen bleibt.705 Die verbleibende Vermögensmehrung wird von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dennoch nicht für sachgerecht angesehen. Dies ist für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht typisch.706 Die Herausgabe soll sich sodann gerade nicht nach den rücktrittsrechtlichen Vorgaben, sondern nach denen des Bereicherungsrechts vollziehen. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist ein Beispiel für die systembildende Funktion von Verweisungen, da er die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts in das Rücktrittsrecht einfügt.707 Ob dadurch die vom Gesetzgeber mit der Schuldrechtsreform unter anderem ausdrücklich bezweckte Angleichung von bereicherungsrechtlicher und rücktrittsrechtlicher Rückabwicklung geglückt ist, ist äußerst umstritten und sei dahingestellt.708 § 346 Abs. 3 S. 2 BGB illustriert jedenfalls, dass im Rücktritts- und Bereicherungsrecht parallele Wertungen existieren. 4. Fazit zum Umfang der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB § 346 Abs. 3 S. 2 BGB spricht insgesamt dafür, die §§ 818 ff. BGB als stets von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht erfasst anzusehen, da sich hierdurch im Rahmen der Rückabwicklung ein geschlossenes System ergibt. Um den Gegenstand der Bereicherung zu bestimmen, gelangt mithilfe der Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht nur § 818 Abs. 3 BGB zur Anwendung,709 sondern greift das bereicherungsrechtliche Rückabwicklungssystem als Ganzes ein. Die Verweisung bezieht sich konkret auf die §§ 818–820, 822 BGB. Dies entspricht den Konzeptionen der anderen Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. Die Anwendbarkeit der §§ 818, 819 Abs. 1, 822 BGB als Folge einer Verweisung auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung resultiert aus dem Zusammenhang, der zwischen ihnen besteht. Sie bilden ein in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem, das in Gänze zur Anwendung gelangen sollte, wenn nicht im Einzelfall besondere Gesichtspunkte, die aus dem Bereich der Verweisungsvorschrift stammen, dagegen sprechen. Denn die Vorschriften ergänzen sich gegenseitig oder gleichen den durch die eine oder andere Vorschrift hervorgerufenen Vor- oder Nachteil für eine der beteiligten Parteien auf anderem Wege sachgerecht wieder aus. 705
Siehe mit entspr. Nachw. vorstehend unter I. 1. a). diesem Kap. in § 2 II.
706 Siehe dazu die Einzelanalysen in 707 Thier, FS Heldrich, S. 439, 448. 708
BT‑Drucks. 14/6040, S. 194. Siehe dazu Bockholdt, AcP 206 (2006), S. 769, 773 ff.; Jaeger, AcP 213 (2013), S. 507, 515 ff.; ders., ZJS 2013, 327, 332 ff.; Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 432 ff.; Roth, FS Canaris, S. 1131, 1135 ff.; Thier, FS Heldrich, S. 439 ff. 709 So allerdings Linke, Die Rückabwicklung, S. 68.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 251
Es ist daher sinnvoll, diese Systematik bei Verweisungen aufrecht zu erhalten, um keine Wertungswidersprüche hervorzurufen. Auf § 346 Abs. 3 S. 2 BGB trifft die Aussage zu, Rechtsfolgenverweisungen seien stets umfassend, ohne dass sich aus § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ergibt, welche Vorschriften des Bereicherungsrechts jeweils als umfasst anzusehen sind. Es hat sich aber gezeigt, dass weder einzelne Tatbestandsmerkmale noch einzelne Absätze oder ganze Vorschriften aus der Verweisung grundsätzlich auszunehmen sind. Vielmehr ist die Verweisung vollumfassend und läuft allenfalls partiell ins Leere (zum Beispiel bzgl. § 818 Abs. 4 BGB). Dadurch entstehen jedoch, zumindest im Fall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, keine Wertungswidersprüche. In § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gewinnen insbesondere § 818 Abs. 1–3 und § 819 Abs. 1 BGB an Bedeutung. Hinsichtlich des Anknüpfungspunktes der Kenntnis in § 819 Abs. 1 BGB hat sich am Beispiel des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gezeigt, dass dieser bei Rechtsfolgenverweisungen gegebenenfalls angepasst werden muss, da § 819 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes abstellt, Rechtsfolgenverweisungen aber tatbestandlich häufig keinen fehlenden Rechtsgrund voraussetzen. Die maßgebliche Kenntnis muss sich demnach auf ein anderes Tatbestandsmerkmal beziehen und kann daher zugleich einen anderen Zeitpunkt betreffen. Zeit- und Anknüpfungspunkt sind so zu wählen, dass die Wertungen des § 819 Abs. 1 BGB erhalten bleiben.
II. Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1, 2 BGB infolge der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB Für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist dem Grunde nach anerkannt, dass sich seine Rechtsfolgen nach den §§ 818 ff. BGB richten.710 Dies ergibt sich für diejenigen, die in der Vorschrift eine Rechtsgrundverweisung sehen, ohne Weiteres aus dem Bereicherungsrecht selbst. Da es sich bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB jedoch um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, sind die §§ 818 ff. BGB in diesen Fällen nicht schon von sich aus anwendbar, sondern aufgrund der Geltungsanordnung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB.711 Es gibt zunächst keine Anhaltspunkte, die gegen eine Anwendung der §§ 818 Abs. 3, 4, 819, 820, 822 BGB infolge der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB sprechen. Schon die Tatsache, dass die Vorschrift von der wohl überwiegenden Ansicht als Rechtsgrundverweisung gedeutet wird, zeigt, dass die Anwendung der §§ 818 ff. BGB dem Inhalt der Vorschrift nicht zuwider laufen kann. Im 710 Die Anwendung der §§ 818 ff. BGB wird daher auch flächendeckend angenommen. Siehe nur Erman/Ebbing, BGB, § 951 Rn. 12 ff.; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 23 ff.; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 27 ff.; Wilhelm, Sachenrecht Rn. 1106 f., 1110, 1112 ff. 711 Siehe in Kap. 1, § 2 II. und in diesem Kap. § 1 I. 2.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Rahmen der Anwendung des § 818 Abs. 1, 2 BGB bestehen jedoch einige Sonderprobleme: Die Abs. 1 und 2 des § 818 BGB knüpfen an die gegenständliche Herausgabepflicht an, die sich aus den Anspruchsgrundlagen der §§ 812–817 BGB ergibt. § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ordnet jedoch gerade keine gegenständliche Herausgabe des Erlangten an. Es ist zu klären, ob dies für die Anwendung der Abs. 1 und 2 des § 818 BGB im Rahmen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB lediglich Modifikationen zur Folge hat oder ob diese Absätze des § 818 BGB trotz der Verweisung nicht anwendbar sind. 1. Anwendbarkeit des § 818 Abs. 1 BGB Eine Verweisung auf § 818 Abs. 1 BGB kann in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nur hinsichtlich einer Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen Bedeutung erlangen. Da der § 951 Abs. 1 S. 1 BGB vorangegangene Rechtserwerb dazu führt, dass das Recht dem Erwerber zusteht und er dafür eine Vergütung in Geld zu leisten hat, kommt es für das Verhältnis der Parteien nicht auf ein etwaig erhaltenes Surrogat für die erlangte Sache an. Dies schließt es nicht aus, § 818 Abs. 1 BGB grundsätzlich vollumfänglich als von der Verweisung umfasst anzusehen. Seine grundsätzliche Anwendbarkeit führt für das Schicksal etwaiger Surrogate nicht zu Widersprüchen, wenn er den Anspruch nach § 951 Abs. 1 S. 1 BGB insofern nicht berührt. Die Verweisung auf § 818 Abs. 1 BGB läuft dann vielmehr leer. Nutzungsersatzansprüche können in den Fällen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen durchaus relevant werden. Ob § 818 Abs. 1 BGB mit der Folge eines Nutzungsersatzanspruchs desjenigen, der einen Rechtsverlust erlitten hat, eingreift, ist in den Konstellationen des Baus auf fremdem Boden umstritten, da das Erlangte in diesen Fällen nicht gegenständlich herausgegeben werden kann. Rechtsprechung und Teile der Literatur lehnen einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen im Rahmen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ab und verweisen den Betroffenen ausschließlich auf seinen Wertersatzanspruch.712 Mit dem kraft Gesetzes angeordneten Übergang des Eigentums gehe auch das Nutzungsrecht auf den Erwerber über.713 Etwaige Unbilligkeiten, die dadurch entstehen könnten, dass dem Verlierenden ein Nutzungsersatzanspruch versagt ist, wohingegen der Erwerber unter Umständen seinerseits mithilfe eines Bereicherungsanspruchs Nutzungsersatz 712 BGH vom 30.11.1960 – V ZR 131/59, NJW 1961, 452; BeckOK BGB/Wendehorst, § 818 Rn. 10; Erman/Ebbing, BGB, § 951 Rn. 15; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 26; Palandt/Herrler, BGB, § 951 Rn. 17; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 38; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 286 f. Siehe allerdings BGH vom 18.9.1961 – VII ZR 118/60, NJW 1961, 2205, 2206 f. 713 BGH vom 30.11.1960 – V ZR 131/59, NJW 1961, 452; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 26.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 253
verlangen kann,714 seien durch Korrekturen im Rahmen des Bereicherungsanspruchs des Erwerbers auszugleichen.715 Die Gegenansicht spricht sich für eine Anwendung des § 818 Abs. 1 BGB aus und gewährt dem Verlierenden so lange einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen, wie der Erwerber das Erlangte genutzt und noch keinen Wertersatz geleistet hat.716 Das Nutzungsrecht stehe zwar grundsätzlich dem Eigentümer zu, dies bedeute aber noch nicht, dass ihm schuldrechtlich auch zwingend die Nutzungen zugewiesen sein müssten. Dies sei erst ab dem Zeitpunkt sachgerecht, ab dem er Wertersatz für das erlangte Eigentum geleistet habe.717 Die letztgenannte Ansicht entspricht dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Eigentumserwerbs, mit dem eine dingliche Zuordnung hinsichtlich der Eigentumslage, aber noch keine Zuordnung des wirtschaftlichen Werts der Sache oder des Rechts erfolgen soll. Dies geschieht vielmehr erst durch § 951 Abs. 1 S. 1 BGB.718 Der Erwerber hat das Eigentum aufgrund der gesetzlichen Anordnung erlangt, erst mit dem wirtschaftlichen Ausgleich durch § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist es ihm in jeder Hinsicht zugeordnet. Erst ab dann gebühren ihm daher auch die Nutzungen. § 818 Abs. 1 BGB ist somit infolge der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar. 2. Anwendbarkeit des § 818 Abs. 2 BGB § 951 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet den Begünstigten dazu, dem Verlierenden seinen Rechtsverlust in Geld zu vergüten. Die Vorschrift führt dadurch zu demselben Ergebnis, das im Rahmen eines originär bereicherungsrechtlichen Anspruchs über § 818 Abs. 2 BGB erzielt wird. Eine Verweisung auf § 818 Abs. 2 BGB läuft hinsichtlich der Umwandlung des Herausgabeanspruchs in einen Zahlungsanspruch ins Leere. Sie ist allerdings aus dem Grund nicht bedeutungslos, dass § 951 Abs. 1 S. 1 BGB lediglich eine Vergütung in Geld anordnet, für diese aber keinen Maßstab bestimmt, sondern diesbezüglich auf das Bereicherungsrecht verweist. § 818 Abs. 2 BGB verpflichtet anstelle der Herausgabe zum Ersatz des Werts der Sache. In seiner Anwendung im Rahmen von § 951 Abs. 1 S. 1 BGB führt dies dazu, dass 714 Dies gilt freilich nur, wenn die §§ 987 ff. BGB nicht eingreifen, da bereicherungsrechtliche Nutzungsersatzansprüche in dem Fall bereits durch § 993 Abs. 1 2. HS a. E. BGB ausgeschlossen wären. 715 MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 26; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 39 (allerdings unter Hinweis auf § 102 BGB analog). Krit. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 290 f. 716 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 13; Larenz/Canaris, Schuldecht II/2, S. 285 (§ 72 III. 5. e)); MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 123; Pinger, MDR 1972, 187, 188 f. Siehe auch Koppensteiner, NJW 1971, 588, 593. 717 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 13; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 123. 718 Siehe dazu in diesem Kap. § 2 II. 1. a).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
derjenige, der aufgrund der §§ 946–950 BGB Eigentum erlangt hat, dem Verlierenden dessen Wert zu ersetzen hat.719 Dadurch gibt er einen Maßstab zur Berechnung der Vergütungspflicht vor. Da § 818 Abs. 2 BGB allerdings lediglich davon spricht, der „Wert“ sei zu ersetzten, aber nicht näher spezifiziert, wie dieser zu ermitteln ist, ist streitig, ob der Vorschrift ein subjektiver oder ein objektiver Wertbegriff zugrunde liegt. Dieser Streit hat im originären Anwendungsbereich des § 818 Abs. 2 BGB ebenso Bedeutung wie im Rahmen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB.720 Er ist daher nicht aufgrund der Besonderheiten letzterer Regelung entstanden und spricht demnach auch nicht gegen die Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB infolge der Verweisung. Zu § 951 Abs. 1 S. 1 BGB ist – insbesondere im Zusammenhang mit den Fällen, in denen ein Gebäude auf fremdem Boden errichtet wurde – ferner streitig, auf welchen Zeitpunkt für die Wertermittlung abzustellen ist.721 Als maßgebliche Zeitpunkte werden der des Entstehens des Bereicherungsanspruchs oder des Wertersatzanspruchs, aber auch der des Eintritts der Rechtshängigkeit oder der Bösgläubigkeit sowie der letzten mündlichen Verhandlung diskutiert.722 Dieser Streit ist allerdings ebenfalls nicht auf den Anwendungsbereich des § 818 Abs. 2 BGB innerhalb von § 951 Abs. 1 S. 1 BGB beschränkt, sondern besteht zu § 818 Abs. 2 BGB im Allgemeinen.723 Da gemäß § 951 Abs. 1 S. 1 BGB von vornherein nur eine Vergütungspflicht und keine Pflicht zur Herausgabe des nach den §§ 946–950 BGB Erlangten besteht, fallen einige der in Rede stehenden Zeitpunkte – der der Entste719 BeckOGK/Schermaier,
§ 951 BGB Rn. 26; Erman/Ebbing, BGB, § 951 Rn. 12; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 23 ff.; Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 2; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 31 ff. Der Bezugspunkt des Wertersatzes unterscheidet sich dabei danach, welcher Erwerbstatbestand der §§ 946–950 BGB vorliegt, da ihnen jeweils ein unterschiedlicher tatsächlicher Ablauf zugrunde liegt. Siehe Erman/ Ebbing, BGB, § 951 Rn. 13. 720 Für die h. M., die einen objektiven Wertbegriff zugrunde legt, nur BGH vom 7.1.1971 – VII ZR 9/70, NJW 1971, 609, 612; BGH vom 19.9.1962 – V ZR 138/61, NJW 1962, 2293, 2294; BeckOK BGB/Wendehorst, § 818 Rn. 27; Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289, 308 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 274 ff.; MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 81 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 323 ff.; RGRK/Heimann-Trosien, § 818 BGB Rn. 18; Soergel/Hadding, BGB, § 818 Rn. 22, 24; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 26. Für die Gegenansicht Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 16 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht BT II, S. 103 ff.; Hagen, FS Larenz, S. 867, 883 f.; Koppensteiner, NJW 1971, 1769 ff.; Pinger, MDR 1972, 187, 189. 721 Siehe dazu BGH vom 5.7.2006 – VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847, 2851 f. (Rn. 36); BGH vom 18.9.1961 – VII ZR 118/60, NJW 1961, 2205 f.; Erman/Ebbing, BGB, § 951 Rn. 14; Koppensteiner, NJW 1971, 588, 592; MünchKommBGB/Füller, § 951 Rn. 25; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 335 ff.; Soergel/Henssler, BGB, § 951 Rn. 19 f.; Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, § 951 Rn. 35 ff. 722 Siehe zu den möglichen Anknüpfungszeitpunkten und den dazu vertretenen Ansichten die Darstellung sowie die Nachw. bei MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 116. 723 Für alle MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 116; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 329 ff. jeweils m. w. Nachw.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 255
hung des Bereicherungsanspruchs und der des Entstehens der Wertersatzpflicht – bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB zusammen, weil der Wertersatzanspruch hier zum Zeitpunkt des Baus entsteht.724 In demselben Moment erwirbt der Eigentümer des Grundstücks gemäß § 946 BGB das Eigentum. Die als maßgeblich in Betracht kommenden Zeitpunkte verschieben sich in den Fällen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB daher möglicherweise. Es ist aber nicht ausgeschlossen, an einen der für § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich in Frage kommenden Zeitpunkte anzuknüpfen. Der Streit über den maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermittlung des objektiven Werts spricht mithin nicht dagegen, § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich infolge der Verweisung in § 951 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden. Dessen Anwendung ist vielmehr erforderlich, da die Vorschrift für § 951 Abs. 1 S. 1 BGB vorgibt, dass die Vergütungspflicht in Höhe des Werts des Erlangten besteht. Dass dabei schließlich Modifikationen hinsichtlich des Zeitpunkts der Wertermittlung erforderlich sind, zeigt, wie schon bei der Anwendung des § 819 Abs. 1 BGB aufgrund der Verweisung in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB,725 dass die zu den §§ 818 ff. BGB entwickelten Grundsätze für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht gegebenenfalls an die Gegebenheiten der einzelnen Verweisungsvorschrift anzupassen sind. Dafür ist stets anhand der Voraussetzungen sowie des Sinn und Zwecks der Verweisungsvorschrift zu ermitteln, welche Modifikationen erforderlich und angemessen sind. Der Umfang der jeweiligen Rechtsfolgenverweisung richtet sich dennoch einheitlich auf die §§ 818 ff. BGB.
III. Fazit zur Anwendbarkeit des § 818 BGB Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht führen stets dazu, dass § 818 BGB anwendbar ist und den Umfang des Bereicherungsanspruchs näher bestimmt. Während es zu § 818 Abs. 3 BGB ohnehin keinen Streit über seine Anwendung infolge entsprechender Verweisungen gibt, konnte auch für die Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift gezeigt werden, dass sie von Rechtsfolgenverweisungen stets umfasst sind. Die Verweisung erstreckt sich jeweils vollumfänglich auf § 818 BGB. Da sich die tatbestandliche Ausgangssituation einer Verweisungsvorschrift jedoch von der der bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen, auf die die §§ 818 ff. BGB zugeschnitten sind, unterscheidet, können an einzelnen Stellen Modifikationen erforderlich sein. Dies liegt im Wesen einer konstitutiven Verweisung begründet, die eine eigentlich für einen anderen Bereich konzipierte Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich für anwendbar erklärt. 724
725
Für alle MünchKommBGB/Schwab, § 818 Rn. 119. Siehe in diesem Paragrafen unter I. 2. e) bb).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
IV. Bestätigung der Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB durch eine Betrachtung der §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB Die §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB bestätigen, wie zu zeigen ist, dass § 819 Abs. 1 BGB aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht stets anwendbar ist. Bei den vorbenannten Vorschriften handelt es sich um Rechtsfolgenverweisungen, auf die § 819 Abs. 1 BGB nach allgemein anerkannter Ansicht grundsätzlich anwendbar ist.726 In den Gesetzesmaterialien zu den §§ 2021, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB finden sich Hinweise auf einen hierauf gerichteten Willen des Gesetzgebers, da in den Erläuterungen zu diesen Vorschriften jeweils auf die Anwendung der Regelungen zur Bösgläubigkeit hingewiesen wird.727 Im Rahmen diverser Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht besteht mithin kein Streit über die Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB. Sie in einigen Fällen dennoch ausnahmsweise abzulehnen, müsste aufgrund der Anknüpfung des § 819 Abs. 1 BGB an § 818 Abs. 3 BGB728 besonderes begründet sein, da das Rückabwicklungssystem des Bereicherungsrechts insofern nicht in seiner Gänze zur Anwendung käme und dessen Wertungen daher lediglich partiell anwendbar wären. Eine derartige Modifikation müsste sich eindeutig aus dem Sinn und Zweck der Verweisungsvorschrift, aus einer Sonderregelung innerhalb der Verweisungsvorschrift selbst oder einer die Verweisungsvorschrift ihrerseits modifizierenden Vorschrift ergeben. Für § 2021 BGB gibt es beispielsweise Ausnahmen hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB, 726 Zum Umfang der Herausgabepflicht in diesem Sinne zu § 1390 BGB für alle Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 36 Rn. 85; MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 14. Für § 1973 BGB für alle MünchKommBGB/Küpper, § 1973 Rn. 4. Für § 2021 BGB wird § 819 Abs. 1 BGB allerdings wegen § 2024 BGB keine Bedeutung haben, siehe für alle Staudinger/Gurksy, BGB, § 2021 Rn. 14; MünchKommBGB/Helms, § 2021 Rn. 8 nimmt unter Hinweis auf § 2024 BGB eine Unanwendbarkeit an. Für § 2196 BGB für alle MünchKommBGB/Rudy, § 2196 Rn. 7; Staudinger/Otte, § 2196 Rn. 5. Für § 2287 BGB für alle BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783; MünchKommBGB/ Musielak, § 2287 Rn. 21 m. w. Nachw. Für § 2329 BGB für alle MünchKommBGB/ Lange, § 2329 Rn. 16 ff.; Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 29. 727 Für § 2021 BGB Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 710; Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Bd. Erbrecht I, §§ 1922–2385, S. 716 (unter Hinweis auf § 743 des Zweiten Entwurfs). Für § 2287 Abs. 1 BGB Motive zum BGB, Bd. 5, S. 328 (unter Hinweis auf § 748 Abs. 3 des Ersten Entwurfs und des dortigen weitergehenden Verweises); Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 392 (unter Hinweis auf die Geltung von § 743 des Zweiten Entwurfs). Für § 2329 BGB Motive zum BGB, Bd. 5, S. 468 (unter Hinweis auf § 741 Abs. 2 des Ersten Entwurfs). 728 Siehe vorstehend unter I. 2. e) aa).
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 257
da § 2024 BGB eine Sonderregelung zur Bösgläubigkeit für die Fälle des § 2021 BGB enthält.729 Wie bei § 346 Abs. 3 S. 2 BGB gibt es auch im Zusammenhang mit den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB Überlegungen, ab welchem Zeitpunkt die verschärfte Haftung des Schuldners beginnt.730 Der Zeitpunkt und Anknüpfungsmaßstab der in § 819 Abs. 1 BGB bestimmten Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes ist an die Tatbestände der Verweisungsvorschriften insoweit jeweils anzupassen. Die Anpassung ist erforderlich, da § 819 Abs. 1 BGB mit dem Kenntniszeitpunkt hinsichtlich des fehlenden Rechtsgrundes an eine der Tatbestandsvoraussetzungen der anspruchsbegründenden Vorschriften des Bereicherungsrechts anknüpft. Da Rechtsfolgenverweisungen eigene Tatbestandsvoraussetzungen haben, die in der Regel das Fehlen eines Rechtsgrundes gerade nicht umfassen, kann im Rahmen von § 819 Abs. 1 BGB an einen solchen nicht angeknüpft werden. Stattdessen muss die Kenntnis sich auf ein Tatbestandsmerkmal der Verweisungsvorschrift beziehen. Dabei muss der Anknüpfungspunkt so gewählt werden, dass die Wertung, die hinter § 819 Abs. 1 BGB steht, aufrechterhalten bleibt, sofern die Verweisungsvorschrift keine anderweitigen Vorgaben enthält.
V. Fazit zur Anwendbarkeit des § 819 Abs. 1 BGB § 819 Abs. 1 BGB ist eine Erweiterung des Umfangs der Herausgabepflicht, den § 818 BGB vorgibt. Das bereicherungsrechtliche Rückabwicklungssystem korrigiert hierdurch Wertungswidersprüche, die dadurch entstehen können, dass der Herausgabepflichtige infolge einer besonderen Kenntnis nicht in dem Maße schutzwürdig ist, wie es § 818 BGB zugrunde liegt. Der spezifische Zusammenhang des § 819 Abs. 1 BGB zu § 818 BGB spricht dafür, ihn infolge einer Rechtsfolgenverweisung stets für anwendbar zu erachten, wenn die Anwendung nicht aufgrund einer Vorgabe der Verweisungsvorschrift selbst oder einer sie ergänzenden oder einschränkenden Vorschrift im Einzelfall ausgeschlossen ist. Da Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht anders als die bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen der §§ 812 ff. BGB in der Regel nicht voraussetzen, dass die rückabzuwickelnde Vermögensverschiebung rechtsgrundlos erfolgt ist, muss im Zusammenhang mit der jeweiligen Verweisungsvorschrift der für die Kenntnis nach § 819 Abs. 1 BGB maßgebliche Zeitpunkt gesondert bestimmt werden. 729 Zum
Verhältnis von § 2021 und § 2024 BGB Erman/Horn, BGB § 2021 Rn. 7; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 1060 f.; Staudinger/Gursky, BGB, § 2021 Rn. 4, 12 ff. 730 So bspw. bei § 1390 BGB (BeckOK BGB/Siede, § 1390 Rn. 7; MünchKommBGB/ Koch, § 1390 Rn. 14 f.) oder § 2287 BGB (Staudinger/Kanzleiter, BGB, § 2287 Rn. 26).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
VI. Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung Im Folgenden werden solche Vorschriften näher betrachtet, bei denen insbesondere die Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge der Verweisung problematisch ist. Wie zu zeigen ist, sind die Vorschriften insoweit exemplarisch. Daher lassen sich aus ihnen allgemeingültige Aussagen über die Anwendbarkeit des § 822 BGB aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen ableiten. 1. Die Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB § 528 Abs. 1 S. 1 BGB enthält nach wohl einhelliger Ansicht eine Rechtsfolgenverweisung.731 Der Schenker hat hiernach ein selbstständiges Rückforderungsrecht hinsichtlich des Schenkungsgegenstandes, wenn er nach einer vollzogenen Schenkung nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten oder bestehende Unterhaltspflichten zu erfüllen. a) Art der Verweisung Anders als bei den Vorschriften des Schenkungsrechts, die im Wege einer deklaratorischen Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht verweisen, liegen in einem Sachverhalt, der sich unter § 528 Abs. 1 S. 1 BGB subsumieren lässt, die Tatbestandsvoraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht vor. Während im Fall des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB die Schenkung regelmäßig bestehen bleibt und der Schenker lediglich ein Rückforderungsrecht erhält, ist in den Fällen des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB bereits anfänglich ohne Rechtsgrund geleistet worden und in denen des § 531 Abs. 2 BGB der Rechtsgrund nachträglich weggefallen. Dementsprechend liegen die Voraussetzungen einer der Anspruchsgrundlagen der §§ 812 ff. BGB in letzteren beiden Fällen ohnehin vor.732 Hierin liegt der Unterschied zu § 528 BGB, bei dem die Schenkung – und mit ihr der Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts bei Verarmung des Schenkers – gerade bestehen bleibt, wenn er nicht aus einem anderen Grund wegfällt.733 731 BGH vom 19.12.2000 – X ZR 146/99, NJW 2001, 1207, 1208; Bamberger/Roth/ Hau/Poseck/Gehrlein, BGB, § 528 Rn. 3; Erman/Hähnchen, BGB, § 528 Rn. 5; Franzen, FamRZ 1997, 528, 529; Knütel, JR 1989, 378, 379; MünchKommBGB/Koch, § 528 Rn. 5; Schreiber, Jura 2013, 361, 365; Schwarz, JZ 1997, 545, 547; Zeranski, NJW 2018, 3777, 3778. 732 Siehe dazu in diesem Kap. § 1 I., II. 733 So bspw. durch einen parallel vorgenommenen Schenkungswiderruf nach anderen Vorschriften. In dem Fall kann der Schenker sowohl nach § 528 Abs. 1 BGB, als auch nach den anderen Vorschriften vorgehen. Dabei kann im Fall eines parallelen Vorgehens nach § 528 Abs. 1 BGB und § 531 Abs. 2 BGB ein unterschiedliches Ergebnis erzielt werden, obwohl beide Ansprüche eine Herausgabe nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung vorsehen.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 259
§ 528 Abs. 1 S. 1 BGB unterscheidet sich von den vorbenannten deklaratorischen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht aus dem Schenkungsrecht ferner durch seine Vorgaben hinsichtlich der Herausgabepflicht. Anders als in den Fällen der §§ 516, 531 BGB handelt es sich bei der Herausgabe nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften im Anwendungsbereich des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nicht um eine Alles-oder-Nichts-Herausgabe. Der Rückforderungsanspruch ist vielmehr auf die Höhe des Bedarfs des Schenkers begrenzt, wie sich aus dem Wortsinn des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt, der eine Herausgabepflicht anordnet, „soweit“ der Schenker verarmt ist. Zudem wird § 528 Abs. 1 S. 1 BGB durch die §§ 528 Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2, 529 BGB flankiert, die die Herausgabepflicht zusätzlich einschränken. Die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts werden demnach durch die speziellen Regeln des Schenkungsrechts modifiziert. So kann sich der zwar grundsätzlich nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auf Herausgabe gerichtete einheitliche Anspruch beispielsweise als eine wiederkehrende Zahlungspflicht darstellen, wenn der verarmte Schenker einen Finanzbedarf in Form wiederkehrender Zahlungsverpflichtungen hat.734 Eine derartige Vorgehensweise ist dem Bereicherungsrecht als solchem fremd. Für Rechtsfolgenverweisungen ist es hingegen nicht ungewöhnlich, die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zwar grundsätzlich in Bezug zu nehmen, darüber hinaus aber auf ihre konkrete Situation hin weitergehend anzupassen. Die §§ 951 Abs. 1, 1390 Abs. 1, 1973 Abs. 2 S. 2, 2329 Abs. 2 BGB modifizieren beispielsweise auch die Art der Herausgabepflicht des Bereicherungsrechts. Andere Vorschriften, wie zum Beispiel § 684 S. 1 BGB, werden durch speziell geregelte Einwendungen – im Fall des § 684 S. 1 BGB durch § 685 BGB – begrenzt. Das Rücktrittsrecht trifft schließlich in den §§ 346 Abs. 1, 347 BGB gegenüber den §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 BGB vorrangige Regelungen bezüglich Nutzungen und Verwendungen.735 Hierin zeigt sich der Einfluss des Regelungsbereichs, in dem die jeweilige Vorschrift steht. Er begründet die Spezialität dieser besonderen Kondiktionstatbestände. Trotz der Unterschiede, die zwischen § 528 Abs. 1 S. 1 BGB und den §§ 516, 531 BGB bestehen, finden sich in diesen Regelungen einheitlich Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB verweist auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und statuiert in der Rechtsfolge eine Herausgabepflicht, die ihrem Umfang nach mit der vergleichbar ist, die in den Fällen des § 531 Abs. 2 BGB aufgrund der §§ 812 ff. BGB eintritt. Wenn die tatbestandliche Ausgangssituation beider Vorschriften auch 734 BGH vom 17.12.2009 – Xa ZR 6/09, NJW 2010, 2655, 2656; BGH vom 21.12.2005 – X ZR 108/03, NJW‑RR 2006, 699, 701; BGH vom 20.5.2003 – X ZR 246/02, NJW 2003, 2449, 2450; BGH vom 17.9.2002 – X ZR 196/01, NJW‑RR 2003, 53, 54. 735 Siehe dazu im Rahmen der Untersuchung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB vorstehend unter I. 2. a) aa) und I. 2. c) bb).
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unterschiedlich ist, hat ihnen der Gesetzgeber dennoch dieselbe Rechtsfolge zugewiesen. Dies zeigt, dass es sich bei § 528 Abs. 1 S. 1 BGB, wie bei den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht üblich, um einen Kondiktionstatbestand handelt.736 Für § 530 BGB genügt der deklaratorische Verweis, da § 531 Abs. 2 BGB den Rechtsgrund der Schenkung beseitigt, sodass das Bereicherungsrecht von sich aus anwendbar ist. Für § 528 Abs. 1 S. 1 BGB bedurfte es hingegen aufgrund des fortbestehenden Rechtsgrundes einer konstitutiven Verweisung, um die Regelungen des Bereicherungsrechts zur Anwendung gelangen zu lassen. Die Anwendung des Bereicherungsrechts anzuordnen, ist in diesem Zusammenhang keinesfalls alternativlos. Sowohl § 528 Abs. 1 S. 1 BGB als auch § 530 BGB, an den § 531 Abs. 2 BGB anknüpft, werden als Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeordnet.737 Die Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestimmen sich nicht nach dem Bereicherungsrecht. Bei einer nicht möglichen oder unzumutbaren Vertragsanpassung besteht gemäß dem heutigen § 313 Abs. 3 BGB vielmehr eine Rücktrittsmöglichkeit. Es wäre demnach möglich gewesen, in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Rechtsfolgen des Rücktritts zu verweisen, da ein Rücktritt ebenfalls nicht den Rechtsgrund für die Leistung entfallen lässt, sondern ausschließlich die Leistungspflichten der Parteien ex nunc zum Erlöschen bringt.738 Der Gesetzgeber hat sich trotz dieser Parallele zum Rücktrittsrecht für eine Gleichbehandlung der Rechtsfolgen der §§ 528 Abs. 1 S. 1, 530 BGB mit denen des Bereicherungsrechts entschieden. Bezogen auf den Zeitpunkt der Schaffung des BGB verwundert dies nicht, da der Wegfall der Geschäftsgrundlage ursprünglich nicht kodifiziert war. In der Folge wurden die entsprechenden Fälle über § 242 BGB gelöst und nach überwiegender Ansicht im Fall der Vertragsbeendigung nach bereicherungsrechtlichen Regelungen rückabgewickelt.739 Im Zuge der Kodifizierung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB und der dadurch angeordneten Geltung des Rücktrittsrechts hat der Gesetzgeber die schenkungsrechtlichen 736 Als Bereicherungsanspruch eigener Art ordnet ihn ein: v. Mayr, Der Bereicherungsanspruch, S. 654. 737 Für § 528 BGB: BGH vom 21.12.2005 – X ZR 108/03, NJW‑RR 2006, 699, 700; Franzen, FamRZ 1997, 528, 529, 530; Koch, JR 1993, 313, 135; Staudinger/Chiusi, BGB, § 528 Rn. 1. Für § 530 BGB BGH 21.12.2005 – X ZR 108/03, NJW‑RR 2006, 699, 700; MünchKommBGB/Koch, § 530 Rn. 1; Muscheler, AcP 203 (2003), S. 469, 499 (Wegfall der moralischen Geschäftsgrundlage); Staudinger/Chiusi, BGB, § 530 Rn. 1. 738 Zur ex nunc Wirkung des Rücktritts für die h. M. BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 10); BT‑Drucks. 14/6040 S. 191; MünchKommBGB/ Gaier, Vor § 346 Rn. 36; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 4. 739 BGH vom 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314, 315; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 48; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, § 242 Rn. 110 ff., 132.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 261
Regelungen schließlich nicht hieran angepasst, sondern den Verweis auf das Bereicherungsrecht beibehalten. b) Umfang der Verweisung Mit Blick auf die grundsätzlich im Rahmen von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht anwendbaren §§ 818, 819 Abs. 1 BGB bestehen im Zusammenhang mit § 528 Abs. 1 S. 1 BGB keine Besonderheiten. Es spricht daher nichts dagegen, diese Vorschriften als von der Verweisung umfasst anzusehen.740 Über die Anwendbarkeit des § 822 BGB besteht jedoch Streit.741 § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ordnet im Fall einer vorangegangenen Schenkung eine Herausgabepflicht des Beschenkten an, wenn der Schenker nachträglich verarmt. Bei einer Anwendung des § 822 BGB auf den Sachverhalt der Verarmung eines Schenkers würde der Anwendungsbereich des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB insoweit ausgedehnt als der Anspruch sich nicht nur gegen den Beschenkten selbst, sondern auch gegen einen Dritten richtete, an den der Beschenkte seinerseits den Schenkungsgegenstand weitergegeben hat. Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Interessenlage in den Fällen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB eine Anwendung des § 822 BGB gebietet,742 wenn der Beschenkte das Geschenk unentgeltlich einem Dritten zugewendet hat. Daher bliebe, wenn § 822 BGB von der Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfasst wäre, lediglich die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift. Die Art der Anwendung des § 822 BGB – als entsprechende oder unmittelbare – führt, wie zu zeigen ist, zu verallgemeinerungsfähigen Erkenntnissen über die Reichweite von Rechtsfolgenverweisungen.743 aa) Direkte Anwendbarkeit des § 822 BGB abhängig vom Rechtscharakter der Vorschrift Eine Möglichkeit, um festzustellen, ob die Verweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB § 822 BGB umfasst, liegt in der Anknüpfung an den Rechtscharakter 740 Der
BGH legt die umfassende Anwendung der §§ 818, 819 BGB im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend zugrunde: BGH vom 17.4.2018 – X ZR 65/17, NJW 2018, 3775 ff. Aus der Lit. Weber, ZNotP 2019, 20, 22 f. (für § 818 Abs. 1 BGB); Zeranski, NJW 2018, 3777 f. (für § 818 Abs. 1–3 BGB). 741 Zeranski, Der Rückforderungsanspruch des verarmten Schenkers, S. 26 (Fn. 69, 70). Zu § 822 BGB siehe die ausführliche Darstellung von Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 92 ff. 742 BGH vom 3.2.1989 – V ZR 190/87, NJW 1989, 1478, 1479; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 95; Kopp, JR 2012, 491, 493 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 6 f.; Staudinger/Chiusi, BGB, § 528 Rn. 19. Dagegen aber wohl Hadding, FS Mühl, S. 225, 234. 743 Vgl. die ähnliche Einschätzung von S. Lorenz, LMK 2004, 98 über den Rechtscharakter des § 822 BGB als Anspruchsgrundlage oder Erstreckung des ursprünglichen Bereicherungsanspruchs.
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dieser Vorschrift. Wenn Rechtsfolgenverweisungen sich ausschließlich auf Vorschriften bezögen, die keine Anspruchsgrundlagen sind, und § 822 BGB eine Anspruchsgrundlage darstellte, wäre die Unanwendbarkeit des § 822 BGB auf diese Weise begründbar. (1) § 822 BGB als Rechtsfolgenerweiterung Die Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB soll einer Ansicht nach § 822 BGB umfassen, da es sich hierbei nicht um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handele.744 Da § 822 BGB vielmehr lediglich den Anspruchsumfang eines Bereicherungsanspruchs erweitere, sei er von Rechtsfolgenverweisungen umfasst.745 § 822 BGB sei eine Art gesetzlich geregelte Schuldübernahme. Auf diese Weise sei entsprechend den allgemeinen Regeln bei Schuldübernahmen gewährleistet, dass der Dritte (analog § 417 Abs. 1 S. 1 BGB) alle Einwände des ursprünglichen Bereicherungsschuldners – mit Ausnahme des § 818 Abs. 3 BGB – dem Bereicherungsgläubiger entgegenhalten könne.746 Es sei unbillig, dem Dritten ein Berufen auf diese Einwendungen zu verwehren, da der Gläubiger durch die Erstreckung des Anspruchs auf den Dritten nicht schlechter, aber auch nicht besser stehen solle als bei einer Inanspruchnahme des ursprünglichen Bereicherungsschuldners.747 Die Erstreckung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auf § 822 BGB widerspreche zwar grundsätzlich dem Wortsinn und dem Willen des historischen Gesetzgebers, der den Anspruch noch nicht einmal auf den Erben des Beschenkten habe erstrecken wollen, der Normzweck der Vorschrift gebiete jedoch nach heutigem Verständnis der Vorschrift die Erweiterung anhand des § 822 BGB.748 Die ursprüngliche Bedeutung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB habe sich mit der Veränderung gesellschaftlicher Strukturen und rechtlicher Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Verarmungssituation von Schenkern gewandelt.749 Während der Rückforderungsanspruch des verarmten Schenkers bei Schaffung des BGB nur diesen betraf, hat sich durch 744 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Wendehorst, BGB, § 822 Rn. 1, 4; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 94 f.; ders., JZ 2004, 796, 797; wohl auch Knütel, NJW 1989, 2504 f. Gegen den Charakter des § 822 BGB als Anspruchsgrundlage grds. Tonikidis, NJW 2019, 118, 121. 745 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Wendehorst, BGB, § 822 Rn. 1, 4. 746 Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 80 f. Ohne einen zwingenden Zshg. zu § 528 BGB anzunehmen: MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 7. 747 Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 80; MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 7; Tonikidis, NJW 2019, 118, 121, 122. 748 Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 95; mit ausführl. Analyse der Historie Knütel, JR 1989, 378 f. Krit. zu einer Erstreckung u. a. wegen des engen Wortlauts der Vorschrift E. Koch, JR 1993, 313, 314 ff. 749 Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 95. Zur Wandlung der Normsituation des § 528 BGB Franzen, FamRZ 1997, 528, 528, 533 f.
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die Entwicklung sozialer Sicherungssysteme in den Fällen, in denen der Sozialleistungsträger Kosten des verarmten Schenkers übernimmt, eine Dreiecksbeziehung entwickelt, da das Gesetz für diese Fälle in § 33 SGB II und § 93 SGB XII einen gesetzlichen Forderungsübergang des Anspruchs nach § 528 Abs. 1 BGB auf den Sozialleistungsträger vorsieht. Durch die Existenzsicherung eines verarmten Schenkers durch sozialstaatliche Mechanismen erhöhe sich dessen Interesse an der eigenen Versorgungsfähigkeit, da nicht nur er selbst, sondern die Allgemeinheit von seiner finanziellen Misere betroffen sei.750 Ferner solle dem unentgeltlichen Erwerb in der Entwicklung des BGB insgesamt zunehmend eine schwächere Stellung zukommen und der verarmte Schenker daher gegenüber dem Beschenkten schutzwürdiger sein.751 (2) § 822 BGB als entsprechend anwendbare Anspruchsgrundlage § 822 BGB wird andererseits als eigenständige Anspruchsgrundlage eingeordnet.752 Dies wird unter anderem aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift geschlossen,753 da in den Gesetzesmaterialien davon die Rede ist, der durch Schaffung des § 822 BGB begründete Anspruch unterliege einer eigenständig und neu beginnenden Verjährung.754 Dies soll darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber mit § 822 BGB eine eigenständige Anspruchsgrundlage konzipieren wollte.755 Da Rechtsfolgenverweisungen anspruchsbegründende Vorschriften nicht umfassten, sei § 822 BGB im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB infolge der Verweisung nicht direkt anwendbar.756 Eine darüber hinausgehende analoge Anwendung des § 822 BGB bleibe 750 Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 95; Knütel, JR 1989, 378 f. Zur gesellschaftspolitischen Funktion des § 528 BGB siehe auch Werner, ZEV 2007, 489, 492. A. A. Franzen, FamRZ 1997, 528, 533, der annimmt, der Schenker habe erst recht kein Interesse an der Rückforderung, wenn er sich durch den Sozialleistungsträger hinreichend versorgt fühle. 751 Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 55 f., 95. 752 Haarmann, Die Rückforderung von Schenkungen, S. 163; Knütel, JR 1989, 378, 379 (angedeutet); Kopp, JR 2012, 491, 493; Linardatos, JuS 2017, 816, 817; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, § 822 Rn. 2; PWW/Prütting, § 822 BGB Rn. 1; Reeb, JuS 1973, 624; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 360 (§ 8 IV. 1.); Soergel/Hadding, BGB, § 822 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 2; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 650. 753 Kopp, JR 2012, 491, 493; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 2; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 650. 754 Mugdan, Bd. 2, S. 1413. 755 Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 2. 756 E. Koch, JR 1993, 313, 315; Kopp, JR 2012, 491, 493; PWW/Prütting, § 822 BGB Rn. 2; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 650 f. Letzteres scheint Hadding im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auf Basis seines Alternativkonzepts ebenfalls anzunehmen: Hadding, FS Mühl, S. 225, 234.
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hingegen möglich.757 Mitunter ist auch von einer „teleologischen Extension“ die Rede.758 bb) Gefahr einer Anknüpfung an den Rechtscharakter des Verweisungsobjekts, § 822 BGB Den Umfang der Verweisung vom Rechtscharakter des § 822 BGB abhängig zu machen, ist problematisch, da der Rechtscharakter des § 822 BGB ebenfalls umstritten ist.759 Die Verweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auf das Bereicherungsrecht mit ihrem Charakter als Rechtsfolgenverweisung – kombiniert mit dem Interesse, § 822 BGB in dessen Rahmen anzuwenden – wird mitunter herangezogen, um den Rechtscharakter des § 822 BGB zu bestimmen: Wenn § 822 BGB von § 528 BGB umfasst ist, müsse es sich um eine Art gesetzlich geregelte Schuldübernahme handeln, da Rechtsfolgenverweisungen sich nicht auf die anspruchsbegründenden Vorschriften des in Bezug genommenen Abschnitts bezögen.760 Ebenso ist es möglich, § 822 BGB als von § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nicht umfasst anzusehen, da dieser als Rechtsfolgenverweisung sich nicht auf anspruchsbegründende Vorschriften beziehe.761 Diese Argumentation ließe sich auch umkehren und aus der gebotenen Anwendung des § 822 BGB im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB darauf schließen, er sei von der Verweisung umfasst, woraus wiederum allgemeine Schlüsse auf den Umfang von Rechtsfolgenverweisungen gezogen werden könnten. Der Rechtscharakter des § 822 BGB wird einerseits mit Hilfe des Zusammenhangs zu § 528 BGB bestimmt. Gleichzeitig kann ebendieser Rechtscharakter andererseits Aufschluss über die Reichweite der Verweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB geben. Die Argumentation mündet auf diese Weise in einem Zirkelschluss. Dies spricht dafür, entweder die Reichweite der Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ohne Rückgriff auf § 822 BGB zu bestimmen oder umgekehrt für die Ermittlung des Rechtscharakters des § 822 BGB die Verweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nicht heranzuziehen.762 Ob § 822 BGB eine Anspruchsgrundlage ist, ist für seine Anwendbarkeit aufgrund einer Rechtsfolgenverweisung dann nicht von Bedeutung. Im Folgenden soll daher geprüft werden, ob es einen von einem 757 Kopp, JR 2012, 491, 493 f.; PWW/Prütting, § 822 BGB Rn. 2. Für eine analoge Anwendung auch: Knütel, JR 1989, 378, 379. 758 Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 651. 759 Siehe hierzu die ausführl. Darstellung bei Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 69 ff. 760 Knütel, NJW 1989, 2504 f. 761 Kopp, JR 2012, 491, 492. 762 Gegen eine „Verknüpfung der dogmatischen Einordnung des § 822 mit § 528“ MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 6. Eine umfassende Auslegung des § 822 BGB nimmt Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 69 ff., vor.
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möglichen Anspruchscharakter des § 822 BGB unabhängigen Anhaltspunkt dafür gibt, dass diese Norm aufgrund der Rechtsfolgenverweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar ist (siehe sogleich unter cc) bis ee)). cc) Vorgehen der Rechtsprechung Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 822 BGB im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden.763 § 822 BGB liege in seinem originären Anwendungsbereich die gleiche Wertung zugrunde, die auch die Situation der unentgeltlichen Weitergabe eines Geschenks vor Eintritt einer Verarmung eines Schenkers kennzeichne. In beiden Fällen sei die Herausgabepflicht gerechtfertigt, weil der Dritte aufgrund der unentgeltlichen Zuwendung nicht schutzbedürftig sei.764 Der BGH hat im Anwendungsbereich des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB allerdings ursprünglich von einer „entsprechenden“ Anwendung des § 822 BGB gesprochen.765 In einem Urteil aus dem Jahr 1999 hat der Gerichtshof dann offengelassen, ob es sich um eine entsprechende oder um eine direkte Anwendung handelt, indem er den Zusatz „entsprechend“ bezogen auf die Anwendbarkeit des § 822 BGB zwar verwendet, dabei aber in Klammern gesetzt hat.766 In einer jüngeren Entscheidung, die § 822 BGB im Anwendungsbereich des § 528 BGB betrifft, lässt der BGH den Rechtscharakter des § 822 BGB ausdrücklich dahinstehen.767 Er verwendet schließlich nicht mehr die Wendung, § 822 BGB finde „entsprechende Anwendung“. Vielmehr spricht er von den „nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbaren bereicherungsrechtlichen Vorschriften“.768 Der BGH hat dadurch § 822 BGB im Anwendungsbereich des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB direkt angewendet.769 Er geht mithin wohl von einem entsprechend weiten Umfang der Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB aus. Für einen vergleichbaren Fall zu § 2287 Abs. 1 BGB hat der Vierte Senat des BGH in jüngerer Zeit allerdings angenommen, § 822 BGB sei „zumin763 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314; BGH vom 23.9.1999 – X ZR 114/96, NJW 2000, 134, 136; BGH vom 3.2.1989 – V ZR 190/87, NJW 1989, 1478, 1479. Offengelassen noch zuvor in BGH vom 19.3.1981 – IVa ZR 30/80, NJW 1981, 1446, 1447. 764 BGH vom 3.2.1989 – V ZR 190/87, NJW 1989, 1478, 1479. 765 BGH vom 3.2.1989 – V ZR 190/87, NJW 1989, 1478, 1479. Entsprechend z. B. Knütel, JR 1989, 378, 379, der in einer Anm. zu dieser Entscheidung die analoge Anwendung ausdrückl. im Anschluss an den BGH befürwortet. 766 BGH vom 23.9.1999 – X ZR 114/96, NJW 2000, 134, 136. 767 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314. Ebenfalls offengelassen in BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783. 768 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314 (unter 1. der Gründe). 769 A. A. ist wohl der Vierte Senat, der davon spricht, der BGH habe § 822 BGB auf § 528 BGB u. a. in dieser Entscheidung (BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314) entsprechend angewendet: BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 (Rn. 17).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
dest entsprechend“ anzuwenden.770 Die Entwicklung der Rechtsprechung zeigt zwar in der Vorgehensweise zunächst eine schrittweise Entfernung von einer analogen und eine Hinwendung zu einer direkten Anwendung des § 822 BGB infolge der Verweisung in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei der parallelen Problematik in § 2287 Abs. 1 BGB hat der Vierte Senat des BGH jedoch jüngst gezeigt, sich auf diese Linie nicht festlegen lassen zu wollen.771 Gleichzeitig zieht die Rechtsprechung § 822 BGB in einigen der genannten Entscheidungen anscheinend als eigenständige Anspruchsgrundlage heran. So stützt der Zehnte Senat des BGH den Durchgriffsanspruch des Bereicherungsgläubigers in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 offenbar allein auf § 822 BGB und meint, wie bereits 1999, „§ 822 BGB verpflichte einen Dritten“.772 Er spricht zudem von einem „Anspruch aus § 822 BGB“.773 In einer anderen Entscheidung zu § 822 BGB zieht der Zehnte Senat des BGH ebenfalls keine weitere Vorschrift zur Anspruchsbegründung heran.774 Diese Vorgehensweise spricht dafür, dass der BGH § 822 BGB eher als eigenständige Anspruchsgrundlage ansieht, auch wenn er hierzu bislang nicht ausdrücklich Stellung genommen hat. Wenn der Gerichtshof Rechtsfolgenverweisungen als Bezugnahme auf alle nicht anspruchsbegründenden Vorschriften eines Abschnitts verstünde, er aber § 822 BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage ansieht, müsste er folgerichtig diesen als von der Verweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nicht umfasst ansehen und könnte ihn infolgedessen zwar ohne Hinzunahme des § 528 BGB, allerdings lediglich analog anwenden.775 Eine direkte Anwendung des § 822 BGB im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ist demnach nur möglich, wenn der BGH entweder in § 822 BGB trotz seiner Vorgehensweise keine eigene Anspruchsgrundlage sähe oder wenn § 822 BGB seiner Ansicht nach auch als selbstständige Anspruchsgrundlage von Rechtsfolgenverweisungen umfasst wäre. Die Prämisse, Rechtsfolgenverweisungen umfassten keine anspruchsbegründenden Vorschriften eines Abschnitts, wäre demnach zumindest in dieser Unbedingtheit unzutreffend. Die direkte Anwendung des § 822 BGB unter Verzicht auf eine Stellungnahme zum Rechtscharakter dieser Vorschrift in den genannten Entscheidungen spricht dafür, dass der BGH zumindest für den konkreten Fall des § 528 Abs. 1 S. 1 770 771
BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783. BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783. 772 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314 f.; BGH vom 23.9.1999 – X ZR 114/96, NJW 2000, 134, 136 (unter IV. 2. a) der Gründe). 773 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314 (unter 3. d) der Gründe). Ebenso in BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 784 (Rn. 21). 774 BGH vom 11.7.2000 – X ZR 78/98, NJW‑RR 2001, 6, 7. 775 Dem entspricht sein Vorgehen in BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 f.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 267
BGB von einem weiten Umfang der Rechtsfolgenverweisung ausgeht776 und den Rechtscharakter einer Vorschrift für ihre Anwendbarkeit infolge einer solchen Verweisung für unerheblich erachtet. Andernfalls hätte er sich schon bei der Frage der Anwendbarkeit des § 822 BGB zu dessen Rechtscharakter äußern müssen. Hierauf hat er jedoch verzichtet und hat die Frage, ob es sich bei § 822 BGB um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handelt, erst bei seinen Ausführungen zum Umfang der Ersatzpflicht angesprochen und ausdrücklich dahinstehen lassen.777 Die Vorgehensweise des Gerichtshofs spricht demnach für die Annahme, er halte es für möglich, dass auch Anspruchsgrundlagen von Rechtsfolgenverweisungen umfasst sein können.778 dd) Anwendbarkeit aufgrund einer allgemein vergleichbaren Interessenlage Der Normzweck des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB und die vergleichbare Interessenlage mit dem Fall, den § 822 BGB von sich aus vor Augen hat, bieten einen ersten möglichen Anknüpfungspunkt für die Frage, ob und wenn ja, wie § 822 BGB im Rahmen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB zur Anwendung kommt. Eine Anwendung des § 822 BGB erscheint insoweit geboten.779 Mit einer vergleichbaren Interessenlage lässt sich jedoch nicht begründen, dass § 822 BGB infolge der Verweisung (direkt) anwendbar ist, da eine vergleichbare Interessenlage gerade eine der Voraussetzungen einer Analogie ist. Obwohl die Interessenlage für eine Anwendung des § 822 BGB auf die Fälle des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB spricht, lässt dies mithin noch keine Rückschlüsse auf den Umfang der Verweisung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB zu,780 wenn und soweit neben der Verweisung noch Raum für eine Analogie ist. Eine Verweisung schließt eine Analogie nicht grundsätzlich aus, es sei denn, der Gesetzgeber wollte die Verweisung bewusst eng halten und die in Rede stehende Vorschrift unangewendet wissen. Insoweit fehlte es an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie. In allen anderen Fällen sind Analogien grundsätzlich möglich, es sei denn, sie betreffen Verweisungs776
BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314.
777 BGH vom 10.2.2004 – X ZR 117/02, NJW 2004, 1314. 778 Vgl. auch Schubert, JR 2015, 132, 138, der meint, der
BGH sehe in § 822 BGB einen allg. bereicherungsrechtlichen Grundsatz. Zur Frage der möglichen Erstreckung einer Rechtsfolgenverweisung auf Anspruchsgrundlagen siehe ausführl. noch in Kap. 3, § 2 I. 4. 779 BGH vom 3.2.1989 – V ZR 190/87, NJW 1989, 1478, 1479; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 95; Kopp, JR 2012, 491, 493 f.; MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 7. 780 MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 6. Vgl. BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783, der § 822 BGB in den Fällen des § 2287 BGB „zumindest entsprechend“ anwendet.
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objekte einer Rechtsgrundverweisung. Bei einer solchen könnte eine Analogie zur Umgehung der Voraussetzungen des Verweisungsobjekts führen.781 In § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Wille des Gesetzgebers, der einer Anwendung des § 822 BGB zugunsten des verarmten Schenkers im Falle der Weitergabe des Geschenks an einen Dritten entgegenstehen könnte, nicht ersichtlich. Eine entsprechende Anwendung wäre demnach grundsätzlich möglich, sodass die vergleichbare Interessenlage das Erstrecken der Verweisung auf § 822 BGB allein nicht begründen kann. ee) Anwendbarkeit des § 822 BGB aufgrund seiner Anbindung an § 818 Abs. 3 BGB § 822 BGB steht, wie anhand verschiedener Aspekte zu zeigen ist, in engem Zusammenhang mit § 818 Abs. 3.782 Da § 818 Abs. 3 BGB im Rahmen von Rechtsfolgenverweisungen anwendbar ist,783 sofern nichts Abweichendes geregelt ist, ist dieser Zusammenhang ein Anknüpfungspunkt dafür, auch § 822 BGB als von § 528 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst anzusehen. Der Wortsinn des § 822 BGB liefert bereits einen ersten Anhaltspunkt für eine Verknüpfung der §§ 818 Abs. 3, 822 BGB. Hiernach besteht die Herausgabepflicht des Dritten, soweit die des Empfängers infolge der unentgeltlichen Zuwendung an den Dritten entfallen ist. Die sprachliche Verknüpfung der Zuwendung an den Dritten mit dem Wegfall der Herausgabepflicht über den Begriff „infolgedessen“ bewirkt eine inhaltliche Bindung. Sie bringt zum Ausdruck, dass ebendiese Zuwendung der Grund für den Wegfall der Herausgabepflicht sein muss. Die unentgeltliche Weggabe führt automatisch zu einer Entreicherung des Empfängers. Dadurch entfällt seine Herausgabepflicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB. Die in § 822 BGB zugrunde gelegte Sachverhaltskonstellation setzt demnach aus rechtlicher Sicht eine Entreicherung des ursprünglichen Bereicherungsschuldners voraus. Die dadurch ausgedrückte Verknüpfung dieser Vorschriften zeigt sich auch anhand der Systematik der bereicherungsrechtlichen Vorschriften (siehe sogleich unter (1)–(3)). (1) Ausnahmecharakter des § 822 BGB § 822 BGB ist nicht nur eine Ausnahmevorschrift innerhalb des Bereicherungsrechts, weil er dort entgegen dem sonstigen System eine Direktkon781 Für § 284 BGB: BGH vom 15.7.2008 – VIII ZR 211/07, NJW 2008, 2837, 2840 (Rn. 33). 782 Siehe zu diesem Zshg. Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 88, 90; ders., JZ 2004, 796, 797; Knütel, NJW 1989, 2504, 2505; Röthel, Jura 2016, 613 ff.; Tonikidis, NJW 2019, 118, 121. 783 Speziell für § 528 Abs. 1 S. 1 BGB für eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB BGH vom 17.4.2018 – X ZR 65/17, NJW 2018, 3775, 3777 (Rn. 19 f.).
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 269
diktion gegen einen Dritten zulässt,784 sondern er ist durch die Eröffnung dieser Durchgriffsmöglichkeit grundsätzlich ein Fremdkörper im System der Rückabwicklungen des BGB. Insbesondere existiert im Rahmen einer Rückabwicklung nach vertraglichen Grundsätzen kein Direktanspruch gegen einen unentgeltlich bedachten Dritten. (a) Unterschiede zur Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht Wenn ein Käufer beispielsweise nach Durchführung eines Kaufvertrags die gekaufte Sache an einen Dritten verschenkt und sodann eine der Vertragsparteien von dem Kaufvertrag zurücktritt, hat der Verkäufer hinsichtlich der Rückabwicklung des Kaufvertrags ausschließlich Ansprüche gegen den Käufer. Ansprüche gegen den Dritten bestehen nicht. Nach § 346 Abs. 1 BGB muss der Käufer die erlangte Sache grundsätzlich an den Verkäufer herausgeben. In der Schenkung liegt jedoch einer Ansicht nach eine Veräußerung iSv § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB.785 Der Käufer ist daher nach dieser Vorschrift zum Wertersatz verpflichtet. Die Gegenansicht lehnt es zwar ab, die unentgeltliche Weitergabe als Veräußerung anzusehen, hält § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB in diesen Fällen aber für entsprechend anwendbar.786 Bei einer vergleichbaren Fallkonstellation, die nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabzuwickeln wäre, könnte der erste Bereicherungsschuldner sich auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn er nicht mehr bereichert ist. In einer kaufrechtlichen Rücktrittskonstellation kann sich der Käufer dagegen nicht mit dem Entreicherungseinwand gegen das Herausgabeverlangen des Verkäufers verteidigen, da dieser Einwand dem Rücktrittsrecht fremd ist. Wenn der Verkäufer seinen Wertersatzanspruch aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Käufers zunächst nicht realisieren kann, bleibt der Anspruch dennoch bestehen. Der Verkäufer hat die Möglichkeit, einen entsprechenden Titel gegen den Käufer zu erwirken und möglicherweise später zu vollstrecken. Er kann dagegen nicht unmittelbar gegen den Dritten vorgehen. Der Verkäufer hat diesem gegenüber keinen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB, da der Dritte infolge der wirksamen Übereignung durch den Käufer – der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übereignung noch als Berechtigter verfügte – Eigentümer der ursprünglichen Kaufsache geworden ist. Vertragliche Ansprüche sind nicht ersichtlich und ein bereicherungsrechtlicher Anspruch scheitert aufgrund der vorrangigen Leistungsbeziehung zum Käufer. Insbesondere besteht gegenüber dem Dritten keine Durchgriffsmöglichkeit gemäß § 822 BGB, da dieser einen bereicherungsrechtlichen Anspruch im Verhältnis von Verkäufer und Käufer dem Grun784
Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649 f. § 346 BGB Rn. 521; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 48. 786 Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 74; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 139.
785 BeckOGK/Schall,
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de nach voraussetzt. Ein solcher besteht jedoch nicht, weil die Übereignung der Kaufsache als Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB mit Rechtsgrund erfolgte, da zum Zeitpunkt der Übereignung der Kaufvertrag bestand und dieser durch den Rücktritt nicht rückwirkend erloschen ist.787 Allerdings bedarf der Verkäufer in diesem Beispielsfall auch keines gleichwertigen Schutzes wie der Inhaber eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs. Dieser könnte bei einer Zahlungsunfähigkeit des ursprünglichen Bereicherungsschuldners seinen Anspruch dauerhaft nicht realisieren, da Letzterer durch das Berufen des Schuldners auf den Einwand des § 818 Abs. 3 BGB als grundsätzlich rechtsvernichtender Einwendung788 untergeht. Die Situation des Inhabers eines Rückgewähr- oder Wertersatzanspruchs nach § 346 Abs. 1, 2 BGB ist anders, da sein Anspruch weiterhin besteht und nur (vorübergehend) nicht durchgesetzt werden kann, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist. (b) Innerer Zusammenhang zwischen § 822 BGB und § 818 Abs. 3 BGB Insgesamt zeigt sich bereits an dem Vergleich der Rückabwicklungssysteme der innere Zusammenhang zwischen § 822 BGB und § 818 Abs. 3 BGB, der für die Sonderstellung des § 822 BGB mitverantwortlich ist.789 § 822 BGB ist auf viele unterschiedliche Fallgestaltungen des Bereicherungsrechts anwendbar. Allen diesen Fällen liegt der unentgeltliche Erwerb eines Dritten vom hierdurch frei werdenden ursprünglichen Bereicherungsschuldner zugrunde.790 § 818 Abs. 3 BGB ist mithin der gemeinsame Ausgangspunkt aller denkbaren Sachverhalte, die § 822 BGB betreffen. Diese Vielzahl der möglichen Fallgestaltungen wird durch die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sogar noch erhöht. § 818 Abs. 3 BGB ist, ähnlich wie § 822 BGB, eine Ausnahmevorschrift. Der dort verankerte Entreicherungseinwand schützt den Bereicherungsschuldner und benachteiligt dadurch zugleich den Bereicherungsgläubiger. Mit dieser Schutzrichtung trägt er dem Rechtscharakter des Bereicherungsrechts als Ausgleichsordnung Rechnung, wonach sich der Anspruch des Bereicherungsgläubigers dem Grunde nach an dem Vermögensvorteil des Bereicherten und nicht an seinem eigenen Vermögensnachteil ori787 Zum Fehlen der Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs nach einem Rücktritt siehe in diesem Paragrafen unter I. 1. a). 788 Zum Rechtscharakter von § 818 Abs. 3 BGB ausführl. MünchKommBGB/ Schwab, § 818 Rn. 125 ff. 789 Für den Zshg.: Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 88, 90; Kiehnle, JA 2005, 737, 738; Knütel, NJW 1989, 2504, 2505; Röthel, Jura 2016, 613 ff. 790 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 365 (§ 8 IV. 2.). Siehe ausführl. auch Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 88 ff.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 271
entiert.791 Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu den sonstigen Ersatzansprüchen des BGB, wie beispielsweise Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche, deren Höhe an den Verlust des Gläubigers geknüpft ist. Das Ungleichgewicht, das sich aus § 818 Abs. 3 BGB zulasten des Bereicherungsgläubigers ergibt, wird jedenfalls teilweise dadurch wieder ausgeglichen, dass er in einem Mehrpersonenverhältnis gerade aufgrund dieser Benachteiligung einen Anspruch gegen einen Dritten bekommt (§ 822 BGB). Gäbe es § 818 Abs. 3 BGB nicht, so gäbe es keinen Grund, einen Durchgriffsanspruch gegen den Dritten zuzulassen, da in dem Fall – vergleichbar einem vertraglichen Anspruch – der Herausgabeanspruch gegen den ursprünglichen Bereicherungsschuldner mangels Existenz einer anderweitigen rechtsvernichtenden Einwendung noch bestünde. Zwar wird betont, der Durchgriff basiere auf dem unentgeltlichen Erwerb des Dritten, der vom Gesetz als weniger schutzwürdig erachtet werde.792 Die Unentgeltlichkeit des Erwerbs spielt auch durchaus eine Rolle, sie vermag den Durchgriff jedoch nicht allein zu rechtfertigen.793 Dies hat schon der Vergleich der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung mit der nach vertragsrechtlichen Grundsätzen angedeutet, da die unentgeltliche Weitergabe im Rücktrittsrecht keinen Rückgriff auf den beschenkten Dritten begründet.794 Ferner gibt es in § 2287 Abs. 1 BGB eine Vorschrift, die zugunsten des Vertragserben, der die Erbschaft ebenfalls unentgeltlich erwirbt, die Herausgabepflicht eines vom Erblasser zuvor Beschenkten nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts anordnet.795 Hier wird der unentgeltliche Erwerb des Beschenkten weniger geschützt als der ebenfalls unentgeltliche Erwerb des Vertragserben.796 Es existiert demnach kein einheitliches Schutzniveau für den unentgeltlichen Erwerb als solchen. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 2287 Abs. 1 BGB wurde zudem diskutiert, den Vertragserben nicht nur gegen unentgeltliche, sondern zusätzlich gegen entgeltliche Verfügungen 791 Hagen, FS Larenz, S. 867, 868; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 6; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 2. Diese grundsätzliche Ausrichtung wird aufgrund der Orientierung des Bereicherungsrechts an dem Erlangten und nicht an der Bereicherung angezweifelt, vgl. MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. 2004, § 818 Rn. 66 f. 792 Falk, FS Nehlsen, S. 610, 612 f.; wohl auch v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 369; Rothoeft, AcP 163 (1963), S. 215, 221. Inzwischen scheint die Unentgeltlichkeit häufiger nicht mehr als die alleinige Ursache angesehen zu werden: Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, 2002, S. 264. 793 Siehe Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, S. 264, 292. So wohl auch MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 1. 794 Siehe dazu in diesem Paragrafen I 2. b). Den Unterschied zur vertraglichen Rückabwicklung betont auch: Kiehnle, JA 2005, 737, 738. 795 Siehe zu der Verweisung in § 2287 Abs. 1 BGB nachfolgend unter 2. 796 Vgl. zu diesem Gedanken für § 2287 Abs. 1 BGB Schwab, FamRZ 2014, 203, 204.
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des Erblassers, die dieser vornimmt, um den Vertragserben zu schädigen, zu schützen.797 Die Aufnahme einer derartigen Regelung wurde, unter anderem unter Verweis auf den ohnehin bestehenden und als ausreichend erachteten Schutz der deliktsrechtlichen Vorschriften über die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 749 des zweiten Entwurfs des BGB), abgelehnt.798 Die Tatsache, dass lediglich der beeinträchtigende unentgeltliche Erwerb rückabgewickelt werden kann, da dieser weniger schutzwürdig sein soll, spielte im Gesetzgebungsverfahren hingegen keine Rolle. Der Schutz des Vertragserben kann aus den genannten Gründen daher insgesamt nicht ausschließlich mit der geringeren Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs begründet werden. Dass weniger der unentgeltliche Erwerb als solcher, sondern mehr der drohende Anspruchsverlust des ursprünglichen Bereicherungsgläubigers, der ausschließlich auf § 818 Abs. 3 BGB beruht, die Durchgriffsmöglichkeit begründet,799 wird, wie zu zeigen ist, durch weitere Argumente bestätigt: § 822 BGB orientiert sich, anders als die meisten bereicherungsrechtlichen Ansprüche,800 nicht ausschließlich an dem Vermögensvorteil des Dritten, sondern zunächst an der Benachteiligung des Gläubigers.801 Andernfalls müsste auch bei einer verschärften Haftung des ursprünglichen Bereicherungsschuldners, zum Beispiel gemäß den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB, ein Rückgriff auf den Beschenkten möglich sein, da sein Vermögensvor797
Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 390 ff.
798 Protokolle zum BGB, Bd. 5, S. 392. 799 Der drohende Anspruchsverlust des
Bereicherungsgläubigers in den Fällen der unentgeltlichen Weitergabe an einen Dritten wurde neben der strukturellen Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs ferner auch andernorts in den Protokollen zum BGB betont: Nachtrag zu den Protokollen, S. 1190, zit. nach Mugdan, Bd. 2, S. 1413. In der Lit. betonen den drohenden Anspruchsverlust: Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Wendehorst, BGB, § 822 Rn. 2; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 63 f. m. w. Nachw.; ders., JZ 2004, 796, 798; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 359 (§ 8 IV. 1.); Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 11. Eckebrecht, JA 2003, 209, 215 und Palandt/Sprau, BGB, § 822 Rn. 1, sprechen von einer „Aushilfshaftung“ des Dritten. Auch MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 1 sieht das „Restitutionsinteresse“ des Bereicherungsgläubigers zumindest als die zweite Säule des Anspruchs neben der fehlenden Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs an und sieht in § 818 Abs. 3 BGB „den Grund der Haftung des Dritten“ (§ 822 Rn. 4); ähnl. wohl Florstedt, Recht als Symmetrie, S. 179. A. A. wohl Rothoeft, AcP 163 (1963), S. 215, 221 f., der den Grund für die Abschöpfung beim Dritten in dessen Bereicherung sieht. 800 Lediglich § 816 Abs. 1 S. 2 BGB verhält sich wie § 822 BGB. Zum Streit um die Orientierung am Vermögensvorteil des Schuldners als Grundprinzip des Bereicherungsrechts siehe ausführl. Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 213 ff. mit dem Hinweis darauf, dass die Restitution aus Sicht des Gläubigers reflexartig zu einer Abschöpfung beim Schuldner führt und umgekehrt (S. 218). 801 Dem Umfang nach entspricht § 822 BGB wie die anderen Ansprüche des Bereicherungsrechts dem Ausgleichsprinzip. Siehe zum Umfang Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 13.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 273
teil unabhängig davon besteht, ob der Schenker gut- oder bösgläubig war. Dies ist indes gerade nicht der Fall. Der Gläubiger ist dann vielmehr auf seinen Bereicherungsanspruch gegen den Schenker verwiesen, weil Letzterer sich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen kann.802 Der Gläubiger ist weniger schutzwürdig, weil sein Bereicherungsanspruch gegen den ursprünglichen Schuldner weiterhin besteht. Die Gläubigerbenachteiligung, die durch § 818 Abs. 3 BGB entsteht und dessen Schutzwürdigkeit begründet, wird durch die Rückgriffsmöglichkeit auf den Dritten abgemildert. Diese primäre Anknüpfung an die Schutzwürdigkeit des Gläubigers ist – auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint – im Bereicherungsrecht systemkonform. Das Bereicherungsrecht orientiert sich zwar grundsätzlich in erster Linie an dem Vermögensvorteil des Bereicherten, knüpft dabei aber auch an einen fehlenden Rechtsgrund an. § 822 BGB durchbricht nicht nur die Anknüpfung an den Vorteil des Bereicherten, sondern orientiert sich zugleich – ebenfalls anders als nahezu sämtliche anderen Bereicherungsansprüche – nicht an einem fehlenden Rechtsgrund. Die grundsätzliche Ausrichtung des Bereicherungsrechts auf den erlangten Vermögensvorteil hängt jedoch unmittelbar mit der Anbindung an den fehlenden Rechtsgrund zusammen: Ein Ausgleich soll erfolgen, wenn eine Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt ist.803 In § 822 BGB beruht die Vermögensverschiebung zugunsten des Dritten auf einem Rechtsgrund, mit ihr geht jedoch gerade aufgrund ihrer Wirksamkeit und wegen der Existenz des § 818 Abs. 3 BGB ein Verlust des Bereicherungsanspruchs des Gläubigers einher. Die Unentgeltlichkeit der Weitergabe hat diesen hervorgerufen. Sie muss für das Erlöschen des primären Bereicherungsanspruchs kausal sein, damit ein Anspruch nach § 822 BGB entsteht.804 Außerdem spielt die häufig in den Vordergrund gestellte geringere Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs insoweit eine Rolle, als der Dritte als Empfänger der Leistung keine Gegenleistung erbracht hat und demnach keine Schlechterstellung gegenüber seiner vorherigen Rechtsposition befürchten muss, wenn er die Sache herausgeben muss. Der ursprüngliche Bereicherungsgläubiger sieht sich hingegen einem drohenden Anspruchsverlust gegenüber. Im Rahmen der Entscheidung, ob der Verlust sich im Ergebnis gegenüber dem Gläubiger oder dem Dritten realisieren soll, fällt die Interessenabwägung demnach zugunsten des ursprünglichen 802 So zumindest die ganz h. M. Für alle BGH vom 24.2.2003 – II ZR 385/99, NJW 2003, 1445, 1446; BGH vom 3.12.1998 – III ZR 288–96, NJW 1999, 1026, 1027 f.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 11. 803 Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 1. 804 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Wendehorst, BGB, § 822 Rn. 9; MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 16; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 11; Tommaso/ Weinbrenner, Jura 2004, 649, 654.
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Bereicherungsgläubigers aus.805 Wer entgeltlich erwirbt, ist einer solchen Interessenabwägung gar nicht ausgesetzt, weil der ursprüngliche Bereicherungsanspruch bestehen bleibt und der Gläubiger mithin keinen Rechtsverlust erleidet. Ein weiteres Argument dagegen, dass die – wie gezeigt – durchaus relevante geringere Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs primär im Vordergrund steht, gründet sich auf den Fall, in dem der ursprüngliche Bereicherungsschuldner vor der unentgeltlichen Weitergabe bereits (teilweise) entreichert ist. Dies kann sich zum Beispiel ergeben, weil er Aufwendungen auf den Bereicherungsgegenstand getätigt hat. Die Aufwendungen können den Bereicherungsanspruch schlimmstenfalls schon vor der Weitergabe gänzlich aufgezehrt haben. Nach der unentgeltlichen Weitergabe haftet der Dritte im Umfang dieser Entreicherung nicht, weil die Weitergabe für die Entreicherung nicht kausal war.806 Der Schwerpunkt liegt daher auf der kausalen Verknüpfung von Weitergabe und Entreicherung. Der unentgeltliche Erwerb des Dritten wird durch die vorhergehenden Aufwendungen nicht berührt. Er erwirbt die Sache unentgeltlich, ohne dass es darauf ankommt, ob der Schenker zuvor hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs bereits entreichert war oder nicht. War dies der Fall, kann er die Sache trotz § 822 BGB behalten. Ist die Entreicherung hingegen durch die Weitergabe der Sache entstanden, muss er sie bei entsprechendem Verlangen des Anspruchsinhabers an diesen herausgeben, obwohl seine Situation die gleiche ist, wie sie bei vorheriger Entreicherung des ursprünglichen Bereicherungsschuldners wäre. Wenn es ausschließlich auf die geringere Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs ankäme, müsste der Anspruch gegen den Dritten stets in voller Höhe bestehen. Dies widerspräche indes der Vorgabe des § 822 BGB, der von einem Ausschluss der Verpflichtung „infolgedessen“, also infolge der unentgeltlichen Zuwendung, spricht.807 (2) Systematischer Zusammenhang zwischen § 822 BGB und § 816 Abs. 1 S. 2 BGB Die Annahme, der Schutz des ursprünglichen Bereicherungsgläubigers stehe bei § 822 BGB im Vordergrund, wird durch einen Vergleich des § 822 BGB mit der Struktur des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB bestätigt.808 Diese beiden 805
Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT, § 67 Rn. 33. § 822 Rn. 16; Palandt/Sprau, BGB, § 822 Rn. 8 (Berufen auf § 818 Abs. 3 BGB möglich, wenn die Verpflichtung bereits vor der Zuwendung weggefallen war); Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 12; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 654. 807 Siehe bereits oben einleitend unter ee). 808 Heck, Schuldrecht, § 144, S. 434 sieht hierin eine eigene Fallgruppe, der „Rechtsvereitelung durch unentgeltlichen Erwerb“; siehe auch den Vergleich der Regelungen bei Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT, § 64 Rn. 12, § 67 Rn. 33. 806 MünchKommBGB/Schwab,
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 275
Vorschriften haben trotz aller zwischen ihnen bestehenden Unterschiede809 einen vergleichbaren Hintergrund.810 Beide Vorschriften wollen den Gläubiger schützen, weil dieser einen Anspruch gegen den Verfügenden (sei er Berechtigter oder Nichtberechtigter) aus rechtlichen Gründen nicht realisieren kann. Im Fall des § 822 BGB ist der Anspruch nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Bei § 816 Abs. 1 S. 2 BGB hat der nichtberechtigt Verfügende aufgrund der unentgeltlichen Weitergabe – anders als im Fall des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB – nichts erlangt. Demnach kann ihm gegenüber von vornherein kein Bereicherungsanspruch entstehen.811 In beiden Fällen ist ein Bereicherungsanspruch gegen den an den Dritten Verfügenden gerade aufgrund der unentgeltlichen Weitergabe ausgeschlossen. Wäre diese entgeltlich erfolgt, hätte der Nichtberechtigte im Fall des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB etwas erlangt, das der Gläubiger herausverlangen könnte. Der Berechtigte könnte sich in derselben Konstellation im Rahmen des § 822 BGB nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen. Der Anknüpfungspunkt für die Schlechterstellung des unentgeltlichen Erwerbers ist daher nicht primär die fehlende Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs, sondern die Tatsache, dass gerade aufgrund der unentgeltlichen Weitergabe eine Schlechterstellung des Gläubigers eingetreten ist. Der unentgeltliche Erwerb führt zu Problemen, die der entgeltliche Erwerb aufgrund der stattfindenden Vermögensverschiebungen nicht hervorruft. Die Unentgeltlichkeit des Erwerbs spielt daher für die Konzeption des § 822 BGB durchaus 809 Die
Unterschiede, die zwischen § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB bestehen, sollen freilich nicht verwischt werden. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB unterscheidet sich von § 822 BGB zunächst unter anderem dadurch, dass er keine Dreiecksbeziehung vor Augen hat, in der eigentlich ein Bereicherungsanspruch gegenüber dem ursprünglichen Bereicherungsschuldner besteht. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ist ein primärer Anspruch gegen den Dritten, wohingegen § 822 BGB lediglich dazu führt, dass der Gläubiger diesem gegenüber einen gegenüber dem Anspruch gegen den ursprünglichen Bereicherungsschuldner subsidiären Anspruch erhält (Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 195 [§ 69 IV. 1., analoge Anwendung des § 822 BGB]; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, § 822 Rn. 1 f.; Palandt/ Sprau, BGB, § 822 Rn. 1; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 363 [§ 8 IV. 1.]; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 3). Die beiden Vorschriften sind aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen – Leistung durch einen Berechtigten einerseits und Leistung durch einen Nichtberechtigten andererseits – streng voneinander zu unterscheiden (für alle Jülch, JA 2012, 326, 327; MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 9; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, § 822 Rn. 1; Palandt/Sprau, BGB, § 822 Rn. 1; Röthel, Jura 2016, 613, 614). 810 Zur Verwandtschaft der Vorschriften siehe Heck, Schuldrecht, § 144, S. 434. Erman/Buck-Heeb, BGB, § 822 Rn. 1; Reeb, JuS 1973, 624. Gewisse Ähnlichkeiten sieht Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Wendehorst, BGB, § 822 Rn. 3. 811 Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, S. 264. Siehe dazu auch Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 11 Rn. 39 (für § 816 Abs. 1 S. 2 BGB). So weist Jülch, JA 2012, 326, 328 darauf hin, der Bereicherungsgläubiger habe in allen Fällen des § 816 Abs. 1 BGB nur einen Schuldner – den Nichtberechtigten in den Fällen des S. 1 und den Dritten in den Fällen des S. 2.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
eine Rolle, sie kann nur nicht alleine begründen, warum der Durchgriff auf den Dritten möglich ist. (3) Exkurs: Anwendung des § 822 BGB bei Insolvenz des bösgläubigen Bereicherungsschuldners Diese Systematik des § 822 BGB ist unter anderem dafür verantwortlich, dass die Vorschrift bei rechtsgrundlosem entgeltlichem Erwerb nicht anwendbar ist.812 Bei einem rechtsgrundlosen Erwerb bestehen anders als bei einem wirksamen unentgeltlichen Erwerb Ansprüche des rechtsgrundlos Verfügenden gegen den Dritten. Infolgedessen kann eine Rückabwicklung übereck erfolgen und es besteht kein Bedürfnis für eine Direktkondiktion.813 Gleiches muss auch dann gelten, wenn der rechtsgrundlos Verfügende insolvent ist, da § 822 BGB keine Verschiebung eines Insolvenzrisikos bezweckt, sondern den Gläubiger vor einem Rechtsverlust aus rechtlichen Gründen schützen will.814 Im Fall des § 822 BGB kann es zu einer solchen Verschiebung des Insolvenzrisikos kommen, wenn der Verfügende bösgläubig ist, da er dann nach den §§ 818 Abs. 4, 819 BGB haftet und sich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen kann. Obwohl die Fallkonstellationen sich – abgesehen vom Unterschied der Gut- oder Bösgläubigkeit des Zuwendenden – unter Umständen vollständig entsprechen, ist das Ergebnis unterschiedlich: Ist der Zuwendende gutgläubig und kann sich auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, entsteht ein Anspruch nach § 822 BGB gegen den Dritten. Ist der Zuwendende hingegen bösgläubig und kann sich wegen der §§ 819 Abs. 1, 818 812 Gegen die Gleichstellung von rechtsgrundlosem und unentgeltlichem Erwerb MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 11; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 9. Für den parallelen Fall des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB: Jülch, JA 2012, 326, 329 f.; MünchKommBGB/ Schwab, § 816 Rn. 61; Staudinger/Lorenz, BGB, § 816 Rn. 28; a. A. BGH vom 12.7.1962 – VII ZR 28/61, BGHZ 37, 363, 369 f. (für den Fall, dass der nichtberechtigt Verfügende keine Gegenleistung erhalten hat); Rothoeft, AcP 163 (1964), S. 215, 246 ff. 813 Bei Ansprüchen gegen insolvente juristische Personen können unbefriedigende Ergebnisse entstehen, da mit der Insolvenz und etwaigen Liquidation u. U. der Anspruchsgegner wegfällt. Dies ist indes kein Problem, das über eine Anwendung des § 822 BGB zu lösen ist. Hierbei ist vielmehr die generelle Frage zu beantworten, wie mit Rechten umzugehen ist, die gegenüber einem nicht mehr existenten Anspruchsgegner bestehen. Diese Frage betrifft auch vertragliche Ansprüche. Siehe dazu insges. Falk, FS Nehlsen, S. 610, 621 m. w. Nachw. 814 Für § 822 BGB: BGH vom 24.2.2003 – II ZR 385/99, NJW 2003, 1445, 1446; BGH vom 3.12.1998 – III ZR 288–96, NJW 1999, 1026, 1028 m. w. Nachw.; BGH vom 9.1.1969 – VII ZR 185/66, NJW 1969, 605, 606; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Wendehorst, BGB, § 822 Rn. 10; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 255 ff., insbes. 260 f., 265 f., Kiehnle, JA 2005, 737, 738; MünchKommBGB/ Schwab, § 822 Rn. 17; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 11 Rn. 49. A. A.: Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, S. 195 (§ 69 IV. 1., analoge Anwendung des § 822 BGB); Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 656 jeweils m. w. Nachw.
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Abs. 4 BGB nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, wird aber insolvent, hat der Zuwendende keine Ansprüche gegen den Dritten. In diesem Ergebnis wird vielfach ein Wertungswiderspruch gesehen.815 Der Wertungswiderspruch entsteht indes nur dann, wenn § 822 BGB isoliert und aus der Perspektive des Dritten betrachtet wird. Aus seinem Blickwinkel erscheint es durchaus unbillig, bei einem Erwerb von einem gutgläubig Verfügenden einem Durchgriff ausgesetzt zu sein und dadurch schlechter gestellt zu werden als bei einem Erwerb von einem Bösgläubigen.816 Die Schutzwürdigkeit des Dritten ist jedoch lediglich zweitrangig. In erster Linie ist vielmehr die Perspektive des Gläubigers maßgeblich.817 Dieser ist nur dann schutzwürdig, wenn er gegen seinen eigentlichen Schuldner keinen Anspruch mehr hat, weil dieser die Sache im Ergebnis quasi auf seine Kosten unentgeltlich weitergegeben hat. Im System der sonstigen Ansprüche gibt es in vergleichbaren Konstellationen auch keine Durchgriffsansprüche gegen einen Dritten, weil der Anspruch gegen den Verfügenden hier erhalten bleibt.818 Dabei spielt eine etwaige Unentgeltlichkeit der Zuwendung keine Rolle. Die Besonderheit der bereicherungsrechtlichen Konstellationen liegt in der Existenz des § 818 Abs. 3 BGB begründet. § 822 BGB ist ein nur für diese Fälle geschaffener Sondertatbestand. Das Versagen des Durchgriffsanspruchs, wie es im Fall der Bösgläubigkeit des ursprünglichen Bereicherungsschuldners geschieht, ist keine Schlechterstellung des Gläubigers, sondern der Normalfall. § 822 BGB ist eine ausnahmsweise Besserstellung für bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der Besonderheiten des § 818 Abs. 3 BGB. Daher wird zu Recht darauf hingewiesen, die Kritik an der Unanwendbarkeit des § 822 BGB in den Fällen der verschärften Haftung des primären Bereicherungsschuldners sei dem Grunde nach eine Kritik an der Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB zugunsten des ursprünglichen Bereicherungsschuldners in den Fällen, in denen dieser nicht verschärft haftet.819
815 Falk, FS Nehlsen, S. 610, 615 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 195 (§ 69 IV. 1. a)); Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT, § 67 Rn. 34; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 384; Schilken, JR 1989, 363, 366. Krit. zu einem entsprechenden Urteil des BGH daher auch: Jacobs, ZIP 1999, 733 ff. 816 So der Einwand der Kritiker: Falk, FS Nehlsen, S. 610, 616; Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT, § 67 Rn. 34; Schilken, JR 1989, 363, 366. 817 So wohl MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 17. 818 Kiehnle, JA 2005, 737, 738; Linardatos, JuS 2017, 816, 821. 819 Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 11. Auch Kiehnle, JA 2005, 737, 739 ff. spricht sich zur Vermeidung vom Wertungswidersprüchen in bestimmten Fällen für eine eingeschränkte Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB aus.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
c) Konsequenzen der Ergebnisse zu § 528 Abs. 1 S. 1 BGB für die Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht Der Analyse des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB lassen sich folgende grundsätzliche Aussagen entnehmen, die freilich noch durch die Untersuchung weiterer Vorschriften bestätigt werden müssen, um in dieser Allgemeinheit Geltung beanspruchen zu können820: Zwischen § 822 BGB und § 818 Abs. 3 BGB besteht ein spezifischer Zusammenhang. Dieser muss erhalten bleiben, wenn das Bereicherungsrecht im Wege einer Rechtsfolgenverweisung zur Anwendung gelangt, da andernfalls Wertungswidersprüche entstünden. § 818 Abs. 3 BGB ist eine Sondervorschrift, die den Bereicherungsschuldner bevorzugt. Wenn eine Vorschrift hierauf verweist, geschieht dies regelmäßig, um dieses Privileg auf die Verweisungsvorschrift zu übertragen.821 Damit infolgedessen kein Ungleichgewicht zwischen Gläubiger und Schuldner entsteht, muss ergänzend zu § 818 Abs. 3 BGB eine Korrektur über verschiedene einschränkende Vorschriften, darunter § 822 BGB, erfolgen und die Verweisung sich somit konsequenterweise auch auf Letzteren erstrecken. Damit ist § 822 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht stets anwendbar, ohne dass es hierfür einer auf den Einzelfall ausgerichteten Analogie bedarf. Besonderheiten der einzelnen Verweisungsvorschriften stehen dem regelmäßig nicht entgegen.822 § 822 BGB ist unabhängig von seinem Rechtscharakter von Rechtsfolgenverweisungen erfasst. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob er eine Anspruchsgrundlage darstellt oder lediglich eine Weiterleitung des ursprünglichen Bereicherungsanspruchs herbeiführt. Ob dies zu der allgemeinen Annahme führt, Rechtsfolgenverweisungen könnten sich auch auf Anspruchsgrundlagen beziehen, bleibt der weiteren Untersuchung vorbehalten.823 2. Anwendung und Bestätigung der Erkenntnisse aus der Analyse des § 528 BGB zur Anwendbarkeit des § 822 BGB anhand weiterer Vorschriften Die zu § 528 Abs. 1 S. 1 BGB gewonnenen Erkenntnisse zum Umfang von Rechtsfolgenverweisungen lassen sich anhand weiterer Rechtsfolgenver820 Siehe dazu im Folgenden die Untersuchung der §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB. 821 Bereits angedeutet vom RG in seiner Entscheidung vom 16.1.1913 – IV 504/12, RGZ 81, 204, 206. NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, Vor §§ 812 ff. Rn. 20; PWW/Prütting, § 812 BGB Rn. 18; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 20. 822 Dies hat Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 90 ff. überzeugend nachgewiesen. 823 Siehe dazu in Kap. 3, § 2 I. 4.
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weisungen in den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB überprüfen und – wie zu zeigen ist – bestätigen. a) Einordnung als Rechtsfolgenverweisungen Die §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB enthalten nach allgemeiner Ansicht Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht.824 Die Struktur der Vorschriften bestätigt diese Annahme. aa) Abgrenzung zu deklaratorischen Rechtsgrundverweisungen Bei den meisten der genannten Vorschriften ist das zugrundliegende Rechtsgeschäft wirksam und die Vermögensverschiebung erfolgte aufgrund dessen „mit Rechtsgrund“ (so in den Fällen der §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB) oder die Voraussetzungen der §§ 812 ff. BGB fehlen aus anderen Gründen (so bei § 1973 Abs. 2 S. 1 BGB). Im Fall des § 2021 BGB werden hinsichtlich der zu der Erbschaft gehörenden Einzelgegenstände zwar regelmäßig die Voraussetzungen eines Tatbestandes des § 812 Abs. 1 BGB erfüllt sein.825 § 2021 BGB normiert jedoch in Anknüpfung an den Herausgabeanspruch gemäß § 2018 BGB einen speziellen Tatbestand, der auf Wertersatz hinsichtlich der Erbschaft als Ganzer gerichtet ist und in Bezug auf die rechtsgrundlos erlangte Rechtsposition – in der Regel Besitz – an einzelnen Sachen neben § 812 BGB anwendbar ist.826 Der Erbschaftsanspruch ist daher als Gesamtanspruch auf einen anderen Herausgabegegenstand gerichtet als § 812 BGB und enthält für den Erbschaftsbesitzer insbesondere Beweiserleichterungen, weil er nicht für jeden zu der Erbschaft gehörenden Gegenstand seine Rechtsposition nachweisen muss.827 Da § 2021 BGB eigene Tatbestandsvoraussetzungen zur An824 Für § 1390 Abs. 1 S. 2 BGB Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 36 Rn. 85; MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 5; Staudinger/Thiele, BGB, § 1390 Rn. 17. Für § 1973 BGB MünchKommBGB/Küpper, § 1973 Rn. 4 (ohne ausdrückl. Benennung). Für § 2021 BGB Dt. ErbRK/Lenz, § 2021 BGB Rn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, § 2021 Rn. 5. Für § 2196 BGB Staudinger/Otte, BGB, § 2196 Rn. 5 (ohne ausdrückl. Benennung). Für § 2287 Abs. 1 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783; Burandt/Rojahn/Burandt, § 2287 BGB Rn. 24; Erman/Kappler/Kappler, BGB § 2287 Rn. 7; MünchKommBGB/Musielak, § 2287 Rn. 21. Für § 2329 BGB MünchKommBGB/Lange, § 2329 Rn. 16; Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 24; Trappe, ErbR 2013, 262, 270. 825 Bei irrtümlicher Weggabe der Sache durch den wahren Erben kommt eine Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB) in Betracht; bei eigenmächtiger Besitzergreifung des Erbschaftsbesitzers hingegen u. U. eine Eingriffskondiktion. Siehe dazu Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. zu §§ 2018 ff. Rn. 3. 826 Erman/Horn, BGB, Vor § 2018 Rn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. zu §§ 2018 ff. Rn. 3 ff. 827 Erman/Horn, BGB, Vor § 2018 Rn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. zu §§ 2018 ff. Rn. 5.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
spruchsbegründung aufstellt und mit dem an die §§ 2018–2020 BGB anknüpfenden Erbschaftsanspruch einen eigenständigen Anspruch speziellen Inhalts regelt, handelt es sich bei der Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht nicht um eine lediglich deklaratorische Verweisung, denn aus § 812 BGB ergibt sich kein Anspruch, der auf denselben Gegenstand gerichtet ist wie der Erbschaftsanspruch. bb) Hinweise auf den Charakter der Verweisungen als Rechtsfolgenverweisungen und als Kondiktionstatbestände Die Tatbestände der genannten Vorschriften sind hinreichend umfangreich, um einen eigenständigen Anspruch zu begründen und ordnen die GrundRechtsfolge – die Herausgabe des Erlangten oder den Ersatz dessen Wertes – von sich aus an. Sie enthalten daher keine konstitutiven Rechtsgrundverweisungen. Durch die Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht wird vielmehr die Rechtsfolge des jeweiligen Tatbestandes nach bereicherungsrechtlichen Regeln näher bestimmt. Einige Vorschriften enthalten zusätzlich spezielle Modifikationen hinsichtlich der Art und des Umfangs der Herausgabepflicht (z. B. durch Anordnung des Wertersatzes als primäre Rechtsfolge in § 1390 Abs. 1 BGB oder durch eine Abwendungsbefugnis in den §§ 1973 Abs. 2 S. 2, 2329 Abs. 2 BGB). Als Rechtsfolgenverweisungen handelt es sich bei diesen Ansprüchen nach dem bisherigen Stand der Untersuchung um Anspruchsgrundlagen in Form spezieller Kondiktionstatbestände.828 Aufbau und Wortsinn des § 2021 BGB lassen nicht ohne Weiteres seinen Charakter als Anspruchsgrundlage erkennen. Er könnte ebenso eine nähere Bestimmung und Modifikation der Herausgabepflicht gemäß § 2018 BGB enthalten, da er seinem Aufbau und seiner Formulierung nach § 818 BGB ähnelt. § 2021 BGB wird indes gemeinhin als Sekundär- oder obligatorischer Nebenanspruch zu § 2018 BGB angesehen.829 Er setzt einen dem Grunde nach bestehenden Anspruch nach § 2018 BGB voraus und begründet im Anschluss hieran einen eigenen Wertersatzanspruch. Als solcher ist er seiner Struktur nach kondiktionsähnlich. Während § 1973 Abs. 2 S. 1 BGB mitunter als Bereicherungsanspruch bezeichnet wird,830 wird für die §§ 1390 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB in der Literatur bezweifelt, dass es sich bei ihnen um spezielle Kondiktionstat828
Siehe ausführl. in diesem Kap. § 3. BGH vom 14.10.2015 – IV ZR 438/14, NJW 2016, 156, 158; Olzen, Jura 2001, 223, 226; Prütting, JuS 2015, 205, 208 f.; Reimann, NJW 2016, 158; Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. zu §§ 2018 ff. Rn. 21; Wellenhofer, JuS 2015, 272, 274. Der Charakter als eigenständiger Anspruch zeigt sich auch an der Diskussion um eine Anwendbarkeit der ausdrückl. nur für § 2018 BGB geltenden Verjährungsregelung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB (MünchKommBGB/Grothe, § 197 Rn. 12). 830 Staudinger/Dutta, BGB, § 1973 Rn. 17 (spricht zumindest von einem Bereicherungsanspruch). 829
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 281
bestände handelt (dazu sogleich unter (1)). Für § 2287 Abs. 1 BGB sind ebenfalls einige Besonderheiten zu berücksichtigen (dazu anschließend unter (2)). (1) §§ 1390 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB Bei § 1390 Abs. 1 BGB soll es sich um einen güterrechtlichen Anspruch handeln.831 Diese Aussage wird auf der Grundlage der Einordnung als Rechtsfolgenverweisung getroffen und steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der entsprechenden Anwendbarkeit des § 1378 Abs. 3 S. 1, 3 BGB.832 Die Einordnung einer Vorschrift als Rechtsfolgenverweisung verbietet es jedoch gerade nicht, diese als Kondiktionstatbestand einzuordnen, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage zur Anspruchsbegründung nicht vorliegen müssen.833 Ferner behält der Anspruch trotz der Einordnung als Kondiktion seine güterrechtliche Zuordnung. Es handelt sich um einen güterrechtsspezifischen Bereicherungsanspruch auf den die güterrechtlichen Vorschriften nach allgemeinen Grundsätzen anwendbar sind. § 2329 BGB wird überwiegend als Pflichtteilsergänzungsanspruch,834 alternativ als Anfechtungsanspruch, eingeordnet und als solcher einem Bereicherungsanspruch gegenübergestellt.835 Der BGH hat den Anspruch dagegen auch bereits als Bereicherungsanspruch bezeichnet, auf den die Regelung des § 2325 Abs. 3 BGB anzuwenden sei.836 Wie auch bei den anderen Verweisungsvorschriften, die auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung Bezug nehmen, schließt die Einordnung als Pflichtteilsergänzungsanspruch eine solche als Kondiktion nicht aus.837 Dass der Anspruch einen kondiktionsrechtlichen Charakter hat, zeigt sich zunächst an seinem Aufbau, da er voraussetzt, der Empfänger einer Leistung habe unentgeltlich etwas erlangt,838 und ferner an seiner Ähnlichkeit zu den §§ 528 Abs. 1 S. 1, 2287 Abs. 1, 1390 Abs. 1 BGB839. Von diesen Vorschriften entstammen le831 MünchKommBGB/Koch,
§ 1390 Rn. 5.
832 MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 5. 833 Siehe oben unter § 3 dieses Kapitels.
834 BGH vom 21.6.1972 – IV ZR 69/71, NJW 1973, 40, 41; BGH vom 15.4.1964 – V ZR 105/62, NJW 1964, 1323; MünchKommBGB/Lange, § 2329 Rn. 1 f.; Soergel/Dieckmann, BGB, § 2329 Rn. 16; wohl auch Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 37 (unter Hinweis auf die pflichtteilsfremden Wesenszüge des Anspruchs, Rn. 38 ff.). 835 Für die Gegenüberstellung BeckOGK/Schindler, § 2329 BGB Rn. 99 ff. (der den Anspr. als Anfechtungsanspruch einordnet, Rn. 101). 836 BGH vom 16.10.1974 – IV ZR 85/73, NJW 1974, 2319, 2320. 837 Wer den Anspruch statt dem Pflichteilsrecht dem Anfechtungsrecht zuordnet, kann in ähnlicher Weise einen anfechtungsrechtlichen Bereicherungsanspruch annehmen. 838 Zu dieser Vorauss. Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 933 (§ 37 X. 2. a) α)). 839 Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 52–54. Für § 528 BGB ferner Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 949 (§ 37 X. 7. f)).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
diglich die §§ 2287, 2329 BGB dem Erbrecht. Mit § 528 BGB besteht eine Parallele zu einer schenkungsrechtlichen und mit § 1390 BGB zu einer familienrechtlichen Vorschrift. Die Vergleichbarkeit beruht auf der in sämtlichen dieser Vorschriften angeordneten Anwendung des Bereicherungsrechts, um eine Vermögensverschiebung rückabzuwickeln, die diese Vorschriften als nicht aufrechterhaltenswert erachten. Dies entspricht einem Grundgedanken des Bereicherungsrechts. Dennoch stehen die Vorschriften in verschiedenen Abschnitten des BGB, die ihren Inhalt mitbestimmen, und folgen daher vorrangig den speziellen Regelungen der dortigen Rechtsbereiche. Die Vorschriften des Bereicherungsrechts finden im Umfang der Verweisung aufgrund der ausdrücklichen Anordnung und im Übrigen als allgemeine Regelungen Anwendung, soweit deren Voraussetzungen vorliegen.840 (2) § 2287 Abs. 1 BGB Für § 2287 Abs. 1 BGB ergeben sich zusätzlich Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren, die auf dessen Charakter als Rechtsfolgenverweisung schließen lassen: Zu § 1952 des ersten Entwurfs des BGB, dem heutigen § 2287 Abs. 1 BGB, hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Vorschrift des § 748 Abs. 3 dieses Entwurfs für anwendbar erklärt, „um den Umfang der Verpflichtung in kurzer Weise zu bestimmen“.841 § 748 Abs. 3 des Entwurfs verwies seinerseits auf andere bereicherungsrechtliche Regelungen zum Umfang der Herausgabepflicht. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 1952 des Entwurfs keinen Fall der allgemeinen condictio sine causa im Sinne des § 748 des damaligen Ersten Entwurfs darstelle.842 Der Gesetzgeber hat demnach von sich aus keinen Kondiktionstatbestand nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung für anwendbar erachtet und daher, um diese Lücke zu schließen, den speziellen Kondiktionstatbestand des heutigen § 2287 Abs. 1 BGB geschaffen. An der Vorschrift ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber einen speziellen Herausgabeanspruch nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts für erforderlich hielt, um den Schutz des Vertragserben zu gewährleisten, das heißt eine Vermögensverschiebung für die Zukunft rückgängig zu machen, obwohl diese Vermögensverschiebung auf einem Rechtsgrund beruht. Letzterer liegt in der wirksamen Schenkung an den Dritten. § 2287 Abs. 1 ist daher ein weiteres Beispiel eines speziellen Kondiktionstatbestandes, der die Herausgabe eines erlangten Etwas anordnet, obwohl für die Vermögensverschiebung ein Rechtsgrund bestand und auch fortbesteht. 840 Siehe zur Anwendung der nicht in Bezug genommenen Vorschriften des Bereicherungsrechts nachfolgend unter VIII. 841 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 328. 842 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 328; Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Bd. Erbrecht I, §§ 1922–2385, S. 1785, 1786.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 283
§ 2287 Abs. 1 BGB weist zudem eine Besonderheit auf, da er im Tatbestand mit der Beeinträchtigungsabsicht eine subjektive Komponente voraussetzt. Dies schließt es jedoch nicht aus, hierin einen Bereicherungsanspruch zu sehen, obwohl die Verschuldensunabhängigkeit ein kennzeichnendes Merkmal des Bereicherungsrechts ist.843 Dass sich dies nicht grundsätzlich ausschließt, hat bereits die Untersuchung des § 852 S. 1 BGB gezeigt, der zwar einen verjährten deliktischen Anspruch voraussetzt, aber dennoch einen Kondiktionstatbestand darstellt.844 In § 2287 Abs. 1 BGB liegt die Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, darin, dass der Erblasser die Schenkung an einen Dritten „ohne lebzeitiges Eigeninteresse“845 vornimmt. Der Bereicherungsanspruch besteht indes nicht in dem Verhältnis des Erblassers zum Beschenkten, sondern zwischen dem Vertragserben und dem Beschenkten. Der Vertragserbe selbst muss nicht schuldhaft gehandelt haben. § 2287 Abs. 1 BGB setzt daher lediglich ein vorangegangenes, aber kein erneutes Verschulden voraus. Dies ist mit § 852 S. 1 BGB vergleichbar. Die Anknüpfung an ein subjektives Element rückt die Kondiktion des § 2287 Abs. 1 BGB, ebenso wie die in § 852 S. 1 BGB, in die Nähe der Eingriffskondiktion. Die Eingriffskondiktion hat eine mit der des Deliktrechts vergleichbare Güterschutzfunktion.846 Dadurch besteht ein deliktischer Einschlag im Recht der Bereicherung. In ähnlicher Weise ist das subjektive Element im Tatbestand des § 2287 Abs. 1 BGB zu bewerten. Obwohl der historische Gesetzgeber dadurch ebenfalls eine Ähnlichkeit zum Deliktsrecht gesehen hat,847 hat er ihm die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zugewiesen. Es erscheint sachgerecht, den Beschenkten, den gerade kein Verschulden trifft, anhand des § 818 Abs. 3 BGB zu privilegieren, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen. Handelt er in Kenntnis der Beeinträchtigungsabsicht, ist der Vertragserbe durch § 819 Abs. 1 BGB848 hinreichend geschützt. Da die Beeinträchtigungsabsicht indes nicht in seiner Person besteht, ist es sachgerecht, ihn nicht nach deliktsrechtlichen Maßstäben haften 843 Zur typischen Verschuldensunabhängigkeit bereicherungsrechtlicher Ansprüche Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 128; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 623. Für eine deliktische Natur des § 2287 Abs. 1 BGB dagegen Knütel, NJW 1989, 2504, 2506 f. 844 Siehe in diesem Kap. unter § 2 II. 3. b) bb) (b), dd). 845 So die heute h. M.: BGH vom 26.10.2011 − IV ZR 72/11, NJW‑RR 2012, 207, 208 (m. w. Nachw.); Staudinger/Kanzleiter, BGB, § 2287 Rn. 9 ff., 12 ff. (mit ausführl. Darstellung zum Streitstand). 846 Zur insoweit bestehenden Vergleichbarkeit von Eingriffskondiktion und Deliktsrecht für alle Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 39, 43 f., 56, 61 f. 847 Motive zum BGB, Bd. 5, S. 328 („[…], weil es sich um einen deliktsähnlichen Anspruch handelt, […]“). 848 Zum Umfang der Verweisung in § 2287 Abs. 1 BGB siehe insbes. in diesem Paragrafen unter IV. und sogleich unter b) aa).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
zu lassen, sondern ihn ausschließlich zur Herausgabe des Erlangten zu verpflichten. Ist er entreichert, wird seine Herausgabepflicht dadurch zugleich auf den in seinem Vermögen tatsächlich noch vorhandenen Vermögensvorteil beschränkt. Dies entspricht dem Vorgehen des Bereicherungsrechts und rechtfertigt es, in § 2287 Abs. 1 BGB einen speziell geregelten, erbrechtlichen Kondiktionstatbestand zu sehen. Die Vorgaben des § 2287 Abs. 1 BGB müssen so ausgestaltet sein, dass sie die Herausgabepflicht rechtfertigen, obwohl an sich ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung besteht. Diese Voraussetzungen ersetzen quasi die des fehlenden Rechtsgrundes in § 812 Abs. 1 BGB. Hierfür bedarf es gewisser Anforderungen, da andernfalls eine Rückabwicklung trotz bestehenden Rechtsgrundes nicht sachgerecht erschiene. Dadurch können die Vorgaben eines speziellen Bereicherungstatbestandes, der die Rückabwicklung trotz Rechtsgrundes regelt, über die des § 812 BGB hinausgehen. Dies widerspricht, anders als es vielleicht anmutet, nicht dem System der §§ 812 ff. BGB. Auch wenn der Bereicherungsanspruch an sich zwar verschuldensunabhängig ausgestaltet ist, setzt er dennoch in fast allen Varianten einen fehlenden Rechtsgrund voraus. Ob ein Rechtsgrund für die Leistung vorhanden ist, richtet sich indes nicht nach bereicherungsrechtlichen Regelungen, sondern nach Vorgaben außerhalb des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung, beispielsweise des Schuldrechts. Auf diese Weise gelangen externe Wertungen in das Bereicherungsrecht.849 Diese externen Wertungen können beispielsweise darin liegen, dass ein schuldhaftes Verhalten einer Vertragspartei die Möglichkeit der anderen Partei begründet, sich von einem Vertrag zu lösen, wie zum Beispiel in den Fällen der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 1. Fall BGB. Eine Rückabwicklung erfolgt daran anknüpfend über das Bereicherungsrecht. Die Vermögensverschiebung ist nicht gerechtfertigt, weil sie eines Rechtsgrundes entbehrt. Wenn die Vermögensverschiebung nun aber, wie im Fall des § 2287 Abs. 1 BGB – und im Übrigen auch in anderen Fällen von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht – mit Rechtsgrund erfolgt (z. B. in den §§ 528 Abs. 1 S. 1, 951 Abs. 1 S. 1, 977, 1301 S. 1 BGB), bedarf es einer anderweitigen Rechtfertigung für die Rückabwicklung. Wenn diese in einem schuldhaften Verhalten liegt, dann ist dies mit der Ausgangslage bereicherungsrechtlicher Ansprüche vergleichbar, bei denen ein schuldhaftes Verhalten Voraussetzung für die Beseitigung eines Rechtsgrundes ist.
849 v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333, 343; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, S. 27 ff. (§ 47 1.); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 623 ff. (allerdings mit starken Einschränkungen). Siehe in diesem Kap. unter § 3 II. 3.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 285
b) Verweisungsumfang Während Einigkeit besteht, dass zumindest die §§ 818, 819 Abs. 1 BGB infolge der Verweisungen in den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar sind,850 gibt es hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 822 BGB ähnliche Diskussionen wie im Fall des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB.851 Es ist interessanterweise nicht bei allen der genannten Vorschriften umstritten, ob § 822 BGB anwendbar ist, obwohl es sich hierbei nach einhelliger Ansicht jeweils um Rechtsfolgenverweisungen handelt.852 Die Anwendung des § 822 BGB infolge der jeweiligen Verweisung in den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB wird ohne weitere Diskussion angenommen.853 Ob auf ihn aufgrund der Verweisungen in den §§ 2021, 2287 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden kann, ist dagegen streitig.854 Im Zentrum der Diskussion um die Anwendbarkeit infolge des § 2287 Abs. 1 BGB steht dabei – wie auch bei § 528 BGB – die Frage, ob es sich bei § 822 BGB um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handelt, die nach einer Ansicht von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht nicht umfasst ist.855 Das zu § 528 850 Für § 2287 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 f. (zusätzl. §§ 819 Abs. 2, 820, 821 BGB); BeckOK BGB/Litzenburger, § 2287 Rn. 26 (§§ 818– 821 BGB); Burandt/Rojahn/Burandt, § 2287 BGB Rn. 24 (§§ 818, 819, 820 BGB); MünchKommBGB/Musielak, § 2287 Rn. 21; Staudinger/Kanzleiter, BGB, § 2287 Rn. 26 (zusätzl. §§ 819 Abs. 2, 820 BGB). Für § 2329 BGB Erman/Röthel, BGB, § 2329 Rn. 7 (ferner §§ 819 Abs. 2, 820, 821, 822 BGB). Für § 1390 Abs. 1 S. 2 BGB MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 5, 14. In den Fällen der §§ 1973, 2196 BGB gibt es wohl mangels Problemfällen keine umfassenden Auseinandersetzungen mit dieser Problematik, die §§ 818, 819 BGB werden aber ohne nähere Erläuterung angewendet: MünchKommBGB/Küpper, § 1973 Rn. 4 f.; MünchKommBGB/Rudy, § 2196 Rn. 7; Staudinger/Otte, BGB, § 2196 Rn. 5. 851 Zum Streitstand zu § 2287 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 (m. w. Nachw.). Der BGH benennt die Problematik parallel für §§ 528, 1390, 2287, 2329 BGB BGH vom 19.3.1981 – IVa ZR 30/80, NJW 1981, 1446, 1447, tatsächliche Streitigkeiten scheinen aber lediglich in den Fällen der §§ 2021 und 2287 BGB zu bestehen. Nachw. zu den versch. Ansichten zu § 2021 bei MünchKommBGB/Helms, § 2021 Rn. 7. 852 Zur Einordnung dieser Vorschriften als Rechtsfolgenverweisungen siehe vorstehend unter a). 853 Erman/Röthel, BGB, § 2329 Rn. 7 f.; Knütel, NJW 1989, 2504, 2506 f.; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 X. 7. c) (Fn. 534); MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 15; MünchKommBGB/Küpper, § 1973 Rn. 4; Siebert, ZEV 2013, 241, 244 (m. w. Nachw. zu § 2329 BGB); Staudinger/Thiele, BGB, § 1390 Rn. 17; Trappe, ErbR 2013, 262, 270. 854 Für eine Anwendbarkeit des § 822 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 f.; Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 100 f.; Erman/Horn, BGB, § 2021 Rn. 1; Knütel, NJW 1989, 2504, 2506 f.; MünchKommBGB/Helms, § 2021 Rn. 7; MünchKommBGB/Musielak, § 2287 Rn. 21; Schubert, JR 2015, 132, 138; Schwab, FamRZ 2014, 203, 204; Staudinger/Gursky, BGB, § 2021 Rn. 11; Wellenhofer, JuS 2014, 452, 453. 855 Siehe Erman/Kappler/Kappler, BGB, § 2287 Rn. 7; MünchKommBGB/Musielak, § 2287 Rn. 21, die in § 822 BGB eine Anspruchsgrundlage sehen und diesen im Fall
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Abs. 1 S. 1 BGB entwickelte Ergebnis, dass es für die Geltung des § 822 BGB infolge einer Rechtsfolgenverweisung – ohne Rücksicht auf die Bedeutung des Wortes „Rechtsfolgenverweisung“ – nicht auf den Rechtscharakter dieser bereicherungsrechtlichen Vorschrift ankommt, weil der Anwendbarkeit die Anknüpfung des § 822 BGB an § 818 Abs. 3 BGB zugrunde liegt,856 bestätigt sich bei einem Blick auf die Verweisungen in den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 BGB. aa) Vergleichbarkeit der Schutzrichtungen in § 528 Abs. 1 S. 1 BGB und den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 2 BGB Die §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 BGB betreffen unterschiedliche Anspruchsberechtigte, haben dabei aber vergleichbare Konstellationen zum Gegenstand und daher dieselbe Schutzrichtung.857 Allen Vorschriften liegen Sachverhalte zugrunde, in denen eine Schenkung vorgenommen wird. Mit einer solchen geht zwangsläufig eine Vermögensminderung des Schenkers einher. Die genannten Vorschriften dienen – ebenso wie § 528 Abs. 1 S. 1 BGB – dazu, diese Vermögensminderung auszugleichen. Sie schützen hierdurch allerdings unterschiedliche Personen: § 528 Abs. 1 S. 1 BGB schützt den Schenker, während die §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 2 BGB einen anderen, durch die jeweilige Schenkung Beeinträchtigten, schützen. Dennoch besteht eine mit den Fällen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB vergleichbare Interessenlage, da das Gesetz in allen diesen Fällen eine Herausgabepflicht zulasten eines Beschenkten anordnet, um eine andere Person zu schützen, die das Gesetz als schutzwürdiger ansieht: bei § 528 Abs. 1 S. 1 BGB den Schenker,858 bei § 1390 Abs. 1 S. 2 BGB den eigentlich ausgleichsberechtigten Ehegatten, bei § 2287 Abs. 1 BGB den Vertragserben859 und im Fall des § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB den Pflichtteilsberechtigten. Der jeweils Begünstigte hat nach den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 2 BGB einen Herausgabeanspruch gegen einen Beschenkten. Hierdurch wird das Interesse des Begünstigten über das des Beschenkten gestellt. Wenn der des § 2287 BGB daher entsprechend anwenden. Für § 2021 BGB begründet AK‑BGB/ Wendt, Bd. 6, § 2021 Rn. 32 ff. die Unanwendbarkeit anders. Dass es auf den Rechtscharakter des § 822 BGB nicht ankommen kann, betont iRv § 2329 BGB Trappe, ErbR 2013, 262, 270. A. A. Staudinger/Kanzleiter, BGB, § 2287 Rn. 26. 856 Siehe dazu vorstehend unter 1. b) ee). 857 Zu den Parallelen der drei Vorschriften Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 52, 54. Für die §§ 528, 2287 Abs. 1 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 f. Für die §§ 2287, 2329 BGB Hayler, MittBayNot 2000, 290. Für die §§ 1390, 2329 BGB Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Mayer, BGB, § 1390 Rn. 1. Siehe auch BGH vom 3.2.1989 – V ZR 190/87, NJW 1989, 1478, 1479; BGH vom 19.3.1981 – IVa ZR 30/80, NJW 1981, 1446, 1447. 858 Zur Schutzrichtung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB BGH vom 17.4.2018 – X ZR 65/17, NJW 2018, 3775, 3776 (Rn. 11 f.). 859 Vgl. zu § 2287 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 784.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 287
Beschenkte nun seinerseits die Sache unentgeltlich an eine andere Person weitergibt, kann er den genannten Ansprüchen den Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten.860 In diesen Konstellationen gibt es keinen Grund, einen weiteren Beschenkten umfangreicher zu schützen als den Erstbeschenkten, indem der Zweitbeschenkte keinem Bereicherungsanspruch ausgesetzt ist. Vielmehr entspricht es der Interessenlage, in dem Fall die Bereicherungshaftung über § 822 BGB auf den Zweitbeschenkten zu erstrecken. Das Schutzinteresse des Vertragserben, das in § 2287 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt, besteht ebenso bei einer weiteren Schenkung861 und die Rechtsposition des Pflichtteilsberechtigten ist unabhängig davon, wie viele sein Recht beeinträchtigende Schenkungen erfolgen, stärker als die des jeweiligen Beschenkten862. Da § 1390 BGB der Vorschrift des § 2329 BGB nachgebildet ist,863 gilt dies ebenso für den Ehegatten, dessen Ausgleichsanspruch durch eine oder mehrere Schenkungen verringert wird. Die Anwendbarkeit des § 822 BGB bei einer möglichen Berufung des eigentlichen Schuldners auf § 818 Abs. 3 BGB entspricht somit insgesamt der Schutzrichtung der §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB.864 bb) Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge der §§ 2021, 2196 Abs. 1 BGB Den §§ 2021, 2196 Abs. 1 BGB liegen andere Konstellationen zugrunde als den §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Vorschriften schützen aber in einem Zwei- oder Mehrpersonenverhältnis ebenfalls eine bestimmte Person, deren Schutz geschmälert würde, wenn § 822 BGB im Fall einer unentgeltlichen Weggabe der Sache an einen Dritten nicht anwendbar wäre und sich der Beschwerte (§ 2196 BGB) oder der Erbschaftsbesitzer (§ 2021 BGB) aufgrund dieser Weitergabe auf eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen könnte. Die Anwendung des § 822 BGB 860 Haftet der Erstbeschenkte hingegen verschärft gemäß den §§ 818 Abs. 4, 819 BGB, besteht der Anspruch nach § 1390 Abs. 1 S. 2, nach § 2287 Abs. 1 BGB oder nach § 2329 BGB in der dort jeweils bestimmten Form gegen den Erstbeschenkten fort, wodurch eine Haftung des Zweitbeschenkten entfällt. Für § 2287 BGB BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 784, der allerdings Einschränkungen der Haftung des Erstbeschenkten für den Fall der subjektiven Unmöglichkeit der Herausgabe nach § 275 Abs. 1 BGB anerkennt. Krit. hierzu zu Recht Schwab, FamRZ 2014, 203, 204, der ebenfalls betont, dass die Anwendung des § 822 BGB an einen Wegfall der Bereicherung durch § 818 Abs. 3 BGB geknüpft ist; Wellenhofer, JuS 2014, 452, 453. Zur verschärften Haftung des Dritten bei § 1390 BGB Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 36 Rn. 86; bei § 2329 BGB Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 29. 861 BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 f.; Schwab, FamRZ 2014, 203, 204. 862 MünchKommBGB/Lange, § 2329 Rn. 19. 863 Staudinger/Olshausen, BGB, § 2329 Rn. 54. 864 Vgl. zu § 2329 BGB Trappe, ErbR 2013, 262, 270.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
infolge der dortigen Verweisungen entspricht mithin auch in diesen Fällen dem Sinn und Zweck der Vorschriften.865 3. Fazit zur Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge einer Verweisung auf das Bereicherungsrecht Die vergleichbare Interessenlage der §§ 1390 Abs. 1 S. 2, 1973 Abs. 2 S. 1, 2021, 2196 Abs. 1, 2287 Abs. 1, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB mit der des § 822 BGB kann allein zwar die direkte Anwendung des § 822 BGB infolge der Rechtsfolgenverweisung nicht begründen, da aufgrund einer vergleichbaren Interessenlage auch eine Analogie denkbar wäre. Die Konzeption und die Interessenlage bestätigen aber das bereits im Rahmen der Untersuchung des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB gewonnene Ergebnis der Anknüpfung des § 822 BGB an § 818 Abs. 3 BGB.866 Auf dieser Grundlage beruht schließlich die Anwendbarkeit des § 822 BGB im Rahmen von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. § 822 BGB ist von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht grundsätzlich erfasst: Dass sich diese Verweisungen auf § 822 BGB erstrecken, beruht insbesondere auf dessen Anbindung an § 818 Abs. 3 BGB. Der Rechtscharakter des § 822 BGB ist umstritten. Einige Stimmen sehen hierin eine Anspruchsgrundlage.867 Dies bedeutete, dass sich Rechtsfolgenverweisungen auch auf Anspruchsgrundlagen erstrecken. Hierin wird mitunter schon aus sprachlichen Gründen ein Widerspruch gesehen. An § 822 BGB zeigt sich jedoch, dass dieser Widerspruch nicht zwangsläufig bestehen muss. Wenn eine Anspruchsgrundlage eine von der Verweisung umfasste Rechtsfolgeregelung modifiziert, wird das gesamte Wertungssystem der Rückabwicklung infolge der Verweisung nur aufrechterhalten, sofern sich die Verweisung zusätzlich auf die die Rechtsfolge modifizierende Anspruchsgrundlage erstreckt. Für das Bereicherungsrecht lässt sich dies hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 822 BGB festhalten, vorausgesetzt man folgt der Ansicht, nach der es sich bei dieser Vorschrift um eine Anspruchsgrundlage handelt. Diese Einordnung ist keinesfalls zwingend. Für den Umfang der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht ist die 865 Siehe zu § 2021 BGB auch die Stellungnahme von Bockholdt, Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers gemäß § 822 BGB, S. 100 f. 866 Siehe zu dieser Anknüpfung vorstehend unter 1. b) ee). 867 Haarmann, Die Rückforderung von Schenkungen, S. 163; Knütel, JR 1989, 378, 379 (angedeutet); Kopp, JR 2012, 491, 493; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, § 822 Rn. 2; PWW/Prütting, § 822 BGB Rn. 1; Reeb, JuS 1973, 624; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1. Aufl. 1983, S. 360 (§ 8 IV. 1.); Soergel/Hadding, BGB, § 822 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 822 Rn. 2; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, 649, 650. Für die Gegenansicht BeckOK BGB/Wendehorst, § 822 Rn. 1; Bockholdt, JZ 2004, 796, 797; MünchKommBGB/Schwab, § 822 Rn. 7.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 289
Einordnung indes unerheblich, da § 822 BGB, wie gezeigt, von diesen Verweisungen erfasst ist. Diese spezielle Situation des § 822 BGB deutet darauf hin, dass es für die Frage, ob eine Vorschrift als Verweisungsobjekt von einer Rechtsfolgenverweisung umfasst sein kann, nicht von Bedeutung ist, ob es sich hierbei um eine Anspruchsgrundlage handelt. Da innerhalb der §§ 818 ff. BGB keine weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen geregelt sind, anhand derer diese These überprüft werden könnte, bleibt dies der Untersuchung der weiteren Bereichsverweisungen vorbehalten. Eine vergleichbare Problematik könnte im Zusammenhang mit § 346 BGB bestehen, da dieser ebenfalls eine Anspruchsgrundlage darstellt und, wie zu zeigen ist, von Rechtsfolgenverweisungen auf den Rücktritt erfasst ist.868
VII. §§ 819 Abs. 2, 820 BGB Die Anwendbarkeit der §§ 819 Abs. 2, 820 BGB aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht wird überwiegend nicht näher untersucht. Vereinzelt werden diese Vorschriften in die Aufzählung der aufgrund einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht anwendbaren Vorschriften aufgenommen.869 Die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB sind richtigerweise infolge von Rechtsfolgenverweisungen grundsätzlich anwendbar. Wie § 819 Abs. 1 BGB regeln sie Fälle, in denen der Bereicherungsschuldner verschärft haftet. Ihnen kommt daher dieselbe Funktion zu, die auch § 819 Abs. 1 BGB hat.870 Beide Vorschriften ordnen vorbehaltlich ihrer Voraussetzungen eine § 818 Abs. 4 BGB entsprechende Haftung an. Der Rechtscharakter des § 818 Abs. 4 BGB bestimmt somit in derselben Weise den der Haftungserweiterungen der §§ 819 Abs. 2, 820 BGB,871 wie dies 868
Dazu in Kap. 3. findet sich, gerade bei den Verweisungsvorschriften, bei denen weniger problematische Fallgestaltungen bestehen, schlicht der Hinweis auf die Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB oder der §§ 818–820 BGB. Anschließend wird ggf. auf die problematischen Vorschriften eingegangen. Siehe nur beispielhaft Burandt/Rojahn/Burandt, § 2287 BGB Rn. 24 (§§ 818, 819, 820 BGB); Erman/Hähnchen, BGB, § 527 Rn. 3; MünchKommBGB/Koch, § 1390 Rn. 5 (§§ 818 ff. BGB, allerdings mit näherer Erläuterung ab Rn. 13); MünchKommBGB/Helms, § 2021 Rn. 4 (§§ 818 ff. BGB). 870 Zur Vergleichbarkeit der §§ 819 und 820 BGB Röthel, Jura 2016, 260; Soergel/ Hadding, BGB, § 819 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 819 Rn. 3. Auch Musielak, JA 2017, 1, 9 weist auf den gemeinsamen Grundgedanken dieser Regelungen hin. MünchKommBGB/Schwab, § 820 Rn. 1 nennt die Unterschiede, weist aber darauf hin, dass § 820 Abs. 1 BGB, die Regelung zu subjektiven Elementen im Rahmen der Bereicherungshaftung komplettiert. 871 Zum Charakter als Haftungserweiterung zu § 819 Abs. 2 BGB MünchKommBGB/Schwab, § 819 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 819 Rn. 3; zu § 820 BGB MünchKommBGB/Schwab, § 820 Rn. 1; Staudinger/Lorenz, BGB, § 819 Rn. 3, § 820 Rn. 2 ff. Ähnl. Erman/Buck-Heeb, BGB, § 819 Rn. 1, § 820 Rn. 1, der in diesen Vorschriften allerdings eine Ausnahme zu § 818 Abs. 4 BGB sieht. Er ordnet ihnen daher einen 869 Häufig
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
auch für § 819 Abs. 1 BGB der Fall ist.872 Die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB füllen daher ebenfalls den Umfang der Haftung des Bereicherungsschuldners aus. Auf diese Weise sind sie in das Gesamtsystem der bereicherungsrechtlichen Haftung eingegliedert und konsequenterweise infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht grundsätzlich anwendbar. Trotz alledem bestehen zwischen § 819 Abs. 1 BGB und den §§ 819 Abs. 2, 820 BGB Unterschiede, die die Anwendungshäufigkeit infolge einer Verweisung auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung betreffen. § 819 Abs. 1 BGB regelt allgemeingültige Grundsätze über die Haftungsverschärfung eines Bereicherungsschuldners bei Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund. Eine derartige Einschränkung ist in sämtlichen Kondiktionsfällen der §§ 812 ff. BGB denkbar und entsprechend auch in allen Fällen von Rechtsfolgenverweisungen anwendbar. Die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB sind ihren Voraussetzungen nach hingegen auf spezielle Kondiktionstatbestände der §§ 812 ff. BGB zugeschnitten. § 819 Abs. 2 BGB ordnet eine verschärfte Haftung an, wenn der Bereicherungsschuldner die Leistung angenommen und hiermit gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen hat, und knüpft dadurch an Bereicherungsansprüche gemäß § 817 S. 1 BGB an. § 820 BGB bestimmt die verschärfte Haftung in Anknüpfung an die condictio ob rem oder die condictio ob causam finitam. Dafür müsste mit der Leistung ein im Ergebnis ausgebliebener Erfolg bezweckt worden sein, dessen Eintritt nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als ungewiss angesehen worden sein muss (§ 820 Abs. 1 S. 1 BGB). Alternativ regelt § 820 Abs. 1 S. 2 BGB Fälle, in denen der Rechtsgrund später weggefallen ist und dieser Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde. 1. Anwendbarkeit des § 819 Abs. 2 BGB Es sind keine Fälle ersichtlich, in denen eine Verweisungsvorschrift, die auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung verweist, einen Fall regelt, der mit § 817 S. 1 BGB vergleichbar ist und in dem somit § 819 Abs. 2 BGB einschlägig wäre. Die Verweisung auf § 819 Abs. 2 BGB läuft infolge von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht somit regelmäßig leer. 2. Anwendbarkeit des § 820 BGB Mit den §§ 527 Abs. 1, 684 S. 1, 1301 S. 1 BGB und den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB existieren Verweisungsvorschriften, die tatbestandlich anderen Rechtscharakter zu, sieht aber in gleicher Weise eine Verbindung der §§ 819, 820 BGB, auf der die Einbeziehung in den Umfang von Rechtsfolgenverweisungen gründet. 872 Siehe dazu in diesem Paragrafen I. 2. e) aa).
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 291
einer condictio ob rem einerseits und einer condictio ob causam finitam andererseits nahe stehen.873 Da § 820 BGB von den dortigen Rechtsfolgenverweisungen – in gleicher Weise wie § 819 Abs. 1 BGB – grundsätzlich umfasst ist, könnte seine Anwendung auf diese Verweisungsvorschriften praktisch bedeutsam werden, da mit ihnen Tatbestände vorliegen, die eine von § 820 BGB vorausgesetzte Sachverhaltskonstellation regeln. Dennoch wird die Anwendung des § 820 BGB für einige dieser Fälle regelmäßig ausdrücklich abgelehnt, da die entsprechenden Verweisungsvorschriften keine Fälle der condictio ob rem oder der condictio ob causam finitam darstellten.874 Dem könnte indes durch einen Austausch eines Tatbestandsmerkmals in § 820 BGB abgeholfen werden. Für § 819 Abs. 1 BGB ist bei seiner Anwendung im Rahmen von Verweisungsvorschriften ebenfalls eine Modifikation erforderlich. Diese betrifft die Anknüpfung der Kenntnis an ein anderes Merkmal als den Rechtsgrund, da die Verweisungsvorschriften anders als die Kondiktionstatbestände der §§ 812 ff. BGB regelmäßig nicht an einen fehlenden Rechtsgrund anknüpfen. Die Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit ist aus diesem Grund in den Fällen des § 819 Abs. 1 BGB durch ein anderes Tatbestandsmerkmal der Verweisungsvorschrift zu ersetzen.875 Eine ähnliche Verfahrensweise ist für die Fälle des § 820 BGB denkbar. § 820 BGB knüpft in Abs. 1 S. 1 an den bezweckten Erfolg an. Eine Zweckabrede, wie § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB sie vorsieht, existiert jedoch zum Beispiel in den Fällen der §§ 684 S. 1, 1301 S. 1 BGB nicht876 und müsste demnach durch ein Tatbestandsmerkmal der Verweisungsvorschrift ersetzt werden. Allerdings ist es, wie zu zeigen ist, im Rahmen des § 820 BGB – anders als in den Fällen des § 819 Abs. 1 BGB – schwer möglich, das fehlende Tatbestandsmerkmal des bezweckten Erfolgs durch ein Tatbestandsmerkmal der Verweisungsvorschrift zu ersetzen, ohne dass dadurch der Sinn und Zweck der Verweisungsvorschrift oder des § 820 BGB unterlaufen würde. a) § 820 Abs. 1 S. 1 BGB § 1301 S. 1 BGB hilft gegenüber der condictio ob rem gerade über die fehlende Zweckvereinbarung hinweg. Die Rückforderung soll allein deswegen möglich sein, weil die Eheschließung unterbleibt. Dabei haben die Verlobten sich zum Zeitpunkt der Schenkung regelmäßig keine Gedanken über die Frage gemacht, ob die Eheschließung tatsächlich erfolgen wird, sondern 873 Zu § 527 BGB siehe Söllner, AcP 163 (1964), S. 20, 40; Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 17. Zu den anderen Vorschriften siehe jeweils die Einzelanalysen in diesem Kap. in § 2 II. sowie § 5 II. 874 BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 38; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 13; Soergel/Fischinger, BGB § 1301 Rn. 10, 11. I. E. auch Göppinger, JuS 1968, 405. 875 Siehe dazu in diesem Paragrafen unter I. 2. e). 876 Siehe zu § 684 S. 1 BGB in diesem Kap. § 2 II. 5. a) aa) und zu § 1301 S. 1 BGB unter § 2 II. 8. a).
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auf das Zustandekommen der Ehe vertraut.877 Eine verschärfte Haftung des Geschenkempfängers gemäß § 820 Abs. 1 S. 1 BGB bereits ab dem Erhalt des Geschenks würde voraussetzen, dass die Verlobten den Eintritt des anvisierten Erfolgs als ungewiss angesehen haben und der Empfänger daher bereits von Beginn an damit rechnen konnte, gegebenenfalls zur Rückgabe der Sache verpflichtet zu sein.878 Die Beteiligten gehen, wenn sie ein Verlöbnis eingehen, regelmäßig nicht von einer möglichen Rückgewährpflicht aus. Dies widerspräche der grundsätzlich auf die Eingehung einer Ehe gerichteten Intention einer Verlobung. Die bloße Möglichkeit des Scheiterns einer Beziehung, die jedem Partner stets bewusst sein dürfte, wird auch im Rahmen der Rückforderung unbenannter Zuwendungen nicht als ausreichend angesehen, um die Haftungsverschärfung des § 820 Abs. 1 S. 1 BGB eintreten zu lassen, da es sich um ein allgemeines Lebensrisiko und nicht um eine besondere Ungewissheit im Sinne des § 820 Abs. 1 S. 1 BGB handelt.879 Die Ungewissheit über die Zweckerreichung lässt sich daher nicht durch ein anderes Tatbestandsmerkmal des § 1301 S. 1 BGB ersetzen.880 Auch in den Fällen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 684 S. 1 BGB lässt sich kein sachgerechtes Tatbestandsmerkmal finden, das den angestrebten Zweck in § 820 Abs. 1 S. 1 BGB in einer Weise ersetzen könnte, die die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners in diesen Fällen angemessen erscheinen ließe. Denn der Geschäftsführer führt ein Geschäft des Geschäftsherrn, obwohl die Übernahme des Geschäfts nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. In der überwiegenden Zahl der denkbaren Fallkonstellationen wird der Geschäftsherr zunächst von der Geschäftsführung keine Kenntnis haben. Es wäre nicht sachgerecht, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits verschärft haften würde, zumal § 820 Abs. 1 S. 1 BGB eine Ungewissheit „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts“ voraussetzt. Dafür ist die beiderseitige subjektive Ungewissheit erforderlich.881 Beide Parteien müssen den Fortbestand des Erwerbs übereinstimmend für zweifelhaft erachten. Daran wird es in den Fällen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig fehlen. Dies gilt umso mehr, als die von § 820 Abs. 1 S. 1 BGB geforderte Ungewissheit zum Zeitpunkt der Leistung vor877
Siehe zu § 1301 S. 1 BGB ausführl. in diesem Kap. § 2 II. 8. Maßstab des § 820 Abs. 1 S. 1 BGB BGH vom 10.7.1961 – II ZR 258/59, JZ 1961, 699; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 820 Rn. 2; Röthel, Jura 2013, 1246, 1252; Soergel/ Hadding, BGB, § 820 Rn. 4; Staudinger/Lorenz, BGB, § 820 Rn. 2 ff. 879 BGH vom 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277, 3282; MünchKommBGB/ Schwab, § 820 Rn. 11 m. w. Nachw.; Sorge, JZ 2011, 660, 669 f. Vgl. für den insoweit entsprechenden Maßstab des § 820 BGB Erman/Buck-Heeb, BGB, § 820 Rn. 2. 880 I. E. ebenfalls ablehnend Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 21. 881 MünchKommBGB/Schwab, § 820 Rn. 16; Röthel, Jura 2013, 1246, 1252; Soergel/ Hadding, BGB, § 820 Rn. 3. 878 Zum
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liegen muss.882 In diesem Moment mag zwar eine Ungewissheit des Geschäftsführers vorliegen, der regelmäßig zu diesem Zeitpunkt noch unwissende Geschäftsherr wird hingegen keinen Willen über die Ungewissheit bilden können. Erlangt der Geschäftsherr später Kenntnis von der Geschäftsführung durch den Geschäftsherrn, haftet er unter den Voraussetzungen des § 819 Abs. 1 BGB verschärft. b) § 820 Abs. 1 S. 2 BGB § 820 Abs. 1 S. 2 BGB setzt den späteren Wegfall eines Rechtsgrundes voraus. Letzterer besteht bei Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht regelmäßig fort. Dadurch entstünde bei unveränderter Anwendung des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB ein Widerspruch in sich. Wenn er aufgrund von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht anwendbar sein soll, muss diese Voraussetzung daher modifiziert werden. Bei der Schenkung unter Auflage, bei der die Erfüllung der Auflage unterbleibt, kann der Schenker unter den Voraussetzungen des § 527 Abs. 1 BGB das Geschenk zurückfordern, soweit es zur Erfüllung der Auflage hätte verwendet werden sollen. In diesen Fällen besteht zwar der Rechtsgrund der Schenkung fort,883 der Wegfall des Rechtsgrundes in § 820 Abs. 1 S. 2 BGB könnte indes durch das Tatbestandsmerkmal des Unterbleibens der Auflagenerfüllung ersetzt werden. Im Rahmen des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB ist ebenso wie in S. 1 erforderlich, dass die Parteien übereinstimmend den Wegfall des Rechtsgrundes für möglich gehalten haben.884 Dabei müssen sich Anhaltspunkte für diese Möglichkeit aus dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft ergeben. In gleicher Weise müssten die Parteien des Schenkungsvertrags daher bereits beim Empfang der Leistung die Möglichkeit gesehen haben, dass der Beschenkte die Auflage, unter der die Schenkung erfolgt, nicht erfüllen werde, damit § 820 Abs. 1 S. 2 BGB zur Anwendung gelangen kann. Das bloße allgemein bestehende Risiko des auflagenwidrigen Verhaltens des Beschenkten reicht hierfür nicht aus. Die Fälle müssen mit denen, die § 820 Abs. 1 S. 2 BGB seinem originären Anwendungsbereich nach vor Augen hat, vergleichbar sein. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn an die Absehbarkeit der möglichen Nichterfüllung der Auflage dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an den möglichen Wegfall des rechtlichen Grundes. Eine derartige Fallgestaltung ist denkbar. In der Praxis wird die Anwendbarkeit des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB infolge der Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB jedoch zumeist an dieser Voraussetzung scheitern, da die Parteien des Schenkungsvertrags regelmäßig nicht übereinstimmend 882 Zu
dem für § 820 Abs. 1 S. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt MünchKommBGB/ Schwab, § 820 Rn. 17; Soergel/Hadding, BGB, § 820 Rn. 3. 883 Siehe in diesem Kap. § 2 II. 9. b). 884 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 820 Rn. 1 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 820 Rn. 5.
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mit dem Unterbleiben der Auflagenerfüllung rechnen werden. § 820 Abs. 1 S. 2 BGB ist demnach grundsätzlich aufgrund einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht anwendbar, seine konkrete Anwendung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
VIII. Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB Die Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2 BGB ist für Rechtsfolgenverweisungen auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung im BGB umstritten.885 Nach den aus der Analyse der Verweisungsvorschriften auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung gewonnenen Erkenntnissen handelt es sich bei den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht um spezielle Kondiktionstatbestände.886 Die bereicherungsrechtlichen Regelungen sind für diese Ansprüche leges generales und als solche, vergleichbar einem allgemeinen Teil eines Gesetzes, auf die speziellen Kondiktionstatbestände anwendbar, sofern das Recht der jeweiligen Verweisungsvorschrift keine spezielleren Sonderregelungen enthält. Diese Einordnung bildet die Grundlage für die Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB auf die jeweiligen Verweisungsvorschriften.887 1. Grundlagen der Anwendbarkeit Das Argument, die bereicherungsrechtlichen Kondiktionssperren könnten im Wege von Rechtsfolgenverweisungen nicht anwendbar sein, da diese sich ausschließlich auf die Rechtsfolgeregelungen dieses Abschnitts bezögen, zu denen die Kondiktionssperren nicht gehörten,888 ist vor dem Hintergrund des Charakters der Verweisungsvorschriften als Kondiktionstatbestände 885 Für eine Anwendbarkeit: Erman/Dornis, BGB, § 684 Rn. 2; Hadding, FS Mühl, S. 225, 254 ff.; Loyal, JZ 2012, 1102, 1103 f.; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616 (für § 684 S. 1 BGB); Soergel/Beuthien, BGB, § 684 Rn. 4 (Fn. 13); zumindest entsprechend für § 815 BGB BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, NJW 1966, 1653, 1655. A. A. Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 33; im Zshg. mit § 684 S. 1 BGB: CoesterWaltjen, Jura 1990, 608, 610; Giesen, Jura 1996, 344, 346; Henssler, JuS 1991, 924, 928; MünchKommBGB/Schäfer, § 684 Rn. 10; im Zshg. mit § 1301 S. 1 BGB: NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 9, 14. 886 Siehe ausführl. in diesem Kap. § 3. 887 Vgl. für §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB Loyal, JZ 2012, 1102, 1104. 888 Mit unterschiedlich umfangreicher Begründung: Muscheler, Familienrecht, § 9 Rn. 225; NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 14; PWW/Prütting, § 812 BGB Rn. 18; Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 10. Wohl auch Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 17 (allerdings dennoch differenzierend, zum Teil aber hins. einer entspr. Anwendung, Rn. 17 ff.); angedeutet bei BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 40; Erbarth, FPR 2011, 89, 94, der allerdings zusätzlich weitere Arg. anführt. Siehe auch das RG vom 24.11.1932 – VIII 331/32, RGZ 139, 17, 22 f. zu § 813 BGB, obwohl es der Ansicht zugeneigt ist, § 717 Abs. 3 ZPO sei ein Bereicherungsanspruch.
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nicht überzeugend. Die Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB beruht allerdings, insoweit ist ihren Kritikern Recht zu geben, nicht unmittelbar auf der Verweisung auf das Bereicherungsrecht. Diese bezieht sich als Rechtsfolgenverweisung ausschließlich auf die Rechtsfolgeregelungen des Bereicherungsrechts, zu denen die §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB nicht gehören. Durch die Anordnung über die Geltung der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts hat der Gesetzgeber den Rechtscharakter der Verweisungsvorschrift indes mitbestimmt,889 der wiederum die Anwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Einreden und Einwendungen sowie des § 813 BGB begründet. Dadurch bewirkt die Verweisung mittelbar die Anwendung dieser Vorschriften, obwohl sie sich als solche nicht auf diese bezieht. Dem zu der Einteilung von Verweisungen in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen alternativen Ansatz Haddings zufolge ist für so bezeichnete „Abschnittsverweisungen“, zu denen auch diejenigen auf das Bereicherungsrecht gehören, eine Einteilung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen grundsätzlich abzulehnen. Diese Unterscheidung sei auf Verweise auf einzelne Vorschriften zugeschnitten. Sie eigne sich dagegen nicht, um Aussagen über die Reichweite von Verweisungen auf ganze Abschnitte eines Gesetzes zu treffen.890 Abschnittsverweisungen auf das Bereicherungsrecht seien als Teilverweisungen anzusehen, die sich ausschließlich auf die nicht anspruchsbegründenden Vorschriften bezögen.891 Zu diesen zählen nach Hadding auch die Kondiktionssperren der §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB. Im Ergebnis unterscheidet sich das Konzept Haddings daher kaum von dem hier entwickelten. Ein Unterschied dürfte sich allerdings hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 822 BGB ergeben, der nach Hadding als Anspruchsgrundlage anzusehen ist und seiner Konzeption nach daher nicht im Wege einer Rechtsfolgenverweisung – oder seiner Terminologie entsprechend „Abschnittsverweisung“ – auf das Bereicherungsrecht zur Anwendung gelangen kann. Im Übrigen erachtet Hadding sämtliche Vorschriften des Bereicherungsrechts im Wege einer Verweisung nur dann für anwendbar, wenn ihre jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. Die Anwendung sei eine unmittelbare und keine modifizierende.892 Die von Hadding befürwortete unmittelbare Anwendung resultiert aus der Verweisung, während die maßgeblichen Kondiktionssperren nach der hier vertretenen Auffassung von sich aus anwendbar sind, weil die Verweisungsvorschriften Kondiktionstatbestände darstellen. Die beiden verschiedenen Wege, über die die betroffenen Vorschriften zur Anwendung gelangen, können im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da die Anwendbarkeit 889 890
Siehe dazu in diesem Kap. § 3 I. Hadding, FS Mühl, S. 225, 256. 891 Hadding, FS Mühl, S. 225, 256 ff. 892 Hadding, FS Mühl, S. 225, 249 f., 255 f.
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als Ausfluss einer Verweisung eine modifizierende sein kann, während die Vorschriften nach der hier vertretenen Ansicht nur zur Anwendung gelangen, wenn ihre Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Die §§ 813, 814, 815, 817 S. 2 BGB sind jeweils auf bestimmte Kondiktionsarten zugeschnitten.893 Sie beziehen sich namentlich sämtlich auf Leistungskondiktionen, wohingegen die Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht in vielen Fällen spezielle Eingriffskondiktionen darstellen. Dies schließt eine Anwendung der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2 BGB in vielen Fällen von vornherein aus. Zudem handelt es sich bei den Verweisungsvorschriften mit Ausnahme der §§ 516 Abs. 1, 531 Abs. 2, 556g Abs. 1 S. 3 BGB nicht um deklaratorische Verweisungen. Die Tatbestände der Verweisungsvorschriften weichen demnach von denen der §§ 812 ff. BGB ab. Da die §§ 813, 814, 815, 817 S. 2 BGB allerdings an diesen Vorschriften orientiert sind, können die Voraussetzungen der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2 BGB in den Fällen der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht, selbst wenn diesen Leistungsbeziehungen zugrunde liegen, selten vorliegen. In einer Unanwendbarkeit der Kondiktionssperren auf Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht wird ein Wertungswiderspruch gesehen, weil die Haftung im Bereicherungsrecht selbst dann weniger umfassend sei als die nach einem anderen Tatbestand, der auf das Bereicherungsrecht verweist.894 Die Haftung infolge der Verweisungsvorschrift ist jedoch nur dann umfangreicher als die originär bereicherungsrechtliche, wenn ein Fall der jeweiligen Einwendung vorläge, die Rückforderung aufgrund der Verweisungsvorschrift aber mangels Anwendbarkeit der Einwendungsvorschrift dennoch möglich bliebe. Sofern die tatbestandliche Ausgangssituation der Verweisungsvorschrift eine andere ist als die der bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen und die Voraussetzungen der jeweiligen Einwendung daher nicht vorliegen, kann dies auch eine unterschiedliche Einstandspflicht rechtfertigen. Verweisungsvorschriften können aufgrund ihrer sie ebenfalls prägenden Stellung innerhalb eines bestimmten Regelungsabschnitts des BGB eine weitere Haftung vorsehen, als es beispielsweise durch das Bereicherungsrecht vorgegeben ist. Verweisungsvorschriften enthalten mitunter Einschränkungen, die das Bereicherungsrecht nicht kennt und die sie gegenüber Bereicherungsansprüchen stärker einschränken. Beispielsweise gewährt § 529 BGB Einschränkungen gegenüber § 528 Abs. 1 S. 1 BGB, die einem originären Bereicherungsanspruch nicht entgegenstehen. Im Bereicherungsrecht selbst gelten die spe893 Siehe
den deutlichen Hinweis bei Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, Vor § 812 Rn. 17. 894 Z. B. im Zshg. mit § 684 S. 1 BGB: Henssler, JuS 1991, 924, 928; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616; MünchKommBGB/Seiler, 6. Aufl. 2012, § 684 Rn. 4.
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ziellen Einwendungen zudem ebenfalls nur für einzelne Kondiktionsarten und nicht flächendeckend. 2. Anwendbarkeit der einzelnen Regelungen Die Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB wird im Folgenden ausgehend von dieser Grundannahme für die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht überprüft. a) Anwendbarkeit des § 813 BGB § 813 Abs. 1 S. 1 BGB erweitert die condictio indebiti gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB um Fälle, in denen für die Leistung zwar ein Rechtsgrund bestand, der Anspruch, der mit der Leistung erfüllt werden sollte, jedoch dauerhaft einredebehaftet und dadurch nicht durchsetzbar ist. Die Verweisungsvorschriften, die auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung verweisen, regeln typischerweise Konstellationen, in denen ein Rechtsgrund besteht. Sie dienen daher in gleicher Weise wie § 813 Abs. 1 S. 1 BGB der Erweiterung der Kondiktionsmöglichkeit. Da die Verweisungen demnach bereits eine Ausweitung der Herausgabepflicht des § 812 BGB enthalten, erfüllt eine zusätzliche Erweiterung durch § 813 Abs. 1 S. 1 BGB nicht den von diesem anvisierten Zweck. Zudem dürften die Voraussetzungen des § 813 Abs. 1 S. 1 BGB in den Sachverhalten, die den verschiedenen Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht zugrunde liegen, in der Regel ohnehin nicht gegeben sein, da es sich nicht um Fälle handelt, in denen eine Leistung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt, die mit einer dauernden Einrede behaftet ist. Hierfür müsste im Ausgangspunkt ein Fall der condictio indebiti gegeben sein. Fälle der condictio indebiti können, soweit ersichtlich, jedoch nur bei den §§ 684 S. 1, 1434, 2021 BGB überhaupt vorliegen.895 Ein Eingreifen des § 813 Abs. 1 S. 1 BGB erscheint in den Fällen des § 2021 BGB, in denen ein Erbschaftsbesitzer etwas aufgrund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts durch Leistung erlangt hat, dennoch nicht denkbar, da in diesen Fällen wegen des fehlenden Erbrechts der Rechtsgrund für die Leistung denknotwendig fehlt. Daher fehlt es insoweit bereits an einer Voraussetzung des § 813 Abs. 1 S. 1 BGB. In den Fällen des § 1434 BGB kann unter Umständen eine Konstellation einer Leistung mit Rechtsgrund vorliegen. Der dadurch begründete Erwerb wäre kondiktionsfest, wenn § 1434 BGB nicht die Herausgabepflicht anordnete.896 § 1434 895 § 1457
BGB unterscheidet sich insofern von § 1434 BGB als bei ihm keine Leistung an das Gesamtgut vorliegt. In § 1434 BGB kann dies indes der Fall sein. Siehe dazu in diesem Kap. § 2 II. 6. b). 896 Siehe zu § 1434 BGB unter § 2 II. 6.
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BGB eröffnet daher bereits eine Herausgabepflicht. Er erfüllt demnach dieselbe Funktion, die auch § 813 Abs. 1 S. 1 BGB zukommt. In einem solchen Fall bedarf es keiner zusätzlichen Erweiterung einer Herausgabepflicht über § 813 Abs. 1 S. 1 BGB. Gleiches gilt für die Fälle, in denen § 684 S. 1 BGB sich als condictio indebiti darstellt. Insoweit ist der Herausgabeanspruch ebenfalls bereits durch § 684 S. 1 BGB vorgegeben und eine Erweiterung durch § 813 BGB nicht erforderlich. Insgesamt hat § 813 Abs. 1 S. 1 BGB somit trotz seiner grundsätzlichen Anwendbarkeit auf spezielle Kondiktionstatbestände für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht keine Bedeutung, weil seine Voraussetzungen kaum je vorliegen werden. Die Voraussetzungen des § 813 Abs. 2 BGB, der Fälle der Erfüllung betagter Verbindlichkeiten regelt, werden bei Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht ebenfalls nicht gegeben sein. b) Anwendbarkeit des § 814 BGB § 814 BGB ist ebenfalls auf die Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB zugeschnitten. Damit er anwendbar ist, muss eine zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit erbrachte Leistung vorliegen. Die Anwendung des § 814 BGB ist nach überwiegender Ansicht äußerst restriktiv und wird bereits hinsichtlich der condictio ob rem und der condictio ob causam finitam abgelehnt.897 Die Einschränkungen des § 814 BGB sind demnach für einen bestimmten Tatbestand konzipiert und auf andere Tatbestände nicht anwendbar. Damit ist zugleich ausgeschlossen, dass er für Verweisungsvorschriften gilt, die zwar im Wege des Rechtsfolgenverweises auf das Bereicherungsrecht verweisen, aber keinen Fall der condictio indebiti regeln. Da lediglich drei Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht existieren, die Fälle der condictio indebiti regeln können – die §§ 684 S. 1, 1434, 2021 BGB –, scheidet eine Anwendung des § 814 BGB auf die derzeit im BGB existierenden weiteren speziellen Kondiktionstatbestände regelmäßig aus. Leistet der Erbe in den Fällen des § 2021 BGB dem Erbschaftsbesitzer selbst etwas aus der Erbschaft, wird dies allenfalls geschehen, weil er irrtümlich annimmt, zu dieser Leistung verpflichtet zu sein.898 Dies wäre mangels Kenntnis des Erben kein Fall des § 814 1. Fall BGB. Dass der Erbe zur Erfüllung einer Verbindlichkeit leistet, obwohl er weiß, dass er mangels 897 BGH vom 4.4.1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789, 1790; BGH vom 9.12.1971 – III ZR 58/69, WM 1972, 283, 286; BeckOK BGB/Wendehorst, § 814 Rn. 2; Erman/BuckHeeb, BGB, § 814 Rn. 1; Lögering, NZM 2010, 113, 114; MünchKommBGB/Schwab, § 814 Rn. 3, 4; Singer, WM 1983, 254, 256; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, § 814 Rn. 2; Staudinger/Lorenz, BGB, § 814 Rn. 3. 898 Siehe die Darstellung bei Staudinger/Gursky, BGB, Vorbem. zu §§ 2018–2031 Rn. 3.
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Erbrechts des Erbschaftsbesitzers hierzu nicht verpflichtet ist, erscheint unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass der Erbe die Erbschaft aus Anstand oder einer sittlichen Pflicht an den Erbschaftsbesitzer leistet. Nur dann lägen die Voraussetzungen des § 814 2. Fall BGB vor. In den Fällen des § 1434 BGB wäre eine Anwendung des § 814 BGB hingegen denkbar, wenn der Dritte zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gesamtgut an einen Ehegatten leistet, obwohl er weiß, dass keine Verbindlichkeit gegenüber dem Gesamtgut besteht. Dies eröffnet einen möglichen Anwendungsbereich des § 814 BGB zur Einschränkung eines Herausgabeanspruchs nach § 1434 BGB. Ob die Voraussetzungen des § 814 BGB vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen. Die Anwendbarkeit des § 814 BGB infolge von Rechtsfolgenverweisungen wird allen bisherigen Erkenntnissen zum Trotz insbesondere in den Fällen der §§ 684 S. 1, 1301 S. 1 BGB diskutiert. Für die Rückforderung von Verlobungsgeschenken wird die Anwendbarkeit des § 814 2. Fall BGB zumindest für kleinere Aufmerksamkeiten für möglich gehalten, da Verlobungsgeschenke einer sittlichen Pflicht entsprächen und ihre Rückforderung daher, dem Sinn und Zweck des § 814 2. Fall BGB entsprechend, nicht sachgerecht erscheine. Größere Geschenke seien hingegen zurückzugewähren, da die sittliche Pflicht insoweit mit der Auflösung des Verlöbnisses entfalle.899 Andere lehnen die Anwendung des § 814 BGB ab, da der Beschenkte das Geschenk im Ergebnis nicht behalten dürfe, weil § 1301 S. 1 BGB ihn gerade zur Herausgabe verpflichte. Die Vorschrift ginge ins Leere, wenn die von ihm eröffnete Rückforderungsmöglichkeit in seinem Hauptanwendungsfall aufgrund von § 814 2. Fall BGB versagt bliebe.900 Die Unanwendbarkeit des § 814 BGB in den Fällen des § 1301 S. 1 BGB, die richtigerweise bereits daran scheitert, dass § 1301 S. 1 BGB keinen Fall der condictio indebiti regelt, stimmt unabhängig davon daher auch mit dem Sinn und Zweck des § 1301 S. 1 BGB überein. Wer in § 814 2. Fall keine Einwendung, sondern eine Ergänzung des § 812 BGB hinsichtlich des Merkmals „ohne rechtlichen Grund“ sieht,901 da die sittliche Pflicht zur Leistung den Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Erlangten darstelle, muss die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf § 1301 S. 1 BGB ebenfalls ablehnen. Hinsichtlich der Zuwendung besteht mit der zugrunde liegenden Schenkung weiterhin ein Rechtsgrund für die Leistung. Ob durch die sittliche Pflicht ein zusätzli899 MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 6; Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 11, obwohl er die Anwendbarkeit von § 814 BGB iRv § 1301 BGB an anderer Stelle grds. ablehnt (siehe dort Rn. 23). Für eine Anwendbarkeit des § 814 2. Fall BGB Hadding, FS Mühl, S. 225, 265. 900 Vgl. BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 43. Ähnl. Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 10. 901 MünchKommBGB/Schwab, § 814 Rn. 1 m. w. Nachw.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
cher Rechtsgrund hinzukommt, hat daher keine Auswirkungen auf die Herausgabepflicht, weil diese ohnehin nicht auf einem fehlenden Rechtsgrund beruht. Es wäre wenig sinnvoll, die Anwendung des § 814 BGB im Rahmen des Bereicherungsrechts selbst restriktiv zu handhaben, im Zusammenhang mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht allerdings von einer umfassenden Anwendung der Vorschrift auszugehen. Für § 684 S. 1 BGB ist die Anwendbarkeit der Einwendungen in ähnlicher Weise umstritten wie im Fall des § 1301 S. 1 BGB. Die Geltung der §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB wird in der Regel anerkannt, sofern deren Voraussetzungen vorliegen.902 Die Herausgabepflicht nach den Vorschriften, die auf den Umfang der Herausgabe nach Bereicherungsrecht verweisen, dürfte nicht umfassender sein als die des Bereicherungsrechts selbst. Andernfalls entstünden Wertungswidersprüche im gesetzlichen Haftungssystem.903 Die Anwendung des § 814 BGB ist jedoch in der überwiegenden Zahl der Fälle abzulehnen, da in den Fällen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, die § 684 S. 1 BGB normiert, regelmäßig keine Leistung des Geschäftsführers zur Erfüllung einer Verbindlichkeit vorliegt.904 Der Geschäftsführer möchte mit dem Geschäft allenfalls einen bestimmten Erfolg herbeiführen. Für diese Fälle sieht § 815 BGB gegebenenfalls entsprechende Einschränkungen vor.905 In den Fällen, in denen die Voraussetzungen der condicito indebiti hingegen vorliegen, weil die Geschäftsbesorgung sich als Erfüllung einer (u. U. tatsächlich nicht bestehenden) Verbindlichkeit des Geschäftsführers an den Geschäftsherrn darstellt,906 können die Voraussetzungen des § 814 BGB hingegen gegeben sein. Da § 684 S. 1 BGB einen speziellen Kondiktionstatbestand normiert, ist § 814 BGB auf diesen einschränkend anwendbar, wenn der Geschäftsführer im Einzelfall wusste, dass er zu der Leistung nicht verpflichtet war. § 814 BGB ist demnach auf Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, grundsätzlich anwendbar, weil diese spezielle Kondiktionstatbestände regeln. Da seine Voraussetzungen indes in den Sachverhalten, die den Verweisungsvorschriften zugrunde liegen, regelmäßig nicht vorliegen, hat er für diese Vorschriften kaum praktische Bedeutung. Dass die Regelung nur selten anwendbar sein 902 Loyal, JZ 2012, 1102, 1109; Martinek/Theobald, JuS 1997, 612, 616 (ohne Einschränkung auf das Vorliegen der Voraussetzungen zur grds. Anwendbarkeit); MünchKommBGB/Seiler, 6. Aufl. 2012, § 684 Rn. 4. A. A. MünchKommBGB/Schäfer, § 684 Rn. 10; Staudinger/Bergmann, BGB, § 684 Rn. 5. 903 MünchKommBGB/Seiler, 6. Aufl. 2012, § 684 Rn. 4. 904 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 5 Rn. 55 a. E. Siehe in diesem Kap. bereits oben unter § 2 II. 5. a) bb). 905 Zur Anwendbarkeit des § 815 BGB auf § 684 S. 1 BGB siehe sogleich unter c). 906 Zum möglichen Charakter der Fremdgeschäftsführung iRd unberechtigten GoA als Leistung Loyal, JZ 2012, 1102, 1109; NK‑BGB/Schwab, § 684 Rn. 6.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 301
wird, führt nicht zu Wertungswidersprüchen. § 814 BGB ist in seinen verschiedenen Varianten Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (§ 814 1. Fall BGB) und der Sittenwidrigkeit (§ 814 2. Fall BGB).907 Verhält sich der Rückgewährgläubiger des aus einer Verweisungsvorschrift auf das Bereicherungsrecht resultierenden Anspruchs durch sein Herausgabeverlangen widersprüchlich, ist sein Anspruch unter den Voraussetzungen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB ausgeschlossen. Gleiches gilt gemäß § 138 BGB, wenn ein Fall der Sittenwidrigkeit vorliegt.908 Durch diese Vorschriften ist auch ohne die Anwendung des § 814 BGB ein hinreichender Schutz gewährleistet. c) Anwendbarkeit des § 815 BGB § 815 BGB schließt die Rückforderung einer Leistung aus, mit der ein bestimmter Erfolg bezweckt war, der nicht eingetreten ist, sofern der Eintritt des Erfolgs von Anfang an unmöglich war und der Leistende dies wusste oder den Erfolgseintritt wider Treu und Glauben verhindert hat. Die Vorschrift knüpft an die Zweckverfehlungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB an.909 Dem Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Fall BGB stehen die §§ 684 S. 1, 1301 S. 1, 527 Abs. 1 BGB nahe. Auf diese Vorschriften ist § 815 BGB anwendbar, wenn seine Voraussetzungen vorliegen. Die Anwendbarkeit des § 815 1. Fall BGB, der den Ausschluss der Rückforderung regelt, sofern der Leistende wusste, dass der Eintritt des mit dem Rechtsgeschäft bezweckten Erfolgs nicht eintreten wird, ist in den Fällen des § 1301 S. 1 BGB kaum denkbar. Die spätere Eingehung einer Ehe ist kein Zweck, der mit einer Verlobung erreicht werden soll.910 Eine Anwendung des § 815 1. Fall BGB ist daher beim Vorliegen etwaiger Ehehindernisse nicht denkbar. Er könnte allenfalls bei einer Nichtigkeit des Verlöbnisses selbst eingreifen. Da in diesen Fällen § 1301 S. 1 BGB allerdings bereits nicht für anwendbar erachtet wird911 und demnach kein Anspruch besteht, liegt hierin auch kein möglicher Anwendungsfall des § 815 1. Fall BGB. 907 BeckOK
BGB/Wendehorst, § 814 Rn. 1. Für § 814 1. Fall BGB BGH vom 11.12.2008 – IX ZR 195/07, NJW 2009, 363, 365; BGH vom 18.1.1979 – VII ZR 165/78, NJW 1979, 763; Larenz/Canaris SchuldR II/2, S. 160; MünchKommBGB/Schwab, § 814 Rn. 2; NK‑BGB/v. Sachsen Gessaphe, § 814 Rn. 1; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, § 814 Rn. 1. 908 BeckOK BGB/Wendehorst, § 814 Rn. 2 lehnt mit diesem Gedanken eine entsprechende Anwendung des § 814 BGB auf andere Kondiktionsarten ab. Vgl. auch MünchKommBGB/Schwab, § 814 Rn. 7 ff. zu § 814 1. Fall BGB. 909 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 6; MünchKommBGB/Schwab, § 815 Rn. 1 f., 4. 910 Göppinger, JuS 1968, 405, 409. Siehe ausführl. die Analyse des § 1301 S. 1 BGB in diesem Kap. § 2 II. 8. 911 Zur Unanwendbarkeit bei nichtigem Verlöbnis siehe Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 4, 22.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Die Rechtsprechung und Teile der Literatur erachten § 815 2. Fall BGB in den Fällen der treuwidrigen Verhinderung einer Ehe durch den Leistenden nach einem Verlöbnis hingegen vollständig oder teilweise für direkt oder entsprechend anwendbar.912 Die Vorschrift steht dieser Ansicht nach einer Rückforderung von Verlobungsgeschenken gemäß § 1301 S. 1 BGB entgegen. § 815 2. Fall BGB ist einer anderen Ansicht nach weder direkt noch entsprechend anwendbar, da er das Verbot der Vermögensstrafe bei Nichteingehung einer Ehe gemäß § 1297 Abs. 2 BGB unterlaufe, weil § 815 2. Fall BGB ein treuwidriges Lösen vom Verlöbnis voraussetze.913 Verallgemeinernd wird hierzu vertreten, eine Einschränkung des verschuldensunabhängigen § 1301 S. 1 BGB durch den an ein treuwidriges Verhalten anknüpfenden § 815 2. Fall BGB sei nicht sachgerecht.914 Ferner wird die Unanwendbarkeit des § 815 BGB damit begründet, dass in den Fällen des § 1301 S. 1 BGB gerade keine condictio ob rem vorliege, auf die § 815 BGB zugeschnitten sei.915 Auch der Anwendung des § 815 2. Fall BGB steht es entgegen, dass die spätere Ehe nicht der Zweck ist, der mit der Verlobung erreicht werden soll und eine treuwidrige Verhinderung der Ehe damit keine Verhinderung des mit der Leistung bezweckten Erfolgs darstellt. Eine Anwendung des § 815 BGB auf die Fälle des § 684 S. 1 BGB scheidet ebenfalls regelmäßig aus. Der Geschäftsführer einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, der den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn kennt, bezweckt kein fremdnütziges Handeln. Daher wird angenommen, er strebe keine Gleichstellung mit einem berechtigten Geschäftsführer, wie sie die §§ 683 S. 1, 670 BGB bewirken, sondern lediglich einen irgendwie gearteten Regress an. Diesen biete § 684 S. 1 BGB mit den Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts bereits selbst.916 Der Geschäftsführer verhalte sich daher nicht widersprüchlich iSd § 815 S. 1 BGB, wenn 912 BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 262 ff.; Fuge, ZFE 2004, 270, 271; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 8 Rn. 55; Hadding, FS Mühl, S. 225, 265; Knütel, FS Jayme, Bd. 2, S. 1487, 1498 (entspr. Anwendung); Neumann-Duesberg, MDR 1968, 639 (keine direkte, aber entspr. Anwendung).; Soergel/Schmidt-Kessel/Hadding, BGB, § 815 Rn. 1 (entspr. Anwendung). 913 NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 14 (Fn. 56); Röthel, Jura 2006, 641, 642. Dagegen BGH vom 18.5.1966 – IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 265 f.; Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 17–19. 914 BeckOGK/Wellenhofer, § 1301 BGB Rn. 41; Erbarth, FPR 2011, 89, 94 (Beeinträchtigung der Eheschließungsfreiheit); Göppinger, JuS 1968, 405, 408 f.; MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 6 (§ 1301 BGB als verschuldensabhängige Norm [es soll wohl verschuldensunabhängige heißen]); NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 14 (die u. a. damit eine Analogie zu § 815 2. Fall BGB ablehnt); Soergel/Fischinger, BGB, § 1301 Rn. 10; Staudinger/Löhnig, BGB, § 1301 Rn. 16 ff. 915 MünchKommBGB/Roth, § 1301 Rn. 6; Neumann-Duesberg, MDR 1968, 639 (allerdings entspr. Anwendung); NK‑BGB/Kaiser, § 1301 Rn. 14; Rauscher, Familienrecht, Rn. 132. 916 Loyal, JZ 2012, 1102, 1110.
§ 4 Der Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 303
er in den Fällen des § 684 S. 1 BGB das Geschäft führt, obwohl ihm der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn bekannt war. Er bezwecke mit seiner Geschäftsführung zu keinem Zeitpunkt einen fremdnützigen Rechtsgrund.917 Der Anspruch gemäß § 684 S. 1 BGB soll nach anderer Ansicht gemäß § 815 BGB ausgeschlossen sein, wenn die Erteilung einer Genehmigung nach § 684 S. 2 BGB von Anfang an unmöglich war oder der Geschäftsführer es wider Treu und Glauben verhindert, dass der Geschäftsherr die Geschäftsführung nach letzterer Vorschrift genehmigt.918 Allerdings ist die Genehmigung nicht der mit der Geschäftsführung angestrebte Erfolg. Die Unmöglichkeit oder treuwidrige Verhinderung der Genehmigung entspricht daher nicht den Voraussetzungen des § 815 BGB, nach dem gerade der mit der Leistung angestrebte Zweck von Anfang an nicht eintreten konnte oder der Leistende dessen Eintritt treuwidrig verhindert hat. Sofern der Geschäftsführer mit der Geschäftsführung etwas anderes bezweckt als die Herbeiführung der Genehmigung, setzt er sich zu diesem Verhalten auch dann nicht in Widerspruch, wenn er die Genehmigungsmöglichkeit treuwidrig verhindert. d) Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB § 817 S. 2 BGB unterscheidet sich von den §§ 813, 814, 815 BGB, da seine Anwendung anders als die der vorbenannten Vorschriften im Bereicherungsrecht großzügig gehandhabt wird, obwohl er seiner Konzeption nach auf den speziellen Tatbestand des § 817 S. 1 BGB zugeschnitten ist. Aufgrund seiner engen Anbindung an § 817 S. 1 BGB ist kaum denkbar, dass seine Voraussetzungen im Rahmen einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht vorliegen. Nach einhelliger Auffassung kommt in § 817 S. 2 BGB jedoch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck. Ob dieser in einer Generalprävention liegt oder darin, den Rechtsschutz für solche Ansprüche zu versagen, die aus gesetzes- oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften resultieren, wird uneinheitlich bewertet.919 Unabhängig vom konkreten 917 Loyal, JZ 2012, 1102, 1110 (in diesen Fällen daher auch gegen eine Anwendung des § 814 BGB). 918 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 5 Rn. 55 a. E. 919 Zum Gedanken der Generalprävention BGH vom 10.4.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805, 1806; Canaris, FS Steindorff, S. 519, 523 ff.; Klöhn, AcP 210 (2010), S. 804, 817 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, S. 162 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 817 Rn. 10. Zur Intention der Rechtsschutzversagung BGH vom 6.5.1965 – II ZR 217/62, NJW 1965, 1585, 1587; BGH vom 19.4.1961 – IV ZR 217/60, NJW 1961, 1458, 1459; RG vom 25.6.1925 – IV 39/25, RGZ 111, 151, 153; Esser/Weyers SchuldR BT II/2, S. 70; Flume, AT des BGB, Bd. 2, S. 389 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 63; Martinek, FS Reuter, S. 171, 181 ff. Vgl. auch Heinemeyer, JZ 2017, 918, 923 auf der Grundlage des römisch-rechtlichen Hintergrundes des § 817 S. 2 BGB.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Regelungszweck der Vorschrift lässt sich der hinter § 817 S. 2 BGB stehende Rechtsgedanke mit Schwab wie folgt zusammenfassen: Wer sich an gesetzes- oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften beteiligt, muss sich dessen bewusst sein, „dass seine Leistung selbst dann unwiederbringlich und ersatzlos verloren ist“, wenn im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Beziehung Störungen auftreten.920 Dieser Gedanke betrifft sämtliche Rechtsgeschäfte unabhängig davon, ob im Einzelfall die Voraussetzungen einer Rückforderung nach § 817 S. 1 BGB vorliegen. § 817 S. 2 BGB wird daher auf alle Tatbestände des Bereicherungsrechts entsprechend angewendet, soweit sie Fälle der Leistungskondiktion betreffen.921 Wenn die Regelung im Rahmen des Bereicherungsrechts umfassend zur Anwendung gelangt, ist es sachgerecht, dies auf die Verweisungsvorschriften zu übertragen, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten und tatbestandlich eine spezielle Leistungskondiktion regeln. Die Anwendung des § 817 S. 2 BGB ist in diesen Fällen indes, wie im originären Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts, regelmäßig eine entsprechende, da die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB aufgrund seiner Anbindung an § 817 S. 1 BGB in den Fällen der Verweisungsvorschriften kaum vorliegen werden. Die entsprechende Anwendbarkeit ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Nach der ständigen, wenn auch im Schrifttum auf Kritik gestoßenen,922 Rechtsprechung des BGH ist § 817 S. 2 BGB auf Ansprüche außerhalb des Bereicherungsrechts aufgrund seines Ausnahmecharakters allerdings grundsätzlich nicht anzuwenden.923 Bei den Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen handelt es sich jedoch um Bereicherungsansprüche. Der BGH versagt die Anwendung des § 817 S. 2 BGB auf solche Ansprüche, die nicht bereicherungsrechtlicher Natur sind. Die speziellen Kondiktionen sind jedoch bereicherungsrechtlicher Natur, sie sind nur außerhalb des Bereicherungsrechts geregelt. Allein ihr Standort rechtfertigt es indes nicht, die Anwendung des § 817 S. 2 BGB auf diese Tatbestände abzulehnen. Der BGH hat § 817 S. 2 BGB auch bereits im Zusammenhang mit § 531 BGB für anwendbar erachtet.924 Da § 531 BGB eine deklaratorische Verweisung statuiert, handelt es sich im Ergebnis um eine Anwendung des § 817 S. 2 BGB auf § 812 BGB, die ohnehin allgemein befürwortet wird. Da920 MünchKommBGB/Schwab,
§ 817 Rn. 10. vom 14.7.1993 – XII ZR 262/91, NJW‑RR 1993, 1457, 1458 m. w. Nachw.; BeckOK BGB/Wendehorst, § 817 Rn. 11; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 817 Rn. 11; Esser/ Weyers, SchuldR BT II/2, S. 70; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 62; Mäsch, JuS 2014, 1123, 1124 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 696; Soergel/Hadding, BGB, § 817 Rn. 12. Die Anwendung auf Nichtleistungskondiktionen wird dagegen abgelehnt: BGH vom 5.11.2002 – XI ZR 381/01, NJW 2003, 582, 584. 922 Für alle Esser/Weyers, SchuldR BT II/2, S. 70 f.; NK‑BGB/Schwab, § 677 Rn. 49. 923 BGH vom 31.1.1963 – VII ZR 284/61, NJW 1963, 950, 951 m. w. Nachw. 924 BGH vom 19.4.1961 – IV ZR 217/60, NJW 1961, 1458, 1459. 921 BGH
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rauf hat der Gerichtshof sich in seiner Entscheidung jedoch nicht gestützt. Er hat sich zum Charakter der Verweisung in § 531 BGB überhaupt nicht geäußert und die Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB auf § 531 BGB vielmehr explizit begründet.925 Dass er § 817 S. 2 BGB für anwendbar erachtet hat, dürfte daher nicht auf den deklaratorischen Charakter der Verweisung, sondern darauf zurückzuführen sein, dass er die Anwendung auch außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung für sachgerecht erachtet hat. Es steht somit nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, § 817 S. 2 BGB auf die speziellen Kondiktionstatbestände außerhalb des Bereicherungsrechts anzuwenden. Eine entsprechende Anwendung des § 817 S. 2 BGB wird insbesondere im Zusammenhang mit § 684 S. 1 BGB befürwortet, wenn der Geschäftsführer durch die Geschäftsführung gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen hat.926 e) Anwendbarkeit des § 821 BGB Der BGH sieht in einem Urteil zu Fragen des § 2287 BGB die §§ 818–821 BGB als von Rechtsfolgenverweisungen umfasst an.927 Da die Entscheidung jedoch schwerpunktmäßig die Anwendbarkeit des § 822 BGB infolge der Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 2287 BGB betrifft, geht der Gerichtshof der Frage der Anwendbarkeit unter anderem des § 821 BGB nicht weiter nach. § 821 BGB begründet als Einrede ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn jemand ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingegangen ist, diese jedoch noch nicht erfüllt hat und daher grundsätzlich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit hat, der allerdings inzwischen verjährt ist. Auf der Grundlage von § 821 BGB kann der Schuldner in diesen Fällen trotz der Verjährung des bereicherungsrechtlichen Befreiungsanspruchs die Erfüllung der Verbindlichkeit verweigern, wenn der Gläubiger ihn hierauf in Anspruch nimmt. Diese Einrede gegen den Erfüllungsanspruch ist keine Regelung, die § 818 BGB ergänzt und das Rechtsfolgensystem der bereicherungsrechtlichen Regelungen wertungsmäßig komplettiert. Daher ist die Vorschrift als solche nicht von einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht umfasst. Sie richtet sich als Einrede nicht gegen den Bereicherungsanspruch, sondern verhilft einem solchen auch dann noch zur Geltung, wenn er eigentlich verjährt ist. Diese Funktion kann § 821 BGB auch für einen in den Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht enthaltenen Kondiktionstatbestand haben, wenn seine Voraussetzungen im Einzelfall vorlie925
BGH vom 19.4.1961 – IV ZR 217/60, NJW 1961, 1458, 1459. Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 5 Rn. 55 a. E. 927 BGH vom 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782, 783 f. 926
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
gen. Da § 821 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt, setzt er voraus, dass die anspruchstellende Partei einen Erfüllungsanspruch geltend macht, der auf einer rechtsgrundlosen Verpflichtung beruht. Es erscheint kein Sachverhalt denkbar, in dem diese Konstellation im Hinblick auf eine der Verweisungsvorschriften, die im Wege einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht verweisen, gegeben ist. § 821 BGB dürfte daher im Zusammenhang mit Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht keine Bedeutung haben.
IX. Ergebnisse zum Verweisungsumfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht 1. Die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht beziehen sich als solche ausschließlich auf die §§ 818–820, 822 BGB. Die entsprechenden Verweisungsvorschriften ordnen mit der Herausgabepflicht bereits selbst die Grund-Rechtsfolge an. Die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts werden erst relevant, wenn die Verweisungsvorschrift keine diesbezüglichen Regelungen enthält. Systematisch entspricht dies dem Vorgehen des Gesetzgebers im Schadensrecht. Dort sind die §§ 249 ff. BGB zur Bestimmung des Umfangs der Schadensersatzpflicht für sämtliche Schadensersatzansprüche einheitlich geregelt. Was der Gesetzgeber im Schadensrecht durch eine einheitliche Regelung im allgemeinen Teil des Schuldrechts erreicht, erzielt er für das Bereicherungsrecht durch Rechtsfolgenverweisungen. 2. § 818 BGB ist dem Grunde nach stets vollumfänglich von der Rechtsfolgenverweisung umfasst. Einige seiner Absätze laufen jedoch im Einzelfall leer, da die jeweilige Verweisungsvorschrift eigene Regelungen hierzu enthält oder einzelne Regelungen des § 818 BGB in den Fällen der jeweiligen Verweisungsvorschrift keinen Anwendungsbereich haben. Es kann ferner erforderlich sein, eines der Tatbestandsmerkmale des § 818 BGB durch eines der Verweisungsvorschrift zu ersetzen, wenn § 818 BGB an ein Merkmal der §§ 812 ff. BGB anknüpft, das in den Konstellationen der jeweiligen Verweisungsvorschrift nicht vorliegt. 3. Da § 818 Abs. 3 BGB eine der Besonderheiten der Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts ist und seine Anwendbarkeit regelmäßig ein zentrales Motiv einer Verweisung hierauf ist, ist er infolge sämtlicher Verweisungen auf das Bereicherungsrecht dem Grunde nach anwendbar. Er bewirkt zugleich die Anwendung der Vorschriften, die ihn modifizieren, ergänzen oder flankieren. Dies betrifft die §§ 819, 820, 822 BGB. 4. Während die Verweisungen auf die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB aufgrund ihres speziellen Zuschnitts regelmäßig ins Leere gehen, ist die Anwendbarkeit der §§ 819 Abs. 1, 822 BGB in der Praxis von zentraler Bedeutung. Für
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§ 822 BGB wird uneinheitlich beurteilt, ob dieser den Charakter einer Anspruchsgrundlage hat. Da er unzweifelhaft von Verweisungen auf das Bereicherungsrecht erfasst ist, spricht einiges dafür, dass Verweisungsobjekte einer Rechtsfolgenverweisung nicht nur Regelungen sein können, die keine Anspruchsgrundlagen sind. 5. Die Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, regeln spezielle Kondiktionstatbestände außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung im BGB. Diese These hat sich anhand der Untersuchung weiterer Einzelvorschriften bestätigt. Eine Verweisung auf die „Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts“ hat demnach Auswirkungen auf den Rechtscharakter der Verweisungsvorschrift. Durch die umfangreiche Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht durch Bereichsrechtsfolgenverweisungen wird das Bereicherungsrecht zur lex generalis für diese speziellen Kondiktionstatbestände. 6. Der Charakter der Verweisungsvorschriften als spezielle Kondiktionstatbestände führt auf diese Weise dazu, dass die §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB auf Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, grundsätzlich unmittelbar anzuwenden sind. Sie finden zwar nicht infolge der Verweisung Anwendung, die Verweisung bestimmt aber den Rechtscharakter der Tatbestände mit, der seinerseits zur Anwendung der genannten Regelungen führt. Dies bedeutet zugleich, dass die §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB nur eingreifen, wenn ihre Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Dies wird meistens nicht der Fall sein.
§ 5 Einordnung der Sonderfälle in den §§ 347 Abs. 2 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB Auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse werden im Folgenden die §§ 347 Abs. 2 S. 2, 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB auf ihren Verweisungscharakter hin überprüft und gegebenenfalls in das System der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht eingeordnet.
I. Die Verweisung in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB § 347 Abs. 2 S. 2 BGB nennt in seinem Tatbestand in ähnlicher Weise wie § 346 Abs. 3 S. 2 BGB den Begriff der Bereicherung. Daraus könnte, ebenfalls vergleichbar mit § 346 Abs. 3 S. 2 BGB,928 auf eine Verweisung auf das Bereicherungsrecht geschlossen werden. 928 Siehe zur Funktion des Bereicherungsbegriffs in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB in diesem Kap. § 4 I. 1. (insbes. c)).
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
1. Auslegung nach dem Wortsinn Der Wortsinn des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ist für die Frage, ob es sich bei der Vorschrift um eine Verweisungsvorschrift handelt, wenig aussagekräftig.929 Zwar unterscheidet sich die Formulierung des Gesetzestextes des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB von der Mehrheit der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Obwohl § 346 Abs. 3 S. 2 BGB in ähnlicher Form von den üblichen Formulierungen von Verweisungsvorschriften, die auf das Bereicherungsrecht Bezug nehmen, abweicht, handelt es sich hierbei aber um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.930 Der Normtext muss demnach nicht zwingend der üblichen Formulierung entsprechen, damit eine Vorschrift verweisenden Charakter hat. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt einen Verweisungscharakter des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB dennoch ab.931 Allerdings gibt es vereinzelt Stimmen, nach denen es sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht handelt.932 Der Wortsinn der Vorschrift ist beiden Auslegungsvarianten zugänglich. 2. Systematische Auslegung Im Rahmen der Analyse des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hat sich bereits gezeigt, dass die gesetzestechnische Funktion des Begriffs der Bereicherung auf tatbestandlicher Ebene mitunter nicht ohne Weiteres eindeutig erkennbar sein kann.933 Während der Tatbestand des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ohne das Merkmal der Bereicherung nicht vollständig wäre, kann der Aufwendungsersatzanspruch in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB dem Grunde nach ohne Rückgriff auf eine Bereicherung des Rückgewährgläubigers bestimmt werden. Die Bereicherung würde den tatbestandlich ermittelten Aufwendungsersatzanspruch dann erst auf Rechtsfolgenebene der Höhe nach begrenzen. In letzterer Vorschrift muss es sich anders als bei der Bereicherung des Gläubi929 A. A. jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 62. Wohl auch Staudinger/Lorenz, BGB, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 33, allerdings ohne nähere Begründung. 930 Siehe in diesem Kap. § 4 I. 1. (insbes. c)). 931 Annuß, JA 2006, 184, 189; jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 62; MünchKommBGB/ Gaier, § 347 Rn. 22; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 579. Widersprüchlich Staudinger/Kaiser, BGB, Vorbem. zu §§ 346–354 Rn. 27: „Dass (…) die §§ 346 Abs. 3 S. 2, 347 Abs. 2 S. 2 auf die Pflicht zur Herausgabe einer vorhandenen Bereicherung und damit auf die Rechtsfolgen der §§ 818 ff. verweisen (…)“; dagegen dies.: § 347 Rn. 58: „Der Verweis auf die vorhandene Bereicherung ist keine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht, sondern beschränkt den Aufwendungsersatzanspruch lediglich der Höhe nach.“ 932 Gaier, WM 2002, 1, 7. Jaeger, AcP 213 (2013), S. 507, 516 spricht für § 347 Abs. 2 S. 2 BGB von einer „expliziten Bezugnahme“ auf das Bereicherungsrecht; ders., ZJS 2013, 327, 330, 331 sieht die Ablehnung einer Verweisung kritisch. Für das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung wohl BeckOK BGB/Wendehorst, § 812 Rn. 36. 933 Siehe dazu oben unter Kap. 2, § 4 I. 1. (insbes. c)).
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gers in § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nicht zwingend um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal handeln, damit der Tatbestand der Vorschrift vollständig ist.934 Bei Annahme einer Begrenzungsfunktion bieten sich sodann erneut zwei Möglichkeiten: Es kann sich um eine Begrenzung innerhalb des Rücktrittsrechts selbst handeln, bei der allein fraglich ist, wann eine Bereicherung vorliegt. Es ist aber ebenso möglich, hierin einen Verweis auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zu sehen, der den Anwendungsbereich der §§ 818 ff. BGB eröffnet und für eine Anspruchsbegrenzung nach deren Grundsätzen sorgt. 3. Wille des Gesetzgebers Im Unterschied zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB lässt sich der Gesetzesbegründung zu § 347 Abs. 2 S. 2 BGB der Wille des Gesetzgebers zu der Frage nach dem verweisenden Charakter der Vorschrift nicht unmittelbar entnehmen. Aus der ausdrücklichen Aussage zum Charakter des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung und dem gleichzeitigen Schweigen in der Begründung zu § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ließe sich der Schluss ziehen, der Gesetzgeber gehe für § 347 Abs. 2 S. 2 BGB nicht davon aus, es handele sich um eine Verweisung. Allerdings ist dieser Umkehrschluss vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber sich in Gesetzesbegründungen nicht regelmäßig dazu äußert, ob es sich bei Vorschriften um solche mit verweisendem Charakter handelt, längst nicht zwingend. 4. Teleologische Auslegung Aus teleologischen Gesichtspunkten läge es nahe, in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht zu sehen, wenn eine derartige Verweisung Vorteile für den Umfang des dort normierten Aufwendungsersatzanspruchs böte. Dazu müsste es dem Sinn und Zweck des in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB normierten Anspruchs entsprechen, die im Wege einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht regelmäßig eingreifenden Vorschriften anzuwenden. In Betracht kommen insbesondere die §§ 818, 819 BGB. Ob deren Anwendung dem Sinn und Zweck der Vorschrift eher gerecht wird als ein Verzicht hierauf, ist durch einen Vergleich der Folgen in der hypothetischen Anwendung zum einen ohne und zum anderen mit Annahme einer Rechtsfolgenverweisung zu überprüfen.935
934
A. A. wohl Jaeger, ZJS 2013, 327, 331. Siehe entspr. zur Methode des Hinwegdenkens einer Regelung in ihrer konkreten Gestalt im Rahmen der teleologischen Auslegung Vogel, Juristische Methodik, S. 125. 935
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a) Anwendung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ohne Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht Damit der Aufwendungsersatzanspruch des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB der Höhe nach begrenzt werden kann, ist ohne eine dortige Verweisung auf das Bereicherungsrecht im Rahmen des Tatbestands der Vorschrift zu bestimmen, ob und inwieweit der Rückgewährgläubiger durch die getätigten Aufwendungen bereichert ist. Eine Bereicherung soll vorliegen, wenn durch die Aufwendungen eine Wert- oder Nutzungssteigerung der zurückgewährten Sache eingetreten ist.936 Die Ermittlung dieser Wertsteigerung folgt dadurch im Wesentlichen den Grundsätzen, nach denen auch im Bereicherungsrecht eine Bereicherung ermittelt wird. Dies erscheint sachgerecht. Hierfür spricht zunächst die Systematik des Gesetzes, gleiche Begriffe in der Regel in gleicher Weise zu verstehen.937 Ein identisches Begriffsverständnis ist zwar auch innerhalb eines Gesetzes nicht zwingend, liegt im Fall des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB aber bereits deshalb nahe, weil der Bereicherung in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB eine anspruchsbegrenzende Funktion zukommt, die § 818 Abs. 3 BGB – der den Begriff der Bereicherung ebenfalls verwendet – in gleicher Weise innewohnt.938 Der Gedanke, eine verbleibende Bereicherung einer Partei abzuschöpfen, liegt dem Bereicherungsrecht zumindest in Teilen zugrunde939 und findet sich in ähnlicher Weise in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB940: Wenn dem Rückgewährgläubiger die Vorteile einer getätigten Aufwendung dauerhaft verbleiben, ist es sachgerecht, dem Rückgewährschuldner in dieser Höhe einen Ersatzanspruch zuzugestehen. Ohne eine Wertsteigerung kommt dem Rückgewährgläubiger allerdings kein Vermögensvorteil zu, sodass auf seiner Seite nichts existiert, was abgeschöpft werden könnte. Das Risiko, die Aufwendungen nicht ersetzt zu bekommen, trägt in diesem Fall der Rückgewährschuldner. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Bereicherungsrecht allerdings hinsichtlich seines Abschöpfungsgedankens eine andere Perspektive hat als § 347 Abs. 2 S. 2 BGB. Im Bereicherungsrecht geht es um die Abschöpfung eines Vermögensvorteils beim Bereicherungsschuldner, wohingegen § 347 Abs. 2 S. 2 BGB dem Schuldner einen Aufwendungsersatzanspruch gewährt, wenn beim Bereicherungsgläubiger eine Vermögensmehrung be-
936 BGH vom 15.3.2013 – V ZR 201/11, NJW‑RR 2013, 1318, 1320; Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen, S. 135; MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 22; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 62; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 49 ff. Ähnl., allerdings in Abgrenzung zu einer „Werterhöhung“ jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 63, 64. 937 Befürwortend daher Jaeger, ZJS 2013, 327, 331. 938 Die Parallele zu § 818 Abs. 3 betont Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 62. 939 Siehe in diesem Kap. § 2 II. 3. b) bb) (2) (c). 940 Kohler, JZ 2013, 171, 176; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 62, 66.
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steht. Dadurch verschiebt sich gegenüber dem Bereicherungsrecht die Perspektive.941 Um in den Fällen einer nach objektiven Maßstäben beim Rückgewährgläubiger vorliegenden Bereicherung diesen davor zu schützen, dass ihm Aufwendungen aufgedrängt werden, die für ihn subjektiv wertlos sind, kann bei einer mit dem Bereicherungsrecht einheitlichen Begriffsbestimmung der Bereicherung auf die Grundsätze über die aufgedrängte Bereicherung zurückgegriffen werden.942 Hierdurch wird der Rückgewährgläubiger davor geschützt, dass er einen Ersatz für Aufwendungen auf die Sache leisten muss.943 Gemäß § 347 Abs. 2 S. 1 BGB, nach dem notwendige Verwendungen ohne die Einschränkung einer Bereicherung zu ersetzen sind, besteht in diesen Fällen regelmäßig ebenfalls keine Ersatzfähigkeit, weil es sich bei den maßgeblichen Aufwendungen iSd § 347 Abs. 2 S. 2 BGB zumeist nicht um notwendige Verwendungen handeln wird. Ob eine Bereicherung vorliegt, ist somit im Ergebnis nach subjektiven Maßstäben zu bestimmen.944 Dafür ist auf den Zeitpunkt der Rückgewähr der Sache abzustellen.945 Alternativ ist der Eintritt eines Annahmeverzugs des Rückgewährgläubigers maßgeblich.946 Wenn die durch eine Aufwendung zunächst eingetretene Wertsteigerung der Sache bis zum Zeitpunkt der Rückgewähr oder des Annahmeverzugs entfällt, dann ist der Rückgewährgläubiger auch ohne Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB nicht als bereichert im Sinne des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen.947 Ab diesem Zeitpunkt trägt allerdings dieser die Gefahr des Verlusts der Bereicherung, weil er zum Zeitpunkt der Rückgewähr bereichert ist und ein nachträglicher Wegfall der Bereicherung ohne Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB nicht zu berücksichtigen ist.948 Dies ist sachgerecht, da ab dem Zeitpunkt der Rückgewähr der Rückgewährgläubiger den unmittelbaren Zugriff auf die Sache 941 942
Darauf weist BeckOGK/Schall, § 347 BGB Rn. 90 eindringlich hin. Zur Anwendung der Grundsätze über die aufgedrängte Bereicherung Gaier, WM 2002, 1, 7; MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 22; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 63, 66; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 50. Befürwortend auch Arnold, Jura 2002, 154, 160; Krebs, DB 2000, Beil. Nr. 14, 1, 13 (mit Anregung einer gesetzlichen Regelung). 943 Zu der Frage, ob § 347 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) für notwendige Verwendungen erst recht anwendbar ist Annuß, JA 2006, 184, 189; Erman/Röthel, BGB, § 347 Rn. 9, jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 56, 61; Kohler, JZ 2013, 171, 176. 944 Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen, S. 135; jurisPK BGB/ Faust, § 347 Rn. 63; MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 22; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 63; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 50. 945 BGH vom 15.3.2013 – V ZR 201/11, NJW‑RR 2013, 1318, 1320; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 67; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 58. Bei einer Pflicht zum Wertersatz ist entsprechend auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Rückgewährgläubiger den Wertersatz tatsächlich erhalten hat (Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 58). 946 jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 62; MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 22. 947 Kohler, JZ 2013, 171, 176. 948 Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 62.
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hat. Die Gefahr des Untergangs der Sache geht in diesem Moment auf ihn über. b) Anwendung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung Die von § 347 Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehene Anspruchsbegrenzung des Aufwendungsersatzes ergäbe sich aus den Vorschriften des Bereicherungsrechts, wenn § 347 Abs. 2 S. 2 BGB eine Rechtsfolgenverweisung enthielte. Allerdings liefe § 818 Abs. 1 BGB infolge einer Verweisung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB stets leer, da für diesen kein Anwendungsbereich ersichtlich ist. Nutzungsersatzansprüche, für die § 818 Abs. 1 BGB Bedeutung erlangen könnte, sind im Rücktrittsrecht gesondert geregelt und betreffen im Übrigen nicht die Aufwendungen, sondern die Sache selbst.949 Eine etwaige Surrogatsherausgabe ist in den Fällen des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB bedeutungslos. Für § 347 Abs. 2 S. 2 BGB könnten sich daher durch das Bereicherungsrecht allenfalls Vorteile aus der Anwendung der §§ 818 Abs. 3, 4, 819 BGB ergeben. aa) Einwand der Entreicherung Bei Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB könnte der Rückgewährgläubiger sich hinsichtlich der Aufwendungen auf einen Wegfall der Bereicherung berufen. Die Möglichkeit, sich auf § 818 Abs. 3 BGB zu berufen, stellt regelmäßig eine Privilegierung des Betroffenen dar. Im Fall des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB wäre der Rückgewährgläubiger durch diese Möglichkeit allerdings nicht bessergestellt, als er ohne eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB steht. Wie gezeigt, kommt dem Rückgewährgläubiger ohne Anwendung dieser Vorschrift aufgrund der Anordnung des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB, Aufwendungen nur im Umfang einer Bereicherung ersetzen zu müssen, eine Entreicherung bis zur Wiedererlangung der Sache ohnehin zugute. Nach diesem Zeitpunkt ist der Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB nach der Lösung, die eine Rechtsfolgenverweisung in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ablehnt, für den Rückgewährgläubiger ausgeschlossen.950 Eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB aufgrund einer Rechtsfolgenverweisung brächte dem Rückgewährgläubiger aber demgegenüber keine Vorteile, da die Verweisung gleichzeitig zu einer Anwendung des § 819 Abs. 1 BGB führte, der spätestens ab dem Zugang der Rücktrittserklärung951 ein Berufen auf § 818 Abs. 3 BGB ausschlösse. Der Zeitpunkt, zu dem die Rücktrittserklärung 949 950
Siehe zum Nutzungsersatz ausführl. in diesem Kap. unter § 4 I. 2. a) aa). Jaeger, ZJS 2013, 327, 331; jurisPK BGB/Faust, § 347 Rn. 62; MünchKommBGB/ Gaier, § 347 Rn. 22; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 62; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 58. 951 Zu der Frage, ab wann § 819 Abs. 1 BGB anwendbar ist, vgl. die Ausführungen zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB oben unter § 4 I. 2. e) bb).
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zugeht, liegt stets vor dem der Rückgewähr der Sache oder fällt allenfalls im Einzelfall mit letzterem Zeitpunkt zusammen. § 818 Abs. 3 BGB wäre demnach ohnehin nicht mehr anwendbar. Eine etwaige Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB führte für § 347 Abs. 2 S. 2 BGB demnach zu keinem anderen Ergebnis als eine Anspruchsbegrenzung ohne entsprechende Verweisung. bb) Haftungsverschärfung gemäß § 819 Abs. 1 BGB Die Haftung des Rücktrittsgläubigers über § 819 Abs. 1 BGB zu verschärfen, entspricht ebenfalls nicht dem Sinn und Zweck des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB. Solange der Rückgewährschuldner die Sache noch in seinem Besitz hat, wäre es nicht sachgerecht, den Rückgewährgläubiger verschärft haften zu lassen, obwohl er keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Sache hat. Hier zeigt sich deutlich der Unterschied der Perspektive des Bereicherungsrechts und des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB. Im Bereicherungsrecht greifen § 818 Abs. 3 BGB zugunsten des Schuldners und die §§ 818 Abs. 4, 819 BGB spiegelbildlich zugunsten des Gläubigers ein. Bei § 347 Abs. 2 S. 2 BGB wäre es dagegen genau umgekehrt, wenn diese Vorschriften in seinem Rahmen Anwendung fänden.952 Dies spricht gegen das Vorliegen einer Rechtsfolgenverweisung. Ab dem Zeitpunkt der Rückgewähr trägt der Rückgewährgläubiger auch ohne Anwendung des § 819 Abs. 1 BGB die Gefahr des Untergangs der Sache. Hierfür bedarf es keiner Anwendung dieser Vorschrift. Wenn er die Sache nicht zurücknimmt, ist der Rückgewährschuldner durch die Regeln des Annahmeverzugs hinreichend geschützt. Eine Anwendung des § 819 Abs. 1 BGB vermag mithin die Notwendigkeit einer Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 347 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zu begründen. Gleiches gilt für § 818 Abs. 4 BGB. Damit gibt es insgesamt keinen Grund, die bereicherungsrechtlichen Regelungen für anwendbar zu erklären. 5. Fazit zum Charakter des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB Der Intention, den Aufwendungsersatzanspruch auf das zu begrenzen, was dem Rückgewährgläubiger auch tatsächlich zugutekommt, wird durch eine Anspruchsbegrenzung auf eine vorhandene Bereicherung Rechnung getragen, ohne dass es hierfür einer Anwendung der Regelungen der §§ 818 ff. BGB bedarf. Soweit der Gedanke der Abschöpfung gewahrt werden soll,953 ist dies durch die terminologische Bezugnahme des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB auf den Bereicherungsbegriff hinreichend sichergestellt, da dadurch die Wertungen des Bereicherungsrechts auch ohne Rechtsfolgenverweisung im 952 953
Siehe BeckOGK/Schall, § 347 BGB Rn. 90. Kohler, JZ 2013, 171, 173, 176.
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Rahmen des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB Berücksichtigung finden.954 Die § 347 Abs. 2 S. 2 BGB tatsächlich zugrunde liegende Situation unterscheidet sich in einer Weise von denen, die zum Entstehen von Bereicherungsansprüchen führen können, dass es nicht sachgerecht ist, deren Rückabwicklungsregime auf § 347 Abs. 2 S. 2 BGB zu übertragen. Denn in Sachverhalten, die Bereicherungsansprüchen zugrunde liegen, befindet sich die Sache regelmäßig beim Anspruchsgegner, in dessen Person dann auch eine Bereicherung vorliegen muss. In den Fällen des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB befindet sich die Sache hingegen noch verhältnismäßig lange beim Anspruchsteller, obwohl die Bereicherung gleichermaßen beim Anspruchsgegner vorliegen muss. Da Letzterer keinen unmittelbaren Zugriff auf die Sache hat, bieten die Wertungen der §§ 818, 819 BGB keine adäquaten Rechtsfolgen hinsichtlich der Haftungsverteilung. Daher sprechen die besseren Argumente gegen einen verweisenden Charakter des § 347 Abs. 2 S. 2 BGB.
II. Die Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB Die §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB werden überwiegend als Rechtsfolgenverweisungen eingeordnet.955 Sie regeln mit der Pflicht zur Rückzahlung im Voraus erbrachter Geldleistungen nach Kündigung eines (Dauer-) Schuldverhältnisses956 Situationen, in denen der Rechtsgrund einer Zahlung nachträglich weggefallen ist. Daher liegt dem Grunde nach ein Fall der condictio ob causam finitam gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB vor. Da die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB vorliegen, könnte es sich unter Umständen bei den Verweisungen um deklaratorische Rechtsgrundverweisungen handeln; zumindest sollte die Einordnung als Rechtsfolgenverweisungen kritisch hinterfragt werden.957 954
Vgl. auch Jaeger, ZJS 2013, 327, 331. Für § 547 Abs. 1 S. 2 BGB BGH vom 21.10.1970 – VIII ZR 63/69, NJW 1970, 2289, 2290; Frotz, AcP 164 (1964), S. 309, 323 (zur vor dem 14.7.1964 geltenden Vorgängernorm des § 543 Abs. 2 BGB a. F.); Hadding, FS Mühl, S. 225, 237 (zur Vorgängernorm des § 557a BGB a. F.); Schmidt-Futterer/Streyl, § 547 BGB Rn. 26, 45; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 22; Wunner, NJW 1966, 2285 (zur Vorgängernorm des § 557a BGB a. F.). Für § 628 Abs. 1 S. 3 BGB Hadding, FS Mühl, S. 225, 239; wohl auch HWK/Sandmann, § 628 BGB Rn. 34. 956 Während ein Mietverhältnis stets ein Dauerschuldverhältnis ist, kann ein Dienstvertrag als solches zu qualifizieren sein. Dies ist jedoch nicht zwingend. Siehe dazu BGH vom 1.2.1989 – IVa ZR 354/87, NJW 1989, 1479; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Sutschet, BGB, § 241 Rn. 27; Canaris, FS K. Schmidt, S. 177, 184. 957 Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 33 (Fn. 110) für den mit den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB übereinstimmenden § 327 S. 2 BGB a. F. Ähnl. hinterfragen Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 955
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1. Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung Die §§ 547, 628 BGB regeln zunächst eigene Voraussetzungen für die Rückgewähr im Voraus erbrachter Leistungen, die sich aufgrund einer Vertragsbeendigung nachträglich als Überzahlung für die Zukunft erweisen. Danach ist die Rückzahlungspflicht des Gläubigers bereits begründbar. Einer 812 ergänzenden Heranziehung einer der Tatbestandsmerkmale des § BGB bedarf es hierfür nicht. Dies spricht für die Annahme, bei den Verweisungen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB handele es sich um Rechtsfolgenverweisungen. Allerdings existiert mit § 516 Abs. 2 S. 3 BGB eine ähnlich strukturierte Vorschrift, bei der es sich um eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung handelt. § 516 Abs. 2 S. 3 BGB ähnelt im Aufbau den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB. In einem Punkt unterscheiden diese Vorschriften sich indes grundlegend voneinander: Während § 812 Abs. 1 S. 1 BGB im Fall des Nichtzustandekommens des Schenkungsvertrags auch ohne die Regelung des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB zur Anwendung käme, wäre eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen im Fall der Rückerstattung von Vorauszahlungen bei gekündigten Dienst- und Werkverträgen ohne die Anordnungen in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB ausgeschlossen. Die an die vertraglichen Regelungen anknüpfenden §§ 547 Abs. 1 S. 1, 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB wären dann vorrangig. Nur wenn diese vertraglichen Rückgewähransprüche nicht existierten, fände das Bereicherungsrecht Anwendung, da es andernfalls durch die vorrangigen vertraglichen Vorschriften verdrängt wird. Die §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB durchbrechen wiederum in den dort geregelten Ausnahmefällen, in denen der Empfänger der Vorauszahlung die Beendigung des Vertragsverhältnisses zu vertreten hat, dieses Vorrangprinzip. Die dort enthaltenen Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sind dadurch – anders als in den Fällen des § 516 Abs. 2 S. 3 BGB, in denen die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts bereits über den Geltungsbefehl der bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage zum Tragen kommen – konstitutiver Natur. Wegen der Durchbrechung der Sperrwirkung des vertraglichen Anspruchs gegenüber dem Bereicherungsrecht in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB besteht eine gewisse Ähnlichkeit dieser Vorschriften zu § 992 BGB. Die Verweisung in letzterer Vorschrift hätte auch lediglich deklaratorischen Charakter, wenn es die Sperrwirkung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§ 993 Abs. 1 2. HS a. E. BGB) nicht gäbe. Da sie existiert, bedarf es jedoch einer Anordnung, dass deliktisch handelnde Besitzer neben der Haftung nach den Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Ver1. Teilbd., S. 590 f. den Charakter der Verweisung aufgrund der Vergleichbarkeit mit der condictio ob rem, nehmen i. E. aber dennoch eine Rechtsfolgenverweisung an.
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hältnisses zusätzlich nach deliktsrechtlichen Vorschriften haften. Das Deliktsrecht wäre andernfalls wegen der Sperrwirkung des § 993 Abs. 1 2. HS a. E. BGB in diesen Fällen nicht anwendbar. Das seinen Voraussetzungen nach grundsätzlich ohnehin anwendbare Deliktsrecht wird somit durch die Verweisung in § 992 BGB für die Fälle des deliktischen Besitzers trotz Vorliegen einer Vindikationslage eröffnet. Die Verweisung wird mithin schon durch ihren Charakter als Rückausnahme konstitutiv. Bei den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB verhält es sich ähnlich. Die Vorschriften unterscheiden sich allerdings dadurch von § 992 BGB, dass Letzterer keine hinreichenden eigenen Schadensersatzvoraussetzungen vorgibt, um den Schadensersatzanspruch von sich aus zu begründen, und demnach eine Rechtsgrundverweisung statuiert.958 Die §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB enthalten dagegen bereits Tatbestandsvoraussetzungen, nach denen eine grundsätzliche Herausgabepflicht begründet ist. Hinsichtlich des Tatbestands des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB hätte die Verweisung daher lediglich deklaratorischen Charakter. Die Vorschriften des Miet- und Dienstvertragsrechts sind mithin weder vollständig mit § 992 noch mit § 516 Abs. 2 S. 3 BGB vergleichbar. Dies spricht dafür, dass die §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB in anderem Umfang auf das Bereicherungsrecht verweisen als die vorbenannten Vorschriften und demnach weder konstitutive noch deklaratorische Rechtsgrundverweisungen statuieren. Es handelt sich vielmehr um Rechtsfolgenverweisungen. Sie fügen sich daher grundsätzlich in das System der Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht ein. Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB liegen in den Konstellationen, die den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB zugrunde liegen, ferner ebenfalls vor. Daran zeigt sich, dass die Struktur ihrer Tatbestände der eines Bereicherungsanspruchs entspricht. Im Übrigen spricht dadurch nichts dagegen, die §§ 818–820, 822 BGB infolge dieser Verweisungen für anwendbar zu erachten. 2. Kritische Analyse der Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB Die Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB standen vor der Schuldrechtsreform in systematischem Zusammenhang mit einer vergleichbaren Regelung in § 327 S. 2 BGB a. F.959 Letzterer verwies 958 Für die heute ganz h. M. zur Einordnung als Rechtsgrundverweisung Erman/ Ebbing, BGB, § 992 Rn. 9; MünchKommBGB/Raff, § 992 Rn. 5; Soergel/Stadler, BGB, § 992 Rn. 3; Staudinger/Gursky, BGB, § 992 Rn. 2. 959 BT‑Drucks. IV/2195, S. 5; Huber, Leistungsstörungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 647, 845 f. (für § 327 BGB a. F. und § 557a BGB a. F.); Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 327 f.; Kohler, AcP 213 (2013), S. 46, 67 (Fn. 71); ders., AcP 208 (2008), S. 417, 447 f.
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ebenso wie die §§ 547 Abs. 1 S. 2 (früher § 557a BGB a. F.), 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB für die Rückabwicklung nach einem Rücktritt aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts auf das Bereicherungsrecht, wenn der Anspruchsgegner den dem Rücktritt zugrunde liegenden Umstand nicht zu vertreten hatte. In S. 1 verwies § 327 BGB a. F. auf die Vorschriften über den vertraglichen Rücktritt, in den Fällen der §§ 557a Abs. 1 1. Fall BGB a. F., 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB konkret auf § 347 BGB a. F. Allen drei Vorschriften lag übereinstimmend der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass derjenige, der die Vertragsbeendigung nicht zu vertreten hat, weniger streng – nämlich nur nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen – haftet, als derjenige, den hinsichtlich der Beendigung ein Verschulden trifft.960 Der Gesetzgeber hat die Fälle ausdrücklich als vergleichbar angesehen.961 Die Änderungen des Rücktrittsrechts durch die Schuldrechtsreform im Jahr 2002 haben diesen Gleichlauf aufgehoben. Dies widerspricht, wie zu zeigen ist, der Systematik der Verweisungen in § 547 Abs. 1 S. 2 BGB und § 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB. a) Änderung des Rücktrittsrechts Seit der Schuldrechtsreform kennt das Rücktrittsrecht die Differenzierung nach dem Verschulden einer Partei im Vorfeld des Rücktritts nicht mehr. Der Gesetzgeber hielt eine Haftung des Rücktrittsberechtigten nach Bereicherungsrecht im Anschluss an die Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts962 im Regelfall für „nicht sachgerecht“963. Für die Fälle des Rücktritts aufgrund einer Leistungsstörung in Form einer Nichtleistung sei der Empfänger der (Vor-)Leistung sich seiner noch zu erbringenden Gegenleistungspflicht bewusst.964 Er dürfe demnach auch noch nicht auf die Endgültigkeit der Vermögensverschiebung vertrauen. Daher sei es rechtspolitisch verfehlt, ihm ein Berufen auf den bereicherungsrechtlichen Einwand der Entreicherung zu ermöglichen.965 Für die Rückabwicklung nach einem Rücktritt gibt es nunmehr in den §§ 346 ff. BGB einheitliche Regelungen, die hinsichtlich der Modalitäten der Rückabwicklung grundsätzlich nicht danach unterscheiden, ob der Rück960 BT‑Drucks. IV/806, S. 11; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 3. Für § 327 S. 2 BGB a. F. BGH vom 8.1.1970 – VII ZR130/68, BGHZ 53, 144, 148 (m. w. Nachw.). 961 BT‑Drucks. IV/2195, S. 5. 962 Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, zusammengesetzt in der konstituierenden Sitzung vom 2.2.1984. 963 BT‑Drucks. 14/6040, S. 194; Abschlußbericht der Schuldrechtskommission, S. 184. 964 Huber, Leistungsstörungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 647, 845. 965 Huber, Leistungsstörungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 647, 845.
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trittsgegner die den Rücktritt auslösenden Umstände zu vertreten hat oder nicht.966 Dem Rücktrittsgegner ist ein Berufen auf den Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 BGB per se verwehrt, wenn nicht ein Fall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB vorliegt.967 Sofern die Rückgewähr eine Geldleistung betrifft, scheidet ein Berufen auf den Einwand der Entreicherung vollständig aus.968 Die Regelungen über den Wertersatz finden bei Geldleistungen denknotwendig keine Anwendung, da ohnehin keine Rückgewähr der konkret übergebenen Scheine o. ä., sondern eine Geldwerterstattung geschuldet ist.969 Eine mildere Haftung nach Bereicherungsgrundsätzen existiert insoweit nicht, da § 346 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet. b) Konsequenzen der Änderung des Rücktrittsrechts für die Verweisungen in den §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB Die §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB, die vormals weitgehend mit § 327 BGB a. F. übereinstimmten, wurden im Anschluss an die Schuldrechtsreform mit Ausnahme redaktioneller Änderungen970 inhaltlich nicht an die veränderte Rechtslage angepasst. Vielmehr wurde im Haftungsumfang die Differenzierung danach, wer die Umstände, die zur Vertragsbeendigung geführt haben, zu vertreten hat, beibehalten. Dadurch, dass die Verweisung auf das Bereicherungsrecht lediglich in den Regelungen über den Rücktritt gestrichen wurde, wurde der systematische Zusammenhang zwischen den rücktrittsrechtlichen Vorschriften einerseits und den miet- und dienstvertraglichen Vorschriften andererseits,971 der in der gleichlautenden Verweisung zum Ausdruck kam, mithin teilweise aufgehoben. aa) Verbleibende Parallelen Durch die Verweisung des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB auf § 346 BGB verbleiben zumindest zwischen dem Dienstvertrags- und dem Rücktrittsrecht einige Parallelen. Übereinstimmungen bestehen noch, sofern der Dienstverpflichtete in den Fällen des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB die Kündigung zu vertreten hat, da er insofern nach § 628 Abs. 1 S. 3 in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB zur Rückerstattung der im Voraus erbrachten Vergütung verpflichtet ist. Allerdings enden die Parallelen, wenn im Rahmen des Rücktrittsrechts Er966 Zur möglichen Berücksichtigung des Vertretenmüssens des Rücktrittsgegners im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB siehe Kamanabrou, NJW 2003, 30 f. 967 Siehe zu § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ausführl. in diesem Kap. in § 4 unter I. 968 So die ausdrückl. Intention des Gesetzgebers, BT‑Drucks. 14/6040, S. 195. 969 Zur Pflicht zur Ersattung des Geldwertes BGH vom 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211, 213 (Rn. 25); Palandt/Grüneberg, BGB, § 346 Rn. 5; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 75. 970 Die Verweisung in § 628 BGB wurde an die neuen Regeln des Rücktritts angepasst: BT‑Drucks. 14/9266, S. 22, 48. 971 BT‑Drucks. IV/2195, S. 5.
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satzansprüche nach § 347 BGB bestehen, da die Verweisung in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB sich nur auf § 346 BGB und nicht zusätzlich auf § 347 BGB bezieht.972 Nach § 547 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Vermieter in einem entsprechenden Fall zur Erstattung des im Voraus entrichteten Betrags verpflichtet, wenn er die Umstände der Kündigung eines Mietverhältnisses zu vertreten hat. Das Mietrecht verweist hierfür zwar nicht auf das Rücktrittsrecht, aufgrund der Regelung in § 547 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Berufen auf den bereicherungsrechtlichen Entreicherungseinwand aber ebenso wenig möglich wie in den vergleichbaren Fällen im Dienstvertrags- und Rücktrittsrecht. Die Verweisung auf das Rücktrittsrecht ist im Mietrecht mit der Mietrechtsreform im Jahr 2001 entfallen. Der in § 557a BGB a. F. als Vorgängernorm des § 547 BGB noch enthaltene Verweis wurde durch eine vom Gesetzgeber als textliche Klarstellung deklarierte Änderung der Regelung ersetzt.973 Dadurch sollen sich nach der Interpretation in der Literatur inhaltlich keine Abweichungen von der alten Rechtslage ergeben haben.974 Für die Verweisung auf das Bereicherungsrecht verzichtete der Gesetzgeber hingegen ausdrücklich der Einfachheit halber auf die Ersetzung durch eine eigenständige Regelung in § 547 BGB.975 Das gesetzgeberische Vorgehen deutet somit insgesamt darauf hin, dass die Rechtslage nach der Mietrechtsreform gegenüber der vorherigen unverändert übernommen werden sollte. In diesem Fall ist jedoch fraglich, warum hinsichtlich der Verweisung auf das Rücktrittsrecht überhaupt eine Ersetzung vorgenommen wurde; zumal der Wortsinn des § 547 Abs. 1 S. 1 BGB nicht mit dem des § 347 BGB a. F., auf den § 557a BGB a. F. vor der Mietrechtsreform verwies, übereinstimmt. Dadurch unterscheiden sich mithin auch die Regelungsinhalte der Vorschrift vor und nach der Änderung, obwohl der gesetzgeberische Wille darauf hindeutet, dass eigentlich keine Änderung gewünscht war. Der Gesetzgeber hat insbesondere im Zuge der Vertextlichung der Verweisung nicht alle Modalitäten der Rückgewähr in § 547 Abs. 1 S. 1 BGB selbst geregelt. So fehlen namentlich Regelungen für den – in der Praxis selten anzutreffenden, aber durchaus denkbaren und existierenden – Fall, in dem die im Voraus entrichtete Miete nicht in einer Geldleistung besteht.976 Ein ergänzender konkludenter Verweis auf das Rücktrittsrecht ist in § 547 Abs. 1 S. 1 BGB für diese Fälle nicht ersicht972
Siehe zu den daraus resultierenden Unterschieden hinsichtlich der Zinsansprüche sogleich unter bb). 973 BT‑Drucks. 14/4553, S. 45. 974 Emmerich/Sonnenschein/Rolfs, Miete Handkommentar, § 547 BGB Rn. 9; Lützenkirchen, Neue Mietrechtspraxis, Rn. 970; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 2. Herrlein/Kandelhard/Kandelhard/Schneider, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 12 sprechen sogar noch von einer Verweisung auf das Rücktrittsrecht. 975 BT‑Drucks. 14/4553, S. 45. 976 Zu Beispielen für eine nicht in einer Geldleistung bestehenden Miete siehe BGH
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lich. Seit der Schuldrechtsreform soll § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgrund der grundsätzlichen Vergleichbarkeit seiner Rechtsfolgen mit denen des § 547 Abs. 1 S. 1 BGB insoweit jedoch entsprechende Anwendung finden.977 Nach der bewussten Abschaffung der Verweisung des § 547 Abs. 1 S. 1 BGB auf das Rücktrittsrecht ist indes fraglich, ob eine entsprechende Heranziehung des § 346 BGB möglich ist.978 Zumindest bezogen auf die Vorgängervorschriften des Rücktrittsrechts dürfte es wohl an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen, da die Verweisung ausweislich der Gesetzesmaterialien bewusst entfernt und durch den Gesetzestext in seiner heutigen Fassung ersetzt wurde.979 Die Parallele des § 547 Abs. 1 S. 1 BGB zum Rücktrittsrecht dürfte demnach ausschließlich in der Nichtanwendung der bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgeregelungen bestehen. Darüber hinaus ergeben sich hinsichtlich der Rückgewährpflicht allerdings Unterschiede, insbesondere hinsichtlich der Zinspflichten. bb) Unterschiede bei der Verzinsung Die §§ 346, 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB unterscheiden sich hinsichtlich der Zinsansprüche der Gläubiger des jeweiligen Rückgewähranspruchs. (1) Unterschiede in den Rechtsgrundlagen Während im Rücktritts- und im Dienstvertragsrecht der zurückzugewährende Geldbetrag nach den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB erst zu verzinsen ist, wenn der Schuldner mit der Rückgewähr in Verzug gerät oder die Zinsen im Wege des Nutzungsersatzes gemäß § 346 Abs. 1 BGB – im Fall des Rücktritts zusätzlich auch nach § 347 Abs. 1 BGB – erstattungsfähig sind, besteht die Zinspflicht bei § 547 Abs. 1 S. 1 BGB ausweislich dessen Wortsinns stets bereits rückwirkend ab Empfang der Vorauszahlung. Die Höhe richtet sich bei dem Zinsanspruch aus § 547 Abs. 1 S. 1 BGB nach § 246 BGB. Die mietrechtliche Regelung entspricht insoweit § 347 S. 3 BGB a. F., auf den die Vorgängerregelung des § 547 Abs. 1 BGB vor der Mietrechtsreform im Jahre 2001 noch verwies. Da § 628 Abs. 1 S. 3 BGB gleichfalls auf § 347 BGB a. F. verwiesen hat, war die Pflicht zur Verzinsung bei der Erstattung von Vorauszahlungen im Miet- und Dienstvertragsrecht sowie im Rücktrittsrecht parallel geregelt. Nunmehr stimmen hinsichtlich der Zinspflicht lediglich noch die §§ 346, 628 Abs. 1 S. 3 BGB teilweise – in dem Umfang, in dem § 628 vom 17.7.2002 – XII ZR 86/01, NZM 2002, 924 f. m. w. Nachw.; Staudinger/Emmerich, BGB, § 535 Rn. 88. 977 Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 27. A. A. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 43, der einen Rückgriff auf die rücktrittsrechtlichen Regelungen für die Fälle des § 547 BGB ablehnt. 978 Siehe auch Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 43. 979 BT‑Drucks. 14/4553, S. 45.
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Abs. 1 S. 3 BGB auf § 346 BGB verweist – überein. Bei einer Rückabwicklung nach § 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB kann der Gläubiger eine Verzinsung nach § 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB nur in den Fällen verlangen, in denen der Schuldner tatsächlich seinerseits Zinsen erhalten hat. Im Rücktrittsrecht steht ihm darüber hinaus gemäß § 347 Abs. 1 S. 1 BGB auch für solche Zinsen ein Anspruch zu, die der Schuldner entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogen hat. Diese Vorschrift ist von der Verweisung des § 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB nicht umfasst und findet mithin hierauf keine Anwendung. Der Dienstverpflichtete hat daher lediglich einen Anspruch auf Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen.980 In allen Fällen besteht zudem übereinstimmend ein Zinsanspruch nach Verzugseintritt (§§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB). Für den Fall, in dem für die Rückerstattung der im Voraus entrichteten Miete oder Vergütung für die Dienste nach § 547 Abs. 1 S. 2 BGB und § 628 Abs. 1 S. 3 BGB eine bereicherungsrechtliche Haftung eingreift, bestehen ebenso Unterschiede zum Rücktrittsrecht. Ein Gleichlauf besteht insoweit ausschließlich zwischen dem Miet- und dem Dienstvertragsrecht. Der Gläubiger kann unter drei verschiedenen Gesichtspunkten eine Verzinsung des im Voraus entrichteten Geldbetrags verlangen: Zunächst gemäß § 818 Abs. 1 BGB, wenn der Schuldner das Geld seinerseits verzinslich angelegt hat, da der bereicherungsrechtliche Nutzungsersatzanspruch nach § 818 Abs. 1 BGB grundsätzlich davon abhängt, dass der Schuldner tatsächlich Nutzungen gezogen hat.981 Ferner soll der Gläubiger bei Beendigung des Mietverhältnisses in bestimmten Fällen bereits von diesem Zeitpunkt an eine Verzinsung nach den §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2, 288 BGB verlangen können, weil der Vermieter automatisch mit dem Ende des Mietverhältnisses in Verzug gerate (§ 286 Abs. 2 BGB).982 Da die Mahnung in den Fällen der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses regelmäßig nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich ist, kann das Ende des Mietverhältnisses nur dann unmittelbar den Verzugseintritt auslösen, wenn die Beendigung aufgrund einer fristgemäßen Kündigung eingetreten ist.983 Bei einer fristlosen Kündigung, 980 HWK/Sandmann,
§ 628 BGB Rn. 36 (für Zinsen). vom 16.7.1999 – V ZR 56/98, NJW 1999, 2890, 2891; BGH vom 6.3.1998 – V ZR 244/96, NJW 1998, 2354, 2355; BGH vom 18.9.1961 – VII ZR 118/60 NJW 1961, 2205, 2206. 982 Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 26; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 23; 36. A. A. hinsichtlich des Beginns der Zinspflicht Blank/Börstinghaus/ Blank, § 547 BGB Rn. 21. 983 Dagegen stützt Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 44 die Entbehrlichkeit der Mahnung auf § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Allerdings ist die Zeit für die Rückzahlung als maßgebliche Leistung anfänglich noch nicht nach dem Kalender bestimmt. Hierfür bedarf es zunächst der Kündigung. In der Kündigung liegt ein Ereignis iSd § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Erst nach Eintritt dieses Ereignisses lässt sich die Leis981 BGH
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bei der das Dauerschuldverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet wird, fehlt es an der von § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorausgesetzten angemessenen Zeit für die Leistung.984 Der Schuldner muss sich auf die Zahlung einstellen können, weshalb ihm zumindest eine kurze Frist zur Leistung gesetzt werden muss. Hieran fehlt es bei einer sofortigen Beendigung. Daher dürfte für die Fälle des § 628 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar mit der Beendigung des Dienstverhältnisses Verzug eintreten, da § 628 BGB eine Kündigung nach § 626 BGB oder § 627 BGB voraussetzt, bei denen es sich jeweils um fristlose Kündigungen handelt. Dessen ungeachtet kann sich eine Zinspflicht auch in den Fällen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB aus den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB ergeben, wenn der Mieter oder der Dienstberechtigte den Vermieter oder Dienstverpflichteten durch eine Mahnung in Verzug gesetzt hat. Schließlich kann sich bei Bösgläubigkeit des Schuldners oder ab Rechtshängigkeit ein Zinsanspruch aus den §§ 818 Abs. 4, 819, 292 Abs. 2, 987 Abs. 2 BGB ergeben, der aufgrund der Vorgaben des § 987 Abs. 2 BGB, anders als der Anspruch gemäß § 818 Abs. 1 BGB, nicht nur bei tatsächlich gezogenen Nutzungen, sondern bereits bei schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen zu einer Ersatzpflicht führt. Im Rücktrittsrecht unterscheidet sich die Zinspflicht in den Fällen, in denen der Gläubiger der Rückzahlungspflicht den Rücktritt zu vertreten hat, nicht von derjenigen, die besteht, wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft. Denn die Rückabwicklung erfolgt in beiden Fällen anhand desselben Maßstabs, weil das Rücktrittsrecht im Rahmen der Rückabwicklung nicht (mehr) danach differenziert, ob eine Partei den Rücktritt zu vertreten hat. Es bestehen daher teilweise Parallelen zwischen § 346 BGB und § 628 BGB sowie gleichzeitig solche zwischen § 628 BGB und § 547 BGB. Die vormals vorhandene Gesamtsystematik der drei Regelungsbereiche existiert hingegen nicht mehr. Es gibt nur noch partielle Übereinstimmungen, die kein stringentes System erkennen lassen. (2) Unterschiede in der Zinshöhe Inwieweit die Verzinsung trotz der rechtlich unterschiedlichen Anknüpfungspunkte in der praktischen Anwendung übereinstimmt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Zinsanspruch nach § 547 Abs. 1 S. 1 BGB besteht gemäß § 246 BGB in Höhe von 4 %. Wenn der Anspruch aus Verzug begründet ist, hat der Zinssatz gemäß § 288 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 BGB mit fünf oder neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz eine andere tungszeit bestimmen, da die Rückzahlungsverpflichtung vor der Beendigung noch gar nicht besteht. 984 BT‑Drucks. 14/6040, S. 146. Zu dem Erfordernis einer angemessenen Frist und ihrem Sinn und Zweck siehe auch Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, § 286 Rn. 81 ff.
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Höhe.985 Er entsteht jedoch zu einem späteren Zeitpunkt. Wenn die Zinsen im Wege des Nutzungsersatzes, gleich nach welcher Anspruchsgrundlage, erstattungsfähig sind, besteht der Zinsanspruch auch bereits ab Empfang der Leistung.986 Die Zinshöhe ist dagegen im Unterschied zu § 547 Abs. 1 S. 1 BGB stark einzelfallabhängig. Als Nutzungsersatz nach § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den §§ 99, 100 BGB sind zunächst grundsätzlich die tatsächlich gezogenen Zinsvorteile zurückzugewähren.987 Deren Höhe kann je nach Verwendung des Geldbetrags sehr unterschiedlich sein. Bei Kreditinstituten als Anspruchsgegner hat die Rechtsprechung 2007 noch eine Vermutungsregel aufgestellt, nach der davon auszugehen ist, diese hätten Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen.988 Ob daran bei der aktuellen Zinslage noch festgehalten werden kann, ist fraglich. Auf Privatpersonen oder sonstige Unternehmen ist diese Vermutungsregel aber jedenfalls nicht übertragbar und auch zwischen diesen beiden Gruppen dürfte es noch einmal Unterschiede geben, in welcher Höhe sie Zinserträge erzielen können.989 Sind tatsächlich keine Zinsen gezogen worden, kommt bei Privatpersonen und Unternehmern, die nicht dem Bankensektor angehören, eine Zinspflicht nach § 347 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht. Hierfür müssen sie aber entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft keine Zinsen gezogen haben. Während bei Unternehmen häufig anzunehmen sein wird, dass es den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht, Zinserträge zu erwirtschaften oder bestehende Kredite zu tilgen und demnach Zinsersparnisse zu haben, die ebenfalls als Nutzungen herauszugeben sind, gelten bei Privatleuten andere Maßstäbe.990 Insbesondere wenn der zurückzugewährende Geldbetrag nicht besonders hoch oder die Nutzungsdauer gering ist, entspricht eine Zinsziehung nicht zwingend den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft.991 In diesen Fällen ist es unter Umständen auch möglich, bei Unternehmern davon auszugehen, sie hätten in einem sehr kurzen Zeitraum die Mittel nicht gewinnbringend angelegt.992 985
Da der Basiszinssatz im Jahr 2019 allerdings bei -0,88 % liegt, besteht zumindest bei 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz derzeit kaum ein Unterschied. 986 Annuß, JA 2006, 184, 188; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 1. 987 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 249. Beim Nutzungsersatz nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften ist der Umfang identisch. Siehe dazu Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 10. 988 BGH vom 24.4.2007 – XI ZR 17/06, NJW 2007, 2401, 2404 (Rn. 34); BGH vom 12.5.1998 – XI ZR 79–97, NJW 1998, 2529, 2530 f. (1998 auf Grundlage einer Schätzung gemäß § 287 ZPO). 989 Ausführl. dazu Schmidt/Stirnweiß, NJOZ 2008, 4589 ff. 990 Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 10; Schmidt/Stirnweiß, NJOZ 2008, 4589, 4593 f. 991 Schmidt/Stirnweiß, NJOZ 2008, 4589, 4594. 992 Schmidt/Stirnweiß, NJOZ 2008, 4589, 4594.
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(3) Fazit zum Umfang der Zinspflichten Die Untersuchung hat in verschiedener Hinsicht Unterschiede bezüglich der Verzinsung offenbart. Zunächst entsteht im Dienstvertrags-, Miet- und Rücktrittsrecht im Wege des Nutzungsersatzes kein einheitlicher Zinsanspruch. Ferner wird auch die Höhe der Ansprüche variieren. Sie ist abhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, da das Zinsniveau hieran gebunden ist. Je nach Verwendungsart des Geldbetrags – als Tilgung bestehender Schulden oder als Kapitalanlage993 – handelt es sich um eine Ersparnis von Sollzinsen oder einen Gewinn von Habenzinsen, die sich in ihrer Höhe ebenfalls deutlich voneinander unterscheiden. Insgesamt kann es daher im Rücktritts-, Miet- und Dienstvertragsrecht zu gravierenden Unterschieden bei der Zinshöhe, unter Umständen sogar auch bei der Existenz eines Zinsanspruchs kommen. cc) Unterschiede bei schuldhaftem Handeln des anderen Teils Wenn die Beendigung des Vertrags auf einem Umstand beruht, den der Rückgewährschuldner nicht zu vertreten hat, besteht wegen der Verweisungen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB ein Gleichlauf zwischen den mietrechtlichen und den dienstvertragsrechtlichen Vorschriften, da in beiden Fällen eine Rückabwicklung nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts erfolgt. Im Rücktrittsrecht findet eine Rückabwicklung ausschließlich nach den §§ 346 ff. BGB statt. Der Einwand der Entreicherung ist dadurch ausgeschlossen. dd) Fazit zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten Die Rückabwicklung entspricht aufgrund einer Verweisung im Dienstvertragsrecht bei überzahlten Vorausleistungen nach der Kündigung eines Dienstverhältnisses (§ 628 Abs. 1 S. 3 BGB) teilweise der Rückabwicklung nach einem Rücktritt vom Vertrag, sofern der Dienstverpflichtete die Umstände, die zur Beendigung des Dienstverhältnisses geführt haben, zu vertreten hat. Unterschiede bestehen indes hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 347 BGB. Im Mietrecht, das in § 547 Abs. 1 BGB ebenfalls eine Rückzahlungspflicht überzahlter Mietleistungen statuiert, besteht für diese Fälle kein Gleichlauf mit dem Rücktritts- oder dem Dienstvertragsrecht. Hierbei können sich unter verschiedenen Gesichtspunkten Abweichungen ergeben. Diese zeigen sich besonders deutlich im unterschiedlichen Umfang der Zinspflichten.
993 Beides ist mittlerweile in der Rspr. anerkannt: BGH vom 6.3.1998 – V ZR 244/96, NJW 1998, 2354, 2355 m. w. Nachw. und ausführl. Darstellung des vormaligen Streitstandes.
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Wenn der Dienstverpflichtete dagegen die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht veranlasst hat, besteht aufgrund einer parallelen Verweisung in § 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB und § 547 Abs. 1 S. 2 BGB ein Gleichlauf in der Rückabwicklung zwischen dem Dienstvertrags- und dem Mietrecht, da beide hierfür gleichermaßen auf das Bereicherungsrecht Bezug nehmen. Diese Verweisung eröffnet dem Schuldner des Rückzahlungsanspruchs die Möglichkeit, sich auf den Einwand des § 818 Abs. 3 BGB zu berufen. Diese Einwendung steht dem Rückgewährschuldner nach einem Rücktritt dagegen nicht zu, da das Rücktrittsrecht hinsichtlich der Rückabwicklung nicht mehr nach dem Verschulden der den Rücktritt begründenden Umstände differenziert. Daher bestehen in diesen Fällen keine Parallelen zum Miet- oder zum Dienstvertragsrecht. Der vormals – vor der Schuldrechtsund der Mietrechtsreform – existierende Gleichlauf besteht nur noch teilweise. Zwischen dem Miet- und dem Rücktrittsrecht gibt es zumindest hinsichtlich der dogmatischen Anknüpfung der Rückzahlungspflicht keine Parallelen. Das Dienstvertragsrecht läuft teilweise mit dem Rücktrittsrecht und teilweise mit dem Mietrecht parallel. Dabei ist hinsichtlich der teilweisen Übereinstimmungen zudem kein einheitliches System erkennbar. c) Anpassungsbedarf Die vorhandenen Unterschiede sind als solche hinzunehmen, wenn die Änderungen im Rücktritts- und zuvor im Mietrecht bewusst nur für diese Bereiche vorgenommen wurden und eine gleichzeitige Anpassung der Parallelvorschriften absichtlich unterblieb, weil die betroffenen Rechtsbereiche Besonderheiten aufwiesen, die diese Unterscheidungen rechtfertigen. Denkbar ist aber auch, dass der vormalige Gleichlauf sinnvollerweise beibehalten werden und mithin Änderungen in den Parallelvorschriften der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 BGB nach sich ziehen sollte.994 Zunächst ist frag994 Eine entsprechende Anregung von Huber in seinem Gutachten zu Leistungsstörungen im Hinblick auf die Überarbeitung des Schuldrechts (Leistungsstörungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 647, 846) für § 557a BGB ist, soweit ersichtlich, nicht weiter verfolgt worden. Denkbar ist auch, das Rücktrittsrecht wieder an die Regelungen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB anzupassen: Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 447 f. Die Rücktrittsregelungen standen vor der Schuldrechtsreform in diesem Punkt jedoch gerade in der Kritik: Herold, Das Rückabwicklungsschuldverhältnis, S. 138; Huber, Leistungsstörungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 647, 845; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl. 1990, § 327 Rn. 34. Kohler deutet in AcP 213 (2013), S. 46, 67 (Fn. 71) in einem anderen Kontext eine analoge Anwendung der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB außerhalb des Dienstvertrags- und Mietrechts an. Ohne dass Kohler diesen Anspruch erhebt, bietet eine solche Analogie keine Lösung dafür, eine Parallelität zwischen diesen Vorschriften und dem Rücktrittsrecht herbeizuführen. Sie käme lediglich für Fälle in Betracht, die nicht schon von den derzeit geltenden Rücktrittsregelungen erfasst sind. Die hierdurch bereits gesetzlich geregelten Fälle der Rückgewähr liefen dann auch
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lich, ob die Unterscheidung in eine Rückabwicklung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts einerseits und nach denen des Rücktrittsrechts andererseits interessen- und sachgerecht ist und aus diesem Grund beibehalten werden sollte. aa) Berufen auf den Einwand der Entreicherung Die Möglichkeit, sich gegenüber dem Rückzahlungsverlangen des Mieters oder des Dienstberechtigten in den Fällen der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB auf den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen zu können, stellt auch innerhalb dieser Regelungen eine Ausnahme dar.995 Der Wortsinn des § 547 Abs. 1 BGB spricht dafür, dass die Rückerstattung nach vertraglichen Grundsätzen vorrangig vor der nach bereicherungsrechtlichen Regeln ist. S. 2 enthält eine negative Formulierung: „Hat der Vermieter die Beendigung (…) nicht zu vertreten“. § 547 Abs. 1 S. 1 BGB erscheint dadurch als Regelfall, der ausnahmsweise durch § 547 Abs. 1 S. 2 BGB eingeschränkt wird.996 § 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB hat in derselben Weise wie § 547 Abs. 1 S. 2 BGB eine negative Formulierung hinsichtlich des Vertretenmüssens: „(…) wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat (…)“. Er ordnet demnach ebenfalls die vertragliche Rückerstattung als Grundregel und die bereicherungsrechtliche nur ausnahmsweise an. Bei der ausnahmsweisen Möglichkeit des Vermieters oder Dienstverpflichteten, sich auf eine Rückabwicklung nach Bereicherungsgrundsätzen berufen zu können, handelt es sich um eine Erleichterung. Eine solche zu etablieren ist gerechtfertigt, wenn es einen sachlichen Grund gibt, den Vermieter oder Dienstverpflichteten gegenüber dem Rückgewährschuldner nach einem Rücktritt besser zu stellen.
nicht mit denen des Miet- und Dienstvertragsrechts parallel, zumal die Regelungen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB gerade auch nicht vollständig übereinstimmen. Ferner bleibt problematisch, ob überhaupt Fälle denkbar sind, in denen eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, und wenn, ob diese nicht durch eine analoge Anwendung der Rücktrittsregelungen geschlossen werden sollte. Diese kämen alternativ als Regelungen für eine analoge Anwendung in Betracht. Die vergleichbare Interessenlage, die als Grundvoraussetzung einer Analogie bestehen muss, besteht zu den Fällen der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB ebenso wie zu § 346 BGB. Die Regelungen sind dann jedoch in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung unterschiedlich. Es wäre dann zu unterscheiden, auf welche Regelungen zurückzugreifen ist. 995 Für § 547 Abs. 1 BGB Blank/Börstinghaus/Blank, Miete, § 547 BGB Rn. 21; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 26. 996 Blank/Börstinghaus/Blank, Miete, § 547 BGB Rn. 19; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 32. So i. E. auch die Einordnung bei Emmerich/Sonnenschein/ Rolfs, Miete Handkommentar, § 547 BGB Rn. 9, der Abs. 1 S. 1 als den Regelfall bezeichnet.
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(1) Vorhersehbarkeit der Beendigung als Differenzierungsgrund Ein Grund für die Differenzierung hinsichtlich der Rückabwicklung könnte in der Vorhersehbarkeit der Beendigung des jeweiligen Schuldverhältnisses liegen. Der zur Rückerstattung Verpflichtete könnte weniger schutzbedürftig sein, wenn er das Ende des Vertragsverhältnisses voraussehen und mithin einer Entreicherung hätte vorbeugen können. Wird er hingegen von der Beendigung des Vertrags überrascht, war es ihm unter Umständen schwer oder überhaupt nicht möglich, sich auf die Rückzahlungspflicht einzustellen. Dies könnte eine erhöhte Schutzwürdigkeit hervorrufen, die es rechtfertigen könnte, ihm ein Berufen auf eine etwaige Entreicherung zu ermöglichen.997 Schon bei vertraglichen Rücktrittsrechten sollen die Parteien mit einem Rücktritt jeder Zeit rechnen müssen, da sie ein entsprechendes Recht vereinbart hätten.998 Mit dieser Begründung wurde vor der Schuldrechtsreform einer Partei nach einem Rücktritt aufgrund eines vertraglichen Rücktrittsrechts die Möglichkeit verwehrt, sich auf eine etwaige Entreicherung zu berufen. Bei (Dauer-)Schuldverhältnissen, die ordentlich kündbar sind, muss der Vertragspartner mit der Möglichkeit einer jederzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses (im Rahmen der bestehenden Fristen) rechnen.999 Denn Dauerschuldverhältnisse werden zwar regelmäßig für einen längeren Zeitraum abgeschlossen, haben aber üblicherweise keinen ewigen Bestand, sondern enden zu irgendeinem Zeitpunkt. Der Empfänger einer Vorleistung muss im Rahmen eines solchen Schuldverhältnisses daher einer möglichen Entreicherung vorbeugen, da er weiß, dass er selbst noch keine Gegenleistung erbracht hat und diese demnach entweder noch erbringen oder die erhaltene Leistung zurückgewähren muss. Ein etwaiges Vertrauen auf das endgültige Behaltendürfen der empfangenen Leistung ist somit nicht schutzwürdig.1000 Wenn schon bei einem vertraglich vorbehaltenen Rücktritt mit dem Entstehen einer Rückgewährpflicht gerechnet werden muss, muss dies für eine mögliche Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses erst recht der Fall sein.1001 Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn 997 So wohl Kohler, JZ 2001, 325, 328. Angedeutet auch bei Linke, Die Rückabwicklung, S. 67 (Fn. 301 a. E.). 998 BT‑Drucks. 14/6040, S. 195; Abschlußbericht der Schuldrechtskommission, S. 186; BGH vom 16.5.1984 – VIII ZR 18/83, NJW 1984, 2937, 2938 (m. w. Nachw.); BGH vom 20.5.1983 – V ZR 291/81, NJW 1983, 2024, 2025; Medicus, JuS 1988, 1, 2; Soergel/ Hadding, BGB, 12. Aufl. 1990, § 347 Rn. 1. 999 Für Mietverhältnisse BT‑Drucks. IV/806, S. 11. 1000 Zur fehlenden Schutzwürdigkeit bei § 327 S. 2 BGB a. F. und § 557a BGB a. F. Huber, Leistungsstörungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 647, 846. 1001 Daher besteht hinsichtlich der Vorhersehbarkeit eine Vergleichbarkeit zwischen den Rückzahlungsfällen nach einer Kündigung eines Miet- oder Dienstvertrags und
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ein ordentliches Kündigungsrecht nicht besteht. So liegt es beispielweise in den Fällen befristeter Miet- oder Dienstverhältnisse. Dort kann eine vorzeitige Beendigung nur ausnahmsweise durch eine außerordentliche Kündigung oder den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erfolgen; andernfalls endet das Vertragsverhältnis durch den vorher vereinbarten und mithin für beide Parteien absehbaren Zeitablauf. Einer außerordentlichen Kündigung liegen allgemein typischerweise Umstände zugrunde, die langfristig nicht vorhersehbar sind. Insoweit kann eine generelle Vorhersehbarkeit einer Beendigung in Dauerschuldverhältnissen – zumindest in Form einer sofortigen Beendigung – nicht unterstellt werden. Mit einer fristgerechten Kündigung muss eine Vertragspartei hingegen stets rechnen. Einer außerordentlichen Kündigung liegen regelmäßig Umstände zugrunde, die aus der Sphäre einer der Vertragsparteien stammen und mit denen die andere Partei möglicherweise nicht rechnen musste. In den Fällen kann ein Berufen auf den Entreicherungseinwand aus Vertrauensschutzgesichtspunkten sachgerecht sein, während es unter Umständen zu verwehren ist, wenn der Rückzahlungsverpflichtete selbst die Umstände zu vertreten hat, die zur fristlosen Kündigung geführt haben, weil er die Beendigung in diesen Fällen hätte voraussehen können. Dem trägt die Regelung in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB Rechnung. Da § 628 BGB von vornherein nur für Fälle der fristlosen Kündigung nach den §§ 626, 627 BGB anwendbar ist, könnte die dort normierte Besserstellung des Dienstverpflichteten für die Fälle, in denen dieser den Kündigungsgrund nicht zu vertreten hat, tatsächlich auf Vertrauensschutzgesichtspunkten basieren. § 547 Abs. 1 BGB unterscheidet hingegen nicht nach der Art der Kündigung. Die außerordentliche und die ordentliche Kündigung werden vielmehr gleichbehandelt. Auch bei der ordentlichen Kündigung richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs hier nach den Umständen, die zu der Kündigung geführt haben. Die Differenzierung kann daher nicht auf die spezielle Situation bei der außerordentlichen Kündigung zurückgeführt werden. Selbst in den Fällen der ordentlichen Kündigung dürfte der Differenzierung im Mietrecht jedoch ebenso wenig die Vorhersehbarkeit der Rückzahlungspflicht zugrunde liegen. Denn der Vermieter soll den Beendigungsgrund nicht zu vertreten haben, wenn Letzterer sich schon aus dem Mietvertrag ergibt, zum Beispiel weil der Vertrag durch Zeitablauf endet.1002 In dem Fall kann der Vermieter die Rückzahlungsverpflichtung denen eines vertraglichen Rücktritts, die dafür spricht, eine etwaige Rückabwicklung einheitlich zu regeln. 1002 Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 40; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 16 f. m. w. Nachw.; a. A. Blank/Börstinghaus/Blank, Miete, § 547 BGB Rn. 17, der bei verschuldensunabhängigen Beendigungstatbeständen stets § 547 Abs. 1 S. 1 BGB anwenden will. Dagegen spricht jedoch die negative Formulierung des § 547 Abs. 1 S. 2
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sehr langfristig erkennen und hätte zudem die Möglichkeit, diese gänzlich zu vermeiden, indem er die Vorauszahlungen nicht über den Zeitraum der Beendigung heraus verlangt oder annimmt. Dies spricht dafür, dass der Differenzierung in § 547 Abs. 1 BGB keine Vertrauensschutzgesichtspunkte zugrunde liegen. In § 628 Abs. 1 S. 3 BGB könnten diese indes das Motiv für die Differenzierung hinsichtlich des Haftungsumfangs sein. Allerdings scheint es wegen der ursprünglich parallelen Regelungen der §§ 327 S. 2, 557a, 628 Abs. 1 S. 3 BGB a. F. unwahrscheinlich, dass diesen insoweit nicht derselbe Gedanke zugrunde gelegen haben soll, zumal der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien zu § 557a BGB a. F. erkennbar von einem einheitlichen Grundgedanken hinter diesen drei Regelungen ausgegangen ist.1003 Demnach ist eine Besserstellung des Rückgewährschuldners durch die Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte, die auf einer etwaigen Unvorhersehbarkeit der Rückzahlungspflicht beruhen, zu rechtfertigen. (2) Schlechterstellung zur Sanktionierung In Betracht käme als Grund für die Differenzierung alternativ eine Sanktionierung des Verhaltens, das die Grundlage für die Beendigung des Vertrags darstellt. Hiergegen spricht zunächst bereits die Systematik der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB. Die Rückerstattung nach vertraglichen Grundsätzen als strengere Haftung stellt nach beiden Vorschriften den Regelfall der Rückerstattung dar. Hätte der Gesetzgeber mit der Differenzierung eine Sanktionierung eines Verschuldens des Rückerstattungsschuldners erreichen wollen, hätte es aus systematischen Gründen nähergelegen, die weniger strenge Haftung nach bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen als Regelfall auszugestalten. Zwingend ist das systematische Argument für sich genommen jedoch nicht, da ein Sanktionierungseffekt auch dadurch erreicht werden kann, dass in Ausnahmefällen eine Erleichterung erfolgt. Die Systematik liefert aber ein erstes Indiz gegen die Annahme, hinter der Haftungsdifferenzierung in § 547 Abs. 1 BGB stehe ein Sanktionsgedanke. Ferner führte die Annahme eines Sanktionscharakters der §§ 547 Abs. 1 S. 1, 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB unter Umständen zu Wertungswidersprüchen in den Fällen, in denen die schuldhafte Beendigungsveranlassung allein in der Wahrnehmung berechtigter Rechte oder Interessen besteht. So beispielsweise im Fall der Kündigung des Mieters aufgrund einer (berechBGB, nach dem die erleichterte Haftung des Vermieters greifen soll, wenn er die Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu vertreten hat. Dies ist bei einem verschuldensunabhängigen Beendigungstatbestand jedoch gerade der Fall. 1003 BT‑Drucks. IV/806, S. 11; BT‑Drucks. IV/2195, S. 5.
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tigten) Mieterhöhung oder im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme.1004 Hier liegt die Ursache für die Kündigung zwar beim Vermieter, da er die Maßnahme vorsätzlich durchgeführt und dadurch den Anstoß für die Beendigung des Mietverhältnisses gesetzt hat. Darin liegt ein Vertretenmüssen im Sinne des § 276 BGB.1005 Das Verhalten ist dem Vermieter aber nicht in der Weise vorwerfbar, die nach einer Sanktion verlangt, da er lediglich im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse und demnach rechtmäßig gehandelt hat. Bei einer vorausgehenden Modernisierungsmaßnahme handelt er sogar langfristig zugunsten des Mieters, da diesem die Renovierung zu Gute kommt. Mithin vermag auch der Sanktionsgedanke eine Differenzierung innerhalb der Rückabwicklung bei im Voraus entrichteten Zahlungen nicht zu rechtfertigen. (3) Besonderheiten des Miet- oder Dienstvertragsrechts Es sind ferner keine Besonderheiten des Mietrechts ersichtlich, die es rechtfertigten, in diesen Bereichen an einer ausnahmsweisen Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen festzuhalten, während im Rücktrittsrecht hierauf verzichtet wird: Da im Mietrecht stets der Vermieter Schuldner der Rückerstattungspflicht ist, sprechen namentlich keine Mieterschutzaspekte für eine entsprechende Privilegierung. Der Vermieter, der eine Vorauszahlung verlangt, muss sich des Risikos einer etwaigen Rückzahlung bewusst sein. Die Anwendung des § 547 Abs. 1 BGB würde durch einen einheitlichen Verweis auf das Rücktrittsrecht zudem erleichtert, da die Einzelheiten bei der Frage, ob der Vermieter die Beendigung zu vertreten hat oder nicht, streitig sind.1006 Ähnliches gilt auch für das Dienstvertragsrecht. Hier wird eine Besserstellung durch die Regelungen des Bereicherungsrechts in einer Vielzahl der Fälle in der Praxis ohnehin leerlaufen, da praktisch kaum mit einer Entreicherung des Dienstverpflichteten im Rahmen der Erbringung höherer Dienste zu rechnen sein wird.1007 Anders kann sich dies allenfalls innerhalb eines Arbeitsverhältnisses darstellen. Abgesehen von den dort jedoch ohnehin geltenden Sonderregelungen1008 wird der Arbeitnehmer als Schuldner im Sinne des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB die Beendigung des Arbeitsverhält1004 Staudinger/Rolfs,
BGB, § 547 Rn. 15.
1005 Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 14, 15. 1006 Siehe zu den einzelnen Fällen Blank/Börstinghaus/Blank,
Miete, § 547 BGB Rn. 16 ff.; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 547 BGB Rn. 33 ff.; Staudinger/Rolfs, BGB, § 547 Rn. 14 ff. 1007 Preis/Sagan, MedR 2012, 40, 41. 1008 Zu Berufsausbildungsverhältnissen und anderen Beispielen siehe AR/Weigand, § 628 BGB Rn. 3; ErfK/Müller-Glöge, § 628 BGB Rn. 3. Im Arbeitsverhältnis kann es zudem Besonderheiten im Zshg. mit Sonderzahlungen geben. Zur Rückzahlung von
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nisses regelmäßig zu vertreten haben, da § 628 BGB eine Kündigung nach § 626 BGB vorausgehen muss, bei der es sich in der weit überwiegenden Zahl der Fälle um arbeitgeberseitige Kündigungen aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers handeln wird. Ferner ist die Vergütung innerhalb eines Arbeitsverhältnisses nach der Grundregel des § 614 S. 1 BGB erst nach Erbringung der Arbeitsleistung zu entrichten. Der Arbeitnehmer, der dennoch ausnahmsweise einen Vorschuss erhält, muss sich des Risikos einer möglichen Rückzahlungspflicht daher bewusst sein. Auch für die Fälle des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB, in denen der Dienstberechtigte einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich eines Teils der Vergütung hat und auf den § 628 Abs. 1 S. 3 BGB analog angewendet wird,1009 erfolgt praktisch nie eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Denn die Leistungskürzung nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB setzt ein Verschulden des Dienstverpflichteten voraus, sodass die Rückabwicklung überzahlter Teilvergütungen stets gemäß § 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB analog nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts erfolgt.1010 Eine Abschaffung der Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB stünde demnach auch im Einklang mit diesen Wertungen. Wenn davon die Rede ist, die Rechtsfolgeregelungen des Rücktrittsrechts, wie die §§ 346 ff. BGB sie vorsähen, seien bezogen auf Dienstverträge nicht als allgemeingültig anzusehen,1011 handelt es sich hierbei um eine Kritik an der an Warenleistungsverträgen – wie Kauf- und teilweise auch Werkverträgen – orientierten Konstruktion des allgemeinen Schuldrechts.1012 Dieses sei auf die Rückgewähr empfangener gegenständlicher Leistungen zugeschnitten und sei nicht sinnvoll auf die Rückabwicklung von nicht körperlichen Leistungen übertragbar.1013 Für die Fälle mangelhaft erbrachter Dienstleistungen mögen sich insoweit Rückabwicklungsschwierigkeiten ergeben.1014 Dies steht jedoch einer Rückabwicklung im Voraus erbrachter Vergütungsleistungen für eine zunächst erwartete Dienstleistung nicht im Wege, da die Rückabwicklung ausschließlich die Geldleistung und nicht die Dienstleistung betrifft. Letztere ist lediglich die noch nicht erbrachte Gegenleistung, die aber gerade nicht rückabgewickelt werden muss. Auf die Rückgewähr von Geldleistungen sind die §§ 346 f. BGB aber durchaus zugeschnitten.1015 Sonderzahlungen beim Ausscheiden des Arbeitnehmers AR/Kamanabrou, § 611 BGB Rn. 173 ff., 177 ff. 1009 So die mittlerweile h. M. BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 133/10, NJW 2011, 1674 (Rn. 11); Henssler/Deckenbrock, NJW 2005, 1, 5; Preis/Sagan, MedR 2012, 40, 41. 1010 Preis/Sagan, MedR 2012, 40, 41. 1011 Wendehorst, AcP 206 (2006), S. 205, 279. 1012 Vgl. dazu Wendehorst, AcP 206 (2006), S. 205, 279 f. 1013 Wendehorst, AcP 206 (2006), S. 205, 273. 1014 So Wendehorst, AcP 206 (2006), S. 205, 273. 1015 Siehe dazu ausführl. im Folgenden unter bb).
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bb) Unterschiede in den Voraussetzungen für die Ausübung der Gestaltungsrechte Das Kündigungsrecht im Miet- oder Dienstvertragsrecht ist an andere Voraussetzungen geknüpft als das Rücktrittsrecht. Dem mag ein verschiedenartiges Schutzbedürfnis der Vertragsparteien zugrunde liegen. Wenn dies zutrifft, bietet diese unterschiedliche Schutzbedürftigkeit einen weiteren möglichen Differenzierungsgrund hinsichtlich des Umfangs eines Rückerstattungsanspruchs. (1) Ausgangslage im Rücktrittsrecht Das gesetzliche Rücktrittsrecht ist grundsätzlich verschuldensunabhängig ausübbar.1016 Allerdings ist eine Vertragspartei regelmäßig nur nach einer objektiven Pflichtverletzung ihres Vertragspartners, die freilich nicht zwingend schuldhaft sein muss (z. B. im Fall des § 326 Abs. 5 BGB), zum Rücktritt berechtigt. Nur ausnahmsweise bedarf es zum Rücktritt schon keiner Pflichtverletzung, so beispielsweise in den Fällen des § 313 Abs. 3 S. 1 BGB. Demnach könnte hier der Kündigungsberechtigte, von Ausnahmefällen abgesehen, grundsätzlich aufgrund der Pflichtverletzung seines Vertragspartners diesem gegenüber schutzwürdiger sein. Das Rücktrittsrecht differenziert bei der Rückgewährpflicht nach einem Rücktritt trotz der verschiedenen (verschuldensabhängigen oder -unabhängigen) Rücktrittsgründe bei der Rückabwicklung nicht zwischen diesen Fällen. (2) Ausgangslage im Dienstvertragsrecht In den Fällen des § 628 BGB bedarf es immer dann einer vorherigen Pflichtverletzung, wenn das zugrunde liegende Schuldverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, da Arbeitsverhältnisse nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB außerordentlich kündbar sind.1017 Der Kündigungsberechtigte ist dann regelmäßig schutzwürdiger als der Kündigungsgegner. Dabei ist zu bedenken, dass außerordentliche Kündigungen weit überwiegend arbeitgeberseitige Kündigungen sein werden und der rückzahlungsverpflichtete Arbeitnehmer (§ 628 Abs. 1 S. 3 BGB) demnach in der Regel gleichzeitig auch Kündigungsgegner ist. In den Fällen des § 627 BGB ist dagegen grundsätzlich kein wichtiger Grund für die Kündigung erforderlich. Sie kann vielmehr auch ohne Pflichtverletzung des Kündigungsgegners ausgesprochen werden. Da keine Pflichtverletzung vorliegen muss, kann sie nicht als Anhaltspunkt zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit der jeweiligen Vertragspartner herangezogen werden. 1016 Staudinger/Kaiser,
BGB, § 346 Rn. 9. Verschulden ist auch hier nicht zwingend erforderlich. Siehe dazu ErfK/ Niemann, § 626 BGB Rn. 40. 1017 Ein
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(3) Ausgangslage im Mietrecht Für die Beendigung eines Mietverhältnisses gibt es verschiedene Kündigungsmöglichkeiten aufgrund verschiedener Ursachen. Diese können verschuldensabhängig sein, beispielsweise bei der außerordentlichen Kündigung nach § 543 BGB oder bei Wohnraummietverträgen gemäß § 569 BGB. Die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietvertrags durch den Vermieter nach § 573 BGB kann an eine vorausgehende Pflichtverletzung des Mieters gekoppelt sein. § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt zum Beispiel eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Das Mietrecht kennt indes auch Kündigungsgründe, die weder ein Verschulden noch eine Pflichtverletzung einer Partei voraussetzen. Der Mieter kann beispielsweise bei unbefristeten Mietverhältnissen unter Einhaltung der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist ordentlich kündigen. Der Vermieter hat nach § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB im Fall des Eigenbedarfs ein Kündigungsrecht, das weder an ein Verschulden noch an eine Pflichtverletzung gebunden ist. Auch bei einer Kündigung des Mieters nach § 561 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf es keiner Pflichtverletzung des Vermieters. Einer Kündigung eines Mietverhältnisses kann daher eine Pflichtverletzung vorausgehen, die eine Partei schutzwürdiger erscheinen lässt als eine andere. Dies ist jedoch nicht zwingend. (4) Vergleich der Regelungen In allen drei Rechtsbereichen gibt es demnach Konstellationen, in denen der Vertragsbeendigung eine (schuldhafte) Pflichtverletzung vorausgeht. Es gibt jedoch auch Beendigungsgründe, die davon unabhängig sind. Insoweit unterscheiden sich die Kündigungsregelungen des Miet- und des Dienstvertragsrechts nicht vom Rücktrittsrecht. Es besteht allerdings ein gradueller Unterschied: Während es im gesetzlichen Rücktrittsrecht lediglich in Ausnahmefällen keiner Pflichtverletzung bedarf, ist dies im Rahmen des § 627 BGB bei freien Dienstverträgen oder bei ordentlichen Kündigungen von Mietverhältnissen eher der Regelfall. Eine Parallele besteht für die Fälle der außerordentlichen Kündigung (§§ 543, 626 BGB). Der Unterschied in den anderen Fällen resultiert daraus, dass ein Rücktritt lediglich ein ausnahmsweises Lösungsrecht von einem Vertrag darstellt, der eigentlich auf einen endgültigen Bestand angelegt war. Eine Vertragspartei soll sich namentlich dann ausnahmsweise von diesem Vertrag lösen können, wenn eine Leistungsstörung im Vertragsverhältnis vorliegt. Die außerordentliche Kündigung im Miet- und im Dienstvertragsrecht erfüllt dieselbe Funktion. Dauerschuldverhältnisse haben aber im Unterschied zu Verträgen, denen lediglich eine einmalige Leistung zugrunde liegt, auch wenn sie zunächst auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden, den Wesenszug, regelmäßig nicht dauerhaft fortzubestehen. Vielmehr entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, dass beispielsweise Mietverhältnisse irgendwann ge-
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kündigt werden. Dem entspricht es, wenn das Gesetz insoweit ordentliche (oder wie in § 627 BGB unter bestimmten Voraussetzungen außerordentliche) Kündigungsmöglichkeiten vorsieht. Dieser Unterschied zum Rücktrittsrecht rechtfertigte nur dann eine abweichende Regelung hinsichtlich der Abwicklungsfragen nach Vertragsbeendigung, wenn sich die Differenzierung hinsichtlich der Rückabwicklung gleichermaßen daran orientierte, ob der Kündigung eine (schuldhafte) Pflichtverletzung vorausgegangen ist oder nicht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Unterscheidung knüpft vielmehr daran an, ob der Umstand, der zur Kündigung geführt hat, aus der Sphäre einer der Parteien stammt. Ob im jeweiligen Fall eine Pflichtverletzung vorangegangen ist, ist für die Differenzierung unerheblich. Umstände, die eine Kündigung begründen, können aus der Sphäre einer Partei herrühren, die keine Pflichtverletzung begangen hat. So liegt es beispielsweise im Fall einer Eigenbedarfskündigung oder einer Kündigung des Mieters bei angekündigten Modernisierungsmaßnahmen nach § 555e Abs. 1 BGB. In beiden Fällen hat der Vermieter aufgrund einer aus seiner Sphäre stammenden Ursache gekündigt, aber keine Pflicht aus dem Mietverhältnis verletzt. Dennoch behandelt das Gesetz diese Fälle derzeit ähnlich wie Rückzahlungsverpflichtungen nach einem Rücktritt, da § 547 Abs. 1 S. 1 BGB eine dem Rücktrittsrecht ähnelnde Regelung für die Rückabwicklung vorsieht. In diesen Fällen erfolgt gerade keine Privilegierung über das Bereicherungsrecht. Eine Differenzierung, die sich an einer zugrunde liegenden Pflichtverletzung orientierte, müsste in den Fällen der Eigenbedarfskündigung eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zulassen. Dies erscheint indes nicht sachgerecht, da der Mieter auf diese Weise das Risiko einer Entreicherung des Vermieters trüge, ohne Einfluss auf die Beendigung des Mietverhältnisses ausüben zu können. Ein vergleichbarer Wertungswiderspruch entstünde in den Fällen eines befristeten Mietverhältnisses, in denen dem Mieter mangels Pflichtverletzung des Vermieters ebenfalls das Risiko der Entreicherung auferlegt wäre, obwohl der Vermieter eine Vorauszahlung über das Vertragsende hinaus zumeist verlangt haben wird, zumindest aber angenommen hat.1018 Im Kündigungsrecht der freien Dienst- und der Arbeitsverträge stellt sich die Situation etwas anders dar. Hier knüpft die Differenzierung an eine Pflichtverletzung an, da § 628 BGB nur im Anschluss an außerordentliche Kündigungen anwendbar ist. Der Kündigung geht regelmäßig eine Pflichtverletzung einer Partei voraus. In den Fällen des § 627 BGB, in denen dies nicht der Fall ist, weicht die Haftung nach Rücktrittsgrundsätzen gemäß § 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB der milderen Bereicherungshaftung. Wenn die 1018 Dieser Wertungswiderspruch besteht auch nach derzeitiger Rechtslage. Siehe dazu oben die Ausführungen zum Mietrecht unter aa) sowie unter bb) (3).
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Differenzierung im Dienstvertragsrecht der Unterscheidung in eine Kündigung aufgrund einer Pflichtverletzung des Dienstberechtigten und deren Fehlen entspricht, dies im Mietrecht aber nicht der Fall ist, kann der Differenzierungsgrund gegenüber dem Rücktrittsrecht nicht einheitlich darauf zurückzuführen sein, dass für die Ausübung einer Kündigung im Dienstvertrags- und Mietrecht andere Voraussetzungen bestehen als für einen Rücktritt. Allein dieser Unterschied vermag die Differenzierung hinsichtlich der Rückabwicklung mithin nicht zu rechtfertigen. cc) Interessenlage hinsichtlich der Zinspflichten Die Interessenlage hinsichtlich der Zinspflichten für zurückzuerstattende Geldbeträge ist nach Kündigungen im Dienstvertrags- und Mietrecht identisch mit der nach einem Rücktritt. Sie spricht daher für eine rechtliche Gleichbehandlung im Rahmen der Rückabwicklung. Im Rücktrittsrecht wurde im Zuge der Schuldrechtsreform bewusst auf eine spezielle Zinsregelung verzichtet, da eine solche bei Geldbeträgen in geringer Höhe oder bei einer kurzen Nutzungsdauer nicht sachgerecht sei.1019 Der Schuldner sei in diesen Fällen häufig nicht in der Lage, die Geldbeträge in einer Art und Weise anzulegen, die ihm zumindest den gesetzlichen Zinssatz einbringe. Eine Pflicht zur Herausgabe der tatsächlich gezogenen oder zumindest nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft erzielbaren Nutzungen werde der Interessenlage besser gerecht.1020 Diesbezüglich ergeben sich im Dienstvertrags- und im Mietrecht keine Unterschiede. In beiden Bereichen kann der Empfänger der Vorausleistung zwar in Einzelfällen ein Unternehmer sein, bei dem nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen ist, er könne einen empfangenen Geldbetrag gewinnbringend anlegen. Vermieter oder Dienstverpflichtete können aber ebenso gut Privatpersonen sein, für die diese Vermutung nicht gilt. Nach § 547 Abs. 1 BGB ist der Vermieter der Rückerstattungsverpflichtete. Dieser kann Unternehmer sein, es kann sich aber auch um einen privaten Vermieter handeln, der dann regelmäßig als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen ist.1021 Im Dienstvertragsrecht kann der Rückzahlungsverpflichtete auch Unternehmer oder Verbraucher sein. Dies ist davon abhängig, ob es sich bei dem Dienstvertrag um einen Arbeitsvertrag handelt. Arbeitnehmer sind ihrem Arbeitgeber gegenüber nach Ansicht der Recht1019 Abschlußbericht
S. 197.
1020 Abschlußbericht
der Schuldrechtskommission, S. 190; BT‑Drucks. 14/6040,
der Schuldrechtskommission, S. 190; BT‑Drucks. 14/6040, S. 197. Dagegen spricht sich Kohler, JZ 2001, 325, 335 aus. 1021 Zur schwierigen Unterscheidung der Einorndung von Vermietern als Verbraucher einerseits und Unternehmer andererseits siehe Fervers, NZM 2018, 640, 641 ff.
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sprechung regelmäßig als Verbraucher anzusehen.1022 Bei Dienstverträgen, wie sie § 627 BGB vor Augen hat, handelt es sich bei den Dienstverpflichteten regelmäßig um Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, da es sich um ein Dienstverhältnis handelt, innerhalb dessen der Dienstverpflichtete Dienste höherer Art leisten muss. Solche Dienste verlangen ein besonders hohes Maß bestimmter Kenntnisse oder Fähigkeiten oder betreffen den persönlichen Lebensbereich des Dienstberechtigten.1023 Ein solches Dienstverhältnis besteht beispielsweise zu einem Rechtsanwalt oder Steuerberater,1024 bei denen es sich sämtlich um Unternehmer handelt, sofern ihre beruflichen Tätigkeiten betroffen sind. Da es demnach einzelfallabhängig ist, in welchem Umfang der Vermieter oder Dienstverpflichtete Zinsen erwirtschaften kann, erscheint eine Differenzierung hinsichtlich der Zinspflicht gegenüber dem Rücktrittsrecht nicht sachgerecht. Vielmehr entspricht die Anknüpfung an tatsächlich gezogene oder zumindest nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft erzielbare Nutzungen bei der Rückerstattung im Voraus geleisteter Zahlungen im Miet- und Dienstvertragsrecht in gleicher Weise wie im Rücktrittsrecht eher der Interessenlage. Dieses Ergebnis steht auch mit den vorangegangenen Änderungen des Dienstvertragsrechts im Einklang. Zwar gab es vor der Schuldrechtsreform in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB a. F. einen Anspruch auf Ersatz solcher Nutzungen, die nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft schuldhaft nicht gezogen wurden. Dieser ergab sich aus der Verweisung des § 628 Abs. 1 S. 3 1. Fall BGB a. F. auf § 347 BGB a. F., der wiederum auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und mithin unter anderem auf § 987 Abs. 2 BGB Bezug nahm. Durch die Änderungen in der Struktur des Rücktrittsrechts ist § 347 BGB a. F. in den §§ 346, 347 BGB neu geregelt worden. Im Anschluss an die Schuldrechtsreform wurde sodann die Verweisung auf § 347 BGB a. F. durch eine solche auf § 346 BGB ersetzt und hierin ausdrücklich eine rein redaktionelle Änderung gesehen.1025 Dafür, dass es sich bei der Änderung des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB um eine bewusste Anpassung ausschließlich an § 346 BGB handelt, um eine Pflicht zum Nutzungsersatz nur noch für die Fälle tatsächlich gezogener Nutzungen anzuordnen, bestehen keine Anhaltspunkte. Es scheint sich vielmehr um ein Versehen zu handeln, dem 1022 BVerfG
vom 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, NJW 2007, 286, 287; grundlegend BAG vom 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, 1115 f. 1023 BGH vom 13.11.2014 – III ZR 101/14, NJW‑RR 2015, 686, 687 (Rn. 11 ff.); Palandt/Weidenkaff, BGB, § 627 Rn. 2. 1024 BGH vom 22.9.2011 − III ZR 95/11, NJW 2011, 3575 f. (Rn. 9); BGH vom 4.7.2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 627 Rn. 2 (mit weiteren Beispielen). 1025 Wörtlich ist von einer „Bereinigung von Zitatversehen im Bürgerlichen Gesetzbuch“ die Rede: BT‑Drucks. 14/9266, S. 48.
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die Zweiteilung der vormaligen Rücktrittsvorschrift des § 347 BGB a. F. auf zwei neue Vorschriften zugrunde liegt. dd) Ausnahmsweise Vergleichbarkeit des Rückabwicklungsinteresses In der Regel unterscheiden sich bezogen auf die Rückabwicklung die Interessenlagen bei Kündigung und Rücktritt. Dem entspräche eine Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Regelungen über Rückgewährpflichten. Die Kündigung ist grundsätzlich das für Dauerschuldverhältnisse speziellere Gestaltungsrecht.1026 Ihr wird gegenüber dem Rücktritt regelmäßig eine Wesensverschiedenheit zugesprochen.1027 Diese Annahme geht auf die unterschiedlichen Interessen der Parteien bei der Rückabwicklung zurück: Bei Dauerschuldverhältnissen haben die Parteien anders als bei anderen Verträgen typischerweise kein Interesse an der Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen, sodass das Leistungsverhältnis nur für die Zukunft endet.1028 Ein Rücktritt hat zwar hinsichtlich der Beendigung der primären Leistungspflichten des Vertrags auch lediglich eine ex nunc Wirkung,1029 bereits ausgetauschte Leistungen werden aber für die Vergangenheit rückabgewickelt. In Letzterem liegt der eigentliche Unterschied zur Kündigung.1030 In den Fällen der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB entspricht das Rückabwicklungsinteresse nach der vorangegangenen Kündigung jedoch ausnahmsweise dem nach einem Rücktritt. Die im Voraus erbrachten Leistungen sollen nach der Kündigung gerade zurückgewährt werden, da ihnen keine Gegenleistung gegenübersteht. Dadurch entsteht ein Bedürfnis nach einer Rückabwicklung, das demjenigen nach einem Rücktritt entspricht. Ähnlich wie bei einem Rücktritt ein Rückgewährschuldver1026 BGH vom 29.3.2011 – VI ZR 133/10, NJW 2011, 1674, 1675; BGH vom 19.2.2002 – X ZR 166/99, NJW 2002, 1870; BGH vom 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis, S. 349 ff. (m. w. Nachw., S. 349, Fn. 23). Speziell für den Dienstvertrag Canaris, FS K. Schmidt, S. 177, 181; HWK/Sandmann, § 626 BGB Rn. 14; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 41; Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 397. Für das Verhältnis von § 314 BGB und § 323 BGB ausdrückl. BT‑Drucks. 14/6040, S. 177. Regelmäßig ist der Rücktritt bei Dauerschuldverhältnissen daher ausgeschlossen. Er kann jedoch nach der Rspr. je nach Interessenlage ausnahmsweise dennoch möglich sein: BGH vom 19.2.2002 – X ZR 166/99, NJW 2002, 1870; BGH vom 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006. 1027 Tillmanns, Strukturfragen des Dienstvertrages, S. 397. 1028 BGH vom 19.2.2002 – X ZR 166/99, NJW 2002, 1870; BGH vom 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006; BGH vom 10.7.1968 – VIII ZR 120/66, NJW 1969, 37. Die Interessenlage kann allerdings auch anders liegen. Dies ist eine Frage des Einzelfalls: BGH vom 19.2.2002 – X ZR 166/99, NJW 2002, 1870; BGH vom 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006; Wendehorst, AcP 206 (2006), S. 205, 274 f. 1029 Für die h. M. zur Wirkung des Rücktritts BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 10); BT‑Drucks. 14/6040 S. 191; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 36; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 4. 1030 Oetker, Das Dauerschuldverhältnis, S. 349; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 4.
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hältnis entsteht, besteht auch im Fall der im Voraus geleisteten Miete oder Vergütung ein Abwicklungsverhältnis.1031 Im Fall des Rücktritts bestehen indes typischerweise wechselseitige Rückgewähransprüche, während bei Vorauszahlungen im Miet- oder Dienstvertragsrecht nur ein einseitiger Erstattungsanspruch besteht, da es sich um eine Vorleistung einer Partei handelt, für die eine Gegenleistung gerade noch nicht erbracht wurde. Allerdings handelt es sich bei der im Voraus geleisteten Miete oder der Vergütung beim Dienstvertrag trotzdem um eine Leistung, die grundsätzlich Teil des vertraglichen Synallagmas ist. Die Interessenlage ist dadurch mit der nach einem Rücktritt vergleichbar und rechtfertigt eine rechtliche Gleichbehandlung hinsichtlich der Rückabwicklung. In der Literatur wird auch durchaus gefordert, die Rückabwicklung gescheiterter Verträge grundsätzlich auf das Rücktrittsrecht abzustimmen.1032 3. Änderungsvorschlag Im Ergebnis ist kein Grund für die unterschiedliche Behandlung der §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB und des Rücktrittsrechts ersichtlich.1033 Schon vor der Schuldrechtsreform existierte diese Differenzierung im Übrigen nur für das gesetzliche Rücktrittsrecht. Für das vertragliche Rücktrittsrecht sah § 347 BGB a. F. ausschließlich eine rücktrittsrechtliche Rückabwicklung vor, was durch eine entsprechende Verweisung im Ergebnis eine Haftung nach den Grundsätzen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses bedeutete. Dies sollte darin begründet sein, dass die Parteien beim vertraglichen Rücktritt mit dem Entstehen einer Rückgewährpflicht rechnen müssten, da sie einen entsprechenden Vorbehalt vertraglich etabliert hätten.1034 Zumindest bei Dauerschuldverhältnissen, bei denen mit einer Kündigung jederzeit gerechnet werden muss, wie es bei Mietverträgen regelmäßig der Fall ist, ist die Vorhersehbarkeit insofern vergleichbar.1035 Auch im Dienstvertragsrecht besteht jedenfalls dann eine Vergleichbarkeit, wenn die Kündigung, wie in den Fällen des § 627 BGB, jederzeit ohne besonderen Grund möglich ist. Der Vertragspartner muss daher auch jederzeit mit einer Kündigung rechnen. Wenn er von seinem Vertragspartner eine Vorauszah1031 Blank/Börstinghaus/Blank,
§ 547 BGB Rn. 10. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Teilbd., S. 203 ff., 215 f. Siehe auch Kohler, AcP 208 (2008), S. 417, 447 f., der daraus indes die gegenteilige Forderung ableitet, das Rücktrittsrecht wieder mehr an die §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB anzupassen. 1034 BT‑Drucks. 14/6040, S. 195; Abschlußbericht der Schuldrechtskommission, S. 186; BGH vom 16.5.1984 – VIII ZR 18/83, NJW 1984, 2937, 2938 (m. w. Nachw.); BGH vom 20.5.1983 – V ZR 291/81, NJW 1983, 2024, 2025; Medicus, JuS 1988, 1, 2; Soergel/ Hadding, BGB, 12. Aufl. 1990, § 347 Rn. 1. 1035 Siehe dazu oben unter 2. c) aa) (1), bb) (3). 1032 1033
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lung verlangt, bedeutet dies zugleich, dass er sich des Risikos einer etwaigen Rückzahlungspflicht bewusst sein muss. Daher ist fraglich, warum vor der Schuldrechtsreform eine Parallele zwischen den §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB und § 327 BGB a. F. und nicht stattdessen zu § 347 BGB a. F. bestand. Für das derzeit geltende Recht stellt sich diese Frage jedoch nicht mehr, da die Rechtsfolgen des vertraglichen und des gesetzlichen Rücktritts einheitlich in den §§ 346 ff. BGB geregelt sind. Selbst wenn vor der Schuldrechtsreform eine einheitliche Verweisung der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB auf § 347 BGB a. F. sinnvoller gewesen wäre, bedeutete dies nunmehr eine einheitliche Angleichung der miet- und dienstvertraglichen Rückabwicklungsregelungen an die §§ 346 ff. BGB. Die vergleichbare Interessenlage mit einem vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrecht spricht umso mehr für eine Abschaffung der bereicherungsrechtlichen Privilegierung in den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 2. Fall BGB.1036 § 547 Abs. 1 BGB sollte nach alledem wieder auf das Rücktrittsrecht verweisen, um zu gewährleisten, dass die Rücktrittsregelungen, die nach der Schuldrechtsreform umfangreicher ausgestaltet sind, umfassend zur Anwendung gelangen. Gleichzeitig sollte der Verweis auf das Bereicherungsrecht entfallen. In § 628 Abs. 1 BGB sollten aufgrund der Parallelität der Vorschriften vergleichbare Anpassungen vorgenommen werden. Hier sollte ebenfalls der Verweis auf das Bereicherungsrecht entfallen, der Verweis auf § 346 BGB dagegen erhalten bleiben und zusätzlich auf § 347 BGB erstreckt werden. Denn nur über eine Verweisung auf § 347 BGB kann erreicht werden, dass der Zinsanspruch davon abhängt, ob der Vertragspartner den erhaltenen Geldbetrag tatsächlich gewinnbringend angelegt hat oder eine entsprechende Anlage jedenfalls den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprochen hätte. Bei einer derartigen Gestaltung der Vorschriften ist zu bedenken, dass einige der in § 346 BGB geregelten Fälle bei Miet- und Dienstverträgen aufgrund der Art der Miet- oder Vergütungsleistung als Geldleistung regelmäßig keine Anwendung finden werden, da die Regelungen über den Wertersatz für diese Fälle leerlaufen. Sofern die Miete oder Vergütung beim Dienstvertrag ausnahmsweise nicht in einer Geldleistung besteht,1037 griffe eine entsprechende Verweisung indes. Unter Umständen können sich dann jedoch Probleme bei der Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ergeben. 1036 Die Angleichung entspräche zugleich der Aufwertung des Rücktrittsrechts im allgemeinen Schuldrecht. Siehe dazu Florstedt, Recht als Symmetrie, S. 277. 1037 Beide Fälle werden in der Praxis kaum vorkommen. Beim Mietvertrag ist eine andersartige Leistung eher vorstellbar als beim Dienstvertrag. Dies ist insbes. bei sanierungsbedürftigen Objekten denkbar, bei denen der Mieter z. B. iRd Sanierung eine Eigenleistung erbringt. Siehe dazu z. B. den Hinweis des BGH in BGH vom 17.7.2002 – XII ZR 86/01, NZM 2002, 924 f. m. w. Nachw.
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§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB legt beim vertraglichen Rücktritt dem Rücktrittsgegner die Gefahr des Untergangs der Sache beim Rücktrittsberechtigten auf, wenn dieser die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat. In den Fällen ist der Rücktrittsberechtigte trotz des Untergangs der Sache nicht zum Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB verpflichtet. Damit geht auch die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache beim Rücktrittsberechtigten auf den Rücktrittsgegner über, ohne dass es darauf ankommt, ob der Rücktrittsberechtigte die Umstände, die zum Rücktritt geführt haben, zu vertreten hat oder nicht. Dem Rücktrittsgegner die Zufallsgefahr auch dann aufzuerlegen, wenn er die den Rücktritt begründenden Umstände nicht zu vertreten hat, erscheint schon im originären Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB nicht sachgerecht.1038 Der Gesetzgeber rechtfertigt die Gefahrtragungsregel damit, dass der Rücktrittsgegner beim gesetzlichen Rücktritt diesen regelmäßig durch eine Pflichtverletzung ausgelöst hat, wodurch es interessengerecht sei, ihm die Gefahr des Untergangs der Sache aufzuerlegen.1039 Im Rücktrittsrecht kann es Fälle geben, in denen diese Verteilung zu Wertungswidersprüchen führt: So beispielsweise bei einem Rücktritt aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 S. 1 BGB, bei dem der Rücktrittsgegner gerade keine Pflicht verletzt hat, die Auslöser des Rücktritts war. Daher wird unter anderem eine teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB dahingehend vorgeschlagen, diesen nicht anzuwenden, wenn der Rücktrittsgegner die Umstände, die zum Rücktritt geführt haben, nicht zu vertreten hat.1040 Bei Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB auf die Fälle der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB tritt dieser Wertungswiderspruch unter Umständen erst recht zu Tage, da eine Kündigung in vielen Fällen ohne eine vorherige Pflichtverletzung möglich ist. In diesen Fällen wäre es ebenso wenig wie bei einem Rücktritt sachgerecht, dem Kündigungsgegner die Gefahr des zufälligen Untergangs der im Voraus geleisteten Sache aufzubürden. Voraussetzung für eine Erstreckung der Verweisung der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB auf § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ist demnach die teleologische Reduktion dieser Vorschrift in den Fällen, in denen der Kündigungsgegner die Umstände, die zu der Kündigung geführt haben, nicht zu vertreten hat. In der Praxis werden die Fälle, in denen sich die Miete oder Vergütung beim Dienstvertrag als Sachleistung darstellt, ohnehin äußerst selten vorkommen. Das Problem, das sich aus der Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB auf diese Verträge ergibt, hat demnach geringe praktische Relevanz. 1038 Zur Kritik an dieser Vorschrift siehe HKK/Thier, Bd. 2/2, §§ 346–359 Rn. 50; Honsell, FS Picker, S. 363 ff.; Kamanabrou, NJW 2003, 30 ff. 1039 BT‑Drucks. 14/6040, S. 196. 1040 AnwKomBGB/Hager, § 346 Rn. 49; HKK/Thier, Bd. 2/2, die §§ 346–359 Rn. 50 (m. w. Nachw.); Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31.
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Da die Rückgewährpflichten der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB als solche einseitig sind und daher zumeist keine wechselseitigen Ansprüche bestehen, die Zug-um-Zug zu erfüllen sein können, könnte erwogen werden, die Verweisung nicht auf § 348 BGB zu erstrecken. Die Rechtsfolgen des Rücktrittsrechts sind, wie noch zu zeigen ist, in den §§ 346–348 BGB geregelt.1041 Um einen Gleichlauf der §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB mit dem Rücktrittsrecht sicherzustellen, sollte es sich bei der Verweisung um eine Bereichsverweisung handeln. Damit wäre auch gewährleistet, dass ausnahmsweise bestehende wechselseitige Ansprüche, die zum Beispiel entstehen können, wenn der Rückgewährschuldner einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 347 Abs. 2 S. 2 BGB hat, nach den Regelungen des Rücktrittsfolgenrechts behandelt werden. Dies ist nur bei einem grundsätzlich vollumfänglichen Verweis auf die Regelungen möglich, die die Rechtsfolgen des Rücktritts bestimmen, auch wenn die Verweisung auf § 348 BGB regelmäßig leerlaufen wird.1042 Auf diesen Erwägungen basiert folgender Vorschlag für eine gesetzgeberische Umsetzung: § 547 Abs. 1 BGB: Ist die Miete für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses im Voraus entrichtet worden, so hat der Vermieter sie nach Maßgabe der §§ 346–348 BGB zurückzuerstatten. Dies gilt in gleicher Weise, wenn die Miete nicht in einer Geldleistung besteht. § 628 Abs. 1 S. 3: Ist die Vergütung für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Voraus entrichtet worden, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe der §§ 346–348 BGB zurückzuerstatten.
4. Fazit zu den §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB Die §§ 547 Abs. 1 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3 BGB enthalten jeweils eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht. Sie stellen spezielle Kondiktionstatbestände außerhalb des Abschnitts der ungerechtfertigten Bereicherung dar und beziehen sich auf die §§ 818–820, 822 BGB. Eine nähere Betrachtung der Auswirkungen der Verweisungen und ein Vergleich mit der Situation im Rücktrittsrecht haben jedoch gezeigt, dass die Verweisung auf das Bereicherungsrecht in den §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB nicht sachgerecht ist. Die Vorschriften sollten vielmehr ausschließlich auf die Regelungen des Rücktrittsfolgenrechts in den §§ 346–348 BGB Bezug nehmen. Dass eine derartige Verweisung ohne Änderungen im Tatbestand 1041
Siehe dazu in Kap. 3, § 2. Siehe ausführl. zu möglichen Anwendungsbereichen des § 348 BGB infolge einer Verweisung in Kap. 3, § 2. 1042
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möglich wäre, weist auf bestehende Parallelen des Bereicherungs- und des Rücktrittsrechts hin. Es zeigt aber auch auf, dass der Rechtscharakter einer Vorschrift nicht nur durch deren Tatbestand, sondern insbesondere auch dadurch bestimmt wird, welche Rechtsfolgen der Gesetzgeber einem Tatbestand zuweist. Wenn die §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB nicht mehr auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts verweisen, handelte es sich bei ihnen auch nicht mehr um Bereicherungsansprüche.
§ 6 Erkenntnisse zu Bereichsverweisungen aufgrund der Untersuchung der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht Bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht handelt es sich mit Ausnahme der §§ 516 Abs. 2 S. 3, 531 Abs. 2, 556g Abs. 1 S. 3 BGB, die deklaratorische Rechtsgrundverweisungen darstellen, um (konstitutive) Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. Konstitutive Rechtsgrundverweisungen auf das Bereicherungsrecht existieren im BGB nicht. Ob derartige Verweisungen auf Rückabwicklungssysteme innerhalb des BGB existieren, bleibt der weiteren Untersuchung vorbehalten. Die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht haben die eingangs entwickelte Annahme bestätigt, dass Rechtsfolgenverweisungen stets konstitutive Wirkung haben. Sämtliche der untersuchten Rechtsfolgenverweisungen haben zudem hinsichtlich des Bereicherungsrechts geltungserweiternde Wirkung. Sie bestätigen damit eine weitere Ausgangsthese. Der Geltungsbereich des Bereicherungsrechts wird ausgedehnt, indem für bestimmte Fälle ein Herausgabeanspruch geschaffen wird, dessen Rechtsfolgen sich nach den §§ 818 ff. BGB richten, in denen die bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen deshalb nicht eingreifen, weil eine oder mehrere ihrer Voraussetzungen nicht vorliegen. Eine Geltungserweiterung findet ferner statt, wenn die Voraussetzungen eines Bereicherungstatbestandes zwar vorliegen, dieser aber in den von der Verweisungsvorschrift erfassten Konstellationen gesperrt und deshalb nicht anwendbar wäre. Die Zuordnung der jeweiligen Verweisung zur Gruppe der Rechtsfolgenverweisungen erfolgte zwar anhand einer Untersuchung der jeweils einzelnen Verweisungsvorschrift. Diese Einzelbetrachtung hat jedoch gezeigt, dass der Grund dafür, dass es sich bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht fast ausschließlich um Rechtsfolgenverweisungen handelt, vor allem in der besonderen Struktur des Bereicherungsrechts zu finden ist. Die Merkmale, die das Bereicherungsrecht prägen, finden sich gerade auch in dessen Rechtsfolgeregelungen. Diese bilden ein in sich geschlossenes System zur Bestimmung des Umfangs eines Herausgabeanspruchs, das verweisende Vorschriften für sich fruchtbar machen. Für Bereichsver-
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weisungen auf das Bereicherungsrecht bedeutet dies, dass die Einordnung der einzelnen Vorschriften in die Kategorie „Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung“ einheitlich nach dem Gebiet bestimmt werden kann, auf das verwiesen wird. Die Art und der Umfang von Verweisungen werden herkömmlicher Weise aufgrund einer Betrachtung der Verweisungsvorschrift ermittelt. Für die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht hat eine umfassende Analyse der Verweisungsvorschriften gezeigt, dass sich generell anhand des Verweisungsobjekts auf den Charakter der Verweisung schließen lässt. Ausgehend vom Verweisungsobjekt lassen sich Verweisungen auf diese Weise systemgerecht der Gruppe der Rechtsgrundoder Rechtsfolgenverweisungen zuordnen. Die §§ 516 Abs. 2 S. 3, 531 Abs. 2, 556g Abs. 1 S. 3 BGB bilden als deklaratorische Rechtsgrundverweisungen Ausnahmen von dieser Regel. Insofern ist einschränkend festzuhalten, dass die Einordnung anhand des Verweisungsobjekts nur für konstitutive Verweisungen, nicht aber für deklaratorische trägt. Deklaratorische Verweisungen haben keine inkorporierende und geltungserweiternde Wirkung hinsichtlich des Verweisungsobjekts. Dieses ist schlicht im Rahmen seines originären Anwendungsbereichs anwendbar. Daher bedarf es insoweit auch keiner Abgrenzung zwischen Rechtsgrundund Rechtsfolgenverweisungen. Ob eine deklaratorische oder konstitutive Verweisung vorliegt, ist daher für die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht vor der Einordnung in die Kategorien „Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisung“ zu prüfen. Da hierzu lediglich zu ermitteln ist, ob die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts bereits von sich aus vorliegen, ist dies jedoch in der Regel auch nicht problematisch. Inwieweit der Rechtscharakter (als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung) sämtlicher Bereichsverweisungen innerhalb des BGB anhand der Eigenarten des Verweisungsobjekts bestimmbar ist, lässt sich allein aufgrund der Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht noch nicht beurteilen und bleibt für die Verweisungen auf Rückabwicklungssysteme der weiteren Untersuchung vorbehalten. Für die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht lässt sich ferner festhalten, dass sich aus der Einordnung als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung entgegen Hadding1043 auf den Umfang der Verweisung schließen lässt. Die Unterscheidung in diese Verweisungsarten erfolgt mithin nicht nur zur begrifflichen Erfassung. Als Bereichsverweisungen sind Rechtsfolgenverweisungen solche Verweisungen, die sich auf die Rechtsfolgeregelungen eines Abschnitts innerhalb eines Gesetzes beziehen. Die nähere Betrachtung des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hat dabei ergeben, dass die Verweisung nicht zwingend im Rechtsfolgenteil einer Vorschrift enthalten sein muss. 1043
Hadding, FS Mühl, S. 225, 254 ff.
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Kapitel 2: Verweisungen auf das Bereicherungsrecht
Sie kann durchaus auch eine Doppelfunktion haben, indem sie zugleich den Gegenstand als auch den Umfang einer Herausgabepflicht bestimmt. Während Rechtsgrundverweisungen auf das Bereicherungsrecht lediglich in Form deklaratorischer Verweisungen existieren, bei denen sich mangels inkorporierender Wirkung der Verweisung keine Fragen zum Verweisungsumfang stellen, lässt sich hinsichtlich Rechtsfolgenverweisungen aus der Einordnung als solche auf ihren Umfang schließen: Infolge einer Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht ist § 818 BGB nebst sämtlicher ihn modifizierender Regelungen des Bereicherungsrechts anwendbar. Dies betrifft die §§ 819, 820, 822 BGB. Auch wenn die §§ 818–820, 822 BGB dem Grunde nach von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht vollständig umfasst sind, läuft die Verweisung hinsichtlich einiger dieser Vorschriften oder hinsichtlich einzelner Absätze der Vorschriften im Einzelfall leer. Davon betroffen sind aufgrund ihres speziellen Zuschnitts vor allem die §§ 819 Abs. 2, 820 BGB. Die Erstreckung auf die §§ 819 Abs. 1, 822 BGB ist hingegen von praktischer Bedeutung. Für Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht lässt sich festhalten, dass sie sich stets vollumfänglich auf die Vorschriften beziehen, die die Rechtsfolgen der bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen näher bestimmen. Im Einzelfall sind deren Voraussetzungen allerdings in modifizierender Form anzuwenden, da die §§ 818–820, 822 BGB an die Voraussetzungen der §§ 812 ff. BGB anknüpfen. Einige dieser Merkmale haben die Verweisungsvorschriften nicht, da sie andernfalls mit den Bereicherungsrechtstatbeständen bereits deckungsgleich wären. Die jeweilige Voraussetzung ist durch eine entsprechende Voraussetzung der Verweisungsnorm zu ersetzen. Die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht beziehen sich auf die §§ 818–820, 822 BGB, ohne dass dafür entscheidend ist, welche Rechtsnatur letztere Regelungen haben. Es kommt vielmehr darauf an, ob und inwieweit sie Teil des Rechtsfolgenregimes des Bereicherungsrechts sind und ihre Anwendung daher geboten ist, wenn auf die Rechtsfolgen dieses Abschnitts verwiesen wird. Die §§ 813–817, 821 BGB sind nicht von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht umfasst, da sie keine Regelungen enthalten, die § 818 BGB modifizieren. Sie sind auf die Vorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht enthalten, dennoch anwendbar, da die Verweisungsvorschriften spezielle Kondiktionstatbestände darstellen, für die das Bereicherungsrecht als lex generalis gilt. Durch die Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht wird der Rechtscharakter der Verweisungsvorschrift mitbestimmt. Das Bereicherungsrecht prägt als Verweisungsobjekt die Rechtsfolgen der jeweiligen Verweisungsvorschrift, da sich der Rechtscharakter einer Regelung sowohl nach ihrem Tatbestand als
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auch nach ihren Rechtsfolgen bestimmt. Die Verweisungsvorschrift wird auf diese Weise nicht zu einer ausschließlich bereicherungsrechtlichen Regelung. Es handelt sich vielmehr um spezielle Kondiktionstatbestände, deren Rechtsnatur sowohl durch den Regelungskomplex der Verweisungsvorschrift als auch durch den des Verweisungsobjekts bestimmt wird. Das Bereicherungsrecht fungiert durch die systematische Verweisung auf diesen Rechtsbereich für sämtliche Kondiktionen, auch wenn sie außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung geregelt sind, wie ein allgemeiner Teil. Die §§ 818 ff. BGB gelten aufgrund der Verweisung in gleicher Weise für sämtliche Kondiktionstatbestände, wie die §§ 249 ff. BGB für sämtliche Schadensersatzansprüche und die §§ 346 ff. BGB für Rücktritte gelten. Hierin zeigt sich die Parallele der Regelungstechniken der Verweisung und des allgemeinen Teils eines Gesetzbuchs. Diese Wirkung, die durch die Verweisung hervorgerufen wird, begründet zugleich die Anwendbarkeit der §§ 813, 814, 815, 817 S. 2, 821 BGB, obwohl letztere eigentlich nicht von der Rechtsfolgenverweisung erfasst sind. Die §§ 547 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB enthalten Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht. Die Untersuchung hat allerdings gezeigt, dass diese Verweisungen sich systemkonform besser auf das Rücktrittsrecht beziehen sollten, obwohl es sich in der derzeitigen Form um spezielle Kondiktionstatbestände handelt. Die Zuweisung einer anderen Rechtsfolge änderte deren Rechtscharakter. Daran zeigt sich, dass die Rechtsnatur einer Vorschrift nicht ausschließlich durch deren Tatbestand, sondern vielmehr durch dessen Zusammenspiel mit der jeweiligen Rechtsfolgenanordnung bestimmt wird.
Kapitel 3
Verweisungen auf den Rücktritt Das Bürgerliche Gesetzbuch verweist an vielen Stellen auf Regelungen des Rücktrittsrechts. Anders als bei den meisten Verweisungen auf das Bereicherungsrecht sind die Formulierungen der Verweisungsvorschriften äußerst heterogen. Sie reichen von einer Inbezugnahme einer oder mehrerer konkret benannter Vorschriften (z. B. in den §§ 281 Abs. 5, 326 Abs. 5, 440 S. 1, 628 Abs. 1 S. 3 BGB) über die Vorgabe, eine Leistung könne „unter den für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen“ zurückgefordert werden (so in § 527 Abs. 1 BGB), bis hin zu der hinsichtlich des Rücktritts nicht näher spezifizierten Angabe, eine Partei könne „statt zurückzutreten“ mindern (so in den §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei Vorschriften, wie zum Beispiel § 313 Abs. 3 BGB, die einer Partei die Möglichkeit eröffnen, „vom Vertrag zurückzutreten“, ist gar fraglich, ob es sich überhaupt um Verweisungen handelt. Trotz der nicht unerheblichen Anzahl von Verweisungen auf das Rücktrittsrecht im BGB gibt es kaum Diskussionen um deren Reichweite. Eine Unterscheidung in Rechtsgrundverweisungen und Rechtsfolgenverweisungen wird selten vorgenommen, obwohl das Rücktrittsrecht mit den §§ 323 ff. BGB Regelungen bereithält, die die Voraussetzungen eines Rücktritts bestimmen, und an anderer Stelle, in den §§ 346 ff. BGB, die Folgen eines Rücktritts regelt. Damit weist es eine mit dem Bereicherungsrecht vergleichbare Regelungsstruktur auf. Im Bereicherungsrecht gibt es einerseits Vorschriften, die einen Anspruch begründen und andererseits solche, die dessen Umfang im Einzelnen ausgestalten. Beim Rücktritt als einem Gestaltungsrecht entsprechen dem die Begründung des Rücktrittsrechts einerseits und die Regelung der Rechtsfolgen des Rücktritts andererseits. Dennoch bestehen hinsichtlich der Reichweite von Verweisungen auf „den Rücktritt“ keine mit denen um die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht vergleichbaren Diskussionen über den Verweisungsumfang. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich einige Verweisungen auf Vorschriften über den Rücktritt ausdrücklich auf spezielle Regelungen, vor allem auf § 323 BGB oder die §§ 346–348 BGB, beziehen und dadurch bereits eine der sich im Zusammenhang mit dem Bereicherungsrecht stellenden Fragen – die nach dem Bezugspunkt der Verweisung – durch die Verweisungsvorschriften beantwortet ist. Ferner befinden sich die Regelungen über den Rücktritt
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
vom Vertrag im allgemeinen Schuldrecht und gelten daher der Regelungssystematik des BGB nach grundsätzlich für sämtliche Rücktrittsrechte des Schuldrechts – gesetzliche wie vertragliche. Anders als im Bereicherungsrecht, bei dem die §§ 818 ff. BGB von sich aus lediglich für die §§ 812 ff. BGB gelten und deren Geltung daher extern angeordnet werden muss, wenn sie auf Herausgabeansprüche außerhalb dieses Regelungsbereichs angewendet werden sollen, gibt das Rücktrittsrecht in § 346 Abs. 1 BGB für sämtliche Rücktrittsrechte, unabhängig von ihrem Standort im BGB oder gar in einem Vertrag, vor, dass die §§ 346 ff. BGB die Wirkungen eines Rücktritts regeln. Die §§ 346 ff. BGB sind daher für dieses Gestaltungsrecht flächendeckend anwendbar, wohingegen die Anwendbarkeit der §§ 818 ff. BGB speziell auf die Herausgabeansprüche nach den §§ 812 ff. BGB beschränkt ist. Andere Herausgabeansprüche unterliegen dagegen dem Grunde nach nicht den Regelungen der §§ 818 ff. BGB. Anders als bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, die sämtlich Bereichsverweisungen sind, wird auf das Rücktrittsrecht in unterschiedlicher Weise und unter Bezugnahme auf verschiedene, teils konkret benannte Vorschriften verwiesen. Mitunter wird nur eine konkrete Vorschrift oder werden sogar nur Teile einer konkret benannten Regelung in Bezug genommen. Daher liegt es nahe, dass es sich nicht bei allen Verweisungen auf das Rücktrittsrecht um Bereichsverweisungen handelt. Wo allerdings die Grenze zwischen einer Einzelverweisung und einer Bereichsverweisung verläuft, wenn eine Verweisungsvorschrift mehrere Verweisungsobjekte normgenau zitiert, ist fraglich. Die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht werden daher im Folgenden sämtlich auf ihren Verweisungscharakter und auf die Frage hin untersucht, ob es sich bei ihnen um Bereichs- oder um Einzelverweisungen handelt. Eine Untersuchung der Verweisungsvorschriften, die auf das Rücktrittsrecht Bezug nehmen, soll zeigen, worin genau deren Besonderheit liegt, ob eine Systematisierung dieser Regelungen möglich ist und welche Erkenntnisse sich hieraus für das System der Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme innerhalb des BGB ergeben. Schließlich sollen die aus der Betrachtung der Verweisung auf das Bereicherungsrecht gewonnenen Ergebnisse, soweit noch erforderlich, überprüft und mit denen zu den Verweisungen auf den Rücktritt verglichen werden. Die Analyse betrachtet zunächst solche Verweisungen, die auf eine oder mehrere Regelungen der §§ 323 ff. BGB verweisen (unter § 1), sodann die, die sich ausdrücklich auf eine oder mehrere Vorschriften der §§ 346 ff. BGB beziehen (unter § 2), und wendet sich schließlich Vorschriften zu, die allgemein von einem Rücktritt oder Rücktrittsrecht sprechen, um festzustellen, ob es sich hierbei überhaupt um Verweisungen handelt, und wenn ja, welchen Umfang diese haben (unter § 3).
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB Einige Regelungen im BGB verweisen auf Vorschriften über den Rücktritt, indem sie einzelne Vorschriften in Bezug nehmen, in denen Rücktrittsrechte geregelt sind. Dies geschieht sprachlich entweder durch die konkrete Benennung des § 323 BGB oder Teilen dieser Vorschrift und/oder des § 326 (Abs. 5) BGB. Daneben existiert mit § 527 BGB im Schenkungsrecht eine Vorschrift, die die Herausgabe eines Geschenks unter den „für das Rücktrittsrecht bestimmten Voraussetzungen“ anordnet. Die §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB ermöglichen zudem eine Minderung, „statt zurückzutreten“. Wie zu zeigen ist, gibt es unter diesen Verweisungen sowohl deklaratorische als auch konstitutive.
I. Deklaratorische Verweisungen auf das Rücktrittsrecht 1. § 275 Abs. 4 BGB § 275 Abs. 4 BGB verweist hinsichtlich der Rechte des Gläubigers auf § 326 BGB, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1–3 BGB von der Leistung frei ist. Da § 326 BGB die Befreiung von der Leistungspflicht gem. § 275 Abs. 1–3 BGB voraussetzt, hätte es dieser Verweisung nicht bedurft, um § 326 Abs. 5 BGB im Fall der Unmöglichkeit hinsichtlich eines möglichen Rücktrittsrechts des Gläubigers anzuwenden. § 326 Abs. 5 BGB ist vielmehr gerade für diese Fälle geschaffen worden1 und somit originär anwendbar. Der Verweis auf diese Vorschrift in § 275 Abs. 4 BGB ist demnach lediglich hinweisend, das heißt deklaratorischer Natur. Ferner handelt es sich um eine Einzelverweisung, da die Verweisungen in § 275 Abs. 4 BGB ausschließlich auf einzelne Rechte des Gläubigers Bezug nehmen. 2. §§ 440 S. 1, 636 BGB Die §§ 440 S. 1, 636 BGB enthalten für das kauf- und werkvertragliche Mängelgewährleistungsrecht Regelungen, die im Zusammenhang mit dem Nacherfüllungsanspruch stehen und nach denen eine Fristsetzung u. a. beim Rücktritt unter den dort bestimmten Voraussetzungen entbehrlich ist. Sie weisen zusätzlich darauf hin, dass die Fristsetzung daneben auch nach den allgemeinen Vorschriften entbehrlich sein kann („außer in den Fällen“ des „§ 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn […]“). Da sich der Rücktritt vom Kauf- oder Werkvertrag wegen eines Mangels des Vertragsgegenstandes nach § 323 BGB richtet (siehe auch § 437 Nr. 2 1 Siehe die Erörterungen zur Funktion des Rücktrittsrechts in § 326 BGB: BT‑Drucks. 14/6040, S. 183 f., 188 f.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
und § 634 Nr. 3 BGB), bestimmt die Ausnahme vom Fristsetzungserfordernis nach § 323 Abs. 2 BGB ohnehin die Ausübung des Rücktrittsrechts bei Mangelhaftigkeit einer Kaufsache oder eines Werks. 2 Einer diesbezüglichen Anordnung durch die §§ 440 S. 1, 636 BGB hätte es demnach nicht bedurft.3 Der Wortsinn der §§ 440 S. 1, 636 BGB legt auch vielmehr nahe, dass diese Vorschriften lediglich ausdrücklich bestimmen wollten, dass der in ihnen angeordnete Verzicht auf das Fristsetzungserfordernis neben die sonstigen Entbehrlichkeitstatbestände tritt und diese ergänzt.4 a) Überlegungen zum Vorrang der §§ 440 S. 1, 636 BGB als leges speciales Dem Verweis auf § 323 Abs. 2 BGB könnte dennoch konstitutive Wirkung zukommen, wenn § 323 Abs. 2 BGB ohne diese Anordnung durch die §§ 440 S. 1, 636 BGB als leges speciales verdrängt würde. Dass die Frage, welche der Vorschriften vorrangig ist, durch die Regelung in § 440 S. 1 BGB jedoch keinesfalls eindeutig vorgegeben wird, zeigt sich schon daran, dass das Verhältnis von § 323 Abs. 2 BGB und § 440 S. 1 BGB in zahlreichen Fällen diskutiert wird.5 Zudem überschneiden sich die Regelungsbereiche des § 323 Abs. 2 BGB und der §§ 440 S. 1, 636 BGB nicht vollständig, sondern lediglich partiell. Bereits deshalb besteht zwischen ihnen kein Vorrangverhältnis, aufgrund dessen eine dieser Regelungen grundsätzlich zurücktritt. Sie ergänzen sich vielmehr. Wenn die Regelungsbereiche sich überschneiden, wird regelmäßig auf die Vorschrift zurückgegriffen, die am ehesten greift. Derartige Überschneidungen können beispielsweise zwischen § 440 S. 1 3. Fall BGB und § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB auftreten, wenn eine Nacherfüllung dem Käufer nicht zumutbar ist: § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB sieht hinsichtlich der Frage nach dem Vorliegen besonderer Umstände, die unmittelbar zum Rücktritt berechtigen, eine Interessenabwägung vor. § 440 S. 1 3. Fall BGB stellt demgegenüber ausschließlich einseitig auf die Unzumutbarkeit für den Käufer ab.6 Letzterer sieht die Fristsetzung somit unter aus Käufersicht weniger 2 Abweichungen
ergeben sich, wenn ein Fall des § 326 Abs. 5 BGB vorliegt, der jedoch bereits selbst die Voraussetzungen aufstellt, unter denen die Fristsetzung entbehrlich ist. 3 Zu der Frage, ob es der Anordnung in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB überhaupt bedurft hätte, siehe in diesem Paragrafen unter 3. b). 4 Zur Ergänzungsfunktion des § 440 S. 1 BGB BT‑Drucks. 14/6040, S. 233; BeckOGK/Höpfner, § 440 BGB Rn. 3. 5 Während § 440 S. 1 3. Fall BGB vereinzelt als lex specialis zu § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB angesehen wird (Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 371, 390), sehen andere die Tatbestände des § 323 Abs. 2 BGB gegenüber § 440 S. 1 BGB zumindest dann als vorrangig an, wenn die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 BGB vorliegen (BeckOGK/Höpfner, § 440 BGB Rn. 3; Zimmermann/Eckhold, Jura 2002, 145, 150 [§ 440 BGB gehe weitgehend in § 323 Abs. 2 BGB auf]). 6 BGH vom 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153, 154 (Rn. 20); Mankowski,
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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strengen Voraussetzungen als entbehrlich an und greift insoweit vorrangig ein. Ein Rückgriff auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 ist in diesem Fall nicht mehr erforderlich. Im Übrigen können sowohl § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB als auch § 440 S. 1 BGB einschlägig sein, wenn der Verkäufer die vom Käufer verlangte Nacherfüllung unter Berufung auf § 439 Abs. 4 BGB verweigert und der Käufer daher vom Vertrag zurücktreten möchte.7 Da die Schwelle zu einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB hoch und die des § 440 S. 1 BGB in Verbindung mit § 439 Abs. 4 BGB niedriger ist – insbesondere wenn man ein Berufen auf § 440 S. 1 BGB auch bei unberechtigter Nacherfüllungsverweigerung zulässt8 –, ist die Fristsetzung in diesen Fällen vielfach gemäß § 440 S. 1 BGB entbehrlich. b) Vorgehen der Rechtsprechung Betrachtet man das Vorgehen der Rechtsprechung, fällt auf, dass sie ebenfalls kein zwingendes Vorrangverhältnis zugrunde legt. Der BGH nennt die §§ 323 Abs. 2, 440 S. 1 BGB in der Regel zunächst nebeneinander. In seiner Begründung geht er auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB sodann jedoch regelmäßig nicht ein, wenn zumindest § 440 S. 1 BGB eingreift9 oder die Schwelle des § 440 S. 1 BGB hinsichtlich der Unzumutbarkeit auf Seiten des Käufers schon nicht erreicht ist.10 Umgekehrt stellt der Gerichtshof direkt auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ab, wenn er dessen Voraussetzungen als gegeben erachtet. NJW 2017, 156; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 440 Rn. 24. Siehe auch die entspr. Differenzierung in BT‑Drucks. 14/6040, S. 233. 7 Beruft der Verkäufer sich nicht auf § 439 Abs. 4 BGB, liegt ohnehin kein Fall von § 440 S. 1 BGB vor und die Fristsetzung kann allenfalls gemäß § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich sein. Siehe BeckOGK/Höpfner, § 440 BGB Rn. 13; Erman/Grunewald, BGB, § 440 Rn. 2; NK‑BGB/Büdenbender, § 440 Rn. 5. 8 Ob § 440 S. 1 BGB nur bei berechtigter Nacherfüllungsverweigerung gemäß § 439 Abs. 4 BGB oder auch bei unberechtigter Weigerung unter Berufung auf § 439 Abs. 4 BGB anwendbar ist, ist streitig. Dazu BeckOGK/Höpfner, § 440 BGB Rn. 15; NK‑BGB/Büdenbender, § 440 Rn. 9. 9 BGH vom 18.1.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666, 1668 (Rn. 34); BGH vom 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153, 154 (Rn. 20); BGH vom 13.7.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654, 3655 (Rn. 37 ff.). 10 BGH vom 23.1.2013 – VIII ZR 140/12, NJW 2013, 1523, 1524 ff. (Rn. 23 ff.). Strenggenommen müsste der BGH sich in den letztgenannten Fällen noch fragen, ob § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB eingreift, weil die Nacherfüllung dem Käufer zwar nicht per se unzumutbar ist, das Interesse des Verkäufers an einer Nacherfüllung aber im Vergleich dennoch hinter das Käuferinteresse zurücktreten müsste (vgl. BeckOK BGB/Faust, § 440 Rn. 27; Cziupka, NJW 2015, 1669, 1671; Looschelders, Schuldrecht BT, § 4 Rn. 35). Allerdings kann § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB insoweit nur einschlägig sein, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für ein geringes Interesse des Verkäufers an der zweiten Andienung vorliegen. Denn nur dann könnte bei einer fehlenden Unzumutbarkeit allein aus Käufersicht im Vergleich mit den Interessen des Verkäufers doch noch ein überwiegendes Interesse des Käufers am sofortigen Rücktritt bestehen.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
In dieser Weise greift er namentlich bei arglistigen Täuschungen durch den Verkäufer zugunsten des Käufers auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB zurück,11 ohne dass er sich damit auseinandersetzen müsste, ob die arglistige Täuschung das Vertrauen auf Käuferseite derart zerstört hat, dass ihm eine Nacherfüllung bereits bei einseitiger Betrachtung seiner Interessen unzumutbar im Sinne von § 440 S. 1 3. Fall BGB ist.12 Das Vorgehen der Rechtsprechung folgt daher keinem zwingenden Vorrangprinzip hinsichtlich eines der genannten Ausnahmetatbestände. Es spricht vielmehr ebenfalls dafür, dass die Vorschriften nebeneinander stehen. Wenn bereits einer der Tatbestände eingreift und die Fristsetzung danach entbehrlich ist, bedarf es keines Rückgriffs auf den anderen mehr und umgekehrt. c) Fazit zum Verhältnis der §§ 440 S. 1, 636 BGB zu § 323 Abs. 2 BGB Die Nennung des § 323 Abs. 2 BGB ist in den §§ 440 S. 1, 636 BGB daher nicht im Sinne einer strengen Durchbrechung einer Vorrangregelung zu verstehen. Sie stellt lediglich klar, dass die kauf- und werkvertraglichen Regelungen die allgemeine Vorschrift zur Entbehrlichkeit der Frist ergänzen. Da die Vorschriften dieselbe Rechtsfolge haben, ist es im Ergebnis nicht wichtig, nach welcher Vorschrift die Fristsetzung entbehrlich ist, wenn im Einzelfall sowohl die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 BGB als auch die des § 440 S. 1 BGB oder des § 636 BGB erfüllt sind.13 Ein etwaiges Spezialitätsverhältnis wirkt sich daher im Ergebnis nicht aus, wenn die Voraussetzungen beider Vorschriften vorliegen. Liegen hingegen nur die einer dieser Regelungen vor, ist die Fristsetzung hiernach entbehrlich, ohne dass die 11 BGH vom 26.4.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292, 3295 (Rn. 29); BGH vom 9.1.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371, 1372 (Rn. 19 f.); BGH vom 8.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836 (Rn. 12 ff.). Krit. Gutzeit, NJW 2008, 1359 ff. 12 Siehe BGH vom 9.1.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371, 1372 (Rn. 18). Die Bedeutung des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB gegenüber § 440 S. 1 3. Fall BGB sehen BeckOK BGB/Faust, § 440 Rn. 27; Cziupka, NJW 2015, 1669, 1671; Looschelders, Schuldrecht BT, § 4 Rn. 35 darin, Fälle zu erfassen, in denen die Nacherfüllung dem Käufer noch zumutbar ist, wenn man allein seine Interessen betrachtet, sein Interesse am sofortigen Rücktritt das des Verkäufers an der Nacherfüllungsmöglichkeit im Vergleich aber dennoch überwiegt. 13 Vgl. MünchKommBGB/Busche, § 636 Rn. 11 zur Entbehrlichkeit einer Abgrenzung im Einzelfall. I. Ü. wird sowohl angenommen, § 440 BGB sei unbeachtlich, wenn schon § 323 Abs. 2 BGB eingreife (BeckOGK/Höpfner, § 440 BGB Rn. 3; NK‑BGB/ Büdenbender, § 440 Rn. 5 [ggf. zusätzl. Berufen auf § 440 BGB sinnvoll]), als auch dass diese Entbehrlichkeitstatbestände alternativ nebeneinander stehen (Staudinger/ atusche-Beckmann, BGB, § 440 Rn. 1). Siehe auch Oetker/Maultzsch, Vertragliche M Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 269, die § 440 BGB zwar dem Wortsinn nach für nachrangig halten, ihn aber für weitgehend leerlaufend erachten, wenn insofern stets § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB anzuwenden sei. Ferner Looschelders, Schuldrecht BT, § 4 Rn. 35, der eine vorrangige Prüfung des § 440 S. 1 3. Fall BGB empfiehlt, sie aber nicht als zwingend bewertet.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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Existenz der jeweils anderen Vorschrift deren Anwendung sperrt.14 Die Nennung des § 323 Abs. 2 BGB in den §§ 440 S. 1, 636 BGB stellt demnach zwar durchaus eine Verweisung im Sinne einer Bezugnahme einer Vorschrift auf eine andere dar. Da diese sich jedoch in einem Hinweis auf die Geltung der Vorschrift des § 323 Abs. 2 BGB erschöpft, hat sie lediglich deklaratorischen Charakter. Als solche handelt es sich jeweils um eine Rechtsgrundverweisung.15 Diese Rechtsgrundverweisungen sind keine Bereichs-, sondern Einzelverweisungen, weil sie sich nicht auf das Rücktrittsrecht im Allgemeinen, sondern ausschließlich auf den Teil einer rücktrittsrechtlichen Vorschrift beziehen, der die Entbehrlichkeit eines Fristsetzungserfordernisses regelt. 3. §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB Die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB werden überwiegend als Rechtsgrundverweisungen angesehen.16 Vereinzelt wird § 437 BGB jedoch auch in Teilen als Rechtsfolgen- und nur im Übrigen als Rechtsgrundverweisung eingeordnet, wobei letzterem Charakter entscheidendes Gewicht zukomme.17 Unter den Befürwortern einer Rechtsgrundverweisung ist insbesondere im Zusammenhang mit den Verweisungen in § 437 BGB umstritten, ob es sich um deklaratorische oder konstitutive Rechtsgrundverweisungen handelt.18
14 Daher kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob man im Fall der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer die Fristsetzung mit dem BGH nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB für entbehrlich erachtet (BGH vom 26.4.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292, 3295 [Rn. 29]; BGH vom 9.1.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371, 1372 [Rn. 19 f.]; BGH vom 8.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836 [Rn. 12 ff.]; krit. Gutzeit, NJW 2008, 1359 ff.) oder auf § 440 S. 1 BGB zurückgreift (Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 341). 15 Siehe dazu bereits in Kap. 1, § 2 II., IV. 16 Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 56 f. (für §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB); Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 27. Für § 437 BGB BeckOGK/Höpfner, § 437 BGB Rn. 2; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 120; Heyers/Heuser, NJW 2010, 3057, 3058; Lorenz, JZ 2001, 742, 743; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 1; PWW/Schmidt, § 437 BGB Rn. 1; Schall, NJW 2011, 343, 344 f.; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 88; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 11; Im Grundsatz ebenso, aber diff. NK‑BGB/Büdenbender, § 437 Rn. 4 f. Für § 634 BGB Herresthal/ Riehm, NJW 2005, 1457, 1459. 17 NK‑BGB/Büdenbender, § 437 Rn. 5. 18 Für eine konsitutive Rechtsgrundverweisung PPW/Schmidt, § 437 BGB Rn. 1; Schall, NJW 2011, 343, 344 f. Für eine deklaratorische Rechtsgrundverweisung wohl NK‑BGB/Büdenbender, § 437 in Rn. 2, allerdings differenzierend in Rn. 5; Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 57, 150 f. (nur klarstellende Funktion); Wall, ZGS 2011, 166, 167 f.; wohl auch Roth, JZ 2001, 543, 547, der die Vorschrift in ihrer jetzigen Form als überflüssig ansieht.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
a) Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung Der teilweise Charakter des § 437 Nr. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung soll sich daraus ergeben, dass die von § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich vorausgesetzte nicht vertragsgemäße Leistung bereits durch die in den §§ 434, 435 BGB verlangte Sach- und Rechtsmängelfreiheit vorgegeben sei.19 Eine eigenständige Prüfung anhand des § 323 Abs. 1 BGB habe insoweit nicht zu erfolgen. Unabhängig davon, ob diese Aussage zutrifft, 20 kann ein derartiges Verständnis der Vorschrift, nach dem die Verweisung sich zwar grundsätzlich auf § 323 BGB, aber nicht auf dessen sämtliche Voraussetzungen erstreckt, die Einordnung als Rechtsfolgenverweisung nicht tragen. Der Ansatz, nach dem die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 323 BGB infolge der Verweisung durchaus zu prüfen sind, 21 führte allenfalls dazu, dass § 437 Nr. 2 BGB als partielle Rechtsgrundverweisung einzuordnen ist.22 Die Verweisung in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB ist insoweit genau bestimmt, als sie die anwendbaren Vorschriften einzeln benennt. Für das Rücktrittsrecht sind dies die §§ 323, 326 Abs. 5 BGB. Da diese Vorschriften im allgemeinen Schuldrecht die Voraussetzungen der Begründung eines Rücktrittsrechts regeln, handelt es sich um eine Verweisung auf Voraussetzungen zur Rechtsbegründung und mithin um Rechtsgrundverweisungen. Eine Rechtsfolgenverweisung läge nur vor, wenn die Verweisungsvorschriften nur die Rechtsfolge des § 323 BGB, das heißt das Entstehen eines Rücktrittsrechts unter den Voraussetzungen des § 437 Nr. 2 BGB oder des § 634 Nr. 3 BGB, in Bezug nähme oder wenn sie sich auf Verweisungsobjekte erstreckte, die die Rechtsfolgen des Rücktritts näher bestimmen. Da nach allen Ansichten in den Fällen der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 323 BGB zu prüfen sind, 23 handelt es sich nicht um eine Verweisung, die sich ausschließlich auf die Rechtsfolge dieser Vorschrift bezieht. Ferner erstreckt sich die Verweisung nicht ausschließlich auf Verweisungsobjekte, die die Rechtsfolgen des Rücktritts näher bestimmen. Dies wären zum Beispiel die §§ 346 ff. BGB, die in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB jedoch gerade nicht ausdrücklich in Bezug genommen sind.24 19 NK‑BGB/Büdenbender, § 437 Rn. 5. 20 Dazu im Folgenden unter b) aa) (3). 21 NK‑BGB/Büdenbender,
§ 437 Rn. 5 f.
22 So konsequenterweise Schall, NJW 2011, 343, 344 f. 23 Bei einer Einordnung als Rechtsgrundverweisung
ist dies ohnehin erforderlich, NK‑BGB/Büdenbender, § 437 Rn. 5 f., der insofern differenziert, stimmt in diesem Punkt aber ebenfalls zu und sieht insoweit eine Rechtsgrundverweisung gegeben. 24 Dies heißt freilich nicht, dass sie in diesen Fällen nicht anwendbar sind. Ihre Anwendbarkeit ergibt sich vielmehr aus der Anbindung an die in den §§ 323, 326 Abs. 5 BGB geregelten Rücktrittsrechte. Siehe allg. zur Anwendbarkeit der §§ 346 ff. BGB zur näheren Bestimmung der Rechtsfolgen eines Rücktritts in diesem Kap. in § 2.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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Wenn die §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB nach alledem Rechtsgrundverweisungen darstellen, bleibt die Frage, ob es sich bei ihnen um deklaratorische oder konstitutive Verweisungen handelt. b) Konstitutive oder deklaratorische Rechtsgrundverweisung Als deklaratorische Verweisungen wären die Verweisungen in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB vollumfänglich, da die maßgeblichen Verweisungsobjekte in diesen Fällen bereits von sich aus anwendbar sind – dafür müssen denknotwendig deren Voraussetzungen vorliegen. Als konstitutive Rechtsgrundverweisungen würden die Verweisungen hingegen in der Regel lediglich partiell wirken, denn bei einer vollumfänglichen Verweisung müssten zur Rechtsbegründung sämtliche Voraussetzungen des Verweisungsobjekts vorliegen. Ist dies der Fall, ist das Verweisungsobjekt allerdings bereits von sich aus anwendbar und die Verweisung könnte lediglich deklaratorische Wirkung entfalten. Ausnahmsweise gilt Abweichendes, wenn das Verweisungsobjekt in den Sachverhalten, die der Verweisungsvorschrift zugrunde liegen, nur deshalb nicht anwendbar ist, weil seine Anwendung aufgrund einer konkludenten oder ausdrücklichen Anordnung gesperrt ist. 25 Dient die Verweisung einzig und allein der Aufhebung dieser Sperrwirkung, können die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts in den Sachverhaltskonstellationen, die der Verweisungsvorschrift zugrunde liegen, sämtlich vorliegen, ohne dass das Verweisungsobjekt, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, bereits von sich aus anwendbar wäre. Es ist zu klären, ob die Verweisung aus einem der beiden genannten Gründe als Rechtsgrundverweisung konstitutiven Charakter hat oder ob sie lediglich deklaratorisch wirkt. aa) Umfang der Inbezugnahme der Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts Ob die Verweisung der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB auf die §§ 323, 326 Abs. 5 BGB sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der letztgenannten Vorschriften umfasst und demnach lediglich deklaratorisch wirkt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Anhaltpunkte für das Verständnis der Normen ergeben sich aus ihrem Wortsinn, der Entstehungsgeschichte sowie ihrer Systematik. (1) Wortsinn der Vorschriften In den Einleitungssätzen der §§ 437, 634 BGB werden die in den jeweiligen Nummern geregelten Ansprüche unter den Vorbehalt gestellt, dass die Vo25 So
z. B. bei den §§ 988, 993 Abs. 1 1. HS BGB, die die Anwendung des Bereicherungsrechts eröffnen, oder des § 992 BGB, der die Anwendbarkeit des Deliktsrecht ermöglicht, die eigentlich im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses jeweils unanwendbar sind (§ 993 Abs. 1 2. HS a. E. BGB).
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
raussetzungen der dort genannten Regelungen vorliegen. Da die §§ 437, 634 BGB diesbezüglich keine Einschränkungen machen, deutet dies auf eine vollumfängliche Verweisung hin. Eine einschränkende Anwendung des Verweisungsobjekts kann in der Formulierung einer Verweisung, zum Beispiel durch den Zusatz „entsprechende Anwendung“, angedeutet sein.26 Der Umfang von Rechtsgrundverweisungen ist jedoch im BGB auch in Fällen problematisch, in denen die Verweisungsvorschrift ihrer Formulierung nach keine einschränkende Anwendung vorzeichnet. Dies zeigen insbesondere die Streitfragen um die Reichweite der Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag (z. B. § 994 Abs. 2 BGB). Zu diesen Vorschriften besteht häufig Streit darüber, ob das Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens von der Verweisung umfasst und diese demnach vollumfänglich ist oder ob sie lediglich partiell wirkt, obwohl die Verweisungsvorschrift nicht nur eine entsprechende Anwendung anordnet oder eine vergleichbare Einschränkung vorgibt. 27 Die Formulierung der Verweisung ist daher für die Frage, ob sie als Rechtsgrundverweisung vollumfänglich ist oder nicht, nicht entscheidend. Entsprechende Einschränkungen hinsichtlich der Anwendbarkeit des Verweisungsobjekts ergeben sich bei partiellen Rechtsgrundverweisungen in aller Regel vielmehr insofern aus der Verweisungsvorschrift, als diese eine bestimmte Ausgangslage vor Augen hat, die nicht mit der des Verweisungsobjekts identisch ist. Zwischen dem Verweisungsobjekt und der Verweisungsvorschrift bestehen zwar stets Parallelen, die die Verweisung überhaupt rechtfertigen, die Vorschriften sind aber naturgemäß nicht deckungsgleich. Bei einer vollständigen Übereinstimmung wäre die Verweisung überflüssig, weil sich der Anspruch oder das Recht allein aus dem Verweisungsobjekt ergäbe, dessen Voraussetzungen dann automatisch gleichfalls gegeben wären. Die Verweisung kann in dem Fall nur deklaratorischer Natur sein, wenn nicht ein Sonderfall, wie der der Beseitigung einer Sperrwirkung, vorliegt.28 (2) Entstehungsgeschichte Die Materialien, die die Entwicklung der Neuregelung der §§ 437, 634 BGB im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 dokumentieren, deuten eher auf den Charakter der Verweisung als vollumfängliche und dadurch deklaratorische Rechtsgrundverweisung hin.29 Der Gesetzgeber 26 Zu dieser Formulierung siehe noch ausführl. im weiteren Verlauf der Untersuchung, beginnend ab II. 1. 27 Siehe beispielhaft zu den Streitfragen zu § 994 Abs. 2 BGB Soergel/Stadler, § 994 Rn. 9; Staudinger/Gursky, BGB, § 994 Rn. 23 m. w. Nachw. 28 Siehe dazu in Kap. 4, § 1. 29 Zu § 634 BGB gibt es wenig spezifische Erläuterungen. Die Begründung verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen zu § 437 BGB: BT‑Drucks. 14/6040, S. 261. Diese gelten daher auch für § 634 BGB.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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wollte durch die Neuregelung des kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsrechts unter anderem eine Vereinheitlichung von allgemeinem Leistungsstörungsrecht und besonderem Gewährleistungsrecht erreichen, da er die vorherige Rechtslage als unbefriedigend empfunden hat.30 In den Materialien ist daher nicht die Rede von den in § 437 BGB geschaffenen oder geregelten, sondern von den dort aufgezählten Rechten. Dort wird ferner ausdrücklich die Intention der Vorschrift damit benannt, die vormalige eigenständige Regelung des Gewährleistungsrechts zu beseitigen und letzteres stattdessen in das allgemeine Leistungsstörungsrecht einzugliedern.31 Die allgemeinen Regelungen gäben auch für die Rechte des Bestellers ein angemessenes Regelungsmodell vor.32 Dies spricht dafür, dass es sich nicht um eine eigenständige Regelung bestimmter Rechte – im Fall der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB konkret von Rücktrittsrechten – handelt, sondern dass hierdurch lediglich auf die Geltung der Bestimmungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts hingewiesen werden sollte.33 Das Gewährleistungsrecht ist trotz des Rückgriffs auf die allgemeinen Regelungen eigenständig.34 Es setzt sich aus den anwendbaren Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und deren Ergänzung und gegebenenfalls Modifikation durch die Regelungen der besonderen gewährleistungsrechtlichen Vorschriften zusammen. (3) Systematik Unter systematischen Gesichtspunkten sprechen verschiedene Aspekte für eine deklaratorische Wirkung der Rechtsgrundverweisungen in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB. (a) Originärer Anwendungsbereich des § 323 Abs. 1 BGB Ein Blick auf den Anwendungsbereich des § 323 Abs. 1 BGB zeigt weitere Aspekte, die die anhand der Gesetzgebungsmaterialen gewonnenen Erkenntnisse bestätigen. § 323 Abs. 1 BGB erfasst Nicht- oder Schlechtleistungen bei gegenseitigen Verträgen und ermöglicht dem Gläubiger in diesen Fällen den Rücktritt vom Vertrag, wenn er dem Schuldner zuvor eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat und diese erfolglos verstrichen 30
BT‑Drucks. 14/6040, S. 86 ff.; 94, 219, 221. BT‑Drucks. 14/6040, S. 94. BT‑Drucks. 14/6040, S. 262. 33 Von einer der Übersichtlichkeit halber erfolgten Zusammenfassung spricht Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 70. 34 Dazu Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 70; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 1; Schwarze, Leistungsstörungen, § 20 Rn. 8, 11 (unter Annahme einer „zweispurigen Regelung“ von allgemeinem und besonderem Leistungsstörungsrecht und daher einer modifizierten Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts im Kauf- und Wervertragsrecht). 31 32
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ist. Leistet der Verkäufer beim Kaufvertrag eine mangelhafte Sache oder erbringt der Unternehmer beim Werkvertrag eine mangelhafte Werkleistung, liegt darin eine nicht vertragsgemäße Leistung im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB,35 wobei Inhalt und Umfang der Leistungspflicht durch die Regelungen des Kauf- und Werkvertragsrechts vorgegeben und näher bestimmt sind. Beim Kaufvertrag beruht die Einordnung der Lieferung einer mangelhaften Sache (dies bestimmt sich nach den §§ 434, 435 BGB) als Schlechtleistung, zum Beispiel auf der Pflicht des Verkäufers nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB, dem Käufer die Sache sach- und rechtsmangelfrei zu verschaffen. In den Fällen, die § 437 Nr. 2 BGB vor Augen hat, das heißt bei Leistung einer mangelhaften Sache, ist der Anwendungsbereich des § 323 Abs. 1 BGB demnach stets eröffnet. Im Werkvertragsrecht gilt für § 634 Nr. 3 BGB Entsprechendes bei Erbringung eines mangelhaften Werks. Ein weiteres Argument für den Charakter der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB als deklaratorische Rechtsgrundverweisungen ergibt sich aus der Ausgestaltung des Fristsetzungserfordernisses in § 323 Abs. 1 BGB. Dieser kennt nicht nur das Erfordernis einer Fristsetzung zur Leistung, sondern alternativ die Fristsetzung zur Nacherfüllung. Das Nacherfüllungserfordernis ist ein Element des besonderen Schuldrechts – genauer des Kaufoder Werkvertragsrechts. Im allgemeinen Schuldrecht gibt es diese Figur nicht. Es wäre überflüssig gewesen, die Nacherfüllung in § 323 Abs. 1 BGB zu nennen, wenn deren Anwendungsbereich nicht bereits von sich aus auch auf das Kauf- und Werkvertragsrecht zugeschnitten wäre.36 (b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 437 BGB Bei näherer Betrachtung des § 437 BGB, zeigt sich, dass dieser selbst keine anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufstellt, die über die der in Bezug genommenen Vorschriften hinausgehen.37 Er bestimmt lediglich, die Sache müsse mangelhaft sein und die Voraussetzungen der von ihm genannten Vorschriften müssten vorliegen. Die in ihm genannte Voraussetzung der Mangelhaftigkeit ergibt sich jedoch auch ohne § 437 BGB aus den von diesem in Bezug genommenen Vorschriften. § 439 Abs. 1 BGB – als Verweisungsobjekt von § 437 Nr. 1 BGB – verpflichtet den Verkäufer zur Beseitigung des Mangels oder zur Lieferung 35 BT‑Drucks.
14/6040, S. 94, 221; BeckOGK/Höpfner, § 437 BGB Rn. 11; Heyers/ Heuser, NJW 2010, 3057 (verweisen darauf, Sachmängelhaftung sei eine Form der Haftung für Schlechtleistung); Jordan, Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, S. 9; MünchKommBGB/Westermann, Vor § 433 Rn. 2 (Nichtoder Schlechterfüllung); PPW/Leupertz/Halfmeier, BGB, § 633 Rn. 4 (teilw. Nichterfüllung); Wall, ZGS 2011, 166. 36 Vgl. auch die Ausführungen in BT‑Drucks. 14/6040, S. 221. 37 Zu § 634 BGB für das Selbstvornahmerecht so wohl auch Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 1459.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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einer mangelfreien Sache. Hierfür muss denknotwendig ein Mangel vorliegen, der nach den §§ 434, 435 BGB zu ermitteln ist. § 441 BGB, auf den § 437 Nr. 2 BGB verweist, bestimmt zwar in seinem Abs. 1 nicht ausdrücklich die Voraussetzung der Mangelhaftigkeit. § 441 Abs. 3 S. 1 BGB, der die Berechnung der Minderung regelt, zeigt jedoch, dass die Sache mangelhaft sein muss, weil die dort vorgegebene Formel andernfalls nicht durchführbar wäre. Da der Sinn und Zweck der Minderung im Übrigen darin liegt, die Sache zu behalten und den Kaufpreis zu reduzieren, weil sie nicht der ursprünglichen Vereinbarung entspricht, knüpft sie schon ihrem Sinn und Zweck nach an einen Sachmangel an. § 441 BGB setzt daher ebenfalls bereits von sich aus einen Sachmangel im Sinne der §§ 434, 435 BGB voraus. Im Zusammenhang mit den §§ 439, 441 BGB ist jedoch zu bedenken, dass sie, anders als die anderen von § 437 BGB in Bezug genommenen Ansprüche und Rechte, außerhalb des Mängelgewährleistungsrechts keinen Anwendungsbereich haben. Sie sind daher nur für die Fälle geschaffen, die § 437 BGB vor Augen hat. Die Verweisungen auf die §§ 441, 439 BGB können schon aus dem Grund keine konstitutive Wirkung entfalten, da sie den Geltungsbereich dieser Vorschriften nicht erweitern. Die Schadensersatz- und Rücktrittsregelungen, die § 437 BGB in seinen Nummern 2 und 3 in Bezug nimmt, setzen abgesehen von den Fällen der Unmöglichkeit38 von sich aus entweder eine Pflichtverletzung (so die Schadensersatzansprüche iRv § 280 Abs. 1 BGB) oder eine Schlechtleistung (so der Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB) voraus, die im Rahmen des Gewährleistungsrechts aufgrund des weiten Mangelbegriffs der §§ 434, 435, 633 BGB nur in einem Sachmangel liegen kann, soweit sie die Hauptleistungspflicht betrifft. Die Voraussetzung der Mangelhaftigkeit ist demnach bereits durch die in den §§ 437, 634 BGB in Bezug genommenen Vorschriften in Verbindung mit den §§ 434, 435, 633 BGB erfasst.39 Die §§ 437, 634 BGB haben somit keine eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen, die über die der Verweisungsobjekte hinausgehen. § 437 BGB wird dementsprechend vielfach auch nicht als Anspruchsgrundlage eingeordnet.40 Wenn bezüglich der Regelungen des allgemeinen Schuldrechts davon die Rede ist, diese fänden in modifizierter Form im Gewährleistungsrecht Anwendung,41 ist nicht ersichtlich, dass sich diese Aussage darauf bezieht, 38
Dazu unter noch unter (c) (bb). Nebenpflichtverletzung ist auch bezüglich anderweitiger Pflichtverletzungen denkbar. Eine Haftung hierfür besteht aber neben dem Gewährleistungsrecht nach allgemeinem Schuldrecht. Zu den problematischen Sonderfällen der Haftung für anfänglich unbehebbare Mängel siehe im Einzelnen noch unter (c). 40 BeckOGK/Höpfner, § 437 BGB Rn. 2, 2.2; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 1; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 11. Zu den §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB auch Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 56 f. 41 Schwarze, Leistungsstörungen, § 20 Rn. 11. 39 Eine
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§ 437 BGB bewirke als solcher eine Modifikation der von ihm zitierten Vorschriften. Die Modifikationen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts erfolgen vielmehr durch die besonderen Bestimmungen in den §§ 434, 435, 438, 439, 440 ff. BGB und den entsprechenden besonderen werkvertraglichen Regelungen. Daher sind es nicht die Verweisungen des § 437 BGB als solche, die das allgemeine Leistungsstörungsrecht modifizieren und dadurch partiell wirken, sondern das Kauf- und Werkvertragsrecht im Allgemeinen. Dies entspricht der allgemeinen Regelungstechnik des BGB im Hinblick auf das Verhältnis von allgemeinen und besonderen Teilen des Gesetzes.42 Diese Aspekte sprechen dagegen, den Verweisungen in § 437 BGB konstitutive Wirkung beizumessen. (c) Wirkung der Verweisung bei anfänglich unbehebbaren Mängeln Die Bestrebungen, § 437 BGB dennoch als partielle konstitutive Rechtsgrundverweisung anzusehen, beruhen insbesondere auf den Diskussionen um die Rechtsgrundlage von Ansprüchen des Käufers bei anfänglich unbehebbaren Mängeln der Kaufsache.43 Der Verkäufer ist gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zur Leistung einer mangelfreien Sache verpflichtet. Leidet die Sache an einem anfänglichen unbehebbaren Mangel, kann der Verkäufer dieser Pflicht nicht nachkommen. Es liegt somit ein Fall der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 oder 2 BGB vor, sodass die Pflicht zur Leistung einer mangelfreien Sache von Anfang an entfällt. Da demnach keine derartige Pflicht bestehe, könne insoweit auch keine Pflichtverletzung vorliegen. Die Rechtsbehelfe die in § 437 BGB genannt sind und eine derartige Pflichtverletzung voraussetzen, könnten auf dieser Grundlage nicht eingreifen.44 Da § 437 BGB aber auf ebendiese Rechtsbehelfe verwiesen habe, entstünde ein Widerspruch. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, derartige Widersprüche hervorrufen haben zu wollen. Die Verweisungen seien daher als Teilrechtsgrundverweisungen anzusehen, die sich nicht auf das Merkmal der Pflichtverletzung bezögen. Dieses sei vielmehr im Gewährleistungsrecht durch die Vorgaben zum Sachmangel ersetzt.45 Dem Ansatz ist zunächst insoweit zuzustimmen, als das Gewährleistungsrecht bei anfänglich unbehebbaren Mängeln grundsätzlich eingreifen kann, obwohl die Pflicht zur mangelhaften Leistung nach § 275 BGB (in einer seiner Varianten) entfallen ist (siehe dazu unter (aa)). Im Ergebnis trägt er jedoch nicht, 42 Zu diesem Verhältnis Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 1 Rn. 3; Jordan, Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, S. 79 f.; PPW/SchmidtKessel/Kramme, BGB, Vor §§ 241 ff. Rn. 9; Schwarze, Leistungsstörungen, § 2 Rn. 4 und § 20 Rn. 10 (speziell z. B. für das Miet- oder Reisevertragsrecht). Speziell für die kaufrechtliche Minderung BeckOGK/Stöber, § 441 BGB Rn. 15. 43 Schall, NJW 2011, 343, 344 f. 44 Schall, NJW 2011, 343, 344. 45 Schall, NJW 2011, 343, 345.
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weil die in diesen Fällen maßgeblichen Rechtsbehelfe des Käufers (§§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 5 BGB) nicht allgemein an eine Pflichtverletzung, sondern speziell an den Fall der Unmöglichkeit anknüpfen und somit kein Widerspruch entsteht (siehe dazu unter (bb)). (aa) Befreiung von der Leistungspflicht Gegen eine derartige Interpretation wird vorgebracht, das Gewährleistungsrecht könne schon gar nicht eingreifen, wenn die Leistungspflicht von vornherein nach § 275 Abs. 1 oder 2 BGB entfalle, da mangels eines Primäranspruchs keine Sache geschuldet sei. Die Sachbeschaffenheit kann damit nicht von einer geschuldeten abweichen, wenn wegen der Vorgaben des Unmöglichkeitsrechts schon nichts geschuldet ist. Anhand des § 434 Abs. 1 BGB sei nicht feststellbar, ob überhaupt ein Sachmangel vorliege.46 Daher bestünden stets ausschließlich Ansprüche nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht und es könne nie zugleich ein Fall des § 437 BGB gegeben sein, da dieser einen Sachmangel voraussetzt. Die Verweisung des § 437 Nr. 4 auf § 311a BGB sei logisch nicht haltbar.47 Bei einem anfänglichen unbehebbaren Mangel muss jedoch abweichend von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB bereits vor Gefahrübergang festgestellt werden, ob die Sache mangelhaft ist, da andernfalls das Eingreifen von § 275 BGB nicht begründbar ist. Die nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB bestehende Pflicht zur sachmangelfreien Leistung entfällt, wenn einer der Tatbestände des § 275 Abs. 1–2 BGB eingreift. Dies ist bei anfänglichen unbehebbaren Mängeln deshalb der Fall, weil dieser Mangel bereits bei Vertragsschluss vorlag und die Pflicht zur mangelfreien Leistung iSd § 433 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erfüllt werden kann, wenn dieser Mangel nicht behoben werden kann. Um das Eingreifen von § 275 Abs. 1 oder 2 BGB begründen zu können, muss daher festgestellt werden, dass ein anfänglicher unbehebbarer Mangel vorliegt. Dies erfolgt denknotwendig in Anknüpfung an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses,48 auch wenn nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB an sich der Zeitpunkt des Gefahrübergangs für die Frage entscheidend ist, ob die Sache mangelhaft ist.49 Andernfalls handelte es sich nicht um einen anfänglichen Mangel. Eine Beurteilung der Mangelhaftigkeit anhand des Maßstabs des 46 Heyers/Heuser, NJW 2010, 3057 f. 47 Heyers/Heuser, NJW 2010, 3057, 3058.
48 So ist auch das Vorgehen der Rechtsprechung. Siehe z. B. BGH v 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912 (Rn. 12). 49 Welcher Zeitpunkt im Kaufrecht grundsätzlich für das Eingreifen der Gewährleistungsrechte maßgeblich ist, ist hingegen umstritten. Die h. M. stellt auf den des Gefahrübergangs ab: Erman/Grunewald, BGB, Vor § 437 Rn. 4; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 6; Staudinger/Beckmann, BGB, Vorbem. zu §§ 433 Rn. 20 ff. Krit. dazu BeckOK BGB/Faust, § 437 Rn. 6; Jordan, Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, S. 51 ff. (mit ausführl. Darstellung und Auseinandersetzung
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§ 434 BGB ist auch grundsätzlich durchaus ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich. Ob die Sache mangelhaft ist, ist nämlich danach zu beurteilen, ob die tatsächliche Beschaffenheit der Sache von der geschuldeten Beschaffenheit abweicht.50 Die Frage, ob es sich bei einer derartigen Abweichung um eine relevante im Sinne von § 434 BGB handelt, ist nach dessen Vorgaben primär anhand der vertraglichen Vereinbarungen zu bewerten.51 Dies kann ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschehen, da die vertraglichen Verpflichtungen ab diesem Zeitpunkt feststehen. Dass § 434 Abs. 1 S. 1 BGB für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit an sich den Zeitpunkt des Gefahrübergangs als maßgeblich erachtet, entspricht dem Interesse der Parteien, da der Verkäufer bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich die Möglichkeit haben soll, die Sache in einen mangelfreien Zustand zu versetzen.52 Wenn dies indes aufgrund der Art des Mangels ohnehin nicht möglich ist, kann die Mangelhaftigkeit schon zu einem früheren Zeitpunkt festgestellt werden, ohne dass darin ein Widerspruch zu § 434 BGB liegt. Das Abwarten bis zum Gefahrübergang änderte in dem Fall nichts an dem vorliegenden unbehebbaren Mangel. Die Verweisung des § 437 Nr. 4 BGB auf § 311a BGB ist mithin nicht schon per se widersprüchlich. Das Gewährleistungsrecht kann demnach jedenfalls nach dem Gefahrübergang einer anfänglich unbehebbar mangelhaften Sache eingreifen.53 (bb) Rechtslage nach Leistung einer anfänglich unbehebbar mangelhaften Sache Leistet der Verkäufer nach dem Eintritt der Unmöglichkeit nach § 275 BGB eine unbehebbar mangelhafte Sache an den Käufer, liegt darin zwar an sich weder eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB noch eine mit den verschiedenen Ansichten); Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 157 ff.; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 397 ff. 50 Zum sog. subjektiven Mangelbgriff als Grundlage des § 434 Abs. 1 BGB für alle Looschelders, Schuldrecht BT, § 3 Rn. 2 f.; MünchKommBGB/Westermann, § 434 Rn. 6 ff.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 53 ff. 51 Unter Hinweis auf die fortbestehende Wirksamkeit des Vertrags für eine Feststellbarkeit der Mangelhaftigkeit auch beim Wegfall der Leistungpflicht nach § 275 BGB Schall, NJW 2011, 343, 344. 52 MünchKommBGB/Westermann, § 434 Rn. 51. Dieser Gedanke kommt im Werkvertragsrecht noch deutlicher zum Ausdruck, da der Unternehmer dort die Herstellung schuldet. Siehe BGH vom 19.1.2017 – VII ZR 301/13, NJW 2017, 1604, 1606 (Rn. 32 ff.). 53 Ob das Gewährleistungsrecht schon vorher zur Anwendung gelangt, richtet sich nach den allgemeinen – streitigen – Grundsätzen. Dazu BeckOK BGB/Faust, § 437 Rn. 6; Erman/Grunewald, BGB, Vor § 437 Rn. 4; Jordan, Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, S. 51 ff. (mit ausführl. Darstellung und Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten); MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 6; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 157 ff.; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 397 ff.; Staudinger/Beckmann, BGB, Vorbem. zu §§ 433 Rn. 20 ff.
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Schlechtleistung gemäß § 323 Abs. 1 BGB, da die Pflicht zur Leistung einer mangelfreien Sache durch das Eingreifen von § 275 BGB entfallen ist. Im Fall der Unmöglichkeit ist § 323 Abs. 1 BGB aber nicht die für den Rücktritt maßgebliche Rechtsgrundlage.54 Dieser richtet sich vielmehr nach § 326 Abs. 5 BGB, der keine Schlechtleistung, sondern eine Befreiung von der Leistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1–3 BGB voraussetzt. Diese Voraussetzung liegt gerade vor, wenn der Verkäufer aufgrund eines unbehebbaren Mangels der Kaufsache von seiner Leistungspflicht befreit ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob in diesen Fällen die von § 326 Abs. 5 BGB abweichenden Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB gegeben sind, da letzterer den Käufer ohnehin nicht zum Rücktritt berechtigt – weder im allgemeinen Leistungsstörungsrecht noch im Rahmen des Gewährleistungsrechts. Für den Schadensersatzanspruch verhält es sich ähnlich. Bei anfänglicher Unmöglichkeit bestimmt sich der Schadensersatzanspruch im allgemeinen Leistungsstörungsrecht nach § 311a Abs. 2 BGB. Dieser setzt gerade deswegen keine Pflichtverletzung voraus, weil der Schuldner von Anfang an wegen § 275 Abs. 1, 2 BGB nicht verpflichtet ist, die nach dem Vertrag an sich geschuldete Leistung zu erbringen.55 Wenn daher ein anfänglicher unbehebbarer Mangel einer Kaufsache vorliegt – was innerhalb des Kaufrechts zu bestimmen ist –, der zur Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 oder 2 BGB führt, richtet sich der Schadensersatzanspruch nach § 311a Abs. 2 BGB, dessen Voraussetzungen in diesen Fällen durchaus vorliegen.56 Im Fall der erst nach Vertragsschluss aber vor Übergabe der Sache eintretenden Unmöglichkeit (§ 275 BGB), das heißt im Kaufrecht des nach Abschluss des Kaufvertrags und vor Übergabe auftretenden unbehebbaren Mangels der Kaufsache, richten sich mögliche Schadensersatzansprüche des Käufers nach den §§ 280, 283 BGB. Da § 280 Abs. 1 S. 1 BGB eine Pflichtverletzung voraussetzt, ist problematisch, worin diese besteht, wenn die Leistungspflicht wegen § 275 BGB entfallen ist. Das darin zum Ausdruck kommende Problem ist das des Anknüpfungspunktes der Pflichtverletzung im Fall der Unmöglichkeit.57 Hierbei handelt es sich um ein grundsätzliches Problem des Leistungsstörungsrechts und keinesfalls um ein Sonderproblem des Gewährleistungsrechts. Wenn man die Pflichtverletzung im 54
Siehe BT‑Drucks. 14/6040, S. 184. Looschelders, Schuldrecht AT, § 20 Rn. 441, § 28 Rn. 622; ders., JuS 2010, 849, 856; PPW/Stürner, BGB, § 311a Rn. 8 (mit abw. Begr.); Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 355. Siehe auch BT‑Drucks. 14/6040, S. 165 f.; Canaris, FS Heldrich, S. 11, 12 f.; Schwarze, Leistungsstörungen, § 18 Rn. 10 ff., § 20 Rn. 4; A. A. Gieseler, JR 2004, 133, 136 f. 56 A. A. Heyers/Heuser, NJW 2010, 3057, 3058, die auch iRv § 311a Abs. 2 BGB vom Erfordernis der Pflichtverletzung ausgehen. 57 Diese Parallele zieht auch Schall, NJW 2011, 343, 345. 55
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers58 darin sieht, dass die an sich nach dem Vertrag geschuldete Leistung infolge eines Leistungshindernisses nach § 275 BGB nicht erbracht wird,59 kann dies auf das Gewährleistungsrecht entsprechend übertragen werden. Das Problem entsteht daher nicht aufgrund der Verweisung in § 437 Nr. 3 BGB und spricht somit auch nicht dafür, dieser oder gar sämtlichen Verweisungen in § 437 BGB partiellen Umfang hinsichtlich der jeweiligen Verweisungsobjekte beizumessen. (d) Partielle Verweisung aufgrund der Sonderregelungen zu Mängeln im Gewährleistungsrecht Ein weiteres Argument, das gegen die deklaratorische und für eine partielle Wirkung der Rechtsgrundverweisung in § 437 Nr. 3 BGB auf § 323 BGB angeführt wird, ist, dass die in § 323 Abs. 1 BGB normierte Voraussetzung der Pflichtverletzung/Schlechtleistung in den Fällen des § 437 BGB überflüssig sei, weil die §§ 434 ff. BGB dies bereits abschließend durch das Erfordernis des Sach- oder Rechtsmangels regelten.60 Diese Annahme widerspricht jedoch der Regelungstechnik des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und seinem Verhältnis zum besonderen Schuldrecht. Die Pflichtverletzung in § 280 BGB und die Schlechtleistung in § 323 Abs. 1 BGB knüpfen an die nach dem Schuldverhältnis bestehenden Pflichten an. Welche das sind, bestimmt sich indes nicht nach den Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, sondern nach den Parteivereinbarungen und den für den jeweiligen Vertragstyp maßgeblichen Vorgaben des besonderen Schuldrechts.61 Es ist daher nicht ungewöhnlich, wenn das Kauf- und Werkvertragsrecht diese Pflichten konkretisieren. Dass die mangelhafte Leistung einer Kaufsache oder eines Werks eine Pflichtverletzung oder Schlechtleistung darstellt, ergibt sich aus der Pflicht zur Verschaffung einer mangelfreien Sache gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB und entsprechend des Werks nach § 633 Abs. 1 BGB. Wann insoweit Mangelfreiheit besteht und auf welchen Zeitpunkt es dafür ankommt, richtet sich für den Kaufgegenstand nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.62 Im Werkvertragsrecht besteht hierüber 58
BT‑Drucks. 14/6040, S. 135 f. die Darstellung der Problematik bei Schwarze, Leistungsstörungen, § 18 Rn. 4; Staudinger/Schwarze, BGB, § 283 Rn. 11 ff. 60 Schall, NJW 2011, 343, 345. 61 Zur Definition der Schlechtleistung durch die jeweiligen Regelungen des besonderen Schuldrechts Schwarze, Leistungsstörungen, § 20 Rn. 10 f. 62 Dennoch besteht Uneinigkeit hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts des Entstehens der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte. Die h. M. stellt auf den des Gefahrübergangs ab: Erman/Grunewald, BGB, Vor § 437 Rn. 4; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 6; Staudinger/Beckmann, BGB, Vorbem. zu §§ 433 Rn. 20 ff. Krit. dazu BeckOK BGB/Faust, § 437 Rn. 6; Jordan, Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, S. 51 ff. (mit ausführl. Darstellung und Auseinandersetzung mit 59 Siehe
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Streit. Die dabei zugrunde gelegten unterschiedlichen Zeitpunkte, deren zeitliche Spanne von der Herstellung des Werks bis zur Abnahme reicht, werden sämtlich aus dem Werkvertragsrecht und nicht aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht entwickelt.63 Die Regelungen zu den besonderen Schuldverhältnissen bestimmen daher den Pflichtenkanon.64 Wofür ein Verstoß gegen eine dieser Vorgaben relevant ist, ergibt sich jedoch erst aus den Voraussetzungen der einzelnen Rechtsbehelfe – dem Erfordernis der Pflichtverletzung als Grundvoraussetzung des Schadensersatzes nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB einerseits und dem der Nicht- oder Schlechtleistung als Grundlage eines Rücktrittsrechts gemäß § 323 Abs. 1 BGB andererseits. In dieses Regelungssystem fügen sich das Kauf- und Werkvertragsrecht demnach ein. (e) Besondere Verjährungsregelung Wie schwierig die Einordnung der §§ 437, 634 BGB ist, zeigt sich unter anderem daran, dass – auch von den Stimmen, die ihnen eine Art Brückenfunktion und damit wohl eine über die bloß deklaratorische Verweisung hinausgehende Wirkung zuerkennen – regelmäßig betont wird, es handele sich nicht um Anspruchsgrundlagen.65 Wäre dies zutreffend, spräche hingegen Vieles dafür, dass die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB rein deklaratorischer Natur sind, da sich die eigentlichen Ansprüche aus den Verweisungsobjekten ergeben.66 § 438 BGB regelt die Verjährung der Mängelansprüche. Da gemäß § 194 Abs. 1 BGB nur Ansprüche der Verjährung unterliegen, haben die Rechte, deren Verjährung dem Regime des § 438 BGB unterfällt, Anspruchscharakter. § 438 Abs. 1 BGB bezieht sich zur Anordnung der besonderen Verjährung nicht auf die in § 437 BGB geregelten, sondern auf die dort bezeichneten Ansprüche. Dies bedeutet nicht, dass § 437 BGB selbst eine Anspruchsgrundlage darstellt, sondern dass er in seinen Nummern 1 und 3 den verschiedenen Ansichten); Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 157 ff.; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 397 ff. 63 Siehe BGH vom 19.1.2017 – VII ZR 301/13, NJW 2017, 1604, 1606 (Rn. 31 ff., m. w. Nachw.); Jansen, Die Mangelrechte des Bestellers, S. 35 ff.; Jordan, Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, S. 129 ff.; MünchKommBGB/Busche, § 633 Rn. 8. 64 Zur Eigenständigkeit der Regelungen über die Schlechtleistung z. B. auch im Miet- oder Reisevertragsrecht Schwarze, Leistungsstörungen, § 15 Rn. 29, § 20 Rn. 9. 65 BeckOGK/Höpfner, § 437 BGB Rn. 1, 2; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 1; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 1, 11. A. A. wohl PPW/Schmidt, BGB, § 437 Rn. 1, der sich allerdings auch nicht ausdrückl. für den Charakter des § 437 BGB als Anspruchsgrundlage ausspricht. 66 Siehe zum Zshg. zwischen dem Anspruchscharakter der Verweisungsvorschrift und der Natur der darin enthaltenen Verweisung insbes. auch die Untersuchung des § 852 S. 1 BGB in Kap. 2, § 2 II. 3.
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Anspruchsgrundlagen bezeichnet. Die Verjährungsregelung in § 438 BGB spricht demnach dafür, dass es sich bei § 437 BGB nicht um eine Anspruchsgrundlage handelt und sich die Ansprüche vielmehr aus den in Bezug genommenen Vorschriften ergeben. Die Existenz der §§ 437, 634 BGB ist ferner nicht zwingend erforderlich, um eine spezielle gewährleistungsrechtliche Verjährung überhaupt anordnen zu können. Kauf- und werkvertragliche Schadensersatzansprüche könnten vielmehr auch dann einer speziellen Verjährungsregelung unterliegen, wenn die §§ 437, 634 BGB nicht existierten. In der derzeitigen Fassung, in der die §§ 437, 634 BGB die maßgeblichen Ansprüche zusammenfassen, ist es lediglich einfacher, die besonderen Verjährungsregelungen klar zu fassen, da eine einheitliche Anknüpfung zumindest an einzelne Nummern dieser Vorschriften möglich ist. Eine besondere Regelung zur Verjährung könnte ohne deren Existenz indes ebenso erfolgen, deren einzelne Tatbestände wären lediglich länger, da die der Verjährung unterliegenden Ansprüche im Einzelnen aufgezählt werden müssten und gegebenenfalls auch Zeitpunkte und Bedingungen festzulegen wären, ab und unter denen die besondere Verjährungsfrist maßgeblich ist. bb) Fazit zum Umfang der Bezugnahme Es sind demnach keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dagegen sprechen, dass die §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB die in Bezug genommenen Regelungen vollständig umfassen. Die Voraussetzungen des § 323 BGB oder des § 326 Abs. 5 BGB sind vielmehr vollumfänglich von den Verweisungen erfasst. Dies spricht dafür, dass sie deklaratorischer Natur sind. Konstitutive Wirkung kann ihnen daher allenfalls unter dem Aspekt einer Sperrwirkung zukommen. cc) Sperrwirkung des Gewährleistungsrechts Es wäre denkbar, dass die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB entweder eine bestehende Sperrwirkung für das allgemeine Leistungsstörungsrecht beseitigen (dazu sogleich unter (1)), oder, wenn eine solche nicht besteht, umgekehrt eine Sperrwirkung gegenüber den in dieser Vorschrift nicht aufgezählten Rechten des Allgemeinen Teils des BGB oder des allgemeinen Leistungsstörungsrechts begründen (dazu anschließend unter (2)). In beiden Fällen wären die Verweisungen konstitutiv. (1) Beseitigung einer Sperrwirkung Die speziellen Regelungen des Gewährleistungsrechts gehen denen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts vor. Dies entspricht dem Regelungssystem des BGB ebenso wie der Grundregel des Vorrangs der spezielleren Norm zur Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zweier kollidierender
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Vorschriften. Ein derartiges Verhältnis kann eine Verweisung erforderlich machen, wenn das grundsätzliche Vorrangverhältnis zugunsten einer an sich zurücktretenden allgemeinen Vorschrift durchbrochen werden soll. Die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB können jedoch schon aus dem Grund keine derartige Funktion haben, weil im kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsrecht keine eigenständigen Schadensersatz- oder Rücktrittsregelungen enthalten sind, die überhaupt zu einer Konkurrenz mit den Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts führen könnten.67 Wenn keine Kollision besteht, kann auch keine Sperrwirkung entstehen, die durch eine Verweisung durchbrochen werden könnte. Zwar existieren im Kauf- und Werkvertragsrecht einige Sonderregelungen, die in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen den allgemeinen Regelungen vorgehen. Diese, wie zum Beispiel die besonderen Verjährungsregelungen, betreffen aber keine vorrangigen Rücktrittsrechte oder Schadensersatzansprüche. (2) Begründung einer Sperrwirkung Wenn das Gewährleistungsrecht keine Sperrwirkung hinsichtlich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts entfaltet, die durch die §§ 437, 634 BGB durchbrochen wird, können diese Verweisungsvorschriften aber umgekehrt eine Sperrwirkung hinsichtlich solcher Rechte und Ansprüche des Allgemeinen Teils des BGB oder des allgemeinen Leistungsstörungsrechts entfalten, die in den §§ 437, 634 BGB nicht aufgezählt sind. Wenn sämtliche von ihnen nicht erwähnten Vorschriften unanwendbar wären, sobald der Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts eröffnet ist, käme den §§ 437, 634 BGB eine Ausschlusswirkung zu. Die Verweisung auf die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des allgemeinen und besonderen Schuldrechts in den §§ 437, 634 BGB hätte demnach zugleich den Ausschluss der von ihnen nicht erfassten Vorschriften zur Folge. Ob dies dem Charakter der Verweisung auf die erfassten Vorschriften als deklaratorisch entgegenstünde, ist fraglich. Die in den §§ 437, 634 BGB genannten Regelungen wären nämlich ohne die Existenz dieser beiden Verweisungsvorschriften im Rahmen des jeweiligen Gewährleistungsrechts ebenfalls anwendbar, weil in dem Fall keine Regelung existierte, die die Sperrwirkung begründete. Die Rechtsbehelfe des Käufers oder Bestellers richteten sich nach den Vorgaben des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, da die Voraussetzungen dessen entsprechender Rechtsbehelfe bei Leistung einer mangelhaften Sache oder eines mangelhaften Werks, wie gezeigt, dem Grunde nach vorliegen. Die Verweisung hierauf ist demnach an sich deklaratorisch. Die Verweisungen haben hingegen möglicherweise eine Art negativ konstitutive Wirkung hinsichtlich der von ihnen nicht erfassten Vorschriften, wenn sie deren An67 Vgl.
Wall, ZGS 2011, 166, 167.
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wendbarkeit neben den in den §§ 437, 634 BGB aufgezählten Rechten verhindern, obwohl die Voraussetzungen der nicht in Bezug genommenen Vorschriften im Einzelfall vorliegen. Allerdings ist dieser Ansatz nicht weiter zu verfolgen, da, wie zu zeigen ist (dazu unter (a) bis (c)), den §§ 437, 634 BGB keine derartige Sperrwirkung und demnach schon aus diesem Grund keine konstitutive Wirkung zukommt. Die §§ 437, 634 BGB verweisen in umfangreicher Weise auf die Regelungen zum Schadens- und Aufwendungsersatz sowie auf die Vorschriften über den Rücktritt als Elemente des allgemeinen Leistungsstörungsrechts. Ausgenommen ist aus diesem Kreis namentlich § 286 BGB, der daher von einer etwaigen Sperrwirkung betroffen sein könnte (dazu unter (a)). Ferner könnte eine derartige Sperrwirkung dazu führen, dass eine Selbstvornahme im Kaufrecht unzulässig ist (dazu unter (b)) oder dass andere Regelungen des Allgemeinen Teils oder des allgemeinen Schuldrechts – wie insbesondere die Anfechtung, die culpa in contrahendo oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage – neben den Gewährleistungsrechten unanwendbar sind (dazu unter (c)). (a) Fehlende Verweisung auf § 286 BGB § 286 BGB wird im Katalog der §§ 437, 634 BGB nicht aufgezählt. Dies könnte bedeuten, dass er ab dem Zeitpunkt des Eingreifens des Mängelgewährleistungsrechts im Kauf- und Werkvertragsrecht unanwendbar ist. § 286 BGB ist jedoch im Rahmen des Gewährleistungsrechts keinesfalls bedeutungslos. Er löst vielmehr sowohl im Rahmen des Kauf- als auch des Werkvertragsrechts Schadensersatzansprüche für Schäden aus, die daraus entstehen, dass der Verkäufer oder Unternehmer mit der Nacherfüllung in Verzug gerät.68 Dabei wird unter anderem darauf hingewiesen, § 286 BGB sei mittelbar von der Verweisung in den §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB erfasst, da diese sich auf § 280 BGB erstrecke, der in seinem Abs. 2 wiederum auf § 286 BGB Bezug nehme.69 Schon aus diesem Grund sind die §§ 437, 634 BGB nicht als abschließend in einer Weise anzusehen, die § 286 BGB in seiner Anwendbarkeit im Rahmen des Gewährleistungsrechts außen vor ließe. Hinsichtlich einiger spezieller Fragen, namentlich im Zusammenhang mit dem mangelbedingten Nutzungsausfallschaden, wird dennoch diskutiert, ob gegebenenfalls ein Rückgriff auf § 286 BGB möglich ist. Er wird unter 68 BT‑Drucks. 14/6040, S. 225; BeckOK BGB/Faust, § 437 Rn. 70 f.; BeckOGK/ Höpfner, § 437 BGB Rn. 95; Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB, S. 88, 94; HK‑BGB/Saenger, § 437 Rn. 13; Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 530 ff.; MünchKommBGB/Ernst, § 280 Rn. 62; Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 155 ff. 69 BT‑Drucks. 14/6040, S. 225; BeckOGK/Höpfner, § 437 BGB Rn. 95. Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 156 stellt hingegen ohne Rückgriff auf § 437 BGB auf die §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ab.
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anderem infolge der §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB für unanwendbar erachtet, da die §§ 281, 283 BGB, auf die § 280 Abs. 3 BGB verweist und die daher ebenfalls mittelbar von der Verweisung der §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB auf § 280 BGB erfasst wären, im Unterschied zu § 286 BGB in den kauf- und werkvertraglichen Verweisungsvorschriften explizit genannt sind.70 Die Gesetzesbegründung lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber in § 437 Nr. 3 BGB darauf verzichtet hat, § 286 BGB zu nennen, da er ihm neben seiner Bedeutung für den Ersatz von Schäden, die auf der Verzögerung der Nacherfüllung beruhen, im Rahmen des Gewährleistungsrechts keine Bedeutung beigemessen hat. Denn der Gesetzgeber sah für die sonstigen denkbaren Schäden, die aus der Mangelhaftigkeit einer Kaufsache entstehen können, einen hinreichenden Schutz durch die §§ 280, 281 BGB.71 Die Nichtaufnahme in den Katalog der Verweisungen diente daher nicht dazu, ihn grundsätzlich auszuschließen. Hätte er dies erreichen wollen, hätte der Gesetzgeber § 280 Abs. 2 BGB von der Verweisung in den §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB ausnehmen müssen. Solange dort vollumfänglich auf § 280 BGB verwiesen wird, besteht zugleich eine mittelbare Verweisung auf § 286 BGB, über die sich dessen Anwendung im Einzelfall begründen lässt. Die Erwägungen zu § 437 BGB zeigen, dass der Gesetzgeber die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB ausschließlich auf solche Vorschriften erstrecken wollte, deren Voraussetzungen er in der Ausgangssituation des jeweiligen Gewährleistungsrechts für möglicherweise gegeben erachtete. § 286 BGB hat er insofern nicht als einen Rechtsbehelf des Käufers angesehen, den dieser unmittelbar gegen die mangelhafte Leistung vorbringen kann. Darin dürfte der Grund liegen, § 286 BGB in der Verweisung nicht eigens zu erwähnen. Der Gesetzgeber hat ihn vielmehr erst in einem zweiten Schritt, das heißt wenn bereits die Situation der Nacherfüllung eingetreten ist, für anwendbar erachtet.72 Der Gläubiger kann Schadensersatz wegen Verzögerung verlangen, wenn er mit der Nacherfüllung in Verzug gerät.73 Zuvor besteht kein Bedürfnis dafür, § 286 BGB anzuwenden, wenn eine mangelhafte Sache geliefert wird und darin eine Pflichtverletzung liegt, aufgrund derer der Käufer oder Besteller Rechte geltend machen kann. In der Leistung einer mangelhaften Sache kann zwar zugleich die Verzögerung der Leistung der 70 Zu dieser Problematik BGH vom 19.6.2009 – V ZR 93/08, NJW 2009, 2674, 2676 (Rn. 9 ff., mit umfangreichen Nachw. aus der Lit.); BeckOGK/Höpfner, § 437 BGB Rn. 95 ff.; Canaris, ZIP 2003, 321, 326; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), S. 727, 754 ff.; NK‑BGB/Dauner-Lieb, § 280 Rn. 58 ff.; Oechsler, NJW 2004, 1825, 1828; Oetker/ Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 296 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 12 ff.; Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 134 ff., 138 ff.; Tiedtke/Schmitt, BB 2005, 615, 618 f. 71 BT‑Drucks. 14/6040, S. 225. 72 BT‑Drucks. 14/6040, S. 225. 73 Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB, S. 88, 94.
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eigentlich geschuldeten mangelfreien Sache liegen.74 Ob dies als Grundlage eines Ersatzanspruchs maßgeblich ist, hängt aber vom grundsätzlichen Verhältnis des § 280 Abs. 1 BGB zu den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB75 ab. Dieses wird im Gewährleistungsrecht zusätzlich durch die Vorgaben zum Mangelbegriff in den §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434, 435, 633 BGB bestimmt. Letztere geben mit ihren Anforderungen zur mangelfreien Leistung die Einzelheiten der Pflichtverletzung vor.76 Ob der mangelbedingte Nutzungsausfallschaden ein Verzögerungsschaden ist, hängt davon ab, worin der Schwerpunkt der Pflichtverletzung liegt – in der Lieferung einer mangelhaften Sache oder in der Verzögerung der Lieferung einer mangelfreien Sache.77 Hierbei handelt es sich um allgemeine Erwägungen, die die §§ 280, 286 und allenfalls zusätzlich die §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434, 435, 633 BGB, nicht aber die §§ 437, 634 BGB betreffen. In letzteren spiegelt sich vielmehr das Ergebnis dieser Erwägungen wider: Die wohl inzwischen überwiegende Ansicht sieht den mangelbedingten Nutzungsausfallschaden als Schadensersatz neben der Leistung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB an, weil der Schwerpunkt der Pflichtverletzung in der Lieferung der mangelhaften Sache bestehe. Da der daraus resultierende Nutzungsausfallschaden darauf und demnach nicht ausschließlich auf dem Verzug mit einer Leistung beruht, handele es sich nicht um einen Verzögerungsschaden gemäß § 280 Abs. 2 BGB.78 Dies entspricht der Einschätzung des Gesetzgebers, der diesen Fall gesehen und als einen Anwendungsfall des § 280 Abs. 1 BGB und nicht der §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB eingeordnet hat.79 Für die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB ergibt sich daraus eine interessante Erkenntnis. Der Gesetzgeber scheint mit ihr eine Aufzählung der 74 Dauner-Lieb/Dötsch, DB 2001, 2535, 2537; Dauner-Lieb/Kahn, FS Graf v. Westphalen, S. 55, 57 ff.; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), S. 727, 754, 759 (unter Verzicht auf die Mahnung); Teichmann/Weidmann, FS Hadding, S. 287, 300 f. Anders Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB, S. 86 f. (mit Annahme der Leistung als Erfüllung wandele sich der Anspruch des Gläubigers in einen Nacherfüllungsanspruch um). 75 Lorenz, LMK 2009, 286449. Siehe auch die Abgrenzung bei Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), S. 727, 754 ff. 76 Siehe die Argumente bei BGH vom 19.6.2009 – V ZR 93/08, NJW 2009, 2674, 2676 (Rn. 16 ff.); Canaris, ZIP 2003, 321, 325 f. 77 Vgl. Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), S. 727, 754. 78 Canaris, ZIP 2003, 321, 326; Katzenstein, Jura 2004, 584, 592; Lorenz, LMK 2009, 286449; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, Rn. 475. I. E. ebenso BGH vom 19.6.2009 – V ZR 93/08, NJW 2009, 2674, 2675 f. (Rn. 13 ff.); Ebert, NJW 2004, 1761 f.; Erman/Westermann, BGB, § 280 Rn. 13; HK‑BGB/Schulze, § 280 Rn. 6; Huber, FS Schlechtriem, S. 521, 525; MünchKommBGB/Ernst, § 280 Rn. 58 ff.; Schubel, JuS 2002, 313, 319; Staudinger/ Schwarze, BGB, § 280 Rn. C 27 ff. Siehe auch Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB, S. 86 ff. A. A. Dauner-Lieb/Dötsch, DB 2001, 2535, 2537; Dauner-Lieb/Kahn, FS Graf v. Westphalen, S. 55, 57 ff.; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), S. 727, 754, 759 (unter Verzicht auf die Mahnung); Teichmann/Weidmann, FS Hadding, S. 287, 300 f. 79 BT‑Drucks. 14/6040, S. 225.
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im Fall der Leistung einer mangelhaften Sache einschlägigen Rechtsbehelfe des allgemeinen und besonderen Schuldrechts bezweckt zu haben – nicht mehr und nicht weniger.80 Dies bedeutet nicht, dass er die Voraussetzungen der Regelungen des allgemeinen Schuldrechts nicht als ohnehin gegeben erachtet hat. Die Verweisung verdeutlicht jedoch deren Anwendbarkeit im Gewährleistungsrecht. Hierin lag eine Besonderheit, die das neue Schuldrecht vom alten Schuldrecht unterschied, und daher wohl erwähnenswerter war als es heute vielleicht anmuten mag.81 Zudem ermöglicht die Bündelung der anwendbaren Ansprüche dem Gesetzgeber, in Folgevorschriften an diese Ansprüche anzuknüpfen, ohne die jeweiligen Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts dort noch einmal einzeln zu nennen. Dies zeigt sich namentlich an den besonderen Verjährungsregelungen der §§ 438, 634a BGB. (b) Keine Selbstvornahme im Kaufrecht Im Rahmen der Diskussionen um ein Selbstvornahmerecht im Kaufrecht wird unter anderem mit dem Umfang der Verweisung des § 437 BGB argumentiert. Eine mögliche Analogie zu § 637 BGB wird dort unter Hinweis auf eine fehlende planwidrige Regelungslücke abgelehnt. Der Käufer habe nach den Vorgaben des Kaufrechts gerade kein Recht zur Selbstvornahme. Er sei auf die in § 437 BGB abschließend aufgezählten Rechtsbehelfe beschränkt – hinsichtlich der dort nicht genannten Rechte bestehe keine planwidrige Regelungslücke.82 § 437 BGB verweist aber wohl eher aus dem Grund nicht auf ein Selbstvornahmerecht, weil weder im Kaufrecht noch im allgemeinen Leistungsstörungsrecht ein solches Recht existiert, auf das verwiesen werden könnte. Das werkvertragliche Selbstvornahmerecht eignet sich hierfür nicht, da der Gesetzgeber im Kaufrecht gerade unter Hinweis auf den Unterschied zum Werkvertragsrecht kein solches Recht geschaffen hat.83 Ein kaufrechtliches Selbstvornahmerecht berge die Gefahr, das Recht zur zweiten Andienung des Verkäufers zu unterlaufen.84 Letzteres bestimmt als tragendes Prinzip das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht.85 Eine Durchbrechung führte daher zu einem Wertungswiderspruch, 80 Siehe Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 70; Lamprecht, ZGS 2005, 266, 273; Wall, ZGS 2011, 166, 167 (für § 437 BGB). 81 Vgl. Wall, ZGS 2011, 166, 167 f. 82 BGH vom 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348, 1349; NK‑BGB/Büdenbender, § 437 Rn. 3, 80; Schroeter, JR 2004, 441, 443; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 3. I. E. ebenso, aber eine abschl. Wirkung des § 437 BGB abl. Lamprecht, ZGS 2005, 266, 273 f. 83 BT‑Drucks. 14/6857, S. 26; BT‑Drucks. 14/6040, S. 229. 84 BGH vom 14.6.2019 – V ZR 254/17, NZM 2019, 624, 626 (Rn. 17); BGH vom 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348, 1350; Lamprecht, ZGS 2005, 266, 268; Oechsler, NJW 2004, 1825, 1826; Schroeter, JR 2004, 441, 442. 85 Dies entspricht der Interpretation der Wertung des Gesetzgebers durch den BGH vom 9.5.2018 – VIII ZR 26/17, NJW 2018, 2863, 2866 (Rn. 28).
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wenn sie nicht aus anderen Gründen geboten erschiene.86 Diese Gebotenheit hat der Gesetzgeber nicht gesehen. Das Selbstvornahmerecht im Kaufrecht nicht zu regeln, ist eine Verzichtsentscheidung des Gesetzgebers, die in der fehlenden Verweisung in § 437 BGB noch einmal zum Ausdruck kommt87 – auf etwas, das nicht existiert, kann auch nicht verwiesen werden. Die Voraussetzungen einer Analogie zu § 637 BGB liegen daher tatsächlich mangels planwidriger Regelungslücke nicht vor. Dies ist jedoch nicht auf § 437 BGB zurückzuführen, sondern auf die Entscheidung des Gesetzgebers, kein Selbsthilferecht des Käufers zu etablieren. (c) Vorrang des Gewährleistungsrechts vor anderen Rechtsbehelfen Das Gewährleistungsrecht genießt zumindest in Teilen Vorrang vor anderen Rechtsbehelfen des Allgemeinen Teils des BGB und des allgemeinen Schuldrechts. Konkurrenzverhältnisse bestehen dabei insbesondere zwischen dem Gewährleistungsrecht und den Anfechtungsregeln, der Haftung aus culpa in contrahendo gemäß den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB sowie dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Die Einzelheiten hinsichtlich des Vorrangverhältnisses sind dabei unterschiedlich stark umstritten. Die jeweiligen Konkurrenzprobleme basieren darauf, dass die Rechtsbehelfe der allgemeinen Teile des BGB die Voraussetzungen der Mängelgewährleistungsrechte unterlaufen könnten. Da weder einer Anfechtung noch den Rechten aus § 313 BGB und den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB eine Fristsetzung vorausgehen muss, besteht insbesondere die Gefahr, dass durch ein unmittelbares Berufen hierauf das Recht des Verkäufers oder Unternehmers zur zweiten Andienung unterlaufen würde.88 Das System der Gewährleistungsrechte beruht auf der typisierten Interessenlage der Parteien von Kauf- und Werkverträgen, wenn Sach- und Rechtsmängel auftreten.89 Die damit verknüpften Besonderheiten ergeben sich zum einen aus 86 Eine andere – hier nicht untersuchte Frage – ist, ob die Kosten einer Selbstvornahme zumindest im Umfang der vom Verkäufer ersparten Kosten der Nacherfüllung aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen, wie z. B. den §§ 684, 812 BGB, ersatzfähig sind. Dazu Brömmelmeyer, JZ 2006, 493, 495; Oechsler, NJW 2004, 1825, 1826 f. Für eine Lösung über § 326 Abs. 2 S. 2 BGB abw. vom BGH für alle Bydlinski, ZGS 2005, 129, 130 f.; Ebert, NJW 2004, 1761, 1763 f.; Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 58 ff.; Lorenz, NJW 2005, 1321, 1323. 87 BGH vom 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348, 1351. 88 Brors, WM 2002, 1780, 1781; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 221 ff. Konkret im Verhältnis zur Anfechtung: Erman/Grunewald, BGB, Vor § 437 Rn. 23; Müller, FS Huber, S. 449, 467; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 54. 89 BGH 6.6.1986 – V ZR 67/85, NJW 1986, 2824 (wenn auch noch zum Gewährleistungsrecht vor der Schuldrechtsreform); Brors WM 2002, 1780 f.; Huber, FS Hadding, 2004, S. 105 ff.; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 54. Vgl. auch BGH vom 9.5.2018 – VIII ZR 26/17, NJW 2018, 2863, 2870 (Rn. 60 f.).
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den in den §§ 434, 435 BGB und § 633 BGB normierten Mangelbegriffen90 und zum anderen aus der Nacherfüllungsmöglichkeit, die im Kaufrecht in § 439 BGB und im Werkvertragsrecht in § 635 BGB festgeschrieben ist. Mit ihr geht das Recht zur zweiten Andienung einher, das durch das Fristsetzungserfordernis in den maßgeblichen Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts vorgegeben wird.91 Die Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB könnte dieses Recht unterlaufen, weil sie dem Käufer ermöglicht, sich wegen des Mangels unmittelbar vom Vertrag zu lösen. Rechte, die nicht an den Mangel anknüpfen, wie zum Beispiel die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 119 Abs. 1 BGB (Inhaltsund Erklärungsirrtum), berühren den Vorrang der Nacherfüllung nicht, weil letzterer unmittelbar mit der Mangelhaftigkeit verknüpft ist.92 Die Sach- und Rechtsprobleme, die diese Irrtümer hervorgerufen haben, können durch eine Nacherfüllung ohnehin nicht beseitigt werden. Beim arglistigen Verschweigen von Mängeln kann eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 1. Fall BGB erfolgen.93 Der Vertrag ist infolgedessen gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig. Erfolgt eine derartige Anfechtung nachdem der Verkäufer die mangelhafte Sache an den Käufer geleistet hat, schuldet er keine Nacherfüllung. Dadurch wird das Recht zur zweiten Andienung jedoch nicht umgangen, weil dieses nicht besteht, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Rechtsprechung lässt in diesen Fällen vielmehr regelmäßig die sofortige Rückabwicklung des Kaufvertrags zu, da die vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich sei.94 Die Interessenlage jedes Vertragsverhältnisses verändert sich, wenn 90 Schwarze, Leistungsstörungen, § 20 Rn. 11 spricht davon, der jeweilige Mangelbegriff lege den Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts fest. 91 Zum Zshg. des Vorrangs der Nacherfüllung und des Rechts zur zweiten Andienung und deren Verankerung im allgemeinen Schuldrecht insoweit Brömmelmeyer, JZ 2006, 493 ff.; Huber, FS Hadding, S. 105, 117 f.; Lamprecht, ZGS 2005, 266, 273; Lorenz, JZ 2001, 742, 743; Müller, FS Huber, S. 449, 467; Muthers, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 74, 128 (Zusammenspiel zwischen § 323 Abs. 1 und den §§ 439, 635 BGB); Petersen, Jura 2002, 461, 462; Schroeter, AcP 207 (2007), S. 28, 31 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 6, 9 (zur Verankerung des Vorrangs der Nacherfüllung im allgemeinen Schuldrecht); Stöber, NJW 2017, 2785; Teichmann, Die Abgrenzung der Schadensarten, S. 80 ff. 92 Erman/Grunewald, BGB, Vor § 437 Rn. 22; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 56; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 351; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 220; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 437 Rn. 40. 93 Gutzeit, NJW 2008, 1359; Lorenz, NJW 2006, 1925, 1926; MünchKommBGB/ Westermann, § 437 Rn. 56; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 352; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 224. 94 Für alle BGH vom 26.4.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292, 3295 (Rn. 29) m. w. Nachw.; BGH vom 9.1.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371, 1372 (Rn. 19 f.).
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
eine Vertragspartei die andere arglistig täuscht.95 In dem Fall ist es sachgerecht, die täuschende Partei nicht durch die Regelungen des Gewährleistungsrechts vor einer Konfrontation mit den allgemeinen Rechtsbehelfen zu schützen. Ob das Gewährleistungsrecht die Anfechtungsregeln verdrängt, ist davon abhängig, auf welchem Anfechtungsgrund die Anfechtung basiert. Ein grundsätzlicher Ausschluss des Anfechtungsrechts existiert nicht. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die Haftung nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB, die ebenfalls nicht von den Mängelgewährleistungsrechten verdrängt wird, wenn der Verkäufer oder Werkunternehmer im Rahmen der Vertragsanbahnung vorsätzlich oder gar arglistig falsche Angaben gemacht oder in vergleichbarer Weise eine anderweitige vorvertragliche Pflichtverletzung begangen hat.96 Beim Wegfall der Geschäftsgrundlage gibt es ferner ebenfalls Ausnahmen von der grundsätzlichen Verdrängung dieses Rechtsbehelfs durch die Mängelgewährleistungsrechte.97 Sofern eine Verdrängung stattfindet, beruht sie nicht auf den §§ 437, 634 BGB, sondern auf den Besonderheiten der Gewährleistungsrechte im Allgemeinen, die insbesondere im Vorrang der Nacherfüllung bestehen98 und sowohl das Kauf- als auch das Werkvertragsrecht bestimmen. Das Beispiel der verschiedenen Anfechtungsrechte des Allgemeinen Teils sowie die Parallelen zu der Konkurrenz des Gewährleistungsrechts zu § 313 BGB und den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zeigen, dass die Frage, welche Rechtsbehelfe neben denen des Gewährleistungsrechts anwendbar sind, nicht davon abhängt, ob diese in den §§ 437, 634 BGB aufgezählt sind.99 Die Sperrwirkung hängt vielmehr an den Besonderheiten des Gewährleistungsrechts. Diese sind normativ in den §§ 434, 435, 439, 633, 635 BGB verankert und werden durch den sich aus den allgemeinen Leistungsstörungsvorschriften ergebenden Vorrang der Nacherfüllung100 und 95 Deutlich hervorgehoben bei Gutzeit, NJW 2008, 1359, 1360. 96 BGH vom 6.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815, 1817
(Rn. 22 ff.); BGH 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858, 859 (Rn. 20); BGH vom 27.3.2009 – V ZR 30/08, NJW 2009, 2120, 2122 (Rn. 19 ff.), m. w. Nachw. zum und ausführl. Auseinandersetzung mit dem Streitstand zu dieser Frage (Rn. 13 ff.); Lorenz, NJW 2006, 1925, 1926; MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 58; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 861; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 227. 97 MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 57; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 225. 98 MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 54 (für den Kaufvertrag). 99 An § 437 BGB knüpfen dagegen an: Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 88 (iRd c. i. c.); Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, N. Rn. 221 ff. 100 Zur Verankerung des Vorrangs der (Nach-)Erfüllung im allgemeinen Leistungsstörungsrecht Brömmelmeyer, JZ 2006, 493; Hoffmann, ZRP 2001, 347, 349; Lamprecht, ZGS 2005, 266, 268, 273; Lorenz, NJW 2006, 1175, 1176; Petersen, Jura 2002, 461, 462 (beim Kaufvertrag), 463 (beim Werkvertrag); Schroeter, AcP 207 (2007), S. 28, 31 ff. m. w. Nachw.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 437 Rn. 6, 9. Wohl auch BGH vom 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348. Anders jedoch angedeutet in BGH
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das damit verbundene sogenannte Recht zur zweiten Andienung komplettiert. Die in den §§ 437, 634 BGB aufgezählten Rechte und Ansprüche tangieren das Recht zur zweiten Andienung nicht.101 Die Vorschriften beziehen sich neben den Verweisungen auf die eigenen Regelungen des jeweiligen Gewährleistungsrechts vielmehr gerade auf solche Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, die den Vorrang der Nacherfüllung und mit ihm das Recht zur zweiten Andienung bereits von sich aus wahren (so die §§ 281, 323 BGB) oder bei denen dieses Recht ohnehin nicht gewahrt werden kann, da eine Nacherfüllung aufgrund einer Befreiung von der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1–3 BGB nicht möglich ist (so die §§ 283, 311a, 326 Abs. 5 BGB). Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften wäre demnach durch die Wertungen des kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsrechts auch nicht gesperrt, wenn diese nicht in den §§ 437, 634 BGB aufgezählt wären. Die §§ 437, 634 BGB begründen demnach keine Sperrwirkung hinsichtlich anderer Rechtsbehelfe des Käufers oder Bestellers. Letztere sind jedoch im Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts nicht anwendbar, soweit sie an die Mangelhaftigkeit des Vertragsgegenstandes anknüpfen und das Recht des Verkäufers oder Unternehmers zur zweiten Andienung unterlaufen.102 dd) Fazit zur Rechtsnatur der Verweisungen Die Verweisungen in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB wirken lediglich deklaratorisch. Die Voraussetzungen des jeweils einschlägigen der von ihnen in Bezug genommenen Rechtsbehelfe liegen in den Sachverhalten, die die Verweisungsvorschriften erfassen, von sich aus vor. Die Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts begründen daher auch das jeweilige Recht oder den Anspruch. Die Verweisungen werden ferner nicht dadurch konstitutiv, dass sie eine Sperrwirkung beseitigen oder gar entfalten. c) Systematisierende Funktion deklaratorischer Verweisungen Die §§ 437, 634 BGB zeigen, dass deklaratorische Verweisungen als gesetzgebungstechnisches Mittel sinnvoll sein können. § 437 BGB hat zwar hinsichtlich der einzelnen Verweisungen in seinen Nr. 1–3 keine konstitutive Wirkung, durch die Aufzählung der Rechte und Ansprüche zeigt er jedoch, welche Bestimmungen des allgemeinen Schuldrechts die Grundlage der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche bilden. Dadurch wird vom 14.6.2019 – V ZR 254/17, NZM 2019, 624, 626 (Rn. 17, „der den §§ 437 ff. BGB zugrunde liegt“); Fries, AcP 217 (2017), S. 534, 546. 101 Zum Vorrang der Nacherfüllung als Grundlage des Rechts zur zweiten Andienung Jaensch, Jura 2005, 649; Lorenz, JZ 2001, 742, 743; Petersen, Jura 2002, 461, 462. Siehe auch Muthers, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 182. 102 Deutlich für die c. i. c. MünchKommBGB/Westermann, § 437 Rn. 58 ff.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
die Handhabung des Gesetzes erleichtert. Die das allgemeine Leistungsstörungsrecht modifizierenden, ihm nachfolgenden Regelungen (§§ 438 ff. BGB) können an die Aufzählung in § 437 BGB anknüpfen und müssen nicht selbst die betroffenen Regelungen und mögliche Zeitpunkte, ab wann die Modifikationen greifen, aufzählen. Dadurch werden die weiteren Regelungen übersichtlicher und für den Rechtsanwender besser handhabbar. Für die in § 437 BGB bezeichneten Vorschriften wird durch die Aufzählung klar, dass sie bei Mangelhaftigkeit einer Kaufsache zur Anwendung gelangen, ohne dass im Einzelfall geprüft werden müsste, ob sie möglicherweise durch das Gewährleistungsrecht gesperrt sind, weil andernfalls dessen Wertungen umgangen würden. So verhält es sich nämlich bei anderen, in § 437 BGB nicht genannten, Rechten und Ansprüchen wie der Anfechtung, dem Schadensersatz aus culpa in contrahendo oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage.103 Durch die Bündelung in § 437 BGB entsteht demnach ein System des Gewährleistungsrechts. § 634 BGB hat im Werkvertragsrecht dieselbe Funktion, die § 437 BGB im Kaufrecht zukommt. Die in beiden Vorschriften jeweils enthaltenen Verweisungen haben ordnende, klarstellende und systematisierende Funktion, obwohl ihnen hinsichtlich der Anwendung der jeweiligen Verweisungsobjekte lediglich deklaratorische Wirkung zukommt. Die Verweisungen beziehen sich jeweils auf einzelne, speziell ausgewählte Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts. Es wird weder das gesamte allgemeine Leistungsstörungsrecht in Bezug genommen noch werden aus dessen Regelungsbereich einzelne Bereiche insgesamt einbezogen, weil weder auf sämtliche Schadensersatzregelungen des allgemeinen Schuldrechts noch auf dessen gesamte Rücktrittsrechte verwiesen wird. Beim Rücktrittsrecht erfolgt mit den §§ 323, 326 Abs. 5 BGB ebenso eine Auswahl der anwendbaren einzelnen Rechte wie hinsichtlich des Schadensrechts, auf das namentlich wegen der fehlenden Nennung des § 286 BGB nicht vollumfänglich verwiesen wird. Da sich die Verweisungen daher nicht umfassend auf einen Bereich des BGB beziehen, handelt es sich nicht um eine Bereichsverweisung, sondern um mehrere aneinandergereihte Einzelverweisungen. 4. Fazit zu den deklaratorischen Verweisungen auf das Rücktrittsrecht Unter den Verweisungen auf das Rücktrittsrecht sind diejenigen in den §§ 275 Abs. 4, 437 Nr. 2, 440 S. 1, 634 Nr. 3, 636 BGB deklaratorischer Natur. Bei ihnen handelt es sich, ebenso wie bei den deklaratorischen Verweisungen unter den Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht, um Rechtsgrundverweisungen. Sie stellen indes, anders als die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht, keine Bereichsverweisungen dar. Vielmehr wählen sie aus bestimmten Bereichen einzelne anwendbare Vorschriften oder gar Teile 103
Siehe oben unter b) cc) (2) (c).
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einzelner Vorschriften aus. Es handelt sich demnach um Einzelverweisungen. Die Verweisungen in den §§ 437, 634 BGB zeigen, dass deklaratorische Verweisungen innerhalb eines Gesetzbuches eine Daseinsberechtigung haben, da sie die Handhabung für den Rechtsanwender erleichtern, indem sie die bei Mangelhaftigkeit des Vertragsgegenstandes anwendbaren Rechte und Ansprüche aufzählen. Zumindest für diese Rechte muss der Rechtsanwender daher nicht im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob sie gegebenenfalls durch das Gewährleistungsrecht gesperrt sein könnten, weil sie dessen Regelungen im Einzelfall unterlaufen.
II. Konstitutive Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht Neben den deklaratorischen Verweisungen auf die §§ 323 Abs. 2, 326 BGB existieren im BGB Verweisungen auf die Vorschriften, die gesetzliche Rücktrittsrechte begründen oder Teile rücktrittsrechtlicher Tatbestände in Bezug nehmen, die, wie zu zeigen ist, konstitutiver Natur sind. Diese Verweisungen werden in den jeweiligen Verweisungsvorschriften durch unterschiedliche Formulierungen begründet. Während die Regelungen überwiegend eine „entsprechende Anwendung“ des gesamten § 323 BGB oder Teile dessen anordnen (§§ 314 Abs. 2 S. 2, 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5, 637 Abs. 2 S. 1 BGB), unterstellt § 527 Abs. 1 BGB die von ihm angeordnete Herausgabepflicht den „für das Rücktrittsrecht bestimmten Voraussetzungen“. Die in den §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB geregelten Minderungsrechte des Käufers oder Bestellers bestimmen die Minderung als Alternative zum Rücktritt („statt zurückzutreten“). Die Verweisungen auf die rücktrittsbegründenden Vorschriften lassen sich daher ihrer Formulierung nach in zwei Gruppen einteilen: Die einen knüpfen unmittelbar an § 323 BGB, die anderen ohne spezifische Vorgabe an die Voraussetzungen des Rücktritts an. 1. Anordnung der „entsprechenden“ Anwendung des § 323 BGB Die §§ 314 Abs. 2 S. 2, 321 Abs. 2, 326 Abs. 5, 637 Abs. 2 S. 1 BGB erklären § 323 BGB oder einzelne seiner Absätze unter bestimmten Voraussetzungen für entsprechend anwendbar. § 326 Abs. 5 BGB knüpft diese entsprechende Anwendung zudem an zusätzliche Voraussetzungen („mit der Maßgabe“). Die Anordnung einer „entsprechenden“ Anwendung ist eine Besonderheit einiger Verweisungen. Verweisungen mit diesem Zusatz werden auch als Verweisungsanalogien bezeichnet.104 Die Formulierung der Verweisung 104 BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 232; Brugger, VerwArch. 78 (1987), S. 1, 3 (Fn. 6); Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24; Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 78 f.; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, S. 55; Kar-
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bringe zum Ausdruck, dass das Verweisungsobjekt im Rahmen der Verweisungsvorschrift in modifizierter Form anzuwenden sei.105 Bei einem Blick auf verschiedene Stellen der Gesetzesbegründungen zu Regelungen des BGB zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Zusatz „entsprechend“ hinsichtlich der Art der Anwendung einer Vorschrift durchaus eine Bedeutung beimisst. Im Zusammenhang mit einem § 825a BGB einer Entwurfsfassung gab es beispielsweise Diskussionen darüber, ob der Zusatz „entsprechend“ in den Normtext aufgenommen werden sollte. Auf eine Aufnahme wurde verzichtet, da das Verweisungsobjekt in den Fällen der Verweisungsvorschrift zur direkten Anwendung gelange.106 In den Materialien zur Schuldrechtsmodernisierung klingt ebenfalls an verschiedenen Stellen die Bedeutung der Anordnung einer entsprechenden Anwendung im Rahmen einer Verweisungsvorschrift an, indem in unterschiedlich deutlicher Form darauf hingewiesen wird, die entsprechende Anwendung berge eine gewisse Unsicherheit und Unklarheit hinsichtlich des Umfangs der Anwendung des Verweisungsobjekts.107 Zu § 1227 BGB, der eine „entsprechende Anwendung“ der Ansprüche aus dem Eigentum anordnet, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, die in Bezug genommenen Regelungen würden durch die „analoge Anwendung“ an diesen angepasst.108 Aus der entsprechenden Geltung der Regelungen des Sachkaufs für den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen (§ 453 Abs. 1 BGB) schließt der Gesetzgeber darauf, dass die Regelungen über den Sachkauf anzuwenden sein sollen, „soweit sie passen“.109 Es handelt sich demnach infolge einer derartigen Verweisung nicht um eine vollständige, sondern partielle Anwendung der kaufrechtlichen Regelungen der §§ 433 ff. BGB, ohne dass das Gesetz selbst bestimmt, welche Aspekte konkret von der Anwendung ausgenommen sind. Diese Äußerungen begründen den Verdacht, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Anwendung eines Verweisungsobjekts immer dann anordnet, wenn er meint, die betroffene Vorschrift könne in den Konstellationen der Verweisungsvorschrift nicht unverändert angewendet, sondern müsse an letztere angepasst werden. Die Verweisung wäre in den Fällen, in denen das Verweisungsobjekt nur entsprechend anzuwenden ist, dann stets parpen, Die Verweisung, S. 78; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 18. Siehe auch Maties, JR 2007, 265 ff.; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 376. Siehe dazu in Kap. 1, § 2 VI. 105 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63, 79; Hadding, FS Mühl, S. 225, 250; Reinermann, Verweisungen in Tarifverträgen, S. 18. 106 Aus den Beratungen zum BGB nach Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse, Bd. III, S. 867 f. 107 BT‑Drucks. 14/6040, S. 115 (im Zushg. mit der entspr. Anwendung von § 220 Abs. 1 BGB im Schiedsverfahren), 194 (im Zshg. mit den §§ 346 ff. BGB). 108 Motive zum BGB, Bd. 3, S. 809. 109 BT‑Drucks. 14/6040, S. 242. Siehe dazu auch Larenz, Methodenlehre, S. 261.
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tiell. Umgekehrt könnte daraus folgen, dass Bezugnahmen ohne den Zusatz „entsprechend“ eine Anwendung ohne Modifikation zur Folge haben. Die Einteilung anhand der Formulierung der Verweisungsvorschrift hätte durchaus Vorteile, da der Rechtsanwender schon von der Formulierung der Verweisung auf die Art der Anwendung des Verweisungsobjekts schließen könnte. Diese Regelungstechnik liegt den Verweisungen des BGB jedoch nicht flächendeckend zugrunde. Zumindest gibt es Verweisungen, die keine entsprechende Anwendung anordnen und dennoch lediglich partielle Wirkung hinsichtlich der Anwendbarkeit des Verweisungsobjekts entfalten. Dies zeigen die Bereichsverweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, von denen sich im BGB drei finden: §§ 292, 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB.110 Während die §§ 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses anordnen, macht § 292 BGB keine derartige Einschränkung, obwohl in allen drei Fällen Modifikationen der Verweisungsobjekte erfolgen müssen. Es liegt daher nicht in jedem Fall, in dem eine Verweisung keine entsprechende Anwendung anordnet, eine vollumfängliche Verweisung vor. Auch die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht, die als solche zwar stets vollumfänglich sind, erfordern gegebenenfalls eine modifizierende Anwendung der einzelnen Voraussetzungen der §§ 818–820, 822 BGB.111 Keine der Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht bestimmt dafür eine entsprechende Anwendung dessen Regelungen. Insofern sind mithin ebenfalls Anpassungen erforderlich, die nicht im Normtext der Verweisungsvorschriften vorgegeben werden. Die Verweisungsanalogie, die gerade durch derartige Modifikationen gekennzeichnet sein soll, ist daher keine besondere Verweisungskategorie. Sie umschreibt vielmehr die in nahezu sämtlichen Fällen materieller Verweisungen erforderliche modifizierende Anwendung eines Verweisungsobjekts im Rahmen einer Verweisungsvorschrift. Die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht werden im Folgenden daraufhin untersucht, ob zumindest ein umgekehrter Schluss möglich ist, das heißt immer dann eine partielle Verweisung vorliegt, wenn eine entsprechende Anwendung des Verweisungsobjekts vorgegeben wird. a) Die Verweisung in § 321 Abs. 2 S. 3 BGB Die Verweisung auf § 323 BGB in § 321 Abs. 2 S. 3 BGB dient der ergänzenden Ausgestaltung des in § 321 Abs. 2 S. 2 BGB geregelten Rücktrittsrechts. § 321 Abs. 2 BGB gibt in Verbindung mit seinem Abs. 1 die Voraussetzungen vor, unter denen eine vorleistungspflichtige Partei zum Rücktritt be110 Siehe zu den Verweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und deren Einteilung in Einzel- und Bereichsverweisungen in Kap. 4, § 2. 111 Siehe dazu ausführl. Kap. 2, § 4.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
rechtigt ist. § 321 Abs. 2 BGB ist jedoch insbesondere hinsichtlich des dort geregelten Ablaufs einer zuvor gesetzten Frist ergänzungsbedürftig. Daher wird die Verweisung auf § 323 BGB namentlich hinsichtlich einer etwaigen Entbehrlichkeit der Fristsetzung relevant, die unter den in § 323 Abs. 2 BGB bestimmten Voraussetzungen gegeben ist.112 Im Übrigen bestimmt § 323 BGB aufgrund der Verweisung die Rechte des Zurücktretenden bei Teilleistungen.113 Da es sich um einen Rücktritt vor Fälligkeit handelt, liegen die Voraussetzungen des § 323 BGB in den Sachverhaltskonstellationen, die § 321 Abs. 2 BGB zugrunde liegen, von sich aus nicht vor. Die Verweisung ist daher für die Anwendung des § 323 BGB konstitutiv – der Geltungsbefehl ergibt sich aus § 321 Abs. 2 S. 3 BGB. Die Verweisung hat damit zugleich geltungserweiternde Wirkung hinsichtlich des § 323 BGB, der über seinen originären Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt wird. Es handelt sich um eine Verweisung auf die gesamte Vorschrift des § 323 BGB. Letzterer stellt Voraussetzungen auf, unter denen ein Rücktrittsrecht besteht. Diese Voraussetzungen ergänzen § 321 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Begründung des dort normierten Rücktrittsrechts. Ohne die Bezugnahme auf § 323 BGB entstünde das Rücktrittsrecht gemäß § 321 Abs. 2 S. 2 BGB bereits schon tatbestandlich nicht oder zumindest in einer anderen Weise. Anders als bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht geht es daher nicht darum, einen vollständig entstandenen Anspruch – übertragen auf das Rücktrittsrecht ein bereits nach einer anderen Vorschrift entstandenes Gestaltungsrecht – lediglich in den Rechtsfolgen näher zu bestimmen.114 Voraussetzungen, die in § 323 BGB die Rechtsentstehung bestimmen, erlangen durch die Verweisung Bedeutung in § 321 Abs. 2 S. 2 BGB. Es handelt sich daher um eine Rechtsgrundverweisung. Diese ist allerdings nicht vollumfänglich in dem Sinne, dass sämtliche Voraussetzungen des § 323 BGB vorliegen müssen, damit der Vorleistungsberechtigte gemäß § 321 Abs. 2 S. 2 BGB zum Rücktritt berechtigt ist. Wenn dies der Fall wäre, hätte § 321 Abs. 2 S. 2 BGB nicht geschaffen werden müssen, weil das Rücktrittsrecht bereits über § 323 BGB selbst begründbar wäre. Eine Verweisung auf letztere Vorschrift in § 321 Abs. 2 S. 3 BGB wäre dann allenfalls deklaratorischer Natur. § 321 Abs. 2 S. 3 BGB enthält demnach eine Rechtsgrundverweisung auf § 323 BGB, die nicht vollumfänglich, sondern partiell wirkt. Die Verwei112 Soergel/Gsell, BGB, § 321 Rn. 60; Staudinger/Schwarze, BGB, § 321 Rn. 79 ff. Zum Sonderfall der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung, bei dem regelmäßig die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 oder Abs. 4 BGB vorliegen und der Rücktritt daher nach einer dieser Vorschriften möglich ist: Soergel/Gsell, BGB, § 321 Rn. 60. 113 Staudinger/Schwarze, BGB, § 321 Rn. 81. 114 Siehe zu den Abweichungen bei § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, bei dem das Bereicherungsrecht auch im Tatbestand Bedeutung erlangt, in Kap. 2, § 4 I. 1.
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sung bezieht sich nämlich nicht auf die Voraussetzungen des § 323 BGB, die in den Sachverhalten, die § 321 Abs. 2 BGB unterfallen, nicht vorliegen können. § 323 BGB ist daher nur insoweit anzuwenden, als er Voraussetzungen aufstellt, die sich auf die normative Ausgangssituation des § 321 Abs. 2 S. 2 BGB übertragen lassen. Die nur partielle Verweisung ist durch die Verwendung des Wortes „entsprechend“ in § 323 Abs. 2 S. 3 BGB sprachlich sichtbar. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 323 BGB, die § 321 Abs. 2 BGB nicht widersprechen, aber in letzterer Vorschrift aufgehen, läuft die Verweisung im Übrigen leer, obwohl sie sich dem Grunde nach auch auf diese Teile des § 323 BGB bezieht. Die partielle Wirkung der Verweisung schließt nicht aus, dass sie hinsichtlich einiger Merkmale des § 323 BGB, die grundsätzlich von der Verweisung umfasst sind, teilweise leerläuft, weil die Voraussetzungen von Verweisungsvorschrift und Verweisungsobjekt insoweit deckungsgleich sind. Daran zeigt sich, dass die partielle Bezugnahme und das teilweise Leerlaufen einer Verweisung voneinander zu unterscheiden sind. Eine Verweisung ist immer dann partiell, wenn einzelne Voraussetzungen oder Teile des Verweisungsobjekts von der Verweisung ausgenommen sind, weil andernfalls ein Widerspruch zu den Vorgaben der Verweisungsvorschrift entstünde. Eine Verweisung läuft dagegen (teilweise) leer, wenn sie grundsätzlich vollumfänglich ist, einige Teile des Verweisungsobjekts im Anwendungsbereich der Verweisungsvorschrift jedoch bedeutungslos sind. Eine Anwendung der bedeutungslosen Teile würde in diesen Fällen aber nicht zu einem Konflikt mit den Vorgaben der Verweisungsvorschrift führen. Je enger eine konstitutive Verweisung ist, desto eher wird sie lediglich partielle Wirkung haben, da die Gefahr, dass ein Widerspruch entsteht, größer ist, wenn die Verweisung sich nur auf eine Vorschrift oder gar nur einen Teil einer Vorschrift bezieht. Liegt in diesem Fall eine Voraussetzung des Verweisungsobjekts nicht vor, führte die Verweisung zu einem unauflösbaren Widerspruch. Bezieht sich eine Verweisungsvorschrift hingegen auf einen ganzen Abschnitt, in dem mehrere Vorschriften geregelt sind, kann sie auch dann noch Bedeutung haben, wenn einzelne der dort geregelten Vorschriften infolge der Bezugnahme nicht zur Anwendung gelangen. Die Einordnung der Verweisung als Rechtsgrundverweisung sagt über ihren Umfang lediglich aus, dass die Voraussetzungen des § 323 BGB in den Fällen des § 321 Abs. 2 S. 2, 3 BGB zu prüfen sind. Ob und wenn ja, welche Voraussetzungen ausgespart werden müssen, ergibt sich aber nicht schon per se aus der Einordnung der Verweisung als konstitutive Rechtsgrundverweisung,115 sondern aus dem Zusammenspiel der bereits in der 115
Schall, NJW 2011, 343, 344 f.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
Verweisungsvorschrift normierten Voraussetzungen mit denen des Verweisungsobjekts. Eine generalisierende Aussage zum Verweisungsumfang lässt sich dem nur insoweit entnehmen, als die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts zur Begründung des jeweiligen Rechts aus der Verweisungsvorschrift vorliegen müssen. Welche von ihnen dabei jedoch maßgeblich und welche nicht zu prüfen sind, weil andernfalls ein Widerspruch zur Verweisungsvorschrift entstünde, richtet sich nach den Vorgaben der Verweisungsvorschrift. Anders als bei Rechtsfolgenverweisungen, bei denen die Grundrechtsfolge in der Verweisungsvorschrift bestimmt ist und das oder die Verweisungsobjekte grundsätzlich bei allen gleichgerichteten Bereichsverweisungen in derselben Weise den Umfang bestimmen,116 lässt sich der Umfang teilweiser Rechtsgrundverweisungen auch dann nicht allgemeingültig bestimmen, wenn sie sich auf denselben Abschnitt beziehen. Die partielle Wirkung derartiger Verweisungen besteht somit darin, dass solche Voraussetzungen des Verweisungsobjekts im Rahmen der Verweisungsvorschrift nicht anwendbar sind, die den Voraussetzungen letzterer widersprechen oder in sonstiger Weise zu ihnen nicht kompatibel sind. Die inkorporierende Wirkung, die konstitutiven Verweisungen zukommt,117 ist demnach bei konstitutiven Rechtsgrundverweisungen ebenfalls partiell. Die Verweisungsobjekte werden nur in dem Umfang in die Verweisungsvorschrift inkorporiert, in dem sie ihr nicht zuwiderlaufen. § 321 Abs. 2 S. 2 BGB normiert ein spezielles Rücktrittsrecht des Vorleistungspflichtigen. Durch die Inkorporation des § 323 BGB in § 321 Abs. 2 S. 3 BGB wird dieses Rücktrittsrecht durch die Voraussetzungen des allgemeinen Rücktrittsrechts ergänzt. Der Sinn der Verweisung besteht darin, das besondere Rücktrittsrecht an die Voraussetzungen des § 323 BGB anzubinden. Die Verweisung ist insoweit klar auf § 323 BGB beschränkt. Eine andere rücktrittsbegründende Vorschrift hat der Gesetzgeber wohl nicht als zur Ausgangslage des § 321 BGB passend angesehen. Daher hat er nicht sämtliche allgemeinen Rücktrittsrechte in die Verweisung einbezogen, sondern diese explizit auf § 323 BGB beschränkt. Es handelt sich daher um eine Einzelverweisung. Da § 321 Abs. 2 S. 2 BGB bereits eine rücktrittsrechtliche Vorschrift ist, hat die Inkorporation einer weiteren rücktrittsrechtlichen Vorschrift keine den Rechtscharakter des § 321 Abs. 2 S. 2 BGB verändernde 116 Eine allgemeingültige Aussage ist insoweit hinsichtlich des Umfangs der Bereichsverweisung möglich. Das schließt nicht aus, dass im Rahmen der jeweils an wendbaren Vorschriften ggf. Voraussetzungen an die Vorgaben der Verweisungsvorschriften anzupassen sind. Siehe dazu z. B. die Ausführungen zu § 819 BGB in Kap. 2, § 4 I. 2. e). Diese Anpassungen sind jedoch keine Einzelfälle, sondern gelten für die jeweiligen Voraussetzungen flächendeckend für die Bereichsverweisungen auf diese Vorschriften. 117 Siehe dazu ausführl. Kap. 1, § 1 II. 2.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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Wirkung. Die Vorschrift normiert insgesamt ein spezielles Rücktrittsrecht, dessen Rechtsfolgen sich nach den §§ 346 ff. BGB richten.118 b) Die Verweisung in § 326 Abs. 5 BGB § 326 Abs. 5 BGB wird als eine der wenigen Verweisungen auf das Rücktrittsrecht ausdrücklich einer Verweisungskategorie zugerechnet: der der Rechtsgrundverweisungen.119 Dies beruht auf der dort angeordneten entsprechenden Anwendung des § 323 BGB. Letzterer ergänzt das in § 326 Abs. 5 BGB geregelte Rücktrittsrecht. § 326 Abs. 5 BGB gibt mit der Voraussetzung der Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB selbst bereits die Grundvoraussetzungen für den Rücktritt vor, bedarf aber einer Ergänzung für die Einzelheiten hinsichtlich der Entstehung des Rücktrittsrechts. Insoweit sind die Voraussetzungen des § 323 BGB heranzuziehen. Die Verweisung bezieht sich dafür auf Voraussetzungen des § 323 BGB zur Begründung des Rücktrittsrechts – es handelt sich somit um eine Rechtsgrundverweisung. Sie bezieht sich ausschließlich auf § 323 BGB. § 326 Abs. 5 BGB statuiert ebenso wie § 323 BGB ein allgemeines Rücktrittsrecht, indem er einen speziellen, aber sich häufig ereignenden, Fall des Rücktritts regelt, der grundsätzlich nicht von § 323 BGB erfasst wird. Über die Verweisung in § 326 Abs. 5 BGB wird er dennoch an § 323 BGB angeknüpft. Es handelt sich daher um eine Einzelverweisung auf das Rücktrittsrecht des § 323 BGB. Die Verweisung in § 326 Abs. 5 BGB ist nicht bloß deklaratorisch.120 § 323 BGB eröffnet zwar eine Rücktrittsmöglichkeit, wenn der Schuldner nicht oder nicht vertragsgemäß leistet, ohne dass den Schuldner daran ein Verschulden treffen müsste. Die Fälle der Nichtleistung aufgrund der Unmöglichkeit der Leistung im Sinne von § 275 Abs. 1 bis 3 BGB sind daher insoweit bereits von § 323 Abs. 1 BGB selbst erfasst. § 323 Abs. 1 BGB setzt jedoch ferner voraus, dass die Pflicht zur Leistung noch besteht und der Anspruch fällig und durchsetzbar ist.121 Daran fehlt es, wenn es dem Schuldner unmöglich ist, die Leistung zu erbringen: § 275 Abs. 1 BGB steht dem Fortbestehen des Anspruchs auf die Leistung entgegen, wenn diese unmöglich ist. § 275 Abs. 2 und 3 BGB geben dem Schuldner eine Einrede und verhindern demnach die Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Daher ist 118 Siehe zu den Grundlagen der Anwendung der §§ 346 ff. BGB auf gesetzlich geregelte Rücktrittsrechte in diesem Kap. § 3. 119 MünchKommBGB/Ernst, § 326 Rn. 110; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 374; Soergel/Gsell, BGB, § 326 Rn. 121. 120 In den Erläuterungen zu einem Entwurf des Rücktrittsrechts in § 326 BGB (§ 326 Abs. 1 S. 3 des Entwurfs) heißt es allerdings, dieser diene vor allem der Klarstellung: BT‑Drucks. 14/6040, S. 184. 121 Looschelders, Schuldrecht AT, § 22 Rn. 447 f., § 33 Rn. 676; Soergel/Gsell, BGB, § 323 Rn. 42, 54. Zum Erfordernis der Nachholbarbeit BT‑Drucks. 14/6040, S. 184; Canaris, FS Kropholler, S. 3, 6.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
der Gläubiger nicht nach § 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt, wenn der Schuldner seine Leistung aus einem der in § 275 Abs. 1–3 BGB genannten Gründe nicht erbringt. § 326 Abs. 5 BGB füllt diese Lücke. Die Verweisung auf § 323 BGB in § 326 Abs. 5 BGB hat demnach hinsichtlich § 323 BGB geltungserweiternde Wirkung und kann, um Widersprüche zu vermeiden, lediglich partiell wirken. Dies drückt sich in derselben Weise wie in § 321 Abs. 2 S. 3 BGB sprachlich in einer Anordnung der „entsprechenden“ Anwendung aus. Der Verzicht auf das Erfordernis des Fortbestehens eines fälligen und durchsetzbaren Anspruchs im Rahmen von § 326 Abs. 5 BGB ergibt sich aus dessen Anwendungsbereich und nicht schon daraus, dass es sich hierbei um eine partielle Rechtsgrundverweisung handelt. § 326 Abs. 5 BGB enthält ferner eine weitere ausdrückliche Abweichung von § 323 BGB, da er diesen insoweit nicht für anwendbar erklärt, als er eine Fristsetzung voraussetzt. § 323 BGB wird dadurch modifiziert, weil die Fristsetzung für jeden Fall des Rücktritts gemäß § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich ist. § 326 Abs. 5 BGB gibt dies ausdrücklich vor, daher bestehen insoweit keine Unklarheiten hinsichtlich des Anwendungsumfangs von § 323 BGB. § 326 Abs. 5 BGB bestimmt somit durch seinen Regelungsbereich stillschweigend, auf welche Voraussetzungen des § 323 BGB seine Verweisung sich bezieht. Im Übrigen regelt er dies hinsichtlich des Fristsetzungserfordernisses zusätzlich ausdrücklich. § 326 Abs. 5 BGB regelt, ebenso wie § 321 Abs. 2 S. 2 BGB, von sich aus ein gesetzliches Rücktrittsrecht. Die inhaltliche Ergänzung durch § 323 BGB als ebenfalls rücktrittsrechtliche Vorschrift fügt sich in den Rechtscharakter ein, der bereits durch § 326 Abs. 5 BGB vorgegeben ist. c) Die Verweisungen in § 314 Abs. 2 S. 2 und in § 637 Abs. 2 S. 1 BGB Die §§ 314 Abs. 2 S. 2, 637 Abs. 2 S. 1 BGB unterscheiden sich von den ebenfalls auf § 323 BGB verweisenden §§ 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5 BGB, indem sie nicht den gesamten § 323 BGB, sondern lediglich Teile dessen in Bezug nehmen. § 314 Abs. 2 S. 2 BGB verweist auf § 323 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB, um auf diese Weise Ausnahmen vom Erfordernis der Fristsetzung oder Abmahnung vor einer Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zu schaffen. In seinem S. 3 normiert § 314 Abs. 2 S. 2 BGB zusätzlich einen weiteren Ausnahmetatbestand, der von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB teilweise abweicht. Die Verweisung ist daher auf die Nummern 1 und 2 des § 323 Abs. 2 BGB beschränkt.122 Da sich die Verweisung auf die Entbehrlichkeit des Fristset122 Dies war vor der Neufassung des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (mit Wirkung zum Juni 2014) anders. Die Verweisung erstreckte sich nach § 314 Abs. 2 S. 2 a. F. BGB auf den gesamten § 323 Abs. 2 BGB. Die Änderung wurde vorgenommen, um bestimmte nunmehr von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht mehr erfasste Fälle noch von § 314 Abs. 2 S. 2, 3 BGB zu umfassen. Siehe dazu BT‑Drucks. 17/13951, S. 64.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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zungserfordernisses als Teil des Tatbestandes des § 323 BGB bezieht, handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Diese wirkt hinsichtlich des § 323 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB lediglich partiell, weil dieser zumindest insoweit zu modifizieren ist, als er sich ausschließlich auf die Fristsetzung bezieht. § 314 Abs. 2 S. 2 BGB erfasst daneben die Abmahnung, die im originären Anwendungsbereich des § 323 Abs. 2 BGB zwar über dessen Abs. 3 ebenfalls erfasst wäre. § 323 Abs. 3 BGB ist jedoch in § 314 Abs. 2 S. 2 BGB nicht in Bezug genommen, sodass sich die Anwendung des § 323 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB auf die Abmahnung in den Fällen des § 314 Abs. 2 S. 2 BGB nicht aus § 323 Abs. 3 BGB, sondern aus § 314 BGB selbst ergibt. Dass es sich insoweit um eine modifizierende Anwendung des § 323 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB und mithin um eine partielle Rechtsgrundverweisung handelt, ist durch den Wortsinn der Vorschrift indiziert, der eine „entsprechende Anwendung“ anordnet. In den Fällen des § 314 Abs. 2 S. 2 BGB, in denen es um die hiernach gegebenenfalls erforderliche Bestimmung einer Frist zur Abhilfe geht, ist eine Modifikation des § 323 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB hingegen nicht erforderlich. Gemäß § 637 Abs. 2 S. 1 BGB findet § 323 Abs. 2 BGB auf das grundsätzliche Fristsetzungserfordernis als Voraussetzung eines Selbstvornahmerechts im Werkvertragsrecht entsprechende Anwendung. Es handelt sich um eine Rechtsgrundverweisung, die sich auf das Fristsetzungserfordernis (§ 323 Abs. 2 BGB) als Teil des Tatbestands des Rücktrittsrechts bezieht. Der Umfang dieser Verweisung ist denkbar klar, da sie sich ausdrücklich auf § 323 Abs. 2 BGB beschränkt. Es handelt sich um eine konstitutive Verweisung, weil § 323 Abs. 2 BGB von sich aus lediglich für das in § 323 Abs. 1 BGB normierte Fristsetzungserfordernis als Voraussetzung eines Rücktritts anwendbar ist. § 637 Abs. 2 S. 1 BGB ordnet dessen Geltung für die Frist an, die vor der Ausübung des Selbsthilferechts zu setzen ist. Dabei ist die Anwendung des § 323 Abs. 2 BGB deshalb eine modifizierende, weil dessen Voraussetzungen, die auf den Rücktritt zugeschnitten sind, auf das Selbsthilferecht anzupassen sind. Dies betrifft namentlich § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, nach dem in seinem originären Anwendungsbereich die Fristsetzung vor einem Rücktritt entbehrlich ist, wenn besondere Umstände vorliegen. Derartige besondere Umstände können nur aus einer Interessenabwägung abgeleitet werden, deren Ergebnis den sofortigen Rücktritt rechtfertigen muss. Dies ist durch § 637 Abs. 2 S. 1 BGB auf das Selbstvornahmerecht dahingehend angepasst, dass besondere Umstände nach einer Abwägung der Interessen von Unternehmer und Besteller die sofortige Selbstvornahme rechtfertigen, ohne dass dem Unternehmer zunächst die Möglichkeit der Nacherfüllung eröffnet werden müsste.123 Dass die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 BGB auf die Ausgangssituation des § 637 BGB anzupassen ist, 123 MünchKommBGB/Busche,
§ 637 Rn. 3.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
ergibt sich nicht zuletzt aus der Formulierung des § 637 Abs. 2 S. 1 BGB, der die „entsprechende“ Anwendung des § 323 Abs. 2 BGB anordnet. § 637 Abs. 2 S. 1 BGB enthält demnach eine partielle Rechtsgrundverweisung, die sich zwar grundsätzlich vollumfänglich auf § 323 Abs. 2 BGB bezieht, dessen Voraussetzungen aber in einer Weise modifiziert, dass sie sich in den Anwendungsbereich des § 637 Abs. 1 S. 2 BGB einfügen. Ebenso wie im Rahmen der §§ 314 Abs. 2 S. 2, 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5 BGB ist die Modifikation, die im Rahmen der Rechtsgrundverweisung auf § 323 BGB vorzunehmen ist, daher nicht der Art der Verweisung, sondern der Geltungsanordnung durch die Verweisungsvorschrift zu entnehmen. Weder bei § 314 BGB noch bei § 637 BGB handelt es sich um Rücktrittsrechte. § 314 BGB normiert ein Kündigungsrecht für Dauerschuldverhältnisse und § 637 BGB das Selbstvornahmerecht des Bestellers beim Werkvertrag nach mangelhafter Leistung durch den Werkunternehmer. Zur Ergänzung ihres Tatbestandes verweisen sie dennoch auf § 323 Abs. 2 BGB als Teil einer rücktrittsrechtlichen Vorschrift. Durch die Verweisung werden die jeweils in Bezug genommenen Teile des § 323 Abs. 2 BGB in die Verweisungsvorschriften inkorporiert und ihr Geltungsbereich erweitert. Die Inkorporation eines Teils einer rücktrittsrechtlichen Vorschrift in eine nicht rücktrittsrechtliche Vorschrift ist dem Grunde nach geeignet, Einfluss auf den Rechtscharakter der Verweisungsvorschrift auszuüben. Damit das Verweisungsobjekt insoweit bestimmenden Charakter hat, müsste sich die Verweisung jedoch auf Teile der Vorschrift beziehen, die dessen Charakter als Rücktrittsrecht prägen. Die §§ 314 Abs. 2 S. 2, 637 Abs. 1 S. 2 BGB verweisen jedoch ausschließlich auf die Teile des § 323 BGB, die die Entbehrlichkeit der Fristsetzung bestimmen. Diese Passagen des § 323 BGB regeln lediglich, wann der Gläubiger unmittelbar vom Vertrag zurücktreten kann. Sie bestimmen nur die Ausübung des Rücktrittsrechts in zeitlicher Hinsicht und prägen nicht dessen Rechtscharakter. Aus diesem Grund sind die Entbehrlichkeitstatbestände auch dem Grunde nach auf andere Rechte übertragbar, die eine Fristsetzung verlangen, da sie lediglich isoliert diese Voraussetzung bestimmen, den Inhalt des Rechts im Übrigen jedoch unberührt lassen. Dass die Entbehrlichkeitstatbestände keinen Rechtscharakter prägenden Einfluss haben, zeigt sich auch daran, dass in verschiedenen Vorschriften mit unterschiedlichem Rechtscharakter derartige Tatbestände normiert sind; so insbesondere auch in der schadensersatzrechtlichen Vorschrift des § 281 Abs. 2 BGB oder im Rahmen der Abhilfe im Reisevertragsrecht in § 651k Abs. 2 S. 2 BGB. Die isolierte Rechtsgrundverweisung auf die Entbehrlichkeitstatbestände in § 323 Abs. 2 BGB prägt den Rechtscharakter der §§ 314 Abs. 2 S. 2, 637 Abs. 2 S. 1 BGB nicht. Strenggenommen sind die Verweisungen in den §§ 314 Abs. 2 S. 2, 637 Abs. 2 S. 1 BGB gar nicht den Bereichsverweisungen auf das Rücktrittsrecht zuzuordnen, da sie
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nicht den Rücktritt als solchen in Bezug nehmen, sondern lediglich einen Tatbestand der Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Bezogen auf diesen Tatbestand handelt es sich jeweils um eine Einzelverweisung. d) Folgerungen aus den Verweisungen mit Anordnung entsprechender Geltung Die Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht, die eine entsprechende Geltung der jeweils in Bezug genommenen rücktrittsrechtlichen Regelungen anordnen, nehmen die Voraussetzungen der Verweisungsobjekte nicht vollumfänglich in Bezug, sondern verweisen lediglich partiell hierauf. Der Umfang der Verweisung ergibt sich dabei jeweils aus einer vergleichenden Betrachtung von Verweisungsvorschrift und -objekt, da er so weit reicht, wie die Voraussetzungen des Verweisungsobjekts nicht denen der Verweisungsvorschrift per se zuwiderlaufen. Für die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht bestätigt sich dadurch die These, dass die Anordnung einer entsprechenden Anwendung bedeutet, dass es sich um eine modifizierende Anwendung des jeweiligen Verweisungsobjekts handelt. Die erforderlichen Anpassungen führen bei diesen Rechtsgrundverweisungen dazu, dass sie lediglich partiell wirken. Diese nur partielle Wirkung unterscheidet die konstitutiven von den deklaratorischen Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht. Bei letzteren handelt es sich denknotwendig um vollumfängliche Bezugnahmen.124 Die bisher betrachteten konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht prägen, obwohl durch sie zumindest Teile des § 323 BGB in die jeweilige Verweisungsvorschrift inkorporiert werden, nicht deren Rechtscharakter. Dies beruht darauf, dass der Rechtscharakter von Verweisungsvorschrift und Verweisungsobjekt entweder ohnehin identisch ist (so in den Fällen der §§ 321 Abs. 2 S. 2, 3, 326 Abs. 5 BGB) oder die Verweisung sich nicht auf Teile des § 323 BGB bezieht, die den Rechtscharakter dieser Vorschrift als Rücktrittsrecht prägen (so die §§ 314 Abs. 2 S. 2, 637 Abs. 2 S. 1 BGB). Bei letzteren handelt es sich daher strenggenommen schon gar nicht um Verweisungen auf das Rücktrittsrecht, sondern um Verweisungen auf Tatbestände, die die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung normieren. Die konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht unterscheiden sich dadurch von den konstitutiven Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht, die die Rechtsnatur der Verweisungsvorschriften maßgeblich mitbestimmen.125 Sämtliche Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht, die sich auf § 323 BGB oder einzelne seiner Absätze beziehen, sind jedoch – anders als die Verweisungen auf das Bereicherungs124
125
Zum deklaratorsichen Charakter einer Verweisung allg. Kap. 1, § 2 II. Siehe dazu ausführl. in Kap. 2, § 3.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
recht – Einzelverweisungen hinsichtlich der genannten Vorschriften. Sie sind eindeutig auf diese Fälle begrenzt und dienen nicht der Inbezugnahme eines gesamten Regelungsbereichs. Den Verweisungsvorschriften liegt vielmehr eine Interessenlage zugrunde, die mit der des jeweiligen Verweisungsobjekts oder gar nur einzelner seiner Elemente vergleichbar ist und die auf diese Weise eine Verweisung rechtfertigt. Die Systematik von Einzelverweisungen kann daher im Einzelfall der von Bereichsverweisungen entsprechen. Dies ist jedoch nicht zwingend. 2. Verweisungen auf die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts a) Die Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB § 527 Abs. 1 BGB unterscheidet sich von den bisher betrachteten Verweisungen auf das Rücktrittsrecht bereits aufgrund der abweichenden Formulierung der Verweisungsanordnung („unter den für das Rücktrittsrecht bestimmten Voraussetzungen“). Diese Verweisung besteht bereits seit Schaffung des BGB, wohingegen die bisher betrachteten konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht in den §§ 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5 BGB erst mit der Schuldrechtsreform im Jahr 2002 in das BGB aufgenommen wurden. Das Rücktrittsrecht hat sich im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung grundlegend verändert. Die im Zuge dessen entstandenen konstitutiven Verweisungen auf das Rücktrittsrecht tragen den Änderungen, mit Ausnahme derjenigen in den §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB, ihrer Struktur nach konkret Rechnung. Der Gesetzgeber hätte § 527 Abs. 1 BGB ebenfalls im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung an die anderen Verweisungen auf das Rücktrittsrecht anpassen können. Dass er dafür wohl keine Notwendigkeit gesehen hat, erklärt sich aus der inhaltlichen Sonderstellung des § 527 Abs. 1 BGB. Die Besonderheit der Vorschrift besteht darin, dass sie zwei verschiedene Rückabwicklungssysteme miteinander kombiniert, indem sie die Herausgabe eines Geschenks bei Nichtvollziehung einer Schenkungsauflage unter den für das Rücktrittsrecht bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über das Bereicherungsrecht anordnet. Sie verweist somit hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen auf das Rücktrittsrecht und bezüglich der Rechtsfolge auf das Bereicherungsrecht.126 Die Verweisung auf das Rücktrittsrecht ist, wie der Wortsinn („unter den […] Voraussetzungen“) eindeutig vorgibt, eine Rechtsgrundverweisung. Indem sie nicht näher spezifiziert, worin die „Voraussetzungen des Rücktritts“ liegen, verweist sie sprachlich auf das gesamte Rücktrittsrecht, allerdings begrenzt auf Vorschriften, in denen „die Voraussetzungen des Rücktritts“ geregelt sind, 126
Siehe ausführl. Kap. 2, § 2 II. 9. a).
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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das heißt auf rücktrittsbegründende Vorschriften. Anders als die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht nimmt § 527 Abs. 1 BGB daher bereits eine Eingrenzung der erfassten Regelungen vor. Innerhalb der Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht wird durch die Einordnung als Rechtsgrundverweisung bestimmt, auf welche Vorschriften die Bezugnahme erstreckt ist. In § 527 Abs. 1 BGB ergibt sich dies schon aus der Verweisungsvorschrift selbst. Die allgemeinen rücktrittsbegründenden Vorschriften sind die §§ 323, 324 und 326 Abs. 5 BGB. Diese sind mangels weitergehender Eingrenzung somit sämtlich von der Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB erfasst. Hinsichtlich § 324 BGB läuft die Verweisung freilich leer, da das Unterbleiben der Auflagenvollziehung im Sinne von § 527 Abs. 1 BGB kaum auf einer Nebenpflichtverletzung beruhen wird. Wird die Vollziehung unmöglich, sind die Voraussetzungen des § 326 Abs. 5 BGB maßgeblich, bei nicht ordnungsgemäßer Auflagenerfüllung aus anderen Gründen diejenigen des § 323 BGB.127 Ihr Charakter als konstitutive Verweisung ergibt sich bereits daraus, dass die §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB, die das Entstehen eines Rücktrittsrechts bestimmen, eine Nicht- oder Schlechtleistung (§ 323 Abs. 1 BGB), Nebenpflichtverletzung (§ 324 BGB) oder die Unmöglichkeit der Leistung (§ 326 Abs. 5 BGB) im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags voraussetzen (§ 323 Abs. 1 BGB). Da es sich bei der Schenkung nicht um einen gegenseitigen Vertrag handelt – insbesondere macht die Anordnung einer Auflage die Schenkung zwar unter Umständen zu einem zweiseitig verpflichtenden, nicht aber zu einem gegenseitigen Vertrag128 –, sind die §§ 323 Abs. 1, 324, 326 Abs. 5 BGB in den Fällen der Nichtvollziehung einer Schenkungsauflage nicht bereits von sich aus anwendbar. Darüber hinaus modifiziert § 527 Abs. 1 BGB die rücktrittsrechtlichen Vorschriften, indem er ihnen eine abweichende Rechtsfolge zuweist. Unter den Voraussetzungen der an sich rücktrittsbegründenden Regelungen der §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB entsteht im Rahmen von § 527 Abs. 1 BGB kein Rücktrittsrecht, sondern ein Herausgabeanspruch.129 Der Geltungsbereich der rücktrittsbegründenden Vorschriften wird dadurch erweitert. Die Verweisung ist mithin konstitutiver Natur. Da § 527 Abs. 1 BGB von den „Voraussetzungen des Rücktritts“ spricht, verweist die Vorschrift auf die Rücktrittsrechte im Allgemeinen. 127
Für alle MünchKommBGB/Koch, § 527 Rn. 2. Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 4 Rn. 11 ff.; 52 f.; Sokołowski, BWNotZ 2013, 162, 167 (lehnt eine synallagmatische Pflicht trotz Einordnung als gemischte Schenkung ab); Staudinger/Chiusi, BGB, § 525 Rn. 15; Thomann, Die Schenkung unter Auflage, S. 22; abw. (gegenseitiger Vertrag eigener Art) Liebs, JZ 1978, 697, 699. 129 Siehe ausführl. unter Kap. 2, § 2 II. 9. 128
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
Diese sind jedoch, anders als das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung, nicht in einem eigenen abgeschlossenen Abschnitt geregelt. Es handelt sich vielmehr um drei einzelne Vorschriften innerhalb des Titels über den gegenseitigen Vertrag. Diese drei Vorschriften bilden jedoch die Grundlage des gesetzlichen Rücktritts, wenn nicht besondere gesetzliche oder vertragliche Rücktrittsrechte eingreifen. Daher lassen sich diese Rechte durchaus unter einer Sammelbezeichnung als „Rücktrittsrecht“ zusammenfassen. Wenn sich eine Verweisung auf diese Vorschriften erstreckt, bezieht sie sich demnach auf das Rücktrittsrecht und ist daher den Bereichsverweisungen zuzuordnen. Der Bereich, auf den sich diese Verweisungen erstrecken, ist nur viel kleiner als der, auf den die Verweisungsvorschriften auf das Bereicherungsrecht Bezug nehmen. Außerdem besteht er aus gleichartigen Vorschriften, während das Bereicherungsrecht aus verschiedenartigen Regelungen besteht. Das gesamte Rücktrittsrecht besteht zwar ebenfalls aus verschiedenartigen Vorschriften, § 527 Abs. 1 BGB bezieht sich aber nur auf einen Teilbereich des Rücktrittsrechts. Dies ändert aber seinen Charakter als Bereichsverweisung nicht, da es sich bei dem Verweisungsobjekt dennoch um einen – wenn auch kleinen – Bereich handelt. § 527 Abs. 1 BGB will die Vorschriften dieses Regelungsbereichs nicht kumulativ, sondern alternativ zur Anwendung bringen, indem er das in ihm geregelte, spezielle Recht den Voraussetzungen des Rücktritts unterwirft. Dabei wird in jedem Einzelfall nur eine Vorschrift angewendet – § 323 oder § 326 Abs. 5 BGB.130 Die Verweisung stellt sich daher in jedem Einzelfall als eine Art Einzelverweisung auf eines der Rücktrittsrechte dar. Dennoch ist die Verweisung insgesamt eine Bereichsverweisung, da die Inbezugnahme des Rücktrittsrechts an sich dazu führt, dass sämtliche Rücktrittsrechte in Bezug genommen werden, von denen dann das jeweils im Einzelfall passende zur Anwendung gelangt. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Verweisung der Vielgestalt der denkbaren Sachverhalte gewachsen ist. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu den bisher betrachteten Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht, da diese sich auf dessen Rechtsfolgensystem als Ganzes beziehen. Dadurch sind in ein und demselben Fall gegebenenfalls verschiedene bereicherungsrechtliche Regelungen gleichzeitig anwendbar. Dieser Unterschied beruht aber auf der Struktur des jeweils in Bezug genommenen Bereichs und zwingt nicht dazu, die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht der Kategorie der Einzelverweisungen zuzuordnen. Als konstitutive Rechtsgrundverweisung wirkt die Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB lediglich partiell, da andernfalls die Voraussetzungen von § 527 Abs. 1 BGB nie vorliegen könnten, weil sie am Fehlen des gegenseitigen Vertrags scheiterten. Diese lediglich partielle Wirkung kommt in der Formu130
§ 324 BGB wird, wie gesagt, kaum Bedeutung erlangen.
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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lierung, mit der die Verweisung in § 527 Abs. 1 BGB begründet wird, nicht zum Ausdruck. In diesem Punkt unterscheidet die Vorschrift sich von den konstitutiven Rechtsgrundverweisungen, die sich auf § 323 BGB beziehen. An deren Formulierung, die eine „entsprechende“ Geltung des Verweisungsobjekts anordnet, ist erkennbar, dass es sich bei der Verweisung lediglich um eine partielle handelt. § 527 Abs. 1 BGB ist sprachlich anders gefasst. Seine partielle Wirkung ergibt sich ausschließlich aus seinem Inhalt. Die Regelung zeigt, dass eine teilweise Verweisung nicht zwangsläufig durch die Formulierung der Verweisungsvorschrift indiziert sein muss. Die Anordnung einer entsprechenden Anwendung in einer Verweisungsvorschrift spricht daher zwar für eine partielle Wirkung der Verweisung, der Verzicht auf eine derartige Anordnung bedeutet umgekehrt indes nicht, dass es sich bei der Verweisung um eine vollumfängliche handelt. Zu § 527 Abs. 1 BGB besteht allerdings Streit über den Umfang der Verweisung, die ursprünglich darauf gerichtet war, ein im damaligen Rücktrittsrecht enthaltenes Verschuldenserfordernis in Bezug zu nehmen.131 Da dieses Erfordernis durch die Änderungen im Rücktrittsrecht im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung entfallen ist, wird diskutiert, ob das Verschuldenserfordernis auf anderem Wege in § 527 Abs. 1 BGB hineinzulesen ist.132 Wie bereits gezeigt, handelt es sich bei § 527 Abs. 1 BGB jedoch mangels anderweitiger Anhaltspunkte und insbesondere mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung um eine dynamische Rechtsgrundverweisung.133 Hätte der Gesetzgeber am Verschuldenserfordernis festhalten wollen, hätte er dies nach Änderung des Rücktrittsrechts durch eine entsprechende Anpassung des § 527 Abs. 1 BGB regeln müssen. b) Die Verweisungen in den §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB Die §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmen das Minderungsrecht des Käufers oder Bestellers im Fall der Mangelhaftigkeit der Kaufsache oder des Werks. Das Recht zur Minderung entsteht dabei jeweils nur unter der Voraussetzung, dass der Käufer oder Besteller zum Rücktritt berechtigt ist. Dafür müssen die Voraussetzungen des jeweils einschlägigen Rücktrittsrechts vorliegen. Dabei ist es – ebenso wie für § 527 Abs. 1 BGB – unerheblich, aus welcher Vorschrift sich das Rücktrittsrecht ergibt. Da die Minderung wie der Rücktritt vom Kauf- oder Werkvertrag an das Vorliegen eines Mangels und mithin an die Verletzung einer Hauptleistungspflicht 131 Siehe dazu unter Kap. 2, § 2 II. 9 a). 132 jurisPK BGB/Kühle, § 527 Rn. 5, 7 f.
Für eine Anpassung an das geänderte Rücktrittsrecht dagegen BeckOGK/Harke, § 527 BGB Rn. 5; MünchKommBGB/Koch, § 527 Rn. 2; Soergel/Eckert, BGB, § 527 Rn. 1; Staudinger/Chiusi, BGB, § 527 Rn. 2 mit Hinweis auf den hinreichenden Schutz des Beschenkten durch § 818 BGB. 133 Siehe dazu unter Kap. 2, § 2 II. 9 a).
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
(§§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 BGB) gebunden ist, besteht ausschließlich eine Rücktrittsmöglichkeit nach den §§ 323, 326 Abs. 5 BGB. Dies entspricht den – wenn auch deklaratorischen – Verweisungen in den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB. Die dort nicht genannte allgemeine Rücktrittsvorschrift des § 324 BGB ist in diesen Fällen schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nur bei Nebenpflichtverletzungen eingreift. Sie kann aber dennoch von der Verweisung umfasst sein, diese liefe lediglich insofern leer. Durch die Erstreckung auf § 324 BGB entstehen aber keine Widersprüche. Die Verweisungen wirken daher in gleicher Weise wie § 527 Abs. 1 BGB – sie erstrecken sich als Bereichsverweisungen auf das Rücktrittsrecht. Da sich die Verweisungen auf rücktrittsbegründende Vorschriften beziehen, sind sie Rechtsgrundverweisungen. Die Rücktrittsvoraussetzungen müssen in den Fällen der §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB sogar von sich aus vorliegen, da der Gläubiger die Minderung nur alternativ zu einem Rücktritt ausüben kann. Daher sind die Verweisungen hinsichtlich der Voraussetzungen der §§ 323, 326 Abs. 5 BGB nicht konstitutiv. Ihre insgesamt dennoch konstitutive Wirkung beruht auf zwei Aspekten: Zunächst bestimmen die §§ 441 Abs. 1 S. 2, 638 Abs. 1 S. 2 BGB durch den ausdrücklichen Ausschluss der Anwendung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, dass eine Minderung anders als ein Rücktritt auch aufgrund eines unerheblichen Mangels erfolgen kann. Dadurch werden die rücktrittsrechtlichen Voraussetzungen zumindest für bestimmte Fallkonstellationen angepasst, in denen sie andernfalls nicht vorlägen. Ferner wird die Verweisung dadurch konstitutiv, dass den Voraussetzungen für das Entstehen eines Rücktrittsrechts eine andere Rechtsfolge zugewiesen wird. Wendete man die §§ 323, 326 Abs. 5 BGB ohne Modifikationen an, entstünde unter den dort bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht. Im Anwendungsbereich der §§ 441 Abs. 1. S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht unter ebendiesen Voraussetzungen – unter möglicher Anpassung durch die §§ 441 Abs. 1 S. 2, 638 Abs. 1 S. 2 BGB – kein Rücktritts-, sondern ein Minderungsrecht. Auf diese Weise wird der Geltungsbereich der §§ 323, 326 Abs. 5 BGB über ihren originären Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt. Dies entspricht der Wirkung des § 527 Abs. 1 BGB. Letzterer gibt die Rechtsfolge, die von der des im Rahmen des Tatbestands maßgeblichen Verweisungsobjekts abweicht, jedoch nicht selbst vor, sondern verweist hierfür erneut. c) Fazit zu den Verweisungen auf die Voraussetzungen des Rücktritts Die Verweisungsvorschriften, die auf das Rücktrittsrecht verweisen, ohne dabei einzelne oder mehrere Paragrafen zu nennen, sind Bereichsverweisungen in Form konstitutiver Rechtsgrundverweisungen. Sie beziehen sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Rücktrittsrechte (§§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB), von denen jeweils das ihnen am nächsten stehende
§ 1 Verweisungen auf die §§ 323 ff. BGB
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angewendet wird. Sie begründen aber trotz der Rechtsgrundverweisung auf diese Verweisungsobjekte selbst keine Rücktrittsrechte, sondern knüpfen vielmehr andersartige Rechtsfolgen an deren Voraussetzungen und erweitern dadurch den Geltungsbereich der rücktrittsrechtlichen Vorschriften. An diesen Verweisungsvorschriften zeigt sich die im Zusammenhang mit den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht bereits zutage getretene besondere Bedeutung der Rechtsfolgenanordnung für den Rechtscharakter einer Vorschrift. Durch die Zuordnung einer bestimmten Rechtsfolge zu einem Tatbestand wird der Rechtscharakter einer Norm bestimmt. Dabei kann die Rechtsfolge in der Weise bedeutsam sein, dass sie, trotz des an sich anders geprägten Charakters des Tatbestandes einer Vorschrift, die Rechtsnatur der gesamten Vorschrift bestimmt. Dies gilt freilich nur, solange und soweit der jeweilige Tatbestand seiner Konzeption nach für eine solche Interpretation offen ist. 3. Erkenntnisse und Folgerungen aus den konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht Bei den konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht handelt es sich sämtlich um partielle Verweisungen. Einige von ihnen ordnen eine entsprechende Anwendung des § 323 BGB an. Bei ihnen handelt es sich nicht um Bereichsverweisungen auf das Rücktrittsrecht, sondern um Einzelverweisungen, die sich auf die in der jeweiligen Verweisungsvorschrift konkret benannte Vorschrift beziehen. Der Wortsinn „entsprechende Anwendung“ indiziert die lediglich modifizierende Anwendung des jeweiligen Verweisungsobjekts im Rahmen der Verweisungsvorschrift. Umgekehrt bedeutet ein Verzicht auf die Anordnung der entsprechenden Anwendung in anderen Vorschriften jedoch nicht, dass es sich bei einer Verweisung stets um eine vollumfängliche handelt, bei der sämtliche Voraussetzungen des Verweisungsobjekts vorliegen müssen. Die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht, die sich konkret auf § 323 BGB beziehen, dienen der näheren Ausgestaltung der in den Verweisungsvorschriften bestimmten Rücktrittsrechte (so in den §§ 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5 BGB). Der Rechtscharakter der jeweiligen Verweisungsvorschriften wird durch diese Verweisungen nicht verändert, weil es sich ohnehin um Rücktrittsrechte handelt, die mit § 323 BGB lediglich auf ein anderes näher ausgestaltetes Rücktrittsrecht verweisen. Der Charakter von Verweisungsvorschrift und Verweisungsobjekt stimmt daher ohnehin überein. Die Vorschriften, die im Rahmen eines Kündigungs- (§ 314 Abs. 2 S. 2 BGB) oder Selbstvornahmerechts (§ 637 Abs. 2 S. 1 BGB) hinsichtlich des Fristsetzungserfordernisses lediglich auf die Entbehrlichkeitstatbestände des § 323 Abs. 2 BGB verweisen, stellen keine Verweisungen auf das Rücktrittsrecht dar. Die Inbezugnahme
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
erstreckt sich in diesen Vorschriften nicht auf das Rücktrittsrecht als Ganzes, sondern lediglich auf das Fristsetzungserfordernis. Die Verweisungsvorschriften nehmen mithin nicht die Voraussetzungen in Bezug, die den Rücktritt prägen. Das Erfordernis einer Fristsetzung kann vielmehr einer Vielzahl verschiedener Rechte vorgeschaltet sein, ohne dass dies Einfluss auf deren Rechtscharakter hätte. Die Besonderheiten des Rücktritts liegen in der eröffneten Lösungsmöglichkeit vom Vertrag, bei der der Vertrag nicht untergeht, sondern in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Dies soll durch die Verweisung auf das Fristsetzungserfordernis nicht auf die §§ 314 Abs. 2 S. 2, 637 Abs. 2 S. 1 BGB übertragen werden. Zur näheren Ausgestaltung dieser Vorschriften werden lediglich die Einzelheiten der Fristsetzung fruchtbar gemacht. Die Verweisungen in den §§ 527 Abs. 1, 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB stellen dagegen Bereichsverweisungen auf Rücktrittsrechte dar. Sie beziehen sich auf alle allgemeinen Rücktrittsrechte. Diese kommen aber nur alternativ zur Anwendung. Dadurch unterscheiden sich die Verweisungen, die sich hierauf erstrecken, von den Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht, die dazu führen, dass mehrere Regelungen in Form eines in sich geschlossenen Regelungssystems zur Anwendung gelangen. Der Unterschied ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht Rechtsfolgenverweisungen, die bisher betrachteten Bereichsverweisungen auf das Rücktrittsrecht hingegen Rechtsgrundverweisungen sind. Da die Regelungen, die einen Rücktritt begründen, sämtlich Einzelregelungen sind und insoweit kein ineinandergreifendes Regelungssystem besteht, kann auch kein solches für anwendbar erklärt werden. Die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht beziehen sich dennoch auf einen Bereich, indem sie sämtliche allgemeinen Regelungen einbeziehen, aus denen sich Rücktrittsrechte ergeben können. Bei § 527 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine partielle Rechtsgrundverweisung. Die Verweisung auf die Voraussetzungen des Rücktritts nimmt innerhalb des § 527 Abs. 1 BGB eine Sonderrolle ein, da sie mit den Rechtsfolgen der Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verknüpft ist. Wie sich im Rahmen der Analyse der Verweisung auf das Bereicherungsrecht in § 527 Abs. 1 BGB gezeigt hat, handelt es sich hierbei um einen speziellen schenkungsrechtlichen Kondiktionstatbestand. In § 527 Abs. 1 BGB wird kein Rücktrittsrecht, sondern ein Herausgabeanspruch geschaffen. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts begründen lediglich das unberechtigte Haben als Ausgangspunkt eines Bereicherungsanspruchs.134 Die §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB verfahren in ähnlicher Weise wie § 527 Abs. 1 BGB, weil sie an die durch 134
Siehe dazu ausführl. in Kap. 2, § 2 II. 9.
§ 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB
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eine Verweisung in Bezug genommenen Voraussetzungen des Rücktritts eine andere Rechtsfolge – die der Minderung – knüpfen. Auf diese Weise erweitern sie den Geltungsbereich des Rücktrittsrechts, das sich innerhalb dieser Regelungen freilich nicht mehr als Rücktrittsrecht darstellt. Sämtliche konstitutive Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht im Allgemeinen oder auf einzelne rücktrittsrechtliche Vorschriften haben hinsichtlich der Voraussetzungen der jeweiligen Verweisungsobjekte partiellen Umfang. Im Rahmen konstitutiver Rechtsgrundverweisungen ist eine Modifikation des Verweisungsobjekts zwingend, da die Verweisungsvorschriften Ausgangssituationen regeln, in denen die Voraussetzungen der Verweisungsobjekte von sich aus gerade nicht vorliegen. Andernfalls hätte es der Verweisung nicht bedurft oder sie wäre zumindest deklaratorischer Natur. In welcher Weise die Abwandlung zu erfolgen hat, kann nicht allgemeingültig durch die Zuordnung einer Verweisung zur Gruppe der konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht bestimmt werden, da sie von den individuellen Vorgaben der Verweisungsvorschrift abhängt. Die Verweisungsvorschriften modifizieren die §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB nämlich nicht stets in derselben Weise, sondern in Abhängigkeit von der konkreten normativen Grundsituation der jeweiligen Verweisungsvorschrift. In welchem Umfang die Verweisungsvorschriften modifizierend sind, lässt sich demnach abstrakt nicht ermitteln. Bei konstitutiven Rechtsgrundverweisungen sind zwar dem Grunde nach sämtliche Voraussetzungen des Verweisungsobjekts zur Anspruchs- oder Rechtsbegründung zu prüfen. Welche Voraussetzungen davon im konkreten Fall ausgenommen sind, ist jedoch anhand der jeweiligen Verweisungsvorschrift zu ermitteln. Die inkorporierende Wirkung der Verweisung erstreckt sich infolgedessen lediglich auf den anwendbaren Inhalt des Verweisungsobjekts. Die Vorschriften, die die Rechtsfolgen des Rücktritts regeln, werden von den Verweisungen auf das Rücktrittsrecht nicht umfasst, da die Verweisungsvorschriften an die Voraussetzungen des Rücktritts von diesem abweichende eigene Rechtsfolgen knüpfen. Aus diesem Grund handelt es sich bei ihnen auch nicht um rücktrittsrechtliche Vorschriften, obwohl sie die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts für anwendbar erklären. Darin zeigt sich erneut die immense Bedeutung, die Rechtsfolgenanordnungen für den Rechtscharakter einer Vorschrift haben.135
§ 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB Neben den Verweisungen auf Vorschriften, die ein Rücktrittsrecht begründen, existieren im BGB Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB. Letztere re135
Siehe dazu schon die Ausführungen in Kap. 2, § 3 I.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
geln die Wirkungen des Rücktritts. Die darauf bezogenen Verweisungsvorschriften (§§ 281 Abs. 5, 326 Abs. 4, 439 Abs. 5, 441 Abs. 4 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3, 635 Abs. 4, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB) benennen ihre jeweiligen Verweisungsobjekte eindeutig. Überwiegend sind dies die §§ 346–348 BGB. Die §§ 441 Abs. 4, 628 Abs. 1 S. 3, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB schränken die Bezugnahme allerdings ein (auf § 346 BGB und auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB). Die in Bezug genommenen Vorschriften sind damit unzweifelhaft bestimmt, sodass an sich keine Unklarheiten hinsichtlich der jeweils anwendbaren Regelungen bestehen. Da die Verweisungsvorschriften die Verweisungsobjekte im Einzelnen durch die Angabe der jeweiligen Paragrafen benennen, könnte es sich bei den Verweisungen um Einzelverweisungen handeln. Hinsichtlich einiger der genannten Verweisungen besteht trotz der konkreten Bezeichnung der anwendbaren Vorschriften Streit über deren Reichweite.136 Es bleibt der weiteren Untersuchung vorbehalten, ob es aufgrund des Umfangs der Verweisungen trotz der Nennung konkreter Paragrafen sachgerecht erscheint, die Verweisungen – oder zumindest einige von ihnen – als Bereichsverweisungen einzuordnen. Die genannten Verweisungen sind auf sämtliche oder einige der §§ 346– 348 BGB beschränkt. Rücktrittsbegründende Vorschriften, wie zum Beispiel § 323 BGB, sind in den Verweisungsvorschriften nicht benannt. Durch diese ausdrücklich vorgenommene Eingrenzung auf die §§ 346 ff. BGB wird jeweils klar, dass die Voraussetzungen einer rücktrittsbegründenden Vorschrift in den Fällen der Verweisungsvorschriften nicht zu prüfen sind.137 Dies unterscheidet die Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB von denen auf das Bereicherungsrecht. Bei letzteren besteht eines der zentralen Probleme darin, zu bestimmen, welche Vorschriften von den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht konkret erfasst sind. Die Einordnung letzterer Verweisungen als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung soll dieses Problem lösen, indem dadurch Klarheit hinsichtlich des Umfangs der anwendbaren Vorschriften aus dem Abschnitt über die ungerechtfertigte Bereicherung geschaffen werden soll. Bei den Verweisungen auf das Rücktrittsrecht liegt eine andere Ausgangssituation vor, obwohl die Grundstruktur der Regelungen über den Rücktritt mit der des Bereicherungsrechts übereinstimmt. Beide Rückabwicklungssysteme bestehen unter anderem aus Vorschriften, die die jeweiligen Ansprüche und Rechte überhaupt erst begründen und aus solchen, die ihren Umfang näher bestimmen. Im Bereicherungsrecht sind dies die §§ 812, 816, 817 BGB einerseits und die §§ 818–820, 822 136 Siehe zu den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5 BGB unter 4. b) aa), bb) und zu den §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB unter II. 2. 137 Eine andere Frage ist, ob die Verweisungen deshalb nicht als Rechtsfolgenverweisungen angesehen werden können, weil sie sich mit den §§ 346, 347 BGB auf Anspruchsgrundlagen erstrecken. Siehe dazu nachfolgend unter 4.
§ 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB
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BGB andererseits, im Rücktrittsrecht die §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB sowie die §§ 346–348 BGB. Auf das Bereicherungsrecht wird im BGB verwiesen, ohne dass die Verweisung erkennbar auf die §§ 812–817 BGB einerseits oder die §§ 818–822 BGB andererseits beschränkt ist. Eine Verweisung auf „die Vorschriften über den Rücktritt“ existiert dagegen nicht. Die Verweisungsvorschriften, die sich auf rücktrittsrechtliche Regelungen beziehen, begrenzen innerhalb der Regelungen über „den Rücktritt“ vielmehr selbst den Bereich, auf den sie verweisen, indem sie entweder nur Regelungen des Rücktrittsrechts oder Rücktrittsfolgeregelungen in Bezug nehmen. Sie beschränken sich also auf Teilbereiche des Rücktritts. Da dies die rücktrittsbegründenden Vorschriften einerseits und die Vorschriften, die Wirkungen dieses Gestaltungsrechts regeln, andererseits sind, ist damit zugleich die Unterscheidung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen getroffen. Für die Verweisungen auf rücktrittsbegründende Vorschriften konnte dies schon gezeigt werden, für diejenigen auf die §§ 346–348 BGB soll die nachfolgende Untersuchung dies bestätigen. Die unterschiedliche Struktur der Verweisungstechnik auf bereicherungsrechtliche und rücktrittsrechtliche Regelungen hat ihre Wurzeln in der trotz aller Gemeinsamkeiten in einigen Punkten voneinander abweichenden Struktur des Rücktrittsrechts und des Bereicherungsrechts und ihrer jeweiligen Standorte im BGB. Im Rücktrittsrecht existieren neben den §§ 323, 326 Abs. 5, 324 BGB an verschiedenen Stellen speziell geregelte Rechte, die ebenfalls rücktrittsbegründend sind (so z. B. die §§ 313 Abs. 3, 634a Abs. 4 S. 3, 651h Abs. 1 S. 1 BGB). Da die allgemeinen rücktrittsrechtlichen Regelungen und namentlich auch die §§ 346 ff. BGB im allgemeinen Schuldrecht normiert sind, gelten diese Regelungen dem Grunde nach ohne Verweisung für alle gesetzlichen Rücktrittsrechte des BGB.138 Das Bereicherungsrecht ist in einem eigenen Abschnitt des BGB – außerhalb eines allgemeinen Teils – geregelt und enthält ausschließlich interne Regelungen, das heißt solche, die innerhalb des Bereicherungsrechts, aber von sich aus nicht für andere Bereiche des BGB gelten. Aus diesem Grund ist stets eine Verweisung erforderlich, wenn dessen Regelungen im Rahmen von Vorschriften aus anderen Abschnitten anwendbar sein sollen. Wie sich gezeigt hat, existieren – ähnlich wie beim Rücktrittsrecht die speziellen Rücktrittsrechte außerhalb des allgemeinen Schuldrechts – Kondiktionstatbestände außerhalb des Bereicherungsrechts.139 Da das Bereicherungsrecht nicht in einem allgemeinen Teil des BGB geregelt ist, werden sie durch eine Verweisung hierauf geschaffen, um dessen Rechtsfolgensystem zur Anwendung zu bringen. 138 Vertragliche Rücktrittsrechte sind ebenfalls erfasst. Siehe für die gesetzlichen Rücktrittsrechte unter § 3. 139 Dazu ausführl. in Kap. 2, § 3.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
Eine Verweisung auf die §§ 346 ff. BGB ist dagegen beim Rücktritt nicht erforderlich, um die Folgen des Rücktritts hiernach zu bestimmen, weil § 346 Abs. 1 BGB selbst bestimmt, dass sich die Wirkungen eines Rücktritts nach ihm richten und die weiteren Regelungen der §§ 346 ff. BGB daran anknüpfen. Daher können die Vorschriften, die auf die §§ 346 ff. BGB verweisen, nur entweder spezielle Rücktrittsrechte sein, die im Wege einer deklaratorischen Rechtsgrundverweisung auf diese Vorschriften Bezug nehmen, oder es handelt sich bei den Verweisungsvorschriften nicht um Rücktrittsrechte, sodass die §§ 346 ff. BGB nicht originär anwendbar sind. Die Verweisung hierauf hätte dann konstitutive Natur. Eine nähere Betrachtung der Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB soll zeigen, welche Wirkung ihnen jeweils zukommt und ob ihnen insoweit ein einheitliches System zugrunde liegt. Die Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB lassen sich anhand der ihnen zugrunde liegenden Ausgangssituationen in zwei Gruppen einteilen: Sie regeln zum einen Rückforderungsansprüche des Schuldners hinsichtlich einer geleisteten Sache oder eines Werks (siehe dazu unter I.) und zum anderen Erstattungsansprüche des Gläubigers wegen einer zu viel geleisteten Vergütung (siehe dazu unter II.).
I. Rückforderungsansprüche des Schuldners Die §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB regeln Rückgewähransprüche des Schuldners hinsichtlich einer von ihm geleisteten Sache oder eines Werks. § 281 Abs. 5 BGB ordnet die Rückforderung „nach den §§ 346–348 BGB“, die §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB diejenige „nach Maßgabe der §§ 346–348 BGB“ an. Diese Verweisungsvorschriften haben gemein, dass sich eine Sache bei einem Vertragspartner befindet, die nicht dauerhaft bei ihm verbleiben soll. Der Grund hierfür liegt jeweils nicht in einem Rücktritt des Gläubigers, sodass die §§ 346–348 BGB nicht schon von sich aus anwendbar sind.140 Die Verweisungen sind somit nicht nur deklaratorischer Natur. Sie erweitern den Geltungsbereich der §§ 346 ff. BGB, die sich sonst ausschließlich auf Rücktrittsrechte beziehen. Die Verweisungsvorschriften regeln jeweils ausschließlich das Schicksal der Leistung141 und betreffen demnach lediglich einen Ausschnitt des originären Regelungsbereichs der §§ 346 ff. BGB, die die wechselseitige Rückgewährpflicht – das heißt das Schicksal der Leistung sowie der Gegenleistung – nach einem Rücktritt vor Augen haben. Die tatsächliche und rechtliche Ausgangssituation ist daher 140 Wegen
§ 325 BGB kann es allerdings dazu kommen, dass gleichzeitig ein Rücktritt vorliegt. Siehe zu den daraus entstehenden Problemen im Folgenden unter 1. a). 141 Siehe zu den Streitfragen bzgl. des Schicksals der Gegenleistung beim Schadensersatz statt der ganzen Leistung unter 1. a).
§ 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB
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mit der des Rücktritts vergleichbar, allerdings nicht identisch, weil sie nur einen Ausschnitt dessen betrifft, was das Rücktrittsrecht regelt. 1. Gründe für das Entstehen der Rückgewähransprüche Die einzelnen Verweisungsvorschriften unterscheiden sich hinsichtlich der Gründe, die den Rückforderungsanspruch jeweils auslösen. a) Schadensersatz statt der Leistung als Auslöser im Fall des § 281 Abs. 5 BGB Im Fall des § 281 Abs. 5 BGB liegt der Rückforderung ein Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB zugrunde.142 Hat der Schuldner eine irgendwie geartete, jedoch nicht vertragsgemäße Leistung erbracht, ist deren weiteres Schicksal nicht von § 281 Abs. 1 BGB geregelt. Da die geleistete Sache nicht beim Gläubiger verbleiben soll, bestimmt § 281 Abs. 5 BGB, dass dieser sie zurückgewähren muss. Der Rückgewährsituation liegt demnach keine Rücktritts-, sondern eine Schadensersatzkonstellation zugrunde. Dennoch wird der Schadensersatz statt der ganzen Leistung von Stimmen der Rechtsprechung und der Literatur als eine Möglichkeit angesehen, den Vertrag als solchen rückabzuwickeln.143 Er habe somit eine rücktrittsgleiche Wirkung.144 Andere Stimmen sprechen sich dagegen aus, dass der Schadensersatz den Vertrag auflöst und weisen darauf hin, dass § 281 Abs. 4, 5 BGB ausschließlich das Schicksal der Leistung, nicht aber das der Gegenleistung regelt.145 Um diese zu beseitigen, sei neben dem Schadensersatz ein Rücktritt erforderlich.146 Die Frage, ob das Schicksal der Gegenleistung automatisch durch den Wegfall der Leistungspflicht bestimmt wird, ist Gegenstand eines grundlegenden Streits um die Schadensberechnung beim Schadensersatz statt der Leistung. Während die sogenannte Surrogationstheorie davon ausgeht, dass die Gegenleistungspflicht nach einem Verlangen nach Schadensersatz statt der Leistung bestehen bleibt und der Schuldner gegebenenfalls mit seinem An142 Die §§ 283 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB verweisen u. a. auf § 281 Abs. 5 BGB und nehmen darüber die §§ 346–348 BGB ebenfalls in Bezug. Der Schadensersatzanspruch kann sich daher auch aus einer der erstgenannten Vorschriften ergeben. 143 BGH vom 9.5.2018 – VIII ZR 26/17, NJW 2018, 2863 ff. (Rn. 12, 37, 41 f.); BGH vom 30.6.2017 – V ZR 134/16, NJW 3438, 3440 (Rn. 20); Müller/Mertens, MDR 2018, 970, 972 f.; Stöber, NJW 2018, 2834, 2835; ders., NJW 2017, 2785, 2788. 144 Stöber, NJW 2017, 2785, 2788. 145 MünchKommBGB/Ernst, § 281 Rn. 12, § 325 Rn. 7 f.; Soergel/Gsell, BGB, § 325 Rn. 2, 17; siehe auch Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 248; Weiler, ZJS 2018, 177, 181. 146 MünchKommBGB/Ernst, § 281 Rn. 12, § 325 Rn. 6 ff.; Soergel/Gsell, BGB, § 325 Rn. 2, 17; Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 248. Siehe auch Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, S. 402.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
spruch hierauf gegen den Schadensersatzanspruch aufrechnen könne,147 befürwortet die wohl überwiegende Ansicht die Berechnung des Schadensersatzes im Wege der Differenztheorie, billigt dem Gläubiger jedoch insoweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Berechnung zu.148 Nach der Differenztheorie erlischt mit dem Erlöschen der Leistungspflicht aufgrund deren synallagmatischer Verbindung zugleich die Gegenleistungspflicht und der Schadensersatzanspruch umfasst die Differenz zwischen dem Wert der ursprünglichen Leistung – ergänzt um etwaige weitere Schadenspositionen – und dem Wert der Gegenleistung.149 Der Gläubiger muss hiernach nicht vom Vertrag zurücktreten, um von der Gegenleistungspflicht befreit zu werden. Dadurch entsteht hinsichtlich der Gegenleistung eine mit § 326 Abs. 1 S. 1 BGB vergleichbare Situation. Ausgehend von einem Erlöschen der beiderseitigen Pflichten beim Schadensersatz statt der Leistung besteht die weitere Vertragsdurchführung sodann lediglich noch in einer Abwicklung des Vertragsverhältnisses, sodass durchaus eine Vergleichbarkeit mit der Situation des Rücktritts besteht. Trotz dieser Parallele unterscheidet sich die Situation der Parteien nach einem Schadensersatzverlangen von der nach einem Rücktritt. Bei der Surrogations- und der Differenztheorie handelt es sich um Berechnungsmethoden zur Bestimmung des Umfangs des Ersatzverlangens. Dieser bestimmt sich beim Schadensersatz nach dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers. Der große Schadensersatz ist daher primär auf den Schutz des Erfüllungsinteresses und nicht ausschließlich auf die Rückabwicklung der wechselseitig erbrachten Leistungen gerichtet.150 Die Befriedigung dieses Interesses löst nur automatisch die Rückabwicklung aus. Der Gläubiger möchte zwar die gegenständliche Leistung nicht behalten, aber trotzdem finanziell so gestellt werden, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde. Beim Rücktritt soll dagegen für beide Parteien der Zustand wiederhergestellt werden, der vor dem Leistungsaustausch bestand.151 Gemäß § 325 BGB schließen sich zwar Schadensersatz und Rücktritt nicht aus, sodass neben 147 MünchKommBGB/Ernst,
§ 325 Rn. 13; Soergel/Gsell, BGB, § 325 Rn. 18. Bender, Die Auswirkungen des Rücktritts, S. 45 ff.; NK‑BGB/Dauner-Lieb, § 281 Rn. 62 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, § 281 Rn. 20 ff.; Staudinger/Schwarze, BGB, § 281 Rn. D 21. 149 Arnold, ZGS 2004, 427, 429 ff.; Huber, AcP 210 (2010), S. 319, 336 f.; Krause, Jura 2002, 299, 304; NK‑BGB/Dauner-Lieb, § 281 Rn. 62; Staudinger/Schwarze, BGB, § 281 Rn. D 21. 150 Weiler, ZJS 2018, 477, 481. 151 Dabei wird entweder an den Zustand vor Vertragsschluss (BT‑Drucks. 14/6040, S. 189; BGH vom 16.9.1981 – VIII ZR 265/80, NJW 1982, 105, 107; Faust, JZ 2008, 471; Gsell, JuS 2006, 203, 205; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 1; Schwab, JuS 2002, 630, 636) oder an den vor dem Leistungsaustausch aber nach dem Vertragsschluss abgestellt (Clevinghaus, Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 66; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 509; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 5). 148
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dem Schadensersatzverlangen ein Rücktritt vorliegen kann und das positive Interesse demnach trotz des Rücktritts geschützt werden kann. Das Schuldverhältnis wird in diesem Fall durchaus primär in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Dies resultiert jedoch nicht aus § 281 Abs. 5 BGB in Verbindung mit § 346 BGB, sondern aus dem jeweils maßgeblichen Rücktrittsrecht in Verbindung mit § 346 BGB. Dies entspricht dem Vorgehen bei § 326 BGB, bei dem der Anspruch auf die Gegenleistung bei Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 Abs. 1–3 BGB entfällt, es aber für das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses eines zusätzlichen Rücktritts nach § 326 Abs. 5 BGB bedarf, obwohl § 326 Abs. 4 BGB bereits eine Rückforderungsmöglichkeit bezüglich einer bereits erbrachten Gegenleistung eröffnet. Der Sinn und Zweck des § 326 Abs. 5 BGB wird abgesehen von seiner Bedeutung in den Fällen der Teilunmöglichkeit insbesondere darin erblickt, sicherzustellen, dass der Vertrag im Ganzen aufgelöst werden soll. Ohne den Rücktritt erlöschen zwar aufgrund der §§ 275, 326 BGB die synallagmatischen Pflichten der Parteien, etwaige weitere Pflichten, die im Vertrag enthalten sind, aber zu der Leistungspflicht des Schuldners nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, werden dadurch jedoch nicht zwingend beseitigt.152 Die im Fall der Unmöglichkeit aufgrund der Anordnungen in den §§ 275, 326 Abs. 1 S. 1 BGB bestehende Situation entspricht daher der beim Schadensersatz statt der ganzen Leistung, wenn man auf diesen die Differenzmethode anwendet. Auch bei Anwendung der Differenztheorie besteht daher ein Unterschied der Ausgangssituationen nach einem Rücktritt und einem Schadensersatz statt der ganzen Leistung, da der Rücktritt sämtliche Primärleistungspflichten zum Erlöschen bringt, der Schadensersatzanspruch aber maximal die Leistungs- und die synallagmatische Gegenleistungspflicht.153 Bei Anwendung der Surrogationstheorie besteht ohnehin ein Unterschied zwischen Rücktritt und Schadensersatz, weil bei letzterem in diesem Fall per se nur ein einseitiges Rückabwicklungsbedürfnis entsteht. Das synallagmatische Verhältnis zwischen den Parteien wird dem Grunde nach aufrecht erhalten.154 § 326 Abs. 4 BGB ordnet anders als § 281 BGB ausdrücklich die Pflicht zur Rückgewähr einer bereits erbrachten Gegenleistung nach den §§ 346 ff. BGB an. Diese Regelung existiert, weil allein der Wegfall der Gegenleistungspflicht nicht zu einer Rückgewährpflicht hinsichtlich dieser Leistung nach den §§ 346 ff. BGB führt. Diese gelten, wie § 346 Abs. 1 BGB zeigt, 152 MünchKommBGB/Ernst, § 326 Rn. 108; Soergel/Gsell, BGB, § 326 Rn. 120; Staudinger/Schwarze, BGB, § 326 Rn. F 1. 153 Zu letzterem Aspekt Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 348 f. 154 Clevinghaus, Das Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 199. Siehe auch den Hinweis bei Weiler, ZJS 2018, 177, 181 darauf, dass sich ausschließlich der Leistungsgegenstand ändere.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
vielmehr nur nach einem Rücktritt. Deren Eingreifen muss daher ausdrücklich angeordnet werden. Im Fall des § 326 BGB besteht hierfür ein Bedürfnis, da die Vorschrift selbst keine anderweitigen Ansprüche des Gläubigers begründet, die sein Interesse an der Rückgewähr des Geleisteten schützen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch steht dem Gläubiger vielmehr nur nach den Voraussetzungen der §§ 280, 283 BGB zu. Dies unterscheidet die Ausgangslage des § 326 BGB von der des § 281 Abs. 4, 5 BGB. Der Gläubiger hat in letzterem Fall einen Schadensersatzanspruch. In dessen Berechnung fließt, je nachdem, ob sie anhand der Surrogations- oder der Differenzmethode vorgenommen wird, auch die Gegenleistung mit ein. Zu einer Rückgewährpflicht kommt es bei Gegenleistungen, die – wie meistens – in einer Geldleistung bestehen, allein aufgrund des Schadensersatzes nicht.155 Denn wenn die Gegenleistung noch nicht erbracht wurde, besteht der Schadensersatzanspruch im Ergebnis sowohl nach der Surrogations- als auch nach der Differenztheorie im Umfang der Differenz zwischen dem Wert der Leistung zuzüglich etwaiger weiterer Schadenspositionen und dem Wert der Gegenleistung. Der Unterschied zwischen den beiden Theorien besteht lediglich in der Art und Weise, auf die dieses Ergebnis erzielt wird – insbesondere, ob es im Zuge dessen einer Aufrechnung bedarf. Letzteres ist nur bei Anwendung der Surrogationsmethode der Fall. Ein Rückabwicklungsbedürfnis kann hinsichtlich der Gegenleistung ohnehin nur bestehen, wenn sie bereits erbracht wurde. Ist dies der Fall, muss der Schuldner im Ergebnis nach beiden Ansichten eine Zahlung an den Gläubiger leisten, die zumindest den Wert der Gegenleistung erfasst. Fraglich ist insoweit nur, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage der Gläubiger dies verlangen kann. Bei Anwendung der Surrogationstheorie besteht der Anspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB, wenn es sich um einen Teil des Schadensersatzes handelt.156 Dies ist bei der Differenztheorie nicht der Fall, da der Wert der Gegenleistung hiernach von vornherein kein Teil des Schadens des Gläubigers sein kann, weil er zu deren Erbringung nicht (mehr) verpflichtet ist. Vor der Schuldrechtsmodernisierung wurde in diesen Fällen auch von den Vertretern der Differenztheorie eine Anwendung der Surrogationstheorie befürwortet, da eine Rückforderung der erbrachten Gegenleistung nach rücktrittsrechtlichen Grundsätzen zu einer nach damaliger Rechtslage unzulässigen Kombination von Schadensersatz und Rück155 Handelt es sich dagegen bei der Gegenleistung, wie z. B. bei einem Tausch, nicht um eine Geldleistung, wird ohnehin die Anwendung der Surrogationstheorie befürwortet. 156 Zu den in diesem Zusammenhang bestehenden Streitfragen um die Anerkennung des Kaufpreises als Mindestschaden siehe Clevinghaus, Das Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 163 ff.; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 73 ff.
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tritt geführt hätte.157 Seit der Schaffung des § 325 BGB wird nunmehr darauf verwiesen, eine Rückforderung der Gegenleistung sei in diesen Fällen nach § 346 BGB möglich, da Schadensersatz und Rücktritt kombinierbar seien.158 Dabei bleibt regelmäßig unklar, ob dies bedeutet, dass ein Rücktritt nach dieser Ansicht erfolgen muss, um diese Rechtsfolge auszulösen. Nur einige Autoren verweisen ausdrücklich darauf, dass der Gläubiger zurücktreten muss159 oder umgekehrt § 346 BGB auch ohne vorherigen Rücktritt eingreift160. Allein die Kombinationsmöglichkeit, die § 325 BGB schafft, vermag jedoch die Anwendbarkeit des § 346 BGB nicht zu begründen. Einer Anwendung dieser Vorschrift steht zwar nun kein Kombinationsverbot mehr im Wege, dass § 346 BGB infolge des Entfalls einer Gegenleistungspflicht aufgrund eines Schadensersatzverlangens anwendbar ist, muss aber dennoch zunächst positiv begründet werden, da § 346 Abs. 1 BGB einen vorangegangenen Rücktritt ausdrücklich voraussetzt und daher nicht von sich aus eingreift. Die Anwendbarkeit der Vorschrift muss entweder im Rahmen der Differenztheorie – dann wohl durch eine Analogie – begründet werden161 oder der Gläubiger muss neben dem Schadensersatzverlangen zusätzlich vom Vertrag zurücktreten und so ein Eingreifen der §§ 346 ff. BGB auslösen. Das Entfallen der Gegenleistungspflicht kann dies für sich genommen jedoch ebenso wenig begründen wie § 281 Abs. 5 BGB. Letzterer ordnet die Anwendung der §§ 346–348 BGB ausschließlich hinsichtlich der Rückgewähr des Leistungsgegenstandes an. Er trifft keine Aussagen über das Schicksal der Gegenleistung. Ob die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung der §§ 346 ff. BGB auf die Rückgewähr der Gegenleistung vorliegen, erscheint fraglich, wenn der Gläubiger denselben Betrag auch im Rahmen des Schadensersatzes zurückverlangen kann oder zumindest die Möglichkeit hat, diese Rechtslage durch eine parallele Ausübung des Rücktritts herbeizuführen. Die ausdrückliche Anordnung in § 326 Abs. 4 BGB und das Unterbleiben einer entsprechenden Regelung in § 281 BGB sprechen ebenfalls gegen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Dies gilt umso mehr, als sich der Unterschied damit erklären lässt, dass eine entsprechende Regelung in § 281 BGB zum Schutz des Gläubigers nicht erforderlich ist, da sein Interesse durch den bestehenden Schadensersatzanspruch hinreichend 157
Zur alten Rechtslage für alle BGH vom 20.5.1994 – V ZR 64/93, NJW 1994, 2480, 2481 f. 158 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 644; Palandt/Grüneberg, BGB, § 281 Rn. 22. A. A. Krause, Jura 2002, 299, 304, der für den Fall annimmt, der Schadensersatz trete vollumfänglich an die Stelle der Leistungsverpflichtung des Schuldners. 159 Huber, AcP 210 (2010), S. 319, 339. 160 Arnold, ZGS 2003, 427, 430; NK‑BGB/Dauner-Lieb, § 281 Rn. 62. 161 In diese Richtung wohl Arnold, ZGS 2003, 427, 430, wenn er das Vorgehen des § 326 Abs. 4 iVm § 346 BGB auf die §§ 280, 281 BGB „übertragen“ will.
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geschützt ist. Soweit ein solcher Anspruch möglicherweise dem Schutz des Gläubigers nicht hinreichend gerecht wird,162 schützt § 325 BGB das darüber hinausgehende Bedürfnis nach einer Rückabwicklung. Allein aufgrund des Schadensersatzverlangens wird daher keine Rückgewährsituation hinsichtlich der Gegenleistung entstehen, da diese bereits durch den Schadensersatzanspruch aufgefangen oder erst durch einen hinzutretenden Rücktritt ausgelöst wird. Durch die Rückgewährpflicht des § 281 Abs. 5 BGB entsteht ausschließlich ein isoliertes Rückgewährschuldverhältnis bezüglich des konkret geleisteten Gegenstandes.163 b) Die Nachlieferung einer neuen Sache als Auslöser (§§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB) Die §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB betreffen Fälle, in denen der Schuldner im Wege der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache oder ein mangelfreies Werk nachgeliefert hat und sich der zunächst geleistete mangelhafte Leistungsgegenstand noch beim Gläubiger befindet. Da der Nacherfüllung aufgrund ihres Vorrangs vor den weiteren Rechtsbehelfen kein Rücktritt vorangegangen sein kann, besteht der zugrunde liegende Vertrag in diesen Fällen fort, auch wenn die wechselseitigen Leistungspflichten freilich nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sind. Der Vertrag als solcher wird gerade durchgeführt.164 Die §§ 346–348 BGB sind, da sie einen vorherigen Rücktritt voraussetzen, daher nicht unmittelbar anwendbar und die Verweisung hierauf ist somit konstitutiv. Dies entspricht der Ausgangslage in den Fällen des § 281 Abs. 5 BGB.165 Der Grund für das Entstehen der einseitigen Rückgewährpflicht liegt in der Konzeption der Nacherfüllung nach den §§ 439, 635 BGB, die in Form der Nachlieferung erfolgen und dadurch hervorrufen kann, dass der Gläubiger zwei Leistungsgegenstände erhält, von denen er aber nur einen – den mangelfreien – behalten können soll. 2. Vergleichbarkeit mit den Wirkungen des Rücktritts Die Verweisung in § 281 Abs. 5 BGB wurde im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ausweislich der Gesetzesmaterialien geschaffen, um eindeutig festzulegen, dass sich die Rückgewähr der Leistung und etwaige damit zusammenhängende Pflichten nach den Vorschriften bestimmen, die auch die Wirkungen des Rücktritts regeln.166 Der Gesetzgeber hat 162 Siehe insofern den Hinweis bei Staudinger/Kaiser, BGB, Vorbem. zu §§ 346–354 Rn. 46. 163 Siehe dazu sogleich unter 2. 164 Schwab, JuS 2002, 630, 636. 165 Zur Parallele der §§ 281 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB MünchKommBGB/Busche, § 635 Rn. 49. 166 BT‑Drucks. 14/6040, S. 141.
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diesbezüglich Unklarheiten im Rahmen der Rechtslage vor der Schuldrechtsreform gesehen, die durch die Verweisung beseitigt werden sollten. Die Vorschriften, die den Umfang der Rückgewährpflichten nach einem Rücktritt bestimmen, hat er hierfür als zweckmäßig erachtet, weil sie die Rückabwicklung fehlgeschlagener Verträge regelten und der sogenannte große Schadensersatz rücktrittsähnliche Wirkungen erzeuge. Da es sich beim Schadensersatzverlangen jedoch nicht um einen Rücktritt handele, seien die §§ 346 ff. BGB nicht von sich aus anwendbar, sondern es bedürfe einer entsprechenden Verweisung.167 Der Gesetzgeber hat die geschaffene Verweisung demnach bereits als konstitutiv angesehen. Die Verweisungen auf das Rücktrittsrecht in den §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB hat er insoweit ähnlich begründet, als er diese zur Vermeidung von Unklarheiten hinsichtlich der für die Rückgabe des ursprünglich geleisteten Vertragsgegenstandes maßgeblichen Vorschriften geschaffen hat. Er sah andernfalls eine Herausgabepflicht nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften als gegeben an.168 Durch die Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB hat der Gesetzgeber daher die Frage, ob sich die Rückgewähr im Fall des Schadensersatzes statt der Leistung, bei dem der ursprünglich geleistete Vertragsgegenstand herauszugeben ist, und im Fall der Nachlieferung einer mangelfreien Sache, die zur Herausgabe der zunächst geleisteten mangelhaften Sache verpflichtet, nach bereicherungsrechtlichen oder nach rücktrittsrechtlichen Wertungen vollziehen soll, zugunsten der §§ 346–348 BGB beantwortet.169 Die §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB schaffen tatsächlich eine Ausgangslage, die mit der des Rücktritts teilweise vergleichbar ist, da sie eine Verpflichtung zur Rückgewähr des ursprünglichen Leistungsgegenstandes statuieren.170 Der Grund für das Entstehen der Rückgewährpflicht liegt, wie auch in den Fällen des Rücktritts, in einer Störung des Vertragsverhält167 BT‑Drucks. 14/6040, S. 141. 168 BT‑Drucks. 14/6040, S. 232,
265. Ebenso die Einschätzung von MünchKomm BGB/Busche, § 635 Rn. 49. 169 Für ein bereicherungsrechtliches Verständnis im Zshg. mit der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen nach § 439 Abs. 5 BGB plädieren Herrler/Tomasic, ZGS 2007, 209, 212 ff. unter Annahme einer Gesamtanalogie des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3 BGB. Die tatbestandliche Grundsituation kann bei einer rücktrittsrechtlichen und einer bereicherungsrechtlichen Vorschrift vergleichbar sein. In dem Fall entscheidet der Gesetzgeber durch Zuordnung einer Rechtsfolge, welche Rechtsnatur der Anspruch hat. Siehe dazu in Kap. 2, § 3 I. 170 Erman/Röthel, BGB, Vor § 346 Rn. 8 spricht von „anderweitigen Rückgewährverpflichtungen“. Vgl. auch Kohler, AcP 213 (2013), S. 46, 73, der von einem vorgeschalteten „Quasi-Rücktrtitt“ spricht; Meier-Rudolph/Wörlen, JA 1981, 450, 455, wenn auch noch zur alten Rechtslage hinsichtlich des Rücktritts. Speziell zu § 281 Abs. 5 BGB MünchKommBGB/Ernst, § 281 Rn. 98; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 368 ff., 371.
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nisses. Dieser Störung wurde mit einem Rechtsbehelf des Gläubigers Rechnung getragen und diese dadurch beseitigt. Als Folge dieser Beseitigung ist das Rückabwicklungsbedürfnis entstanden. Dies entspricht der Ausgangssituation eines Rücktritts. Das Schuldverhältnis wandelt sich jedoch aufgrund des Rücktritts in ein Rückgewährschuldverhältnis um (§ 346 Abs. 1 BGB). Dies kann nur erfolgen, weil der Gläubiger sich durch die Ausübung des Rücktritts vom ursprünglichen Vertrag gelöst hat. Die jeweils empfangenen Leistungen sind sodann im Rahmen dieses Rückabwicklungsschuldverhältnisses zurückzugewähren. Wird der Störung des Vertragsverhältnisses dagegen durch eine Nacherfüllung (§§ 439, 635 BGB) begegnet, besteht das Schuldverhältnis als solches fort. Allein die wechselseitigen Pflichten sind nach § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen. Insoweit entsteht kein Rückgewährschuldverhältnis. Da sich die ursprünglich geleistete Sache jedoch noch beim Gläubiger befindet, entsteht diesbezüglich ein Rückabwicklungsbedürfnis. § 281 Abs. 5 BGB unterscheidet sich in einem Punkt von den §§ 439, 635 BGB. Zwar besteht in beiden Fällen – dem der Nacherfüllung und dem des großen Schadensersatzes – kein Interesse des Gläubigers daran, den ursprünglich erhaltenen Leistungsgegenstand zu behalten. Während die Nacherfüllung aber gerade dazu dient, den Vertrag durchzuführen und dem Gläubiger daher die eigentlich geschuldete Sache zu verschaffen, hat der Gläubiger beim großen Schadensersatz endgültig kein Interesse mehr an dem eigentlich geschuldeten Leistungsgegenstand. Er hat allerdings durchaus ein Interesse daran, in finanzieller Hinsicht so gestellt zu werden, als hätte der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt. Wenn darin kein Ersatz für den eigentlichen Leistungsgegenstand gesehen wird, liegt das an der Bevorzugung der Differenztheorie gegenüber der Surrogationstheorie. Letztere geht gerade davon aus, dass der Ersatzanspruch an die Stelle des geschuldeten Leistungsgegenstandes tritt. Der Unterschied zwischen den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB resultiert daher aus der Anwendung der Differenztheorie. Diese ist jedoch nicht der alleinige Grund für die Unterschiede zwischen den Situationen der vorgenannten Verweisungsvorschriften. Beim Schadensersatz soll das Vertragsverhältnis im Ergebnis (schadensrechtlich) abgewickelt werden, auch wenn anerkannt wird, dass die Gegenleistungspflicht fortbesteht. Trotz des Bekenntnisses zum Vertragsschluss und der danach übernommenen Verpflichtungen steht die Vertragsabwicklung im Vordergrund. Die Rückgewähr der Sache ist Teil dieser Abwicklung, während die Rückgewähr der Sache in den Fällen der §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB neben die Vertragsdurchführung tritt. Auch wenn der Schadensersatz statt der ganzen Leistung auf eine Abwicklung ausgerichtet ist, entspricht er nicht dem Rücktritt. Die Rückabwicklung, die im Zuge des Schadensersatzes erfolgt, ist nämlich eine schadensrechtliche und keine rücktrittsrechtliche. Sie muss
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daher auch schadensrechtlichen Grundsätzen folgen.171 Das Rückgewährschuldverhältnis tritt bei § 281 Abs. 5 BGB, wenn man so will, neben die schadensrechtliche Abwicklung des Vertrags. Dadurch entspricht die Systematik trotz der nicht zu leugnenden Unterschiede im Ergebnis doch der der §§ 439 Abs. 5, 634 Abs. 4 BGB. Der durch die Verweisungen in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB geschaffene Rückgewähranspruch ist ein einseitiger,172 weil die tatbestandliche Situation der Verweisungsvorschriften dies entsprechend vorgibt. Da er sich aufgrund der Verweisung nach den §§ 346–348 BGB bestimmt, entsteht bezüglich dieses Leistungsgegenstandes ein Rückgewährschuldverhältnis.173 Im Fall der Nacherfüllung tritt diese Rückgewährpflicht neben die eigentlichen Vertragspflichten. Sie ist endgültig einseitig, da der Schuldner die Gegenleistung behält und demnach kein weiteres Rückabwicklungsbedürfnis besteht. Ob beim Schadensersatz statt der Leistung insgesamt lediglich eine einseitige Rückgewährpflicht entsteht oder den Schuldner aufgrund des Erlöschens der Gegenleistungspflicht auch eine Rückgewährpflicht trifft, hängt davon ab, ob die Differenz- oder die Surrogationstheorie zur Anwendung gelangt. 3. Zusammenfassendes zur Struktur der Verweisungsvorschriften Die Verweisungsvorschriften, die auf die §§ 346–348 BGB Bezug nehmen, unterscheiden sich daher sowohl in tatbestandlicher Hinsicht als auch in der Rechtsfolge von den Regelungen des Rücktrittsrechts. Tatbestandlich sehen sie kein Lösungsrecht vom Vertrag vor. Dieser tatbestandliche Unterschied spiegelt sich in der Rechtsfolge der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB wider. Da diese Vorschriften kein Recht begründen, sich vom Vertrag zu lösen, entsteht in der Folge auch kein Rückabwicklungsschuldverhältnis in dem Sinne, dass die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind.174 Bei der Nachlieferung wird der Vertrag als solcher durchgeführt, sodass die Gegenleistung nicht rückabgewickelt wird. Ob dies beim Scha171 Clevinghaus, Das Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 170 f. 172 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 61. Siehe auch Herrler/Tomasic, ZGS
2007, 209, 211; Höpfner, NJW 2010, 127, 129; Kohler, ZGS 2004, 48, 49, 53; MünchKommBGB/ Ernst, § 281 Rn. 98. Für § 281 Abs. 5 BGB auch Clevinghaus, Das Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 170; Weiler, ZJS 2018, 177, 181. 173 MünchKommBGB/Busche, § 635 Rn. 49, der davon spricht, § 635 Abs. 4 BGB begründe „insoweit ein vertragliches Rückgewährschuldverhältnis“; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 373 (für § 326 Abs. 4 BGB); Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 439 Rn. 134 spricht von einem Rückgewährschuldverhältnis „in Bezug auf die mangelhafte Sache“. 174 Den Unterschied betonen Gsell, JZ 2009, 522, 525 (Fn. 42) zu § 439 Abs. 4 BGB a. F.; Höpfner, NJW 2010, 127, 129 (bzgl. der Nutzungsersatzverpflichtung); Kohler, ZGS 2004, 48, 53.
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densersatz statt der Leistung geschieht, bestimmt sich danach, ob der Schadensersatz nach der Differenz- oder der Surrogationsmethode berechnet wird. § 281 Abs. 5 BGB ordnet jedenfalls ausschließlich eine einseitige Rückgewährpflicht aufgrund des einseitigen Rückabwicklungsbedürfnisses an. Hinsichtlich dieser einseitigen Rückgewährpflicht besteht eine gewisse Vergleichbarkeit mit dem Rücktritt.175 Selbst auf der Grundlage der Annahme wechselseitiger Rückgewährpflichten infolge des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung bestehen – trotz zunächst engerer Verwandtschaft zur Rechtslage beim Rücktritt – ebenfalls Unterschiede zur Situation der Parteien infolge eines Rücktritts, da der Gläubiger gegenüber dem Schuldner im Wege des Schadensersatzes weitergehende Ansprüche geltend machen kann, die ihm allein aufgrund eines Rücktritts nicht zustünden. Eine mit der Rechtslage beim großen Schadensersatz vergleichbare Rechtsposition kann er auf anderem Wege allenfalls durch eine Kombination von Rücktritt und kleinem Schadensersatz herbeiführen.176 Hinsichtlich dieses einseitigen Rückgewährschuldverhältnisses finden sodann die Rechtsfolgen des Rücktritts Anwendung. 4. Charakter der Verweisungen: konstitutive Rechtsfolgenverweisungen Da die Verweisungen in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB konstitutiver Natur sind, können sie als solche Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen sein. Die Einordnung als Rechtsfolgenverweisung liegt nahe, weil es sich bei den §§ 346–348 BGB um Regelungen handelt, die den Umfang der Rückgewährpflichten regeln. Mehr noch sind die §§ 346– 348 BGB die einzigen Vorschriften der §§ 346 ff. BGB, die die Rechtsfolgen eines ausgeübten Rücktritts näher bestimmen. Die sich daran anschließenden §§ 349–353 BGB betreffen die Ausübung von Rücktrittsrechten und deren Einzelheiten. § 354 BGB enthält eine Auslegungsregel im Fall einer bestimmten Vertragsgestaltung und schafft auf diese Weise ein zusätzliches Rücktrittsrecht.177 Die Vorschrift regelt demnach die Frage des Entstehens eines Rücktrittsrechts und nicht dessen Wirkungen. Die konkrete Bezugnahme auf die §§ 346–348 BGB begründet die Vermutung, dass es sich bei den Verweisungen um Einzelverweisungen auf ebendiese Vorschriften handelt. Die Eingrenzung der Verweisungsobjekte in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB ist jedoch derart, dass sämtliche Vorschriften einbezogen werden, die die Rechtsfolgen des Rücktritts bestimmen. Auf diese 175 MünchKommBGB/Ernst, § 281 Rn. 98 spricht davon, das Verlangen nach Schadensersatz statt der Leistung wirke ausschließlich bzgl. der betroffenen Leistung wie ein Rücktritt. 176 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 602a. 177 Für alle Staudinger/Kaiser, BGB, § 354 Rn. 2.
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Weise wird ebenso ein gesamter Bereich in Bezug genommen, wie wenn die Verweisung sich auf „die Vorschriften über die Wirkungen des Rücktritts“ bezöge. Die Verweisung bezieht sich als normgenaue ebenso auf den gesamten Bereich der Regelungen der Rechtsfolgen des Rücktritts, wie es eine inhaltsbezogene Verweisung täte.178 Dies rechtfertigt es, die Verweisungen als Bereichsverweisungen einzuordnen, auch wenn sie die Verweisungsobjekte normgenau zitieren. Auch die Beschränkung der Verweisung auf die Rücktrittsfolgeregelungen schließt es nicht aus, sie als Bereichsverweisungen anzusehen. Sie betreffen nämlich den gesamten Bereich der Rücktrittswirkungen. Diese sind nur in wenigen Vorschriften geregelt, daher ist der Abschnitt klein, es ist aber dennoch ein abgrenzbarer Bereich. Da die Verweisungen sich somit auf die Vorschriften des Rücktritts beziehen, die dessen Rechtsfolgen nach seiner Erklärung bestimmen, besteht eine gewisse Parallele zu den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Bei letzteren erstreckt sich die Bezugnahme zwar zunächst auf den gesamten Regelungsabschnitt der ungerechtfertigten Bereicherung. Durch die Einordnung dieser Verweisungen als (Bereichs-)Rechtsfolgenverweisungen wird dies aber zusätzlich auf die §§ 818 ff. BGB eingegrenzt. Mit diesem eingegrenzten Bereich sind die Verweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht vergleichbar. Die Struktur der §§ 346 ff. BGB stimmt indes mit der der §§ 818 ff. BGB nicht vollständig überein (siehe dazu im Folgenden unter a)). Daher ist zu klären, ob die bestehenden Gemeinsamkeiten es rechtfertigen, die Verweisungsvorschriften auf die §§ 346 ff. BGB in gleicher Weise wie die auf das Bereicherungsrecht als Rechtsfolgenverweisungen einzuordnen, oder ob vielmehr die Unterschiede überwiegen und insoweit zu einer Differenzierung zwingen. Ein wesentlicher Unterschied der §§ 346 ff. BGB zu den §§ 818 ff. BGB besteht darin, dass Erstere mehrere Anspruchsgrundlagen enthalten, wohingegen von den §§ 818 ff. BGB höchstens § 822 BGB als Anspruchsgrundlage eingeordnet wird.179 Die Antwort auf die Frage, ob die Bereichsverweisungen auf die §§ 346–348 BGB Rechtsfolgenverweisungen darstellen, hängt damit zugleich davon ab, ob sich Rechtsfolgenverweisungen auch auf Anspruchsgrundlagen erstrecken können. a) Rechtsfolgenverweisung als Verweisung auf ein in sich geschlossenes Rechtsfolgensystem § 818 BGB stellt keine Anspruchsgrundlage dar, sondern bestimmt lediglich den Umfang einer nach einer anderen Vorschrift begründeten Herausgabepflicht. § 346 Abs. 1 BGB bildet in seinem originären Anwendungs178 Die
Differenzierung zwischen normgenauer und inhaltsbezogener Verweisung wird vom BMJV vorgenommen: BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 237 f. 179 Zum Streit über die Einordnung des § 822 BGB als Anspruchsgrundlage siehe Kap. 2, § 4 VI. 1. b) aa).
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bereich dagegen die Anspruchsgrundlage hinsichtlich des Anspruchs auf Rückgewähr der empfangenen Leistung. Entsprechendes gilt für die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB für die Herausgabe und den Ersatz von Nutzungen. § 347 Abs. 2 BGB enthält ferner die Anspruchsgrundlage für den Verwendungsersatzanspruch. Anders als bei den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht haben die Verweisungsobjekte der Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB demnach in ihrem eigentlichen Anwendungsbereich überwiegend anspruchsbegründenden Charakter. Dies ist der Struktur des Rücktrittsrechts als Gestaltungsrecht geschuldet, nach der der Rücktritt nach einer Vorschrift (oder nach einer vertraglichen Regelung) begründet wird, aus der sich zunächst lediglich das Recht der betroffenen Partei ergibt, zurückzutreten. Dabei ist es unerheblich, ob es sich hierbei um die allgemeine Vorschrift des § 323 BGB oder um ein speziell geregeltes Rücktrittsrecht handelt. Die unmittelbare Rechtsfolge der rücktrittsbegründenden Vorschriften ist das Entstehen eines Rücktrittsrechts. Als Gestaltungsrecht ist der Rücktritt sodann auszuüben (§ 349 BGB), um weitere Rechtswirkungen zu entfalten. Die konkreten Wirkungen eines ausgeübten Rücktritts bestimmen sich anschließend nach den §§ 346 ff. BGB. § 346 Abs. 1 BGB ordnet im System der Rücktrittsvorschriften erstmals die Pflicht zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen und zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen an. Dies unterscheidet das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht in seiner Struktur vom Bereicherungsrecht, das in den den Bereicherungsanspruch begründenden Anspruchsgrundlagen stets selbst die GrundRechtsfolge – die Herausgabe des Erlangten – anordnet. Die §§ 818 ff. BGB bestimmen daran anschließend lediglich den Umfang der Herausgabepflicht. Im Rahmen der §§ 818 ff. BGB existiert mit § 822 BGB eine Vorschrift, deren Rechtscharakter zumindest umstritten ist. Wie gesehen, ist § 822 BGB von den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht jedoch unabhängig davon umfasst, ob er anspruchsbegründenden Charakter hat. Seine Einbeziehung in die Gruppe der Verweisungsobjekte beruht vielmehr auf seiner Stellung im Rahmen des Rechtsfolgensystems der §§ 818 ff. BGB, das nur als Ganzes ein in sich geschlossenes Gebilde darstellt. Dieses rankt sich insbesondere um § 818 Abs. 3 BGB, der durch § 822 BGB flankiert wird.180 Die entsprechenden Rechtsfolgenverweisungen beziehen sich daher auch auf ihn, wenn er anspruchsbegründenden Charakter hat. Die Tatsache, dass die §§ 346, 347 BGB diverse Ansprüche vorgeben, schließt es daher noch nicht per se aus, die auf sie bezogenen Verweisungen als Rechtsfolgenverweisungen anzusehen. Die Einordnung von Verweisungen, die sich auf anspruchsbegründende Vorschriften beziehen, als Rechtsfolgenverweisungen führt zurück zur 180
Siehe dazu ausführl. Kap. 2, § 4 VI. 1. b) ee).
§ 2 Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB
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Kritik Haddings an der Unterscheidung von Verweisungen auf Abschnitte des BGB in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen.181 Dem ist zuzugeben, dass es begrifflich widersprüchlich anmutet, eine Verweisung als Rechtsfolgenverweisung zu bezeichnen, die sich auch auf anspruchsbegründende Merkmale einer Vorschrift bezieht. Allerdings darf im Rahmen dieser Kritik nicht übersehen werden, dass auch die nicht anspruchsbegründenden Vorschriften der §§ 818 ff. BGB Tatbestandsmerkmale haben, die zu prüfen sind und vorliegen müssen, damit die jeweilige Vorschrift eingreift. So ist beispielsweise für die Umwandlung der Herausgabe- in eine Wertersatzpflicht gemäß § 818 Abs. 2 BGB erforderlich, dass die Herausgabe des Gegenstandes aus einem der dort genannten Gründe nicht möglich ist. Für § 818 Abs. 3 BGB ist zu prüfen, ob beim Schuldner noch eine Bereicherung vorhanden ist. Die Beispiele ließen sich auf die anderen Vorschriften der §§ 818 ff. BGB ausdehnen. Im Rahmen eines Verweisungsobjekts einer Rechtsfolgenverweisung Voraussetzungen zu prüfen, ist bei Bereichsverweisungen üblich, ohne dass diese dadurch zu Rechtsgrundverweisungen werden. Wer dies anders beurteilt, darf konsequenterweise nur solche Verweisungen als Rechtsfolgenverweisungen ansehen, die isoliert die Rechtsfolge einer einzelnen Vorschrift in Bezug nehmen, ohne an eines ihrer Tatbestandsmerkmale anzuknüpfen. Für Bereichsverweisungen wäre die Einteilung in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen damit von vornherein ungeeignet.182 Der Begriff „Rechtsfolgenverweisung“ kann alternativ derart verstanden werden, dass hiervon solche Verweisungen erfasst werden, die sich auf die Vorschriften eines bestimmten Bereichs beziehen, in dem die Rechtsfolgen eines in einer oder mehreren anderen Vorschriften begründeten Rechts oder Anspruchs ausgestaltet sind. Die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht zeigen, dass es Verweisungen gibt, die ebendiese Reichweite haben. Die Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB haben eine vergleichbare Struktur, da diese Vorschriften die Wirkungen des Rücktritts und damit die „Rechtsfolgen“ eines ausgeübten Rücktrittsrechts bestimmen. Wer den Begriff der Rechtsfolgenverweisung eng verstehen und auf solche Verweisungen beschränken möchte, die sich ausschließlich auf eine bestimmte Rechtsfolge beziehen, wird den Bereichsverweisungen auf Rechtsfolgenvorschriften einen anderen Namen geben müssen. Nach hiesigem Verständnis spricht jedoch nichts dagegen, diese als Rechtsfolgenverweisungen zu bezeichnen, weil sie sich auf Vorschriften beziehen, die die Rechtsfolgen eines Rechts oder eines Anspruchs bestimmen. Es bleibt jedoch noch zu prüfen, ob dies auch dann gilt, wenn die Ausgestaltung der Rechtsfolgen unter anderem durch anspruchsbegründende Vorschriften er181
182
Hadding, FS Mühl, S. 225, 256 ff. So das konsequente Vorgehen von Hadding, FS Mühl, S. 225, 256 f.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
folgt, und ob die Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB daher als Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht eingeordnet werden können. Die Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht sprechen dafür.183 Der Grund dafür, dass die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht die §§ 818 ff. BGB ohne Rücksicht auf deren Rechtscharakter erfassen, liegt darin, dass es sich bei diesen Vorschriften um ein in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem handelt. Dabei ist § 818 BGB der Ausgangspunkt der Rückabwicklung, der durch die nachfolgenden Vorschriften ergänzt und, sofern erforderlich, modifiziert wird, um ein System der Rückgewähr zu schaffen, das den Interessen der Beteiligten am ehesten Rechnung trägt.184 Die Verweisungsvorschriften, die im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Bereicherungsrecht Bezug nehmen, sind wie die bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen aufgebaut, indem sie wie diese Tatbestandsvoraussetzungen aufstellen und ihre Grund-Rechtsfolge eigenständig anordnen.185 Zur näheren Bestimmung der Herausgabepflicht verweisen sie sodann auf die §§ 818 ff. BGB. Es ist zu klären, ob die Vorschriften, die auf die §§ 346–348 BGB verweisen, ähnlich aufgebaut sind und inwieweit die §§ 346–348 BGB in vergleichbarer Weise wie die §§ 818 ff. BGB ein System ineinandergreifender Rechtsfolgeregelungen enthalten. aa) Grundlage der Rückgewährpflicht im Rücktrittsrecht Die Tatbestände, die ein Rücktrittsrecht begründen, sind anders aufgebaut als die bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Sie stellen Voraussetzungen auf, unter denen ein Rücktrittsrecht entsteht. Wird der Rücktritt ausgeübt, begründet § 346 Abs. 1 BGB die Pflicht zur Rückgewähr der jeweils empfangenen Leistungen. Die Vorschriften, die auf die §§ 346–348 BGB verweisen, unterscheiden sich von den ein Rücktrittsrecht begründenden Vorschriften, indem sie anders als diese und vergleichbar mit den bereicherungsrechtlichen Tatbeständen ebenfalls bereits von sich aus vorgeben, dass unter den in ihnen bestimmten Voraussetzungen ein Rückgewähranspruch entsteht. Sie ordnen daher ihre Grund-Rechtsfolge von sich aus an und bestimmen deren Umfang, indem sie auf die §§ 346–348 BGB verweisen. Der Aufbau dieser Verweisungsvorschriften entspricht mithin denen, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht begründen. Zudem ist die Funktion der Verweisung auch mit denen auf das Bereicherungsrecht vergleichbar. Durch die Verweisung auf die §§ 346–348 BGB soll der Umfang der Rückgewährpflicht, die die §§ 281 Abs. 5, 439 183 Siehe Kap. 2, § 4 VI. 1. zur Frage des Zshgs. eines möglichen Anspruchscharakters des § 822 BGB mit dem Umfang von Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. 184 Siehe dazu in Kap. 2, § 4 I. 2.–VII. 185 Siehe die Einzelanalysen in Kap. 2, § 2 II.
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Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB anordnen, bestimmt werden. Dabei soll durch die Verweisung gerade auch bestimmt sein, in welcher Weise Beschädigungen oder Nutzungen durch den Gläubiger für die Zeit, in der sich die Sache bei ihm befand, auszugleichen sind.186 Dafür beziehen sich die Verweisungsvorschriften zwar auf die anspruchsbegründenden Verweisungsobjekte der §§ 346–348 BGB. Diese haben jedoch im Rahmen der Verweisungsvorschriften nicht sämtlich eine anspruchsbegründende Funktion, da sich der Anspruch auf Rückgewähr des Leistungsgegenstandes dem Grunde nach bereits aus der jeweiligen Verweisungsvorschrift ergibt.187 Die Anordnung der Rückgewährpflicht durch § 346 Abs. 1 1. HS BGB läuft demnach im Anwendungsbereich der Vorschrift innerhalb der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB leer. Anders als in seinem originären Anwendungsbereich kommt ihm bei seiner Anwendung im Rahmen der Verweisungsvorschriften kein anspruchsbegründender Charakter zu, weil die jeweilige Verweisungsvorschrift bereits Anspruchsgrundlage für die Rückgewährpflicht ist. bb) Ergänzung der Rückgewährpflicht durch den Nutzungsersatz Die Herausgabe der Nutzungen sowie die Pflicht zu deren Ersatz gemäß den §§ 346 Abs. 1 2. HS, 347 Abs. 1 S. 1 BGB sind nicht bereits der GrundRechtsfolge nach durch die Verweisungsvorschriften vorgegeben. Allerdings stehen diese Ansprüche im originären Anwendungsbereich der §§ 346–348 BGB in unmittelbarem Zusammenhang mit der in § 346 Abs. 1 BGB bestimmten Rückgewährpflicht, indem sie diese ergänzen. Dadurch wird die Rückgewährpflicht komplettiert,188 da der Rücktritt die vor dem Vertragsschluss bestehende Rechtslage wieder herstellen soll189 und dies zugleich bedeutet, dass dem Gläubiger die Nutzungen an der zurückzugewährenden Sache nicht verbleiben dürfen. Die Pflicht zur Nutzungsherausgabe nach § 346 Abs. 1 2. HS BGB hat demnach keine Voraussetzungen, die über die hinausgehen, die die Rückgewährpflicht hinsichtlich des Leistungsgegenstandes begründen. Im Anwendungsbereich der Verweisungsvorschrift bedeutet dies für den Nutzungsersatzanspruch, dass dieser ebenfalls 186
BT‑Drucks. 14/6040, S. 141, 232. Für § 281 Abs. 5 BGB ausdrückl. Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 371. 188 Siehe dazu MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 25, der den Nutzungsersatz als Teil der umfassenden Rückgewährpflicht des Gläubigers ansieht, wenn die Gebrauchsüberlassung nicht die Hauptleistungspflicht darstellt. 189 BT‑Drucks. 14/6040, S. 189; BGH vom 16.9.1981 – VIII ZR 265/80, NJW 1982, 105, 107; Faust, JZ 2008, 471; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 1; Schwab, JuS 2002, 630, 636. Siehe i. Ü. Clevinghaus, Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 66; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 509; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 5, die jeweils auf die Lage vor dem Leistungsaustausch aber nach dem Vertragsschluss abstellen. 187
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unter den Tatbestandsvoraussetzungen der Verweisungsvorschrift entsteht. Die Pflicht zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen nach § 346 Abs. 1 2. HS BGB ergänzt die Rückgewährpflicht, um auf diese Weise ein interessengerechtes und dadurch wertungsmäßig in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem zu schaffen. Daher ist es sachgerecht, diese Pflicht bei einer Rückabwicklung anhand der Grundsätze der §§ 346–348 BGB einzubeziehen. Auch wenn sie als eigener Anspruch ausgestaltet ist, handelt es sich eigentlich um eine Ergänzung der Pflicht zur Rückgewähr der empfangenen Leistung. Damit bestimmt sie die Rechtsfolgen des Rücktritts. Die Regelung entspricht an sich derjenigen in § 818 Abs. 1 1. Fall BGB. Letzterer gibt aber bereits durch seinen Normtext vor, dass es sich bei der Herausgabe der Nutzungen um einen Annex zur Herausgabe der Sache handelt, indem er bestimmt: „Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen (…)“. § 346 Abs. 1 2. HS BGB hat dieselbe Intention. Er regelt dies nur durch einen eigenständigen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen. Die Regelung bestimmt dadurch ebenfalls den Umfang der Rückgewährpflicht und somit die Rechtsfolgen des Rücktritts oder der jeweiligen Verweisungsvorschrift. § 346 Abs. 1 2. HS BGB steht daher einer Einordnung der Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB als Rechtsfolgenverweisungen nicht im Wege. § 347 Abs. 1 BGB ist eine Ergänzung des Anspruchs auf Nutzungsherausgabe gemäß § 346 Abs. 1 2. HS BGB.190 Er ist somit eng mit Letzterem verknüpft. Vereinzelt wird gar angeregt, er sei aus systematischen Gründen in § 346 Abs. 2 und 3 BGB zu integrieren.191 Für ihn muss daher ebenfalls die Grundsituation des § 346 Abs. 1 BGB gegeben sein und mithin eine Rückgewährpflicht nach dessen Voraussetzungen bestehen. Er komplettiert somit, ebenso wie § 346 Abs. 1 2. HS BGB, die Pflicht zur Rückgewähr der Sache. cc) Zusammenhang zwischen Rückgewähr, Nutzungsersatz und Verwendungsersatz § 347 Abs. 2 BGB regelt die auf Verwendungs- und Aufwendungsersatz gerichteten Gegenansprüche des Gläubigers und Rückgewährschuldners. Diese dienen in gleicher Weise, wie diejenigen, die die Pflichten zur Rückgewähr und zur Nutzungsherausgabe anordnen, der möglichst umfassen190 MünchKommBGB/Gaier, § 347 Rn. 1; Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 1; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 1 (spricht von einer Erweiterung). 191 Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 1. Ähnl., allerdings nur für eine auf eine Vorschrift beschränkte Regelung zu Nutzungen Gaier, WM 2002, 1, 6; Krebs, DB 2000, Beil. Nr. 14, 1, 13. A. A. Kaiser, JZ 2001, 1057, 1066 (allerdings nicht durch Leugnen des Zshgs. sondern unter Hinweis auf den zum Nutzungsersatz nach § 347 Abs. 1 BGB nicht passenden Schadensersatzanspruch in § 346 Abs. 4 BGB).
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den Wiederherstellung der Rechtslage, wie sie vor dem Vertragsschluss bestand. Der Rückgewährschuldner soll zwar die Sache nebst Nutzungen an den Rückgewährgläubiger zurückgeben. Wenn er jedoch notwendige Verwendungen hierauf gemacht oder Aufwendungen getätigt hat, die den Schuldner und Rückgewährgläubiger bereichern, sollen ihm diese ersetzt werden. Ohne eine derartige Regelung würde der Rückgewährgläubiger zu Unrecht bevorteilt, da die Wertsteigerung in seinem Vermögen verbliebe, wohingegen der Rückgewährschuldner diese Kosten nicht ersetzt verlangen könnte. Da Nutzungs- und Verwendungsersatz zum Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen der Parteien im Fall bestehender Rückgewährpflichten zusammengehören,192 ergänzt § 347 Abs. 2 BGB ebenfalls die in § 346 Abs. 1 1. HS BGB angeordnete Rückgewährpflicht – wenn auch durch einen Gegenanspruch. Auf diese Weise entsteht, wie im Bereicherungsrecht, ein in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem,193 das als solches den Umfang der jeweiligen Rückgewährpflicht bestimmt. Daher handelt es sich insgesamt um Rechtsfolgeregelungen, auch wenn sie teilweise anspruchsbegründenden Charakter haben. Die Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB können demnach durchaus als Rechtsfolgenverweisungen bezeichnet werden.194 b) Konsequenz aus der Einordnung der Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB als Rechtsfolgenverweisungen Bei der Einordnung der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB als Rechtsfolgenverweisungen ist allerdings folgender Unterschied zum Bereicherungsrecht nicht außer Acht zu lassen: Die Einordnung der Verweisungen in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB hat als solche zunächst keine Konsequenz, da es sich aufgrund der eindeutigen Vorgabe um eine Verweisung auf die §§ 346–348 BGB handelt und dadurch bestimmt ist, welche Vorschriften infolge der Verweisung anwendbar sind.195 Dies unterscheidet die Konzeption der Verweisung von denen auf das Bereicherungsrecht, die stets die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung für anwendbar erklären und daher von selbst gerade keine Beschränkung, 192 Kaiser, JZ 2001, 1057, 193 Zur Einordnung der
1069. §§ 346–348 BGB als kohärentes Rückabwicklungssystem BT‑Drucks. 14/6040, S. 93, BT‑Drucks. 14/7052, S. 175 (sprechen von einem grds. einheitlichen Modell); Faust, JZ 2008, 471, 474; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 346 ff., 372, 378, 400. 194 Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 368 (für § 281 Abs. 5 BGB), S. 373 (für § 326 Abs. 4 BGB), S. 377 (für § 439 Abs. 4 BGB a. F.). I. E. für § 281 Abs. 5 BGB ebenso, für § 635 Abs. 4 BGB allerdings ablehnend (Rechtsgrundverweisung) Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 26. 195 Zu den mitunter verlangten Einschränkungen in der Anwendung der §§ 346–348 BGB in den Fällen des § 281 Abs. 5 BGB siehe im Folgenden unter aa).
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zum Beispiel auf die §§ 818 ff. BGB vornehmen. Aus der Formulierung der Verweisung kann daher weder auf ihren Charakter als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung geschlossen werden noch ist daraus erkennbar, welche Vorschriften aus dem Abschnitt der ungerechtfertigten Bereicherung im Einzelfall Anwendung finden sollen. Die Einordnung als Rechtsfolgenverweisung beantwortet diese Frage und führt demnach bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht zu dem Ergebnis, das die §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB durch die genaue Bezeichnung der anwendbaren Vorschriften des Rücktrittsrechts bereits vorgeben. Unter den Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB gibt es jedoch mit den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5 BGB zumindest zwei, bei denen trotz der eindeutigen Benennung des Verweisungsumfangs Streit über deren Reichweite besteht. Die normgenaue Benennung der Verweisungsobjekte durch die Vorschriften mit Verweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht und die Einordnung der genannten Verweisungsvorschriften als Rechtsfolgenverweisungen spricht für eine umfassende Inbezugnahme der §§ 346–348 BGB. Wie gezeigt, liegt den Verweisungen auf diese Vorschriften ein System zugrunde, das wie das der Bereichsrechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht darauf beruht, dass die Rückabwicklung nach einem System erfolgen soll, das wertungsmäßig in sich geschlossen ist. Die Interessenlage, die diesen Systemen in ihrem originären Anwendungsbereich zugrunde liegt, ist mit der vergleichbar, die in den durch die jeweiligen Verweisungsvorschriften geregelten Situationen besteht. Daher ist es sachgerecht, die Rückabwicklung nach den Vorgaben der Verweisungsobjekte zu vollziehen und dafür das vorgegebene und in sich geschlossene System unberührt zu lassen. Dies bestätigt, dass es sich bei den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB um Bereichsverweisungen handelt, obwohl sie sich nicht auf den Rücktritt insgesamt, sondern nur auf dessen Wirkungen beziehen. Daran zeigt sich zudem, dass derartige Verweisungen grundsätzlich stets vollumfänglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Bereichs sind. Ausnahmen sind anhand der Vorgaben der Verweisungsvorschriften zwar denkbar, um sie anzunehmen, müssen sich jedoch aus den Verweisungsvorschriften Anhaltspunkte dafür ergeben, dass von den Wertungen des in Bezug genommenen Rückabwicklungssystems abgewichen werden soll.196 Die §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5 (635 Abs. 4) BGB werden im Folgenden auf derartige Anhaltspunkte hin untersucht.
196 Vgl. für ein Abweichen vom rücktrittsrechtlichen Regelungssystem bei Konkurrenz mit einem Schadensersatzanspruch Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 348.
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aa) Umfang der Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB auf die §§ 346–348 BGB Die Intention des Schadensersatzes besteht darin, den Vertragspartner so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags stünde.197 Hieran orientieren sich die ersatzfähigen Schadenspositionen. Im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger mithin grundsätzlich auch einen Nutzungsausfall gegenüber dem Schuldner geltend machen.198 Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte er die Sache bestimmungsgemäß nutzen können, sodass es nicht zu einem Nutzungsausfall gekommen wäre. Die Nutzungen werden auf diese Weise dem Gläubiger zugeordnet. Im Fall des Kaufvertrags ist diese Wertung zusätzlich in § 446 S. 2 BGB verankert, nach dem dem Käufer nach der Übergabe der Sache die Nutzungen hieran gebühren. Verlangt der Gläubiger gemäß § 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der ganzen Leistung und muss er dem Schuldner daher den ursprünglich geleisteten Vertragsgegenstand nach § 281 Abs. 5 BGB zurückgewähren, ist er aufgrund der Verweisung auf die §§ 346–348 BGB zum Ersatz der aus dem Gegenstand gezogenen oder entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogenen Nutzungen (§§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB) verpflichtet. Die Nutzungen werden dadurch dem Schuldner zugeordnet. Dies entspricht der Intention des Rücktritts, die Parteien so zu stellen, als sei der Vertrag nicht geschlossen worden.199 Der schadensrechtlichen Zuweisung der Nutzungen zum Gläubiger wird auf diese Weise durch die Anordnung in den §§ 346 f. BGB widersprochen. Wie dieses Konkurrenzproblem zu lösen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Dabei bestehen zwei Grundpositionen. Nach einer Ansicht werden die Rücktrittsfolgen, deren Geltung § 281 Abs. 5 BGB anordnet, schadensrechtlich überlagert, die Gegenposition sieht einen Vorrang der rücktrittsrechtlichen Rechtsfolgen.200 Diese jeweiligen Ergeb197 BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2427 (Rn. 16); BGH v 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 7); Bender, Die Auswirkungen des Rücktritts, S. 53; Huber, AcP 210 (2010), S. 319, 335; Staudinger/Schwarze, BGB, § 325 Rn. 29. 198 BGH vom 30.6.2017 – V ZR 134/16, NJW 3438, 3440 (Rn. 20); BGH v 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911 (Rn. 8) m. w. Nachw.; Staudinger/Schwarze, BGB, § 280 Rn. E 4. Vgl. auch Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB, S. 94 ff. 199 Zu dieser Intention des Rücktritts BT‑Drucks. 14/6040, S. 189; BGH vom 16.9.1981 – VIII ZR 265/80, NJW 1982, 105, 107; Faust, JZ 2008, 471; Martens, AcP 210 (2010), S. 689, 710 ff.; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 1; Schwab, JuS 2002, 630, 636. Siehe i. Ü. Clevinghaus, Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 66; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 509; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 5, die jeweils auf die Lage vor dem Leistungsaustausch aber nach dem Vertragsschluss abstellen. 200 Für eine schadensersatzrechtliche Überlagerung BGH vom 30.6.2017 – V ZR 134/16, NJW 3438, 3440 f. (Rn. 20); BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2427 f. (Rn. 19 ff.); Gsell, JuS 2006, 203, 205 f.; dies., JZ 2004, 643, 645 f.; Mehring,
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nisse werden innerhalb der Grundpositionen auf unterschiedlichem Weg erreicht.201 Eine schadensrechtliche Überlagerung hätte zur Folge, dass die Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB auf die §§ 346–348 BGB nicht vollumfassend wäre, 202 wenn im originären Anwendungsbereich der §§ 346–348 BGB keine derartige Einschränkung vorzunehmen wäre. Das durch die Verweisung in § 281 Abs. 5 BGB entstehende Problem der sich widersprechenden Zuweisung der Nutzungen besteht jedoch nicht nur aufgrund dieser Verweisung. Es entsteht vielmehr in vergleichbarer Weise, wenn der Gläubiger nach einer nicht vertragsgemäßen Leistung sowohl vom Vertrag zurücktritt als auch Schadensersatz verlangt. Diese Möglichkeit besteht nach § 325 BGB. Im Rahmen des Schadensersatzes kann der Gläubiger Ersatz des mangelbedingten Nutzungsausfalls verlangen, aufgrund des Rücktritts ist er jedoch zur Herausgabe gezogener oder zum Ersatz entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogener Nutzungen verpflichtet. Die Problematik der Zuweisung der Nutzungen zum Schuldner oder Gläubiger entsteht demnach nicht nur aufgrund der Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 346–348 BGB, sondern in vergleichbarer Weise durch die in § 325 BGB zum Ausdruck kommende Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, neben einem ausgeübten Rücktritt Schadensersatzansprüche des Gläubigers anzuerkennen. Dadurch konkurrieren das durch den Rücktritt geschützte negative Interesse und das vom Schadensersatz geschützte positive Interesse. Wie dieses Konkurrenzverhältnis aufzulösen ist, ist grundsätzlich umstritten. 203 ZGS 2009, 310, 315; MünchKommBGB/Ernst, § 325 Rn. 12; Staudinger/Schwarze, BGB, § 325 Rn. 34. A. A. Faust, JZ 2008, 471, 474; Höpfner, NJW 2010, 127, 130 f., die allerdings den rücktrittsrechtlich zu leistenden Nutzungsersatz als schadenserhöhenden Posten berücksichtigen. Faust spricht insoweit von einem „fiktiven Deckungsgeschäft“. Für ein Zusammenspiel von Rücktritt und Schadensersatz in Form eines zweistufigen Vorgehens Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 382 ff. 201 Siehe dazu die Darstellung bei Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 268 ff. (für die schadensrechtliche Überlagerung), 315 ff. (zu den Ansichten zum Vorrang des Rücktrittsrechts). 202 Für eine teleologische Reduktion daher Gsell, JuS 2006, 203, 206; dies., JZ 2004, 643, 646. 203 Für eine schadensersatzrechtliche Überlagerung des Rücktrittsrechts BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2427 f. (Rn. 19 ff.); Bender, Die Auswirkungen des Rücktritts, S. 129 f.; Gsell, JuS 2006, 203, 205 f.; dies., JZ 2004, 643, 645 f.; Herresthal, JuS 2007, 798, 800; MünchKommBGB/Ernst, § 325 Rn. 12; v. Olshausen, FS Huber, S. 471, 475 ff.; Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, § 15 Rn. 49 (S. 217); Staudinger/Schwarze, BGB, § 325 Rn. 34. A. A. Faust, JZ 2008, 471, 474; Höpfner, NJW 2010, 127, 129 f. (allerdings unter Berücksichtigung des rücktrittsrechtlich zu leistenden Nutzungsersatzes als schadenserhöhendem Posten). Für ein Zusammenspiel von Rücktritt und Schadensersatz in Form eines zweistufigen Vorgehens Kaiser, ZfPW 2015, 129, 144 ff.; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 382 ff. Diff. i. Ü. Clevinghaus, Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 243 ff.
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§ 325 BGB dient dazu, dem Gläubiger trotz eines Rücktritts den Weg zum schadensrechtlichen Ersatz seines Erfüllungsinteresses zu eröffnen.204 Das Erfüllungsinteresse des Gläubigers sollte dadurch, trotz des Rücktritts und der durch ihn hervorgerufenen Beendigung des Vertrags, geschützt werden. Mit dieser Anordnung hat der Gesetzgeber sich im Zweifel für den Schutz des positiven Interesses ausgesprochen. Diese grundsätzliche Wertung ist auch im Rahmen des § 281 Abs. 5 BGB zu berücksichtigen. Die wohl überwiegende Ansicht plädiert daher auch für eine schadensersatzrechtliche Überlagerung der rücktrittsrechtlichen Vorgaben infolge der Verweisung.205 Dafür wird vereinzelt eine teleologische Reduktion des Umfangs der Verweisung in § 281 Abs. 5 BGB für erforderlich gehalten. 206 Da die Konkurrenz der verschieden umfangreichen Interessen (positives und negatives Interesse) jedoch im originären Anwendungsbereich von Rücktritt und Schadensersatz ebenfalls besteht und bei entsprechendem Bedürfnis aufgelöst wird, ist eine teleologische Reduktion der Verweisung in § 281 Abs. 5 BGB nicht erforderlich.207 Das zugrunde liegende Problem stellt sich nämlich im originären Anwendungsbereich des Rücktrittsfolgenrechts in vergleichbarer Weise wie in seinem Anwendungsbereich durch die Verweisung.208 Auch bei einer schadensrechtlichen Überlagerung dürfen die Rücktrittsfolgen nicht gänzlich durch das Schadensrecht verdrängt werden. Die Wertungen des Rückabwicklungsmechanismus einerseits und des Schadensersatzanspruchs andererseits sind vielmehr soweit möglich miteinander in Einklang zu bringen.209 Dies wäre im Rahmen des § 281 Abs. 5 BGB nicht möglich, wenn die dortige Verweisung auf die §§ 346–348 BGB von 204 BT‑Drucks. 14/6040, S. 93; BGH vom 9.5.2018 – VIII ZR 26/17, NJW 2018, 2863, 2869 f. (Rn. 49, 59); BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2427 (Rn. 18); BGH vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07, NJW 2008, 911, 912 (Rn. 10); Faust, JZ 2008, 471, 472; Gsell, LMK 2010, 307697; Staudinger/Schwarze, BGB, § 325 Rn. 34. 205 BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2427 f. (Rn. 19 ff.); Gsell, JuS 2006, 203, 205 f.; dies., JZ 2004, 643, 645 f.; Herresthal, JuS 2007, 798, 800; v. Olshausen, FS Huber, S. 471, 475 ff.; Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, § 15 Rn. 49 (S. 217); Staudinger/Schwarze, BGB, § 325 Rn. 34. Für einen Schutz des positiven Interesses bei einem Zusammentreffen der Rechtsbehelfe auch Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 394 ff. 206 Gsell, JuS 2006, 203, 206; dies., JZ 2004, 643, 646. 207 I. E. ebenfalls gegen eine teleologische Reduktion BGH vom 30.6.2017 – V ZR 134/16, NJW 2017, 3438, 3440 f. (Rn. 20); Höpfner, NJW 2010, 127, 130; Kaiser, ZfPW 2015, 129, 144 f. 208 Siehe insofern den Hinweis von Kaiser, ZfPW 2015, 129, 161. Bei der Konkurrenz von Rücktritt und Schadenersatz stellen sich einge zusätzliche Probleme, da die Zuweisung bestimmter Rechtspositionen nicht nur eine Leistung, sondern sowohl die Leistung als auch die Gegenleistung betrifft. Dadurch verstäkt sich die Problematik sich widersprechender Wertungen. Siehe zu der Problematik insgesamt Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 219 ff. 209 Vgl. Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 399, 406 ff.
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vornherein dahingehend teleologisch reduziert würde, dass sie den Nutzungsersatz nach diesen Vorschriften grundsätzlich ausnimmt. 210 Im Übrigen ist zu bedenken, dass nicht in jedem Fall der Rückgewähr eines mangelhaften Leistungsgegenstandes beim Schadensersatz statt der Leistung eine widersprüchliche Zuordnung der Nutzungen erfolgt. Hat der Gläubiger keine Nutzungen aus dem zurückzugewährenden Gegenstand gezogen, weil der diesem anhaftende Mangel eine Nutzung unmöglich gemacht hat, besteht nach den §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB keine Pflicht zur Herausgabe oder zum Ersatz von Nutzungen. Der Gläubiger kann nach schadensrechtlichen Grundsätzen den Nutzungsausfall ersetzt verlangen. In dieser Konstellation kommt es daher gar nicht zu einem Widerspruch zwischen den rücktrittsrechtlichen und den schadensrechtlichen Wertungen.211 Daher bedarf es auch keiner Auflösung eines Wertungskonflikts. Die Wertungen der beiden Systeme stimmen insoweit vielmehr überein. Es besteht somit keine Notwendigkeit, in diesen Fällen den Umfang der Reichweite der Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB auf die §§ 346–348 BGB zu begrenzen. Nur in den Punkten, in denen eine Konkurrenzsituation besteht, die zwingend einer Auflösung bedarf, ist dem durch den Schadensersatz geschützten positiven Interesse im Zweifel Vorrang einzuräumen, da der Gläubiger in besonderem Maße schützenswert ist, wenn der Schuldner die vertragliche Störung zu vertreten hat.212 Denn ein Verschulden ist Grundvoraussetzung des Entstehens des Schadensersatzanspruchs und demnach auch der Kollision von Rücktritt und Schadensersatz. 213 Ohne ein Vertretenmüssen auf Seiten des Schuldners bestünde kein Schadensersatzanspruch und der Gläubiger wäre ohnehin auf den Rücktritt und somit auf den Schutz seines negativen Interesses begrenzt. Dass das Schadensrecht die rücktrittsrechtlichen Regelungen nur überlagert, wenn die beiden Rechtsinstitute kumulieren, entspricht dem – nur in diesem Fall erhöhten – Schutzbedürfnis des Gläubigers. Wenn man anerkennt, dass die §§ 346–348 BGB sowohl in ihrem originären als auch in dem Anwendungsbereich, den sie durch die Verweisung in § 281 Abs. 5 BGB erhalten, nicht abschließend sind, 214 besteht Raum für eine Modifizierung des rücktrittsrechtlichen Nutzungsersatzes durch die schadensrechtlichen Wertungen, ohne dass es hierfür einer teleologischen Reduktion der Verweisung auf die §§ 346–348 BGB bedarf. 210
So der Vorschlag von Gsell, JuS 2006, 203, 206; dies., JZ 2004, 643, 646. 2015, 129, 138 f. Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 353, 387 ff. Siehe auch Bender, Die Auswirkungen des Rücktritts, S. 129 f.; Staudinger/Schwarze, BGB, § 325 Rn. 34. 213 Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 390. 214 Gegen den abschließenden Charakter der §§ 346–348 BGB sprechen sich aus BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2427 f. (Rn. 14 ff., insbes. 17 f.); Clevinghaus, Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz, S. 247. 211 Kaiser, ZfPW 212 Riewert, Die
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Die Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB ist demnach grundsätzlich vollumfänglich. Sie kann aber zu einer schadensrechtlichen Überlagerung der Vorgaben der Verweisungsobjekte (§§ 346–348 BGB) führen, wenn hinsichtlich einzelner Rechte oder Ansprüche ein wertungsmäßiges Konkurrenzverhältnis zwischen Schadensersatz und Rücktritt besteht. Dies entspricht dem allgemeinen Vorgehen bei einer Kumulation von Rücktritt und Schadensersatz. Die im Zweifel schadensrechtliche Überlagerung der rücktrittsrechtlichen Folgen im Rahmen des § 281 Abs. 5 BGB bestätigt, dass die Vorschrift trotz der Verweisung auf das Rücktrittsrecht schadensrechtlichen Charakter hat. Dieser setzt sich im Kollisionsfall gegenüber den Wertungen des Rücktrittsrechts durch. Obwohl der Gesetzgeber die Verweisung geschaffen hat, weil er dem Schadensersatz statt der ganzen Leistung indirekte Rücktrittswirkung zugesprochen hat, 215 wird die Vorschrift nicht zu einer rücktrittsrechtlichen Regelung. Dies unterscheidet diese Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 346 ff. BGB von denen auf das Bereicherungsrecht und begründet den Verdacht, dass die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht und die auf das Rücktrittsrecht sich in diesem Punkt grundsätzlich unterscheiden. bb) Umfang der Verweisung der §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB auf die §§ 346–348 BGB Im Rahmen der gleichgerichteten Verweisungen der §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB auf die §§ 346–348 BGB bestehen ebenfalls Unklarheiten hinsichtlich ihrer Reichweite. Während die Frage zu § 635 Abs. 4 BGB weniger diskutiert ist, bestand lange Zeit Streit über den Umfang der Verweisung in § 439 Abs. 5 BGB.216 Der Streit entstand unter anderem aus dem Grund gerade zu § 439 Abs. 5 BGB und nicht im Rahmen von § 635 Abs. 4 BGB, da ein wesentlicher Aspekt der Diskussion die mögliche Unionsrechtswidrigkeit des § 439 Abs. 5 BGB im Fall des Verbrauchsgüterkaufs betraf, die für § 635 Abs. 4 BGB keine Rolle spielt. Der Gläubiger ist im Rahmen der §§ 346, 347 BGB zum Nutzungsersatz verpflichtet. Dies führt bei Rückgabe der mangelhaften Kaufsache im Rahmen von § 439 Abs. 5 BGB zu einer entsprechenden Herausgabepflicht des Käufers bezüglich gezogener Nutzungen aus dieser Sache oder zu einer entsprechenden Ersatzpflicht bei Nichtziehung der Nutzungen unter den Voraussetzungen des § 347 Abs. 1 BGB. Diese Ersatzpflicht des Käufers wurde aus verschiedenen Gründen 215 BT‑Drucks. 14/6040, S. 141. Siehe auch BGH vom 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, 2428 (Rn. 21); Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 371. Vgl. auch MünchKommBGB/Ernst, § 281 Rn. 98; Stöber, NJW 2017, 2785, 2787 f. („rücktrittsgleiche Wirkung“). 216 Dieser bezog sich zunächst auf § 439 Abs. 4 BGB a. F., dem der heutige § 439 Abs. 5 BGB entspricht.
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als sach- und rechtswidrig erachtet. 217 Die Verweisung auf die §§ 346–348 BGB könnte aus diesem Grund einzuschränken sein. Dafür wird eine entsprechende teleologische Reduktion vorgeschlagen. 218 Der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 439 Abs. 5 BGB ausdrücklich darauf hingewiesen, die Regelungen zu Rückgewährpflichten in diesen Vorschriften schließe die Pflicht zum Ersatz für derartige Nutzungen ein. Es sei nicht einzusehen, dass der Käufer, der durch die Nachlieferung eine neue Sache erlange, durch die unentgeltliche Nutzung der ursprünglich gelieferten Sache Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehe. 219 Ein Teil der in der Literatur trotz dieser Vorgabe erhobenen Kritik beruhte auf einer angenommenen Unvereinbarkeit der Pflicht zur Nutzungsherausgabe bei einer Nachlieferung mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Nach Auffassung des EuGH steht Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Verbraucher – nach der Lieferung einer vertragswidrigen Sache und deren anschließenden Austausch durch eine vertragsgemäße – Nutzungsersatz hinsichtlich des vertragswidrigen Leistungsgegenstandes für die Zeit bis zu dessen Austausch leisten muss. 220 Der BGH hat daraufhin im Wege einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung eine einschränkende Anwendung des § 439 Abs. 4 BGB a. F. dahingehend angenommen, dass im Fall der Nachlieferung keine Pflicht des Verbrauchers zur Herausgabe oder zum Ersatz von Nutzungen hinsichtlich der zunächst geleisteten mangelhaften Sache besteht. 221 Der Gesetzgeber hat das Problem aufgegriffen und gelöst, indem er § 475 Abs. 3 S. 1 BGB geschaffen hat. Dieser bestimmt, dass im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs eine modifizierende Anwendung des § 439 Abs. 5 BGB zu erfolgen hat, nach der keine Nutzungen herauszugeben oder zu ersetzen sind. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber zugleich bekräftigt, dass die Verweisung in § 439 Abs. 5 BGB außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs grundsätzlich vollumfänglich ist und die §§ 346–348 BGB in Gänze anwendbar sind. Dies betrifft ebenso die Verweisung in § 635 Abs. 4 BGB, die zu derjenigen in § 439 Abs. 5 BGB parallel ist. Im Rahmen der Verweisung in § 635 Abs. 4 BGB ist der Besteller bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gleichermaßen zum Nutzungsersatz verpflichtet. In beiden Fällen mag die Regelung zum Nutzungsersatz aus rechtspolitischen Gründen fragwürdig sein, dies ändert jedoch nichts an ihrer Existenz und grund217 Siehe dazu die Zusammenfassung des Streitstandes sowie die umfassenden Nachw. des BGH vom 16.8.2006 – VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200 f. (Rn. 10 f.). 218 Gsell, JZ 2009, 522, 526. 219 BT‑Drucks. 14/6040, S. 232 f. 220 EuGH vom 17.4.2008 – C-404/06, NJW 2008, 1433, 1434 f. (auf Vorlage des BGH vom 16.8.2006 – VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200). 221 BGH vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427, 428 ff. (Rn. 21 ff.).
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sätzlich vollumfänglichen Reichweite.222 Dies entspricht der bisher ermittelten Systematik von Bereichsrechtsfolgenverweisungen im Allgemeinen. Die Einschränkung in den Fällen des Verbrauchsgüterkaufs ergibt sich allein aus der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. c) Fazit zum Rechtscharakter und zum Umfang der Verweisungen Die bisher betrachteten Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht beziehen sich ausdrücklich auf die §§ 346–348 BGB. Damit ist ihre Reichweite dem Grunde nach normgenau vorgegeben. Da ausschließlich die §§ 346–348 BGB die Rechtsfolgen des Rücktritts bestimmen, handelt es sich um eine vollumfängliche Bereichsverweisung auf diese Vorschriften. Eine demgegenüber vorzunehmende Eingrenzung der anwendbaren Vorschriften bedarf einer Rechtfertigung im Einzelfall. In § 475 Abs. 3 S. 1 BGB ist eine solche Einschränkung ausdrücklich bestimmt. Die Verweisung in § 439 Abs. 5 BGB ist allerdings dennoch vollständig. § 475 Abs. 3 S. 1 BGB bestimmt nur für seinen Regelungsbereich ausdrücklich eine Abweichung von den grundsätzlich von der Verweisung erfassten rücktrittsrechtlichen Vorgaben zum Nutzungsersatz. Mit den §§ 346–348 BGB hat der Gesetzgeber die Regelungen über die Rechtsfolgen des Rücktritts vollumfänglich zum Gegenstand der Verweisungen gemacht. Dies entspricht dem Vorgehen der Verweisungen auf das Bereicherungsrecht. Letztere benennen demgegenüber nur nicht von sich aus konkret die anwendbaren Regelungen und betreffen einen größeren Bereich. Daher muss innerhalb dieser Verweisungen noch zwischen Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen unterschieden werden, um zu ermitteln, welche Regelungen infolge der Verweisung anwendbar sind. Im Rücktrittsrecht geschieht dies bereits durch die Verweisung, weil sich diese nicht auf den Rücktritt als gesamten Regelungsbereich, sondern einerseits auf die rücktrittsbegründenden Regelungen – dann als Rechtsgrundverweisungen – und andererseits auf die Vorschriften bezieht, die die Folgen des Rücktritts bestimmen – dann als Rechtsfolgenverweisungen. Die Bereiche, auf die verwiesen wird, sind damit enger. Die Verweisungen auf den Rücktrittsfolgenbereich sind im Übrigen jedoch mit denen auf das Bereicherungsrecht vergleichbar. In beiden Fällen erfolgt eine Inbezugnahme eines in sich geschlossenen Rückabwicklungssystems, 223 das als solches den Umfang der jeweiligen Rückgewähr- oder 222 So zu Recht MünchKommBGB/Busche, § 635 Rn. 50; MünchKommBGB/Lorenz, § 475 Rn. 18; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, § 439 Rn. 141. A. A. (für eine teleologische Reduktion) Gsell, JZ 2009, 522, 526. 223 Zur Einordnung der §§ 346–348 BGB als kohärentes Rückabwicklungssystem BT‑Drucks. 14/6040, S. 93, BT‑Drucks. 14/7052, S. 175 (weisen auf ein einheitliches System hin); Faust, JZ 2008, 471, 474; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 346 ff., 372, 378, 400. Siehe zum Bereicherungsrecht insoweit ausführl. in Kap. 2, § 3 und § 4.
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Herausgabepflicht bestimmt. Wenn dieses im Rahmen einer Verweisungsvorschrift zur Anwendung gelangen soll, spricht ohne gegenteilige Anhaltspunkte alles dafür, die Verweisung als vollumfänglich anzusehen. Dabei spielt es keine Rolle, wenn einzelne Verweisungsobjekte anspruchsbegründenden Charakter haben. Die Verweisungen können auch in diesem Fall durchaus als Rechtsfolgenverweisung bezeichnet werden, weil die betroffenen Anspruchsgrundlagen das Rechtsfolgensystem eines andernorts begründeten Anspruchs näher ausgestalten. 5. Modifizierende Anwendung der §§ 346–348 BGB Die Verweisung auf die §§ 346–348 BGB ist zwar vollumfänglich, sie können infolge der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB aber lediglich in modifizierter Form anwendbar sein, da § 346 BGB bereits in seinem Abs. 1 einen Rücktritt voraussetzt, der in den Fällen der Verweisungsvorschriften regelmäßig nicht vorliegt. 224 An dessen Stelle treten vielmehr die Voraussetzungen der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB, das heißt das Schadensersatzverlangen statt der ganzen Leistung durch den Gläubiger oder die Nachlieferung durch den Verkäufer oder Werkunternehmer. § 346 Abs. 1 1. HS BGB hat demnach infolge der genannten Verweisungen für die Tatbestände der Verweisungsvorschriften ohnehin keine Bedeutung, da sie dessen Voraussetzungen bereits selbst vorgeben. Die Anpassung der §§ 346–348 BGB an die Ausgangssituation der Verweisungsvorschrift wird somit erst im Rahmen der weiteren Absätze des § 346 BGB sowie der §§ 347, 348 BGB relevant und betrifft deren Voraussetzungen, soweit sie von einem Rücktritt sprechen. Diese Anpassung schließt es nicht aus, hierin eine Rechtsfolgenverweisung zu sehen. Auch im Rahmen der konstitutiven Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht bedarf es mitunter einer Anpassung der Voraussetzungen einiger Verweisungsobjekte. § 819 Abs. 1 BGB ordnet beispielsweise die verschärfte Haftung ab dem Zeitpunkt an, ab dem der Herausgabeverpflichtete vom Fehlen des Rechtsgrundes positive Kenntnis hat. Da einige Vorschriften, die auf das Bereicherungsrecht verweisen, vorsehen, dass der Rechtsgrund für die Leistung fortbesteht (z. B. nach einem Rücktritt im Fall des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB), muss der Zeitpunkt der Kenntnis im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB statt an die Kenntnis über den Mangel des rechtlichen Grundes an eine Voraussetzung der Verweisungsvorschrift anknüpfen. 225 Darin liegt ebenfalls eine Modifikation. Anders als bei den konstitutiven Rechtsgrundverweisungen auf das Rücktrittsrecht, bei denen die modifizierende Anwendung des jeweiligen 224 Beim Schadensersatz statt der Leistung kann allerdings zugleich ein Rücktritt erfolgen (§ 325 BGB). 225 Siehe dazu in Kap. 2, § 4 I. 2. e) bb).
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Verweisungsobjekts überwiegend (mit Ausnahme von § 527 Abs. 1 BGB) durch die Formulierung der Verweisungsvorschrift erkennbar ist, weil jeweils eine entsprechende Anwendung des Verweisungsobjekts angeordnet wird, ist der Formulierung des § 281 Abs. 5 BGB nicht zu entnehmen, dass es sich bei der Verweisung um eine lediglich partiell wirkende handelt – § 281 Abs. 5 BGB ordnet die Rückforderung „nach den §§ 346–348 BGB“ an. Die §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB sehen dagegen eine Rückforderung „nach Maßgabe der §§ 346–348 BGB“ vor. Aus dieser Formulierung kann auf eine modifizierende Anwendung geschlossen werden. 6. Erkenntnisse über die Wirkung der Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht Die bisher betrachteten Verweisungen auf die §§ 346 ff. BGB sind der Gruppe der Rechtsfolgenverweisungen zuzuordnen, da sie sich auf die drei Vorschriften des Rücktrittsrechts beziehen, die die Rechtsfolgen nach einem ausgeübten Rücktritt betreffen. Dabei steht es der Einordnung als Rechtsfolgenverweisungen nicht entgegen, dass die Verweisungsobjekte verschiedene Anspruchsgrundlagen enthalten. Die Verweisung bezieht sich auf ein in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem, das infolge eines Rücktritts und aufgrund der Verweisungen schließlich im Rahmen der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB in gleicher Weise anwendbar ist und deren Rechtsfolgen bestimmt. Die Verweisungen sind als Bereichsverweisungen anzusehen, obwohl sie sich nicht auf das gesamte Rücktrittsrecht, sondern nur auf einen Teilbereich dessen – das Recht der Rücktrittsfolgen – beziehen. Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht sind durch die normgenaue Benennung der §§ 346–348 BGB als ihrer Verweisungsobjekte der Reichweite nach genau bestimmt. Einzelne Merkmale dieser Vorschriften müssen jedoch modifiziert angewendet werden, wenn die Verweisungsobjekte von einem Rücktritt sprechen, da dieser aufgrund der Verweisungsvorschriften nicht erfolgt. Dies ist aus der tatbestandlichen Vorgabe der jeweiligen Verweisungsvorschrift ersichtlich. Nur in den §§ 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB spiegelt sich dies auch in der Formulierung der Verweisungsvorschriften wider, da diese die Rückgewähr der Sache „nach Maßgabe der §§ 346–348 BGB“ anordnen, während § 281 Abs. 5 BGB zur Rückforderung schlicht „nach den §§ 346–348 BGB“ berechtigt. Daran zeigt sich, dass Verweisungsobjekte regelmäßig modifiziert werden müssen, wenn sie im Rahmen einer Verweisungsvorschrift zur Anwendung gelangen – auch wenn dies dem Wortsinn der Verweisungsvorschrift nicht immer entnommen werden kann. Die modifizierende Anwendung, die mitunter als Verweisungsanalogie bezeichnet wird, ist damit der Regelfall und nicht nur eine
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Besonderheit der Verweisungen, die eine „entsprechende Anwendung“ des Verweisungsobjekts anordnen. Obwohl die Verweisungen die jeweiligen Verweisungsobjekte eindeutig bezeichnen, besteht Streit über ihre Reichweite. Sie haben sich bei näherer Betrachtung als vollumfänglich erwiesen. Die bisher untersuchten Verweisungsvorschriften, die im Wege eines Rechtsfolgenverweises auf das Rücktrittsrecht Bezug nehmen, sind trotz der dadurch bewirkten Inkorporation der rücktrittsrechtlichen Regelungen selbst nicht rücktrittsrechtlicher Natur. Dies unterscheidet die Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht strukturell von denen auf das Bereicherungsrecht, bei denen die Verweisungsvorschriften stets spezielle Kondiktionstatbestände darstellen.
II. Erstattungsansprüche des Gläubigers hinsichtlich überzahlter Geldbeträge Die zweite Gruppe von Vorschriften, die auf Regelungen der §§ 346 ff. BGB verweisen, sind solche, in denen die zur Gegenleistung in Form einer Geldzahlung verpflichtete Vertragspartei eine Zahlung geleistet hat, die sich im Endeffekt als zu hoch oder nicht (mehr) geschuldet erweist (§§ 326 Abs. 4, 441 Abs. 4 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB). 1. Grundsätzliche Erwägungen Zunächst verweisen die Regelungen zur Minderung im Kauf- und Werkvertrags- sowie im Pauschalreiserecht (§§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB), nach denen die Differenz zwischen der ursprünglich geschuldeten und geleisteten Vergütung und dem geminderten Vergütungsbetrag zurückzuerstatten ist, auf das Rücktrittsrecht. Diese Vorschriften ordnen eine Erstattungspflicht des Verkäufers, Unternehmers oder Reiseveranstalters an, auf die die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB „entsprechende Anwendung“ finden sollen. Die Verweisung erstreckt sich demnach nicht auf sämtliche Vorschriften, die die Rechtsfolgen des Rücktritts bestimmen, sondern nur auf einzelne Teile bestimmter Regelungen aus diesem Bereich. § 628 Abs. 1 S. 3 BGB regelt die Erstattung einer im Voraus geleisteten Vergütung für eine Dienstleistung nach Kündigung des Dienstverhältnisses. Der überzahlte Geldbetrag ist hiernach „nach Maßgabe des § 346 BGB“ zurückzuerstatten, es sei denn, die Kündigung des Dienstverhältnisses ist wegen eines Umstands erfolgt, den der Dienstverpflichtete nicht zu vertreten hat. In letzterem Fall erfolgt die Rückerstattung nach Bereicherungsrecht.226 § 628 Abs. 1 S. 3 BGB zitiert mit § 346 BGB ein ein226
Siehe dazu ausführl. in Kap. 2, § 5 II.
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ziges Verweisungsobjekt aus dem Bereich der Rechtsfolgeregelungen des Rücktrittsrechts. § 326 Abs. 4 BGB enthält eine weitere Verweisung auf die §§ 346 ff. BGB. Er ist der Formulierung des Normtextes nach eher der Gruppe der Rückforderungsansprüche227 zuzuordnen, weil er eine Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346–348 BGB ermöglicht. Er bezieht sich daher auf sämtliche Rechtsfolgeregelungen des Rücktrittsrechts. Anders als die §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB regelt er jedoch nicht das Schicksal des Leistungsgegenstandes, sondern das der Gegenleistung. Diese ist nach § 326 Abs. 4 BGB zurückzugewähren, wenn der Gläubiger nach § 326 Abs. 1 BGB von der Pflicht zu ihrer Erbringung befreit ist, sie aber dennoch bereits geleistet hat. In der Regel handelt es sich hierbei um eine Geldleistung. Dies entspricht den Fällen der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB und weicht von den Konstellationen der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB ab. Die Verweisungen auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB in den §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB und auf die §§ 346–348 BGB in § 326 Abs. 4 BGB haben im Grunde dieselbe Funktion wie diejenigen in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB. Der Unterschied zwischen den letztgenannten Vorschriften und den §§ 326 Abs. 4, 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB besteht darin, dass die Rückgewährpflicht in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB die Leistung und im Rahmen der §§ 326 Abs. 4, 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB die Gegenleistung betrifft. 2. Die Verweisungen in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB Die Verweisungen in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB beziehen sich auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB. Weitere Absätze dieser Vorschriften sind nicht einbezogen. Als Rechtsfolgenverweisungen sind die bisher betrachteten Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB vollumfänglich, um das gesamte in sich geschlossene Rückabwicklungssystem des Rücktritts in Bezug zu nehmen. Es ist daher fraglich, warum die Verweisungen in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB enger ausgestaltet sind und wie sich dies auf ihren Charakter auswirkt. Da es sich bei der Erstattungspflicht hinsichtlich der überzahlten Vergütung beim Kauf-, Werk- oder Pauschalreisevertrag nach den §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB stets um Geldleistungen handelt, kann eine Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 2 BGB ohnehin nicht entstehen. Die Vorschriften gehen von einer Vergütung als geleistetem Zahlbetrag aus. Beim Kaufvertrag ergibt sich dies bereits daraus, dass der Kaufpreis die gemäß § 433 Abs. 2 BGB vorgeschriebene Vergütung ist. Bestünde 227
Siehe oben unter I.
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die Gegenleistung nicht in einer Geldleistung, handelte es sich um einen Tausch. 228 Beim Werkvertrag kann die vereinbarte Vergütung zwar auch in etwas anderem als in einer Vergütung in Geld bestehen, 229 § 638 Abs. 4 BGB spricht aber von einem gezahlten Mehrbetrag und setzt somit seinem Wortsinn nach voraus, dass es sich um eine überzahlte Geldleistung handelt. Letzteres trifft auf § 651m Abs. 2 S. 2 BGB in gleicher Weise zu. Der „Reisepreis“ wird ohnehin stets als Geldleistung zu erbringen sein. Da Geldleistungen nach § 346 Abs. 1 BGB als Geldsumme zurückzugewähren sind, 230 kann die Beschränkung der Verweisung auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB darauf beruhen, dass eine umfassende Verweisung auf die §§ 346–348 BGB bezüglich etwaiger Wertersatzpflichten hinsichtlich des zurückzuzahlenden Geldbetrags leerliefe. Neben der grundsätzlichen Rückgewährpflicht, die sich allerdings bereits aus den §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB ergibt, 231 führt die Verweisung auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB in diesen Vorschriften zu einer Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen oder zum Ersatz solcher Nutzungen, die der Verpflichtete entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogen hat. Damit betrifft sie insoweit praktisch fast ausschließlich die Herausgabe oder den Ersatz von Zinsen.232 Trotz der klaren Vorgabe der anwendbaren Vorschriften, besteht Uneinigkeit über die Reichweite der Verweisungen in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2 BGB. Umstritten ist, ob die Verweisung, obwohl sie der ausdrücklichen Vorgabe nach auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB beschränkt ist, auch § 346 Abs. 2 BGB umfasst. Wäre dies nicht der Fall, könnte der Schuldner und Rückgewährgläubiger insbesondere keinen Ersatz für gezogene Nutzungen erlangen, die gegenständlich nicht herausgegeben werden könnten. Eine Ansicht versteht die Verweisung in der Weise, dass über die Inbezugnahme des § 346 Abs. 1 BGB zugleich der an diesen anknüpfende („statt der Rückgewähr oder Herausgabe“) Abs. 2 der Vorschrift von der Verweisung mitumfasst ist.233 Die ausdrückliche Beschränkung der Ver228 Für den Tausch findet § 441 BGB aufgrund der Verweisung in § 480 BGB in angepasster Form Anwendung. Für alle Staudinger/Schermaier, BGB, § 480 Rn. 18. 229 Für alle MünchKommBGB/Busche, § 631 Rn. 89 (unter Hinweis auf die Motive zum BGB). 230 BGH vom 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211, 213 (Rn. 25); MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 20; Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 27; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 75. 231 Zu den §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4 BGB als selbstständige Anspruchsgrundlagen Erman/Grunewald, BGB, § 441 Rn. 13; MünchKommBGB/Westermann, § 441 Rn. 17; Riewert, Die Rückabwicklung erbrachter Leistungen, S. 376; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 63. 232 Siehe Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 63. 233 MünchKommBGB/Westermann, § 441 Rn. 18.
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weisung auf den jeweils ersten Absatz der §§ 346, 347 BGB spricht jedoch gegen eine derartige Interpretation der Verweisung. Insbesondere hat der Gesetzgeber in den anderen Verweisungsvorschriften auf die §§ 346 ff. BGB keine Einschränkung vorgenommen, sondern diese auf die §§ 346–348 BGB und dadurch auf sämtliche Vorschriften erstreckt, die die Rechtsfolgen des Rücktritts bestimmen. Die Einschränkung in den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2 BGB scheint der Gesetzgeber daher durchaus bewusst vorgenommen zu haben. Für eine bewusste Entscheidung spricht zudem, dass der Gesetzgeber sich später (2017) zur Einführung einer gleichlautenden Verweisung in § 651m Abs. 2 S. 2 BGB entschieden hat, der am 1.7.2018 in Kraft getreten ist. Da die Nutzungen aus einer Geldleistung regelmäßig in Zinsen und demnach ebenfalls in einer Geldleistung bestehen, hätte eine Wertersatzpflicht hinsichtlich solcher Nutzungen, die nicht in Natur herausgegeben werden können, im Rahmen der §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB wohl ohnehin kaum praktische Bedeutung. Dies dürfte der Grund sein, warum der Gesetzgeber die Verweisung entsprechend begrenzt hat. Nutzungen aus einem Geldbetrag können jedoch auch darin bestehen, dass der Schuldner diesen beispielsweise zur Tilgung eines verzinslichen Darlehens verwendet und dadurch eine Zinsersparnis erlangt hat.234 Hierbei handelt es sich nicht um in Form einer Geldsumme gezogene Nutzungen im Sinne von § 346 Abs. 1 2. HS BGB. Ob für derartige Nutzungen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten ist, weil sie gegenständlich nicht herausgegeben werden können, oder ob § 346 Abs. 2 BGB ausschließlich für die Rückgewähr der jeweiligen Hauptleistungspflicht gilt und Wertersatz für derartige Nutzungen demnach bereits gemäß § 346 Abs. 1 2. HS BGB zu leisten ist, wird ebenfalls streitig diskutiert.235 Wenn sich die Wertersatzpflicht für die entsprechenden Nutzungen aus § 346 Abs. 1 2. HS BGB ergibt, bestünde im Rahmen der Verweisungen der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB auf die Rechtsfolgevorschriften des Rücktritts für gezogene Nutzungen ebenfalls kein Anwendungsbereich für § 346 Abs. 2, 3 BGB, der es rechtfertigte, die ausdrücklich auf die je234 BGH vom 24.5.2012 − IX ZR 125/11, NJW‑RR 2012, 1511, 1512 (Rn. 9); BGH vom 6.3.1998 – V ZR 244–96, NJW 1998, 2354, 2355; Staudinger/Stieper, BGB, § 100 Rn. 3. 235 Für eine Anwendung des § 346 Abs. 2 (S. 1 Nr. 1) BGB Bender, Die Auswirkungen des Rücktritts, S. 35; Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S. XXXVIII; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, Rn. 611; Palandt/Grüneberg, BGB, § 346 Rn. 8; Schwab, JuS 2002, 630, 636; Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 346 f.; Soergel/Lobinger, BGB, § 346 Rn. 51; Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 251, 274. Wohl auch der BGH vom 17.5.2017 – VIII ZR 29/16, NJW 2017, 2823, 2824 (Rn. 15; Allerdings zu Gebrauchsvorteilen aus einer Mietwohnung und demnach nicht für bloße Nebenansprüche. Der BGH hebt dies aber nicht hervor, um auf § 346 Abs. 2 BGB zurückgreifen zu können.); BGH vom 16.9.2009 – VIII ZR 243/08, NJW 2010, 148, 149 (Rn. 15). A. A. BeckOK BGB/H. Schmidt, § 346 Rn. 44.
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weils ersten Absätze der §§ 346, 347 BGB beschränkte Verweisung auf § 346 Abs. 2 BGB auszudehnen. Da nicht ersichtlich ist, dass diese Fälle des Wertersatzes für gezogene Nutzungen bewusst vom Regelungsbereich der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB ausgenommen bleiben sollten, ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber ebenfalls der Ansicht war, dass es einer Verweisung auf § 346 Abs. 2 BGB nicht bedurfte und dieser demnach bei Nutzungen, die nicht Gegenstand der Hauptleistungspflicht sind, wie dies beim Kauf- oder Werkvertrag der Fall ist, keine Bedeutung erlangt, sondern Wertersatz hierfür bereits nach § 346 Abs. 1 BGB geschuldet ist. Dafür spricht, dass § 346 Abs. 2 BGB eine Wertersatzpflicht ursprünglich ausschließlich statt der Rückgewähr der empfangenen Leistung angeordnet hat. Die zusätzliche Erstreckung auf die Herausgabe ist erst durch eine Änderung des § 346 Abs. 2 S. 1 BGB ins Gesetz gekommen. 236 Allerdings wurde auch vor dieser Änderung bereits vertreten, Nutzungswertersatz sei nach § 346 Abs. 2 BGB und nicht nach dessen Abs. 1 zu leisten.237 Es ist daher andererseits ebenso denkbar, dass der Gesetzgeber die Beschränkung nicht mit dem Hintergedanken vorgenommen hat, Wertersatz für Nutzungen, die gegenständlich nicht herausgegeben werden können, sei nach § 346 Abs. 1 BGB zu leisten, sondern dass der Gesetzgeber den möglichen Anwendungsfall eines Nutzungswertersatzes für Nutzungen aus einer Geldleistung schlicht nicht bedacht hat. Die Eingrenzung der Verweisung auf § 346 Abs. 1 BGB wäre insofern zwar bewusst, aber nicht unter bewusstem Ausschluss dieser Fälle vorgenommen worden. Dies wäre ein Argument für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, für die ansonsten nicht viel spricht, weil die Beschränkung der Verweisung auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB unter den Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht einzigartig ist. Geht man dennoch von einer planwidrigen Regelungslücke aus, könnte § 346 Abs. 2 BGB unter Umständen entsprechend anzuwenden sein. Eine Ausdehnung der Verweisungen in den §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB auf sämtliche Vorschriften der §§ 346–348 BGB ist, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand einer Diskussion in Literatur und Rechtsprechung. Dies dürfte ebenfalls darauf zurückzuführen sein, dass aufgrund der Art der herauszugebenden Leistung kein Bedürfnis nach der Anwendung weiterer Regelungen des Rücktrittsfolgenrechts besteht. Beispiele notwendiger Verwendungen auf eine Geldsumme sind aufgrund der Sachbezogenheit des Verwendungsbegriffs238 nicht denkbar, sodass ein Anspruch auf Verwendungsersatz nach § 347 Abs. 2 S. 1 BGB bei zurückzugewähren236
BT‑Drucks. 14/9266. Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S. XXXVIII; Schwab, in: Schwab/Witt, Examenswissen zum neuen Schuldrecht, S. 346 f. 238 Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 24 f., 48. 237
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den Geldleistungen nicht in Betracht kommt. Denken ließe sich allenfalls an einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 347 Abs. 2 S. 2 BGB. Aufwendungen als freiwillige Vermögensopfer239 sind nicht notwendigerweise sachbezogen und können daher auch auf Geldleistungen getätigt werden. Der Rückgewährschuldner mag zum Beispiel Aufwendungen für eine Geldanlage getätigt haben, die zu höheren Zinsen und damit einer erhöhten Nutzungsziehung geführt hat, durch die der Rückgewährgläubiger bereichert ist.240 Inwieweit ein entsprechender Anspruch eine eigenständige Ersatzpflicht begründet oder von den nach § 346 Abs. 1 2. HS BGB herauszugebenden Nutzungen in Abzug zu bringen ist, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ist nach alledem aber zumindest denkbar. Hat der Verkäufer, Unternehmer oder Reiseveranstalter derartige Aufwendungen getätigt und ist zur Herausgabe gezogener Nutzungen verpflichtet, erscheint es nur sachgerecht, ihm im Gegenzug einen Aufwendungsersatzanspruch zuzubilligen, da der Rückgewährgläubiger zur Nutzungsziehung ebenfalls einen entsprechenden Betrag hätte aufwenden müssen. Zugleich wären ihm die Nutzungen ihrem Umfang nach nur abzüglich der getätigten Aufwendungen verblieben. Das konsistente Rückgewährsystem des Rücktritts ist insofern auch bei der Rückzahlung eines überzahlten Kauf- oder Reisepreises sowie einer werkvertraglichen Vergütung interessengerecht. Die Verweisung sollte sich daher zusätzlich auf § 347 Abs. 2 BGB erstrecken. Die in § 348 BGB angeordnete Erfüllung der sich aus dem Rücktritt ergebenden Pflichten Zugum-Zug hätte ferner in den Fällen der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB nur Bedeutung, wenn ein entsprechender Aufwendungsersatzanspruch bestünde. Mit der Pflicht zur Rückgewähr des überzahlten Teils der Vergütung und ergänzend der geschuldeten Nutzungen besteht nämlich ausschließlich eine einseitige Pflicht des Schuldners. Eine Erfüllung Zug-um-Zug ist mithin mangels wechselseitiger Pflichten per se unmöglich, wenn dem Rückgewährschuldner nicht der Gegenanspruch aus § 347 Abs. 2 S. 2 BGB zusteht. Die Verweisung der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB ist in ihrer derzeitigen Fassung auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB beschränkt. Hierdurch vermeidet der Gesetzgeber, dass Teile einer umfassenden Rechtsfolgenverweisung auf das Rücktrittsrecht leerlaufen. Die Beschränkung ruft in bestimmten Fällen indes Probleme hinsichtlich des Ersatzes gezogener, gegenständlich aber nicht herausgabefähiger Nutzungen 239 BGH vom 22.9.2016 – III ZR 264/15, NJW‑RR 2016, 1387, 1389 (Rn. 17); BGH vom 12.10.1972 – VII ZR 51/72, NJW 1973, 46; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 281; grundlegend Müller, JZ 1968, 769 ff. 240 Zur möglichen Bereicherung durch erhöhte Nutzungsziehung Soergel/Lobinger, BGB, § 347 Rn. 62; Staudinger/Kaiser, BGB, § 347 Rn. 52 f.
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hervor. Um den Rückgewährschuldner interessengerecht stets zum Ersatz gezogener Nutzungen zu verpflichten und ihm im Gegenzug einen möglichen Anspruch auf den Ersatz etwaiger Aufwendungen zu garantieren, sollte die Verweisung auf die gesamten Rechtsfolgeregelungen des Rücktrittsrechts, das heißt die §§ 346–348 BGB, erstreckt werden. Für eine Ausweitung der Verweisung spricht ferner die Vergleichbarkeit der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB mit den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB. All diese Vorschriften dienen dazu, das rücktrittsrechtliche Rückabwicklungssystem auf die jeweils durch sie begründete einseitige Rückgewährpflicht anzuwenden, da hinsichtlich der zurückzugewährenden Leistung ein mit dem Rücktritt vergleichbares Interesse besteht. Das Rechtsfolgensystem der §§ 346–348 BGB ist in sich konsistent, weshalb es wertungsmäßig grundsätzlich gerechtfertigt ist, es in Gänze zur Anwendung zu bringen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Darin liegt einer der Vorteile einer Bereichsverweisung. Die §§ 346–348 BGB sind jedoch sowohl auf die Rückgewähr gegenständlicher Leistungen als auch auf Geldleistungen ausgerichtet, da beim Rücktritt typischerweise zwei verschiedenartige Leistungen wechselseitig zurückzugewähren sind. Aus diesem Grund passen nicht sämtliche Regelungen auf die Situation der einseitigen Rückgewähr einer Geldleistung. Eine Einschränkung der anwendbaren Vorschriften ist daher insbesondere aus Gründen der Normklarheit und -bestimmtheit grundsätzlich durchaus angezeigt. Wie das Beispiel der §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB zeigt, kann eine zu weit geratene Einengung der Verweisung jedoch zu Wertungswidersprüchen führen, da sie unter Umständen auftretende Fallkonstellationen nicht erfasst. Die Verweisung sollte daher auch um den Preis ihres teilweisen Leerlaufs vollumfänglich ausgestaltet werden. In ihrer derzeitigen Ausgestaltung handelt es sich bei den §§ 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB um Einzelverweisungen auf die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB. Eine Bereichsverweisung auf die §§ 346–348 BGB erscheint für diese Vorschriften hingegen sachgerecht. De lege lata können etwaige Wertungswidersprüche durch eine entsprechende Anwendung der einschlägigen, aber von der Verweisung nicht erfassten Regelungen der §§ 346–348 BGB vermieden werden, da insofern von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist. Eine Verweisung schließt eine Analogie nicht zwingend aus. Dies ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn die betroffenen Fälle bewusst nicht in die Verweisung einbezogen wurden.241 Die nähere Betrachtung der Verweisungen legt es nahe, anzunehmen, dass die Einschränkung der Verweisung auf der irrigen An241
Siehe dazu bereits in Kap. 2, § 4 IV. 1. b) dd).
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nahme beruht, bei Geldleistungen könnten sich keine anderen als die durch die §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB erfassten Fallgestaltungen ereignen. 3. Die Verweisung in § 326 Abs. 4 BGB § 326 Abs. 4 BGB wird hinsichtlich der Rückgewähr regelmäßig Geldleistungen betreffen. Da die Gegenleistung jedoch auch in einer gegenständlichen Leistung liegen kann (z. B. beim Tausch), ist nicht ausgeschlossen, dass diese nicht zurückgewährt werden kann und demnach im Rahmen des § 346 Abs. 2 BGB eine Wertersatzpflicht entsteht. Die Verweisung erstreckt sich daher, ebenso wie die in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB, auf die §§ 346–348 BGB. § 326 Abs. 4 BGB wird vereinzelt nicht als Anspruchsgrundlage eingeordnet. 242 Der Anspruch auf Rückgewähr ergebe sich vielmehr aus § 346 Abs. 1 BGB.243 § 326 Abs. 4 BGB stellt in Anknüpfung an seinen Abs. 1 eigene Tatbestandsvoraussetzungen auf, die zur Anspruchsbegründung ausreichen: die Pflicht zur Gegenleistung muss entfallen und die Gegenleistung zuvor zumindest teilweise bewirkt worden sein. Darüber hinaus gibt § 326 Abs. 4 BGB für den Fall des Vorliegens dieser Voraussetzungen mit der Möglichkeit, das Geleistete zurückfordern zu können, auch eine Rechtsfolge vor. Der Anspruch ist damit nach § 326 Abs. 4 BGB vollständig bestimmbar und die Vorschrift ordnet eine Grund-Rechtsfolge an. Deren näheren Umfang bestimmen sodann die §§ 346–348 BGB. Es handelt sich um eine Bereichsverweisung auf die Rechtsfolgen des Rücktritts. Dies entspricht der Vorgehensweise der §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB. Die Verweisung auf die §§ 346–348 BGB ist in § 326 Abs. 4 BGB in gleicher Weise wie in den §§ 281 Abs. 5, 439 Abs. 5, 635 Abs. 4 BGB eine Rechtsfolgenverweisung. Durch sie wird § 326 Abs. 4 BGB nicht zu einer rücktrittsrechtlichen Regelung. Wenn § 326 Abs. 4 BGB bereits diese Wirkung hätte, bedürfte es des Rücktrittsrechts in § 326 Abs. 5 BGB nicht. 4. Die Verweisung in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB Obwohl die Verweisung auf § 346 BGB in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB ebenso wie die in den §§ 326 Abs. 4, 441 Abs. 4 S. 2, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB die Rückgewähr einer zu viel gezahlten Vergütung regelt, unterscheidet sie sich von den Verweisungen in den genannten Vorschriften, weil sie auf § 346 BGB beschränkt ist. Sie hat dadurch den Anschein einer Einzelverweisung. Um festzustellen, warum eine derartige Beschränkung 242 Staudinger/Kaiser,
BGB, § 346 Rn. 65; anders Wörlen/Leinhas, JA 2006, 22, 26, die im Zshg. mit § 326 Abs. 4 BGB von einem Anspruch sprechen und die Verweisung als Rechtsfolgenverweisung einordnen. 243 Staudinger/Kaiser, BGB, § 346 Rn. 65.
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
erfolgt und ob diese gegenüber den anderen Verweisungen auf die §§ 346– 348 BGB sachgerecht ist, muss die Struktur des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB genauer untersucht werden. § 628 Abs. 1 S. 3 BGB regelt die Rückzahlung einer im Voraus entrichteten Vergütung für eine Dienstleistung, weil diese aufgrund einer Kündigung des Dienstverhältnisses nicht mehr geschuldet ist. Da in den Fällen des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB eine Partei vorleistungspflichtig ist, entsteht lediglich eine einseitige Rückgewährpflicht. Dadurch besteht eine Normsituation, die mit der der §§ 281 Abs. 5, 326 Abs. 4, 439 Abs. 5, 441 Abs. 4, 635 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB vergleichbar ist. Allerdings besteht abweichend von den anderen Vorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht enthalten, das zugrunde liegende Schuldverhältnis im Fall des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB nicht fort. Die Kündigung gemäß den §§ 626, 627 BGB ist ebenso wie der Rücktritt ein Gestaltungsrecht, das zur Aufhebung des ursprünglichen Schuldverhältnisses führt. Nach einer Kündigung besteht regelmäßig kein Bedürfnis nach einer Rückabwicklung der wechselseitig erbrachten Leistungen, da die Kündigung ex nunc wirkt und das Dienstverhältnis somit grundsätzlich nur für die Zukunft beendet. Hat eine Partei jedoch eine Leistung im Voraus erbracht, entsteht ausnahmsweise ein Rückabwicklungsbedürfnis, da die Leistung nicht geschuldet und mithin zurückzugewähren ist. Das Bedürfnis nach einer Rückabwicklung ist wie in den Fällen der §§ 281 Abs. 5, 326 Abs. 4, 439 Abs. 5, 441 Abs. 4, 635 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB einseitig, weil das ursprüngliche Schuldverhältnis nach der Kündigung aufgrund deren ex nunc Wirkung im Unterschied zum Rücktritt nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Dadurch ist die Ausgangssituation des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB im Hinblick auf das Rückabwicklungsbedürfnis doch mit der der anderen Vorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht enthalten, vergleichbar. Sie begründet in gleicher Weise nur eine einseitige Rückgewährpflicht, die regelmäßig – wie in den Fällen der §§ 326 Abs. 4, 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB – eine Geldleistung betrifft. Wenn eine Vorschrift, die an die Rechtslage nach einer Kündigung anknüpft, in den Rechtsfolgen auf das Rücktrittsrecht verweist, prägt dieses durchaus den Rechtscharakter der Verweisungsvorschrift. Letztere wird indes aus dem Grund nicht zu einer rücktrittsrechtlichen, weil es sich eben nicht um eine Rückabwicklung ex tunc handelt, die das Schuldverhältnis in Gänze in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt, sondern ausschließlich Wirkung für die Zukunft entfaltet. § 628 Abs. 1 S. 3 BGB enthält nach alledem eine Rechtsfolgenverweisung auf das Rücktrittsrecht. Diese bezieht sich jedoch, anders als die anderen derartigen Verweisungen, ausschließlich auf § 346 BGB. Dies ist der Rechtsentwicklung der Vorschrift geschuldet, die vor der Schuldrechts-
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modernisierung auf § 347 BGB a. F. verwies. Der dortige Verweis ins Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sowie die eigenständig geregelte Pflicht zur Verzinsung einer Geldschuld nach § 347 S. 3 BGB a. F. haben etwaige Nutzungsersatzansprüche des Rückgewährgläubigers und Gegenansprüche des Rückgewährschuldners im zum damaligen Zeitpunkt ersatzfähigen Umfang erfasst. Die Verweisung wurde zunächst im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung nicht an die neue Rechtslage angepasst. Das dadurch veraltete Zitat wurde anschließend an die Änderungen angeglichen, indem die Nennung des § 347 BGB durch die des § 346 BGB ersetzt wurde. Dies geschah unter ausdrücklichem Hinweis auf das Zitatversehen. 244 Wie bereits gezeigt, ist die Beschränkung der Verweisung auf § 346 BGB jedoch nicht sachgerecht, da sie den Nutzungsersatz nach § 347 Abs. 1 BGB ausklammert.245 Ferner sind auch Aufwendungsersatzansprüche nach § 347 Abs. 2 S. 2 BGB in derselben Weise denkbar, wie im Rahmen der §§ 441 Abs. 4, 638 Abs. 4, 651m Abs. 2 BGB.246 Die Verweisung sollte sich daher wie die anderen Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht als Bereichsverweisung auf die §§ 346–348 BGB erstrecken, um eine interessengerechte Rückabwicklung zu gewährleisten.
III. Bedeutung der Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsrecht für den Rechtscharakter der Verweisungsvorschriften Die Verweisungen auf die §§ 346–348 BGB oder auf einzelne Teile dieses Regelungsbereichs sind sämtlich Rechtsfolgenverweisungen. Diejenigen unter ihnen, die auf die §§ 346–348 BGB verweisen, sind Bereichsverweisungen, da es sich bei diesen Verweisungsobjekten um die einzigen Vorschriften handelt, die Regelungen über die Rechtsfolgen des Rücktritts enthalten. Die Verweisungen sind grundsätzlich vollumfänglich, laufen jedoch mitunter in Teilen leer. Dies ist für Bereichsverweisungen typisch. Im speziellen Fall des § 439 Abs. 5 BGB erfolgt eine zusätzliche Eingrenzung des Anwendungsbereichs durch § 475 Abs. 3 S. 1 BGB für Verbrauchsgüterkäufe. Dadurch wird jedoch nicht nur die Verweisung, sondern der gesamte Anwendungsbereich des § 439 Abs. 5 BGB begrenzt. Die Analyse der Verweisungen auf die Regelungen über Rechtsfolgen des Rücktritts bestätigt die schon aus den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht gewonnene Erkenntnis, dass es sich bei den Verweisungsvorschriften mit Rechtsfolgenverweisungen stets um Anspruchsgrundlagen handelt. Diese 244
BT‑Drucks. 14/9266, S. 22, 48. Siehe dazu bereits die Analyse des § 628 Abs. 1 S. 3 BGB in Kap. 2, § 5 II. und ferner in diesem Paragrafen unter II. 2., 4. 246 Siehe dazu vorstehend unter II. 2. 245
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
haben eigene Tatbestandsvoraussetzungen und geben ihre Grund-Rechtsfolge eigenständig vor. Im Übrigen haben sie geltungserweiternde Wirkung. Während die Verweisungsvorschriften, die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht etablieren, spezielle Kondiktionstatbestände darstellen, verändern die Verweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht den Charakter der Verweisungsvorschriften nicht dahingehend, dass es sich insgesamt um rücktrittsrechtliche Regelungen handelt. Dies ist der unterschiedlichen Struktur des Rücktrittsfolgenrechts und des Regelungsbereichs über die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts geschuldet. Während das Rücktrittsfolgenrecht aufgrund seines Standorts im allgemeinen Schuldrecht und – wie noch zu zeigen ist247 – wegen seiner eigenen Vorgabe, von sich aus für sämtliche Rücktrittsrechte gilt, finden die §§ 818 ff. BGB nur auf die bereicherungsrechtlichen Tatbestände der §§ 812 ff. BGB Anwendung. Eine Verweisung einer außerhalb dieses Bereichs geregelten Kondiktion auf die §§ 818 ff. BGB hat geltungserweiternde Wirkung. Im Rücktrittsrecht ist dafür hingegen eine Verweisung durch einen Tatbestand mit anderem Rechtscharakter erforderlich. Andernfalls wäre die Verweisung auf die §§ 346 ff. BGB rein deklaratorischer Natur. Die Verweisung auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung ersetzt daher die fehlende Regelung der bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen innerhalb eines allgemeinen Teils. Die Vorschriften, die im Wege des Rechtsfolgenverweises auf das Rücktrittsrecht verweisen, sind anders aufgebaut. Sie geben mit Ausnahme von § 628 Abs. 1 S. 3 BGB248 tatbestandlich keine Lösungsrechte vom Vertrag vor, sondern wahren dem Grunde nach die vertraglichen Leistungsbeziehungen. Sie schaffen jedoch ein Rückabwicklungsbedürfnis, das dem nach einem Rücktritt entspricht, so dass diese Rechte ihrer Wirkung nach mit der eines Rücktritts vergleichbar sind. Das Rückabwicklungsbedürfnis besteht bei den Verweisungsvorschriften indes nur partiell, da es kein wechselseitiges ist, sondern ausschließlich die ursprüngliche Leistung des Schuldners oder nur die Gegenleistung betrifft. Dies gilt auch für § 281 Abs. 5 BGB, weil die Rückgewährpflicht hinsichtlich der Gegenleistung beim großen Schadensersatz entweder auf der Grundlage der Differenztheorie oder durch einen parallelen Rücktritt, aber nicht durch die Verweisung in § 281 Abs. 5 BGB entsteht. Die Rechtsfolgen des Rücktritts gelten daher auch nicht für den gesamten Anspruch oder das gesamte Recht, das die Verweisungsvorschrift begründet, sondern nur für einen Ausschnitt dessen. Da dieser Teil mit dem Rücktritt insofern vergleichbar ist, als aus der tatbestandlichen Situation ein Rückgewährbedürfnis entsteht, rechtfertigt sich die Verweisung auf dessen Rückabwicklungssystem. Die 247
248
Siehe in diesem Kap. in § 3. Dazu vorstehend unter II. 4.
§ 3 Speziell geregelte gesetzliche Rücktrittsrechte
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Rechtsfolgenanordnung ist insofern durchaus prägend, betrifft aber nur das einseitige Rückabwicklungsbedürfnis. Es entsteht ein neues Rückgewährschuldverhältnis, das zu dem fortbestehenden Schuldverhältnis hinzutritt. Dies gilt auch in den Fällen des § 281 Abs. 5 BGB, weil das Rückgewährschuldverhältnis neben die schadensrechtliche Abwicklung des Vertrags tritt. Tatbestandlich besteht aber ein entscheidender Unterschied zwischen dem Rücktritt und den Rechten, die in den Verweisungsvorschriften auf die §§ 346 ff. BGB geregelt sind. Schließlich ist auch die Rechtsfolge, die diesen Tatbeständen zugeordnet wird, in der Gesamtschau keine ausschließlich rücktrittsrechtliche. Vielmehr bestimmt sich nur ein Teil der Rechtsfolgen nach dem Rücktrittsfolgenrecht.
§ 3 Speziell geregelte gesetzliche Rücktrittsrechte Einige Vorschriften im BGB normieren spezielle Rücktrittsrechte: §§ 313 Abs. 3 S. 1, 321 Abs. 2 S. 2, 354, 438 Abs. 4 S. 3, 508 S. 1, 634a Abs. 4 S. 3, 651h Abs. 1 S. 1, 1298 f., 2293 ff. BGB.249 Sie ermöglichen den Rücktritt unter eigens dafür aufgestellten Voraussetzungen. Die Vorschriften verwenden den Begriff des Rücktritts, verweisen jedoch nicht ausdrücklich auf einzelne Vorschriften über den Rücktritt im allgemeinen Schuldrecht. Da sie die Voraussetzungen eines Rücktritts abschließend regeln, liegt in der bloßen Verwendung des Begriffs des Rücktritts keine Rechtsgrundverweisung auf Vorschriften, die Rücktrittsrechte begründen. Es handelt sich vielmehr jeweils selbst um spezielle gesetzliche Rücktrittstatbestände. § 321 Abs. 2 S. 2 BGB enthält als Sonderfall durchaus eine explizite Verweisung auf § 323 BGB. Er statuiert eine Rechtsgrundverweisung, die ihn von den anderen genannten Vorschriften unterscheidet. Durch die Verweisung werden die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht nach § 321 Abs. 2 S. 2 BGB in Kombination mit dem Verweisungsobjekt – § 323 BGB – näher bestimmt. Die Verweisung dient daher dazu, die rücktrittsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 321 Abs. 2 S. 2 BGB zu ergänzen. Dadurch wird der Tatbestand in gleicher Weise vollständig, wie bei den anderen genannten Vorschriften und wird durch das Rücktrittsrecht geprägt. Durch die Rechtsgrundverweisung auf § 323 BGB schafft § 321 Abs. 2 S. 2 BGB ein eigenständiges Rücktrittsrecht. 250 In der Verwendung des Begriffs des Rücktritts könnte in den genannten Vorschriften, die spezielle Rücktrittsrechte regeln, eine Verweisung auf die 249 § 354
BGB enthält eine Auslegungsregel, die bei einer entsprechenden vertraglichen Verwirkungsklausel zu einem Rücktrittsrecht führt (Staudinger/Kaiser, BGB, § 354 Rn. 2). Für dieses gelten ebenfalls die folgenden Ausführungen. 250 Siehe dazu oben unter § 1 II. 1. a).
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
§§ 346 ff. BGB liegen. § 346 Abs. 1 BGB bestimmt jedoch von sich aus seinen Anwendungsbereich dahingehend, dass er in sämtlichen Fällen Anwendung findet, in denen ein Rücktritt aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Rücktrittsrechts erfolgt ist. Dies entspricht der Regelung in § 249 Abs. 1 BGB für den Umfang der Ersatzpflicht bei Schadensersatzansprüchen. Letzterer ordnet seine Geltung sowie die der nachfolgenden Vorschriften für Schadensersatzansprüche von sich aus an. Die allgemeinen Rücktrittsrechte in den §§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB verweisen ebenfalls nicht auf die §§ 346 ff. BGB. Selbst wenn die Verwendung des Begriffs des Rücktritts eine Verweisung hierauf zur Folge hätte, läge hierin lediglich eine deklaratorische Verweisung, da es für die Anwendung der §§ 346 ff. BGB auf gesetzliche und vertragliche Rücktrittsrechte keiner externen Geltungsanordnung bedarf. Ob es sich insofern um eine deklaratorische Verweisung handelt, hängt von der Beantwortung der grundsätzlichen Frage ab, ob Regelungen in allgemeinen Teilen eines Gesetzes von sich aus oder aufgrund einer jeweiligen stillschweigenden Verweisung hierauf zur Anwendung gelangen.251 In den Fällen, in denen Regelungen des allgemeinen Teils eines Gesetzes oder Abschnitts eines solchen ihren Anwendungsbereich autonom bestimmen und nicht lediglich einen andernorts verwendeten Begriff ausfüllen, sondern selbst an eine durch bestimmte Anspruchsgrundlagen begründete Rechtslage anknüpfen, ist allein durch die sprachlich unvermeidliche Verwendung desselben Begriffs in einer anderen Vorschrift keine Verweisung begründet. Dies gilt unter anderem für die §§ 249 ff. BGB und zeigt sich ebenfalls bei den §§ 346 ff. BGB. Der Gesetzgeber hat letztere Vorschriften gerade so konzipiert, dass sie ihren eigenen Anwendungsbereich derart festlegen, dass sie an bestehende gesetzliche und vertragliche Rücktrittsrechte anknüpfen.252 Die damit einhergehende Abstraktion und Allgemeingültigkeit der Regelungen berechtigt ihre Aufnahme in den allgemeinen Teil des Schuldrechts. Die §§ 346 ff. BGB gelangen nicht zur Anwendung, wenn und soweit die speziell geregelten Rücktrittsrechte hinsichtlich der Rückabwicklung Sonderregelungen enthalten.253 Dies entspricht dem grundsätzlichen Verhältnis eines allgemeinen Teils eines Gesetzes zu dessen besonderen Teilen.254 Spezielle Regelungen zum Rücktritt, die die §§ 346 ff. BGB ganz oder teilweise verdrängen, finden sich zum Beispiel im Zusammenhang mit den §§ 508 S. 1, 651h Abs. 1, 1298 f., 2293 ff. BGB. 255 251 Siehe dazu Kap. 1, § 3 III. 1. 252 BT‑Drucks. 14/6040, S. 194.
Siehe auch BeckOK BGB/H. Schmidt, § 346 Rn. 3; Erman/Röthel, BGB, Vor § 346 Rn. 4; MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 7. Für die Anwendbarkeit der §§ 346 ff. BGB verlangt Palandt/Grüneberg, BGB, Einf. v. § 346 Rn. 7 grundsätzlich eine Verweisung. 253 BT‑Drucks. 14/6040, S. 194. 254 Siehe dazu Kap. 1, § 3 III. 1. 255 MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 7 (für die §§ 651h Abs. 1 S. 3, Abs. 3,
§ 4 Erkenntnisse und weitergehende Folgerungen
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Die §§ 313 Abs. 3 S. 1, 438 Abs. 4 S. 3, 508 S. 1, 634a Abs. 4 S. 3, 651h Abs. 1 S. 1, 1298 f., 2293 ff. BGB enthalten daher keine Verweisungen auf das Rücktrittsrecht, sondern begründen eigene Rücktrittsrechte hinsichtlich deren Wirkung die allgemeinen Regelungen der §§ 346 ff. BGB zur Anwendung gelangen, soweit sie nicht durch Spezialregelungen verdrängt werden.256
§ 4 Erkenntnisse und weitergehende Folgerungen aus der Analyse der Verweisungen auf „den Rücktritt“ Die Analyse der Verweisungen auf verschiedenartige rücktrittsrechtliche Regelungen hat zunächst gezeigt, dass die Verweisungen auf „den Rücktritt“ nicht so homogen sind wie die auf das Bereicherungsrecht. Strenggenommen kann eigentlich nicht von „den Verweisungen auf den Rücktritt“ gesprochen werden. Verweisungen auf sämtliche den Rücktritt regelnde Vorschriften existieren nicht. Es gibt vielmehr zwei Gruppen von Bereichsverweisungen auf das Rücktrittsrecht – solche auf rücktrittsbegründende Vorschriften und solche auf die Regelungen über die Wirkungen des Rücktritts. Diese Verweisungen, von denen die einen Rechtsgrundverweisungen und die anderen Rechtsfolgenverweisungen sind, folgen unterschiedlichen Strukturen. Der sich dadurch ergebende Unterschied zu den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht beruht auf der differierenden Regelungsstruktur von Rücktritts- und Bereicherungsrecht. Während das Bereicherungsrecht als eigener Abschnitt im BGB geregelt ist, sind die den Rücktritt betreffenden Vorschriften im allgemeinen Teil des Schuldrechts verstreut. Während die allgemeinen Vorschriften, nach denen Rücktrittsrechte bestehen können, im Abschnitt über den gegenseitigen Vertrag geregelt sind, finden sich die Regelungen zu den Rücktrittsfolgen weiter hinten in einem eigenen Untertitel. Es lässt sich daher schwerlich einheitlich auf die Vorschriften über den Rücktritt verweisen. Wäre dieser in einem eigenen Abschnitt geregelt, hätte er hinsichtlich des Aufbaus eine dem Bereicherungsrecht vergleichbare Struktur. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Regelungen zu den Folgen des Rücktritts bilden vielmehr einen eigenen Abschnitt. Wenn hierauf verwiesen wird, ist eine Unterscheidung, wie sie im Bereicherungsrecht erforderlich ist, um zu bestimmen, welche Regelungen infolge der Verweisung anwendbar sind, nicht von Nöten. Die konstitutiven Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht, die sämtlich Rechtsfolgenverweisungen 1298 f., 2293 ff. BGB); Staudinger/Kaiser, BGB, Vorbem. zu §§ 346–354 Rn. 23 f., § 346 Rn. 22 f. 256 Siehe MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 7 (der allerdings nur davon spricht, die §§ 346 ff. BGB seien „auch ohne ausdrückliche Verweisung“ anwendbar); NK‑BGB/ Hager, Vor §§ 346 ff. Rn. 17.
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sind, sind nur bezüglich der bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgeregelungen vollumfänglich. Die jeweils einen kleineren Bereich betreffenden Bereichsverweisungen auf das Rücktrittsrecht und die Rücktrittsfolgen sind dagegen hinsichtlich des gesamten Bereichs vollumfänglich. Die Bereiche sind kleiner und betreffen nur gleichartige Regelungen. Die die Rücktrittsrechte betreffenden Verweisungen sind Rechtsgrund-, die die Rücktrittsfolgen betreffenden dagegen Rechtsfolgenverweisungen. Einige der Verweisungen auf das Rücktrittsrecht – im Sinne der den Rücktritt begründenden Vorschriften – sind keine Bereichsverweisungen. Es handelt sich vielmehr um Einzelverweisungen, die durch verschiedenartige Formulierungen im Gesetzestext verankert sind. Einzelverweisungen liegen nicht nur dann vor, wenn eine Verweisungsvorschrift lediglich auf ein Verweisungsobjekt Bezug nimmt. Auch die Verweisung auf mehrere Verweisungsobjekte stellt eine Einzelverweisung dar, wenn sie sich zwar auf mehrere Verweisungsobjekte, dadurch aber nicht auf einen ganzen Bereich eines Gesetzes bezieht. Letzteres ist erforderlich, um die Verweisung als Bereichsverweisung einordnen zu können. Ob eine Bereichsverweisung die Verweisungsobjekte inhaltsbezogen benennt, wie dies bei den Verweisungen auf das Bereicherungsrecht der Fall ist, oder diese wie bei den Verweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht normgenau zitiert, ist unerheblich. Unter den Verweisungen auf das Rücktrittsrecht gibt es sowohl deklaratorische als auch konstitutive Rechtsgrundverweisungen. An den §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB hat sich bestätigt, was in der Analyse des § 556g Abs. 1 S. 3 BGB bereits angeklungen ist, nämlich dass deklaratorische Verweisungen durchaus eine Daseinsberechtigung haben können. Sie sind nicht nur klarstellend und erleichtern dadurch das Auffinden einschlägiger Regelungen, sie ermöglichen auch die Anknüpfung an Regelungen, die an anderer Stelle im Gesetz zu finden sind und haben in einigen Fällen eine ordnende und systematisierende Funktion. Die konstitutiven Rechtsgrundverweisungen haben durchweg partielle Wirkung. Einige Verweisungsvorschriften ordnen, wenn sie eine partielle Verweisung vor Augen haben, eine „entsprechende“ Anwendung des oder der Verweisungsobjekts/e an (so z. B. die §§ 321 Abs. 2 S. 3, 326 Abs. 5 BGB). Fehlt diese Einschränkung, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, die Verweisung habe stets vollumfängliche Wirkung. Verweisungen führen vielmehr typischerweise zu einer modifizierenden Anwendung des jeweiligen Verweisungsobjekts. Die Verweisungsanalogie bildet daher keine eigenständige Kategorie von Verweisungen. Die Bereichsverweisungen auf rücktrittsrechtliche Regelungen beziehen sich entweder auf die rücktrittsbegründenden Vorschriften – diese Verweisungen sind Rechtsgrundverweisungen – oder auf die Rechtsfolgen des Rücktritts, die in den §§ 346–348 BGB geregelt sind. Bei letzteren handelt es
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sich ausnahmslos um Rechtsfolgenverweisungen. Soweit die Verweisungen sich auf die Rücktrittsfolgen beziehen, entsprechen sie den Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht, die mit Ausnahme der deklaratorischen Verweisungen auf diesen Bereich ebenfalls ausschließlich Rechtsfolgenverweisungen sind. Die konstitutiven Bereichsverweisungen auf schuldrechtliche Rückabwicklungssysteme sind demnach ganz überwiegend Rechtsfolgenverweisungen. Nicht alle Verweisungsvorschriften, die sich auf die Rechtsfolgen des Rücktritts erstrecken, sind in ihrer derzeitigen Form Bereichsverweisungen. Die §§ 441 Abs. 4 S. 2, 628 Abs. 1 S. 3, 638 Abs. 4 S. 2, 651m Abs. 2 S. 2 BGB sind de lege lata als Einzelverweisungen ausgestaltet. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass es sachgerecht wäre, sie zu Bereichsverweisungen zu formen und als solche vollständig auf die §§ 346–348 BGB zu erstrecken. Die Bereichsverweisungen auf die Rechtsfolgen des Rücktritts bestätigen die These, dass Rechtsfolgenverweisungen im BGB stets konstitutiver Natur sind, da es keine deklaratorischen Rechtsfolgenverweisungen auf den Bereich gibt, in dem die Wirkungen des Rücktritts geregelt sind. Grundsätzlich wäre auch eine deklaratorische Rechtsfolgenverweisung auf das Rechtsfolgenrecht des Rücktritts denkbar, da die §§ 346 ff. BGB von sich aus für sämtliche Rücktrittsrechte gelten. Verwiese ein spezielles Rücktrittsrecht auf die §§ 346 ff. BGB, wäre diese Verweisung deklaratorischer Natur. Dies unterscheidet das Rücktrittsrecht vom Bereicherungsrecht, da die §§ 818 ff. BGB von sich aus nicht für Vorschriften außerhalb des Abschnitts über die ungerechtfertigte Bereicherung gelten und eine deklaratorische Verweisung hierauf daher nicht denkbar ist, es sei denn, diese wäre im Bereicherungsrecht selbst geregelt. Die These, dass bei Bereichsverweisungen von der Art des Verweisungsobjekts auf den Charakter der Verweisung geschlossen werden kann, hat sich durch die Verweisungen „auf den Rücktritt“ bestätigt und wird schließlich im Folgenden mit einem Blick auf die anderen Bereichsverweisungen des BGB noch gefestigt (siehe dazu Kapitel 4). Die Verweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht sind sämtlich Rechtsfolgenverweisungen. Beim Rücktritt ist das schon deshalb leicht zu erkennen, weil die Verweisungsvorschriften sich ausschließlich auf die §§ 346 ff. BGB beziehen. Diese geben ein in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem vor, das andere Vorschriften für sich fruchtbar machen, weil ihre tatbestandlichen Vorgaben ein Rückabwicklungsbedürfnis entstehen lassen. Beziehen sich Verweisungen dagegen auf Vorschriften, die Rücktrittsrechte begründen, handelt es sich bei ihnen um Rechtsgrundverweisungen. Die Rechtsfolgenverweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht entsprechen ihrer Systematik nach im Wesentlichen den Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht. Zwischen diesen Bereichsverweisungen besteht
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Kapitel 3: Verweisungen auf den Rücktritt
jedoch ein wesentlicher Unterschied: Die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht haben Einfluss auf den Normcharakter der jeweiligen Verweisungsvorschrift. Die Zuordnung der bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen prägt diese Vorschriften derart, dass es sich bei ihnen um spezielle Kondiktionstatbestände handelt. Ihr jeweiliger Tatbestand ermöglicht diese Interpretation freilich. Die Verweisungsvorschriften, die Verweisungen auf das Rücktrittsfolgenrecht etablieren, werden im Unterschied hierzu durch die Verweisung nicht zu rücktrittsrechtlichen Regelungen. Dies hat zwei Gründe – zunächst gelten die §§ 346–348 BGB bereits von sich aus für alle gesetzlichen Rücktrittsrechte. Um die Anwendung der §§ 346 ff. BGB in diesen Fällen zu begründen, bedarf es mithin keiner Verweisung. Beim Bereicherungsrecht bedarf es hingegen einer derartigen Verweisung, wenn für eine Vorschrift, die sich außerhalb des Bereicherungsrechts befindet und ihrem Tatbestand nach kondiktionsähnlich ist, die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts zur Anwendung gelangen sollen. Durch diese Kombination von Tatbestand und Rechtsfolge werden derartige Vorschriften zu speziellen Kondiktionstatbeständen. Beim Rücktritt handelt es sich anders als bei den bereicherungsrechtlichen Kondiktionstatbeständen um ein Gestaltungsrecht. Dieses wird durch die rücktrittsrechtlichen Vorschriften zunächst begründet. Das besondere Merkmal dieser Vorschriften liegt in der Gewährung einer Lösungsmöglichkeit vom Vertrag. In der Folge entsteht nach Ausübung dieses Gestaltungsrechts ein Rückgewährschuldverhältnis, das die Abwicklung des Vertragsverhältnisses regelt. Die Zusammenschau dieser Elemente macht das Rücktrittsrecht aus. Wenn nur auf eines dieser Elemente verwiesen wird, fehlt eines der Charakteristika des Rücktrittsrechts und die Verweisungsvorschrift, die sich nur auf einen Teilaspekt bezieht, wird schwerlich zu einer rücktrittsrechtlichen werden können. Dies ginge nur dann, wenn das Lösungsrecht vom Vertrag zum Beispiel in der speziellen Vorschrift begründet würde und diesem dann die Rechtsfolgen des Rücktritts zugewiesen werden. Wenn dies der Fall ist, handelt es sich aber entweder schon um ein spezielles Rücktrittsrecht, für das die §§ 346 ff. BGB ohnehin gelten, oder es handelt sich schon nicht um ein mit dem Rücktritt vergleichbares oder überhaupt nicht um ein Lösungsrecht vom Vertrag.
Kapitel 4
Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen innerhalb des BGB Die Untersuchung hat gezeigt, dass die konstitutiven Bereichsverweisungen auf die bisher betrachteten Rückabwicklungssysteme überwiegend Rechtsfolgenverweisungen sind. Die entsprechenden Verweisungen beziehen sich grundsätzlich vollumfänglich auf sämtliche Rechtsfolgeregelungen des in Bezug genommenen Abschnitts. Wie eingangs bereits angedeutet, unterscheiden sie sich von anderen Bereichsverweisungen innerhalb des BGB, namentlich denen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, auf die Geschäftsführung ohne Auftrag und die unerlaubten Handlungen. Ein kurzer Blick auf Bereichsverweisungen auf die drei letztgenannten Abschnitte zeigt, dass es sich bei ihnen nach vorsichtiger Einschätzung sämtlich um Rechtsgrundverweisungen handelt. Dies begründet wiederum eine Parallele zu den Bereichsverweisungen auf den Rücktritt, die sich auf die rücktrittsbegründenden Regelungen beziehen und sich als konstitutive Rechtsgrundverweisungen erwiesen haben.
§ 1 Die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag Die §§ 539 Abs. 1, 601 Abs. 2 S. 1, 683 S. 2, 684 S. 1, 2, 687 Abs. 1, 687 Abs. 2 S. 1, 994 Abs. 2, 1049 Abs. 1, 1216, 1959 Abs. 1, 1978 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB enthalten Verweisungen auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die §§ 683 S. 2, 684 S. 1, 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB enthalten lediglich Einzelverweisungen. Ebenso die §§ 994 Abs. 2, 1049 Abs. 1, 1216 BGB, die sich ausschließlich auf Verwendungsersatzansprüche beziehen. § 687 Abs. 1 BGB stellt einen Sonderfall dar, weil er die Anwendung der in Bezug genommenen Regelungen nicht ermöglichen möchte, sondern sie in Bezug nimmt, um sie in bestimmten Fällen auszuschließen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Verweisung in dem Sinne, dass die Vorschriften in § 687 Abs. 1 BGB inkorporiert werden, um den Anspruch zu begründen. § 687 Abs. 1 BGB will vielmehr lediglich klarstellen, dass die §§ 677 ff. BGB bei einer irrtümlichen Eigengeschäftsführung unanwendbar sind. Dies ergibt sich jedoch bereits aus § 677 BGB, da der Geschäftsführer bei einer irrtümlichen
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Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen
Eigengeschäftsführung keinen Fremdgeschäftsführungswillen hat, den § 677 BGB indes verlangt.1
I. Einordnung als Rechtsgrundverweisungen Die verbleibenden §§ 539 Abs. 1, 601 Abs. 2 S. 1, 1959 Abs. 1, 1978 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB enthalten unmittelbare Bereichsverweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag. Für sie ist entweder allgemein anerkannt, dass es sich bei ihnen um Rechtsgrundverweisungen handelt2 oder es ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Verweisungsobjekte im Rahmen der Verweisungsvorschriften stets geprüft werden.3 Bei näherer Betrachtung des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag verwundert es nicht, dass die Bereichsverweisungen auf diesen Abschnitt Rechtsgrundverweisungen sind. Die Grundlagen der Geschäftsführung ohne Auftrag, insbesondere das ihr zugrunde liegende Konzept, sind nach wie vor umstritten.4 Unabhängig von den verschiedenen Ansätzen über die Konzeption der Geschäftsführung ohne Auftrag, wird man wohl sagen können, dass die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ein Rechtsinstitut darstellt, das dem rechtlichen Ausgleich zweier Parteien dient, von denen eine fremdnützig im Interesse der anderen tätig wird, ohne hierzu beauftragt oder in anderer Weise berechtigt zu sein.5 Zwischen den Parteien besteht demnach zunächst kein Rechtsverhältnis. Diese Lücke schließen die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Das Tätigwerden soll einerseits dem Geschäftsführer nicht zum Nachteil gereichen, für den Geschäftsherrn aber andererseits nicht zu einem übermäßigen Ein1 Erman/Dornis,
BGB, § 687 Rn. 1 f.; MünchKommBGB/Schäfer, § 687 Rn. 1. Für § 539 Abs. 1 BGB BGH vom 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, NJW 2009, 2590, 2591 (Rn. 16 m. w. Nachw.); Eckert, NZM 2001, 409, 412; NK‑BGB/Klein-Blenkers, § 539 Rn. 7; Staudinger/Emmerich, BGB, § 539 Rn. 5; (unklar hingegen Dötsch, NZM 2007, 275, 279 [eingeschr. Rechtsfolgenverweisung] einerseits und Dötsch, NZM 2008, 108, 110 [eingeschr. Rechtsgrundverweis] andererseits). Für § 601 Abs. 2 S. 1 BGB MünchKommBGB/Häublein, § 601 Rn. 6; NK‑BGB/Brors, § 601 Rn. 4; Staudinger/Illmer, BGB, § 601 Rn. 4; siehe auch das Vorgehen des BGH vom 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1085, 313 f. 3 Zu § 1959 Abs. 1 BGB siehe MünchKommBGB/Leipold, § 1959 Rn. 4; Staudinger/Mešina, BGB, § 1959 Rn. 5. Siehe zu § 1978 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB das Vorgehen des BGH vom 2.7.1992 – IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694, 2695; Küpper, ZEV 2014, 35; MünchKommBGB/Küpper, § 1978 Rn. 3, 13; Staudinger/Dobler, BGB, § 1978 Rn. 5, 26. 4 Siehe dazu die Darstellungen bei Bergmann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 13 ff.; Erman/Dornis, BGB, Vor §§ 677 ff. Rn. 3 ff.; Loyal, Die „entgeltliche“ Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 19 ff.; Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 9 ff.; Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 24 ff. 5 Erman/Dornis, BGB, Vor §§ 677 ff. Rn. 2; Soergel/Beuthien, BGB, Vor §§ 677 ff. Rn. 1 ff.; Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 3; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 4 f. 2
§ 1 Die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag
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griff in seine Rechte führen. Diese gegenläufigen Interessen werden durch die verschiedenen wechselseitigen Rechte und Pflichten soweit wie möglich ausgeglichen.6 Die Verweisungsvorschriften, die im Wege einer Bereichsverweisung auf die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag Bezug nehmen, sind davon geprägt, dass der jeweils Handelnde im Ergebnis ebenfalls ein Geschäft eines anderen führt. Auch wenn dies in nicht wenigen Fällen ohne Fremdgeschäftsführungswillen geschieht,7 entsteht durch dieses Tätigwerden hinsichtlich der Interessenlagen der beteiligten Personen eine der Geschäftsführung ohne Auftrag vergleichbare Ausgangssituation.8 Es erscheint daher sachgerecht, die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag hierauf anzuwenden und den Parteien die dort normierten Rechte und Ansprüche zu gewähren sowie die entsprechenden Pflichten aufzuerlegen. Das ausgewogene Verhältnis der wechselseitigen Rechte und Pflichten muss aufrechterhalten bleiben, um die jeweiligen Interessen auszugleichen und ihnen so gerecht zu werden. Dafür bedarf es einer Rechtsgrundverweisung auf diese Regelungen, da nur dadurch gewährleistet wird, dass die Rechte und Pflichten ausschließlich unter den Voraussetzungen entstehen, die auch im Rahmen des originären Anwendungsbereichs der Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen müssen, um ihre jeweiligen Rechtsfolgen herbeizuführen.
II. Umfang der Rechtsgrundverweisungen Der Umfang der Rechtsgrundverweisung auf die Geschäftsführung ohne Auftrag ist bei nicht wenigen dieser Verweisungen umstritten, weil unklar ist, ob die Verweisung hinsichtlich einzelner Vorschriften vollumfänglich oder lediglich partiell wirkt. Dabei spielt bei den Bereichsverweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig die Frage eine Rolle, ob die Voraussetzung des Handelns mit Fremdgeschäftsführungswillen von der Verweisung umfasst ist.9 Lediglich bei den Verweisungen der §§ 539 Abs. 1, 6 Erman/Dornis, BGB, Vor §§ 677 ff. Rn. 2; Larenz, Schuldrecht II/1, S. 436 f.; Wandt,
Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 5. MünchKommBGB/Schäfer, § 677 Rn. 12 betont dies als besonderes Merkmal der GoA und des EBV. 7 Aus diesem Grund werden die Verweisungen als partielle Rechtsgrundverweisungen eingeordnet, die sich nicht auf den Fremdgeschäftsführungswillen beziehen. NK‑BGB/Ivo, § 1959 Rn. 5; Staudinger/Dobler, BGB, § 1978 Rn. 16, 26; Staudinger/ Mešina, BGB, § 1959 Rn. 5. Siehe dazu ferner sogleich unter II. 8 Zum heutigen § 1959 BGB Motive zum BGB, Bd. 5, S. 536; siehe auch Staudinger/ Mešina, BGB, § 1959 Rn. 1. Zum heutigen § 1978 BGB Motive zum BGB, Bd. 5, S. 626. 9 MünchKommBGB/Leipold, § 1959 Rn. 4; NK‑BGB/Ivo, § 1959 Rn. 5; Soergel/ Stein, BGB, § 1959 Rn. 4; Staudinger/Dobler, BGB, § 1978 Rn. 16, 26. Dies ist ferner bei den §§ 994 Abs. 2, 1049 Abs. 1, 1216 BGB gleichermaßen der Fall (für alle nur Staudinger/ Gursky, BGB, § 994 Rn. 23; Staudinger/Heinze, BGB, § 1049 Rn. 1). Diese sind aber aufgrund der Vorgaben der Verweisungsvorschriften auf bestimmte Regelungen der GoA
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Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen
601 Abs. 2 S. 1 BGB sind insoweit keine Diskussionen im Fluss. Dies ist nicht verwunderlich, da nach den zu den Verweisungen auf den Rücktritt gefundenen Ergebnissen davon auszugehen ist, dass konstitutive Rechtsgrundverweisungen ausschließlich partieller Natur sein können.10 Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Verweisungsobjekts bereits von sich aus vollständig gegeben sind, wäre eine Verweisung hierauf lediglich deklaratorisch. Eine Rechtsgrundverweisung, die konstitutiver Natur ist, kann daher nicht deckungsgleich mit dem Verweisungsobjekt sein und das in Bezug genommene Verweisungsobjekt mithin nur in modifizierter Form anwenden. Andernfalls könnten die Voraussetzungen der Verweisungsvorschrift nie erfüllt sein, weil zumindest eine Tatbestandsvoraussetzung des Verweisungsobjekts nicht vorliegen kann, da die Verweisung sonst deklaratorisch wäre. Dies erklärt, warum es sich bei den §§ 539 Abs. 1, 601 Abs. 2 S. 1 BGB, die als Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag vollumfänglich sind, um deklaratorische Verweisungen handelt,11 während die der §§ 1959 Abs. 1, 1978 Abs. 1 S. 2, 1978 Abs. 3 BGB konstitutiver und damit zugleich lediglich partieller Natur sind. Dies kommt bei den §§ 1959 Abs. 1, 1978 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB auch in den Formulierungen zum Ausdruck: § 1959 Abs. 1 BGB bestimmt, der Betroffene sei „wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet“. Das Gesetz sieht ihn also nicht als einen solchen an. § 1978 Abs. 1 S. 2 BGB ordnet eine „entsprechende Anwendung“ der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag an und § 1978 Abs. 3 BGB spricht davon, der Erbe könne Ersatz verlangen, soweit er dies nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag könnte. Letzteres sagt zugleich, dass er es eben nicht nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann. Bei den Ausgangssituationen, die letzteren Vorschriften zugrunde liegen, handelt es sich um solche, in denen der Geschäftsführer nicht zwingend mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt. Wäre die Verweisung in diesen Fällen vollumfänglich, entstünde durch sie ein innerer Widerspruch, da die Tatbestandsvoraussetzungen der Verweisungsvorschriften regelmäßig am fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen scheiterten und die Verweisungen damit sinnlos wären.12 Die Frage, ob der Fremdgeschäftsführungswille als Voraussetzung des Verweisungsobjekts von der Verweisung auf die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgenommen ist, betrifft als solche zunächst eine beschränkt. Andernfalls stellten sich bei ihnen dieselben Fragen, wie bei den §§ 1959 Abs. 1, 1978 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB. 10 Siehe dazu in Kap. 3, § 1 II. 11 Siehe Staudinger/Illmer, BGB, § 601 Rn. 4 (klarstellende Funktion). 12 Soergel/Stein, BGB, § 1959 Rn. 4. Vgl. auch NK‑BGB/Ivo, § 1959 Rn. 5.
§ 1 Die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag
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der Grundvoraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag.13 An den Einzelverweisungen auf das Rücktrittsrecht hat sich gezeigt, dass der Umfang, in dem die Tatbestandsvoraussetzungen des jeweiligen Verweisungsobjekts im Einzelfall anwendbar sind, davon abhängt, inwieweit sich Verweisungsvorschrift und Verweisungsobjekt tatbestandlich decken und auf welche Voraussetzung des Verweisungsobjekts aus diesem Grund zu verzichten ist, wenn es infolge der Verweisung angewendet wird.14 Im Unterschied dazu sind bei den konstitutiven Bereichsverweisungen auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag nach vorsichtiger Einschätzung dem Grunde nach stets dieselben Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 677 ff. BGB von der modifizierenden Anwendung infolge der Verweisung betroffen: der Fremdgeschäftsführungswille und damit zusammenhängend der Bezugspunkt des Interesses im Sinne von § 677 BGB. Wenn der Geschäftsführer nicht in dem Bewusstsein und mit dem Willen handelt, das Geschäft eines anderen zu führen, kann schwerlich das Interesse des Geschäftsherrn im Rahmen des § 677 BGB maßgeblich sein. Daher wird diesbezüglich ein objektiver Maßstab angelegt.15 Die Verweisungsvorschriften ähneln sich somit in der Weise, dass ihre normative Ausgangssituation aus demselben Grund eine Anwendung der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag nahelegt – sie regeln Situationen, die denen der Geschäftsführung ohne Auftrag ähneln, in denen der Geschäftsherr aber nicht unbedingt mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt. Auf dieser Grundlage führt die modifizierte Anwendung der Grundvoraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag zugleich dazu, dass sich sämtliche konstitutiven Bereichsverweisungen auf diesen Abschnitt einheitlich auf alle Vorschriften beziehen, die nicht an das Handeln mit Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers anknüpfen. Die §§ 685, 687 BGB sind infolge der Verweisung regelmäßig unanwendbar. Die Voraussetzungen des § 685 BGB können denknotwendig nicht vorliegen, wenn der Geschäftsführer nicht in dem Bewusstsein handelt, ein fremdes Geschäft zu führen. Die Anwendung von § 687 BGB führte in vielen Fällen zu einem Zirkelschluss, da die §§ 677 ff. BGB durch die Verweisung gerade für anwendbar erklärt werden sollen, was § 687 Abs. 1 BGB wiederum ausschließt.16 § 686 BGB wird wohl in der Regel ebenfalls 13
Die Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens wird aus § 677 BGB oder aus einem Umkehrschluss zu § 687 Abs. 2 BGB hergeleitet: Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 165. 14 Siehe dazu in Kap. 3, § 1 II. 1. 15 MünchKommBGB/Küpper, § 1978 Rn. 3; MünchKommBGB/Leipold, § 1959 Rn. 4; Staudinger/Dobler, BGB, § 1978 Rn. 5; Staudinger/Mešina, BGB, § 1959 Rn. 5. 16 Zur Unanwendbarkeit der §§ 685, 687 BGB infolge der Verweisungen siehe MünchKommBGB/Leipold, § 1959 Rn. 4; NK‑BGB/Ivo, § 1959 Rn. 5; Soergel/Stein, BGB, § 1959 Rn. 4; Staudinger/Mešina, BGB, § 1959 Rn. 5 (allerdings diff. für § 685 BGB).
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Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen
ausscheiden.17 Ob die Anwendbarkeit dieser Vorschriften grundsätzlich ausgeschlossen oder dies eine Frage des Einzelfalls ist, wird unterschiedlich beurteilt.18 Unabhängig davon, ob man die Bereichsverweisung auf diese Vorschriften grundsätzlich nicht erstreckt oder die Verweisungen als vollumfänglich erachtet und die Anwendung daher im Einzelfall vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen abhängt, ist die Entscheidung jedenfalls für die Bereichsverweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag einheitlich zu treffen, da die Problematik bei allen diesen Verweisungen besteht. Die §§ 677 ff. BGB sind demnach grundsätzlich infolge der Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar. Ob einzelne Vorschriften davon dem Grunde nach ausgenommen sind, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Da es sich allerdings um Rechtgrundverweisungen handelt, ist auch die Anwendbarkeit der von der Verweisung erfassten Regelungen im Einzelfall konkret davon abhängig, dass ihre jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Bei der Prüfung der einzelnen Voraussetzungen der §§ 678 ff. BGB handelt es sich sodann auch nicht zwingend um eine modifizierende. Die Modifikation, die die jeweilige konstitutive Verweisung auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag nach sich zieht, betrifft diesen Abschnitt als Ganzen – dies unterscheidet Bereichsverweisungen von Einzelverweisungen. Sie betrifft daher in erster Linie § 677 BGB als die Regelung, die die Anwendbarkeit der §§ 678 ff. BGB überhaupt erst eröffnet. Diesbezüglich muss die Verweisung daher partiell sein, um nicht entweder widersprüchlich zu sein oder lediglich deklaratorisch zu wirken. Innerhalb der weiteren Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag und damit deren jeweils einzelner Regelungen kann die Anwendung sodann jedoch vollumfänglich sein, ohne dass dadurch zwangsläufig Widersprüche entstehen. Nach vorsichtiger Einschätzung liegt den konstitutiven Bereichsverweisungen auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag daher ebenso wie denen auf das Bereicherungsrecht und denen auf die Wirkungen des Rücktritts eine gemeinsame Systematik zugrunde. Zwar handelt es sich bei ihnen anders als bei den letztgenannten Verweisungen nicht um Rechtsfolgen-, sondern um Rechtsgrundverweisungen. Diese haben aber wie die Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht und die Rücktrittswirkungen einen dem Grunde nach einheitlichen Umfang. Die konstitutiven Bereichsverweisungen auf das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag knüpfen nämlich sämtlich solche Sachverhalte an diesen Rechtsbereich an, in denen die Voraussetzungen des §§ 677 ff. BGB regelmäßig mangels 17 NK‑BGB/Ivo, § 1959 Rn. 5; Soergel/Stein, BGB, § 1959 Rn. 4. 18 Staudinger/Mešina, BGB, § 1959 Rn. 5 befürwortet für § 685 Abs. 1
BGB eine einzelfallabhängige Entscheidung, wohingegen MünchKomm/Leipold, § 1959 Rn. 4; Soergel/Stein, BGB, § 1959 Rn. 4 die Anwendbarkeit gänzlich ausschließen.
§ 2 Die Verweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
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Fremdgeschäftsführungswillens des Geschäftsführers nicht vorliegen, die aber dennoch mit denen, in denen diese Vorschriften grundsätzlich anwendbar sind, vergleichbar sind. Die Aussagen zu den Bereichsverweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag sind unter systematischen Aspekten schon allein deswegen weniger aussagekräftig als die zu den Bereichsverweisungen auf das Bereicherungsrecht getroffenen, weil die Anzahl Letzterer groß, die derer auf die Geschäftsführung ohne Auftrag dagegen gering ist. Die überwiegende Anzahl der Verweisungen, die die Geschäftsführung ohne Auftrag betreffen, sind ihrem Umfang nach schon aufgrund der Verweisungsvorschrift begrenzt und demnach als Einzelverweisungen anzusehen.
§ 2 Die Verweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Das BGB verweist an vielen Stellen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Bei näherem Hinsehen sind die Verweisungen aber, ebenso wie die auf die Geschäftsführung ohne Auftrag, in den meisten Fällen nicht auf sämtliche Regelungen dieses Bereichs bezogen, sondern auf einzelne der dort normierten Ansprüche beschränkt. Die §§ 850, 2185 BGB beziehen sich ausschließlich auf die Verwendungsersatzansprüche des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, § 2022 Abs. 1 S. 2 BGB ist auf die §§ 1000–1003 BGB beschränkt, § 2023 Abs. 1 BGB betrifft lediglich Schadensersatzansprüche und § 2024 BGB ebendiese bei Bösgläubigkeit des Erbschaftsbesitzers. Die in diesen Vorschriften enthaltenen Verweisungen sind daher Einzelverweisungen.19 Die wenigen Bereichsverweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 292, 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB) haben eine Systematik, die mit der der Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag vergleichbar ist. Bei ihnen handelt es sich ebenfalls sämtlich um Rechtsgrundverweisungen.20 Die Verweisungen auf diesen Bereich dienen der Regelung des Rechtsverhältnisses zweier Parteien durch wechselseitige Ansprüche. Dies entspricht dem Grundgedanken des Eigentümer-Besitzer-Verhältnis-
19 Als solche sind sie ebenfalls Rechtsgrundverweisungen. Zu § 850 BGB Bamberger/ Roth/Hau/Poseck/Spindler, BGB, § 850 Rn. 1; PWW/Schaub, § 850 BGB Rn. 1; Soergel/ Krause, BGB, § 850 Rn. 1; Staudinger/Vieweg, BGB, § 850 Rn. 6. Siehe zu den §§ 2023, 2024 BGB das Vorgehen bei Soergel/Dieckmann, BGB, § 2023 Rn. 2, § 2024 Rn. 2 und zu § 2185 BGB ausdrückl. NK‑BGB/Horn/Mayer, § 2185 Rn. 4, i. Ü. vgl. Soergel/Wolf, BGB, § 2185 Rn. 1. 20 Zu den §§ 292, 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB siehe das Vorgehen bei MünchKommBGB/Baldus, § 1007 Rn. 35 ff.; NK‑BGB/Schanbacher, § 292 insbes. Rn. 9, 10, § 1007 Rn. 14 f.; Soergel/Habersack, BGB, § 1227 Rn. 3; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, § 292 Rn. 4 ff.; Staudinger/Wiegand, BGB, § 1227 Rn. 1.
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Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen
ses als in sich geschlossenem Regelungssystem. 21 In den Fällen der §§ 292, 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB haben die betroffenen Personen andere Rechtspositionen inne als in den Sachverhalten, die das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis regelt. Der Gesetzgeber hat diese Rechtspositionen jedoch für vergleichbar mit denen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses erachtet. Statt einzelne Regelungssysteme für den Ausgleich der Beteiligten bei den §§ 292, 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB zu schaffen, hat er das System der wechselseitigen Ansprüche des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses als für die betreffenden Konstellationen sachgerechtes Ausgleichssystem betrachtet.22 § 292 BGB betrifft im Unterschied zu den §§ 985 ff. BGB schuldrechtliche Ansprüche. Bei Anwendung der §§ 985 ff. BGB auf diese Fälle tritt der Gläubiger an die Stelle des Eigentümers und der Schuldner an die des Besitzers. 23 Außerdem regelt er ausschließlich Ansprüche ab Rechtshängigkeit, wohingegen das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis daneben auch den Zeitpunkt der Bösgläubigkeit für maßgeblich erachtet. § 292 BGB ist jedoch nicht schon allein aus diesem Grund als Einzelverweisung anzusehen. Das EBV unterscheidet zwischen den Zeitpunkten der Bösgläubigkeit und der Rechtshängigkeit und knüpft alternativ und nicht kumulativ an diese Zeitpunkte an. § 292 BGB erhält durch die Anknüpfung an eine der Alternativen das System des EBV aufrecht und wird daher als Bereichsverweisung eingeordnet. Im Fall des § 1007 Abs. 3 S. 2 BGB ersetzt die frühere Besitzposition24 und bei § 1227 BGB das Pfandrecht das Eigentum als von den §§ 985 ff. BGB vorausgesetztes Recht 25. Insoweit sind die Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses jeweils anzupassen und in modifizierter Form anzuwenden. Die übrigen Voraussetzungen der dortigen Regelungen müssen aber jeweils vorliegen, da sich die Besonderheiten dieses Bereichs nicht ausschließlich in den Rechtsfolgeanordnungen finden. So wird gewährleistet, dass das als interessengerecht erachtete Regelungssystem insgesamt, das heißt mit allen Voraussetzungen und Einschränkungen, erhalten bleibt und als solches zur Anwendung gelangt. Dies schließt es nicht aus, dass die Voraussetzungen einzelner Regelungen im Einzelfall nicht gegeben sind oder aufgrund der Ausgangssituation der jeweiligen Verweisungsvorschrift 21 Zum EBV als in sich geschlossenem Regelungssystem Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 8 Rn. 2. Zum Kennzeichen des EBV als System, das nicht einseitige, sondern wechselseitige Ansprüche gewährt MünchKommBGB/Schäfer, § 677 Rn. 12. 22 Für § 1227 BGB Motive zum BGB, Bd. 3, S. 809; Staudinger/Wiegand, BGB, § 1227 Rn. 1. 23 Siehe MünchKommBGB/Ernst, § 292 Rn. 1. 24 BGH vom 20.9.2004 – II ZR 318/02, NJW‑RR 2005, 280; MünchKommBGB/Baldus, § 1007 Rn. 35 spricht von einem „Besitzer-Besitzer-Verhältnis“; Staudinger/Gursky, BGB, § 1007 Rn. 42. 25 MünchKommBGB/Damrau, § 1227 Rn. 1 ff.; Soergel/Habersack, BGB, § 1227 Rn. 1, 3. Siehe auch die Motive zum BGB, Bd. 3, S. 809.
§ 3 Die Verweisungen auf das Recht der unerlaubten Handlungen
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nicht vorliegen können.26 Die Einzelregelungen des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses greifen dann nicht ein, da deren Voraussetzungen hierfür vorliegen müssten, weil es sich bei den Verweisungen um Rechtsgrundverweisungen handelt. Ein vollständig einheitlicher Umfang der Bereichsverweisungen auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis lässt sich daher nicht ohne Weiteres ermitteln. Die normativen Ausgangssituationen der §§ 292, 1007 Abs. 3 S. 2, 1227 BGB sind dafür nicht hinreichend durch dasselbe Prinzip bestimmt. Sie haben lediglich gemein, dass sie die von den §§ 985 ff. BGB geregelten dinglichen Rechtspositionen durch andere ersetzen, weil der Gesetzgeber das Haftungssystem des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses grundsätzlich zur Regelung der ihnen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse für sachgerecht erachtet hat.
§ 3 Die Verweisungen auf das Recht der unerlaubten Handlungen Bereichsverweisungen auf das Recht der unerlaubten Handlungen sind rar. Die §§ 276 Abs. 1 S. 3, 618 Abs. 3 BGB enthalten lediglich Einzelverweisungen auf Vorschriften dieses Bereichs. Die verbleibenden drei Verweisungen auf die Vorschriften der §§ 823 ff. BGB sind sehr heterogen. Bei § 992 BGB handelt es sich um einen Sonderfall einer Bereichsverweisung, die dazu dient, die Sperrwirkung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses gegenüber dem Deliktsrecht (§ 993 Abs. 1 letzter HS BGB) aufzuheben. 27 Dafür bedarf es einer Rechtsgrundverweisung auf das Deliktsrecht. § 2025 S. 1 BGB, der einige Parallelen zu § 992 BGB aufweist, eröffnet ebenfalls als Rechtsgrundverweisung deliktische Ansprüche.28 Neben diesen kennt das BGB lediglich in § 682 BGB noch eine Bereichsverweisung auf das Deliktsrecht. Sie hat sich im Zuge der Untersuchung als Rechtsgrundverweisung erwiesen.29 Eine einheitliche Systematik der Bereichsverweisungen auf das Recht der unerlaubten Handlungen lässt sich daher nicht ausmachen. Dies ist jedoch auch nicht verwunderlich, da sie so selten sind, dass sie offenbar jeweils für Einzelfälle geschaffen wurden. Die einzige Erkenntnis, die sich aus diesen Verweisungen ableiten lässt, ist, dass es sich bei ihnen mit Ausnahme von § 618 Abs. 3 BGB30 um Rechtsgrundverweisungen handelt. Da die das Deliktsrecht prägenden Elemente vornehmlich in den Tatbeständen seiner einzelnen Regelungen enthalten sind, verwundert dies nicht. 26 Siehe z. B. für § 1007 BGB den Hinweis auf eine Unanwendbarkeit von § 998 BGB bei Staudinger/Gursky, BGB, § 1007 Rn. 42. 27 Zum Zweck des § 992 BGB MünchKommBGB/Raff, § 992 Rn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, § 992 Rn. 1. 28 Staudinger/Gursky, BGB, § 2025 Rn. 3. 29 Siehe in Kap. 2, § 2 II. 4. b). 30 Siehe dazu Kap. 2, § 3 I. 1. a).
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Kapitel 4: Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen
§ 4 Zusammenfassendes zu den Überlegungen zu anderen Bereichsverweisungen Die Verweisungen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag, das EigentümerBesitzer-Verhältnis und das Recht der unerlaubten Handlungen sind überwiegend Einzelverweisungen. Die Bereichsverweisungen unter ihnen sind ausnahmslos Rechtsgrundverweisungen. Darin unterscheiden sie sich von den konstitutiven Bereichsverweisungen auf die schuldrechtlichen Rückabwicklungssysteme – die Verweisungen auf letztere sind überwiegend Rechtsfolgenverweisungen. Nur die Bereichsverweisungen auf rücktrittsbegründende Vorschriften stellen ebenfalls konstitutive Rechtsgrundverweisungen dar und sind insoweit mit denen auf die Geschäftsführung ohne Auftrag, das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und das Recht der unerlaubten Handlungen vergleichbar. Das Bereicherungsrecht und die §§ 346 ff. BGB unterscheiden sich von den Regelungen der letztgenannten Bereiche dadurch, dass sie ein in sich geschlossenes Rechtsfolgensystem etablieren. Dieses prägende Merkmal der Rückabwicklungssysteme führt dazu, dass die Verweisungen auf diese Bereiche sich überwiegend von denen auf die anderen Bereiche unterscheiden. Letztere haben ihre prägenden Elemente auf Tatbestandsseite und enthalten im Übrigen kein System von Rechtsfolgeregelungen. Um ihre Regelungen auf eine andere Vorschrift anzuwenden, bedarf es einer Rechtsgrundverweisung. Das Rücktrittsrecht vereint Elemente, die sowohl in tatbestandlicher Weise als auch bezüglich des Rechtsfolgensystems prägend sind. Dazu passt es, dass sowohl auf seine rechtsbegründenden Regelungen im Wege einer Rechtsgrundverweisung als auch auf sein Rechtsfolgensystem – durch Rechtsfolgenverweisungen – verwiesen wird. Die Besonderheiten der Bereiche, auf die im Wege der konstitutiven Bereichsverweisung Bezug genommen wird, indizieren daher, ob es sich bei den Verweisungen hierauf um Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen handelt. Eine regelmäßige Verweisung verschiedener Vorschriften mit unterschiedlichen normativen Ausgangssituationen auf denselben Bereich erscheint nur dann sinnvoll, wenn der betroffene Bereich durch ein Prinzip geprägt ist, das für verschiedene Fälle einheitlich fruchtbar gemacht werden kann. Nur wenn dieser in einer markanten oder gar einem System aus mehreren Rechtsfolgeregelungen besteht, kann überhaupt sinnvoll im Wege einer Bereichsrechtsfolgenverweisung hierauf Bezug genommen werden. Dies ist sowohl beim Bereicherungsrecht als auch im eigens dafür geregelten Recht der Rücktrittsfolgen der Fall, im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses und der unerlaubten Handlungen dagegen nicht.
§ 4 Zusammenfassendes zu den Überlegungen
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Einzelverweisungen auf die jeweiligen Abschnitte verhalten sich nicht automatisch in derselben Weise, weil nicht ausgeschlossen ist, dass einzelne Tatbestands- oder Rechtsfolgenelemente für einzelne Verweisungsvorschriften interessant und passend sein können. Da ihnen jedoch kein tragendes Prinzip zugrunde liegt, ist es unwahrscheinlich, dass verschiedene Verweisungsvorschriften in gleichartiger Weise hierauf Bezug nehmen.
Kapitel 5
Zusammenfassendes zu den Bereichsverweisungen auf Rückabwicklungssysteme im Bürgerlichen Gesetzbuch 1. Verweisungen im formellen Sinn sind solche, die in irgendeiner Weise auf andere Normen Bezug nehmen, ohne die in Bezug genommene Vorschrift wörtlich wiederzugeben. Das BGB enthält eine unübersehbare Anzahl derartiger Verweisungen. Sie lassen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten Unterkategorien zuordnen. Einige Verweisungen inkorporieren den Inhalt des Verweisungsobjekts und erweitern auf diese Weise seinen Geltungsbereich. Derartige Verweisungen sind solche im materiellen Sinn. Der letztere Verweisungsbegriff ist deckungsgleich mit dem der konstitutiven Verweisung. 2. Für die Verweisungen, die das BGB kennt, sind von den möglichen Einteilungen von Verweisungen die in deklaratorische und konstitutive Verweisungen, in Einzel- und Bereichsverweisungen und in Rechtsgrund- und Rechtsfolgenverweisungen am bedeutsamsten. Rechtsgrundverweisungen beziehen sich in der Weise auf eine oder mehrere Regelungen, dass deren Voraussetzungen vorliegen müssen, um den Anspruch oder das Recht zu begründen, das die Verweisungsvorschrift regelt. Als konstitutive Verweisungen sind sie allerdings partieller Natur, es sei denn die Verweisungsvorschrift erklärt sie in Fällen für anwendbar, in denen sie andernfalls gesperrt wären. Rechtsfolgenverweisungen beziehen sich auf konkrete Rechtsfolgeanordnungen anderer Vorschriften oder auf eine Vielzahl von Vorschriften, die ein in sich geschlossenes Rechtsfolgensystem darstellen. Sie sind regelmäßig im Rechtsfolgenteil der Verweisungsvorschrift geregelt. An § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hat sich jedoch gezeigt, dass dies nicht zwingend ist, sondern sie auch im Tatbestand der Verweisungsvorschrift stehen können. Dies stellt freilich eine Ausnahme dar. 3. Die Einordnung bestimmter Verweisungen als Rechtsfolgenverweisungen taugt auch für Bereichsverweisungen. Diese beziehen sich zwar stets auf einen gesamten Regelungsbereich, innerhalb dieses Bereichs müssen aber nicht sämtliche seiner Regelungen zur Anwendung gelangen. Wenn ein Abschnitt – wie der über die ungerechtfertigte Bereicherung – in Regelungen zur Anspruchsbegründung und Regelungen zu Rechtsfolgen geteilt ist, be-
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Kapitel 5: Zusammenfassendes
zieht sich eine Rechtsfolgenbereichsverweisung auf diesen Abschnitt nur auf dessen Rechtsfolgeregelungen. Ist der Bereich, auf den verwiesen wird, wie bei den Verweisungen auf das Rücktrittsrecht und die Rücktrittsfolgen, sehr klein und klar in rechtbegründende Vorschriften und Rechtsfolgeregelungen getrennt, kann dadurch zugleich schon eine Einteilung der Verweisungen auf diesen Bereich in Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen erfolgen. In dem Fall ist die Reichweite der Verweisung durch die Verweisungsvorschrift vorgegeben. 4. Ob eine Verweisung deklaratorisch oder konstitutiv ist, ist aus Sicht des Verweisungsobjekts zu beantworten. Gilt dieses, weil es selbst seine Anwendung für den von der Verweisungsvorschrift geregelten Fall vorgibt, ist die Verweisung lediglich deklaratorisch – das Verweisungsobjekt ist aufgrund seines eigenen Geltungsbefehls anwendbar. Bedarf es für das Eingreifen des Verweisungsobjekts in einer bestimmten Situation hingegen eines externen Geltungsbefehls, weil die entsprechenden Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs des Verweisungsobjekts liegen, ist eine Verweisung hierauf konstitutiv. Sie bewirkt, dass der Inhalt des Verweisungsobjekts in den von der Verweisungsvorschrift geregelten Fällen zur Anwendung gelangt. Die Abgrenzung zwischen deklaratorischen und konstitutiven Verweisungen orientiert sich demnach daran, in welcher Vorschrift der Geltungsbefehl hinsichtlich des Verweisungsobjekts enthalten ist. Deklaratorische Verweisungen sind anders als konstitutive keine Anspruchsgrundlagen oder rechtsbegründende Vorschriften. Sie können die Anknüpfung einer Regelung an eine an anderer Stelle getroffene Anordnung erleichtern und haben neben einer klarstellenden mitunter auch eine ordnende und systematisierende Funktion. Sie können daher aus gesetzestechnischer Sicht sinnvoll sein. 5. Die geltungserweiternde Wirkung einer konstitutiven Verweisung kann sich daraus ergeben, dass der Anwendungsbereich des Verweisungsobjekts aufgrund einer abweichenden oder weitergehenden Tatbestandsanordnung über seinen eigenen Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt wird. Eine Geltungserweiterung vollzieht sich jedoch auch, wenn durch die Verweisung eine Sperrwirkung beseitigt wird. Das Verweisungsobjekt wird dadurch anwendbar, wenn seine Voraussetzungen vorliegen, es aber ohne die Verweisung nicht zur Anwendung gelangt wäre, da eine andere Regelung vorgeht oder die Anwendung gar ausdrücklich verbietet. Schließlich haben Verweisungen auch dann eine geltungserweiternde Wirkung, wenn die Verweisungsvorschrift an die (unveränderten) Tatbestandsvoraussetzungen eine andere, eigene Rechtsfolge knüpft.
§ 4 Zusammenfassendes zu den Überlegungen
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6. Die Bereichsverweisungen auf die schuldrechtlichen Rückabwicklungssysteme, das heißt das Bereicherungsrecht und das Rücktrittsfolgenrecht, sind überwiegend konstitutive Rechtsfolgenverweisungen. Dies gilt für die konstitutiven Verweisungen auf das Bereicherungsrecht ausnahmslos. Beim Rücktritt ist danach zu differenzieren, ob die konstitutive Verweisung sich auf rücktrittsbegründende Regelungen oder die §§ 346–348 BGB bezieht, die die Rücktrittsfolgen regeln. Die Verweisungen auf das Bereicherungsrecht und die Rücktrittsfolgen enthalten umfassende Tatbestandsvoraussetzungen und geben ihre Grund-Rechtsfolge selbst vor. Zur näheren Ausgestaltung dieser Rechtsfolge beziehen sie sich auf die §§ 818–820, 822 BGB einerseits und die §§ 346–348 BGB andererseits. Diese geben jeweils ein in sich geschlossenes Rückabwicklungssystem vor, das die Verweisungsvorschriften für sich fruchtbar machen. Es kommt daher infolge der jeweiligen Verweisung grundsätzlich in Gänze zur Anwendung. 7. Ob eine Bereichsverweisung eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung ist, lässt sich anhand ihres Verweisungsobjekts bestimmen. Ist letzteres durch seine Rechtsfolgen geprägt, wird darauf verwiesen, um diese auf die jeweilige Verweisungsvorschrift zu übertragen. Finden sich die charakteristischen Merkmale des Bereichs der Verweisungsobjekte dagegen auf tatbestandlicher Ebene, sind die Bereichsverweisungen auf diese Abschnitte Rechtsgrundverweisungen. Während Rechtsfolgenbereichsverweisungen sich umfassend auf die Rechtsfolgeregelungen des in Bezug genommenen Abschnitts beziehen, ist der Umfang von Bereichsrechtsgrundverweisungen nicht allgemeingültig bestimmbar. 8. Rechtsfolgenverweisungen auf das Bereicherungsrecht tragen dazu bei, dass es sich bei den dazugehörigen Verweisungsvorschriften um spezielle Kondiktionstatbestände handelt. Durch die wiederkehrende Verweisung hierauf wirkt das Bereicherungsrecht für sie in vergleichbarer Weise wie Regelungen, die sich in einem allgemeinen Teil eines Gesetzes befinden. Dies führt dazu, dass die bereicherungsrechtlichen Einwendungen und Einreden auf diese Tatbestände anwendbar sind, obwohl sie von der Verweisung auf das Bereicherungsrecht zunächst nicht erfasst werden. Die Rechtsfolgenverweisungen auf den Rücktritt haben keine derartige Wirkung. Der Grund dafür liegt in der vom Bereicherungsrecht verschiedenen Struktur des Rücktrittsrechts. Anders als das Bereicherungsrecht ist das Rücktrittsrecht in einem allgemeinen Teil – im allgemeinen Schuldrecht – geregelt. Seine Regelungen gelten bereits ohne Verweisung für alle gesetzlichen Rücktrittsrechte des BGB. Eine Verweisung auf die §§ 346 ff. BGB ist daher für Rücktrittsrechte nicht erforderlich, um die Folgen des Rücktritts hiernach zu bestimmen. Einer Verweisung auf die §§ 346 ff. BGB
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Kapitel 5: Zusammenfassendes
bedarf es vielmehr nur, wenn diese Regelungen die Rechtsfolgen anderer Rechte als Rücktrittsrechte bestimmen sollen. 9. Obwohl sich Rechtsfolgenverweisungen dem Grunde nach vollumfänglich auf einen Bereich beziehen, sind nicht zwingend sämtliche Vorschriften infolge jeder Verweisung anwendbar. Die Verweisung auf einige von ihnen läuft vielmehr typischerweise oder auch nur im Einzelfall leer. Außerdem führt eine Verweisung regelmäßig zur modifizierten Anwendung der in Bezug genommenen Vorschriften. Da derartige Anpassungen die Regel und keine Besonderheit einzelner Verweisungsvorschriften sind, stellt die Verweisungsanalogie keine besonders erwähnenswerte eigene Verweisungskategorie dar.
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Sachverzeichnis Abschnittsverweisung 36 ff., 295 Abschöpfung 121 f., 126 ff., 170, 182, 212, 230, 310 ff. Abwicklungsverhältnis 338 Analogie – Verhältnis zum Allgemeinen Teil 45 ff. – Verhältnis zur Verweisung 50 ff., 267 f., 432 Anfechtung 241 ff., 368, 372 ff. Annahmeverzug 311, 313 Anpassungsautomatik 15, 44, 176 Anspruchscharakter/Anspruchsgrundlage 17, 49, 63 f., 71 ff., 81, 110–128, 142 f., 151, 157, 161, 165 f., 180 ff., 219, 255 ff., 262 ff., 280 ff., 295, 307, 359, 365 f., 409 ff., 424 f., 435 f., 456 Arglistige Täuschung 243, 294, 352, 374 Aufwendungen – Abzugsfähigkeit 232 ff. – auf den Bereicherungsgegenstand 274 – auf Surrogate 236 f. – des Geschäftsführers 140, 146 ff. – ersparte 221, 229 f. Aufwendungsersatz(anspruch) 138, 146 ff., 235 ff., 271, 308 ff., 341, 368, 414, 431 ff. Aufwendungskondiktion 143, 145 Ausführungsverschulden 141 Befreiung von der Leistungspflicht 349, 361 ff., 375 Befreiung von der Wertersatzpflicht 230 Begrenzungsfunktion 211, 231, 309 Beiderseitige subjektive Ungewissheit 292
Bereicherung – als Tatbestandsmerkmal 204 ff., 213 – Begriff der 204 ff., 231, 307, 310 – Bereicherungsgegenstand 88, 152, 154, 162, 206–219, 225, 250 – des Gesamtguts 151 ff., 208 Beweiserleichterungen 279 Bösgläubigkeit 40, 162, 209, 239, 254 ff., 276 f., 322 – des Beschenkten 173 – des Erbschaftsbesitzers 257, 449 – des Schenkers 273 – eines Ehegatten 158 – Zeitpunkt der 240 ff., 450 Condictio indebiti 59, 70, 297 ff. Condictio ob causam finitam 66, 164, 171, 203, 290 f., 298, 314 Condictio ob rem 60 ff., 135 ff., 148 f., 164 ff., 175, 194 f., 290 f., 298, 302 Condictio sine causa 97, 282 Definitionsnormen 9, 29 f., 48, 153 Deliktischer Bereicherungsanspruch 113 ff., 199 Dienstvertrag 72, 318 ff., 330 ff. Differenztheorie 400 ff., 436 Dolo facit qui petit quod statim redditurus est 93 Doppelfunktion – des Bereicherungsbegriffs 205 ff. – von Rechtsfolgenverweisungen 211 f., 249, 344 Dreiecksbeziehung/Dreiecksverhältnis 93, 96, 102, 263 Durchgriff (auf Dritte) 192, 266, 269, 271–277
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Sachverzeichnis
Eigengeschäftsführung 443 f. Eigentumserwerb – als Rechtsgrund 78 ff., 88 ff., 159 – des Finders 87, 112 – gesetzlicher 79 ff., 86, 90 ff., 105 ff., 253 – gutgläubiger rechtsgeschäftlicher 85 ff. Eingriffskondiktion 83 ff., 94, 103, 105, 119, 127, 189 ff. – Ähnlichkeit zur 119, 194, 283 – Rechtsgrund im Sinne der 92 ff., 96 – spezielle 100, 161, 296 Einheitslehre 189 Einreden 38 f., 73, 117 f., 135, 151, 295, 297, 305, 457 Einwand des Rechtsmissbrauchs 149 Einwendungen 38 f., 73, 75, 135, 151, 184, 196 f., 201, 259, 270 f., 295 ff., 300, 457 Erbschaft 198 f., 271, 279, 298 f. – Einzelgegenstände 279 – als Ganze 279, 298 f. Erbschaftsanspruch 279 f. Erbschaftsbesitzer 235, 279, 287, 298 f., 449 Erfüllungsinteresse 400, 419 Erlösauskehr/Erlösherausgabe 147, 149 f., 224 Ermächtigung(swirkung) 24 ff. Ersitzung 83 f., 93 ff., 113 Erstbeschenkter 287 Externe Wertungen 195, 284 Forderungsübergang, gesetzlicher 263 Fremdgeschäftsführungswille 144, 356, 444 ff. Frist – Ablauf 59, 380 – Entbehrlichkeit 349 ff., 373, 380, 384 ff., 393 – Fristsetzungserfordernis 350, 353, 358, 373, 384 f., 393 f. Fruchterwerb des Eigenbesitzers 87 Fund 81, 87, 92, 96, 108 f., 111 ff.
Gefahrübergang 361 f. Geldleistung 99, 244, 314, 318 f., 331, 339, 341, 402, 427 ff. Geltungsbefehl 29, 35, 48 f., 63, 65, 142, 180, 456 – aus dem Verweisungsobjekt 35, 63, 73, 456 – aus der Verweisungsvorschrift 34 f., 37, 63, 65, 315, 380 – extern 23, 34 f., 63, 180, 348, 438, 456 Geltungserweiterung 21 ff., 35, 47, 59 f., 73, 142, 161, 180 f., 342 f., 359, 380, 384 ff., 393, 395, 398, 436, 455 f. Geltungsgrund 32, 35 Gerichtsstand 184, 198 f. Geringe Schutzwürdigkeit – des Gläubigers 273 – des Rücktrittsgegners 327 – des Schuldners 128, 241 ff., 245, 247, 257 – des unentgeltlichen Erwerbs 85, 263, 271 ff. Gesamtanspruch 279 Gesamtgut 151, 153 ff., 206, 208, 299 Geschäftsbesorgung 134, 140, 146, 300 Geschäftsführung ohne Auftrag 46, 129, 133, 138 ff., 143 ff., 181, 187, 197, 443 ff. – beschränkt geschäftsfähiger/geschäftsunfähiger Geschäftsherr 129 ff. – unberechtigte 136 ff., 148, 150, 292, 300, 302 – Verweisungen auf die 3, 36, 52, 356, 443 ff., 449, 452 Gesellschaft Bürgerlichen Rechts 85 f. Gesetzgebungstechnik 5, 7, 43 ff., 45, 109 Gesetzgebungstechnisches Mittel 2, 33, 44 f., 375 Gesetzliches Verbot 290, 305 Gestaltungsrecht 177 ff., 337, 347 f., 380, 397, 434, 442 – Ausübung 177 f., 238, 241 ff., 245, 332 ff., 410, 442 – Wesen 178, 241 ff., 410
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Gewährleistungsrecht 349, 357 ff. – Sperrwirkung des 366 ff. – Vorrang des 372 ff. Gläubigerbenachteiligung 273 Grundgedanke(n) des Bereicherungsrechts 122, 170 f., 185, 191, 194, 282 Grund-Rechtsfolge 16, 69, 75 f., 113, 126 f., 130, 133, 143, 157, 159, 181, 193, 280, 306, 410, 412 f., 433, 436, 457 Güterrechtlicher Anspruch 183, 281 Güterschutzfunktion 119, 283 Haftungserweiterung 116, 118, 239 ff., 289 Hinweis 5 f., 8, 29, 31, 65, 79, 114, 203, 349, 353 Hinweisfunktion 6, 79, 110, 119 Inkorporation(swirkung) 14 ff., 21 ff., 32, 35, 44, 62, 73, 75, 152, 192, 343 f., 382, 386 f., 395, 426, 443, 455 Inkorporationstheorie 14 ff., 21 ff. Insolvenzrisiko 276 f. Kenntnis – Anknüpfung/Bezugspunkt der 240 ff., 251, 257, 291, 424 – der Ausübung des Rücktritts 209, 238 – des Rücktrittsgrundes/-rechts 220 f., 244 ff. Kennzeichnende Merkmale – des Bereicherungsrechts 195, 188 ff., 283 – des Deliktsrechts 187 f. – einer Vorschrift 168 ff., 192 – von Verweisungen im materiellen Sinn 9 ff. Kündigung 53 f., 314 ff., 328 ff., 386, 393, 426, 434 ff. Legaldefinition 29, 48 f., 153, 205 Lehre von der Voraussetzung 60, 136 Leistungsaustausch 170, 215, 400 Leistungsbeziehung 86 f., 92 f., 100 ff., 157, 296, 436 – gescheiterte 87, 92
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– vorrangige/Vorrang der 93, 102 ff., 110, 144 ff., 269 Leistungsstörungsrecht, allgemeines 355 ff., 366 ff. Lex generalis/leges generales 197, 294, 307, 344 Lex specialis/leges speciales ~siehe Spezialität(sverhältnis) Mangel – anfänglich unbehebbarer 360 ff. – im Sinne der Gewährleistungsrechte 349 ff., 358 ff., 364 ff., 372 ff., 386, 391 f., 404 ff., 420 ff. – Verjährung der Mängelrechte 365 f. Mangelbedingter Nutzungsausfallschaden 368 ff., 418 Mietverhältnis 319 ff., 330 ff., 341 Minderjährigenschutz ~siehe Schutz beschränkt Geschäftsfähiger/Minderjähriger Minderung 349, 359, 377, 391 ff., 426 Modalitäten der Rechtsfolge 11 f., 18, 76 Modalitäten der Rückabwicklung 53, 317 Modalitäten der Rückgewähr 319 Modifikation des Verweisungsobjekts 69, 71, 96, 99, 125, 190, 255 f., 280, 291, 379, 385 f., 392, 395, 424, 448 Nacherfüllung – Frist zur 349 f., 357 f., 373, 385 – Sinn und Zweck 404 ff. – Unzumutbarkeit der 350, 352 – Verweigerung der 351 – Verzögerung der/Verzug 368 f. – Vorrang der Nacherfüllung 373 ff., 404 ff. Nachlieferung einer mangelfreien Sache 404 ff. Negatives Interesse 418 f. Nichtleistung 317, 357, 365, 383, 389 Nichtleistungskondiktion 78 f., 84, 88 ff., 95, 98, 100 ff., 110 ff., 122, 128, 139 ff., 157, 189 ff., 304 Nutzungen – aus einem Surrogat ~siehe Surrogat – Nutzungen aus einem
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– gezogene 160 ff., 213 ff., 228 f., 252 f., 321 f., 410, 413 f., 421, 428 ff. – nach bereicherungsrechtlichen Vorgaben 87 f., 94, 159 ff., 213 ff., 228 f., 252 f., 321 – nicht gegenständlicher Art 428 ff. – (entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft) nicht gezogene 215 ff., 246, 321 ff., 335 f., 339, 417 f., 421, 428 – widersprüchliche Zuweisung der 417 ff. Nutzungsausfall 417 f., 420 Nutzungsausfallschaden 368, 370 Nutzungsersatz(anspruch) 87 f., 94, 160 ff., 214 ff., 235, 246 ff., 252 f., 312, 323 ff., 335 ff., 410, 413 ff., 417 ff., 421 ff., 428 ff., 435 – Höhe 320 ff., 335 f. Parteivereinbarung 138, 364 Pflichtteilsberechtigter 286 f. Pflichtteilsergänzungsanspruch 183, 281 Pflichtteilsrecht 186 Pflichtverletzung 332 ff., 340, 359 ff., 369 f., 374, 389 Positives Interesse 401, 418 f. Primäranspruch 361 Rechtsfolgenanordnung 12, 31, 143, 186, 207 – Bedeutung für den Rechtscharakter einer Vorschrift 147 ff., 169 ff., 172, 393, 395, 436 f. – Bedeutung im Rahmen der Auslegung 120, 147 – Zusammenspiel mit dem Tatbestand 172, 345 Rechtsfolgenerweiterung 262 f. Rechtsfolgensystem 174, 181, 186 ff., 197, 305, 390, 397, 409 ff., 424, 432, 452, 455 Rechtsfolgenverweisung (Begriff) 37 ff. Rechtsfortwirkung(sanspruch) 115, 123 Rechtsgrund – fehlender/mangelnder 40, 71, 132, 195, 240 f., 258, 293 297, 424
– fortbestehender 85, 87, 95 ff., 100, 132 f., 141, 158, 170, 178, 195 f., 203 f., 240, 250, 258, 260, 270, 282, 284, 293, 297, 299, 424 Rechtsgrundverweisung (Begriff) 37 ff. Rechtssatz – Elemente eines 63, 185 – unvollständiger/vollständiger 8 ff., 34 Rechtsveränderung 80, 83 ff., 90, 98, 106 Recht zur zweiten Andienung 371 ff. Regresszirkel 146 Rückabwicklungsbedürfnis 195 f., 441 – einseitiges 337 f., 401 ff., 434 ff. Rückabwicklungsmöglichkeiten – Kombination von 169, 174 ff., 388 Rückabwicklungssystem – bereicherungsrechtliches 53 f., 57, 163, 171, 191, 250, 256 f., 270, 396 f., 412 – in sich geschlossenes 240, 250, 412 ff., 423 ff., 427, 441, 457 – rücktrittsrechtliches 53 f., 171, 396 f., 416 ff., 423 ff., 432 ff., 441 Rückgewähr 177, 208, 216, 232, 242, 270, 401 ff., 410, 412 ff., 423 ff., 429 ff. – im Voraus erbrachter Leistungen 315 ff. – Unmöglichkeit der 201, 210, 214 – Zeitpunkt der 311 ff. Rückgewährschuldverhältnis 171, 177 f., 216 f., 226, 235, 237, 247, 394, 401, 404, 406 ff., 434 ff., 442 Rückgriff(smöglichkeit) auf einen Dritten ~ siehe Durchgriff (auf D ritte) Rücktrittserklärung 178, 210 – Zugang 209 f., 238, 241, 312 f. Rücktrittsrecht – gesetzliches 30, 178, 220, 317, 333, 339 ff., 384, 390, 397, 410, 437 f., 442, 457 – vertragliches 30, 178, 245, 317, 327 f., 338 ff., 348, 390, 410, 437 f. Sachmangel 359 ff. ~ siehe auch Mangel
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Saldotheorie 232 ff. Sanktion(sgedanke) 122, 329 f. Schadensberechnung 399 Schadensersatz statt der Leistung 399 ff., 407, 420 f. – großer Schadensersatz/Schadensersatz statt der ganzen Leistung 399, 401, 406 ff., 417, 436 Schadens(ersatz)rechtliche Überlagerung 417 ff., 420 Schenkungsauflage 175 ff., 293 f., 388 ff. Schlechtleistung 357 ff., 389 Schutz/Schutzwürdigkeit des – Beschenkten 173, 179, 271 – beschränkt Geschäftsfähigen 129 ff., 134 – Besitzers 160, 162 – Dritten 277 – Eigentümers 84 – Geschädigten/ursprünglich Berechtigten/Verlierenden 85, 105, 122 f., 126, 187 – Geschäftsunfähigen 129 ff., 134 – Gläubigers 122, 211, 270, 273 ff., 311, 402, 403 f., 419, 420 – Kündigungsberechtigten 332 – Mieters 330 – Schuldners 225 f., 230, 242, 245, 257, 270, 313, 327 – verarmten Schenkers 263 – Vertragserben 271 f., 282 ff., 287 Schutzgesetz(verletzung) 18 ff. Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs ~ siehe geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs Selbstvornahmerecht – kaufrechtliches 368, 371 ff. – werkvertragliches 385 ff. Sittenwidrigkeit 62, 301, 272, 303 f. Sozialleistungsträger 263 Sperrwirkung – Aufhebung/Beseitigung/Durchbrechung der 160 f., 315, 355 f., 366 f., 375, 451, 455 f. – Begründung einer 367 f., 374 ff. – des EBV 160 f., 315 f., 451 – vertraglicher Ansprüche 61, 315
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Spezialität(sverhältnis) 68, 70 ff., 91, 115, 142, 160, 181 f., 186, 196 ff., 218, 227 f., 242, 259, 280 ff., 337, 347, 352, 366 ff., 382 f., 397 f., 410, 437 ff., 442 Spezieller Kondiktionstatbestand 103, 110, 113, 145, 151, 157, 161 ff., 166 ff., 179, 182, 193 f., 197 f., 200 f., 212 f., 249, 259, 280 ff., 290, 294 ff., 298, 300, 304 ff., 341, 344 ff., 394, 397, 426, 436, 442, 457 Subjektives Element 283 Subsidiäre Begrenzungsfunktion 211, 231 Subsidiarität der Nichtleistungs kondiktion ~siehe Leistungs beziehung, Vorrang der Surrogat – als Bereicherungsgegenstand 211 ff., 222 ff. – Aufwendungen auf ein 236 f. – commodum ex negotiatione 222 ff. – Nutzungen aus einem 218 ff., 246 – Pflicht zur Herausgabe 219, 221 ff., 228, 312 Surrogationstheorie 399 ff. Tatbestandsvielfalt 193 f. Trennungslehre 189 f. Übernahmeverschulden 141 f. Überzahlter Geldbetrag 67 f., 73, 324, 331, 426 ff. Unentgeltlicher Besitzerwerb 160 Unmöglichkeit 223, 349, 360 ff., 383, 401 Unvollständigkeit – als Rechtsnorm/Rechtssatz 8 ff., 34 – semantisch 9 Verarmter Schenker 259–268 Verbot widersprüchlichen Verhaltens 59, 138, 301 Verjährung – als Kennzeichen eines Anspruchs 114 ff., 120 ff., 165, 184, 198, 263 – Ansprüche nach Eintritt der 114 ff., 120 ff., 283, 305
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– besondere Regelungen der 115 f., 365 ff., 371 Verknüpfung von Weitergabe und Entreicherung 270 ff., 274 ff., 287 Verlobungsgeschenk 173, 299, 302 Verlöbnis 163 ff., 173, 292, 299, 301 f. Vermischung von Bienenschwärmen 86 f. Vermögensminderung 246, 286 Vermögensverlust 122, 149 Vermögensverschiebung 83, 95, 132 f., 140 f., 145, 158, 168, 170 f., 178, 182, 195, 257, 273, 275, 279, 282, 284, 317 – irreguläre/ungerechtfertigte 127, 170 f., 191, 193, 195, 282, 284 – Unmittelbarkeit der 127 f. Vermögensvorteil 120 ff., 128, 182, 230, 234, 270 ff., 284, 310 Verschuldenserfordernis 118 ff., 130, 176, 186 f., 247, 283, 317, 325, 331, 333, 391, 420 Vertragsbeziehung 171, 191 Vertragsschluss 61, 208, 406, 413, 415 – Bedeutung des Zeitpunktes des 361 ff., 400 Vertrauensschutz(gesichtspunkte) 173, 327 ff., 352 Verweisung – ausdrückliche 29 ff., 49, 206 – Begriff 5 ff. – formeller 5 ff. – materieller 8 ff. – Bereichsverweisung (Begriff) 3, 36 f. – deklaratorische (Begriff) 31 – dynamische 19, 25, 41, 44, 176, 391 – Einzelverweisung (Begriff) 2, 36 f., 52 – Funktion 6, 43 ff., 375 f. – inhaltsbezogene 31, 36, 409, 440 – konstitutive (Begriff) 31 – normgenaue 31, 36, 348, 409, 416, 423, 425, 440 – partielle 133 f., 142, 150, 165 f., 175, 204, 354 ff., 364 ff., 379, 380 ff., 393 ff., 425, 440, 445 ff., 455 – Rechtsfolgenverweisung ~ siehe dort – Rechtsgrundverweisung ~ siehe dort – statische 41, 176
– stillschweigende 29 ff., 48 f., 153, 438 – Teilverweisung 38 f., 295 – Vollverweisung 38 f. Verweisungsanalogie 29, 41 ff., 377, 379, 425, 440, 458 Verweisungsobjekt (Def.) 5 f., 14 Verweisungsvorschrift (Def.) 5 f. – Struktur der 8 ff. Verwendungen 259, 311, 410, 414 f., 430 – Abzug von der Bereicherung 233 ff. – auf Surrogate 219, 236 f. Vindikationslage 160, 316 Voraus erbrachte Leistung 314 f., 318 f., 321, 330 f., 336 ff., 426, 434 Voraussetzungslehre ~siehe Lehre von der Voraussetzung Vorleistung 338 – spflicht(iger) 379, 382, 434 – sempfänger 327, 380 Vorrang der Leistungsbeziehung ~ siehe Leistungsbeziehung – Vorrang der Wegfall der Geschäftsgrundlage 53, 163, 167 ff., 172 ff., 260, 368, 372 ff. Wertersatz – als Folge einer Rechtsfolgenverweisung 57, 76, 90 f., 179, 252, 279 f. – bereicherungsrechtlicher 99 ff., 106, 150, 222 ff., 253, 411 – Entstehenszeitpunkt der Pflicht zum 209 ff., 254 f. – Maßstab 192, 229 ff. – rücktrittsrechtlicher 201 ff., 211, 214 ff., 222 ff., 229 ff., 234 ff., 244, 249, 269 f., 318, 339 f., 427 ff. Wertungswiderspruch 72, 84, 88, 106 f., 145 ff., 149 ff., 165, 196, 215, 251, 257, 277 f., 296, 300 f., 329, 334, 340, 371, 432 Widersprüchliches Verhalten 59 f., 138, 148, 302 Zinsanspruch/Zinspflicht 239, 246 ff., 320 ff., 335 ff., 428 ff., 435 Zusammenspiel von Tatbestand und Rechtsfolge 172, 345 ~ siehe auch
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Rechtsfolgenanordnung – Zusammenspiel mit dem Tatbestand Zweckabrede ~ siehe Zweckvereinbarung Zweckbestimmung 61, 137, 165 Zweckvereinbarung 135, 138, 166, 291
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Zweckverfehlung(skondiktion) 60 ff., 135, 138, 149, 164, 182, 301 ~ siehe auch condictio ob rem Zweitbeschenkter 287