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German Pages 466 [470] Year 1977
SCHRIFTEN ZUR GESCHICHTE U N D K U L T U R DER ANTIKE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR ZENTRALINSTITUT FÜR ALTE GESCHICHTE U N D ARCHÄOLOGIE
Columella •• Uber Landwirtschaft Ein Lehr- und Handbuch der gesamten Acker- und Viehwirtschaft aus dem 1. Jahrhundert u. Z. Aus dem Lateinischen übersetzt, eingeführt und erläutert von KARL
AHRENS
2., berichtigte Auflage
A K A D E M I E - V E R LAG
1976
BERLIN
Redaktion: Wolf-Dieter Erfurt Dietlind Schieferdecker
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1972 Lizenznummer: 202 • 100/129/76 Offsetdruck und buchbinderische Verarbeitung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza/DDR Bestellnummer: 751 986 2 (2143/4) • LSV 4006 Printed in GDR DDR 4 8 , - M
Inhalt
Einführung
11
Literatur
42
Die zwölf Bücher über Landwirtschaft
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Erstes Buch Regeln für solche, die sich der Landwirtschaft widmen wollen (1.1) Welche Lage für ein Landgut am empfehlenswertesten ist (1.2) Was bei der Prüfung von Land vor dem Kauf besonders zu beachten ist (1.3) Von der gesunden Lage (1.4.9) Vom Wasser (1.5) Von der Anlage des Gutshofes (1.5.4) Von den Pflichten des Gutsherrn (1.7) Vom Vieh und seinen Hütern (1.8) Wie für die einzelnen Arbeiten die Sklaven körperlich beschaffen sein sollen (1-9)
45
Zweites Buch: Das Buch von den Saaten
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Der Boden altert oder ermüdet nicht, wenn man düngt (2.1) Wieviel Bodenarten es gibt (2.2.1) Wieviele TJnterarten es gibt (2.2.2) Welcher Boden am meisten zu empfehlen ist (2.2.3) Wie Neuland urbar gemacht und zu Kulturboden wird (2.2.8) Wie man fetten Getreideboden erkennt (2.2.14) Was beim Pflügen zu beachten und was zu unterlassen ist (2.2.22) Wie nach der Arbeit die abgeschirrten Ochsen behandelt werden sollen (2.3)
Inhalt
4 Zu welchen Zeiten jede Bodenart zum ersten und zum zweiten Male zu pflügen ist (2.4) Wie man Getreideland düngt (2.5) Von den Samenarten (2.6) Von den Saatzeiten (2.8) Wieviel von jedem Samen auf den Morgen zu rechnen ist (2.9) Wie man salzhaltigen und nassen Boden verbessert (2.9.8) Wie das Saatkorn auszulesen ist (2.9.11) Wie man das Getreide nach der Aussaat behandelt (2.9.13) Vom Hacken Vom Jäten (2.9.18) Welcher Boden den einzelnen Hülsenfrüchten zusagt (2.10) Wie und in wieviel Tagewerken ein Morgen Getreide- und Hülsenfruchtland bestellt wird (2.11) Wieviel Tagewerke die Bearbeitung der verschiedenen Saaten verlangt (2.12) Welche Hülsenfrüchte den Äckern nützen und welche schaden (2.13) Von den Düngearten (2.14) Zu welchen Zeiten die Äcker gedüngt werden sollen (2.15) Wie man aus Ackerland Wiesen macht (2.16) Wie man die fertigen Wiesen pflegt (2.17) Wie das gemähte Heu behandelt und eingebracht werden soll (2.18) Von der Anlage der Tenne (2.19) Vom Ernten des Getreides (2.20) Die Arbeit auf der Tenne (2.20.3) Welche Arbeiten auf dem Lande an Feiertagen getan und welche nicht getan werden dürfen (2.21) Drittes Buch: Das erste über Holzgewächse Welche Sorte von Weinstöcken für jeden Boden und jedes Klima paßt (3.1) Welcher Wein in Stadtnähe zum Essen gepflanzt werden soll (3.2) Welche Sorten für Trinkwein angebaut werden sollen (3.2.3) Namen und Eigenschaften von mehr oder minder edlen Weinsorten (3.2.7) Erörterung, aus der sich ergibt, daß für den Landwirt nichts einträglicher ist als der Weinbau (3.3) Wieviel ein Landwirt durch Anzucht von Setzlingen verdienen muß (3.3.11) Wieviel Wein er je Morgen erzeugen soll (3.3.10) Wieviel Morgen ein Winzer zu besorgen hat (3.3.8) Wie man die Amineareben fruchtbar macht (3.7) Welche Eigenschaften Weinboden haben soll (3.11) Wie der Boden bearbeitet wird (3.13) Wie man in den Provinzen und wie man in Italien den Weinstock pflanzt (3.13) Es ist besser, in vollständig durchgegrabenen Boden zu pflanzen als auf unbearbeitetem Lande in Gruben oder Furchen (3.13.4) Welche Tiefe der Bodenbearbeitung für Weinstöcke ausreicht (3.13.8) Wie und zu welchen Zeiten der Wein zu pflanzen ist (3.14)
103
Inhalt
5
Was der Pflanzende beachten muß (3.15) Gegen die Pflanzweise des Julius Atticus, bei der das Setzreis verdreht wird (3.18) Wie lang ein Setzreis sein soll (3.19) Wieviele Weinsorten man pflanzen soll (3.20) Ob man in den Weingärten die Sorten trennen oder sie durcheinander pflanzen soll (3.20) Viertes Buch: Das zweite über Holzgewächse Gegen die Meinung des Atticus und Celsus, zwei Fuß tiefe Gruben genügten bei der Weinpflanzung nicht (4.1) Man darf nicht mit den Ranken eines Setzlings zwei Pfähle bekleiden, sondern jede Pflanze kommt an nur eine Stütze (4.2) Ein neu gepflanzter Weingarten geht ohne gründliche und fleißige Pflege schnell zugrunde (4.3) Der Weinstock muß in die Grube gelegt, von ganz unten an gerade aufwärtsgebogen und an ein Rohr geheftet werden (4.4) Nach dem Pflanzen ist allmonatlich sorgfältig zu hacken (4.4.3) In einer neuen Weinpflanzung darf fhan kein Unkraut dulden (4.5) Die Jungpflanzen sind so weit zu entranken, daß sie auf nur einen Stamm beschränkt werden (4.6) In gleicher Weiae entrankt man Setzreiser (4.6) Richtige Zeit für das Brechen ist dann, wenn die Triebe noch so schwach sind, daß sie sich mit dem Finger leicht abstoßen lassen (4.7) Während des Sommers darf man mit der Hippe die Ranken nicht abknoten (4.7.2) Im Herbst muß während der ersten fünf Jahre unbedingt geräumt werden (4.8) Vor der kalten Zeit sind in jungen Weinpflanzungen die Räumgruben wieder zuzuschütten (4.8.3) Wie nach dem Räumen die Sommerwurzeln entfernt werden (4.8) Wie man eine junge Weinpflanzung beschneidet (4.9) Welches die beste Zeit für das Beschneiden ist (4.10) Wie man die Stecklinge schneidet (4.11) Wie der Weinstock anzubinden ist (4.13) Wie ein Weingarten bepfählt wird (4.12) Wie hoch ein Jochgeländer sein soll (4.12) Wie man Jungpflanzen anjocht (4.14) Wie man eine junge Weinpflanzung vermehrt und Absenker macht (4.15) Wann und in welchem Alter Setzreiser zu verpflanzen sind (4.16) Wie man aus Rohrstäben ein Joch macht (4.17) Wie Weinpflanzungen in kleine Gärten aufgeteilt werden (4.18) Wie man alte Weingärten verjüngt (4.22) Wie man sie beschneidet (4.23), und was ein guter Winzer bei der Einrichtung eines Weingartens zu meiden oder zu tun hat (4.24) Die Gestalt der Hippe (4.25)
135
6
Inhalt Wie man entrankt (4.27.2) W e oft gehackt wird (4.28.2) Wie man Weinstöcke pfropft und nach der Pfropfung behandelt (4.29) Über das Anlegen von Weidenpflanzungen (4.30) Über Ginsterpflanzung (4.31) Uber Rohrgebüsche (4.32) Über Kastanienpflanzungen (4.33) Fünftes Buch: Das dritte über Holzgewächse
166
Wie man Äcker verschiedener Gestalt ausmißt (5.1) Wieviel Pflanzen bei Abständen von drei bis zehn Fuß ein Morgen aufnimmt (5.3) Behandlung der Weinpflanzungen in den Provinzen (5.4) Anlage von Ulmenpflanzungen (5.6) Einrichtung und Behandlung eines Weingehölzes (5.6) Das gallische Weingehölz (5.7) Bestellung der Olivengärten (5.8) Anlage von Pflanzschulen für Ölbäume (5.9) Von den Obstbäumen (5.10) Vom Pfropfen der Bäume (5.11) Vom Schneckenkleestrauch (5.12) Sechstes Buch: Über Großvieh
191
Prüfung von Ochsen (6.1) Zähmung von Ochsen (6.2) Ihre Pflege und Fütterung (6.3) Ochsenkrankheiten und ihre Heilung (6.4) Von Zuchtstieren (6.20) Von Kühen (6.21) Vom Kastrieren der Stiere (6.26) Von Pferden (6.27) Von ihrer Heilung (6.30) Von Maultieren (6.36) Heilmittel für Maultiere (6.38) Siebentes Buch: Über Kleinvieh Vom kleineren Esel (7.1) Uber Ankauf und Haltung von Schafen (7.2) Von der Auswahl der Widder (7.2.6) Von den Deckenschafen (7.4) Heilmittel für Schafe (7.5) Von den Aufgaben des Hirten (7.5.2) Von Ziegen (7.6) Von ihrer Heilung (7.7) Von der Käsebereitung (7.8)
222
7
Inhalt Von Schweinen (7.9) Von ihrer Heilung (7.10) Vom Kastrieren (7.11) Von Hunden (7.12) Von ihrer Heilung (7.13) Achtes Buch: Das erste über die Tierhaltung im Wirtschaftshof
245
Von der Zucht des Haushuhns (8.2.2) und der Einrichtung von Hühnerställen (8.3) Vom Hühnerfutter (8.4) Vom Unterlegen der Eier (8.5.11) Von der Aufbewahrung der Eier (8.6) Vom Mästen der Hühner (8.7) Vom Mästen der Tauben und Holztauben (8.8) Über Einrichtung von Taubenschlägen (8.8) Von Turteltauben (8.9) Von Drosseln (8.10) Von Pfauen (8.11) Von numidischen und Feldhühnern (8.12) Von Gänsen (8.13) Von Enten und Kriekenten (8.15) Anlage von Fischteichen und Fischzucht (8.16) Neuntes Buch: Das zweite über Tierhaltung im Wirtschaftshof; es handelt von Wildhege und Bienenzucht 271 Anlage von Wildgehegen und das Halten von Wild (9.1) Von den Bienen (9.2) Wieviele Bienenarten es gibt und welche davon die beste ist (9.3) Bienenfutter und wie die Bienenweide liegen soll (9.4) Auswahl des Platzes für den Bienenstand (9.5) Was für Bienenstöcke zu empfehlen sind (9.6) Wie Bienenstöcke aufzustellen sind (9.7) Über den Ankauf von Bienen (9.8) Wie man Wildbienenvölker fängt (9.8.7) Wie man zahme Völker, wenn sie schwärmen, festhält und in Stöcke bringt (9.9) Wie der Weisel aussieht (9.10) Wie man zu schwach besetzte Stöcke auffüllt (9.11.2) Wie man ein Volk festhält und seine Flucht verhindert (9.12) Heilmittel für kranke Bienen (9.13) Wie sich in jeder Jahreszeit die Bienen verhalten und was ihr Pfleger das Jahr über zu tun hat (9.14) Wie man den Honig gewinnt und auf welche Art und wann man die Waben schneiden soll (9.15) Von der Wachsbereitung (9.16)
8
Inhalt Zehntes Buch
293
Gedicht über den Gartenbau Elftes Buch: Vom Verwalter und vom Gartenbau
305
Vom Verwalter (11.1.3) Astronomische Daten (11.2.4) Das Ochsenfutter für die einzelnen Monate (11.2.98) Vom Gartenbau (11.3.1) Von Kauf und Pflege des Gartens (11.3.3) Von der Lage des Gartens (11.3.8) Zwölftes und letztes Buch: Die Wirtschafterin Häusliche Geschäfte und Regeln, an die sich die Wirtschafterin halten soll (12.1)
Wie sie die Vorräte versorgen soll (12.2) Verteilung von Werkzeug und Gerät (12.3) Welche Gefäße sie für Vorräte und Eingemachtes zu rüsten hat (12.4) Wie man aus kahmigem Wein Essig macht (12.5) Wie man gesättigte Salzlake herstellt (12.6) Welche Kräuter das Jahr über eingemacht werden und wie das geschieht (12.7) Wie man Rahmkäse herstellt (12.8) Einmachen von Lattich (12.9) Einlegen von Zwiebeln, von Birnen und Äpfeln sowie anderem Obst (12.10) Herstellung von Honigwasser für Einmachzwecke (12.11) Zubereitung von Honigwassermet (12.12) Vom Aufbewahren des Käses und vom Einmachen einiger Kräuter (12.13) Wie man Äpfel und Birnen in der Sonne dörrt (12.14) Von getrockneten Feigen (12.15) Wie man Rosinentrauben herstellt und Sorben aufbewahrt (12.16) Bereitung von Feigenessig (12.17) Was für die Weinlese bereitzuhalten ist (12.18) Mehrere Mittel, Wein haltbar zu machen (12.19) Einkochen von Sapa (12.19) Herstellung von Defrutum (12.19) Uber das sogenannte neapolitanische Defrutum (12.20) Defrutum als Zutat zu Wein, der sich lange halten soll (12.21) Ein zweites Verfahren, mit Hilfe von flüssigem Pech Most haltbar zu machen (12.22) Über das Pech, das die Allobroger zur Bereitung gepichten Weines verwenden (12.23) Nemeturisches Pech für Einmachzwecke (12.24) Salzlake oder Meerwasser zur Weinbehandlung (12.25) Mittel gegen das Sauerwerden von Wein (12.26) Herstellung von Süßwein (12.27) Wie Most immer süß bleibt wie zuerst (12.29)
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9
Inhalt Die beste Weinpflege sowie Besserung schwachen Weines (12.30) Was man tut, wenn ein Tier in den Most gefallen und ertrunken ist (12.31) Andornwein (12.32) Wie man Meerzwiebelwein bereitet (12.33) Wie Meerzwiebelessig gemacht wird (12.34) Wie man Wermut-, Ysop-, Stabwurz- und anderen Würzwein herstellen soll (12.35) Herstellung von Rosmarinwein gegen Kühr und jeglichen Durchfall (12.36) Herstellung von Wein, der griechischem gleicht (12.37) Wie man Myrtenwein bereitet (12.38) Wie Passum hergestellt wird (12.39) Wie der beste Tresterwein hergestellt wird (12.40) Wie das beste Mulsum hergestellt wird (12.41) Zusammensetzung eines Mittels gegen Leibschmerzen, das Sia ¿Tuopoa; genannt wird (12.42) Das Einlegen von Käse (12.43) Wie man Topftrauben einlegt und aufbewahrt (12.44) Wie Granatäpfel aufbewahrt werden (12.46) Wie Quitten, Orbiculata-, Sestiana-, Melimelaäpfel und andere Sorten aufbewahrt werden (12.47) Wie man Alant behandelt (12.48) Einmachen weißer Oliven (12.49) Von Oliven, die sich verfärben (12.49.8) Einmachen der schwarzen Olive (12.50) Wie man Olivenbrei herstellt (12.51) Wie das Öl gewonnen wird (12.52) Über Mostöl (12.53) Wie man öl für Salben gewinnt (12.54) Einsalzen von Schweinefleisch (12.55) Wie man Rüben und Steckrüben einmacht (12.56) Wie man Senf bereitet (12.57) Wie man Schwarzkohl- und Rapunzelwurzel einmacht (12.58) Wie man das Moretum herstellt (12.59) Zusammensetzung des Oxyporum (12.59.4)
Das Buch von der Baumzucht Vom Anlegen einer Weinpflanzung (Bz. 1.3) Was für Setzreiser und wann man sie wählt (Bz. 2) Wie man die Setzreiser auswählt (Bz. 3) Vom Pflanzen der Stecklinge (Bz. 3.4) Über das Anlegen der Weinpflanzungen (Bz. 3.5) Arten der Weinpflanzungen (Bz. 4) Von der Behandlung der Weinpflanzungen (Bz. 5) Vom Zurückschneiden und Verjüngen alter Weinstöcke (Bz. 6) Vom Fortpflanzen (Bz. 7) Vom Pfropfen (Bz. 8) Wie man unfruchtbare Weinstöcke fruchtbar macht (Bz. 8.5)
383
10
Inhalt Wie man Trauben mit verschiedenartigen Beeren erzielt (Bz. 9.1) Zucht kernloser Trauben (Bz. 9.2) Wie man den Wein schneidet (Bz. 10) Von der Bodenbearbeitung (Bz. 10.4) Vom Ausbrechen (Bz. 11) Verhütung von Fäulnis (Bz. 13) Wie man Ameisen am Emporkriechen hindert (Bz. 14) Verhütung von Mäusefraß (Bz. 15) Verhütung von Wicklerschaden (Bz. 15) Von Weingehölzen (Bz. 16) Vom Olivengarten (Bz. 17) Einrichtung von Obstgärten (Bz. 18) Das Ausheben von Gruben (Bz. 19) Von der Auswahl der Setzreiser (Bz. 20) Wann man Feigen pflanzt (Bz. 21) Vom sonstigen Obst (Bz. 22) Anlage einer Pflanzenschule (Bz. 25.12) Vom Pfropfen (Bz. 26) Das Pfropfen der Olive auf die Feige (Bz. 27) Vom Schneckenkleestrauch (Bz. 28) Von Weide und Ginster (Bz. 29) Vom Rohr (Bz. 29) Von Violen (Bz. 30) Von der Rose (Bz. 30.2)
Erläuterungen
403
Register
463
Einführung L •IVNIO
L- F • GAL
MODERATO COLUMELLAE TRIB
• M1L • LEO • VI •
FERRATAE
Diese einst in Tarent gefundene^ dann allerdings verlorengegangene Inschrift berichtet von einem Lucius Iunius, Sohn des Lucius, Moderatus Columella. Aus der Form des Namens geht hervor, daß er römischer Bürger war, und aus seiner Zugehörigkeit zur tribus Oaleria darf geschlossen werden, daß er aus der nach dem Flusse Baetis ( = Guadalquivir) benannten Provihz Baetica, also aus Südspanien stammte. Daß er in Spanien beheimatet war oder doch dort Familienbeziehungen hatte, macht auch der Beiname Moderatus wahrscheinlich, denn dieser ist uns besonders aus jenem Lande bekannt. Des weiteren lehrt uns die Inschrift, daß der Mann, dem zu Ehren sie gesetzt wurde, einmal Militärtribun (Stabsoffizier) der sechsten Legion gewesen ist, die den Beinamen Ferrata trug und von der wir wissen, daß sie lange in Syrien stand. Mehr sagt die Inschrift nicht aus, und sie wäre daher kaum imstande, unser tieferes Interesse zu wecken. Nun aber heißt der Autor des landwirtschaftlichen Lehrbuches, das hier in deutscher Übersetzung vorgelegt wird, in den Handschriften genauso wie der Tribun der Inschrift, wir erfahren von ihm selbst, daß er aus Südspanien stammt, denn Gades ( = Cadix) an der atlantischen Küste, seit Augustus Hauptstadt eines der vier Gerichtsbezirke der Baetica, nennt er als seine Heimat, und die bätische Provinz ist ihm offenbar besonders vertraut. Aber auch Syrien ist ihm bekannt, wie sein Buch uns lehrt, und eine gewisse Vorliebe für militärische Vergleiche läßt vielleicht sogar die Vermutung zu, daß er selbst Soldat war. So konnte durch Verbindung der Aussagen von Inschrift und Text der Nachweis gelingen, daß der Tribun und der Autor die gleiche Person sind. Die Inschrift bedeutet indessen für uns nicht allein ein zweites Denkmal des Schriftstellers neben dem, das er in seinem Werke sich selbst gesetzt hat; die Sicherimg seiner Identität mit dem Tribunen schafft auch eine etwas festere Basis für andere Angaben des Buches, aus denen sich Schlüsse auf den Lebensgang des
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Einführung
Verfassers ziehen lassen. Was wir alles in allem heute von diesem wissen, soll im folgenden zusammengefaßt werden: Da von Namen und Herkunft schon alles gesagt wurde, ist als Nächstes zu fragen, wann Columella gelebt hat. Geburts- und Todesdatum kennen wir nicht, doch dürfen wir, nachdem frühere Zweifel behoben sind, jetzt mit Sicherheit annehmen, daß seine Lebenszeit ungefähr in die ersten sieben Jahrzehnte unserer Zeitrechnung fällt; die Argumente für diese Datierung hat Becher auf S. 10 und 11 seiner Dissertation zusammengefaßt. Wann Columella Spanien verlassen hat und in Italien ansässig geworden ist, läßt sich nicht ermitteln, doch dürfte er eher noch jung als schon bejahrt gewesen sein, da er zu verschiedenen Zeiten in Italien verschiedene Güter bewirtschaftete, die er sicher nicht von einem Jahr zum anderen gewechselt haben wird. Einmal spricht er ausdrücklich von einem italischen Gut, das er ,vor langen Zeiten' besessen habe. Weshalb er die Heimat aufgegeben hat, kann man nur vermuten. Wenn es nämlich zutrifft, daß das schon früh geschehen ist, dann hat den jungen Mann möglicherweise das Streben nach öffentlichen Ehren nach Italien und Rom getrieben; Militärtribun ist er ja tatsächlich geworden, und politische Tätigkeit betrachtet er nach Äußerungen in seinem Werk als selbstverständlich. Über Columellas Militärzeit hat Cichorius noch Genaueres ermittelt. Er geht davon aus, daß Columella den Anbau von Sesam einmal in Syrien, ein andermal in Kilikien einen ganzen Sommer lang beobachtet hat (2, 10, 8 ; 11, 2, 56). In Syrien, und zwar nach Cichorius in Mittelsyrien, wo die sechste Legion ihren Standort hatte, mußte das ohne weiteres möglich sein. Die Sesamkultur in Kilikien aber kann er im Jahre 36 als Teilnehmer an einem Feldzuge römischer Truppen aus Syrien kennengelernt haben, die damals den Aufstand eines Bergstammes der Cilicia Trachea niederschlugen. Diese Annahme erhält noch dadurch eine Stütze, daß ein Marcus Trebellius das Unternehmen leitete und dieser mutmaßlich (anders Becher S. 11) derselbe war, der uns (5,1,2) als Freund des Columella begegnet. Für das Leben des Schriftstellers hätten wir damit den ersten chronologisch festen Punkt, und dieser würde ausgezeichnet zu dem passen, was oben über seine Lebenszeit gesagt wurde. Nicht ganz so sicher (vgl. RE 19,1059, Art. Iunius), aber immerhin relativ gut fundiert scheint eine zweite Jahreszahl, die Cichorius ansetzt. Columella erzählt 3,8,2, er habe vor nicht allzu langer Zeit bei Zirkusspielen in dem feierlichen Aufzuge einen Juden von erstaunlicher Körperlänge gesehen. Dies kombiniert Cichorius mit Berichten des Plinius und Josephus über vermutlich den gleichen Juden und kommt zu dem Ergebnis, daß er bei Zirkusspielen des Kaisers Claudius im Jahre 41 dem Volke gezeigt worden sei. Wenn Cichorius damit recht hat, dann ist Columella im Jahre 41 in Rom gewesen, aber auch unabhängig davon ist es wohl wahrscheinlich, daß er schon vorher den Dienst quittiert hatte und nach Italien zurückgekehrt war, um sich ganz und gar dem Landwirtsberufe zuzuwenden, dem er, wie sein Buch zeigt, mit Leib und Seele ergeben war.
Einführung
13
Er ist nun nicht Latifundienbesitzer geworden, wie es etwa Seneca und Plinius waren, und da in 1,3,12 sicher seine eigene Meinung zum Ausdruck kommt — auch wenn schon andere vor ihm den Gedanken ähnlich formuliert haben —, hat er jene Wirtschaftsweise sogar prinzipiell verurteilt, zumal wenn wir noch berücksichtigen, wie nachdrücklich er immer wieder betont oder als wünschenswert voraussetzt, daß der Herr selber auf dem Gute wohnt und tätig ist. Er war freilich auch keineswegs der mit seiner kleinen Scholle verwachsene altrömische Bauer, der nach dem Worte des Horaz ,der Väter Erbe mit den eigenen Ochsen pflügt'. Es ist nämlich unverkennbar, daß seine Lehren weder auf die übergroßen Dimensionen der Latifundien noch auf eine kleinbäuerliche Wirtschaft zugeschnitten sind, sondern daß sie aus den Erfahrungen eines Gutsherrn erwachsen, der Land von vergleichsweise nur mittlerem, aber doch recht ansehnlichem Umfang nicht nur sein eigen nennt, sondern auch selbst bewirtschaftet, um durch dessen möglichst rationelle Nutzung sein Vermögen zu mehren. Soweit Ciolinnella sich darüber äußert, lagen seine Güter alle in der weiteren Umgebung Roms. Er redet nämlich (3,9,2) von einem Gute bei Ardea, das er früher einmal besessen habe, sowie von drei anderen bei Carsioli, Alba (3,9,2) und Caere (3,3,3), die ihm zur Zeit der Abfassung seines Werkes möglicherweise gleichzeitig gehörten. Manches spricht dafür, daß er in der Regel auch dort gewohnt hat, wenn ihn nicht Geschäfte nach Rom riefen; daß er auch in der Hauptstadt ein Haus besaß, ist möglich, aber nicht nachweisbar. Ob Columella Weib und Kind gehabt hat, liegt völlig im Dunkeln. Zu weit würde es gehen, etwa auf eigene Eheerfahrung zu schließen, weil er (1,4,8) rät, der Gutsherr solle seiner Frau auf dem Lande alle Annehmlichkeiten bieten, damit sie sich dort wohl fühle und geduldig bei ihrem Manne ausharre; auch die Klage über Unvernunft und Verschwendungssucht der Ehefrauen seiner Zeit (12 Vorr. 9) darf kaum derart persönlich verstanden werden. Von sonstigen Verwandten erscheint in der Schrift einzig ein Onkel, der vom Autor hochverehrte und als vorbildlicher und unternehmender Landwirt gerühmte Marcus Columella, der in der Baetica begütert ist. Von ihm hat Columella viel gelernt, und Kappelmachers Vermutung (RE 19,1055, Art., Iunius'), daß er unter des Onkels Einfluß selbst Landwirt geworden ist, mag zutreffen. Freundschaftlich verbunden war Columella mit seinem Gutsnachbarn Silvinus, dem er sein Werk widmete; wir kennen diesen nur durch den Schriftsteller selbst. Wir erfahren, daß er des Freundes schriftstellerische Arbeit mit lebhaftester Teilnahme begleitet; wenn ein Teil fertig geworden ist, liest er ihn gemeinsam mit einem Kreise interessierter Männer und gibt deren Kritik an den Autor weiter, der in der Fortsetzung seines Buches darauf eingeht ; darüber hinaus hat Columella auch für Anregungen des Freundes, die die Gesamtgestaltung des Werkes betreffen, ein offenes Ohr. Welcher Art die Beziehungen Columellas zu einigen anderen Zeitgenossen waren, die er erwähnt, läßt sich kaum sagen. Von Trebellius war schon die Rede, und
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Einführung
außer ihm sollen hier nur noch zwei Personen erwähnt werden, weil wir dadurch ein etwas deutlicheres Bild von den Kreisen erhalten, in denen Columella verkehrte. Mit recht einleuchtenden Gründen hat nämlich Becher (S. 12f.) glaubhaft gemacht, daß Columellas Freund Gallio der Bruder Senecas war und daß unser Autor auch Seneca selbst näher kannte, als sich aus dessen Erwähnung im Werk schließen läßt. Soviel wäre zu Lebensgang und Lebensumständen Columellas mitzuteilen. Aber auch über seine Wesensart gibt uns sein Buch erfreulich reiche Auskunft, und schon aus diesem Grunde lohnt es sich außerordentlich, es gründlich und vollständig zu lesen; wenn wir es nämlich als Ganzes auf uns wirken lassen, dann steht am Ende vor unserem geistigen Auge trotz der neunzehnhundert Jahre, die uns von ihm trennen, ein lebendiger Mensch der Antike mit all seinen Vorzügen — und natürlich auch seinen Schwächen. Da aber dieser nicht im leeren Baum gelebt hat, enthüllt sich uns gleichzeitig ein Bild jener Zeit, in der er wirkte, und zwar in einem Bereich, ohne dessen Kenntnis unser Wissen vom römischen Altertum ein Torso bleibt. In dieser Einführung wollen wir, um nicht der Lektüre des Werkes zu stark vorzugreifen oder sie gar überflüssig erscheinen zu lassen, nur einige Züge ins Licht rücken, dabei hier und da allerdings auch etwas hinzufügen, was die Verhältnisse, aus denen heraus das Buch geschrieben ist, noch ein wenig erhellt. An alle, die sich der Landwirtschaft zuwenden wollen, stellt Columella — ganz ebenso wie es der ihm anscheinend wesensverwandte Vitruv im Blick auf die werdenden Architekten t u t — die Forderving einer ¿yxvxhog ncudeia, einer umfassenden Bildung. Damit weist er anderen den Weg, den er selbst gegangen ist, denn es ist sicher, daß er von Jugend auf bildungshungrig gewesen ist und daß der Trieb, seinen Gesichtskreis unablässig zu erweitern, ihn auch bis ins Alter begleitet hat. In seinem Werk finden wir Zeugnisse seiner philosophischen und geschichtlichen, seiner sprachlichen und sprachwissenschaftlichen Schulung; er kennt bildende Kunst und Dichtimg und hat sich als Dichter sogar selbst versucht. Mit der Medizin hat er sich, vermutlich auf Celsus fußend (Becher S. 44), besonders eingehend befaßt, vielleicht deshalb, weil einem Landwirt die Tierkrankheiten das nahelegten. Ob er seine geographischen Kenntnisse von Italien und Gallien durch Reisen erworben (vgl. 5,7,2 animadverti) oder, wie Becher (Anmerkung 197) annimmt, aus literarischen Quellen geschöpft hat, ist wohl kaum allgemein zu entscheiden. In Sternkunde und Sterndeutung fühlte er sich so bewandert, daß er in einer uns verlorenen Schrift sich auf eine wissenschaftliche Polemik einzulassen wagte. Auch über Opferbräuche wollte er noch schreiben. Indessen nimmt, Columella keineswegs nur wißbegierig alles auf, was er schon in der Jugend bei seinem Onkel zu sehen und zu hören bekommt; als ihn sein Heeresdienst in fremde Länder führt, sieht er nicht nur wachen Auges um sich, um Neues kennenzulernen; die landwirtschaftlichen Lehren seiner Vorgänger sammelt er
Einführung
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nicht allein in der Absicht, sie seinem Werke einzuverleiben und diesem so den enzyklopädischen Charakter zu verleihen, den er ihm geben möchte; seine Experimente schließlich macht er nicht aus bloßer Entdeckerfreude oder Spieltrieb. Hinter allem Sehen, Hören, Lesen und Versuchen steht vielmehr ein Verstand, der das zusammengetragene Material kritisch prüft, es ordnet und sichtet und der es sich angelegen sein läßt, aus der Summe von Einzelerscheinungen durch Vergleichen allgemeinere Gesichtspunkte abzuleiten, die dann weiterhin als Maßstäbe für ein selbständiges Urteil dienen können. Wir dürfen ihm also mit Fug und Recht zubilligen, daß er nicht nur viel weiß, sondern auch echte Bildung erworben hat. Daß ihm bei alledem auch das Prinzip der untrennbaren Einheit von Theorie und Praxis unumstößliches Gesetz ist, braucht wohl kaum noch besonders hinzugefügt zu werden (1 Vorr. 32f.; 3,10,8 u. ö.). Einen überzeugenden Beweis für seine auf solcher Bildung beruhende überlegene Sicherheit und unvoreingenommene Besonnenheit im Urteil gibt die in 2,2,24f. nachzulesende Polemik gegen Celsus, der mit kleineren Ochsen zu pflügen rät, weil diese billiger seien. Columella zeigt, daß so das Problem in seinem Kern gar nicht erfaßt ist; es lautet nämlich richtiger: Wie komme ich zur reichsten Ernte? Sehr einleuchtend weist er nach, daß diese zwar eine tiefere Bodenlockerung und dementsprechend schwerere Pflüge sowie stärkere, also teurere Ochsen voraussetzt, daß solche Bearbeitung aber auch einen Gewinn bringt, der die höheren Investitionen weit übersteigt. Damit scheint Celsus widerlegt, doch der durch Lektüre — hier sicher Vergil — und eigene Wahrnehmungen geschulte Columella richtet seinen Blick nun nicht mehr nur auf Italien, sondern bezieht fremde Länder in seine Betrachtung ein; daraufhin korrigiert er sein erstes Urteil durch das Zugeständnis, für die baumlosen Äcker Numidiens und Afrikas mit ihrem von Natur lockeren Boden möge die Empfehlung des Celsus gültig sein, und gibt dadurch einer zu allgemeinen Formulierung die sachlich angemessene Begrenzung. Die hohe Bedeutung, die Columella einer éyxvxfooi; naideía beimißt, mag neben seiner eigenen Berufsleidenschaft und neben dem Bewußtsein, daß seine Zeit tüchtige Landwirte dringend braucht, mit zu dem Entschluß beigetragen haben, in seinem Lehrbuch schlechthin alles darzustellen, was überhaupt zur Landwirtschaft gehört (9,9,2). Er ist sich auch voll dessen bewußt, daß sein Lehrprogramm von den Schülern beängstigend viel verlangt, und so will er ihnen die Angst vor der schier erdrückenden Fülle des Stoffes nehmen. Dabei lernen wir ihn nun von einer neuen Seite kennen, als Pädagogen. Ausgeprägtes pädagogisches Interesse muß Columella gehabt haben, der Lehrwille tritt in seinem Werke mit großer Deutlichkeit zutage. Wie aber stand es mit seinen pädagogischen Fähigkeiten? Es ist nicht ohne Reiz zu lesen, wie er gleich in der Vorrede Verstand und Gefühl der Leser anspricht, um in ihnen die innere Bereitschaft zur Aufnahme seiner Lehren zu wecken, wie er ein hohes Lied der Landwirtschaft anstimmt, Vorurteile zu zerstreuen trachtet, die Ahnen, bei denen sie in so hohen Ehren stand, als
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Zeugen ihres Wertes in Anspruch nimmt, wie er sie in Vergleichen weit über alle anderen Berufe stellt und als die für einen wahren Römer anständigste Erwerbsart überhaupt preist, kurz, wie er sein eigenes Berufsethos seinen Lesern mitzuteilen bestrebt ist. Wenn man bei dieser Werbung für den Beruf des Landwirts nach dem Motiv des materiellen Interesses sucht, so findet man es gleichfalls, einstweilen freilich mehr diskret zwischen den Zeilen, beiläufig angedeutet; desto nachdrücklicher wird es später das ganze Werk durchziehen und, wie es ein Pädagoge ausdrücken würde, durch .immanente Wiederholung' dem Bewußtsein des Lesers eingeprägt werden; überdies verstand es sich ja ganz gewiß ebenso wie für den Lehrer auch für die Schüler von selbst. Reizvoller noch als jenes Lob der Landwirtschaft ist der unmittelbare Appell Columellas an den Bildungswillen der Schüler, der ihnen das viele Lernen durch den Trost anziehender machen soll, wenn sie schon die höchste Stufe der Vollendung nicht erklimmen könnten, so sei auch ein zweiter Platz noch aller Ehren wert. Obgleich sich die Vorrede gut liest, dürfte es fraglich sein, ob ihre von Columellas Begeisterung her verständliche, übrigens wohl auch durch stilistische Überlegungen bestimmte stark pathetische und deklamatorische Färbung pädagogischer Wirkung gerade zuträglich ist. Allerdings wird Columella sein Publikum ja gekannt haben. Mehr möchte man an seinem pädagogischen Geschick zweifeln, wenn man sich am Anfang des fünften Buches durch die erstaunlich umständlich geschriebenen Kapitel über die Feldmeßkunst hindurchmüht; wir selbst würden hier und an ähnlich gearteten Stellen wohl eher einfache und übersichtliche Tabellen geben. Die Schwerfälligkeit der Darstellung könnte nun daher rühren, daß der Schriftsteller es in seinem pädagogischen Bemühen allzu gut meint, wie man denn auch bei manchen anderen Gelegenheiten den Eindruck gewinnt, daß die durch die Sache gebotene Gründlichkeit und Vielseitigkeit bei ihm bis zur Pedanterie getrieben wird. Außerdem ist noch zu berücksichtigen, daß Columella hier schon deshalb kein guter Lehrer sein kann, weil er nach eigenem Eingeständnis die Feldmeßkunst selbst nicht beherrscht. Möglicherweise muß man jedoch an dieser Stelle überhaupt mit ganz anderen Maßstäben messen, denn der Autor schreibt ja nicht für uns, sondern als Römer für Römer, und es ist nicht von der Hand zu weisen, daß es den Römern näherlag als uns, sich ohne eine wenigstens primitive theoretische Grundlage mit einer Summe von bloßen Faustregeln für die Praxis zu begnügen. Dann wäre, auch wenn sie uns nicht recht befriedigt, Columellas Methode gerechtfertigt. Daß Columella die Theorie nicht prinzipiell beiseiteschiebt, wird durch andere Stellen zur Genüge bewiesen. Er fragt ja sogar nur allzugern nicht allein nach dem Wie, sondern auch nach dem Warum und Woher (z. B. 2,10,7). Er weiß auch selbst, daß er dieser Neigung oft zu freien Lauf läßt, und besinnt sich dann gelegentlich darauf, daß ein Zuviel an Gelehrsamkeit dem Lehrzweck seines Werkes nicht zuträglich ist (vgl. 9,2,5; 9,14,12), und Becher meint (S. 67 unten), daß ihn eben das Bewußtsein seiner Weitschweifigkeit auch veranläßt haben könnte, das elfte
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und zwölfte Buch als Extrakt des Ganzen für die Bedürfnisse der reinen Praxis seinem Buche noch anzufügen. Wie schon das Altertum rügte, bezwingt er aber seine Vorliebe für die Theorie noch zuwenig, und vielleicht ist Bechers Vermutung nicht unbegründet, daß Columellas Werk aus diesem Grunde über dem für einfältige Geister leichter verständlichen des Palladius so schnell vergessen wurde (siehe unten). Wir dürfen nun aber den Pädagogen Columella nicht nach so wenigen Beispielen beurteilen und wollen uns darum jetzt noch ein allgemeineres Bild von seinem schriftstellerischen Darstellungsvermögen zu verschaffen suchen, von dem naturgemäß auch der didaktische Wert eines literarischen Werkes abhängt. Vergleicht man eine größere Zahl von Schilderungen Columellas, so scheiden sich in Art und Wirkung ihrer Darbietung ziemlich deutlich zwei Gruppen. Wenn er ein fortschreitendes Tun oder auch ein Geschehen darstellen will, versetzt er sich offenbar, wie das ein guter Schriftsteller und erst recht ein guter Lehrer soll, derart in den Vorgang hinein, daß er im Geiste gleichsam selbst die Arbeit tut, die er schildert, und er meistert dann gewöhnlich auch Themen größeren Umfanges so, daß der Leser ebenfalls .mitarbeitet' und am Schlüsse das Ganze als in sich gerundetes Bild in seinem Gedächtnis haftet. Dabei stört es nicht, sondern erhöht sogar die Farbigkeit des Bildes, wenn der Autor gelegentlich das sonst mit Recht streng von ihm praktizierte, nur leider manchmal — namentlich bei Übergängen — allzu äußerlich betonte Prinzip logischer Gliederung vergißt oder absichtlich durchbricht und Züge einflicht, die man nach diesem Prinzip eher an anderer Stelle erwarten würde. Man prüfe zum Beispiel, wieviel einprägsamer im zweiten Buch die Belehrung über Boden und Bodenbearbeitung dadurch wird, daß Columella die Ochsen, die das Werk zu verrichten haben, so stark in den Vordergrund rückt, obwohl er sie sonst erst im sechsten Buch behandelt, und ebenso brauchte er sich auch gar nicht dafür zu entschuldigen, daß er bei der Anlage von Getreidespeichern nebenbei gleich von der richtigen Bekämpfung des Kornwurms spricht (l,6,16f.). Auch noch in anderer Weise, durch seine Vergleiche nämlich, versteht der Schriftsteller der Darstellung Farbe zu geben. Hier sind nicht die zwar aus Vergleichen erwachsenen, dann aber dem allgemeinen Sprachgut einverleibten Fachwörter gemeint, etwa maritare für die .Vermählung' von Wein und Stützbaum (5,6,18), auch nicht die ,Augen' der Pflanzen, ebensowenig das »Erblinden' dieser Augen (4,9,2; 4,24,16) oder die Benennung der Teile des Weinstocks nach Gliedern des menschlichen Körpers; solche Ausdrücke werden wohl kaum noch als Vergleich empfunden, treten ja bezeichnenderweise in der Regel auch ohne Vergleichswort (ut, velut, quasi) auf; das gelegentliche quasi (4,24,5) könnte ein Einzelfall sein, in dem der Autor den sonst vergessenen Vergleich wieder bewußt machen will. Von derartigen erstarrten Fachwörtern sind die eigentlichen, sehr lebendigen Vergleiche zu scheiden, deren sich Columella bedient, um irgendetwas seinen Lesern stärker zu veranschaulichen, und die er auch meist durch ein entsprechendes Wort einführt: Der Wein klammert sich an ,wie mit Händen' (4,6,2), er ist 2
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auszubilden (formare) ,wie die Glieder von Kleinkindern' (4,3,5). Der Acker verliert nicht — wie die alternde Frau (2,1,2) — seine Fruchtbarkeit, falls er .sozusagen gemästet' wird (2,1,5); maritare (5,9,16) bedeutet im Gegensatz zu dem oben genannten (5,6,18) einen echten Vergleich. Schon früher wurden militärische Vergleiche erwähnt: Wenn der Gutsherr sich nicht sehen läßt, werden ,wie im Heere bei Abwesenheit des Feldherrn' alle Pflichten vergessen (1,1,18); Weinstöcke müssen allseitig gesichert werden, ,so wie im rings geschlossenen Viereck die Soldaten marschieren' (4,17,7); im Bienenstock lärmt es ,wie beim Aufbruch von Soldaten' (9,9,4); mit dem Hirtensignal wird .gleichsam zum Sammeln geblasen' (6,23,2); vgl. noch 11,1,25 (Befehlsgewalt) und 12,2,5. Schließlich sei noch an die sehr passenden, ebenfalls echt römischen Parallelen für den Bienenstaat erinnert. Die Bienen kämpfen miteinander ,wie im Bürgerkrieg' (9,9,5), und ,wie bei einem Zwist unter Patriziern nimmt die Masse Partei' (9,9,6); bei großem Bienensterben verharrt ein Teil ,wie bei Staatstrauer' in betrübtem Schweigen regungslos im Stocke (9,13,7); wie von den Römern die Erhaltung der gens, so wird von den Bienen der Bestand des Stockes .gewissermaßen durch das Adoptieren einer jungen Generation' gesichert (9,13,9); .Senat' (9,11,2). Während nun aber Columella Vorgänge wirkungsvoll darzustellen versteht, gelingt ihm die klare Beschreibung eines Gegenstandes manchmal weniger gut. Der Grund für ein solches Versagen könnte darin bestehen, daß der Lehrer seinen Stoff zu gut beherrscht, daher den Maßstab für das verliert, was er bei unerfahrenen Lernenden voraussetzen darf, und, wie man zu sagen pflegt, über ihre Köpfe hinweg unterrichtet. Jedenfalls ist an den drei Textstellen, an denen sich der Autor mit dem .Storch' (3,13,11 f.), der Winzerhippe (4,25) und den Zeidelmessern (9,15) beschäftigt, keines der Werkzeuge so klar und deutlich beschrieben, daß man es ohne Zweifel richtig nachzeichnen könnte; am zuverlässigsten erhellt das daraus, daß der Streit der Ausleger bis heute keine sichere Entscheidung gebracht hat; man vergleiche die Erläuterungen zu den zitierten Stellen. Was aber nicht klar ist, vermag ein Lernender auch nicht klar aufzufassen. Columellas Pädagogik zeigt also, soweit sie die Wirkung des Schriftstellers auf seine Leser betrifft, Licht- und Schattenseiten, und namentlich das psychologische Einfühlungsvermögen, das zum Pädagogen gehört, tritt nicht ausreichend in Erscheinung. U m so deutlicher kommt diese Gabe aber in einem anderen Bereich von Columellas Wirken an den T a g : Sie zeigt sich in der Art, wie er seinen Sklaven gegenübersteht. Dieses Thema setzt einige Vertrautheit mit dem Wesen der römischen Sklaverei voraus, und da von dieser ohnehin genauer gesprochen werden muß, soll das hier geschehen. Wir knüpfen dazu an die bereits oben getroffene Feststellung an, daß der Besitzer eines Landgutes danach streben soll, durch dessen möglichst rationelle Nutzung sein Vermögen zu mehren. U m nämlich die römische Sklaverei zu verstehen, muß man die Rolle kennen, die die Rentabilität in der römischen Wirtschaft spielte. Wir beschränken uns hier natürlich auf die Landwirtschaft.
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Der Wille, Besitz nicht nur zu wahren, sondern zu vergrößern, gibt den entscheidenden, um nicht zu sagen einzigen Beweggrund ab, sich der Landwirtschaft zu widmen, und demgemäß ist höchstmöglicher Gewinn der maßgebende Gesichtspunkt für ihre Betriebsweise. Dieses Motiv durchzieht teils offen, teils versteckter auch Columellas ganze Schrift, ja, es beherrscht sie. Will man das nachprüfen, so sollte man den Hauptwert nicht so sehr auf die theoretischen Erörterungen legen, weil Columella da vielleicht manches nur übernimmt, was Frühere gesagt haben — obwohl er ja eben durch die Übernahme sich damit identifiziert —; stärkere Beweiskraft dürfte vielmehr den gleichsam unabsichtlichen kleinen und beiläufigen Bemerkungen zuzumessen sein sowie solchen Stellen, wo unausgesprochen das gleiche Motiv durchklingt; gerade sie lassen am zuverlässigsten erkennen, wie tief der Schriftsteller von seiner Überzeugung durchdrungen ist. So soll z. B. im Gutsbetrieb, damit er Gewinn bringt, strengste Sparsamkeit herrschen. Nichts darf umkommen, auch Abfall wird noch verwertet, so die Weintrester als Futter, die amurca, der beim Auspressen der Oliven sich bildende ölschaum, zur Düngung. Das Tierfutter wird genauestens rationiert; solange Hühner Eier legen und Zugtiere schwer arbeiten, bekommen sie viel; sind diese Zeiten aber vorüber, wird die Futtermenge reduziert. Bohnen darf man nur verfüttern, wenn sie nach großer Ernte billig sind. Sparsamkeit am falschen Platze freilich verurteilt Columella; wie wir schon hörten, wendet er sich energisch gegen Celsus, der allzu sparsam nur kleine Pflüge und Zugochsen kaufen will, die nicht das Erforderliche leisten. Man soll auch nicht einen billigen, sondern einen tüchtigen Winzer kaufen. Sehr charakteristisch ist die Spekulation auf die jeweilige Marktlage (3,21,6 u. ö.) oder auf die Käuferwünsche (8,17,8), überhaupt auf Absatzmöglichkeit (1,3,3): Sie zeigt den gewiegten Kaufmann. Leider geht Columellas Geschäftstüchtigkeit so weit, daß sich bei ihm — offenbar ohne daß er es selbst merkt — die Grenzen zwischen anständigen und unlauteren Handelsmethoden verwischen. Wenn er nämlich (8,17,15) empfiehlt, man solle, um auf dem Markt gute Preise zu erzielen, bei den im Teich gezüchteten Meerfischen nicht mit dem Futter sparen, so tut er das mit der ausdrücklichen Begründung, mageren Fischen würden es die Käufer ansehen, daß sie nicht auf hoher See gefangen seien, sondern aus dem Teich stammten, und würden deshalb weniger bezahlen. Das kann doch nur heißen, daß Columella um des höheren Gewinns willen die Abnehmer einer Ware durch Vorspiegelung falscher Tatsachen hinters Licht zu führen rät, und ein solches Geschäftsgebaren würde wohl nicht nur Cicero — man vergleiche De officiis 3,14,58—60 — als dolus malus, als arglistige Täuschung brandmarken. Ebenso fragwürdig — und widersprüchlich dazu — erscheint Columellas kaufmännisches Spekulieren, wenn er unsinnige Genußsucht pathetisch geißelt, im gleichen Atemzug aber den Landwirten nahelegt, sich an ihr zu bereichern (8,10,6; 8,16,6): Profit geht eben über alles. 2*
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Was für die gesamte römische Großlandwirtschaft schon seit Catos Zeiten gegolten hatte, gilt also auch für Columella: Der Erwerb eines Gutes ist eine Kapitalanlage mit dem Ziel, möglichst hohe Zinsen herauszuwirtschaften. Über dieses rein materielle Ziel hinaus geht höchstens der gleichfalls schon von Cato vertretene, von Columella wohl nur ausführlicher formulierte Gedanke, daß die Landwirtschaft nicht nur eine unter vielen, sondern die einzige eines echten Römers würdige Erwerbsquelle ist ; doch übersehe man dabei nicht, daß es bei dem Vergleich verschiedener Berufe, den Columella anstellt, immer nur darum geht, ob eine Erwerbsart mehr oder weniger gefährlich, moralisch oder einem Römer angemessen ist: Der Wert des Gewinnstrebens an sich wird keinen Augenblick in Frage gestellt, so selbstverständlich beherrscht dieses die römische Mentalität. Sollte nun ein Landgut höchsten Gewinn abwerfen, so mußte vor allem die vorhandene Arbeitskapazität voll ausgeschöpft werden; und so, wie wir heute die Rentabilität dadurch zu steigern bemüht sind, daß wir die Maschinen als die unserer Zeit gemäßen Arbeitsmittel bis zur Höchstgrenze ihrer Leistungsfähigkeit beanspruchen, war es auch im Altertum natürlich, daß die der damaligen Entwicklungsstufe der menschlichen Gesellschaft entsprechenden Arbeitsmittel voll eingesetzt wurden. Das waren aber nicht, wie bei uns überwiegend, Maschinen, sondern, wie es am charakteristischsten Varro ausdrückt, instrumenti genus vocale et semivocale et mutum, das heißt die sprechenden, die halbsprechenden und die stummen Werkzeuge, also — in umgekehrter Reihenfolge — beispielsweise auf dem Acker der Pflug, die Ochsen, die ihn ziehen, und der Mensch, der den Pflug führt und die Ochsen treibt. Gerät, Tier und Mensch stehen dabei auf gleicher Stufe, sie sind nichts als instrumenta, und der Sklave wird nicht anders betrachtet als Pflug und Ochse: Er ist Werkzeug, das wie jene gekauft oder gezüchtet wird. Damit aber das Werkzeug seine Kosten mit Zinsen einbringt, nutzt man es bis zum äußersten aus, und auch wenn es endgültig ausgedient hat, muß es noch sein Letztes hergeben: Es wird verkauft; anders zu verfahren wäre unrentabel. Cato rät ausdrücklich: Altes Eisen und alte oder kranke Sklaven soll man verkaufen. Weil eine derart bis zum letzten konsequente Wirtschaftsgesinnung uns unerträglich erscheint, freuen wir uns um so mehr, wenn wir bei Columella auch anderes lesen. An einer Reihe von Stellen empfiehlt dieser nämlich Verfahrensweisen, die sich durchaus als Ausdruck humanitärer Einstellung werten lassen; und in Grenzen trifft eine solche Beurteilung sicherlich auch zu, denn Columella war, als Individuum betrachtet, ganz gewiß kein inhumaner Charakter. Aber er war doch auch ein Kind seiner Zeit und ein Glied seiner Gesellschaftsklasse. Das merkt man sehr schnell, wenn man den Motiven seiner in ihrem Ergebnis wirklich humanen Empfehlungen auf den Grund geht. Weshalb verbietet er dem Pflüger, seine Ochsen zu schinden, sie mit Stachel oder Feuer zu strafen? Nicht weil das Tierquälerei ist, sondern weil die Ochsen dadurch Schaden leiden, störrisch
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und sogar gefährlich werden; das aber mindert ihre Leistung, und ihr Einsatz macht sich infolgedessen nicht voll bezahlt. So wird, wie Columella es wiederholt ausdrückt, die Kasse des Gutsherrn belastet, mit anderen Worten: Letztes Motiv ist wieder die Rentabilität, ganz wie sie es für Cato gewesen war. Bei der Behandlung der Sklaven unterscheiden sich Cato und Columella nur in der Wahl der Mittel, die sie rentabel machen, d. h. an die Arbeit bringen sollen, zu der sie aus begreiflichen Gründen durchaus keine Lust haben. Cato will sie, seinem eigenen harten Wesen entsprechend, durch Härte zum Fleiß zwingen. Gewaltanwendung aber macht die Widerspenstigen auch noch gefährlich, und nun greift Cato aus Furcht vor ihnen, um sie in Schach zu halten, zu noch grausameren Strafen. Er erlebte ja noch nicht, wohin solches Vorgehen schließlich führen mußte. Den Späteren aber wurden durch die bedrohlichen Sklavenaufstände die Augen geöffnet, und so geht schon Varro an die schwierige Aufgabe ganz anders, humaner und optimistischer heran; er zieht es vor, die Sklaven durch gute Behandlung mit ihrem Lose auszusöhnen, sie so für die Arbeit williger zu machen und gleichzeitig etwa von ihnen drohende Gefahren zu bannen. Auf diesem Wege folgt ihm, wie schon angedeutet, Columella. Möglicherweise dürfen wir indessen bei diesem auch noch einen persönlichen Einfluß vermuten, der ihm die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bestätigte: Er kannte Seneca. Dieser erörtert in einem seiner Briefe an Lucilius (Nr. 47), nur mit etwas anderer Gewichtsverteilung, die gleichen Gedanken, die uns hier beschäftigen. Aus der Anerkennung des Menschentums der Sklaven — auch der Landsklaven — folgt für ihn als sittliches Postulat die Pflicht, sie als Menschen zu behandeln und sie durch Bildung und Erziehung zu seiner eigenen Höhe emporzuheben (hier ist Seneca optimistischer als Columella, der den Sklaven, wie mehrmals sichtbar wird, höchstens eine begrenzte Bildungsfähigkeit zutraut). Dann werden die Sklaven zu Freunden, die man nicht mehr zu fürchten braucht. Sollte Columella den Brief nicht gekannt haben, so zeigt sich doch mindestens, daß das Thema auch für andere Sklavenhalter der Zeit, und zwar für sehr einflußreiche, aktuell war. Hat er ihn aber gekannt, dann kann unmöglich Senecas so eindrucksvoll formulierte These ,auch Sklaven sind Menschen! spurlos an ihm vorübergegangen sein, zumal er vielleicht sogar in persönlichen Beziehungen zu ihm stand und außerdem die betont pädagogische Tendenz des Briefes seine eigene Neigung zur Pädagogik besonders ansprechen mußte. Neben oder richtiger bereits vor der Frage, mit welchen Mitteln man vorhandene Arbeitskapazität am besten zu voller Wirkung bringt, steht für jeden Unternehmer noch das Problem, überhaupt erst einmal Arbeitskräfte zu beschaffen. Seine Lösung war in der römischen Kaiserzeit ungleich schwieriger als vorher, und schon deswegen mußte Columella, unbeschadet gleicher Wirtschaftsgrundsätze, seinen Sklaven anders gegenüberstehen als Cato. Inzwischen hatte sich ja, vornehmlich seit der Konsolidierung der Monarchie, ein Wandel im Sklavenangebot vollzogen. Früher waren massenhaft Kriegsgefangene auf die Sklavenmärkte ge-
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worfen und diese außerdem noch durch die Seeräuber und andere skrupellose Menschenfänger, sogar römische Steuerpächter (RE Suppl. 6,958, Art. .Sklaverei'), beliefert worden. Darum brauchte man mit dem .Werkzeug' nicht allzu schonend umzugehen, da man es ja, wenngleich die nie sehr niedrigen Sklavenpreise immer schmerzen mochten, doch jederzeit ersetzen konnte. Zu Columellas Zeit jedoch waren Sklaven nicht nur teuer, sondern auch Mangelware. Schwer ersetzbares Werkzeug aber wird man noch mehr als nur teures nicht allein so rationell wie möglich gebrauchen, sondern es auch sehr pfleglich behandeln, sonst müßte die Kasse des Gutsherrn allzu großen Schaden tragen. Bemerkenswert ist, daß man, um solchem Schaden abzuhelfen, sogar zur Sklavenzüchtung überging: Cato organisiert noch die Prostitution unter Sklaven (vgl. R E Suppl. 6,979, Art. .Sklaverei'), Varro aber rät zur Gründung von Sklavenfamilien, und Columella prämiiert kinderreiche Sklavenmütter (1,8,19). Die Gesamtauffassung des Schriftstellers von der Behandlung des Arbeiter,materials' — das sind neben den Sklaven auch die Pächter — erscheint konzentriert im siebenten und achten Kapitel des ersten Buches: Columella fordert eine straff organisierte, durch ökonomisch richtigen Einsatz vorbereitete, durch schärfste Kontrolle gesicherte, aber um des wohlverstandenen eigenen Nutzens willen durch Humanität gemilderte äußerste Anspannung auch der letzten Arbeitskraft. Sobald jedoch der eigene Nutzen gefährdet erscheint, hat die Humanität zurückzutreten; nur so kann es verstanden werden, wenn Columella (1,7,4) von Varro den Rat übernimmt, in ungesunden Gegenden solle man nicht die teuren Sklaven gefährden, sondern Pächter einsetzen: Deren Tod fällt ja nicht der Kasse des Herrn zur Last. Entscheidend bleibt also immer der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Weiter soll auf die genannten Kapitel jetzt nicht eingegangen werden, da wir unter anderem Blickwinkel bald zu ihnen zurückkehren und es auch zweckmäßiger ist, sie als Ganzes zu lesen; sie geben nämlich ein vorzügliches Bild von der Sklavenexistenz überhaupt. Einige Hinweise, die dieses Bild ergänzen, sind aber noch erforderlich. Da Columella aus Erfahrung jedem Sklaven mißtraut — der Landsklave ist eben nicht der Freund seines Herrn, zu dem Seneca ihn erziehen möchte —, hat er ein ganzes Kontrollsystem aufgebaut, das nicht nur die Arbeitszeit erfaßt (dazu besonders 1,9,7), sondern den ganzen Tageslauf des Sklaven einschließt, und bei dem letzten Endes jeder jeden überwacht. Auch die leitenden Sklaven sind nämlich der Kontrolle unterworfen, und zwar sogar einer doppelten, von oben seitens des Herrn, aber auch von unten, denn jeder Sklave hat das Recht, über Vorgesetzte beim Herrn Klage zu führen. Dieser ist oberster Aufseher über alle und alles und sollte deshalb — das fordert der Schriftsteller wiederholt — möglichst selbst auf dem Gut wohnen. Kinderarbeit ist selbstverständlich; sie wird nur gelegentlich erwähnt, und an diesen Stellen handelt es sich stets um leichte Arbeiten, die den Kräften von
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Kindern angemessen sind. Wenn Frauen, etwa wegen allzu schlechten Wetters, nicht aufs Feld gehen sollen, haben sie im Hause ihr volles Arbeitspensum zu leisten. Sobald es dunkel ist, können auch die Männer nicht mehr im Freien arbeiten, und darum wird im Winter der allzu kurze Tag morgens und abends durch künstliches Licht verlängert, und Columella schreibt genau vor, was da getan werden kann und soll. Schließlich gibt es noch die Feiertage, und es wäre ärgerlich, wenn sie für die Arbeit ausfielen. Wohl will sich Columella, der auch sonst zu gewissenhafter Beachtung der religiones mahnt, an die religiösen Vorschriften halten, die eine Reihe von Arbeiten ausdrücklich verbieten, aber er nimmt in seine Schrift (2,21) sehr gern den schon alteingeführten Katalog der auch an Feiertagen zulässigen Arbeiten auf, der den Eindruck erweckt, daß man ihn nach dem Grundsatz ,Was nicht verboten ist, ist erlaubt' aufgestellt hat. Für weiteres Material zur Sklaverei soll nun auf Columellas Buch selbst und auf die Literaturangabe in der Erläuterungzu 1,7,1 (Sklaven) verwiesen werden, denn wir müssen zum Ausgangspunkt dieser Erörterung zurückkehren. Bei der Betrachtung des Pädagogen Columella wurde behauptet, er zeige in der Behandlung seiner Sklaven psychologisches Verständnis. Was darüber zu sagen ist, gründet sich vornehmlich auf l,7f., ferner auf die — teilweise nur wiederholenden — Anweisungen für Verwalter und Wirtschafterin im elften und zwölften Buch. Psychologischer Natur ist schon die grundlegende Erkenntnis, von der wir ausführlich gehandelt haben: Wenn man den Sklaven ihre Arbeit und ihr Leben überhaupt erträglicher macht, ist das für die Erhöhung der Arbeitsproduktivität wirksamer als harte Antreiberei. Es bedarf dazu der gleichbleibend bestimmten, maßvollen Haltung, der unbestechlichen Gerechtigkeit, der steten Fürsorge und des menschlich wohlwollenden Verständnisses des Herrn und der sonstigen Vorgesetzten. Diese dürfen nicht unüberlegt das Arbeitsmaß überhöhen, denn das weckt berechtigten Verdruß; ein Pensum, das der Arbeiter überschauen und dessen Abschluß er vorausberechnen kann, wird er mit größerem Schwung, vielleicht sogar mit Freude zu bewältigen streben (4,18,2). Tüchtige Leute soll man ehren und belohnen, weniger Tüchtigen zeigen, daß man {tuch ihnen etwas zutraut; das zerstreut Mißmut und stachelt ihren Ehrgeiz an. Auch Wettbewerb ist zu empfehlen. Autorität hat ein Vorgesetzter nur, wenn er mehr kann als der Untergebene. Auch Befehlen will gelernt sein. Anordnungen sollen weder schroff noch lässig gegeben werden. Wohldosierte Umgänglichkeit, die bis zu ungezwungenem Scherzen gehen darf, wirkt positiv auf die Stimmung und damit auf die Leistung. Vergehen darf man nie unbeherrscht oder grausam, sondern immer nur dem Maß der Schuld entsprechend ahnden. Besser als Strafen aber ist Vorbeugen: Viele Übeltaten sind eher Schuld eines Vorgesetzten, der seine Aufsichtspflicht vernachlässigt hat. Ein bewährtes Vorbeugungsmittel ist Arbeit bis zur Ermüdung: Wer müde ist, hat keine Lust mehr zu bösen Streichen.
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Keinem Sklaven darf vorenthalten werden, was ihm seiner Stellung nach an Nahrung und Kleidung zusteht; geschieht das dennoch, so muß auch der Geringste das Recht zur Beschwerde haben, und dieser muß man nachgehen; sonst wird er verbittert. Individuelle Verantwortlichkeit fördert den Leistungswillen. Besitz, den man nicht selbst beaufsichtigen kann, soll man nicht durch Sklaven bewirtschaften lassen, sondern verpachten, denn den Pächter spornt seine materielle Interessiertheit an. Man verärgere nie seine Leute durch Kleinlichkeit, indem man zum Beispiel bei den Pächtern übertrieben genau auf die Einhaltung von Zahlungsterminen drängt; überlegte Großzügigkeit macht sich bezahlt. Wenn Columella endlich empfiehlt, man solle häufigen Pächterwechsel vermeiden und alteingesessene Pächter vorziehen, so macht er hier auch das Heimatgefühl seinen Zwecken dienstbar: Er kalkuliert also schlechthin alle menschlichen Regungen ein. Fraglos ist alles Aufgezählte psychologisch richtig gesehen und verspricht pädagogische Wirkung. Wir dürfen darum Columella das Zeugnis ausstellen, daß er ein guter Psychologe ist. Ernst und Gewissenhaftigkeit seines pädagogischen Wollens aber bezeugen sich — damit soll dieses Thema seinen Abschluß finden — in der Forderung, der Lehrer müsse Vorbild sein, sowie in dem Eingeständnis, das fast wie ein Stoßseufzer klingt: Lehren ist schwer (11,1,4 und 6)! Da in dieser Einführung einige Züge im Wesen Columellas beleuchtet werden sollen, um ihn uns als Menschen ein wenig näherzubringen, darf man nicht an der Frage vorübergehen, ob uns das Werk auch über das Gefühlsleben seines Autors etwas erkennen läßt. Davon wird man in einem Lehrbuch der Landwirtschaft nicht allzuviel erwarten, aber glücklicherweise ist Columella doch nicht so nüchtern, daß nicht manchmal auch sein Gefühl zu uns spräche. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß trotz aller Einschränkungen, die gemacht werden müssen, bei seiner Behandlung der Sklaven auch ursprüngliches menschliches Empfinden mitgesprochen haben wird. Sucht man darüber hinaus nach weiteren Gefühlsäußerungen, so dürfte es ebenso wie bei der Frage nach den wirtschaftlichen Grundsätzen Columellas auch hier am Platze sein, vornehmlich auf Stellen zu achten, an denen der Autor nicht auf rhetorische Wirkungen bedacht ist. Wenn er sich nämlich bemüht, sein schriftstellerisches Können ins Licht zu setzen, wird es — ganz abgesehen von stofflichen Entlehnungen, die auch noch in Rechnung gestellt werden müßten — oft schwer zu entscheiden sein, wo echtes Gefühl in bloßes Deklamieren übergeht. Wer ganz mißtrauisch ist, wird vielleicht sogar fragen, ob er sich nicht hier und da überhaupt nur von hohlem Pathos tragen läßt. Mit einigem Grund wäre diese Frage vor allem für das zehnte Buch zu stellen. Gemeint sind nicht solche Versgruppen wie V. 77—85, die mit dem zwar nicht neuen, nämlich aus dem Bauernkalender (vgl. 11,2,21) übernommenen, aber gewiß auch empfundenen Schwalbenmotiv (V. 80) sehr geschickt die Brücke schlagen zwischen Himmel und Erde, zwischen dem Walten der Elemente und dem ländlichen Alltag. Wohl
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aber fordert die Gestaltung des Zeugungs- und Muttermotivs Kritik heraus. So nahe es liegt und so berechtigt seine Verwendung ist, ist doch seine übertriebene Ausmalung schon deshalb nicht zu billigen, weil sie anscheinend nur zum kleinsten Teile durch echtes Empfinden hervorgerufen ist. Viel eher sieht es so aus, als ob Columella sich im Glänze seines Könnens sonnen möchte, indem er zeigt, daß ihm der ganze mythologische Apparat sowie die Fähigkeit, ihn dichterisch zu gestalten, zur Verfügung steht, und bei der bis zum peinlich Geschmacklosen gehenden Ausführung des Muttergleichnisses dürfte ihm außerdem ein allzu starker Hang zur Vollständigkeit, also seine Pedanterie, zum Verhängnis geworden sein. Seinem ästhetischen Empfinden ist somit das Gefühl für das rechte Maß nicht immer gegeben; denn der Ordnungsruf, den er sich selbst erteilt (V. 215f.), darf wohl kaum als ernst gemeint, sondern nur als beliebte Floskel (vgl. Horaz, Carm. 3,3,69) verstanden werden. Der Vorwurf der Indezenz allerdings, den Schneider im Kommentar gegen die Schilderung des Priapusbildes (V. 31 f.) erhebt, wirkt wie Prüderie und läßt außer acht, daß die Antike geschlechtliche Dinge unbefangener beim Namen nannte, als es andere Zeiten taten. Man darf nun aber Columellas Bildungsstolz nicht allzu hart kritisieren, und ebenso täte man ihm Unrecht, wenn man ihm das Selbstgefühl übelnähme, das ihn im Hinblick auf das beseelt, was er aus sich gemacht hat; denn Bildung und berufliche Tüchtigkeit hat er aus eigener Kraft erworben. Es ist immer bezeichnend für einen Menschen, ob und woran er sich zu freuen vermag. Wenn nun Columella sich auch zuallererst über den Gewinn freut, den die Arbeit dem tüchtigen Landwirt bringt, so freut er sich doch sichtlich aus reinem Tätigkeitsdrang auch am Tun selbst. Nicht allein um eines Nutzeffektes willen experimentiert er, sondern — man denke an den ,Storch' (3,13,11 f.) — wohl auch aus Vergnügen am Basteln; bei seinen komplizierten Pfropfversuchen etwa (vgl. 5,11,12) wird ihn schon die Spannung auf den Erfolg angenehm erregt haben, und wenn dann etwas Besonderes oder gar Neues geglückt war, hat er ohne Zweifel den Stolz auf das Gelingen mit hohem Genuß ausgekostet. Das im einzelnen durch Belegstellen zu beweisen, ist schwierig, doch spricht der Gesamteindruck deutlich genug dafür. Im folgenden wollen wir aber wieder sicheren philologischen Boden betreten. Bei Varro (vgl. R E Suppl. 6,979, Art. .Sklaverei') ist zu lesen, daß ein Landgut nicht nur dem Nutzen, sondern auch dem Vergnügen seines Besitzers dienen soll. Zwar mehr am Rande, aber doch klar genug hören wir ähnliches auch von Columella, z. B. 1,4,8, wo allerdings stärker an die Ehefrau des Gutsherrn gedacht ist als an ihn selbst. Deshalb seien gleich noch weitere Stellen angefügt. So heißt es 8,11,1 ausdrücklich, der Herr müsse alle Möglichkeiten wahrnehmen, sich das einsame Landleben angenehm zu machen, und er solle daher auch Pfauen halten, um sich — und seine Gäste — an der Pracht des schönen Vogels zu erfreuen. Ganz unmittelbar an das Einerseits — Andererseits des Varrowortes aber erinnert in der Vorrede des neunten Buches die Begründung, weshalb der Landwirt sich ein
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Wildgehege anlegen soll: Es bietet ihm Augenweide und ist zugleich Speisekammer, und damit er die Tiere bequem betrachten kann, soll das Gehege recht dicht am Haus liegen (9,1,1). Am allerdeutlichsten wird der Schönheitssinn des Landwirts und Schriftstellers aber wohl 3,21,3 sichtbar. Auf gehörige Ordnung hält nämlich Columella nicht nur, weil sie für ein Unternehmen, das florieren soll, unerläßlich ist, er tut es auch nicht allein aus Pedanterie, sondern mindestens an der eben zitierten Stelle lassen uns seine Worte spüren, wie die wohlgegründete Ordnung einer fröhlich gedeihenden Weinpflanzung ihm auch ein ästhetisches Hochgefühl gibt und sein Herz erfreut. Am Anfang von § 4 glauben wir dann wieder direkt Varro zu hören, nur ist es charakteristisch für Columella, wie er dabei gleich, um nicht mißverstanden zu werden, das Nebeneinander von Nutzen und Vergnügen in seinem Sinne zurechtrückt: So wunderschön auch der Anblick sein mag, zuerst kommt doch der Nutzen und erst dann das Vergnügen. Weniger beweiskräftig ist 12,2,4f., weil Columella dort nur Xenophons bzw. Ciceros Darstellung wiedergibt. Ob man dem Diminutiv agellis (3,3,14) einen Gefühlswert zuschreiben darf (vgl. die Erläuterung zur Stelle), läßt sich kaum entscheiden, und ob wir 1,5,4 auf eine naive Freude an der Schönheit lebendigen Wassers schließen dürfen, ist ebenfalls unsicher, wenn auch nicht unwahrscheinlich; auf jeden Fall aber dürfen wir dem Autor ursprüngliches Naturgefühl zusprechen, weil zahlreiche seiner Schilderungen augenscheinlich von naiver Freude am Naturgeschehen, am Gedeihen der Pflanzen, am Gebaren der Tiere belebt werden und eben daher an Anziehungskraft gewinnen. Eins der köstlichsten Bilder, die uns der Schriftsteller schenkt, ist sicherlich die Jagd auf die wilden Bienen (9,8,7f.); daneben erfreut uns — wie den Autor selbst — das Miniaturstückchen von den Hennen, die ihrer Artgenossin die stattliche Pfauenbrut neiden und darum ihre eigenen Küken nicht mehr leiden mögen (8,ll,15f.). Schimmert nicht sogar eine Art von Humor durch, wenn (6,37,1) der liebestolle Esel in die Mühle geschickt und dazu trocken erklärt wird, das kühle seine Liebesglut? Wirkt auf den Leser nicht ähnlich das Bild von der Zähmung des störrischen und faulen Ochsen (6,2,9—12) mit seinem einfühlsamen Verständnis für die Natur des Tieres, namentlich das .Hunger tut weh' am Ende von § 11? Steckt nicht Humor in der Ironie, mit der 9,13,5 ein törichter Aberglaube abgelehnt wird? Vielleicht darf man auch bei dem Ärger über den bösen Nachbarn (1,3,7) einen freilich etwas grimmigen Humor heraushören. Auf jeden Fall aber kann man bei Columella einen Sinn für Scherz feststellen. Dieser äußert sich nicht nur darin, daß ihm, wie wir sahen, das Scherzen als pädagogisches Mittel bei Sklaven dient, sondern auch in einem harmlos spaßigen Wortspiel wie im Buch 10, V. 250 (beta) oder im Verweilen bei Anekdoten und dergleichen (8,16,3; 4,3,6; 2,10,9). Des weiteren wäre nun noch manches andere zu erwähnen, das das Verständnis für Columellas Wesen vertieft; es wäre zu sprechen über seine Weltanschauung und ihre philosophischen Grundlagen, über seinen Patriotismus, ferner über seine religio, das heißt sowohl seine Religiosität wie seine Stellung zu religiösen
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Bräuchen, auch zu allerlei Aberglauben, über den er getreulich berichtet, ohne daß immer ganz klar wird, was er persönlich davon hält. Das soll aber späteren Arbeiten überlassen bleiben, zumal man, um volles Verständis zu erreichen, wohl weiter ausgreifen müßte, als es in einer Einführung möglich und zweckmäßig ist. Für die Philosophie des Schriftstellers ist auf eine Abhandlung von H. Gummerus hinzuweisen1, die nach Schanz (S. 503, Anm. 1) zeigt, daß Columella sich besonders von der Stoa leiten ließ, aber nicht zu einer einheitlichen, widerspruchslosen Anschauung gelangte. Nur ein einziger, besonders merkwürdiger Punkt, der in diese Bereiche gehört, soll noch erörtert werden und gleichzeitig den Abschnitt beschließen. E s handelt sich um ein Wort Columellas (1 Vorr. 7), von dem man, wenn es nicht so gut wie sicher überliefert wäre, zunächst kaum glauben möchte, daß ein Römer es geschrieben hat. Columella lehnt den Krieg ab, er verabscheut ihn (perodisse), weil er ,uns nichts ohne Blutvergießen und ohne Unheil für Fremde einbringt'. Für das ältere Römertum catonischer Härte, das j a wahrhaftig nicht ohne — eigenes und fremdes — Blut und ohne Unheil für Fremde das Imperium aufbaute, wäre eine solche pazifistische Äußerung völlig undenkbar gewesen, und so fragt man sich, woher denn unser Schriftsteller diesen Gedanken haben mag, da er kaum von ihm selbst stammen wird. Das Rätsel löst sich leicht, wenn wir annehmen, daß er unter dem Einfluß einer Zeitströmung stand, die sich für uns am greifbarsten in Seneca verkörpert. Worum es geht, mögen einige Zeilen aus einem Buche von Max Mühl zeigen 2 : ,Die Philanthropie feiert in der Lehre Senecas ihre Triumphe . . . alteri vivas oportet, si vis tibi vivere (ep. 48,2)' — lebe für andere, um dir selbst zu leben —, ,Es ist klar, daß eine solche Anschauung eine absolute Verneinung des Kriegsgedankens in sich schließen m u ß t e ' . . . ,Seneca ergibt sich einem doktrinären Pazifismus'. Daß Columella solchen Gedankengängen des Senecakreises folgt, ist wahrscheinlich, da er diesem Kreis selbst angehörte oder ihm doch nahestand. Hinzuzufügen ist nur noch, daß jener Pazifismus keineswegs bloß eine philosophische Modeströmung war, sondern politische Wurzeln hatte: Seit Augustus ging es der römischen Politik j a im wesentlichen um die Sicherung des Imperiums, und größere Eroberungen beginnen — abgesehen von Britannien — erst wieder unter Trajan. Nunmehr haben wir zu dem, was für die Charakteristik des Werkes schon vorweggenommen wurde, noch einiges nachzutragen, uns dann seiner Entstehungsgeschichte und seiner Stellung in der römischen Agrarliteratur zuzuwenden und schließlich den Weg zu verfolgen, auf dem es durch die Jahrhunderte bis in unsere Zeit gelangt ist.
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De Columella philosopho, Helsingfors 1910. Die antike Menschheitsidee, Leipzig 1928, S. 85.
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Auf eine Einschätzung des sachlichen Wertes oder Unwertes der landwirtschaftlichen Vorschriften Columellas wollen wir mit der gleichen Begründung verzichten wie Becher (S. 41): a praeceptorum rusticorum aestimatione ego philologus me ábstineo (,von einer Bewertung der landwirtschaftlichen Vorschriften sehe ich ab, da ich (nur) Philologe bin'); wir möchten sie, wie der Schluß dieser Einführung noch zeigen wird, Berufeneren überlassen. Wohl aber muß über die sprachlichen Mittel, deren sich der Schriftsteller bedient, einiges gesagt werden. Das umfangreiche Material, das M. Kottmann zu dieser Frage gesammelt hat, ist zusammen mit dem anderer Spezialschriften von Kappelmacher (RE 19, Art. .Iunius') und Josephson (Hss.) verwertet worden. Auffallendstes Merkmal der Diktion Columellas ist unstreitig die sprachliche Abwechslung. Sie drückt sich zunächst in der Vielzahl der Synonyma aus; für ,pflügen' nennt die RE nicht weniger als zweiundzwanzig verschiedene Ausdrücke. Noch deutlicher tritt das Prinzip hervor, wenn zahlreiche Synonyma in parallel gebauten Sätzen einander unmittelbar folgen wie 1 Vorr. 3f; der Wechsel beschränkt sich keineswegs auf bestimmte Wortarten; wir lesen beispielsweise 3,2,27 dapsilis — fertilis, 4,21,3 quídam — alii — nonnulli-, zur Variierung disjunktiver Partikeln (aut — vel, vel — aut, aut — ve) vgl. Jos. Hss. S. 79. Ferner wechselt Columella die Kasus: 4,3,5 vineam bonique generis et bono cullore, oder er koppelt reinen Kasus und Präpositionalausdruck: 8,2,9 in his quoque sicvt feminis idem color (Jos. Hss. S. 170). Einen Wechsel der Person finden wir in 2.9.2 seritur — iacimus, einen Moduswechsel in 6,24,4 ubi ... sit ...; at ubi est; zur Numerusvariation (8,4) vgl. Jos. Hss. S. 84 Anmerkung 60, auch S. 88. Die Verwendung von Diminutiva zum Zweck der Variation erörtert die gleiche Schrift auf S. 92 zu 8,2,8 cristulis, das Gegenüber von Verba Simplicia und composita auf S. 46 f. Wie weit Columellas Hang zum Variieren geht, zeigt aber vielleicht am besten in 4,6,2 f. der völlig unterschiedslose Gebrauch von statumen, palus und ridica für die Weinstützen, obwohl die drei Wörter alles andere als synonym sind und Columella sie sonst (4,33,4) auch scharf voneinander trennt; wenn nicht der ganze Zusammenhang so klar wäre, wären daher sogar Mißverständnisse möglich; darüber jedoch sieht der Schriftsteller, nur um variieren zu können, völlig hinweg. Zwei weitere Merkmale von Columellas Stil sollen nur mit je einem Beispiel belegt werden; Columella liebt die Alliteration und die Litotes: 7,6,9 alacer atque audax, 2.9.3 non incommodus. Während die Variation ein sicheres Zeugnis für Columellas stilistisches Bemühen ist und wir auch Alliteration und Litotes wohl ebenso zu deuten haben, dürfte von den nun anzuführenden Besonderheiten der größere Teil aus der Umgangssprache der Zeit stammen, einiges aber der Terminologie des Landwirts zuzuweisen sein. Pleonastische Verwendung von kopulativen Partikeln Hegt vor in: 9,8,5 atque improbae quoque (Jos. Hss. S. 47,82,172). .Abundantischen' Gebrauch des Pronomens finden wir in 8,9,1 und 8,11,3 eaque sowie in 8,15,1 isque (Jos. Hss. S. 172).
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Pleonasmus bei Negationen gebraucht Columella in 1,3,4 und 8,14,2 (Jos. Hss. S. 103). Doppelte Steigerung liegt vor in 8,5,5, magis ... utiliores (Jos. Hss. S. 93 Fußnote 57). longe steht statt multo beim Komparativ in 8,14,5 longe maior (weitere Beispiele in RE 19,1066, Art. ,Iunius'). tarnen in abgeschwächtem, nur noch anknüpfendem Sinne verwendet Columella z. B. in 8,4,1 (Jos. Hss. S. 137). Besonders häufig tritt der Ablativus loci auf, z. B. 8,2,2 Ligustico mari (Jos. Hss. S. 169), auch ohne Attribut findet er sich (Jos. Hss. S. 82). Reiner Kasus statt Präpositionalausdruck kommt ebenfalls vor (RE 19,1066, Art. ,Iunius'). Auch Hapaxlegomena treten in größerer Zahl bei Columella auf (vgl. Jos. Hss. im Register). Columella nimmt gern künstlerische Mittel in Anspruch, die der römische Prosastil ausgebildet hat. Wenn wir — ähnlich wie es Josephson (Hss. S. 13 — 15) zu speziellerem Zweck tut — der Vorrede des ersten Buches das neunte Buch, vielleicht besser noch die Einmachrezepte des zwölften gegenüberstellen, dann spüren wir, ohne daß es einer Einzelanalyse bedürfte, sehr schnell, daß die Vorrede stilistisch auf viel höherem Niveau steht, viel kunstvoller gestaltet ist. Das soll nun keineswegs ein Tadel für die andersgearteten Partien sein, sondern eher ein Lob für das Ganze. Erinnern wir uns daran, daß Columella mit seinem Werk ein doppeltes Ziel verfolgt: Es soll dem Landwirt praktische Regeln an die Hand geben und ihn gleichzeitig durch theoretisch vertiefende Betrachtung bilden. Für die Fachpartien war ein möglichst einfacher, rein sachlich belehrender Stil das Natürliche und daher für ein gesundes Stilgefühl einzig Zulässige, und so berichtet denn auch der Schriftsteller hier meist ausgesprochen nüchtern. Ebenso natürlich aber war es, daß da, wo der Stoff sich über den primitiven Alltag der Einzelregeln erhob, auch der Stil folgte. Differenzierung des Stils ist somit geradezu eine Forderung, die aus der Verschiedenheit des Inhalts zwangsläufig erwächst; der Autor kommt ihr im allgemeinen nach, und fraglich bleibt eigentlich nur, ob ihm das Empfinden für die Notwendigkeit solcher Stilvariierung von Natur gegeben war oder ob er es erst erlernen mußte. Diese Fragestellung ist vielleicht von Nutzen bei einem Problem, das sich mit den Mitteln der Statistik bisher nicht lösen ließ (vgl. Jos. Hss. S. 13 — 15). Nyströms Auffassung (vgl. Jos.), es gebe bei Columella keine rhythmischen Klauseln, ist zwar schon durch eine Teilstatistik Josephsons als jrrig erwiesen, wir finden vornehmlich in den stilistisch gehobenen Teilen von Columellas Werk die rhythmischen Satzschlüsse der Kunstprosa in nicht geringer Zahl; doch bleibt umstritten, ob der Schriftsteller den Klauselgesetzen aus Prinzip folgt — Hagendahl (bei Jos.) spricht von unverkennbarem Streben nach Rhythmisierung — oder ob er, wie es Josephson, allerdings zweifelnd, ausdrückt, dem Prinzip als solchem ziemlich gleichgültig' gegenübersteht, demnach die bei ihm festgestellten Klauseln ohne Absicht, aus unbewußtem Stilgefühl, zustande gekommen wären. Dafür könnte sprechen, daß nach Josephsons Statistik bei Columella die Gesamtfrequenz doch näher der Frequenz eines arhythmischen Textes liegt als der eines typischen
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rhythmisierten; außerdem wird, was wir ebenfalls nicht vergessen dürfen, Columella in seiner Umwelt und schon während seines Bildungsganges soviel rhythmisierte Prosa gehört oder gelesen haben, daß sie auch dann seinen Stil beeinflussen mußte, wenn er die Verwertung des Rhythmus gar nicht beabsichtigte. — Hagendahls Annahme eines bewußten Rhythmisierens hat indessen auch viel für sich. Daß Columella die Klauselgesetze genausogut kannte wie andere Regeln der Kunstprosa, kann nicht bezweifelt werden; da er nun aber, wie wir gesehen haben, das eine Stilmittel, die Variation, in so auffallend großem Umfange zur Geltung bringt, wäre es verwunderlich, wenn er nicht bestrebt wäre zu zeigen, daß er auch des anderen, der Rhythmisierung, mächtig ist, wir haben ja schon früher gehört, daß er literarischen Ehrgeiz besitzt und nicht ungern mit seinem Können prunkt. Betrachten wir so, wie es eben versucht wurde, das Klauselproblem bei Columella nicht allein vom Werk her, sondern auch im Zusammenhang mit Wesensart und Situation des Schriftstellers, dann stellt sich heraus, daß man gar nicht um ein Entweder — Oder zu streiten braucht, vielmehr könnten die Klauseln durchaus teils mit Vorbedacht geprägt sein, teils unbeabsichtigt sich ergeben haben. Daß am Ende der Autor auf beide Arten stolz gewesen ist, brauchen wir nicht zu bezweifeln. Auch einer anderen Stiltendenz seiner Zeit — der Epoche der sogenannten silbernen Latinität — hat Columella durch Vermengung poetischer und prosaischer Sprache reichen Tribut gezollt. Am eindrucksvollsten zeigt sich das darin, daß er einem ganzen Buch seines Werkes dichterische Form und Farbe gegeben, nämlich den Gartenbau in Hexametern beschrieben hat, wie er selbst sagt, als Fortsetzer und Vollender der ,Georgica' des Vergil, der die Behandlung dieses Themas den Nachfahren als Erbteil hinterlassen habe (10 Vorr. 3 und V. 5). Weiterhin aber fällt schon beim oberflächlichen Durchblättern seines Buches auf, wie stark es mit Dichterzitaten durchsetzt ist. Daß unter den Dichtern Vergil an erster Stelle steht, wird niemanden wundernehmen, der daran denkt, wie hoch unser Schriftsteller diesen verehrte; nach den Worten Lundströms (bei Jos. Hss. S. 22 Anmerkung 19) hat es ja ,im ganzen Altertum fast keinen innigeren Bewunderer und ehrfurchtsvolleren Nachahmer des Vergil' gegeben als Columella. Ein Schriftsteller nun, der soviel Verse zitiert und überdies selbst dichtet, wird leicht so stark in die Poesie hineinwachsen, daß das dichterische Kolorit auch auf seinen Prosastil abfärbt. Selbst dann also, wenn Columella — was sicher nicht der Fall war — von dem poetisierenden Zeitstil unberührt geblieben wäre, wären in seiner Prosa Elemente poetischer Natur zu erwarten, und wir finden denn auch solche von mancherlei Art. Ohne weiteres versteht man es, daß ein Stoff, der ästhetisches Empfinden so unmittelbar anspricht wie etwa die Blumenbetrachtung 9,4,4, eine Form hervorruft, die sich dem Poetischen nähert; die Schilderung an dieser Stelle scheint daher auch entsprechende Verspartien des zehnten Buches fast schon vorwegzunehmen, und das Attribut caelestis luminis für die Hyazinthe wirkt sogar ,poetischer' als caeruleos 10 V. 100: Das dichterische Kolorit ist da,
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es fehlt nur der Vers. In Parenthese darf man hier vielleicht eine Vermutung äußern: Wenn schon in der Prosadarstellung den Autor sein Gefallen an der Schönheit der Blumen zu poetischem Stil drängt, dann ist möglicherweise das zehnte Buch nicht nur, um Vergils Gedicht vom Landbau inhaltlich abzurunden, und auch nicht nur (10 Vorr. 3) dem Wunsche des Silvinus zuliebe in Versen geschrieben, sondern dieser Wunsch auch einem inneren Bedürfnis des Autors entgegengekommen. Ebensowenig wie das eben besprochene Beispiel können poetisch wirkende Personifikationen wie foribus ingratis (1 Vorr. 10) oder lautitiae ... clauserunt (8,16,3) überraschen, da auch sie in Zusammenhängen stehen, zu deren Stilhöhe sie passen; allerdings sollte man sich fragen, ob poetische Wendungen dieser Art ihre Prägung immer allein künstlerischen Absichten verdanken, ob nicht vielmehr oft ihre eigentlichen Wurzeln in jene tieferen Schichten menschlichen Wesens hineinreichen, aus denen auch die Mythologisierung des Naturgeschehens erwächst, die in Leben und Literatur so vielfältig ausgebildet erscheint und uns auch bei Columella in mancherlei Abwandlung begegnet. Als nächstliegendes Beispiel sei nur die personifizierende Vorstellung von der Mutter Erde genannt. Weit auffallender ist es, daß auch in ganz prosaischen Zusammenhängen mit ebenso prosaischer Sprache plötzlich poetische Wendungen auftauchen. Da zur Erläuterung solcher Stellen aber eine genauere Betrachtung des speziellen Zusammenhanges erforderlich ist, sollen diese nicht hier, sondern in den Erläuterungen behandelt werden; vgl. zu 8,16,9; 8,2,2; 7,3,8 und 2,15,6. Schon die im Vorstehenden erörterten Einzelheiten dürften zur Genüge gezeigt haben, daß Columella sich um die sprachliche Gestaltung seines Stoffes redlich gemüht hat, und wenn wir über Einzelnes hinaus auch das Gesamtwerk unbefangen auf uns wirken lassen, müssen wir hinzufügen, daß ihm der Erfolg seines Mühens nicht versagt geblieben ist. Daß er zu den ganz großen Schriftstellern gehört hat, wird niemand behaupten wollen und hat er sicher auch selbst nicht geglaubt; aber ein ehrenvoller Platz in der Geschichte der Literatur und namentlich der Fachliteratur kommt ihm ganz gewiß zu. Mit dieser Auffassung stimmt die der modernen Forschung durchweg überein, denn eine bei Becher (S. 71) aufbewahrte ältere Behauptung, Columella sei im allgemeinen der Gestaltung seines Stoffes nicht Herr geworden und seine Sprache sei kunstlos und roh, mißt sicher mit falschen Maßstäben (vielleicht der .goldenen Latinität'?) und darf allenfalls noch als Kuriosum angeführt werden. Becher stellt ihr mit vollem Recht gleich das sehr anerkennende Urteil von Schanz (S.502) gegenüber, und Kappelmachers positive Stellungnahme ( R E 19,1066, Art. ,Iunius') scheint gleichfalls jene absurde Äußerung bekämpfen zu wollen. E . Norden charakterisiert Columellas Buch als gut stilisiert (Lit. S. 96), an anderer Stelle (Kunstprosa I S. 314) als vortrefflich geschrieben. Selbstverständlich werden bei solchem Lob Mängel nicht übersehen, wie denn auch in dieser Einführung von einigen schon gesprochen wurde, von anderen
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noch die Bede sein wird. Aber nicht die Mängel sind es, die das Gesamtbild von Columellas Darstellung bestimmen, und um das zu unterstreichen, soll dem Bild noch ein für den Sprachcharakter des ganzen Werkes sehr wesentlicher, aber bisher nicht hervorgehobener Zug hinzugefügt werden. Wie Columella stets gern lernte und ebenso beflissen das Gelernte anwendete, so war er auch in Stilfragen durchaus beeinflußbar; wir haben das oben gesehen und wissen außerdem noch, daß er gern zeigte, was er konnte. Darum sollten wir es ihm besonders hoch anrechnen, daß er sich von Übertreibungen des Zeitstils der silbernen Latinität in Redeschmuck und Effekthascherei (Kottmann bei Schanz S. 502 Anmerkung 2) im ganzen frei gehalten hat; außer seiner auf die Sache eingestellten nüchternen Landwirtsnatur wird ihn vor den Modetorheiten der Zeit sein angeborener oder auch erst erworbener Sinn für das sprachlich Angemessene ebenso bewahrt haben, wie er ihn — siehe oben — veranlaßte, seinen Stil zu differenzieren und in der Höhe des Tons auf den jeweiligen Inhalt der Darstellung abzustimmen. Abschließend darf gesagt werden, daß Teuffels allgemeine Würdigung des Schriftstellers (S. 240) im besonderen auch für die sprachliche Gestalt seines Werkes zutrifft: Für seinen Stoff begeistert, hat es Columella ,auch nicht an Fleiß fehlen lassen und seine Aufgabe gründlich, sorgfältig und in gewählter, ansprechender Form behandelt. So ist er der Klassiker seines Faches geworden.' Einen Überblick über Inhalt und Aufbau von Columellas Werk gewinnt man leicht, wenn man sich in das unserer Übersetzung vorangestellte ausführliche Inhaltsverzeichnis vertieft. Bei solchem Studium fällt auf, daß im elften Buch das Thema des zehnten nochmals erscheint, und das gibt Veranlassung, darüber zu sprechen, in welcher Weise Columella sein Werk publiziert hat. Wie er selbst in der Vorrede des zehnten Buches schreibt, hat er es dem Adressaten, seinem Gutsnachbarn Silvinus, ratenweise zukommen lassen, also nacheinander in Teilen das Fertige übergeben. Das Verfahren ist uns für das erste, dritte und vierte Buch auch dadurch erkennbar, daß in den jeweils folgenden Büchern der Autor zu Wünschen und Kritik eines Freundeskreises Stellung nimmt, dem Silvinus inzwischen das Frühere bekannt gemacht hat. Der Einfluß dieses Kreises hat Columella sogar zur Aufgabe der ursprünglichen Gesamtkomposition seiner Arbeit bewogen. Eigentlich sollte das zehnte Buch mit der Darstellung des Gartenbaus in gebundener Rede das Ganze krönen u n d abschließen, und es ist Freundeswünschen zuzuschreiben, wenn er mit diesem Plan brach. Obwohl er selbst glaubte, über den Gutsverwalter (vilicus) schon vorher das Nötige gesagt zu haben, faßt er dessen Pflichten im elften Buch noch einmal zusammen und schließt daran die erbetene Behandlung des Gartenbaus in Prosa an. Das zwölfte Buch mit den Aufgaben der vilica hat man wohl als die natürliche Ergänzung des »¿¿¿cws-Themas im elften Buch aufzufassen. Es schien zweckmäßig, auf diese Kompositionsschwächen einzugehen, weil sie uns einerseits die Gestaltung des Werkes und die Aufgeschlossenheit seines Autors für kritische Hinweise miterleben lassen, andererseits uns aber auch von der
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geistigen Regsamkeit des Kreises, in dem Columella verkehrte, einen guten Eindruck vermitteln: Es gab also, obwohl der Schriftsteller am Anfang seines Buches so bewegend klagt, seine Zeitgenossen wollten von der Landwirtschaft nichts wissen, doch Männer, die sie ernst nahmen. Was wir eben über das Werden des Werkes de re rustica (Über die Landwirtschaft) gehört haben, führt weiter zu der Frage, wie das Verhältnis des Uber de arboribus zum Gesamtwerk zu verstehen ist. Die Handschriften überliefern dies Buch von der Baumzucht als drittes Buch des größeren Werkes. Daß es dort nicht einzuordnen ist, hat schon der Bearbeiter der Aldinaausgabe von 1514 erkannt, und es steht heute fest, daß es in Wirklichkeit das zweite Buch eines mindestens drei Bücher umfassenden Werkes über Landwirtschaft ist, dessen übrige Teile verloren sind. Die Zeugnisse dafür haben u. a. Becher (S. 27) und Kappelmaclier (RE 19,1062, Art. ,Iunius') zusammengestellt. Da der Autor ohne Zweifel gleichfalls Columella ist (Becher S. 27f.), so hat dieser also dasselbe Thema zweimal behandelt; der uns erhaltene Teil entspricht im Stoff dem dritten bis fünften Buch des größeren Werkes. Die nicht fernliegende Vermutung, das kürzere Werk sei eine Epitome des längeren, wird von Becher (S. 28—30) widerlegt, und wir dürfen als bewiesen ansehen, daß es eine Jugendarbeit war, der dann später die ausführlichere Darstellung folgte: ,Die zwölf Bücher würden sonach für uns eine erweiterte zweite Auflage darstellen' (Schanz S. 499). Auf etwas unsicheres Gebiet hat sich Becher allerdings begeben, als er die Jugendarbeit schon vor das Jahr 30 setzte und dabei annahm, damals sei Columellas Soldatenzeit bereits abgeschlossen gewesen (S. 30; vorsichtiger S. 59 Tiberio imperatore). Aus den Studien von Cichorius hat sich nämlich inzwischen als sehr wahrscheinlich ergeben, daß Columella im Jahre 36 Militärtribun war. Sollte sich damit nun auch Bechers Zeitansatz etwas verschieben und offenbleiben, ob Columella die Arbeit vor oder nach seinem Heeresdienst geschrieben hat — eher wohl nachher —, so ist trotzdem ziemlich klar, worauf es auch Becher in der Hauptsache ankommt, daß die beiden Werke Columellas zeitlich weit voneinander getrennt sind. Die zwölf Bücher de re rustica gehören nämlich erst ins siebente Jahrzehnt unserer Zeitrechnung. Ihre Abfassungszeit wird durch 3,3,3 und 12,59,5 so ausreichend bestimmt, daß es kaum nötig ist, noch die bereits oben besprochene, etwas umstrittene Stelle von dem riesigen Juden heranzuziehen (3,8,2; vgl. RE 19,1059, Art. ,Iunius'). Columella muß 3,3,3 zwischen 61 und 65 geschrieben haben, denn Seneca, der 65 gestorben ist, hat zur Zeit der Niederschrift noch gelebt, das an der gleichen Stelle genannte Gut aber hat er erst ungefähr 61 erworben. De re rustica ist demnach sicher ein Alterswerk Columellas, und das wird bestätigt durch das Schlußwort des zwölften Buches, in dem sich der Autor selbst als Greis bezeichnet. Ein großer Zeitabstand zwischen de arboribus und de re rustica ist deswegen nicht ohne Bedeutung, weil er uns möglicherweise einen augenfälligen Unterschied 3
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leichter verstehen läßt, der in der Anlage der beiden Werke zu konstatieren ist. Während nämlich das erste sich mit der Darbietung von Regeln für die landwirtschaftliche Praxis begnügt, bemüht sich das zweite, um es kurz zu sagen, darum, auch die fachwissenschaftlichen, die wirtschaftspolitischen sowie darüber hinaus weltanschauliche Fundamente für die Praxis zu legen. Sollten etwa in den Jahrzehnten, die zwischen beiden Werken liegen, den Verfasser seine Erfahrungen gelehrt haben, daß es ohne solche Fundamente nicht geht, daß namentlich eine allgemeine Hebung der Landwirtschaft, wie sie ihm vorschwebte, Männer brauchte, die nicht nur den Pflug zu führen, Wein zu beschneiden oder Schafe zu behandeln wußten, sondern die weiter und tiefer sahen? Verstehen wir vielleicht erst von solcher Lebenserfahrung aus die Dringlichkeit, mit der Columella für den Landwirt die iyxvxlioc, naidsia fordert und sie seinen Schülern ans Herz legt? Mag das indessen auch fraglich bleiben, so ist doch gewiß, daß die Zeitspanne, von der wir sprechen, dem Autor Gelegenheit gegeben hat, sein eigenes Wissen, Können und Verständnis durch Praxis, Erfahrungsaustausch und Lektüre zu bereichern. Für die Lektüre läßt sich das durch Gegenüberstellung der Quellen des älteren und jüngeren Werkes zeigen. Auf Einzelheiten der Quellenforschung einzugehen ist hier nicht der Platz; über sie unterrichtet die u. a. bei Schanz und in der R E 19,1063f., Art. ,Iunius' angegebene Spezialliteratur. Das, was wir brauchen, zeigt uns aber schon ein Überblick. Der Autorenkreis, auf den sich Columella in de arboribus beruft, ist viel kleiner als der des späteren Werkes. Mit Namen erscheinen einzig Vergil und Mago, und eine Untersuchung von Kraus (vgl. Schanz S. 501) kommt zu dem Schluß, daß Columella die Vorschriften der Alten, namentlich des Mago, dem Tremellius Scrofa verdankt und ,fast alles, was nicht sein persönliches Eigentum ist oder aus den Werken Catos, Varros oder Vergils stammt, durch Hygins Vermittlung überkommen hat'. Demgegenüber zieht das Spät werk eine viel größere Zahl von Autoren heran. Sie wäre sogar beängstigend groß, wenn anzunehmen wäre, Columella hätte die Unzahl der in seinem Literaturverzeichnis (1,1) aufgezählten Schriftsteller alle selbst gelesen. Das hat er nicht getan, sondern er hat jenen letztlich auf Varro zurückgehenden Katalog in veränderter Gruppierung wahrscheinlich von Celsus übernommen (Becher S. 42f.). Er hat auch nicht einmal diejenigen Autoren alle selbst im Original gelesen, die er, ohne sie im Verzeichnis aufgeführt zu haben, späterhin noch nennt, zum Beispiel Bolus (vgl. Erläuterung zu 11,3,53). Die drei letzten Autoren der Liste, Celsus, Atticus und Gräcinus, hat er dieser wohl selbst angehängt. Über Umfang und Art seiner Quellenbenutzung äußert sich Kappelmacher (RE 19, 1060f., Art. ,Iunius') folgendermaßen: Celsus scheint ,eine Hauptquelle des Columella zu sein, freilich nicht die einzige Quelle'. Er blieb ,bei Celsus nicht stehen, sondern behandelte den Weinbau in drei Büchern, dabei sind außer Celsus die beiden ... Spezialschriftsteller benützt', nämlich Atticus und Gräcinus. ,Es tritt auch hier wieder Celsus als der Autor auf, der gleichsam dem Werk das Rückgrat liefert, die Theorie wird erweitert durch die beiden Spezialschriftsteller, von denen
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aber Atticus schon durch Celsus vermittelt worden zu sein scheint . . . Außerdem ist jedoch . . . Hygin im 11. Buche, ferner die Übersetzung des ökonomikos des Xenophon benützt ... Man h a t auch, wie ich meine, zu Unrecht, angenommen., d a ß die zitierten Autoren, mit Ausnahme der Hauptquellenautoren, insgesamt nur übernommen sind . . . vor allem ist es unmöglich f ü r Vergil . . . ebenso aber meine ich, daß auch Cato von Columella selbst in die Darstellung eingewoben wurde ...', daneben stehen .Stellen, die deutlich aus zweiter H a n d übernommen sind ... Andererseits erscheint Varro im wesentlichen nicht direkt, sondern durch Celsus und Hygin vermittelt zu sein'. Wir sollten nun aber nicht nur danach fragen, welche Quellenschriften f ü r Columella anzunehmen sind und ob er sie direkt oder indirekt verwertet hat, sollten uns auch nicht mit der Feststellung begnügen, daß er im zweiten Werk mehr und andere Quellen herangezogen h a t als in seiner Erstlingsschrift. Vielleicht gelingt es, durch einen anders orientierten Vergleich der beiden Werke noch etwas tiefer zu dringen. Die Arbeit des jungen Columella ist dadurch gekennzeichnet, d a ß sie durchweg zwar bestimmt, aber doch mit Zurückhaltung der eigenen Person sachlich vom Fach berichtet; nur an einer einzigen Stelle, am Beginn von Bz. 27, findet sich ein Ansatz von Polemik, und in der Gegenüberstellung des alten und des gallischen Bohrers (Bz. 8,3) liegt natürlich wie in jedem Verbesserungsvorschlag eine gewisse Kritik. Überblicken wir dagegen die zwölf Bücher des gereiften Schriftstellers, so erkennen wir, daß sie auf weiten Strecken ganz und gar durch Polemik, durch kritische Auseinandersetzung mit den Meinungen anderer bestimmt sind. Schreibt also vielleicht, wenigstens zunächst, der junge Mann f ü r sich selbst — ein Adressat wird nicht genannt —, um sich durch die schriftliche Fixierung darüber klar zu werden, was er — oder sein Verwalter — zu t u n und zu lassen hat? Und hat er diese Schrift etwa hauptsächlich in der Absicht veröffentlicht, eine Grundlage f ü r Diskussionen zu schaffen, aus denen er selbst lernen konnte? Ist dann aber im Laufe eines langen Lebens aus der Lernabsicht die Lehrabsicht erwachsen und an die Stelle einer durch das Gefühl eigener Unvollkommenheit bedingten Zurückhaltung allmählich das Selbstbewußtsein getreten, das den älteren und alten Mann in den Meinungskampf hineinzwang? E r ist jedenfalls ein streitbarer Geist geworden, das zeigt seine res rustica sehr deutlich; d a ß er indessen nicht den Streit u m des Streites willen sucht, haben wir schon oben gesehen, als wir von der Besonnenheit seines Urteils sprachen: E r k ä m p f t nicht, u m recht zu behalten, sondern u m eine Sache zu fördern, die ihm a m Herzen liegt, weil sie seiner Überzeugung nach f ü r die res publica, die Allgemeinheit, wichtig ist. E r hat damit ein hohes Maß menschlicher Reife gewonnen. Diese zeigt sich übrigens nicht zuletzt in der liebenswürdig-verbindlichen Form seiner Polemik (4,8,1; 9,6,4). Schon aus den vielfach nur andeutenden Hinweisen dieser Einführung dürfte hervorgehen, welchen Wert Columellas Werk f ü r die moderne Altertumswissen3*
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schaft hat. Es ist enzyklopädisch nicht allein in dem Sinne, daß es die Praxis römischer Landwirte in ihrem ganzen Umfange zu erfassen und diese Praxis außerdem auf ein fach- und allgemeinwissenschaftlich tragfähiges Fundament zu gründen sucht; vielmehr ist es enzyklopädisch auch dadurch, daß es die Zusammenhänge der antiken Agrargeschichte von Hesiod bis zur Zeit des Autors wenigstens in Namen, aber nicht nur in diesen, uns vor Augen führt. Daß es vor leider vielen anderen Zeugnissen vom Altertum den unschätzbaren Vorzug der vollständigen Erhaltung hat, sei nur nebenbei erwähnt. Wer sich einen umfassenden Überblick über die antike Agrargeschichte verschaffen will, findet eine eingehende Darstellung und reichliche Literaturhinweise in dem Artikel .Landwirtschaft' der RE, für die römische Agrargeschichte sei auch auf Blümner, Privataltertümer, verwiesen. Uns sollen von den Vorgängern Columellas nur noch die beschäftigen, deren Werke uns vollständig oder so gut wie vollständig überliefert und daher direkt faßbar sind. Zu nennen wären hier Cato, Varro und Vergil. Die Schriften dieser drei Autoren vergleicht H. Dahlmann in einem sehr lesenswerten Abschnitt des RE-Artikels ,M. Terentius Varro' (Suppl. 6,1185f.), der deshalb hier in einigen Auszügen zitiert werden soll. Varros nächstes Ziel ,ist rein praktisch belehrend; eben das gleiche hat auch Cato ... erreichen wollen ... Ganz anders liegen die Dinge hinsichtlich der Georgica Vergils, der nicht ein Lehrbuch für den Landwirt schreibt, sondern einmal zeigen will, mit welcher Kunst sich dieser Stoff behandeln lasse, zweitens aber auch die Absicht hat, bei seinem Leser die Liebe und Freude am Landbau ... wieder zu wecken und zu heben. Varro steht nun allerdings nicht ganz auf dem gleichen Punkt wie Cato: er vereinigt sowohl dessen als auch Vergils Ziel: er will belehren, erhebt aber auch literarische Ansprüche, die Cato ganz fern liegen. Dieser erteilt in bunter Reihe medizinische und wirklich landwirtschaftliche Vorschriften ... legt einzig Wert auf Genauigkeit und Kürze im einzelnen und auf möglichste Vollständigkeit alles dessen, was überhaupt wissenswert ist, bringt so auch Dinge, die mit dem Landbau keineswegs direkt verbunden sind ... Formal-stilistische und kompositionelle Ziele setzt er sich nicht. Sachlich und schriftstellerisch hat Varro ganz andere Aspirationen: er beschränkt den Stoff auf das, was auch wirklich hingehört, und folgt einer bis ins einzelne konsequent durchgeführten Gliederung. So gibt er nicht eine Fülle einzelner, knapper Rezepte, sondern alles ist eingereiht in das Gebäude eines zusammenhängenden Lehrvortrags ... Cato ist selbst Landmann mit reicher, praktischer Erfahrung ... Varro hat zwar einiges auch selbst erprobt, aber im großen und ganzen kann er sich ... nur auf das, was er gelesen hatte, stützen'. Überträgt man nun die in dem Zitat genannten Kriterien auf Columella, so stellt man fest, daß ihn mit Cato neben der Tatsache, daß sie beide selbst Landwirte waren, vor allem das starke Streben eint, zu belehren und dabei die gesamte Praxis einzubeziehen, mit Varro dagegen die Vorliebe für Systematik; mit Varro und Vergil teilt er den literarischen Ehrgeiz, mit Vergil allein die sozusagen mehr erzieherische Neigung. Bei ihm als dem einzigen uns näher bekannten römischen
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Agrarschriftsteller finden sich demnach alle diese Tendenzen zugleich, und da er nicht nur den Willen, sondern in hohem Grade auch die Fähigkeit besitzt, sie zu verwirklichen, erscheint es berechtigt, in Columellas Werk den Sammel- und Höhepunkt des Schaffens auf dem Gebiete der römischen Agrarliteratur zu sehen. Seine Nachfolger aber haben seine Leistung wenig zu würdigen gewußt. Wohl hat ihn der ältere Plinius, ein Zeitgenosse von ihm, herangezogen (Literatur über die noch nicht geklärte Frage, ob er nur das Jugendwerk gekannt hat, in RE 19, 1066, Art. ,Iunius'), auch Spätere nennen ihn noch gelegentlich. Am häufigsten erscheint er bei Palladius (4. Jahrhundert), der ihn wahrscheinlich über Gargilius Martialis (3. Jahrhundert) benutzt hat (RE 19,1067, Art. ,Iunius'). Während aber bei diesem wenigstens noch ein .Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis' (RE 13,761, Art., Gargilius') festzustellen ist, ist das Werk des Palladius (15 Bücher, das letzte, de arboribus, in Distichen; das neuentdeckte 14. Buch behandelt Svennung, Göteborg 1926) eine in Inhalt und Aufbau uneinheitliche Sammlung von Vorschriften für die Feldarbeiten in den zwölf Monaten des Jahres. Beim Vergleich der Werke des Columella und des Palladius ist also ein bedauerliches Sinken des Niveaus der römischen Agrarliteratur zu konstatieren. Noch unerfreulicher allerdings als der Abfall der praktisch-wissenschaftlich-literarischen Leistung ist der Wandel in der geistigen Haltung der Schriftsteller: Palladius lehnt nämlich mit deutlicher Polemik — denkt er dabei auch speziell an Columella? — Wissenschaft und Kunst der Rede für landwirtschaftliche Lehrschriften prinzipiell ab. Columellas Werk ist somit nicht nur ein Höhepunkt, sondern auch ein Ende. Ob und wie das mit der geschichtlichen Entwicklung zusammenhängt, kann hier nicht erörtert werden. Zu denken gibt es, wenn im 6. Jahrhundert der den Gotenkönigen nahestehende, vielgewandte und literarisch versierte Cassiodor die Columellalektüre wohl als einen Genuß für literarische Feinschmecker ansieht, den Mönchen seines Klosters aber nicht Columella, sondern den primitiveren Palladius immer wieder zu lesen empfiehlt (die Stelle bei Becher S. 22). Erst die Karolingerzeit erlebt eine Columellarenaissance. Das bezeugen unsere ältesten Handschriften. Über den Stand der Forschung in den Fragen, die die Überlieferung des Columellatextes betreffen, unterrichtet jetzt genauestens eine Schrift von Ake Josephson, dem Fortsetzer der modernen, von Lundström begonnenen kritischen Ausgabe (Die Columella-Handschriften). Aus seinen gründlichen Forschungen über die handschriftliche Grundlage des Textes entnehmen wir hier, dem Zweck unseres Buches entsprechend, nur soviel, wie zu einer ersten Orientierung wünschenswert erscheint. Aus karolingischer Zeit sind uns zwei Handschriften erhalten, der Codex Sangermanensis (S) und der Codex Ambrosianus (A). S ist, vermutlich um 830, im Kloster Corbie geschrieben, A stammt aus dem Kloster Fulda. Dieser Codex wurde früher
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gewöhnlich dem Ende des 9. oder dem Anfang des 10. Jahrhunderts zugewiesen; jetzt setzt man ihn aus paläographischen Gründen vor die Mitte, vielleicht auch schon in den Anfang des 9. Jahrhunderts. Beide Handschriften sind voneinander unabhängige Abschriften einer gemeinsamen Vorlage. Da der Codex S dieser treuer folgt, ist er für die Textkonstituierung wertvoller als A, doch schließt sich auch A recht eng an die Vorlage an. Wenn nun diese auch verhältnismäßig konservativ und interpolationsfrei ist, so ist sie doch erwiesenermaßen oft ziemlich stark korrumpiert; glücklicherweise besitzen wir außer S und A noch eine größere Zahl von Handschriften aus der Zeit des Humanismus (R = recentiores); wie Josephson darlegt, können diese aus S, A oder deren Quelle weder direkt noch indirekt abgeschrieben sein, gehen vielmehr auf eine eigene gemeinsame Vorlage zurück ,und da R sich von dem mehr oder weniger mechanischen Kopieren der SA-Abschreiber durch absichtliche Korrekturen und Normalisierungen stark unterscheidet, ist auch nicht anzunehmen, daß etwa die SA-Gruppe aus der R-Vorlage stammen könnte. Damit stünde R also als selbständige Tradition neben SA, wenn es nicht augenfällige Übereinstimmungen zwischen A und R gäbe, die nach Josephson so zu erklären sind, daß R kontaminiert ist, möglicherweise aus unserer A-Handschrift selbst, sonst jedenfalls aus einer damit eng verwandten, uns unbekannten Handschrift. Auf Josephsons Einzelbewertung und Klassifikation der R-Handschriften hier noch einzugehen würde zu weit führen.
Ausgaben und Übersetzungen Die Columella-Ausgaben von der Editio princeps des Jahres 1472 an charakterisiert Josephson Hss. S. 147—150. Hier soll nur über die drei letzten etwas gesagt werden. ,Die Schneidersche Ausgabe' von 1794 ist — so schrieb 1917 Kappelmacher (RE 19,1065, Art. ,Iunius') — ,noch jetzt die einzige führende Ausgabe', und Josephson (Hss. 5,150) bezeichnet sie ,für ihre Zeit als eine gewichtige Leistung ... vor allem durch den wertvollen Kommentar mit reichem Vergleichsmaterial aus Columella selbst und anderen landwirtschaftlichen Texten'. Für die Konstitution seines Textes war Schneider auf Material angewiesen, das nach Umfang und Qualität sehr dürftig war. Die karolingischen Handschriften kannte er nur durch zum Teil sehr mangelhafte Kollationen, hat aber die Codices selbst nie gesehen, und von der R-Gruppe hat er — abgesehen von spärlichen Kollationen aus einer anderen Handschrift — nur einen einzigen Codex herangezogen. Um so verdienstlicher ist es, daß er, wie Josephson (S. 150), hervorhebt, trotzdem als erster den großen Wert von S erkannt und im Kommentar viele gute Lesungen vorgeschlagen hat. Die einzige Columella-Ausgabe, ,die als wissenschaftlich im modernen Sinne genannt werden kann' (Jos. S. 147), ist diejenige Lundströms. Ihr erstes Heft
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erschien 1897, doch ging die Edition nur sehr langsam vonstatten; immerhin aber lagen, als nach Lundströms Tode Josephson das achte und neunte Buch herausgebracht hatte (1955), rund zwei Drittel des Gesamtwerkes fertig vor. Den Bearbeitern dieser Ausgabe stand — anders als es früher gewesen war — praktisch die gesamte handschriftliche Überlieferung des Textes zur Verfügung. Das ermöglichte eine zuverlässige Klassifizierung der Handschriften und Abschätzung ihres mehr oder minder großen Wertes für die Textkonstitution, und so ergab sich für diese ein Arbeitsverfahren, wie es Josephson in seiner Schrift, die diesem summarischen Überblick zugrunde liegt, ausführlich darlegt und begründet. Die von 1948 bis 1955 erschienene lateinisch-englische Ausgabe von Ash, Forster und Heffner basiert für den Text der Bücher 1, 2, 6, 7, 10, 11 und de arboribus überwiegend auf demjenigen Lundströms. Für die übrigen Bücher suchten die Herausgeber auf der Grundlage des Schneiderschen Textes und unter Zuhilfenahme der Handschriften S und A sowie von zwei (für Buch 1 —4 drei) R-Handschriften einen kritischen Text ,in some approximation to that of Lundström' (vgl. Introduction S. X X I ) zu konstituieren. Eine Kritik ihrer Textgestaltung findet sich bei Josephson (Hss. S. 166—174). Unserer Übersetzung wurde für Blich 1,2 und 6 bis 11 und das Buch von der Baumzucht der Text Lundströms bzw. Josephsons zugrunde gelegt, für die übrigen Bücher derjenige von Schneider. Der Übersetzer hat sich jedoch — nicht nur bei der alten, sondern auch bei der modernen Ausgabe — an nicht wenigen Stellen zur Änderung von Lesungen veranlaßt gesehen. Er teilt nämlich die Auffassung Richters (St. S. 200f.), daß ungeachtet ihres hohen Wertes auch die große schwedische Ausgabe kein Abschluß ist, vielmehr durch ihren Apparat der kritischen Arbeit vielfach erst neue Impulse gibt, daß ferner eben dieser Apparat auf Schritt und Tritt beweist, wie neben den Handschriften auch ,immer wieder die sachlichen Zusammenhänge und die stilistische Form einen entscheidenden kritischen Eigenwert behaupten.' Dementsprechend hat der Übersetzer aus den ihm bekannt gewordenen kritischen Stellungnahmen zum Lundströmtext (Richter, Josephson) sich das zu eigen gemacht, was er für empfehlenswert hielt, dazu manches aus Schneiders Text, Fußnoten und Kommentar. Außerdem hat er auch selbst zu bessern versucht; die Erläuterungen geben dazu jeweils die .Begründung. Columellas Werk ist schon früher mehrfach ins Deutsche übertragen worden. Die jüngste dieser Wiedergaben hat M. G. Curtius nach dem Text Gesners im Jahre 1769 geschaffen, sie ist also rund zweihundert Jahre alt und scheint heute noch weniger greifbar zu sein als die alten Textausgaben. Der Augenschein bestätigt, daß Schneiders ziemlich abwertendes Urteil darüber (im Index editionum, Bd. 4,3 der Script, rei rust.) berechtigt ist. (In dem eben genannten Index erwähnt Schneider noch eine Ergänzung der Arbeit von Curtius durch J . Riem, Dresden 1791, der das Buch von der Baumzucht übersetzt hat; darüber urteilt er noch negativer als über die Curtius-Übersetzung.) Interessant ist jedoch die Zielsetzung
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von Curtius. Im Vorwort (S. XIII) liest man, ,daß ein Schriftsteller sich um das gemeine Beste verdient machen würde, der sich die Mühe nehmen wollte, einen Auszug aus dem zu machen, was im Columella für unsere Zeiten und die verschiedenen Gegenden Deutschlands brauchbar ist: er müßte aber die neueren Erfahrungen hinzusetzen, und einen kurzen aber fruchtbaren und vollständigen Grundriß der Landwirthschaft ... liefern.' Wie ernst es dem Verfasser mit seinem Vorschlag ist, zeigt der beigefügte Plan, der in Anlehnung an die Ordnung Columellas die deutschen Verhältnisse ins Auge faßt. Ob der Aufruf Erfolg gehabt hat, wurde nicht ermittelt. Über zwei weitere, noch viel ältere Übersetzungen — sie stammen aus den Jahren 1538 und 1612 — kann hier nur das gesagt werden, was Curtius (Vorwort S. XII) darüber schreibt: ,In Deutschland ist des Columella Ackerwerk durch Michael Herren verdeutscht ans Licht getreten. Im Jahre 1612 gab aber Theodorus Majus eine neue Übersetzung davon heraus, weil ihm die Arbeit seines Vorgängers schlecht und dunkel schien. Doch Männer von Einsicht fällen von der Majischen Arbeit kein vortheilhaftes Urtheil.' Aus der gleichen Zeit nennt der Index Schneiders noch eine Übersetzung von 1613. Die allerälteste Verdeutschung aber haben Schneider und Curtius noch gar nicht gekannt, da sie erst 1914 im Druck erschienen ist. Sie gehört ins 15. Jahrhundert, denn 1491 ist sie im Auftrage des Herzogs Eberhard V. im Bart von dem Abt Heinrich Oesterreicher geschaffen worden. Ebenso wie die R-Handschriften beweist sie das in der Humanistenzeit neu erwachte Interesse an Columella. Unsere neue Übersetzung ist von Vorgängern völlig unabhängig. Sie versucht den Quellencharakter des Werkes möglichst zu wahren und bemüht sich daher, bis in die Details den Sinn der lateinischen Vorlage voll wiederzugeben und auch in Wortwahl und Satzbau nur soweit abzuweichen, wie es die Rücksicht auf deutschen Stil und Lesbarkeit erforderlich macht. Die neuere und neueste Zeit hat uns noch zwei Teilübersetzungen aus dem Werk Columellas beschert. In den Jahren 1919—1921 haben J. Kiek und L. Armbruster im .Archiv für Bienenkunde' eine Artikelserie veröffentlicht, in der neben den anderen antiken Quellenschriften über die Bienen auch Columellas neuntes Buch übersetzt worden ist (vgl. die Erläuterung zu 9,2,1), und 1958 ist R. M. Barzens Buch ,Neue Arten der RebenVeredlung' herausgekommen, das eine Übersetzung des Buches von der Baumzucht und eines Kapitels aus dem Hauptwerk unseres Autors enthält. Beide Arbeiten bieten aber weit mehr als eine bloße Verdeutschung. Die der Übersetzung Kleks beigegebene Abhandlung von Armbruster betrachtet die antiken Darstellungen vom Standpunkt des fortgeschrittenen Wissens der modernen Bienenkunde, und das ist deshalb besonders verdienstlich, weil gerade auf diesem Teilgebiet mancherlei Irrtümer der Alten richtigzustellen sind. Armbrusters Arbeit ist also im wesentlichen sachliche Textinterpretation. Demgegenüber liegt der Schwerpunkt dessen, was Barzen seiner Übertragung hinzufügt, an ganz anderer Stelle. Er verwirklicht das, was Curtius nur angestrebt
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hatte. Veranlaßt durch die Nöte, unter denen der heutige Weinbau infolge der Reblausgefahr leidet, hat er nach Columellas Anweisungen Pfropfversuche durchgeführt, deren Erfolg es ihm ratsam erscheinen läßt, auch in der heutigen Praxis nach den antiken Verfahren zu arbeiten: Columellas gallischer Bohrer wird schon fabrikmäßig hergestellt (Barzen, S. 77). Durch Barzens Buch erhält somit zunächst für ein Sondergebiet die nicht selten gestellte Frage, ob denn das Studium antiker Fachschriftsteller heute noch irgendwelchen praktischen Nutzen stiften könne, eine eindeutig positive Antwort. Ebenso bedeutsam wie diese dürfte aber eine andere Erkenntnis sein, die zwar nicht neu ist, sich aber bei der Betrachtung der zwei Arbeiten von neuem aufdrängt: Sie sind nämlich nicht oder nicht nur von Philologen geschrieben. Für die Behandlung von Columellas Bienenbuch hat sich ein Philologe mit einem Biologen und Bienenzüchter zusammengefunden, und die andere Arbeit verdanken wir einem Fachmann im Weinbau, der in der Schule einst gut Latein gelernt hatte. In beiden Arbeiten vereinigte sich also Sprachkenntnis mit gründlicher Sachkunde. Da nun in unseren Tagen die Zahl derer nicht sehr groß ist, die sich in den alten Sprachen und im Philologischen, gleichzeitig aber auch in Fachwissenschaft und Praxis auf den einzelnen Sachgebieten genügend auskennen, so ist namentlich bei den antiken Fachschriften für die volle Erschließung ihres Gehaltes die Mitarbeit von Sachverständigen aus den verschiedensten Disziplinen heute dringlicher als je (vgl. die Erläuterung zu 9,15,4). Bewährt hat sich solche Zusammenarbeit ja auch schon früher, dafür zeugt zum Beispiel die zu 12,20,1 zitierte Abhandlung von B. Hofmann, vor allem aber die R E , denn die in dieser enthaltenen .Realien' sind keineswegs nur von Philologen zusammengetragen worden. Wenn nun die vorliegende Übersetzung das Werk Columellas auch solchen Lesern nahebringt, denen mangels ausreichender Lateinkenntnis der Zugang zum Original mehr oder weniger verschlossen ist, so erstehen vielleicht auch aus ihren Reihen den Philologen Helfer. Dafür werden keineswegs nur Landwirte, Botaniker und Zoologen, das heißt Vertreter naturwissenschaftlicher Disziplinen, gebraucht, sondern — wie schon diese Einführung gezeigt haben dürfte — auch die Angehörigen verschiedener Fachrichtungen der Gesellschaftswissenschaften; durch das Zusammenwirken all dieser könnten sicherlich manche der kleineren und größeren Probleme, die uns Columellas Werk heute noch stellt, ihrer Lösung nähergeführt werden. Vielen der eben Genannten aber wird es auch im Interesse eines durch historische Betrachtung vertieften Verständnisses ihrer eigenen Wissenschaft erwünscht sein, durch diese Übersetzung eine bisher nur schwer erreichbare Quellenschrift kennenzulernen, die so zahlreiche Gebiete des antiken Lebens beleuchtet. Wie wertvoll das Werk beispielsweise für den Soziologen ist, dem die Erforschung gesellschaftlicher Entwicklungen am Herzen liegt, erhellt schon daraus, daß es u. a. das Verhältnis Sklavenhalter—Sklave so ausführlich und gründlich behandelt wie sonst wohl kaum eine antike Quelle. Darüber sei jedoch nicht vergessen, daß die Übersetzung der Werke Columellas ins
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Deutsche nicht nur der reinen Wissenschaft dienen soll; durch Mitteilung eines wesentlichen Zeugnisses für die materielle Kultur der römischen Kaiserzeit will sie auch dem Unterricht an Schulen und Hochschulen Hilfe leisten und überhaupt dem Erbe des Altertums neue Freunde gewinnen. Sie ist also für Menschen bestimmt, die — um es mit Goethes Worten zu sagen — sich dem Altertum gegenüberstellen und es ernstlich in der Absicht anschauen, sich daran zu bilden.
Literatur Ein ausführliches Verzeichnis soll hier nicht gegeben werden; ein solches findet sich bei A. Josephson, die Columellahandschriften S. 7—10 (Ia die textkritisch wichtigsten Ausgaben, Ib übrige Columellaliteratur, II sonstige Literatur). Es wird vielmehr nur genannt, was neben den Ausgaben von Schneider und Lundström — Josephson dem Übersetzer bei seiner Arbeit besonderen Nutzen gebracht hat und daher meist auch öfter zitiert worden ist. (Manches, was er gern außerdem noch eingesehen hätte, ist ihm leider unzugänglich geblieben; auch in die unten genannte lateinisch-englische Ausgabe hat er nur einen kurzen Blick tun, sie aber nicht verwerten können.) Nicht vermerkt werden die allgemein bekannten Sammelwerke, Handbücher und Lexika mit Ausnahme der RE; denn diese erleichtert in besonderem Maße, mag auch einzelnes überholt sein, das Eindringen in Columellas Werk durch das für fast alle Bereiche darin zusammengetragene außerordentlich reichhaltige Material sowie die Literaturhinweise. — Die in dem vorliegenden Buch verwendeten Abkürzungen sind hinter den Titeln in Klammern vermerkt, soweit sie sich nicht von selbst verstehen. Zitate aus Columellas Hauptwerk sind durch Buch-, Kapitel- und Paragraphenziffer gekennzeichnet, bei dem Buch von der Baumzucht tritt an die Stelle der Buchziffer die Bezeichnung Bz.
Editionen J . G. Schneider, Scriptoresreirusticae veteres Latini, 4 Bände, Leipzig 1794—1797. Darin : Text Columellas (Sehn) Kommentar (Sehn K) Addenda im Palladiusband der Sammlung (Sehn Add.) Index zum Gesamtwerk (Sehn Index)
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Deutsche nicht nur der reinen Wissenschaft dienen soll; durch Mitteilung eines wesentlichen Zeugnisses für die materielle Kultur der römischen Kaiserzeit will sie auch dem Unterricht an Schulen und Hochschulen Hilfe leisten und überhaupt dem Erbe des Altertums neue Freunde gewinnen. Sie ist also für Menschen bestimmt, die — um es mit Goethes Worten zu sagen — sich dem Altertum gegenüberstellen und es ernstlich in der Absicht anschauen, sich daran zu bilden.
Literatur Ein ausführliches Verzeichnis soll hier nicht gegeben werden; ein solches findet sich bei A. Josephson, die Columellahandschriften S. 7—10 (Ia die textkritisch wichtigsten Ausgaben, Ib übrige Columellaliteratur, II sonstige Literatur). Es wird vielmehr nur genannt, was neben den Ausgaben von Schneider und Lundström — Josephson dem Übersetzer bei seiner Arbeit besonderen Nutzen gebracht hat und daher meist auch öfter zitiert worden ist. (Manches, was er gern außerdem noch eingesehen hätte, ist ihm leider unzugänglich geblieben; auch in die unten genannte lateinisch-englische Ausgabe hat er nur einen kurzen Blick tun, sie aber nicht verwerten können.) Nicht vermerkt werden die allgemein bekannten Sammelwerke, Handbücher und Lexika mit Ausnahme der RE; denn diese erleichtert in besonderem Maße, mag auch einzelnes überholt sein, das Eindringen in Columellas Werk durch das für fast alle Bereiche darin zusammengetragene außerordentlich reichhaltige Material sowie die Literaturhinweise. — Die in dem vorliegenden Buch verwendeten Abkürzungen sind hinter den Titeln in Klammern vermerkt, soweit sie sich nicht von selbst verstehen. Zitate aus Columellas Hauptwerk sind durch Buch-, Kapitel- und Paragraphenziffer gekennzeichnet, bei dem Buch von der Baumzucht tritt an die Stelle der Buchziffer die Bezeichnung Bz.
Editionen J . G. Schneider, Scriptoresreirusticae veteres Latini, 4 Bände, Leipzig 1794—1797. Darin : Text Columellas (Sehn) Kommentar (Sehn K) Addenda im Palladiusband der Sammlung (Sehn Add.) Index zum Gesamtwerk (Sehn Index)
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Erstes Buch
Vorrede
Oft höre ich, wie die Ersten unserer Bürger bald über die Unfruchtbarkeit der 1 Äcker klagen, bald über die Ungunst des Wetters, die schon lange den Früchten schade; manche höre ich auch, die diese Klagen sozusagen durch eine bestimmte Begründung abschwächen, weil sie meinen, durch allzu große Ergiebigkeit in der Vergangenheit sei der Boden völlig erschöpft und ausgemergelt und könne daher nicht in der früheren Fülle den Menschen Nahrung bieten. Diese Gründe, 2 Publius Silvinus, sind, wie ich überzeugt bin, von der Wahrheit weit entfernt; denn es ist Sünde zu glauben, daß die Natur, die der Urschöpfer der Welt mit ewiger Zeugungskraft beschenkt hat, gleichsam durch eine Krankheit mit Unfruchtbarkeit geschlagen sei, und ein verständiger Mann kann auch nicht annehmen, die Erde sei wie ein Mensch gealtert, die Erde, die doch, mit göttlicher und ewiger Jugend begabt, aller Dinge Mutter genannt worden ist, weil sie alles immer geboren hat und stetig weiter gebären wird. Demnach glaube ich, daß wir 3 nicht infolge der Gewalt der Witterung unter jener Unfruchtbarkeit leiden, sondern daß eher wir selber daran schuld sind, die wir die Landwirtschaft dem allerschlechtesten der Sklaven wie einem Henker zur Bestrafung auszuliefern pflegen, während doch von unseren Vorfahren stets gerade die besten sich nach ihrem besten Vermögen ihr gewidmet haben. Und ich kann mich nicht genug wundern, wieso zwar Leute, die reden lernen möchten, einen Redner auswählen, um dessen Beredsamkeit nachzueifern, wieso diejenigen, die nach den Regeln des Messens und Rechnens forschen, einem Lehrer des ihnen zusagenden Wissenszweiges sich anschließen, Tanz- und Musikbeflissene mit aller Sorgfalt einen Tonund Gesangsmeister oder einen Meister der Bewegung suchen, Baulustige die 4 Handwerker und Architekten zu Hilfe rufen, wer Schiffe dem Meere anvertrauen will, des Steuerns Kundige, wer auf Kriege sinnt, solche, die sich in Waffen und Kriegsdienst auskennen, und — um nicht weiter einzelnes aufzuzählen — jeder
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1. Buch, Vorrede
sich bei dem Studium, das er treiben will, von den Erfahrensten anleiten läßt, schließlich auch jeder den Bildner des Geistes und Lehrer dessen, was den Mann ziert, aus dem Kreise der Weisen sich holt: einzig aber die Landwirtschaft, die doch ohne Zweifel der Weisheit sehr nahe steht und ihr sozusagen blutsverwandt ist, der Lernenden wie der Lehrenden ermangelt. Bisher nämlich habe ich wohl gehört und habe es sogar selbst gesehen, daß es Rednerschulen und — ich sagte es schon — Schulen für Mathematiker und Musiker gibt oder, was erstaunlicher ist, Lehrwerkstätten für die verächtlichsten Unsitten, Speisen unsinnig lecker zu würzen und die Gerichte allzu üppig aufzutischen, oder auch Haupt und Haar überzierlich herauszuputzen: für den Landbau jedoch habe ich weder Lehrer kennengelernt, die sich als solche zur Verfügung stellten, noch Schüler. Und doch könnte, auch wenn die Bürgerschaft ohne Lehrer vorgenannter Künste auskommen müßte, das Gemeinwesen blühen wie in alter Zeit, denn ohne spielerische Künsteleien und auch ohne Rechtsanwälte sind Städte einst recht glücklich gewesen und werden es auch künftig sein; dagegen läßt es sich mit Händen greifen, daß ohne den Ackersmann die Menschheit nicht bestehen und sich nicht ernähren kann. Um so verwunderlicher ist der Zustand, daß ein Beruf, der uns für Leib und Leben ungemeinen Nutzen bringt, bis in unsere Zeit die geringste Vollendung erfuhr und daß die weitaus anständigste Art, Vermögen zu mehren und zu hinterlassen, verachtet wurde. Denn die übrigen Erwerbsarten stehen, unvereinbar und gleichsam widerstrebend, nicht im Einklang mit der Gerechtigkeit, es sei denn, wir hielten es für angemessener, Beute durch Kriegsdienst zu gewinnen, der uns doch ohne Blut und ohne daß wir Fremden Unheil bringen, nichts eintragen kann. Oder sollte Kampf auf dem gefahrenvollen Meere und des Handels Glückspiel begehrenswerter sein, bei dem, mißachtend die Gesetze der Natur, der erdgebundene Mensch dem Zorn der Winde und der Wogen preisgegeben auf den Fluten schwankend schwimmt und unablässig nach der Art der Vögel, ein Fremdling an fernem Gestade, die unbekannte Welt durchirrt? Sollte das Geldausleihen mehr Beifall verdienen, das sogar denen verhaßt ist, denen es zu helfen scheint? Besser aber ist auch nicht das hündische Gebelfer — so bezeichneten es die Alten —, das vorzugsweise die besonders Begüterten ankläfft, besser sind nicht die Machenschaften des Raubgesindels, das gegen Schuldlose und für die Schuldigen sich einsetzt; die Vorfahren haben so etwas verachtet, wir aber lassen es sogar innerhalb der Stadt und mitten auf dem Markte zu. Soll ich nun etwa das verlogene Lauern eines Menschen als ehrenhafter ansehen, der in der Hoffnung auf Lohn zu allmorgendlicher Begrüßung um die Schwellen der Mächtigeren herumschwänzelt und aus Geräuschen zu erhorchen sucht, ob sein „König" noch schläft? Wenn er nämlich fragt, was drinnen vorgehe, würdigen ihn die Sklaven keiner Antwort. Oder soll ich es für beglückender halten, von einem gefesselten Pförtner abgewiesen oft in später Nacht vor Türen herumzuliegen, die geschlossen bleiben, und durch elendeste Liebedienerei in unrühmlicher Weise Ämterglanz und Kommandogewalt zu erfeilschen und bei alledem
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auch noch das Vermögen dranzugehen? Denn nicht mit ungelohnter Dienstbarkeit allein, sondern mit Geschenken muß man für ein Ehrenamt bezahlen. Wenn Menschen, die auf sich halten, dies und Ähnliches meiden müssen, so bleibt, wie ich schon sagte, nur eine einzige eines freien Mannes würdige und anständige Art, das Vermögen zu mehren: der Gewinn aus der Landwirtschaft. Sogar wenn 11 Ungelernte, denen das Land allerdings zu eigen gehören muß, deren Regeln wenigstens schlecht und recht in alter Weise befolgten, so würde es bei den Wirtschaftserträgen geringere Einbuße geben, denn der Fleiß der Herren würde die durch ihre Unerfahrenheit entstehenden Verluste weitgehend ausgleichen, und da es ja um ihren Vorteil ginge, würden sie auch nicht ihr ganzes Leben lang in ihrem Beruf unwissend erscheinen wollen und deshalb mit größerer Lernbegier die Landwirtschaft gründlich studieren. Jetzt verschmähen wir es als unwürdig, 12 selbst unsere Güter zu bebauen, und wir legen auch keinen Wert darauf, immer den Erfahrensten zum Verwalter zu machen oder, wenn wir schon einen Unwissenden einsetzen, dann wenigstens einen voll wacher Energie zu wählen, damit er um so schneller hinzulerne, was er nicht weiß. Ein wohlhabender Mann vielmehr, der ein Landgut gekauft hat, verweist aus der ScKar der Lakaien und Sänftenträger den Ältesten und Schwächsten auf den Acker, obwohl diese Tätigkeit nicht nur Kenntnisse, sondern auch, damit einer die Anstrengungen aushält, rüstige Jugend und Körperkraft verlangt; ein Gutsherr aber von nur mäßigem Vermögen läßt einen von den Tagelöhnern, der schon die ihm zugeteilte tägliche Arbeit nicht leistete, weil er ihm nichts einbrachte, den Meister spielen, obgleich er die Sache, ¿lie er leiten soll, nicht versteht. Da ich das bemerke und immer wieder überdenke, mit wie schmählicher Einhellig- 13 keit vernachlässigt die Lehre vom Landbau in Vergessenheit geraten ist, so besorge ich, er könnte vielleicht schimpflich und gewissermaßen beschämend oder unehrenhaft für Freigeborene sein. Durch zahlreiche Schriftstellerzeugnisse indessen werde ich daran erinnert, daß bei unseren Ahnen die Landwirtschaft in Ehren gestanden hat; aus ihr ist Quinctius Cincinnatus, der Befreier eines belagerten Konsuls und Heeres, vom Pfluge weggerufen zur Diktatur gelangt, und nach Niederlegung der Amtsgewalt, die er eiliger als Sieger zurückgegeben denn als Feldherr empfangen hatte, ist er zu den gleichen Jungstieren und zu dem vom Großvater ererbten Gütchen von vier Morgen zurückgekehrt; ebenso 14 haben Gaius Fabricius und Curius Dentatus, der eine, nachdem er Pyrrhus aus Italien vertrieben, der andere, als er die Sabiner bezwungen hatte, die empfangenen sieben Morgen erbeuteten Ackers, die je Mann zugeteilt wurden, nicht weniger fleißig bebaut, als sie sie tapfer erkämpft hatten. Und — um nicht weiter unnötig einzelne aufzuzählen — da ich nun wahrnehme, daß so viele andere denkwürdige Führer römischen Stammes sich gleichfalls durch das zweifache Streben ausgezeichnet haben, das ererbte oder eroberte Land entweder zu verteidigen oder zu bebauen, so erkenne ich, daß nur unserer Genußsucht und unserer Üppigkeit die alte Sitte und das mannhafte Leben nicht behagen. Wir 15
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alle nämlich haben — wie es Marcus Varro schon zu Zeiten unserer Großväter beklagt hat — , obwohl wir doch Familienväter sind, Sichel und Pflug verlassen, wir sind in der Stadt zusammengekrochen und rühren unsere Hände lieber im Zirkus und Theater als auf Saatfeldern und in Weingärten und bestaunen verzückt das Gebärdenspiel weibisch Entarteter, weil sie das von der Natur den Männern versagte Geschlecht durch Bewegung nach Frauenart vortäuschen und die Augen der Zuschauer betören. Damit wir dann wohlvorbereitet zu den Schlemmereien kommen, kochen wir die tägliche Magenüberladung im Trockenschwitzbad aus, und nach dem Schwitzen suchen wir den Durst zu reizen und verbringen die Nächte in Lüsten und Trunkenheit, die Tage mit Spiel oder Schlaf, und wir halten uns selbst für glücklich, weil wir .weder die aufgehende Sonne gesehen haben noch die untergehende'. Natürlich ist die Folge dieses schlaffen Dahinlebens eine schlechte körperliche Verfassung, denn so hinfälligen Leibes und kraftlos sind die jungen Menschen, daß wohl der Tod nichts mehr an ihnen zu verderben finden wird. Jene echten Nachkommen des Romulus dagegen, geübt durch ständige Jagden und nicht weniger durch Landarbeit, waren fürwahr überaus gesund und kräftig, und wenn es not tat, hielten sie leicht den Kriegsdienst aus, da die Anstrengungen der friedlichen Arbeit sie abgehärtet hatten, und immer zogen sie das bäuerliche dem Stadtvolk vor. Wie man nämlich die, die auf den Gutshöfen innerhalb der Umzäunungen blieben, für weniger tüchtig hielt als die, die draußen das Land bearbeiteten, so schienen ihnen die, die im Schatten der Stadt innerhalb der Mauern müßig lungerten, träger als die, die das Land beackerten oder Bauernarbeit taten. Auch die Versammlungen hat man augenscheinlich deshalb auf die Markttage gelegt, damit nur an jedem neunten Tage die städtischen Angelegenheiten behandelt, an den übrigen die Landarbeiten besorgt würden. In jenen Zeiten nämlich wohnten, wie ich schon gesagt habe, die Vornehmsten der Bürgerschaft auf dem Lande, und wenn eine Senatssitzung anberaumt wurde, holte man sie von ihren Villen in den Senat; diejenigen, die sie zur Sitzung luden, hießen daher Landboten. Solange nun die Sitte der Frühzeit bewahrt blieb, haben im beharrlichen Bemühen um die Bestellung des Landes jene alten Sabiner aus Cures und römischen Ahnen, auch wenn Krieg und Brand und feindliche Überfälle die Früchte verheert hatten, reichere Ernten eingebracht als wir, denen es doch, da der dauernde Friede es erlaubt, gelingen müßte, die Erträge zu steigern. In diesem Latium also, diesem Land des Saturn, wo die Götter ihre Kinder lehrten, den Acker zu nutzen, da verpachten wir. jetzt und lassen uns lieber, um nicht Hunger zu leiden, das Korn aus den überseeischen Provinzen heranschaffen, und den Wein bringen wir in unsere Keller von den Kykladeninseln und aus den bätischen und gallischen Gebieten. Verwunderlich ist das nicht, hat sich doch in der Öffentlichkeit schon allgemein die Auffassung eingeführt und durchgesetzt, die Landwirtschaft sei ein schmutziges Geschäft und überdies sei sie ein Unternehmen, das jeglicher Anleitung oder Lehre entraten könne. Ich dagegen hege, wenn ich entweder mir die Landwirtschaft in ihrem
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ganzen Umfange wie einen Riesenkörper vor Augen stelle oder die Feinheit ihrer Einzelgebiete, als der Glieder jenes Körpers, untersuche, die Besorgnis, daß mich der Tod ereilt, bevor ich alles, was es dabei zu wissen gibt, auslernen kann. Wer nämlich behaupten will, er sei in dieser Wissenschaft vollkommen zu Hause, der muß sehr gut die Natur kennen sowie mit der Klimakunde vertraut sein, um genau zu wissen, Was jedem Landstrich entspricht und was ihm widerstrebt; Auf- und Untergänge der Gestirne muß er im Gedächtnis haben, damit er nicht, obwohl Regen und Winde drohen, Arbeiten in Angriff nimmt und vergebliche Mühe aufwendet. Die Art des jeweiligen Wetters und des gegenwärtigen Jahres soll er beobachten, sie verhalten sich nämlich nicht immer gleichmäßig wie nach Vorschrift, und nicht in allen Jahren zeigen Sommer oder Winter das gleiche Gesicht, nicht immer ist däs Frühjahr regnerisch oder der Herbst feucht; daß jemand das ohne Erleuchtung des Geistes und ohne gründliches, vielseitiges Lernen vorauswissen könnte, vermag ich nicht zu glauben. Was ferner die Mannigfaltigkeit des Landes, die Eigenart jedes Bodens uns versagt und was sie verspricht, verstehen nicht viele zu unterscheiden. Die Summe vollends aller Teilgebiete bei dieser Wissenschaft zu überschauen, wie wenigen ist dies gelungen! Wer versteht die Praxis des Säens und Pflügens und kennt gleichzeitig genau die mannigfachen und sehr ungleichen Bodenarten? Von diesen täuschen einige durch ihre Farbe, einige durch ihre Beschaffenheit; in manchen Gegenden, etwa in Campanien, verdient Lob die schwarze Erde, die man als pulla bezeichnet, anderswo bringt die fette rote bessere Erträge; hier und da, zum Beispiel in Afrika und Numidien, übertreffen die lockeren Sande an Fruchtbarkeit sogar den kräftigsten Boden, in Asien und Mysien trägt am reichsten die dichte und zähe Erde; zu alledem müßte einer noch genau wissen, was sich nicht eignet für Hügellage oder für Lage in der Ebene, für länger kultivierten und frisch gerodeten Acker, für feuchtes und grasiges, trockenes und unreines Land; er müßte das richtige Verfahren bei Pflanzung und Pflege von Bäumen und Wein herauszufinden verstehen, wovon es unzählige Arten gibt, sowie bei Anschaffung und Haltung von Vieh; denn auch die Viehzucht rechne ich zur Landwirtschaft, obwohl sie eine Wissenschaft für sich ist. Und zwar ist auch sie keineswegs einfach. Anderes verlangen ja die Pferde und anderes das Rindvieh, wieder anderes die Schafe; bei diesen sind die tarentinischen und grobwolligen verschieden zu behandeln; noch anderes verlangen die Ziegen, denn die hornlosen mit schwachem Haar bedürfen anderer Pflege als die gehörnten und stark behaarten, wie man sie in Cilicien findet. Aber auch das Gewerbe des Schweinezüchters und Schweinehirten ist vielseitig; die Fütterung der Tiere ist verschieden, und die kahlen vertragen weder das gleiche Klima wie die mit dichten Borsten, noch kann man ihnen dieselbe Aufzucht und Pflege zuteil werden lassen. Und — um nun das Thema Viehzucht zu verlassen, zu dem auch noch die Sorge für das Hausgeflügel und die Bienen gehört — wer wendet wohl, da von den meisten schon das Wichtigere vernachlässigt wird, soviel Eifer auf, daß er über das Aufgezählte hinaus 4
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sich auf die so zahlreichen Arten des Pfropfens und Beschneidens verstünde, daß er die Obst- und Gemüsekultur in ihrer Vielfalt betriebe, den mancherlei Feigensorten sowie den Bosengärten seine Fürsorge widmete? Und dabei werfen doch gerade diese Tätigkeiten für viele jetzt schon recht ansehnliche Einkünfte ab. Schließlich erfordern auch Wiesen sowie Pflanzungen von Weiden, Ginster und Bohr einigen Fleiß, mag er immerhin gering sein. Beim Aufzählen so vieler und so vielfältiger Dinge übersehe ich keineswegs, daß, wenn ich Leuten, die sich mit der Landwirtschaft befassen, den Landmann so, wie ich ihn mir wünsche und wie ich ihn beschreiben werde, als Vorbild hinstelle, dadurch der Eifer der Lernenden erlahmen wird; denn sie werden in ihrer Verzweiflung über eine so mannigfaltige und so ausgedehnte Wissenschaft nicht erproben wollen, was sie zu erreichen sich nicht zuträuen. Gleichwohl ist es — was im ,Bedner' schon Marcus Tullius sehr richtig gesagt hat — angemessen, daß die, die für die Menschheit Nützliches zu finden und Wohlerwogenes und Erprobtes der Nachwelt zu überliefern bestrebt sind, alles versuchen. Und wenn uns vielleicht die Kraft eines überragenden Geistes oder das Büstzeug großartiger Fähigkeiten mangeln sollten, so dürfen wir uns nicht gleich in Nichtstun und Verdrossenheit fallen lassen, sondern wir müssen, was wir verständigerweise erstrebt haben, beharrlich verfolgen; denn nach dem höchsten Gipfel trachtend können wir noch ehrenvoll genug auch auf der halben Höhe des Anstieges uns sehen lassen. Haben nicht die Musen von Latium in ihre Tempel nicht nur Accius und Vergil aufgenommen, sondern die heilige Wohnstatt auch denen eingeräumt, die jenen als nächste folgten, und sogar solchen, die noch weit unter diesen standen? Einen Brutus, Cälius oder Pollio, einen Messalla und Calvus haben die blendenden Blitze ciceronischer Rede vom Studium der Rhetorik nicht abgeschreckt, auch Cicero selbst war der Donnergewalt des Demosthenes und Plato nicht verschüchtert gewichen, und der Vater der Beredsamkeit, jener göttliche Mäonier, hatte keineswegs durch die unermeßlichen Ströme seiner Rede das glühende Streben derer ausgelöscht, die ihm nachfolgten. Wir sehen ferner, daß schon so viele Jahrhunderte hindurch auch bildende Künstler minderen Ruhmes, die Protogenes, Apelles und Parrhasius bewunderten, deshalb durchaus nicht ihr eigenes Mühen aufgegeben haben; und obwohl staunend ergriffen von der Schönheit des olympischen Jupiter und der Minerva, die Phidias geschaffen hatte, versuchten trotzdem in der Folgezeit Bryaxis, Lysippus, Praxiteles und Polyklet unverdrossen, was sie zustande bringen oder wieweit sie fortschreiten könnten. In jeder Art von Wissenschaft aber ist den Bedeutendsten Bewunderung und Verehrung, den nicht so hoch Stehenden das verdiente Lob gezollt worden. Hinzu kommt noch eines: wenn schon einer, der meiner Vorstellung vom vollkommenen Landwirt entsprechen soll, zwar die Theorie in ihrem ganzen Umfange beherrscht, wenn er also in der gesamten Naturwissenschaft den Scharfsinn des Demokrit oder Pythagoras, in Astronomie und Wetterkunde die Voraussicht des Meton oder Eudoxos, in der Behandlung der Tiere das Wissen des Chiron und
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Melampus sowie in der Bearbeitung jeglichen Bodens die Klugheit des Triptolemus oder Aristäus erworben hat, so wird es ihm doch sehr dienlich sein, wenn er Männern wie unserem Tremellius, Saserna und Stolo in der praktischen Erfahrung gleichkommt. Landwirtschaft kann nämlich nicht mit genauestem Wissen allein 33 getrieben werden, hingegen auch nicht nur sozusagen mit bloßem Hausverstand, denn unwahr ist, was die meisten sich einbilden, daß sie ganz leicht sei und der Verstandesschärfe nicht bedürfe. Über ihre Vielseitigkeit jetzt noch mehr zu sagen, erübrigt sich, weil ja alle ihre Teilgebiete in einer Reihe von Büchern mit bestimmt begrenzten Themen entwickelt werden sollen; ich werde sie aber in gehöriger Ordnung erst dann abhandeln, wenn ich vorausgeschickt habe, was für einen Gutsbetrieb meiner Meinung nach allgemein von besonderer Bedeutung ist.
1. Kapitel Wer sich der Landwirtschaft widmen will, muß wissen, daß er vor allen Dingen Sachkenntnis, Zahlungsfähigkeit und Arbeitswillen dazu mitbringen muß. Erst derjenige nämlich wird, wie Tremellius sagt, sein Land in bester Ordnung haben, der Wissen, Vermögen und Willen an seine Bearbeitung wendet. Denn weder genügt es, daß einer Bescheid weiß und arbeiten will, sofern er die Kosten nicht aufbringen kann, die das Werk fordert, noch nützt ihm der Wille, etwas zu tun oder aufzuwenden, wenn er seine Sache nicht versteht; ist es doch bei jedem Unternehmen die Hauptsache, daß man weiß, was zu tun ist, und es gilt besonders für die Landwirtschaft, bei der guter Wille und Geldaufwand ohne Kenntnisse den Gutsherren oft große Verluste bringen, wenn unbedacht vorgenommene Arbeiten die Kosten nicht lohnen. Ein gewissenhafter Hausvater, der einen sicheren Weg einschlagen möchte, durch Erträge des Ackerbaues das Vermögen zu mehren, wird deshalb sehr darauf bedacht sein, sowohl die kundigsten Landwirte seiner Zeit über alles zu befragen als auch die Mitteilungen der Früheren fleißig zu durchforschen und zu prüfen, was jeder vonvihnen gemeint und empfohlen hat, und ob alles, was die Vorfahren überliefert haben, den Erfordernissen der Gegenwart entspricht oder das eine oder andere nicht damit im Einklang steht. Ich habe nämlich festgestellt, daß viele recht beachtenswerte Autoren überzeugt sind, mit der Länge der Zeit änderten sich Witterungsverhältnisse und Klima, und daß der kundigste Astronom unter jenen, Hipparch, angekündigt hat, es werde eine Zeit kommen, in der die Weltpole von ihrer Stelle rücken würden; und zu dieser Meinung hat anscheinend auch der durchaus ernstzunehmende Agrarschriftsteller Saserna geneigt. Denn in dem Buche, das er über die LandWirtschaft geschrieben und hinterlassen hat, schließt er auf eine Veränderung der klimatischen Bedingungen, weil Gegenden, in denen ehemals wegen der anhaltenden Winterstrenge kein gepflanzter Weinstock oder Ölbaum hätte am Leben 4*
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bleiben können, jetzt nach Milderung und Lauwerden der früheren Kälte überreiche Oliven- und Weinernten brächten. Die Entscheidung allerdings, ob diese Begründung falsch oder richtig ist, mag der astronomischen Wissenschaft überlassen bleiben. Im übrigen wird der Landwirt nicht die sehr zahlreichen Vorschriften außer acht lassen dürfen, die punische Schriftsteller aus Afrika für die Bestellung des Landes gegeben haben; unsere Landwirte werfen diesen freilich vor, sie hätten vieles falsch berichtet. Tremellius z. B. beklagt sich darüber, entschuldigt es jedoch damit, daß Italiens und Afrikas Boden und Klima verschieden seien und daher nicht die gleichen Ergebnisse bringen könnten. Was aber auch in der Landwirtschaftslehre unserer Zeit etwa abweichen mag von der Lehre der Alten, es darf den Lernenden von der Lektüre nicht abschrecken; denn weit mehr findet sich dort, was wir billigen, als was wir verwerfen müssen. Groß ist weiterhin auch die Schar der Griechen, die über die Landwirtschaft belehren; als deren erster hat der hochberühmte Dichter Hesiod aus Böotien mancherlei zu unserem Fach beigesteuert; stärker haben es dann Männer gefördert, die von den Quellen der Weisheit ausgingen, Demokrit aus Abdera, der Sokratesschüler Xenophon, der Tarentiner Archytas, die Peripatetiker Aristoteles und Theophrast, der Lehrer mit dem Schüler. Auch die Sikuler Hieron und Epicharm, dessen Schüler Philometor sowie Attalus haben sich mit nicht geringer Fürsorge der gleichen Aufgabe angenommen. Athen aber hat eine große Zahl von Schriftstellern hervorgebracht, darunter als bewährteste Autoren Chäreas, Aristandros, Amphilochus, Euphronius und Chrestus; Euphronius ist nicht, wie viele meinen, der Amphipolitaner, der gleichfalls als schätzbarer Landwirt gilt, sondern ist auf attischem Boden geboren. Auch die Inseln haben das Thema fleißig behandelt, wie der Rhodier Epigenes, Agathokles von Chios und die Thasier Euagon und Anaxipolis bezeugen. Ebenso haben Menander und Diodor, Landsleute jenes bekannten Bias, den man zu den sieben Weisen zählt, vor allem Sachverständnis in der Landwirtschaft für sich beansprucht. Diesen haben die Milesier Bacchius und Mnasias, Antigonus aus Kyme, aus Pergamon Apollonius, der Kolophonier Dion und der Maronit Hegesias nicht nachgestanden. Ferner aber hat der Bithynier Diophanes das in vielen Büchern ausgebreitete Gesamtwerk des Dionysios von Utica, der die Schriften des Puniers Mago übersetzt hatte, in sechs Auszügen zusammengefaßt. Auch andere indessen, die weniger bekannt sind und deren Heimat ich nicht ermittelt habe, haben einiges zu unserem Studiengebiet beigetragen, nämlich Androtion, Äschrion, Aristomenes, Athenagoras, Crates, Dadis, Dionysius, Euphyton und Euphorion; und mit nicht geringerer Treue haben uns Lysimachus und Eubulus, Menestratus, Plentiphanes, Persis und Theophilus Mann für Mann ihren Tribut gezollt. Um nun endlich die Landwirtschaft auch mit dem römischen Bürgerrechte zu beschenken — denn die bisher genannten Autoren waren Griechen —, will ich jetzt jenen Marcus Cato Censorius nennen, der als erster sie lateinisch zu sprechen gelehrt h a t ; nach ihm die beiden Saserna, Vater und Sohn, die sie eingehender dargestellt haben; dann Tremellius Scrofa,
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der sie auch beredt gemacht, und Marcus Terentius, der sie verfeinert hat, weiterhin Vergil, der ihr auch die Dichtung erschloß. Schließlich aber dürfen wir nicht versäumen, als eines Lehrers der Landwirtschaft des Julius Hyginus zu gedenken, so jedoch, daß wir als ihren Vater mit besonderer Ehrerbietung den Karthager Mago nennen, denn dessen denkwürdige achtundzwanzig Bücher sind auf Senatsbeschluß ins Lateinische übersetzt worden. Nicht geringeres Lob jedoch haben Männer unserer Gegenwart verdient, Cornelius Celsus und Iulius Atticus, jener nämlich hat den gesamten Lehrstoff in fünf Büchern zusammengefaßt, dieser über das Sonderthema des Weinbaus eine Einzelschrift herausgegeben, und als sein Schüler hat Iulius Gräcinus zwei Bücher mit ähnlichen Vorschriften über Weinpflanzungen zusammengestellt, sich indessen darum bemüht, sie ansprechender und gelehrter der Nachwelt zu überliefern. Diese also, Publius Silvinus, ziehe zu Rate, bevor du dich mit der Landwirtschaft einläßt; nur darfst du dir nicht einbilden, du könntest mit Hilfe ihrer Äußerungen schon das Ganze bewältigen; denn die Ratschläge derartiger Schriftsteller belehren wohl, machen aber noch keinen zum Meister. Bei jeder Fertigkeit entscheiden Übung und Erfahrung, und es gibt keine Lehre, bei der man nicht dadurch lernt, daß man Fehler macht. Denn sobald etwas, was man falsch angefangen hatte, ungünstig ausgegangen ist, vermeidet man künftig, was zum Mißlingen geführt hat, und nun erleuchtet den richtigen Weg das bessere Wissen des Lehrers. Somit wollen auch meine Vorschriften das Sachverständnis nicht zur höchsten Vollendung bringen, sondern nur dabei helfen, und keineswegs wird einer nach Lektüre dieser Anweisungen sogleich der Landwirtschaft mächtig sein, wenn er nicht auch den Willen betätigt, sie zu befolgen, und nach seinen Vermögensumständen dazu in der Lage ist. Ich biete also meine Lehren den Lernwilligen nur als Stützen an, die nicht für sich allein nützen sollen, sondern mit anderen zusammen. Aber auch solche Hilfen, wie ich sie erörtert habe, auch fleißige Arbeit und Erfahrung des Verwalters, auch die Mittel und der Wille, sie aufzuwenden, sind niemals so wirksam wie einzig und allein die Anwesenheit des Herrn: wenn dieser sich nicht häufig bei den Arbeiten sehen läßt, dann werden, wie im Heere bei Abwesenheit des Feldherrn, alle Pflichten vergessen. Dies vor allem, glaube ich, will der Punier Mago zu verstehen geben, der die Einleitung seiner Schriften mit den Sätzen eröffnet hat: ,Wer einen Acker erworben hat, soll sein Stadthaus verkaufen, damit er nicht den städtischen Hausgott lieber verehre als den ländlichen ; wem seine Stadtwohnung mehr am Herzen liegt, der braucht kein Landgut.' Wäre diese Regel heute anwendbar, so würde ich sie nicht ändern. Da jetzt aber das Streben nach Bürgerehren die meisten von uns oft vom Land abruft und allzuoft die Abgerufenen in der Stadt festhält, so folgt daraus meiner Meinung nach, daß am zweckmäßigsten ein Gut in Stadtnähe ist, zu dem hinaus auch einem Beschäftigten nach seiner Tätigkeit auf dem Forum der tägliche Weg leicht möglich ist. Wer nämlich entfernte oder gar überseeische Ländereien kauft, der verzichtet zugunsten seiner Sklaven, als ob diese Erben wären, auf sein Ver-
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mögen, und zwar, was noch schwerer wiegt, schon zu Lebzeiten; denn wenn der Herr so weit entfernt ist, werden die Sklaven verdorben, und wenn sie das erst sind, denken sie nach den begangenen Schandtaten in der Befürchtung, abgelöst zu werden, mehr an Räubereien als an ihre Arbeiten. 2. Kapitel 1 Ich bin also dafür, das Land in der Nähe1 zu kaufen, und der Besitzer soll häufig hinkommen, noch häufiger aber, als er wirklich kommt, soll er sein Kommen ankündigen ; unter dem Druck dieser Angst nämlich werden Verwalter und Gesinde ihre Pflicht tun. Soviel aber, wie es möglich ist, soll er sich auf dem Lande aufhalten, und dies Verweilen soll nicht müßig sein und nicht den Schatten suchen. Denn für einen gewissenhaften Gutsherrn gehört es sich, daß er alle Teile seines Landes zu jeder Jahreszeit öfter besichtigt, damit er desto sorglicher, sei es an Laub und Pflanzen, sei es an schon reifen Früchten, die Beschaffenheit des Bodens prüfen kann und genau weiß, was man vernünftigerweise auf ihm anbauen kann. 2 Es gibt ferner ein altes Wort des Cato, daß am schlimmsten ein Acker mißhandelt werde, bei dem nicht der Herr den Verwalter anweise, was darauf getan werden solle, sondern es sich von jenem sagen lasse. Deswegen sei es jedem, der ein Gut als Vätererbe besitzt oder eines kaufen will, Hauptsorge zu wissen, welcher Art von Land man den Vorzug geben soll, damit er auf unbrauchbares verzichtet und 3 preiswürdiges kauft. Wenn nun Fortuna unserem Wunsche hold ist, so werden wir ein Grundstück in gesunder Lage haben, mit fruchtbarem Boden, teils in der Ebene, teils auf Hügeln gelegen, die nach Osten oder Süden sanft abfallen, die einen mit Ackerland, die anderen mit unbearbeitetem Waldboden; nicht fern vom Meere oder einem schiffbaren Flusse, auf dem die Erträge abtransportiert und Waren herangebracht werden können. Das ebene Land, aufgeteilt in Wiesen, Saatfelder, Weidenpflanzungen und Rohrgebüsche, soll nahe den Gutsgebäuden 4 liegen. Von den Hügeln seien einige ohne Bäume, damit sie nur den Saaten dienen; diese kommen aber auf ebenem Gelände mit mäßig trockenem und fettem Boden besser voran als auf Abhängen, und deshalb müssen auch höher gelegene Getreideäcker ebene Flächen haben und dürfen nur ganz sanft geneigt sein, sollen also annähernd ebenso liegen wie solche in der Ebene. Andere Hügel sollen mit Ölbaumpflanzungen und Wein sowie dessen künftigen Stützbäumen bekleidet werden, wieder andere können, wenn gebaut werden muß, Holz und Stein liefern, auch dem Kleinvieh Weide bieten; ferner sollen sie Bäche zu Tal schicken, die in die Wiesen, Gärten und Weidenpflanzungen fließen, und sollen dem Gutshof 5 Röhrwasser zuleiten. Nicht fehlen dürfen Herden von Rindern und den anderen Vierfüßern, die das auf Kultur- und Ödland anfallende Futter abweiden. Ein Gut in solcher Lage aber, wie ich es als Wunschbild darstelle, ist schwer und selten zu finden und fällt nur wenigen zu; die nächstbeste Lage ist die, die recht viel, noch erträglich eine, die nicht ganz wenig von dem Erwünschten bietet.
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3. Kapitel Porcius Cato nun meinte, bei Prüfung von Land müsse man vornehmlich zweierlei berücksichtigen, die Zuträglichkeit des Klimas und die Fruchtbarkeit; wenn eins der beiden fehle und einer trotzdem dort ansässig werden wolle, so sei er unzurechnungsfähig und müsse entmündigt werden. Niemand nämlich, der bei Sinnen sei, dürfe an die Kultur sterilen Bodens Kosten wenden, und auch der fruchtbarste und fetteste Acker werfe für den Besitzer keinen Gewinn ab, wenn er in ungesunder Gegend liege. Denn wo mit dem Totenreich gerechnet werden müsse, sei nicht nur die Ernte, sondern auch das Leben der Gutsbewohner gefährdet oder vielmehr der Tod sicherer als der Gewinn. Diesen zwei Grundforderungen fügte er als nicht minder beachtenswert die Straße, das Wasser und den Nachbarn hinzu. Sehr förderlich sei dem Gute eine bequeme Straße; erstens und hauptsächlich erleichtere sie die Gegenwart des Herrn, der lieber und häufiger kommen werde, wenn er keine Angst vor Reisestrapazen zu haben brauche; zweitens erleichtere sie die An- und Abfuhren für die Wirtschaft, und das steigere den Gewinn aus den geernteten Früchten und mindere die Kosten der eingeführten Waren, weil sie sich dorthin billiger befördern ließen, wohin man mit leichter Mühe gelange; und es sei auch nicht unwichtig, daß man billig fahre, wenn man mit gemieteten Zugtieren reise, was praktischer sei, als eigene zu halten, und daß auch die Sklaven, die den Hausherrn begleiteten, ohne Mühe den Weg zu Fuß machen könnten. Daß das Wasser gut sein muß, leuchtet jedem so ein, daß darüber nichts mehr gesagt zu werden braucht. Wer nämlich könnte zweifeln, daß man ganz einwandfreies Wasser haben muß, ohne das niemand von uns, mag er gesund oder krank sein, sein Leben erhalten kann? Über die Annehmlichkeit des Nachbarn läßt sich zwar nichts Sicheres sagen, weil ja bisweilen Tod und allerlei andere Ursachen ihn uns austauschen, und deshalb kümmern sich auch manche nicht um Catos Mahnung, sind damit aber wohl auf falschem Wege. Denn wie ein Weiser Zufälle gelassen trägt, so wird nur ein Tor sich selbst ins Unglück stürzen, und das tut der, der für sein Geld.sich einen nichtsnutzigen Nachbarn anschafft, wo er doch, wenigstens wenn er von freien Eltern stammt, schon von der Wiege an hätte hören können:
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.Niemals ginge verloren ein Rind, war' ein Schuft nicht der Nachbar'. 6 Das wird nicht nur vom Rind gesagt, sondern gilt für alle Teile unseres Hauswesens, und zwar so sehr, daß viele vorgezogen haben, ohne Heim zu leben, und wegen der Übergriffe der Nachbarn aus ihren Wohnungen geflohen sind. Ich möchte sogar glauben, daß ganze Völker — ich nenne Achäer und Hiberer, auch Albaner und Sikuler sowie, um unsere eigene Frühgeschichte zu berühren, die Pelasger, Aboriginer und Arkader — aus keinem anderen Grunde die Heimat verlassen und entlegene Länder aufgesucht haben, als weil sie böse Nachbarn nicht hatten ertragen können. Und um nicht nur von allgemeinem Unheil zu reden: auch einzelne sind, 7
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so wird überliefert, in den griechischen Ländern und auch in diesem unserem Hesperien abscheuliche Nachbarn gewesen, denn weder konnte wohl jener Autolycus für irgend jemand ein erträglicher Angrenzer sein, noch bereitete der auf dem Aventinusberge hausende Cacus seinen Nachbarn auf dem Palatin einiges Vergnügen. Ich will nämlich lieber Vergangenes als Gegenwärtiges erwähnen, um nicht meinen eigenen Nachbarn zu nennen, der auf meinem Gebiet keinen größeren Baum stehen läßt, jede Pflanzschule und jede Stütze zum Anbinden der Weinreben beschädigt und der es unmöglich macht, das Vieh ohne besondere Aufsicht weiden zu lassen. Soweit ich es beurteilen kann, hat also Marcus Porcius mit Recht empfohlen, solchen Unhold zu meiden, und hat namentlich den angehenden Landwirt vorsorglich gemahnt, daß er nicht durch eigene Unvorsichtigkeit an einen gerate. 8 Ich selbst füge den anderen Vorschriften die hinzu, die einer von den sieben Weisen als ewig gültig der Nachwelt verkündet hat: Maß zu halten und Beschränkung zu üben. Man sollte einsehen, daß das nicht nur Leuten gesagt ist, die anderes unternehmen, sondern auch denen, die Land erwerben wollen; sie sollen sich nämlich vornehmen, nicht mehr zu kaufen, als ihr Voranschlag erlaubt. Denn darauf zielt das berühmte Wort unseres Dichters: ,Du lob' unermeßliche Felder, Aber das kleine bestell'.' 9 Wie mir scheint, hat hier der kenntnisreiche Mann eine altüberlieferte Regel in Verse gefaßt; man nimmt nämlich allgemein an, das höchst gescheite Puniervolk habe gesagt, das Land müsse schwächer sein als der Landmann, weil der Besitzer, wenn er mit ihm ringen müsse, zu Schaden kommen würde, wenn das Gut über seine Kräfte ginge. Und es ist sicher, daß ausgedehntes Ackerland, das nicht richtig gepflegt wird, weniger einträgt als eng begrenztes, das vorzüglich imstande 10 ist. Und deshalb haben nach Vertreibung der Könige jene durch die licinischen Gesetze vorgesehenen sieben Morgen Landes, die der Volkstribun jedem Mann zugeteilt hatte, den Alten größere Erträge gebracht, als jetzt uns die Riesengüter bringen, die unbestellt bleiben. Solch großes Gut, fünfzig Morgen Landes, wollte das Volk dem Manius Curius Dentatus, von dem ich oben berichtet habe, als Lohn für seine hervorragende Bewährung zu eigen geben, als er das Heer erfolgreich geführt und den Sieg errungen hatte; er aber meinte, das ginge über das Vermögen eines Konsuls und Triumphators hinaus, wies das Geschenk des Volkes 11 zurück und begnügte sich mit dem üblichen Maße, wie es Plebejern zustand. Auch späterhin, als unsere Siege und die Vernichtung der Feinde Ackerland von unermeßlicher Ausdehnung eingebracht hatten, war es für einen Senator doch anstößig, mehr als fünfzig Morgen erworben zu haben, und Gaius Licinius ist auf Grund seines eigenen Gesetzes verurteilt worden, weil er in maßloser Besitzgier das Ackermaß überschritten habe, das er selbst während seiner Amtszeit als Tribun beantragt hatte, und zwar nicht so sehr, weil es überheblich wirkte, soviel
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Land zu besitzen; vielmehr hielt man es für eine Schande, daß ein römischer Bürger in früher unerhörter Weise Äcker, die der Feind durch seine Flucht verödet hatte, unbebaut liegen ließ, weil er soviel besaß, daß es die Leistungsfähigkeit seines Vermögens überstieg. Wie überall, soll man also auch beim Landkauf 12 Maß halten. Nur soviel nämlich soll man haben, wie man braucht, und es soll deutlich werden, daß wir gekauft haben, was wir bewältigen können, nicht, was uns selbst zur Last wird und dessen Nutzung wir andern entziehen nach Art der Übermächtigen, die ganze Reiche besitzen, die sie gar nicht unter Aufsicht halten können; vielmehr überlassen sie sie dem Vieh zum Zerstampfen und den wilden Tieren zur völligen Verwüstung, oder sie besetzen sie mit Schuldgefangenen und Sträflingen. Das richtige Maß aber wird jedem Käufer sein Arbeitswille und sein Vermögen setzen, denn wie ich schon früher gesagt habe, reicht Besitzenwollen 13 nicht aus, wenn man zur Bewirtschaftung nicht in der Lage ist. 4. Kapitel Es folgt nunmehr eine Vorschrift des Cäsonius, an die sich auch Marcus Cato 1 gehalten haben soll, daß das Land, welches man kaufen wolle, mehrmals besichtigt werden müsse. Denn bei der ersten Musterung zeigt es noch nicht seine verborgenen Fehler und Tugenden, die sich den wiederholt Prüfenden dann leichter offenbaren. Als eine Art Maßstab für die Prüfung haben uns die Vorfahren den fetten und fruchtbaren Acker hingestellt, über dessen Beschaffenheit ich an passender Stelle, bei der Erörterung der Bodenarten, reden werde. Allgemein jedoch habe 2 ich gleichsam zu bezeugen und immer wieder auszusprechen, was schon im ersten punischen Kriege der hochberühmte Feldherr Marcus Atilius Regulus gesagt haben soll: man dürfe kein Gut kaufen, nicht einmal eines mit fruchtbarstem Boden, wenn es in ungesunder Gegend liege, und ebensowenig ein Gut mit kraftlosem Boden, sei es auch noch so gesund gelegen; das konnte Atilius den Landwirten seiner Zeit mit um so größerer Autorität sagen, als er aus Erfahrung sprach. Denn die Geschichtsschreibung sagt, er habe einen Besitz in der zugleich unge- 3 sunden und unfruchtbaren Pupinia bewirtschaftet. Wenn somit auch ein verständiger Mann nicht überall kaufen und sich weder durch Ergiebigkeit verlocken noch durch das Gefallen an einer reizvollen Gegend blenden lassen wird, so ist es doch jedenfalls Aufgabe eines strebsamen Hausvaters, was immer er gekauft oder ererbt haben mag, ertragreich und nutzbar zu machen, da ja für weniger zuträgliches Klima die Vorfahren viele Mittel aufgezeichnet haben, durch die verderbliche Seuchen sich lindern lassen, und da bei schwachem Boden Wissen und Umsicht des Landwirtes die Magerkeit des Ackers besiegen kann. Das aber erreichen 4 wir, wenn wir wie einem Orakel dem glaubwürdigen Dichter vertrauen, der sagt: „Prüfe die Winde zuvor und die Eigenarten des Klimas, Auch wie die Väter den Acker bebaut, wie die Gegend sich anläßt, Und was jegliche Landschaft erzeugt und was sie verweigert."
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Wir wollen uns jedoch nicht bei der Autorität früherer oder zeitgenössischer Landwirte beruhigen, sondern auch eigene Methoden ausbilden und Neues probieren. Mag das im einzelnen manchmal auch Verluste bringen, so lohnt es sich aufs Ganze gesehen dennoch, weil kein Land erfolglos bebaut wird, wenn es dem Besitzer durch viele Versuche gelingt, daß es zu der höchsten Leistung entwickelt wird, die überhaupt erreichbar ist. Solches Probieren macht auch Äcker, die schon recht fruchtbar sind, noch ertragreicher; deshalb darf man von vielseitigen Versuchen nirgends absehen, und auf fettem Boden kann man sogar noch weit mehr wagen, weil ja der Erfolg Mühe und Kosten in jedem Falle lohnt. Wenn es aber von Bedeutung ist, was für Boden bebaut wird und wie das geschieht, so ist es gleichfalls wichtig, wie die Gutsgebäude angelegt und wie sie zweckmäßig angeordnet werden. Die Überlieferung bezeugt, daß viele das falsch gemacht haben, z. B. so hervorragende Männer wie Lucius Lucullus und Quintus Scävola, von denen der eine größere, der andere kleinere Bauten errichtete, als es der Umfang des Gutes forderte; beides jedoch schädigt das Vermögen. Für zu weiträumige Anlagen nämlich wenden wir nicht allein höhere Baugelder auf, sondern können sie auch nur mit größeren Kosten instandhalten; sind sie dagegen zu klein für das Gut, so verringert sich die Ernte, denn feuchte wie trockene Feldfrüchte verderben leicht, wenn Scheunen, in denen sie untergebracht werden sollen, entweder überhaupt nicht da sind oder wegen ihrer Enge nicht ausreichen. Auch der Hausherr soll, entsprechend seinen Mitteln, möglichst gut wohnen, damit er lieber aufs Land kommt und mit mehr Freude dort verweilt; begleitet ihn aber die Gattin, bei der Geschlecht wie Gemütsart empfindlicher sind, so muß unter allen Umständen auch sie durch einige Annehmlichkeit gewonnen werden, damit sie desto geduldiger beim Manne ausharre. Also baue der Landwirt geschmackvoll, sei jedoch nicht bauwütig, und er begrenze das Maß des Bauplatzes so, daß, wie Cato sagt, weder die Villa das Gut suchen muß noch das Gut die Villa. Wie deren allgemeine Lage sein soll, werde ich jetzt entwickeln. Der Bau, der in Angriff genommen wird, soll, wie überhaupt in einer gesunden Gegend, so an deren gesundester Stelle errichtet werden. Denn verdorbene Luft, die uns umgibt, ist die Hauptursache dafür, daß uns Krankheiten befallen. Es gibt Gegenden, die im Hochsommer sich weniger erwärmen, im Winter jedoch unerträglich kalt sind, wie angeblich das böotische Theben; solche, die im Winter mild, im Sommer aber glühend heiß sind, wie es von Chalkis auf Euböa behauptet wird. Man suche deshalb eine Luft, die in Wärme und Kälte gemäßigt ist, und diese findet sich in der Regel auf halber Höhe von Hügeln, weil sie dort weder wie im Tal zur Winterszeit von Reif starrt oder im Sommer von dunstiger Hitze glüht, noch auch wie die Luft auf Berggipfeln zu jeder Jahreszeit schon bei ganz schwachen Winden eisig ist oder von Regenschauern tobt. Solche Lage auf Hügelmitte also ist die beste, doch soll der Bauplatz selbst sich noch ein wenig herausheben, damit nicht ein Wasserschwall, wenn er durch Regengüsse erzeugt vom Gipfel her an die Gebäude heranwogt, deren Fundamente unterwühlt.
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5. Kapitel Es sei aber eine unversiegliche Quelle vorhanden, entweder innerhalb der Villa oder von draußen hineingeleitet; auch Plätze, von denen man Holz und Futter holt, sollen in der Nähe liegen. Fehlt fließendes Wasser, so suche man in der Nachbarschaft Brunnenwasser, das nicht aus großer Tiefe geschöpft zu werden braucht und nicht bitter oder salzig schmeckt. Wenn solches sich ebenfalls nicht findet und die zu geringe Aussicht auf strömendes Wasser dazu zwingt, lege man geräumige Zisternen für die Menschen und Teiche für das Vieh an; Regenwasser ist ja für die Gesundheit sehr zuträglich, als ganz hervorragend aber wird es angesehen, wenn es durch Tonröhren in eine gedeckte Zisterne geleitet wird. Fast ebenso gesund ist fließendes Wasser, das in den Bergen entspringt und über Felsen steil herabfällt, wie am Gaurusberge in Campanien. Als drittes folgt Brunnenwasser, das auf Hügeln oder jedenfalls nicht auf der Talsohle gefunden wird; das schlechteste ist Wasser aus Sümpfen, das in trägem Gleiten dahinschleicht, und stehendes Sumpfwasser kann sogar den Tod bringen. Allerdings wird eben dieses bei aller Schädlichkeit in Winterszeiten ungefährlich, wenn es durch Regengüsse entgiftet ist; daraus kann man ersehen, daß das vom Himmel kommende Wasser äußerst bekömmlich ist, weil es sogar aus todbringendem das Gift herausspült. Daß es das beste Trinkwasser ist, habe ich aber schon gesagt. Sprudelnde Bäche übrigens tragen sehr viel bei zur Milderung der Sommerhitze und zur Lieblichkeit der Landschaft; man soll sie daher, meine ich, falls es die örtliche Lage gestattet, alle ohne Unterschied, sofern sie nur Süßwasser führen, unbedingt in die Villa leiten. Wenn aber in weiterer Entfernung von Hügeln ein Fluß strömt und die Gesundheit der Gegend und ein höheres Ufer es ermöglichen, die Villa oberhalb des Flusses anzulegen, wird doch zu beachten sein, daß sie ihn lieber im Rücken als vor sich hat und daß die Front des Gebäudes von den feindlichen Winden aus der Richtung des Flusses abgewandt und den freundlichen zugekehrt ist, weil ja die meisten Flüsse im Sommer schwüle Dünste, im Winter kalte Nebel aufsteigen lassen, und wenn diese nicht durch stärker hineinblasende Winde vertrieben werden, bringen sie Vieh und Menschen Schaden. Am .besten aber wird, wie ich schon gesagt habe, in gesunder Gegend die Villa nach Osten oder Süden gerichtet, in ungesunder nach Norden. Auf das wogende und brandende Meer schaut sie immer richtig nie vom Strande aus, sondern aus einiger Entfernung; denn es ist besser, sich vom Meer lieber weit als nur wenig zurückzuziehen, weil dazwischen Flächen mit recht schlimmen Ausdünstungen liegen. Auch ein Sumpf darf nicht in der Nähe der Gebäude sein, und eine Heer- und Hauptstraße darf nicht unmittelbar vorbeiführen. Jener nämlich gibt in der heißen Zeit übelriechende Giftdünste von sich und zeugt mit gefährlichen Stacheln bewehrte Lebewesen, die in dichten Schwärmen auf uns einfliegen; er sendet ferner auch schwimmendes und kriechendes Ungeziefer aus, das von der Winterfeuchtigkeit zurückgelassen und durch Schmutz und gärenden Schlamm vergiftet ist und durch das man sich
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oft versteckte Krankheiten zuzieht, deren Ursachen nicht einmal Ärzte klar erkennen können; doch auch das ganze Jahr hindurch verderben Schimmel und Nässe Ackergerätschaften und Hausrat sowie die im Freien und unter Dach gelagerten Früchte. Eine Hauptstraße aber tut infolge der Plünderei durch vorbeiziehende Reisende und der ständigen Einkehr von Gästen dem Vermögen Abbruch. Derartige Nachteile soll man also, meine ich, vermeiden und die Villa weder an der Straße noch zu fern davon in etwas erhöhter Lage so bauen, daß ihre Front genau nach Osten gerichtet ist, dorthin, wo an den Äquinoktien die Sonne aufgeht. Diese Lage erzielt nämlich ein ausgewogenes mittleres Gleichgewicht der Winter- und Sommerwinde, und je mehr das Baugelände nach Osten abfällt, desto freier liegt es im Sommer dem Luftzug offen, ist den Winterstürmen weniger ausgesetzt und kann morgens bei Sonnenaufgang sich erwärmen, so daß der gefrorene Tau schmilzt; was der Sonne und warmen Winden abgewandt und unzugänglich ist, gilt ja in der Regel als ungesund. Wenn die Villa beides entbehren muß, kann keine andere Gewalt den nächtlichen Reif und was an Rost oder Schmutz sich angesetzt hat, trocknen und abwischen. Das aber bringt nicht nur den Menschen Schaden, sondern besonders auch dem Vieh sowie den Pflanzen und ihren Früchten. Jeder nun, der auf geneigter Fläche bauen will, soll damit immer an der tiefer liegenden Seite beginnen, weil die Fundamente, wenn sie von dorther angefangen sind, nicht allein ihren Überbau leicht tragen werden, sondern auch als Stütze und als Widerlager wirken gegen das, was bei etwaiger Erweiterung der Villa dann oberhalb angefügt wird, denn was von unten her vorgebaut ist, wird dem Druck des späteren höherliegenden Anbaus kräftig standhalten. Wenn dagegen der obere Teil des Abhangs gegründet ist und seine eigene Baulast auf sich genommen hat, so wird alles, was man später unten anbaut, Spalten und Risse bekommen. Denn dann, wenn an den alten der Neubau gefügt wird, gibt dieser, der aufsteigenden Last gleichsam widerstrebend, nach, und weil der früher errichtete Bau höher liegt als der weichende, wird er, durch sein Eigengewicht belastet, allmählich vornüber gezogen. Dieser Baufehler also muß gleich, wenn man die Fundamente legt, vermieden werden. 6. Kapitel
1 Die Bauglieder aber sind nach Maß und Zahl auf dem ganzen Hofgelände zweckmäßig anzuordnen und dreifach aufzuteilen, in die Wohnung für den Herrn, die Unterkünfte für Gesinde und Vieh sowie die Wirtschaftsräume. Die Herrenwohnung wiederum ist in Winter- und Sommergemächer so zu gliedern, daß die Winterschlafzimmer zur Wintermorgensonne, die Speisezimmer genau nach Westen schauen; die Sommerschlafzimmer wiederum sollen genau nach Süden, 2 die Speisezimmer der gleichen Zeit aber in der Richtung des winterlichen Sonnenaufgangs liegen. Die Bäder richte man zur Sommerwestseite, damit sie nach-
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mittags bis in den Abend hinein hell sind. Die Promenaden sollen so unter der Sonnenhöhe des Herbstmittags liegen, daß sie zur Winterszeit sehr viel und im Sommer nur wenig Sonne bekommen. In der Gesindeunterkunft dagegen ist eine Küche anzulegen, die geräumig und hoch ist, damit das Balkenwerk gegen Brandgefahr gesichert ist und das Arbeitervolk sich zu jeder Jahreszeit bequem in ihr aufhalten kann. Für die ungefesselten Sklaven werden am besten Südkammern hergerichtet, für die gefesselten ein möglichst gesundes unterirdisches Gefängnis, das durch zahlreiche schmale Fenster erhellt wird, die so hoch über dem Fußboden liegen, daß sie mit der Hand nicht erreichbar sind. Für das Vieh baut man Ställe, die weder unter Kälte noch unter Hitze leiden; die Arbeitstiere erhalten doppelte für Winter und Sommer, das übrige Vieh aber, das auf den Gutshof gehört, teils gedeckte Plätze, teils unter freiem Himmel mit hohen Wänden umzäunte Gehege, damit es dort im Winter, hier im Sommer durch Raubtiere ungefährdet ruhen kann. Ställe sind geräumig und so anzulegen, daß keine Feuchtigkeit eindringen kann und alle Nässe, die sich innen sammelt, möglichst schnell abfließt; sonst leiden die Fundamente der Wände und die Hufe der Tiere. Die Rinderställe sollen zehn oder wenigstens neun Fuß breit sein, Abmessungen, die den Tieren zum Niederlegen und dem Wärter zum Herumgehen reichlich Raum lassen. Die Krippen dürfen nur so hoch sein, daß Rind oder Zugtier im Stehen bequem fressen können. Der Verwalter soll neben der Haustür wohnen, damit er die Ein- und Ausgehenden sehen kann, oben darüber der Geschäftsführer des Herrn aus gleichem Grunde, aber auch, um den Verwalter aus der Nähe zu beobachten ; in nächster Nachbarschaft beider liege der Schuppen, in dem alles Landwirtschaftsgerät untergebracht wird, in dem Schuppen aber sehe man einen verschlossenen Raum vor, wo das Eisenzeug seinen Platz finden soll. Den RinderWärtern und Hirten gebe man Kammern bei ihren Tieren, damit sie zu deren Besorgung leicht herauslaufen können. Alle aber sollen möglichst dicht beieinander wohnen, damit sich die Betriebsamkeit des Verwalters bei der Aufsicht über die verschiedenen Abteilungen nicht zu zersplittern braucht und damit sie alle gegenseitig Zeugen der Gewissenhaftigkeit und Nachlässigkeit jedes einzelnen sind. Der Wirtschaftsteil der Villa schließlich ist zu gliedern in ölkammer, Kelteranlage, Gär- und Mostkammer, in Heu- und Spreuböden, in Weinlager und Speicher, und zwar in der Weise, daß von diesen Räumlichkeiten die zu ebener Erde liegenden den Schutz der Flüssigkeiten übernehmen, z . B . des für den Verkauf bestimmten Weines oder Öles, die trockenen Erzeugnisse aber, wie Korn, Heu, Laub, Spreu und die sonstigen Futtermittel, im Oberstock gespeichert werden. Die eben genannten Kornböden aber sollen mit Hilfe von Leitern zugänglich sein und durch mäßig große Fenster von den Nordwinden angeweht werden. Denn diese Himmelsrichtung ist besonders kalt und am wenigsten feucht, und diese beiden Voraussetzungen gewährleisten die Haltbarkeit des gelagerten Korns. Gleiche Vorsorge ist zu treffen bei der zu ebener Erde angelegten Gärkammer, die weit entfernt sein muß von Bädern und vom Backofen, vom Dunghaufen und
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sonstigem übelriechenden Unrat, ebenso von Zisternen oder Röhrbrunnen, von 12 denen Feuchtigkeit ausgeht, die den Wein verdirbt. Wie mir wohlbekannt ist, sehen manche als besten Lagerplatz für Korn einen Speicher mit gewölbter Decke an, dessen erdiger Boden, bevor man ihn pflastert, erst umgegraben, mit frischer salzloser Amurca getränkt und dann wie Signiapflaster mit schweren Keulen 13 festgestampft wird. Nach völligem Austrocknen wird auf ähnliche Art Scherbenestrich, bei dem man statt Wasser dem Kalk und Sand Amurca zugesetzt hat, darübergebreitet, sehr kräftig mit Rammen eingestampft und geglättet; alle Fugen zwischen Wänden und Boden werden durch Ziegelpolster abgedichtet, weil ja die Bauten, wenn sie etwa an diesen Stellen Risse bekommen, unterirdisch lebenden Tieren Höhlungen zum Unterschlupf bieten. Die Speicher aber teilt man auch noch in Verschläge auf, um alle Früchte nach Arten getrennt lagern 14 zu können. Die Wände werden mit Lehm bestrichen, der mit Amurca durchgearbeitet ist und dem man statt Spreu dürre Blätter vom wilden oder, wenn diese nicht vorhanden sind, vom zahmen Ölbaume beigemischt hat. Ist dieser Putz dann getrocknet, so wird er nochmals mit Amurca besprengt und, wenn diese 15 trocken ist, die Frucht eingebracht. Dies Verfahren sichert wohl am besten die eingelagerten Früchte vor Schaden durch Kornwürmer und ähnliche Tiere; denn wenn sie nicht sorgfältig gelagert sind, verzehren jene sie schnell. Die eben beschriebene Art von Speichern läßt nun aber bei feuchter Lage der Villa auch das widerstandsfähigste Korn durch Schimmel verderben; wenn der nicht zu befürchten wäre, könnte man Getreide sogar unterirdisch aufbewahren, wie es in einigen überseeischen Provinzen geschieht, wo die Erde wie beim Brunnenbau ausgeschachtet wird und dann die von ihr hervorgebrachten Früchte wieder auf16 nimmt; man nennt solche Gruben Siri. Ich aber bevorzuge für unsere reichlich feuchten Gegenden jene Errichtung von Hängeböden im Verein mit dieser Sicherung durch Pflaster und Wandverputz, weil ja, wie ich berichtet habe, derart geschützte Speicherböden und -Seiten den Kornwurm fernhalten. Wenn dieser Schädling aufgetreten ist, kann er nach Meinung vieler dadurch abgewehrt werden, daß die ausgenagten Früchte im Speicher umgeschaufelt und gleichsam 17 abgekühlt werden. Das ist aber grundfalsch, es werden dadurch nämlich die Tiere nicht vertrieben, sondern in die ganzen Haufen gemischt. Bleiben diese unbewegt, so können sie nur in ihren obersten Schichten angegriffen werden, da der Kornwurm ja tiefer als eine Handbreit nicht auftritt, und es ist weit besser, nur das, was ohnehin schon verdorben ist, als das Ganze aufs Spiel zu setzen. Denn bei Bedarf ist es leicht, das Verdorbene abzuheben und das, was unberührt darunter liegt, zu verwenden. Ich habe dies, obwohl es eigentlich anderswohin gehört, doch 18 wohl nicht zur Unzeit gleich hier zur Sprache gebracht. Namentlich Kelterhäuser und ölkammern sollen warm sein, weil jede Flüssigkeit bei Wärme leichter fließt und bei Kälte sich mehr verdickt, das schwächer fließende öl aber außerdem, wenn es gefriert, ranzig wird. So sehr es indessen der natürlichen Wärme bedarf, die durch Klima und Himmelsrichtung gegeben ist, so wenig ist Feuer oder Flamme
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am Platze, weil durch Bauch und Ruß der Geschmack des Öls beeinträchtigt wird. Deshalb muß die Kelter ihr Licht von Süden her bekommen, damit beim Pressen der Oliven Feuer und Lampe entbehrlich sind. Der Kesselraum, wo Defrutum hergestellt werden soll, darf nicht eng oder dunkel sein, damit der mit dem Mostkochen Beauftragte sich unbehindert bewegen kann. Auch eine Bauchkammer, in der frisch geschlagenes Holz sich beschleunigt trocknen läßt, kann an einer Stelle des Wirtschaftshofes errichtet werden in Verbindung mit den Sklavenbädern. Es ist nämlich wichtig, daß auch Bäder vorhanden sind, in denen das Gesinde badet, aber nur an den Feiertagen, denn häufiges Baden ist der Körperkraft nicht zuträglich. Die Weinlager finden ihren Platz über Stellen, von denen meistens Bauch ausgeht, da Weine, die durch Rauch eine gewissermaßen vorzeitige Beife gewinnen, schneller alt werden. Es muß deshalb noch ein anderer Lagerplatz dasein, wohin sie gebracht werden können, um nicht wiederum zu stark geräuchert zu werden. Zur Lage der Villa und zur Anordnung ihrer Teile ist nun genug gesagt. Um die Villa herum muß dann folgendes zu finden sein: Backofen und Mühle in der Größe, wie sie die vorgesehene Zahl der Gutsinsassen fordert, mindestens zwei Teiche, der eine für Gänse und Vieh, der andere, um darin Lupinen, Ulmenruten und Beiser und anderes, was unseren Zwecken dient, zu wässern. Auch zwei Dungplätze sollen dasein, der eine, um die frischen Abgänge aufzunehmen und für das nächste Jahr zu bewahren, der andere, aus dem der alte Dung abgefahren wird; beide aber wie die Teiche sanft abwärts geneigt, aufgemauert und am Boden gepflastert, damit sie keine Feuchtigkeit durchlassen. Es ist nämlich von größter Wichtigkeit, daß die Jauche nicht austrocknet und so der Dung seine Kraft behält und durch die dauernde Nässe verrottet,, damit Samen von Dorngewächsen oder Gräsern, die etwa zwischen dem Stroh und der Spreu sich befinden, absterben und nicht auf den Acker verschleppt die Saaten verunkrauten; deshalb schützen auch erfahrene Landwirte alles, was in Schafhürden und Ställen zusammengekehrt und herausgeschafft worden ist, mit darübergebreitetem Beisig und lassen nicht zu, daß es durch die Sonnenstrahlung ausgetrocknet wird oder verbrennt. Die Tenne ist möglichst so anzulegen, daß der Herr oder mindestens der Geschäftsführer von seiner Wohnung aus auf sie herabschauen kann. Man pflastert sie am besten mit hartem Stein, weil das Korn sich schnell dreschen läßt, wenn der Boden dem Stampfen der Hufe und den Stößen der Dreschtafel nicht nachgibt, und weil es nach dem Ausschwingen sauberer ist, ohne Steinchen und Lehmklümpchen, die von einer bloßen Erdtenne in der Regel beim Dreschen sich loslösen. Gleich daneben aber muß, besonders in Italien, wegen der Unbeständigkeit des Wetters ein Schutzdach gebaut werden, unter dem das halbausgedroschene Getreide in Sicherheit gebracht werden kann, wenn ein plötzlicher Regen niedergeht. In manchen überseeischen Gebieten, wo der Sommer regenlos ist, erübrigt sich das. Auch Obst- und Gemüsegärten sollen eingezäunt werden und in der Nähe der Villa an einer Stelle liegen, wohin alle Schmutzwässer aus Wirtschaftshof und
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Bädern und die Unreinigkeiten der aus den Oliven gepreßten Amurca geleitet werden können. Denn auch über solche Nahrung freuen sich Kohl und Baum. 7. Kapitel 1 Wenn dies alles so übernommen oder angelegt ist, hat, vom übrigen abgesehen, die Hauptsorge des Herrn ganz besonders den Leuten zu gelten. Diese sind entweder Pächter oder ungefesselte und auch gefesselte Sklaven. Mit den Pächtern soll er freundlich umgehen, sich nachsichtig zeigen und mit größerem Nachdruck gute Arbeit fordern als Zahlungen, da das weniger verärgert und doch aufs Ganze gesehen einträglicher ist. Denn wo das Land mit allem Fleiß bebaut wird, bringt es meist Gewinn, niemals aber, wenn nicht stärkere Gewalt mit Unwetter oder Raub eingreift, Verlust, und deshalb kann der Pächter nicht wagen, um 2 Pachtnachlaß zu bitten. Der Herr soll indessen auch nicht in jeder Einzelheit, zu der er den Pächter verpflichtet hat, hartnäckig auf seinem Recht bestehen, z. B. bei Zahlungsterminen oder beim Einfordern von Holz und sonstigen kleinen Zusatzleistungen, deren Erfüllung den Pächtern mehr Umstände als Kosten macht. Wir sollten durchaus nicht alles, was überhaupt zulässig ist, beanspruchen, denn das auf die Spitze getriebene Recht hielten die Alten für das schlimmste Kreuz. Man darf aber wieder auch nicht ganz und gar verzichten, da auch die sichersten Schuldposten unsicher werden, wenn man sie nicht anmahnt; so soll 3 der GeldVerleiher Alfius gesagt haben, und er hat völlig recht. Aber auch in unserer Zeit habe ich einen alten Consular, den sehr wohlhabenden Publius Volusius, nachdrücklich versichern hören, am einträglichsten sei ein Gut, das alteingesessene Pächter habe und sie als gewissermaßen auf Vatererbe Geborene durch lange Vertrautheit schon von der Wiege an festhalte; daß häufiger Pächterwechsel vom Übel ist, entspricht ganz meiner Auffassung; allerdings ist, meine ich, schlimmer noch ein Pächter aus der Stadt, der lieber seine Leute das Feld be4 stellen läßt als selbst arbeitet. Saserna pflegte zu sagen, von einem derartigen Menschen erhalte man statt Pachtzins nur Prozesse, und deshalb müßten wir uns bemühen, Männer vom Lande einzusetzen und sie als Dauerpächter festzuhalten, wenn es uns nicht möglich sei, selbst zu wirtschaften, oder es sich nicht empfehle, das Land durch eigenes Gesinde bewirtschaften zu lassen; dieser Fall kommt freilich nur in Gregenden vor, die infolge gesundheitsschädlichen Klimas und 5 unfruchtbaren Bodens kaum anbauwürdig sind. Sind Klima und Boden dagegen leidlich, so hat immer noch jedem sein eigenes Wirtschaften mehr eingebracht als das eines Pächters, immer auch die Arbeit eines Verwalters, wenn dieser nicht gerade — womit man bei einem Sklaven rechnen muß — besonders gleichgültig ist oder zu stark in seine eigene Tasche wirtschaftet. Daß gewöhnlich der Herr Schuld hat, wenn solche Verfehlungen entweder begangen werden oder möglich sind, unterliegt keinem Zweifel, da er es ja in der Hand hat, entweder zu verhüten,
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daß ein solcher Sklave zum Verwalter bestellt wird, oder zu veranlassen, daß einer, der schon zur Leitung berufen ist, entfernt wird. Bei entlegenen Besitzungen 6 indessen, die der Herr nicht leicht aufsuchen kann, ist es für jede Art von Ackernutzung erträglicher, wenn sie von freien Pächtern als wenn sie von Verwaltern aus Sklavenstand geleitet wird; vornehmlich aber gilt das für den Getreidebau, den ein Pächter kaum so wie Weingärten oder -gehölze zugrunde richten kann, den aber Sklaven völlig verderben, die die Ochsen vermieten und sie und das übrige Vieh schlecht ernähren, die nicht fleißig den Boden bearbeiten und weit mehr gesäten Samens auf Rechnung setzen, als sie ausgestreut haben, die aber auch das, was sie der Erde übergeben haben, nicht so pflegen, daß es richtig gedeiht, und es schließlich, wenn sie es auf die Tenne gebracht haben, während des Dreschens täglich durch Diebstahl oder Nachlässigkeit mindern; denn die Verwalter stehlen selbst Korn und schützen es nicht vor anderen Dieben, sie 7 tragen das Eingebrachte aber auch nicht gewissenhaft in die Rechnungen ein; und so kommt es, daß Rechnungsführer und Gesinde pflichtwidrig handeln, daß aber oft geftiug dem Acker die Schuld zugeschoben wird. Deshalb sollte man meiner Meinung nach solches Gut verpachten, wenn es, wie» gesagt, die Gegenwart des Herrn entbehren muß.
8. Kapitel Die nächste Überlegung ist, welche Sklaven man mit der Leitung dieser oder jener Arbeit betrauen und welche man für die einen, welche für die anderen Verrichtungen bestimmen soll; und da warne ich vor allem davor, einen Verwalter aus dem Kreise solcher Sklaven einzusetzen, die mit ihrem Körper sich gefällig erwiesen haben, auch nicht einen von denen, die feinere Tätigkeiten, wie sie für die Stadt passen, ausgeübt haben. Fahrlässig und schläfrig ist dies Kaufsklavengesindel, gewöhnt an Nichtstun und Herumspazieren, an Zirkus und Theater, an Würfelspiel und Garküche und Bordelle; auf derlei Nichtsnutzigkeiten sinnt es ständig, und wenn es die auf den Acker mitbringt, so hat der Herr den Schaden, nicht so sehr an dem Sklaven selbst wie an seinem gesamten Vermögen. Verwalter werden muß ein Sklave, der von Kind an durch Landarbeit abgehärtet und in der Praxis erprobt ist; wenn jedoch ein solcher nicht vorhanden ist, so sollte man einen von denen dazu anstellen, die ein mühevolles Sklavenleben ausgehalten haben; über die erste Jugend sollte er schon hinaus sein, aber noch nicht das Greisenalter erreicht haben; denn die Jugend würde beim Befehlen seine Autorität mindern, da Ältere ja einem zu jungen Menschen nur widerwillig gehorchen, ein Greis aber wäre der sehr anstrengenden Aufgabe kaum gewachsen. Der künftige Verwalter sei also mittleren Alters und gut bei Kräften, in der Landwirtschaft erfahren oder doch, um desto schneller zuzulernen, besonders strebsam. Zu unserer Tätigkeit paßt es auch nicht, daß einer befiehlt und ein anderer ihn belehrt; wer nämlich 5
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erst von einem Untergebenen lernen muß, was zu t u n ist oder wie es gemacht werden muß, der ist unfähig, die Arbeit richtig zu leiten. Auch einer, der nicht lesen und schreiben kann, kann trotzdem seine Sache recht ordentlich machen, er muß nur ein sehr gutes Gedächtnis haben. Ein solcher Verwalter, sagt Cornelius Celsus, bringt dem Herrn öfter das bare Geld als das Abrechnungsbuch, weil er, schriftunkundig, selbst die Rechnungen nicht zustande bringt, sich aber auch scheut, sie von einem anderen machen zu lassen, damit dieser keinen Einblick erhält. Dem Verwalter aber, mag er sein, wie er will, m u ß als Hausgenossin eine Frau zugewiesen werden, die ihn in Ordnung hält und in manchen Dingen ihn doch auch unterstützt, und außerdem ist er anzuweisen, daß er nicht mit einem Haussklaven und noch viel weniger mit einem auswärtigen Umgang pflegen darf. Manchmal allerdings soll er sich dazu herbeilassen, einen, den er als beharrlich fleißig und als tüchtig bei der Arbeit erkannt hat, an einem Festtage an seinen Tisch zu ziehen, um ihn auszuzeichnen. Opfer soll er nur auf Anordnung des Herrn veranstalten. Opferschauer und Wahrsagerinnen, die beide durch sinnlosen Aberglauben Ungebildete zu Ausgaben und weiterhin zu Schändlichkeiten verführen, soll er nicht zulassen, soll auch weder die Stadt noch irgendwelche Markttage kennen, es sei denn, um, soweit es in seinen Aufgabenkreis fällt, etwas zu kaufen oder zu verkaufen. Ein Verwalter darf nämlich, wie Cato sagt, kein Spaziergänger sein und die Gutsgrenzen nur überschreiten, u m irgendeine Anbauweise neu zu lernen, auch das aber nur, wenn er so in der Nähe bleibt, daß er eigentlich kaum fort ist. D a ß auf dem Acker Pfade getreten werden und neue Feldwege entstehen, darf er nicht dulden, auch soll er keinen Gast aufnehmen, wenn es nicht ein enger Freund und Vertrauter des Herrn ist. Wie er vor diesen Dingen zu warnen ist, so soll man ihn andererseits dazu anhalten, f ü r das gesamte Ackergerät einschließlich des eisernen so zu sorgen, daß er das Doppelte dessen, was die Sklavenzahl erfordert, gebrauchsfähig und auf Lager hält, damit nicht erst etwas vom Nachbarn erbeten werden m u ß ; man büßt nämlich dadurch, daß die Sklaven ihre Arbeit nicht t u n können, mehr ein, als man f ü r derartige Gegenstände zu bezahlen hat. Bei Pflege und Kleidung der Sklaven soll er mehr auf Zweckmäßigkeit als auf Schönheit sehen und soll sie sorgfältig vor Wind, Kälte und Regen schützen, die alle abgehalten werden durch langärmlige Felle, zusammengeflickte Lumpen oder Kapuzenmäntel. Verfährt man so, dann h a t kein Tag derart unerträgliches Wetter, daß der Verwalter an ihm nicht unter freiem Himmel etwas ins Werk setzen könnte. Und nicht nur in der Landwirtschaft soll er sachkundig, sondern auch, soweit es die Anlage eines Sklaven zuläßt, mit geistigen Fähigkeiten ausgerüstet sein, damit er seine Befehle weder zu sanft noch zu rücksichtslos gibt, immer einige von den besseren begünstigt, jedoch auch die weniger guten mit Überlegung behandelt, sodaß sie mehr seine Strenge fürchten als seine Grausamkeit verabscheuen. Das wird ihm eher glücken, wenn er darüber wacht, d a ß seine Untergebenen sich nichts zuschulden kommen lassen, als wenn er durch mangelnde Aufsicht es dahin bringt, daß er Schuldige bestrafen muß. Keine Be-
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wachung aber ist, auch bei den größten Taugenichtsen, wirksamer, als daß die gehörige Arbeitsleistung gefordert wird und daß der Verwalter immer gegenwärtig ist. Dann nämlich kommen die Aufseher bei den einzelnen Verrichtungen eifrig ihren Pflichten nach, und die übrigen werden nach der anstrengenden Arbeit sich mehr nach Ruhe und Schlaf als nach Vergnügungen sehnen. Könnten doch 12 auch heute noch jene altertümlichen, aber sehr guten Bräuche, die jetzt abgekommen sind, festgehalten werden, daß der Verwalter die Dienste eines Mitsklaven nur in Sachen des Herrn beansprucht, daß er sein Essen nur angesichts der Leute einnimmt, und zwar kein anderes als dasjenige, das den übrigen geboten wird. Dann wird er sich nämlich darum kümmern, ob das Brot sorgfältig gebacken und das andere bekömmlich zubereitet wird. Er soll auch keinen über die Gutsgrenzen hinausgehen lassen, wenn er ihn nicht selbst geschickt hat, soll jedoch selber nur schicken, wenn dringende Not dazu zwingt. Ferner soll er 13 nicht selbständig Geschäfte machen und das Geld des Herrn in Vieh und anderer Handelsware anlegen; denn das lenkt ihn von seinen Aufsichtspflichten ab und führt dazu, daß er niemals die Rechnungen für den Herrn abschließt, wie es sich gehört, sondern wenn Auszahlung verlangt wird, vermag er statt baren Geldes nur seine Einkäufe vorzuweisen. Allgemein aber muß man besonders dies bei ihm durchsetzen, daß er sich nicht anmaßt zu wissen, was er nicht weiß, und daß er immer zuzulernen bestrebt ist, was ihm fehlt. Mag es nämlich auch viel nützen, 14 sachkundig etwas zu unternehmen, so schadet es doch weit mehr, wenn man etwas falsch gemacht hat. Auf das eine allein kommt es ja beim Landbau an, daß man alles, was ein Kulturverfahren verlangt, gleich von Anfang an richtig macht; denn wenn erst nachträglich gebessert wird, was Unklugheit oder Nachlässigkeit verschuldet haben, ist schon die Sache verfahren und bringt später nicht mehr so hohen Gewinn, daß sie ihr Zurückbleiben aufholt und das, was die vorangegangene Zeit hätte einbringen sollen, ersetzt. Bei den übrigen Sklaven sind etwa folgende Vorschriften zu beachten, die ich 15 nicht bereue eingehalten zu haben. Die Landsklaven redete ich, soweit sie sich nicht ungehörig geführt hatten, häufiger als Stadtsklaven ganz vertraulich an, und da ich merkte, wie durch diese Freundlichkeit des Herrn ihnen ihre unaufhörliche Arbeit leichter wurde, machte ich gelegentlich sogar einen Scherz, und noch mehr, ich erlaubte auch ihnen selbst zu scherzen. Ferner mache ich es oft so, daß ich mit ihnen, als ob sie erfahrener wären, über irgendwelche neuen Arbeiten berate und auf diese Weise erkunde, wo eines jeden Fähigkeiten liegen und wie groß sie sind. Ich sehe dabei auch, daß sie williger an eine Arbeit herangehen, von der sie annehmen, daß man sie mit ihnen besprochen und nach ihrem Rat unternommen habe. Jene weiteren Vorschriften sind allen umsichtigen Landwirten 16 geläufig, daß sie die im Arbeitshaus eingesperrten Sklaven besichtigen, um festzustellen, ob sie sorgsam gefesselt sind, ob die Gefängnisse selbst ausreichend verwahrt und gesichert sind und ob nicht der Verwalter ohne Wissen des Herrn einen Sklaven in Ketten gelegt oder einen davon befreit hat ; denn an beides muß jener 5*
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sich streng halten; weder darf er einen, den der Gutsherr mit solcher Strafe belegt hat, ohne dessen Erlaubnis der Fesseln entledigen, noch einen, den er nach eigenem Ermessen gefesselt hat, bevor der Herr das erfahren hat, freilassen. Bei Sklaven solcher Art muß der Gutsherr auch dafür, daß sie in Kleidung und sonstigen Zuwendungen ihr Recht bekommen, mit um so größerem Nachdruck sorgen, als sie mehreren, den Verwaltern, Arbeitsaufsehern und Gefängniswächtern untergeben und dadurch ungerechter Behandlung stärker ausgesetzt sind, dann aber, wenn sie durch Grausamkeit und Habsucht verletzt wurden, mehr zu fürchten sind. Ein gewissenhafter Herr fragt also diese und namentlich auch die ungefesselten Sklaven, auf die man sich eher verlassen kann, ob sie bekommen, was ihnen nach ihrer Stellung zusteht; er kostet selbst, ob Brot und Getränk gut sind, und sieht sich Kleidung, Handschuhe und Fußbekleidungen an. Oft gebe er ihnen auch die Möglichkeit, sich über solche zu beschweren, die sie entweder durch Roheit plagen oder sie begaunern. Ich jedenfalls nehme sie, wenn sie sich einmal mit Recht beklagen, ebenso in Schutz, wie ich diejenigen bestrafe, die durch Aufsässigkeit die Sklavenschaft in Aufruhr bringejn oder ihre Vorgesetzten verleumden; eine Belohnung hinwiederum spende ich denen, die sich tüchtig und fleißig zeigen. Bei fruchtbareren Frauen sollte auch eine bestimmte Kinderzahl belohnt werden, und ich habe ihnen deshalb, wenn sie mehrere Kinder großgezogen hatten, Arbeitsurlaub und bisweilen auch die Freiheit gegeben. Eine Sklavin mit drei Söhnen nämlich bekam Urlaub, hatte eine mehr, so winkte ihr die Freiheit. Solche Gerechtigkeit und Fürsorge des Gutsherrn trägt viel zur Mehrung des Vermögens bei. Der Herr soll ferner auch jedesmal bei seinem Eintreffen aus der Stadt daran denken, den Göttern des Hauses seine Verehrung zu bezeigen; dann aber besichtige er, wenn es die Umstände erlauben, sogleich, sonst am folgenden Tage sein Gebiet, suche alle Teile des Ackerlandes auf und schätze ab, ob in seiner Abwesenheit Zucht und Aufsicht irgendwie nachgelassen haben, ob ein Weinstock, ein Baum, ob Feldfrüchte fehlen; auch Vieh und Sklaven, sowie Acker- und Hausgerät des Gutes soll er sorgfältig mustern. Hat er das alles mehrere Jahre durchgeführt, so wird er, wenn er alt geworden ist, gute Disziplin behalten, und zu keiner Zeit wird er von den Jahren so mitgenommen sein, daß die Sklaven den Respekt verHeren. 9. Kapitel
1 Es muß auch davon gesprochen werden, welchen Arbeiten nach meiner Meinung jeder Sklave nach Körperbau und Geistesart am besten zugeteilt wird. Als Oberhirten beim Kleinvieh muß man fleißige und sehr ordentliche Leute einsetzen. Diese beiden Eigenschaften sind für solches Amt wichtiger als Körpergröße und 2 Kraft, da der Aufsichtsdienst sorgsames Wachen und Kenntnisse fordert. Für den Ochsentreiber ist natürlicher Verstand gewiß nötig, er genügt jedoch nicht, wenn
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nicht gewaltige Stimme und Riesenkörper ihn den Tieren furchtbar macht. Er soll aber seine Kräfte durch Milde zügeln, da er ja eher schreckenerregend als allzu roh sein muß, damit die Ochsen sowohl seinen Befehlen gehorchen als auch, durch die Plage zugleich der Arbeit und der Schläge nicht erschöpft, länger leben. Worin aber die Aufgaben der Oberhirten und die der Ochsentreiber bestehen, werde ich an geeigneter Stelle darlegen; jetzt genügt es, daran erinnert zu haben, daß Körperkräfte und hoher Wuchs bei den einen nichts, bei den anderen sehr viel ausmachen. Den Längsten werden wir, wie gesagt, zum Pflüger machen, und zwar aus dem eben vorgebrachten Grunde, aber auch, weil in der Landwirtschaft ein überlanger Mensch durch keine Arbeit weniger angestrengt wird, denn er kann sich ja beim Pflügen beinah ganz senkrecht von oben auf die Sterze stemmen. Ein gewöhnlicher Knecht kann von beliebiger Statur sein, wenn er nur fähig ist, bei der Arbeit durchzuhalten. Die Weingärten fordern nicht so sehr hochgewachsene wie breitgebaute und muskulöse Männer, denn diese Körperverfassung paßt besser für das Graben, Beschneiden und die übrigen Pflegearbeiten, die dort nötig sind. Bei diesem Dienst verlangt die Arbeit weniger Gewissenhaftigkeit als bei den übrigen, weil der Winzer in der Masse und unter einem Aufseher sein Werk tun muß; auch denken unzuverlässige Menschen in der Regel geschwinder, und das braucht diese Arbeit. Sie fordert nämlich nicht nur einen kräftigen Mann, sondern auch einen mit guter Auffassungsgabe, und deshalb läßt man Weinpflanzungen meist von gefesselten Sklaven bearbeiten. Allerdings wird ein braver Mensch von gleicher Beweglichkeit des Geistes alles noch besser machen als ein Taugenichts. Das füge ich ein, damit niemand auf den Gedanken kommt, ich möchte mein Land lieber mit Hilfe von Sträflingen als mit Hilfe von rechtschaffenen Leuten bestellen. Ich meine aber auch, daß die Arbeiten des Gesindes nicht in der Weise miteinander vermengt werden sollten, daß alle alles ausführen. Denn das ist für den Landwirt sehr wenig günstig, weil dann keiner das Empfinden hat, irgendeine Arbeit sei seine ganz persönliche Sache, und auch weil der Einzelne, wenn er sich anstrengt, nicht seiner eigenen, sondern einer Gemeinschaftsaufgabe nützt und deshalb der Arbeit sich möglichst entzieht. Was aber ein einzelner verfehlt, läßt sich bei einer Arbeit, an der viele beteiligt sind, nicht feststellen. Deshalb müssen die Pflüger von den Winzern,.die Winzer von den Pflügern und diese von den Ungelernten geschieden werden. Man soll auch keine größeren Gruppen bilden als solche von zehn Mann; die Alten haben diese als Dekurien bezeichnet und sie sehr empfohlen, weil diese begrenzte Anzahl bei der Arbeit sich am bequemsten überwachen lasse und nicht eine zu große Menge die Aufmerksamkeit des anleitenden Aufsehers überfordere. Auf einem Gut von größerer Ausdehnung sollen darum die Abteilungen getrennt eingesetzt werden, und die Arbeit ist so zu verteilen, daß weder einer oder zwei für sich sind, da sie ja in der Zerstreuung nicht leicht bewacht werden können, noch auch über zehn, damit bei der zu großen Zahl nun nicht die einzelnen meinen, die Arbeit gehe sie nichts an. Solche Einteilung regt nicht nur den Wetteifer an, sondern entlarvt
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auch die Trägen, und so wird einerseits durch den Wettbewerb die Arbeit vorangetrieben, andererseits kann man die Säumigen gerecht bestrafen, ohne daß sie murren dürften. 9 Aber indem ich dem künftigen Landwirt vorschreibe, was er besonders beachten muß, wenn ich also von gesunder Gegend, von der Straße, vom Nachbarn, vom Wasser, von der Lage der Villa, dem Umfang des Gutes, von Pächtern und Sklaven sowie der Verteilung von Ämtern und Arbeiten spreche, gelange ich auf diesem Wege unfehlbar zur rechten Zeit nun zum eigentlichen Landbau, über den ich jetzt ausführlicher im folgenden Buche reden will.
Zweites Buch
1. Kapitel
Du fragst mich, Publius Silvinus, und ich will es ohne Zögern beantworten, warum ich im ersten Buche die altüberlieferte Meinung fast aller, die vom Ackerbau gesprochen haben, gleich zu Anfang abgelehnt und die Auffassung derer als falsch zurückgewiesen habe, die die Ansicht vertreten, der Boden sei mit der Zeit heruntergekommen und durch schon langdauernde Nutzung völlig erschöpft ins Greisenalter eingetreten. Mir ist klar, daß du dabei unter dem Einfluß sowohl anderer angesehener Schriftsteller als auch namentlich des Tremellius stehst, der wohl sehr viele Regeln für die Landwirtschaft in geschmackvoller Form und sachverständig der Nachwelt überlieferte, offenbar indessen durch zu große Vorliebe für die Alten, die das gleiche Thema erörtert hatten, sich zu dem falschen Glauben hat verleiten lassen, die Erde, aller Dinge Mutter, sei, wie es des weiblichen Geschlechtes Los sei, durch Vergreisung schon erschöpft und deshalb zur Zeugung unfähig. Auch ich würde dem zustimmen, wenn überhaupt keine Früchte mehr wüchsen; denn auch beim Menschen offenbart sich zeugungsunfähige Altersschwäche noch nicht, wenn die Frau keine Drillinge oder Zwillinge mehr gebärt, sondern erst dann, wenn sie überhaupt nicht mehr gebären kann. Und sind einmal die Zeiten der Jugend vorbei, so wird, auch wenn noch ein langes Leben folgt, doch ein Gebären nicht wieder möglich, da es den Jahren versagt ist. Ganz im Gegenteil jedoch trägt ein Boden, der absichtlich oder durch irgendeinen Zufall unbebaut geblieben ist, nach Wiederaufnahme der Kultur dem Bebauer für das Brachliegen hohe Zinsen ein. Also ist der Grund für kümmerliche Ernten nicht das Alter der Erde, denn eine einmal eingetretene Vergreisung geht ja nicht wieder zurück und erlebt keine neue Jugend oder Zeugungskraft; aber auch Müdigkeit des Bodens mindert durchaus nicht den Gewinn des Landwirts. Kein vernünftiger Mensch darf sich nämlich zu dem Glauben bestimmen lassen, es folge, wie bei den Menschen einer Überanstrengung oder Überlastung des Körpefs, so dem Anbau und der
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5 Beackerung des Landes Ermüdung nach. Was soll man also dann, wirst du fragen, von der Behauptung des Tremellius halten, daß frischgerodeter Waldboden nach Aufnahme der ersten Anpflanzung überreiche Frucht trage, bald darauf aber nicht mehr so dankbar das Mühen seiner Pfleger vergelte? Tremellius sieht ohne Zweifel, was vorgeht, doch warum es vorgeht, bleibt ihm verborgen. Nicht deshalb nämlich darf ein roher und eben aus Waldland zu Kulturland gemachter Boden als ergiebiger angesehen werden, weil er ausgeruhter und jünger wäre, sondern weil er, mit dem Laub und Gras vieler Jahre, das er seiner ursprünglichen Natur gemäß erzeugte, wie durch reichlicheres Futter ge.nästet, Sprie6 ßen und Wachstum der Früchte wirksamer unterstützt. Wenn jedoch Hacke und Pflug die Grasnarbe zerrissen haben, die Wälder mit dem Eisen gerodet sind und nicht mehr mit dem Laube ihre Mutter, die Erde, nähren, wenn vielmehr die alljährlich zur Herbstzeit von Büschen und Bäumen gefallenen und auf dem Boden verstreuten Blätter nun untergepflügt und mit den tieferen, meist ärmeren Erdschichten vermischt und vergangen sind, dann hat das zur Folge, daß nach Weg7 fall der altgewohnten Nahrung der Boden verarmt. Nicht also infolge Erschöpfung, wie die meisten geglaubt haben, und nicht infolge Alterns, sondern — man nehme es zur Kenntnis! — infolge unserer Untüchtigkeit bringt uns das Land weniger reiche Erträge. Man kann nämlich mehr ernten, sofern durch häufige, rechtzeitige und zweckmäßige Düngung der Boden aufgefrischt wird. Über seine Pflege zu sprechen habe ich schon im ersten Buche in Aussicht gestellt und will jetzt gleich dazu übergehen. 2. Kapitel 1 Landwirte mit größter praktischer Erfahrung, Silvinus, haben gesagt, es gebe dreierlei Ackerland, solches in der Ebene, auf Hügeln und auf Bergen. Ein Feld in nicht völlig ebener Lage, also nicht waagerecht, sondern ein wenig geneigt, einen Hügel, der sanft und allmählich ansteigt, einen hohen und rauhen, aber be2 waldeten und grasigen Berg haben sie am meisten geschätzt. Diesen einzelnen Lagen aber werden jeweils wieder sechs Eigenschaften zugeteilt, man spricht von fettem oder magerem, von lockerem oder dichtem, feuchtem oder trockenem Boden, und diese Eigenschaften bringen in wechselnder Mischung und verschiedenen Verbindungen alle möglichen Arten von Ackerland zustande. Diese braucht ein praktischer Landwirt nicht aufzuzählen, denn es ist nicht Aufgabe der Praxis, sich über die zahllosen Erscheinungsformen zu verbreiten und auf die Arten einzugehen, die in Gedanken und im Spiel der Worte leicht verknüpft werden können. 3 Wir dürfen uns also auf einige Verbindungen der gewissermaßen einander widerstrebenden Eigenschaften beschränken, die die Griechen als ov^vyLau; b>avTWTrjTu>v, wir etwa als Vereinigung von Gegensätzen bezeichnen. Es ist auch darauf hinzuweisen, daß von allem, was die Erde hervorbringt, der überwiegende Teil
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die Ebene mehr liebt als Hügelland, fetten Boden mehr als mageren. Wievielen 4 Pflanzen trockener, wievielen wasserreicher Boden mehr zusagt, habe ich nicht ermittelt, weil ja bei beiden Gruppen fast unzählbar ist, was an trockenen und was eher an feuchten Plätzen gedeiht; alle diese Pflanzen aber kommen in lockerem Boden besser voran als in dichtem. Das hat auch unser Vergil hinzugefügt, als er schon von anderen preisenswürdigen Eigenschaften fruchtbaren Landes gesungen hatte: „Lockerer Grund von Natur, wie sonst wir ihn schaffen durch Pflügen". Kultivieren heißt nämlich nichts anderes als die Erde locker und mürbe machen, und darum bringt die besten Erfolge ein zugleich fetter und lockerer Boden, weil 5 er für eine sehr hohe Leistung nur sehr wenig fordert, und das, was er fordert, sich mit kleiner Mühe und geringen Kosten bewerkstelligen läßt: solcher Boden also kann mit Recht als hervorragend bezeichnet werden. Am nächsten kommt ihm dann dichter, fetter Boden, weil er Ausgaben und Arbeit des Landwirts mit großem Ertrage lohnt. An dritter Stelle steht Wasserreicher Boden, weil er 6 ohne Kosten Einkünfte zu bringen vermag. Cato, der den Gewinn aus Wiesennutzung weit über die anderen stellte, sagte von solchem Lande, es sei erstklassig; ich aber spreche jetzt von der Beackerung des Bodens und nicht vom Land, das man liegen läßt. Keinen schlechteren Boden gibt es als einen, der zugleich trocken, 7 dicht und mager ist, denn er läßt sich einerseits schwer bearbeiten, ist andererseits, wenn man ihn bearbeitet hat, nicht einmal dafür dankbar und bietet auch als Wiesen- oder Weideland nicht viel. So hat also der Besitzer mit derartigem Land, mag er es bestellen oder brachliegen lassen, nur Ärger und muß es ebenso verabscheuen wie solches, das ungesundes Klima hat. Das ungesunde Land nämlich bringt den Tod, das schlechte den Hunger, den gräßlichsten Begleiter des Todes, wenn anders wir den griechischen Musen Glauben schenken, die klagend ausrufen: „Am jämmerlichsten ist der Hungertod!" Ich will aber jetzt lieber des fruchtbareren Bodens gedenken und seine zweifache 8 Behandlung darstellen, je nachdem, ob er schon in Kultur oder noch Wildnis ist. Zuerst werde ich beschreiben, wie man Waldland zu Ackerland macht, da man ja dieses erst schaffen muß, ehe man es bebauen kann. Neuland also soll man daraufhin ansehen, ob es trocken oder feucht, bewaldet oder felsig zerklüftet, mit Binsen und Gras bekleidet oder dicht mit Farnkraut und sonstigem Gestrüpp bewachsen ist. Ist es feucht, so muß zuerst das Übermaß an Nässe durch 9 Gräben abgezogen werden. Von diesen kenne ich zwei Arten, die verdeckten und die offenen. Bei dichten, kreide- oder tonreichen Böden läßt man die Gräben offen; wo jedoch der Boden lockerer ist, werden einige offen, manche auch verdeckt angelegt, derart, daß in sie die offenen Gräben einmünden; diese aber wird man zweckmäßigerweise oben breiter offen machen, nach unten abschrägen und
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an der Sohle schmal werden lassen, so daß sie gewölbten Deckziegeln ähnlich sehen, deren Höhlung nach oben liegt; denn Gräben mit senkrechten Wänden werden leicht durch das Wasser beschädigt und durch Abrutschen der höheren Erdschichten verstopft. Die unterirdischen Abflüsse wiederum überdeckt man in der Weise, daß man zunächst drei Fuß tiefe Gräben aushebt, sie zur Hälfte mit zerkleinertem Gestein oder reinem Kies füllt, nun die vorher ausgeworfene Erde daraufschüttet und sie einebnet. Wenn Steine und Kies nicht zu haben sind, soll man eine Art Seil aus Reisig gebündelt herstellen, das so dick ist, wie es die enge Grabensohle knapp noch fassen kann, also gleichsam angepaßt und fest zusammengeschnürt. Dies Seil wird dann unten den Graben entlang ausgespannt, Zypressen- oder Piniennadeln, notfalls auch sonstiges Laub darüber festgestampft und die Erde wieder aufgebracht; vorher aber stelle man noch am Anfang und Ende des Grabens wie kleine Brücken je zwei Steine als Pfeiler auf und decke einen dritten quer darüber, damit dieser Bau das Einstürzen des Randes verhindert und Ein- und Auslauf des Wassers nicht verstopft wird. Wald- und Buschgelände behandelt man auf zweifache Weise; Bäume rodet man mit der Wurzel und schafft sie beiseite, Buschwerk wird nur abgehauen, verbrannt und untergepflügt. Steinübersätes Land läßt sich leicht durch Zusammenlesen der Steine in Ordnung bringen; wenn es deren sehr viele sind, schichte man sie an einigen Stellen des Ackers zu Haufen, so daß er im übrigen völlig rein wird, oder man hebe eine tiefe Grube aus und vergrabe sie darin; doch wird man dies nur tun, wenn die Billigkeit der Arbeitskräfte es erlaubt. Binsen und Gras lassen sich durch wiederholtes Unterpflügen vernichten, Farnkraut durch häufiges Ausroden; dies kann ebenfalls der Pflug besorgen, da es nach mehrmaligem Umpflügen binnen zweier Jahre abstirbt, noch schneller freilich, wenn man gleichzeitig düngt und Lupinen oder Bohnen ansät, um bei der Beseitigung des Unkrautes gleich noch etwas zu verdienen; bekanntlich geht ja, wenn man sät und düngt, das Farnkraut schneller ein. Doch auch wenn man nur ab und zu das nachwachsende mit der Sichel schneidet — diese Arbeit kann schon ein Knabe leisten —, wird in der vorgenannten Zeit seine Triebkraft verzehrt. Nun aber folgt der Belehrung, wie man Neuland herrichtet, die Behandlung der Brachäcker, über die ich meine Ansichten kundtun werde, sobald ich den Freunden der Landwirtschaft ans Herz gelegt habe, was sie zuvor noch erfahren müssen. Ich erinnere mich, daß die meisten der Alten, die über den Landbau geschrieben haben, als anerkannte und untrügliche Anzeichen für fettes Getreideland eine dem Boden eigentümliche Süße, das Gedeihen von Kräutern und Bäumen und die schwarze oder aschgraue Farbe bezeichnet haben. Über die andern Merkmale brauche ich nicht zu streiten, bei der Farbe aber kann ich mich nicht genug wundern, daß von anderen abgesehen besonders auch Cornelius Celsus, der nicht allein die Landwirtschaft, sondern die gesamte Natur gut kannte, in Urteil und Beobachtung so geirrt hat, daß seinen Augen die vielen Sümpfe und auch die vielen Salzfelder verborgen blieben, denen die genannten Farben gewöhnlich
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zukommen. Sehen wir doch kaum einmal, daß irgendein Boden, der überhaupt 16 stehendes Wasser enthält, nicht auch schwarz oder aschenfarbig ist, es sei denn, ich täuschte mich etwa selbst, wenn ich nicht zu glauben vermag, es könnte auf schlammigem Sumpfboden und saurem Moorgrund oder auf den Salinenflächen am Meere Getreide freudig wachsen. Aber dieser Irrtum der Alten ist zu handgreiflich, als daß er durch weitere Beweisgründe widerlegt werden müßte. Die Farbe also verbürgt nicht, wie ein zuverlässiger Zeuge, die Güte von Saatland, und deshalb muß ein Getreideacker, der ja fett sein soll, mehr nach anderen 17 Eigenschaften beurteilt werden. Denn wie die stärksten Tiere verschiedene und fast unzählige Farben aufweisen, so sind ebenso den kräftigsten Böden sehr viele und mannigfaltige zuteil geworden. Darum ist die Fettigkeit des Bodens zu prüfen, der für die Bestellung vorgesehen ist. Für sich allein jedoch ist das noch 18 zu wenig, er muß auch süß sein. Diese beiden Eigenschaften lassen sich recht bequem feststellen. Man benetzt nämlich einen ganz kleinen Erdklumpen mit Wasser und knetet ihn mit der Hand; wenn die Erde bindig ist, bleibt er dann, sobald man ihn nur mit ganz leichter Berührung preßt, schon haften und — wie Vergil sagt — „Klebt an den Fingern wie Pech, sobald man ihn anfaßt"; er löst sich auch, wenn man ihn zu Boden schleudert, nicht auf, und das beweist uns, daß solcher Erde von Natur Saft und Fettigkeit innewohnen. Wenn man 19 ferner aus Gruben ausgehobene Erde wieder zurückschütten und festtreten will, und sie quillt dann wie gegoren über, so ist sie ganz gewiß fett; füllt sie die Grube nicht aus, so ist sie mager, wenn sie aber gerade ausreicht, mittelmäßig. Allerdings trifft das, was ich eben berichte, bei der grauschwarzen Pullerde vielleicht nicht ganz zu, die man deshalb besser am Gedeihen der Früchte prüft. Folgender- 20 maßen kann man auch den Geschmack unterscheiden: aus dem Teil des Ackers, der den schlechtesten Eindruck macht, grabe man Erdbrocken aus, tränke sie in einem Tongefäß mit Süßwasser, mische gründlich, seihe wie bei hefigem Wein sorgfältig durch und koste dann; denn solchen Geschmack, wie ihn das Wasser von der Erde angenommen hat, werden wir auch ihr selbst zusprechen. Auch ohne diesen Versuch indessen gibt es vieles, was auf süßes' und für Getreide geeignetes Land schließen läßt, wie Binsen, Rohr, Gras, wie Klee, Attich, Brombeeren, Schlehen und anderes mehr, was auch den Wassersuchern bekannt ist und nur auf Boden mit Süß Wasseradern wächst. Wir dürfen uns aber keineswegs mit dem 21 ersten Eindruck von der obersten Erdschicht begnügen und müssen auch gründlich die Beschaffenheit der tieferen Schichten erforschen, ob sie aus Erde bestehen oder nicht. Für Getreide wird es da ausreichen, wenn es zwei Fuß tief gleichmäßig guten Boden unter sich hat, für Bäume ist eine Tiefe von vier Fuß mehr als genug. Nach Abschluß dieser Prüfungen richten wir den Acker für die Aussaat her. Er trägt besonders reich, wenn er sorgfältig und geschickt aufgelockert wird, und deshalb ist es vor allem wichtig, für diese Arbeit ein Verfahren aufzuzeichnen, das
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die Landwirte beim Aufbrechen des Bodens wie ein bindendes Gesetz befolgen sollen. Die Pflugochsen halte man straff im Geschirr, daß sie aufrecht und erhobenen Hauptes ansehnlicher einherschreiten, ihre Hälse weniger schwanken und das Joch besser anliegend auf den Nacken ruht. Diese Art des Anschirrens hat sich nämlich am meisten bewährt. Jene andere, die in manchen Provinzen Brauch ist, das Anbinden des Joches an die Hörner, wird wohl von allen, die über LandwirtSchaft geschrieben haben, abgelehnt, und nicht mit Unrecht. Die Tiere können nämlich mehr mit Hals und Brust ausrichten als mit den Hörnern und legen sich dabei mit der ganzen Masse ihres Körpers und mit ihrem ganzen Gewicht ins Geschirr; bei dem anderen Verfahren dagegen quält man sie, da die Köpfe zurückgezogen und nach hinten gebogen werden, und sie vermögen kaum nur die Erdoberfläche mit einer ganz leichten Pflugschar zu ritzen. Sie ackern dann auch mit kleineren Pflügen, weil sie nicht die Kraft haben, einen Brachacker tief durchzupflügen und aufzureißen; dies ist aber jeglichem Wachstum sehr dienlich, denn wenn man tiefe Furchen gezogen hat, gibt es größere Erträge bei Saaten und Bäumen. Ich bin hier also anderer Ansicht als Celsus, der aus Scheu vor den Kosten, die bei größeren Zugtieren natürlich höher sind, das Land mit kleinen Pflugscharen und Scharbäumen bearbeiten lassen will, um mit kleineren Rindern pflügen zu können; er weiß also nicht, daß der Gewinn aus einer reichlicheren Ernte höher ist als die Ausgaben für den Ankauf größerer Pflugochsen, zumal in Italien, wo das mit Weingehölzen und Ölbäumen bestellte Land tiefer gelockert und durchgearbeitet zu werden verlangt; die Pflugschar muß ja die obersten Wurzeln der Weinstöcke und Ölbäume zerschneiden, denn wenn sie blieben, würden sie den Unterkulturen schaden; die weiter unten wachsenden Wurzeln aber können, wenn der Boden bis in die Tiefe aufgelockert ist, leichter das nährende Naß aufnehmen. Für Numidien und Ägypten, wo man Getreide in der Regel auf baumlosem Lande sät, mag jene Überlegung des Celsus freilich passen, und solch fetter Sandboden, der locker ist wie mürbe Asche, läßt sich mit einer ganz leichten Pflugschar genügend aufpflügen. Der Pflüger aber soll in der Furche gehen und bei jeder Wendung wechselnd einmal den Pflug schräg halten und dann wieder ihn gerade richten und mit voller Schar die nächste Furche ziehen, so jedoch, daß er nirgends rohen ungelockerten Boden zurückläßt, den man auf dem Lande als eine Bank bezeichnet. Wenn die Ochsen an einen Baum kommen, soll er sie kräftig zurückhalten und ihren Schritt zügeln, damit nicht die Pflugschar mit zu großer Wucht auf eine Wurzel trifft und der Ruck den Hälsen der Tiere Schaden tut, damit auch nicht ein Ochse mit dem Horn zu heftig an den Stamm stößt oder ihn mit dem Jochende verletzt oder einen Ast abbricht. Lieber mit der Stimme als mit Schlägen soll der Treiber schrecken, und wenn Tiere die Arbeit verweigern, seien erst das allerletzte Zuchtmittel Wunden. Niemals soll er einem Jungstier mit dem Treibstachel zusetzen — das macht ihn bösartig und zum Schläger —, mit der Peitsche jedoch mag er ihn bisweilen spornen. Er mache
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aber auch nicht mitten in einer Pflugbahn halt, sondern gönne erst an ihrem Ende den Ochsen Ruhe, damit sie in der Hoffnung auf die Pause sich rascher durch die ganze Strecke hindurcharbeiten. Eine Furche von mehr als hundertzwanzig Fuß Länge zü ziehen, ist für die Tiere zuviel, da sie beim Überschreiten dieses Maßes mehr als billig ermüdet werden. Ist die Kehre erreicht, so soll der 28 Pflüp-er das Joch nach vorn rücken und die Ochsen verschnaufen lassen, damit ihre jJälse sich abkühlen, die sich schnell entzünden, wenn man sie nicht fleißig striegelt, und dann entstehen Schwellungen und daraus Geschwüre. Nicht weniger als den Pflug soll der Pflüger auch die Hacke gebrauchen und abgebrochene Stämme sowie die obersten Wurzeln, die einen mit Baumwuchs bestandenen Acker durchziehen, alle ausroden und ihnen beharrlich nachgehen. 3. Kapitel Wenn der Pflüger nach der Arbeit die Ochsen abgeschirrt hat, soll er sie etwas striegeln und abreiben, ihnen den Rücken massieren, km Fell zupfen und es nicht am Körper haften lassen, weil diese Art von Krankheit den Tieren sehr schadet. Er soll ihre Hälse bearbeiten und ihnen, wenn sie erhitzt sind, reinen Wein in den Schlund gießen; es genügt indessen, jedem einen Sextarius zu geben. Die Ochsen an die Krippen zu binden, ehe sie zu schwitzen und zu keuchen aufgehört haben, ist nicht gut; sind sie dann aber so weit, daß sie fressen können, so empfiehlt es sich, nicht viel und nicht gleich das ganze Futter zu geben, sondern es in Teilen nach und nach zu verabreichen. Wenn sie es verzehrt haben, führt man sie zum Wasser und lockt sie mit Zischen, daß sie mit größerem Behagen saufen; dann erst soll man sie zurückführen und sie an reichlicherem Futter sich sättigen lassen. Nunmehr ist über den Dienst des Ochsentreibers mehr als genug gesagt worden, und ich will jetzt auch die Termine für die Bearbeitung des Landes angeben.
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4. Kapitel Fette Ackerfelder, die das Wasser länger festhaltet, sollen in schon wärmerer Jahreszeit aufgebrochen werden, wenn sie bereits alles Unkraut hervorgebracht haben, dessen Samen jedoch noch nicht ausgereift sind. Das Land muß aber in so vielen und dichten Furchen gepflügt werden, daß man kaum unterscheiden kann, in welcher Richtung der Pflug gegangen ist, denn so werden alle Unkrautwurzeln zerrissen und getötet. Doch soll weiterhin durch mehrfach wiederholtes Pflügen die Brache so zu Staub aufgelöst werden, daß man sie nach dem Säen entweder gar nicht oder nur wenig zu eggen braucht; die alten Römer jedenfalls haben gesagt, ein Acker, der nach der Aussaat noch geeggt werden müsse, sei schlecht bearbeitet. Ob er richtig gepflügt wird, muß der Landwirt also häufig prüfen, nicht allein mit dem Auge, das manchmal, wenn Bänke durch darüber
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geschüttete Erde verborgen sind, getäuscht wird, sondern auch durch den Tastsinn, der sich weniger leicht betrügen läßt, wenn man eine derbe, unbiegsame Stange ansetzt und sie von der Seite in die Furchen stößt. Dringt sie gleichmäßig und ohne Widerstand ein, so ist offenbar der ganze Boden Furche nach Furche bewegt worden; trifft sie aber beim Einbohren auf eine härtere Stelle, so ist damit bewiesen, daß Brache unbearbeitet liegengeblieben ist. Erleben die Pflüger solche Kontrolle öfter, dann hüten sie sich, Bänke stehen zu lassen. Feuchte Äcker also sollen nach der Aprilmitte aufgebrochen werden. Wenn das zu dieser Zeit geschehen ist, müssen sie nach zwanzig Tagen um die Sonnenwende — das ist der neunte oder achte Tag vor Anfang Juli — zum zweiten Mal gepflügt werden, zum dritten Male dann etwa Anfang September, da die Sachverständigen sich darin einig sind, daß von der Sonnenwende an bis dahin nur gepflügt werden dürfe, wenn, wie es bisweilen vorkommt, die Erde von plötzlichen starken Regenschauern, wie sonst vom Winterregen, durchfeuchtet sei. In diesem Falle hindert nichts, schon im Juli noch einmal das Land umzuackern. Wann immer man aber auch pflügt, so ist stets zu beachten, daß man weder kotigen noch einen durch schwache Regenfälle halbfeuchten Acker bearbeiten darf, den die Landleute als scheckig und morsch bezeichnen. Das ist ein Boden, bei dem nach langer Trockenheit leichter Regen die oberste Schicht genäßt, die tieferen aber nicht erreicht hat. Felder nämlich, die man in schlammigem Zustand wendet, können das ganze Jahr nicht mehr bearbeitet werden und lassen sich nicht besäen, eggen oder hacken. Scheckiges Land dagegen, das man unter den Pflug genommen hat, bleibt die nächsten drei Jahre ohne Erträge. Man soll demzufolge beim Pflügen der Äcker die richtige Mitte genau beobachten, daß sie weder knochentrocken noch allzu naß sind, weil ja, wie gesagt, ein Zuviel an Feuchtigkeit sie schlammig und kotig macht, ein Boden hingegen, der durch trockene Witterung ausgedörrt ist, sich nicht richtig in Stand setzen läßt; denn infolge seiner Härte kann die Pflugschar entweder nicht eindringen, oder wenn sie irgendwo eingedrungen ist, zerkrümelt sie ihn nicht, sondern reißt große Rasensoden los; wenn aber diese vor dem Pfluge liegen und das Land unwegsam machen, kann man nicht in gerader Richtung nachpflügen, weil durch die schweren Erdschollen der Pflug, als ob irgendwelche Fundamente im Wege stünden, aus seiner Bahn gerissen wird, und so entstehen auch beim zweiten Pflügen Bänke; die Ochsen aber werden infolge der ungleichmäßigen Beanspruchung bei der Arbeit aufs schlimmste geschunden. Dazu kommt, daß jegliches Erdreich, auch das fruchtbarste, doch eine Unterschicht hat, die magerer ist, und diese reißen die herausgewühlten größeren Erdschollen mit sich hoch. Die weniger fruchtbare Erde mischt sich daher mit der fetteren und mindert den Ertrag des Saatfeldes, außerdem kommt auch der langsame Fortgang des Werkes dem Landwirt teuer zu stehen, denn wenn der Acker hart geworden ist, kann nicht so, wie es sein muß, gearbeitet werden. Man soll daher, meine ich, bei Trockenheit nur bereits aufgerissenes Land nachpflügen und im übrigen lieber Regen abwarten, der die Erde erweicht und so die Bearbeitung leicht macht.
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Ein Morgen solchen Ackers aber läßt sich in vier Tagewerken herrichten, denn in zwei Tagewerken wird er gehörig aufgebrochen, in einem nochmals gewendet, dreiviertel Tag beansprucht das dritte Pflügen, und in einem Viertel wird die auf das Ackerbeet gestreute Saat eingepflügt. Ein Ackerbeet aber bezeichnen die Landleute auch als porca, wenn so gepflügt worden ist, daß zwischen zwei weiter voneinander entfernten Furchen ein Erdwall dem Saatkorn ein trockenes Lager bietet. Hügel mit fettem Boden soll man nach Abschluß des Säens der binnen 9 drei Monaten reifenden Gewächse im März, wenn aber mildes Wetter und Trockenheit des Geländes dazu raten, schon im Februar aufbrechen, dann zwischen Mitte April und Sonnenwende zum zweiten Mal und im September um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche zum dritten Male pflügen; ein Morgen solchen Ackers läßt sich in ebensbvielen Tagewerken fertigmachen wie feuchte Felder in ebener Lage. Beim Pflügen aber ist besonders zu beachten, daß ein Berg immer quer 10 gepflügt wird. Denn auf diese Weise wird die Schwierigkeit des Anstiegs gebrochen und die Anstrengung von Tieren und Menschen geschickt erleichtert. Man soll jedoch, sooft nachgepflügt wird, die Furchen bald etwas mehr nach oben, bald mehr nach unten am Abhang schräg führen, um die Erde nach beiden Seiten aufzureißen und sie nicht immer in der gleichen Spur umzuwühlen. Mageres, ebenes und wasserreiches Land soll zuerst in den letzten Augusttagen, 11 gleich darauf im September zum zweiten Mal und um die Tag- und Nachtgleiche zur Saat gepflügt werden. Die Arbeit geht bei solchem Boden aber schneller vonstatten, und deshalb setzt man dafür weniger Tagewerke an; für einen Morgen nämlich genügen drei. Ebenso sollen magere Hänge nicht im Sommer gepflügt werden, sondern Anfang September; geschieht es vor dieser Zeit, so wird der dürftige, saftlose Boden von der Sommersonne, verbrannt und behält kein bißchen Kraft. Am besten wird er darum in der ersten Septemberhälfte gepflügt und gleich nachher wieder, damit bei den ersten Herbstregen gesät werden kann; doch ist solches Land nicht auf dem Ackerbeet, sondern unten in der Furche zu besäen.
5. Kapitel Bevor man indessen mageren Boden zum zweiten Male pflügt, soll man ihn düngen, denn dadurch nimmt er an Kraft zu, als ob man ihn fütterte. Man verteilt Dunghaufen von fünf Modii, und zwar auf ebenem Felde weniger dicht, auf hügeligem Land dichter; in jeder Richtung acht Fuß Abstand auf ebener Fläche und am Hang zwei Fuß weniger sind ausreichend. Gern lasse ich diese Arbeit bei abnehmendem Monde vornehmen, denn das macht die Saaten unkrautfrei. Ein Morgen aber, der dichter gedüngt wird, erfordert vierundzwanzig Fuhren, bei schwächerer Düngung braucht man achtzehn. Ist der Dung dann ausgestreut, so ist es gut, wenn er gleich eingepflügt und mit Erde bedeckt wird, damit er durch die Sonnenhitze nicht seine Kräfte verliert und der Boden mit der genannten Nah-
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rang vermischt an Fruchtbarkeit zunimmt. Man darf daher von den auf dem Acker verteilten Dunghaufen niemals mehr auseinanderwerfen, als die Pflüger am gleichen Tage unterbringen können.
6. K a p i t e l 1 Nachdem ich gezeigt habe, wie die Erde zur Saat vorbereitet wird, will ich jetzt die verschiedenen Arten des Saatgutes durchgehen. Die für den Menschen wichtigsten und nützlichsten Getreidearten sind Weizen und Spelt. Von Weizen sind eine ganze Reihe Sorten bekannt, doch sollte man von diesen vorzugsweise die säen, die als Robus bezeichnet wird, da sie sich durch Korngewicht und Glanz 2 auszeichnet. An die zweite Stelle ist der Siligoweizen zu setzen, eine Sorte, die wohl für Brot vorzüglich ist, aber ein minder schweres Korn hat. Die dritte Sorte ist der Dreimonatsweizen, den die Landwirte besonders gern anbauen; denn wo wegen Wassers oder aus anderem Grunde rechtzeitige Aussaat versäumt worden ist, nimmt man zu ihm Zuflucht; er ist eine Art Siligoweizen. Die übrigen Weizensorten sind überflüssig, es sei denn, daß einer an der Vielfalt verschiedenartiger 3 Früchte seine Freude hat oder damit prahlen möchte. Vom Spelt sieht man gewöhnlich vier Sorten im Gebrauch, den sogenannten clusinischen, weiß und glänzend, dann den als Vennuculum bezeichneten in einer rötlichen und einer weißen Sorte, beide aber von größerem Korngewicht als der clusinische, endlich den Dreimonatsspelt, namens Halicastrum, und der ist in Gewicht und Güte vorzüglich. Diese verschiedenen Weizen- und Speltsorten müssen die Landwirte deswegen im Auge behalten, weil selten Ackerland so beschaffen ist, daß man mit nur einer Sorte auskommen kann; irgendwo wird sich ja entweder ein feuchter oder ein trockener Strich hindurchziehen. Weizen aber faßt besser Wurzel in trockenem Boden, Spelt leidet weniger unter Nässe.
7. Kapitel 1 Von Hülsenfrüchten gibt es eine ganze Reihe Arten; am wertvollsten, auch für die menschliche Ernährung, sind wohl Bohne, Linse, Erbse, Fasele, Kichererbse, Hanf, Rispen- und Kolbenhirse, Sesam, Lupine, dann Lein und schließlich Gerste, aus der man ja Grütze macht. Sehr gutes Viehfutter liefern Luzerne und Hornklee, auch die Wicke; es folgen dann Platterbse, Erve und das Gerstenmengfutter. 2 Zuerst will ich von dem sprechen, was für uns Menschen gesät wird, vorher aber der uralten Regel gedenken, die uns mahnt, an kalten Plätzen zuerst zu säen, an mäßig warmen später und an heißen zuletzt. Die nun folgenden Regeln aber will ich so geben, wie sie für ein mittleres Klima passen.
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8. Kapitel Unser Dichter will Spelt und auch Weizen nicht gern vor dem Untergang der Atlantiden säen. Er trägt das in seinen Versen so vor: „Wo du zur Weizenernte jedoch und kräftigem Spelte Durcharbeitest die Flur und allein um Ähren dich kümmerst, Laß zuvor in der Frühe die Atlantiden sich bergen." Sie bergen sich aber am zweiunddreißigsten Tage nach der Herbstgleiche, die etwa auf den dreiundzwanzigsten September fällt, und somit ergibt sich vom Untergang der Plejaden an, der vom vierundzwanzigsten Oktober bis zu den kürzesten Tagen dauert, für die Weizenaussaat eine Spanne von sechsundvierzig Tagen, denn erfahrene Landwirte halten es so, daß sie fünfzehn Tage vor und ebensoviele nach der Wintersonnenwende weder pflügen noch Weinstöcke oder Bäume beschneiden. Auch ich leugne nicht, daß man bei mittlerem und sehr wenig feuchtem Acker in der genannten Zeit säen sollte, meine aber, daß .es an feuchten und armen, an kalten oder auch an schattenreichen Plätzen in der Regel richtig ist, ungefähr Anfang Oktober zu säen, „weil es der trockene Boden vergönnt, und die Wolke noch hänget"; denn dann können die Getreidewurzeln sich noch kräftigen, ehe sie von Winterregen, Frost oder Reif angegriffen werden. Mag man aber die Aussaat auch rechtzeitig beendet haben, so wird man doch Sorge tragen, die Furchen offenzuhalten, zahlreiche Wasserrinnen — manche nennen sie Lockfurchen — anzulegen, alle Nässe in die Sammelgräben und durch diese von den Saatfeldern abzuleiten. Ich weiß wohl, daß alte Schriftsteller empfohlen haben, man solle erst säen, wenn die Erde von Regengüssen durchfeuchtet sei. Daß das, wenn der Regen zur rechten Zeit fällt, für den Landwirt ersprießlicher ist, stelle ich nicht in Abrede; wenn aber, wie es manchmal geschieht, die Regen zu spät einsetzen, ist es zweckmäßig, der Erde den Samen anzuvertrauen, selbst wenn sie noch so sehr dürstet, und das ist auch Brauch in einigen Provinzen, wo solches Wetter die Regel ist. Denn was in trockenen Boden eingesät und eingeeggt ist, verdirbt nicht so, wie wenn es in der Scheune lagerte, und sobald Regen kommt, geht die Saat vieler Tage an einem einzigen auf. Tremellius jedenfalls versichert, bevor es geregnet habe und solange infolge heiteren Sommerwetters der Acker trocken sei, griffen Vögel oder Ameisen die Saat nicht an; auch ich habe öfter darauf achtgegeben und bisher feststellen können, daß die Behauptung zutrifft. Auf feuchten Äckern aber sät man auf alle Fälle besser Spelt als Weizen, weil ihn ein fester Balg umschließt, der gegen längerwährende Nässe widerstandsfähig ist.
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9. Kapitel Ein Morgen fetten Bodens erfordert in der Regel vier Modii Weizen, ein Morgen 1 mittleren Bodens fünf; von Spelt braucht der Morgen bei fruchtbarem Lande neun, bei mittlerem zehn Modii. Denn mögen auch die Schriftsteller über das g
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Maß nicht recht einig sein, so hat mir doch meine eigene Erfahrung bewiesen, daß diese Mengen durchaus angemessen sind. Wenn sich jemand darauf nicht verlassen will, so wende er die Regel derer an, die fruchtbares Feld je Morgen mit acht Modii Weizen oder mit acht Modii Spelt zu bestellen empfehlen und mit dieser Menge auch Äcker von mittlerer Güte besät wissen wollen. Ich halte mich an die Maße, die ich angegeben habe, auch selbst nicht immer, weil Bedingungen, die sich aus Ort, Zeit oder Wetter ergeben, sie abwandeln; örtliche insofern, als das Korn entweder auf ebenem oder Hügelland, sowie auf fettem, mittlerem oder magerem Boden gesät wird; zeitliche Bedingungen je nachdem, ob man im Herbst oder erst bei Einbruch des Winters die Saat streut, denn die erste Aussaat erlaubt dünneres Säen, die letzte verlangt dichteres; auch das Wetter ist zu berücksichtigen, das entweder trocken oder regnerisch sein kann; jenes nämlich braucht die gleiche Menge, die eine Frühsaat erfordert, dieses soviel wie eine Spätsaat. Alles Getreide aber wächst am besten auf freiem Felde in ebener Lage, das dem Sonnenlichte und der Sonnenwärme ausgesetzt und gut gelockert ist; Hügelland nämlich mag immerhin ein beträchtlich kräftigeres Korn erzeugen, bringt aber doch mengenmäßig weniger. Dichter, kreidig-toniger und feuchter Boden läßt Siligoweizen und Spelt recht gut gedeihen; Gerste verträgt nur lockeren und trockenen Boden. Jene wollen möglichst üppiges Land, das ein Jahr als Brache liegenbleibt, im andern bestellt wird; Gerste braucht keinen Mittelboden, denn sie läßt sich auf ganz fettem oder ganz magerem Lande anbauen. Jene mag man nach Dauerregen notfalls sogar in noch schlammiges und triefnasses Land säen, und sie halten die Unbill aus; bringt man Gerste in kotigen Boden, so stirbt sie ab. Zur Aussaat von Siligoweizen oder auch anderem Weizen braucht man aber, wenn der Acker nur einigermaßen kreide- und tonhaltig oder naß ist, noch ein wenig mehr als die oben angegebenen fünf Modii; ist er dagegen trocken und locker, nur vier, gleichgültig, ob er fett oder mager ist, denn auch mageres Land fordert ja die gleiche Menge Samen; wenn dieser nämlich nicht sparsam gestreut wird, bildet er taube und kleine Ähren. Hat er dann aber aus jedem Korn mehrere Fruchthalme getrieben, so macht er auch aus einer dünnen Saat ein dichtes Kornfeld. Unter anderem darf man auch nicht außer acht lassen, einen Acker mit Baumbestand mit einem Fünftel mehr Samen zu bestellen als einen offenen ohne Bäume. Bis hierher habe ich von der Herbstsaat gesprochen, denn diese halte ich für die beste. Für den Notfall gibt es noch eine andere, die Landwirte nennen sie Dreimonatssaat. Sie ist angebracht in äußerst kalten und schneereichen Landstrichen, wo der Sommer feucht und ohne Dunsthitze ist, anderswo entspricht sie recht selten den Erwartungen. Man muß sie jedoch zeitig und unter allen Umständen vor der Frühjahrsgleiche durchführen. J e eher aber, soweit es Gegend und Wetter zulassen, gesät wird, desto günstiger wird der Ertrag sein. Es gibt nämlich gar nicht, wie viele geglaubt haben, Samen, der seiner Natur nach in drei Monaten reift, der gleiche Samen kann ja auch im Herbst gestreut werden und trägt dann besser. Immerhin aber gibt es einige, die geeigneter als andere für die Frühlings-
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wärme sind, wie Siligoweizen, galatische Gerste und Sommerspelt sowie die marsische Bohne; denn die Getreidearten mit schwerem Korn sollten in gemäßigtem Klima immer schon vor dem Winter gesät werden. Manchmal kommt es vor, daß die Erde salzige und bittere Flüssigkeit absondert; sie verdirbt, wenn die schädliche Nässe sich ausbreitet, sogar das schon ganz reife Getreide, und in warmen Gegenden bewirkt sie, daß auf manchen Flächen überhaupt keine Samen sprießen. Solche kahlen Stellen wird man durch Zeichen kennt- 9 lieh machen, um zu geeigneter Zeit dem Schaden abzuhelfen; denn wo entweder Nässe oder sonstiges Unheil die Saat abtöten, wird man Taubenmist, oder, wenn der nicht vorhanden ist, Zypressennadeln streuen und einpflügen. Das erste aber ist, daß man Gräben zieht und alle Feuchtigkeit ableitet, sonst bleiben die genannten Mittel wirkungslos. Manche Leute bekleiden das Dreischeffelmaß, das man beim Säen braucht, mit Hyänenfell, und wenn die Samen ein wenig darin gelegen haben, säen sie sie aus, ohne daran zu zweifeln, daß das, was so gestreut ist, aufkommen werde. Auch unter der Erde lebende Schädlinge bringen die 10 herangewachsene Saat durch Abfressen der Wurzeln zum Absterben; dagegen hilft mit Wasser gemischter Saft eines Krautes, das die Landleute Sedum nennen; in diesem Mittel werden die Samen eine Nacht eingeweicht und dann gesät. Einige verrühren den ausgepreßten Saft und die geriebene Wurzel der Schlangengurke mit Wasser, weichen darin die Samen ähnlich wie vorher ein und bringen sie in die Erde. Andere gießen, wenn die Saaten befallen werden, die gleiche Flüssigkeit oder ungesalzene Amurca in die Furchen und vertreiben so das Ungeziefer. Im folgenden habe ich darauf hinzuweisen, daß man nach Abmähen der Felder schon auf der Tenne für den künftigen Samen sorgen soll. Wenn nur geringere 11 Mengen geerntet werden, soll man, wie Celsus sagt, die besten Ähren auslesen und den Samen daraus getrennt lagern; bei größerer Ernte dagegen wird alles, was ausgedroschen ist, in einem Caphisterium gereinigt und immer das, was seiner Größe und Schwere wegen zu unterst liegenbleibt, zur Saat aufbewahrt. Das ist darum sehr nötig, weil das Korn — schneller wohl in feuchter Gegend, aber doch auch in trockener — entartet, wenn man nicht in solcher Weise vorsorgt. Unzweifelhaft nämlich kann aus schwerem Korn leichtes werden; was aber 12 aus diesem wächst, kann gewiß niemals Kraft erlangen, und so hat auch Vergil sich unter anderem über Saatgut ausgezeichnet in dieser Weise geäußert: „Selbst die gewähltere Saat, mit Arbeit lange gemustert, Sah ich dennoch entarten, wenn menschliche Mühe nicht jährlich Größeres nur mit der Hand auslas. So stürzt durch das Schicksal Alles zu Schlimmerem fort, und rückwärts gleitend versinkt es." Spaltet man aber ein rötliches Korn und findet dann im Innern die gleiche Farbe, 13 so ist an seiner Güte nicht zu zweifeln; was aber als weißlich und innen sogar als schneeweiß erscheint, muß als leicht und minderwertig angesehen werden. Und wie unentbehrlich den Landwirten auch der Siligoweizen sein mag, so darf man 6*
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sich doch von ihm nicht täuschen lassen, denn bei Weizen ist weiße Farbe ein Zeichen von UnvoIIkommenheit, und so sehr er dadurch sich auszeichnet, so versagt er doch im Gewicht. In regenreichem Klima gedeiht er aber gut und ist daher für sehr feuchte Lagen besser geeignet. Doch braucht man ihn nicht von weither oder mit großen Schwierigkeiten anzuschaffen, denn auf feuchtem Boden verwandelt sich nach der dritten Saat jeder Weizen in Siligo. Diesen Getreidearten steht als Nahrungsmittel am nächsten die Gerste, von den Landwirten die sechszeilige, gelegentlich auch Wallachgerste genannt. Denn alle Tiere, die man auf dem Lande hält, nährt sie besser als der Weizen, auch für den Menschen ist sie gesünder als schlechter Weizen, und nichts anderes hilft in der Not besser dem Mangel ab. Sie wird in lockeres und trockenes Land gesät, das sehr kräftig oder auch arm sein kann; denn Gerstensaat saugt es bekanntlich aus, und deshalb sät man sie einerseits in sehr fetten Boden, dessen Kraft sie nicht allzusehr schwächen wird, andererseits auch in mageren, in den man nichts anderes bringen kann. Man sät sie beim zweiten Pflügen, nach der Tag- und Nachtgleiche, und zwar, wenn der Boden fruchtbar ist, etwa in der Mitte der Saatzeit, auf dürftigem früher; der Morgen wird fünf Modii brauchen. Gerste soll man, sowie sie nur einigermaßen gereift ist, eiliger als irgendein anderes Getreide mähen. Denn ihr Halm ist schwach, und da das Korn mit keiner Hülse bekleidet ist, fällt es schnell ab; aus den gleichen Gründen läßt es sich auch leichter als anderes dreschen. Nach dem Abernten von Gerste ist es am besten, das Land ein Jahr brachliegen zu lassen, andernfalls aber es mit Dung zu sättigen und alles Gift, das noch in der Erde ist, zu beseitigen. Es gibt noch eine zweite Gerstensorte, die manche als zweizeilige, andere als galatische bezeichnen; sie ist in Gewicht und weißer Farbe so ausgezeichnet, daß sie mit Weizen gemischt eine hervorragende Nahrung für die Sklaven gibt. Man sät sie in sehr fruchtbaren, aber kalten Gegenden etwa im März, doch trägt sie besser, wenn sie, sofern es die Milde des Winters zuläßt, schon ungefähr Mitte Januar gesät wird. Der Morgen erfordert sechs Modii. Zum Korn sind, — obwohl ich sie lieber den Hülsenfrüchten zuweisen möchte — auch Kolben- und Rispenhirse zu rechnen, denn vielerorts ernähren sich die Landleute mit den daraus hergestellten Speisen. Hirse liebt leichten und lockeren Boden und gedeiht nicht nur in sandigem Ackerland, sondern auch auf reinem Sande, wenn nur das Klima feucht oder der Boden wasserreich ist; trockener und kreidiger nämlich sagt ihr nicht zu. Vor dem Frühling kann man sie nicht säen, da sie viel Wärme braucht, Ende März jedoch kann man sie unbesorgt der Erde anvertrauen. Mit großen Kosten belastet sie die Rechnung des Landwirts nicht, denn mit etwa vier Sextarii füllt sie einen Morgen. Sie verlangt aber häufiges Hacken und Jäten, damit sie unkrautfrei bleibt. Nach der Ährenbildung wird sie, bevor die Samen in der Hitze sich öffnen, mit der Hand gepflückt, und wenn sie dann in der Sonne aufgehängt und getrocknet ist, wird sie eingelagert und hält sich so länger als anderes Korn. Aus Rispenhirse wird Brot gebacken, das sich recht gut schon vor dem Abkühlen genießen läßt. Zerstampfte und von der Kleie befreite Kolbenhirse, jedoch auch Rispen-
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hirse gibt einen Brei, dessen man, zumal wenn er mit Milch zubereitet ist, nicht überdrüssig wird, auch wenn man ihn in Menge genießt.
10. Kapitel Nachdem ich über die Getreidesorten ausführlich gesprochen habe, will ich nun von den Hülsenfrüchten reden. An erster Stelle ist die Lupine zu nennen, weil sie am wenigsten Arbeitskräfte beansprucht, sich billig einkaufen läßt und am meisten von allen Saatgewächsen dem Lande nützt. Denn für Weingärten und Ackerfelder, die schon an K r a f t verloren haben, gibt sie einen vorzüglichen Dung ab und hilft sogar völlig erschöpftem Boden auf; in der Scheune gelagert, hält sie sich unbegrenzt. Gekocht und gewässert eignet sie sich als Winternahrung für Rinder, und auch den Menschen hilft sie in unfruchtbaren Jahren recht gut über den Hunger hinweg. Sie wird gleich von der Tenne weg gesät, und als einzige von allen Hülsenfrüchten braucht sie keine Ruhezeit im Speicher; man kann sie im September vor der Tag- und Nachtgleiche oder auch erst Anfang Oktober auf unbearbeitete Brache streuen, und wie man sie auch in die Erde bringen mag, sie nimmt keine Nachlässigkeit des Säers übel. Jedoch liebt sie einen milden Herbst, um schnell zu erstarken, denn wenn das nicht vor dem Winter geschehen ist, leidet sie durch die Fröste. Was an Samen übrig bleibt, lagert man am besten auf einem Boden, wohin Rauch dringt, da eindringende Feuchtigkeit Würmer hervorruft, und sobald diese die Grübchen der Lupinen angefressen haben, kann das Übrige nicht keimen. Wie gesagt, liebt sie dürftigen Boden, namentlich roten; Kreide verabscheut sie, und auf schlammigem Acker treibt sie nicht aus. Einen Morgen füllen zehn Modii. Nach der Lupine ist die Fasele auszusäen. Man soll sie entweder auf Brache oder besser in fetten ungebrachten Acker bringen. Der Morgen wird mit höchstens vier Modii bestellt. Ähnlich verfährt man mit der Erbse, die indessen leichten und lockeren Boden, einen warmen Standort und recht feuchtes Klima braucht. Mit der gleichen Menge wie bei der Fasele oder mit einem Modius weniger kann man den Morgen besäen, und zwar zu Beginn der Saatzeit nach der Herbstgleiche.
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Für Bohnen bestimmt man einen sehr fetten oder gedüngten Platz, möglichst 5 einen im Tale liegenden Brachacker, der von der Höhe her Feuchtigkeit bekommt. Zuerst sät man, bricht dann das Land auf, ebnet das aufgebrochene wieder ein und eggt es, damit die Bohnen recht tief liegen und reichlich mit Erde bedeckt sind; denn es ist sehr wichtig, daß die Wurzeln der aufgegangenen Samen tief versenkt sind. Wenn aber gerade erst abgeerntetes Land ungebracht für Bohnen 6 verwendet werden soll, dann schneide man das Stroh ab, verteile je Morgen vierundzwanzig Fuhren Dung und streue ihn aus, pflüge die Saat ähnlich, wie man sie in die Brache bringt, ein und ebne und egge den Acker; allerdings gibt es Landwirte, die behaupten, in kalten Gegenden dürfe die Bohne nicht geeggt
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werden, weil die emporragenden Erdschollen die noch schwache Pflanze vor Frost schützten und ihr bei ihrer Kälteempfindlichkeit einige Wärme böten. Manche meinen auch, die Bohne wirke auf den Feldern wie Dung; das erkläre ich mir so, daß nicht durch ihre Aussaat der Boden fett wird, sondern daß sie weniger als die anderen Saaten seine Kraft verzehrt. Denn ich bin überzeugt, daß für Getreide ein Acker geeigneter ist, der nichts, als einer, der im Vorjahr diese Hülsenfrucht getragen hat. Auf einen Morgen Ackerland gehören nach Ansicht des Tremellius vier, nach meiner sechs Modii Bohnen, falls der Boden fett ist, bei mittlerem ein wenig mehr. Mageren Boden und neblige Gegend liebt die Bohne nicht, in dichtem Boden jedoch gibt sie oft gute Erträge. Ein Teil ist auszusäen in der Mitte der Saatzeit, ein Teil an ihrem Ende; diese bezeichnet man als die Saat des Septimontiums. Meist ist die frühere, manchmal aber die Spätsaat besser. Erst nach den kürzesten Tagen zu säen, ist wenig zweckmäßig, am schlechtesten ist es im Frühling; freilich gibt es eine Dreimonatsbohne, die im Februar gesät werden soll, und zwar mit einem Fünftel mehr Samen als die im Herbst gesäte, sie bildet aber nur schwaches Stroh und nicht viel Schoten. Daher höre ich alterfahrene Landwirte oft sagen, sie zögen das Stroh der anderen der Frucht der Dreimonatsbohne vor. Aber zu welcher Jahreszeit man auch sät, man soll jedenfalls achtgeben, daß die gesamte zur Saat bestimmte Menge am fünfzehnten Tage nach Neumond gestreut wird, jedoch nur, solange an diesem Tage der Mond nicht die Sonnenstrahlen durchläuft, was die Griechen amöxQovois nennen; sonst säe man am vierzehnten unter allen Umständen bei noch zunehmendem Monde, auch wenn nicht das ganze Saatgut sofort bedeckt werden kann. Es wird nämlich durch Nachttau oder andere Umstände keinen Schaden nehmen, wenn es nur vor Vieh und Vögeln geschützt wird. Alte Landwirte und ebenso Vergil wollten, daß es erst mit Amurca oder Lauge gebeizt und darauf gesät werde, „daß von größerer Frucht die täuschende Schote sich füllte, und auch an mäßigem Feuer erwärmt doch schneller erweichte."
Auch ich habe festgestellt, daß derart behandelte Bohnen nach der Reife weniger vom Wurm befallen werden. Aber auch das, was ich jetzt sagen will, empfehle 12 ich aus eigener Erfahrung. Reiße die Bohnen bei Neumond vor Sonnenaufgang aus; wenn sie auf der Tenne getrocknet sind, drisch sie, ehe noch der Mond zuzunehmen beginnt, sofort aus und bringe sie abgekühlt in den Speicher; so geborgen werden sie vor Würmern sicher sein. Am besten von allen Hülsenfrüchten lassen sich auf folgende Art Bohnen sehr bequem ohne Tiere dreschen und ohne Wind 13 reinigen. Eine angemessene Zahl von Bündeln wird aufgebunden und am äußersten Ende der Tenne zusammengehäuft, mitten durch die Tenne auf der längsten Strecke von drei oder vier Leuten mit den Füßen vorwärtsgeschoben und mit Stöcken und Gabeln gedroschen; wenn sie dann an das andere Ende der Tenne 14 gelangt sind, bringen sie das Stroh wieder auf einen Haufen. Die ausgedroschenen Bohnen liegen nun auf der Tenne, und über ihnen werden allmählich auf gleiche
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Weise die übrigen Bündel gedroschen; die ganz harten Schoten werden von den Dreschern zurückgeworfen und ausgesondert, kleine aber, in denen noch Bohnen sitzen, anderweitig beiseitegetan. Wenn dann der aus Spreu und Bohnen gemischte Haufen zusammengekehrt ist, wird immer ein Teil davon mit der Worfschaufel über eine weitere Strecke geschleudert; dabei fällt die Spreu, weil sie leichter ist, zuerst zu Boden, die Bohnen aber fliegen weiter und langen gereinigt dort an, wohin der Schwinger sie wirft. Die Linse säe man nur in der Zeit vom Halbmond bis zum zwölften Tage nach 15 Neumond in mageres und lockeres Land oder in fettes, aber sehr trockenes; denn während der Blüte wird sie leicht durch geiles Wachstum und Nässe verdorben. Damit sie schnell keimt und wächst, muß man sie vor dem Säen mit trockenem Mist durchmischen, und wenn sie so vier bis fünf Tage ruhig gelegen hat, ausstreuen. Man hält bei ihr zwei Saaten ein, eine frühe in der Mitte der Saatzeit, die andere, spätere im Februar. Für einen Morgen Landes reicht etwas mehr als ein 16 Modius. Damit Linsen nicht von Würmern vernichtet werden, — sie werden nämlich sogar schon in der Schote angefressen —, muß man Sorge tragen, daß sie nach dem Drusch in Wasser geschüttet und die gesunden von den hohlen, die immer obenauf schwimmen, getrennt werden; dann trockne man sie in der Sonne, besprenge sie mit geriebener •Silphiumwurzel in Essig, reibe sie ab, trockne sie erneut in der Sonne, lasse sie abkühlen und lagere sie, wenn es eine größere Menge ist, im Speicher, kleinere Mengen bewahre man in öl- und Salzfischgefäßen auf; wenn man diese nach dem Füllen sogleich vergipst, wird man die Linsen, wann immer man sie zum Verbrauch entnimmt, stets unversehrt finden. Sie können jedoch auch ohne das Besprengen ausreichend geschützt werden, indem man sie mit Asche mischt. Lein sollte man nur säen, wenn er auf dem Acker, den man damit bestellt, gut 17 gedeiht und der Preis dazu reizt; er beansprucht das Land nämlich besonders stark und verlangt daher einen sehr fetten und mäßig feuchten Platz. Er wird gesät von Anfang Oktober bis zum Aufgang des Adlers, also bis zum siebenten Dezember. Auf den Morgen kommen acht Modii. Manche lassen gern den Samen möglichst dicht in mageres Land bringen, damit sich eine feinere Faser bildet. Ebendiese sagen auch, wenn man in fruchtbaren Boden im Februar säe, solle man zehn Modii auf den Morgen ausstreuen. Sesam, der bewässert werden kann, soll früher, solcher, der auf Wasser verzichten 18 muß, von der Herbstgleiche bis Mitte Oktober gesät werden. Er liebt mürben Boden, den die Campanier Pullerde nennen, gedeiht jedoch nicht schlechter auch auf fetten Sandböden oder in sonstigem lockeren Erdreich; auf den Morgen wird ebensoviel Samen gestreut wie von Rispen- und Kolbenhirse, bisweilen auch zwei Sextarii mehr. Dieser gleiche Sesam aber wird, wie ich selbst gesehen habe, in Cilicien und Syrien im Juni und Juli gesät und im Herbst völlig ausgereift geerntet. Die Richer oder die erbsenähnliche kleinere Platterbse muß im Januar oder 19
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Februar in fruchtbaren Boden gesät werden und braucht feuchtes Klima; in manchen Gegenden Italiens wird sie jedoch vor Anfang November gesät. Drei Scheffel füllen einen Morgen. Keine Hülsenfrucht schadet dem Acker weniger, aber sie entspricht selten den Erwartungen, da sie in der Blüte weder Trockenheit noch Südwinde verträgt; diese beiden Gefahren treten gewöhnlich in der Jahreszeit auf, in der sie abblüht. Die als Widdererbse bezeichnete Kicher und ebenso eine anders geartete, die man die punische nennt, kann im ganzen Monat März gesät werden, wo das Klima feucht und das Land möglichst fruchtbar ist, denn auch sie greift den Boden an und wird deshalb von erfahrenen Landwirten nicht geschätzt; wenn sie indessen gesät werden soll, muß sie am Tage vorher gewässert werden, damit sie schneller keimt. Für einen Morgen sind drei Modii reichlich. Hanf fordert fetten, gedüngten und bewässerten oder ebenen, feuchten und tief gelockerten Boden. Auf einen Quadratfuß werden davon sechs Körner gesät bei Aufgang des Arcturus, also Ende Februar, um den vierundzwanzigsten oder fünfundzwanzigsten des Monats, doch kann ohne Nachteil auch noch bis zur Frühlingsgleiche gesät werden, wenn das Wetter regnerisch ist. Nach diesen Feldfrüchten müssen Steckrübe und Rübe betrachtet werden, denn beide füllen dem Landvolk die Mägen. Nützlicher indessen sind die Rüben, da sie größer werden und außerdem nicht nur den Menschen, sondern auch die Rinder nähren, besonders in Gallien, wo sie den genannten Tieren Winterfutter bieten. Beide Rüben begehren mürben und lockeren Boden, in dichtem wachsen sie nicht. Die Rüben aber haben gern ebene und feuchte Lage, die Steckrübe liebt abschüssiges, trockenes und eher schwächeres Land, treibt daher auf kiesigen und sandigen Äckern besser; die jeweilige Bodenbeschaffenheit ändert bei beiden den Samen; denn in dem einen Boden wandelt sich, zwei Jahre hintereinander gesät, die Rübe zur Steckrübe, im andern nimmt die Steckrübe das Aussehen der Rübe an. An wasserreichen Stellen liegt die Saatzeit für beide gleich nach der Sommersonnenwende, an trockenen Ende August oder Anfang September. Sie verlangen einen Boden, der in mehrfacher Wiederholung gepflügt oder gehackt und mit reichlichem Dung gesättigt ist; denn das ist sehr wichtig, nicht nur, weil sie besser wachsen, sondern weil auch, nachdem sie abgeerntet sind, eine solche Behandlung des Bodens die Saatfelder noch weiterhin fruchtbar erhält. Ein Morgen Landes soll mit nicht mehr als vier Sextarii Rübensamen bestellt werden; von der Steckrübe ist ein Viertel mehr zu säen, weil sie nicht bauchig in die Breite geht, sondern eine schlanke Wurzel abwärts treibt. Das sind die Früchte, die, wie ich meine, für die Menschen angebaut werden sollten; für das Vieh sind dann mehrere Arten von Futtergewächsen zu säen, wie die Luzerne, die Wicke, auch Gerstenmischfutter und Hafer und ebenso Erve und Platterbse; die übrigen nämlich will ich nicht aufzählen und noch weniger säen, mit Ausnahme des Schneckenkleestrauches, von dem ich in meinen Büchern über Holzgewächse sprechen werde. Unter denen aber, die ich empfehle, ragt die Luzerne hervor, weil sie nur einmal gesät und dann zehn Jahre lang alljährlich
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normalerweise viermal, bisweilen auch sechsmal gemäht wird, weil sie den Acker düngt, weil alles abgemagerte Vieh durch sie fett wird, weil sie kranke Tiere gesund macht, weil ein Morgen davon ein ganzes Jahr für drei Pferde vollauf genügt; man sät sie, wie ich es jetzt gleich angebe. Den Acker, auf dem man im nächsten Frühjahr Luzerne säen will, bricht man etwa Anfang Oktober auf und läßt ihn den ganzen Winter über mürbe werden, pflügt dann Anfang Februar sorgfältig zum zweiten Mal, liest alle Steine aus und zerbricht die Erdschollen, später, etwa im März, wird zum dritten Mal gepflügt und geeggt. Wenn man das Land so durchgearbeitet hat, macht man wie im Garten Beete von je zehn Fuß Breite und je fünfzig Fuß Länge, damit von den Wegen aus gewässert werden kann und die Jätenden von beiden Seiten Zugang haben. Dann wird alter Dung eingebracht und nun Ende April die Luzerne so gesät, daß auf eine zehn Fuß lange und fünf Fuß breite Fläche je ein Cyathus kommt. Ist das getan, so werden mit hölzernen Harken — das ist nämlich sehr förderlich — sogleich die gestreuten Samen eingeharkt; denn sie werden sehr schnell von der Sonne versengt. Nach dem Säen darf der Platz nicht mit Eisen berührt werden und muß, wie gesagt, mit hölzernen Harken behackt und mehrmals gejätet werden, damit nicht Unkraut die noch schwache Luzerne erstickt. Das erste Mal soll man sie später mähen, nachdem sie schon einen Teil Samen ausgeworfen hat. Ist sie dann nachgewachsen, darf man sie nach Belieben auch jung schneiden und die Zugtiere damit füttern, anfangs aber, bis sie sich daran gewöhnen, recht sparsam, damit das neuartige Futter nicht schadet; es bläht nämlich und schafft viel Blut. Nach dem Schneiden aber soll man Luzerne öfter bewässern und dann nach wenigen Tagen, wenn sie auszuschlagen begonnen hat, alle Unkräuter jäten. Pflegt man sie so, dann kann sie sechsmal jährlich gemäht werden und dauert zehn Jahre aus. Für die Wicke aber gibt es zwei Saaten, die erste, bei der man zu Futterzwecken um die Herbstgleiche sieben Modii davon auf einen Morgen sät, die zweite, bei der man im Januar oder noch später sechs Modii streut, um Saatgut zu erzeugen. Beide Saaten können im unbearbeiteten Boden erfolgen, besser aber im gepflügten, und diese Pflanze liebt, wenn sie gesät wird, namentlich nicht den Tau. Daher darf man erst nach der zweiten oder dritten Tagesstunde säen, wenn Sonne und Wind schon alle Nässe aufgetrocknet haben, und es darf nicht mehr ausgeworfen werden, als am gleichen Tage untergebracht werden kann; denn nach Einbruch der Nacht wird die Wicke schon durch ganz wenig Feuchtigkeit verdorben, wenn sie nicht vorher mit Erde bedeckt wird. Man muß darauf achten, sie nicht vor dem fünfundzwanzigsten Tage nach Neumond in die Erde zu bringen; ich habe die Erfahrung gemacht, daß sonst gewöhnlich die Wegschnecke der Saat schadet. Grünfutter sät man am vorteilhaftesten in nicht vorher gebrachtes, starkgedüngtes Land, und zwar beim zweiten Pflügen. Das beste gewinnt man, wenn der Morgen mit zehn Modii Wallachgerste bestellt wird, etwa ¡rar Zeit der Herbstgleiche; doch soll Regenwetter in Aussicht stehen, damit es nach der Aussaat vom Hegen bewässert schnell aufgeht und sich vor Eintritt strengen Winters kräftigt. Denn
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wenn in der kalten Zeit anderes Futter ausgegangen ist, gibt man es, am besten gemäht, den Rindern und dem andern Vieh, und wenn man es immer wieder abweiden läßt, reicht es aus bis in den Mai. Wenn man auch Samen davon gewinnen will, muß man von Anfang März an die Tiere fernhalten und es vor allem Schaden schützen, damit es Frucht bilden kann. Ähnlich verfährt man bei Hafer; im Herbst gesät, wird er zum Trocknen oder als Frischfutter geschnitten, solange er noch grün ist; ein Teil bleibt zur Saatzucht stehen. Hornklee, auf dem Lande Siliqua genannt, hat zwei Saatzeiten, deren eine im September liegt, wo er für Futterzwecke gesät wird, und zwar in denselben Tagen wie die Wicke, um die Tag- und Nachtgleiche, die andere aber Ende Januar oder Anfang Februar, wo man ihn zur Samenbeschaffung sät; bei dieser Saat bestellt man den Morgen mit sechs Modii, bei jener mit sieben. Beide entwickeln sich in unbearbeitetem Land nicht schlecht, nur muß man achtgeben, daß dicht, aber nicht tief gepflügt wird, denn wenn der Same mehr als vier Finger hoch bedeckt ist, keimt er nicht leicht; deshalb reißen manche, bevor sie säen, das Land mit ganz kleinen Pflügen auf, streuen dann die Samen und hacken sie ein. Die Erve liebt mageres, nicht feuchtes Land, weil sie sonst zu üppig wächst und gewöhnlich verkommt. Sie kann im Herbst gesät werden und auch nach den kürzesten Tagen Ende Januar oder den ganzen Februar hindurch, aber vor Anfang März; denn dieser ganze Monat, so sagen die Landwirte, sei bei dieser Pflanze ungeeignet, weil das zu dieser Zeit Gesäte dem Vieh schade und besonders den Bindern, die es toll mache, wenn sie es fräßeli. Ein Morgen wird mit fünf Modii besät. Anstelle der Erve gibt man im bätischen Spanien den Rindern geschrotete Platterbse; wenn sie mit hochgestelltem Mühlstein zerkleinert ist, wässert man sie etwas, bis sie weich wird, und verfüttert sie so, mit durchgesiebter Spreu vermischt, an das Vieh. Von der Erve aber genügen zwölf Pfund für ein Gespann, von der Platterbse braucht man sechzehn. Sie ist auch für Menschen nicht unbrauchbar und unangenehm; im Geschmack jedenfalls ist sie in keiner Weise verschieden von der kleineren Platterbse, nur in der Farbe unterscheidet sie sich, denn sie ist weniger ansehnlich und schwärzer. Sie wird beim ersten oder zweiten Pflügen im März in einer Menge gesät, wie sie der Ergiebigkeit des Bodens entspricht, weil sie je nachdem mit vier Modii, manchmal auch mit drei, bisweilen sogar mit zweieinhalb einen Morgen füllt. 11. Kapitel
1 Nachdem ich beschrieben habe, wann und was zu säen ist, will ich jetzt darstellen, auf welche Weise man jede der Pflanzen, von denen ich berichtet habe, anbauen soll und wieviele Tagewerke dazu bei den einzelnen erforderlich sind. Nach Abschluß des Säens folgt das Behacken, und darüber sind die Schriftsteller ver-
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schiedener Meinung. Einige behaupten, es tauge nichts, weil durch die Hacke die Wurzeln des Getreides bloßgelegt, manche auch abgeschnitten würden und es durch die Kälte getötet werde, wenn nach dem Hacken Fröste aufträten; richtiger sei es, die Saaten rechtzeitig zu jäten und zu reinigen. Die meisten empfehlen jedocn das Hacken, wollen aber, daß es nicht überall auf gleiche Weise und zu den gleichen Zeiten geschieht; denn auf trockenen und sonnigen Äckern müßten die Saaten, sobald sie das Hacken vertrügen, nach dem Durcharbeiten der Erde behäufelt werden, um kräftig zu treiben. Das müsse vor dem Winter geschehen und dann nach Wintersende wiederholt werden; an kalten und nassen Plätzen indessen solle man in der Regel, wenn der Winter vorbei sei, hacken, aber nicht häufeln, sondern nur flach den Boden durchrühren. Ich freilich habe die Erfahrung gemacht, daß in vielen Gegenden das winterliche Hacken zweckmäßig ist, allerdings nur, wo trockene und milde Witterung es erlaubt, doch bin ich der Auffassung, daß es nicht überall geschehen, sondern daß man dem Braueh der Ansässigen folgen soll. Die Gegenden haben nämlich ihre Eigentümlichkeiten, in Ägypten und Afrika zum Beispiel rührt der Landmann nach dem Säen das Feld vor der Ernte nicht mehr an, da Klima und Boden so geartet sind, daß kaum ein Gewächs aufkommt außer dem gesäten, sei es, weil es selten regnet, sei es, weil die Bodenbeschaffenheit den Landwirten zu Hilfe kommt. Dort aber, wo man das Hacken braucht, soll man, auch wenn das Wetter es erlauben würde, die Felder nicht anrühren, bevor die Saat die Ackerbeete deckt. Weizen und Spelt können ohne Schaden behackt werden, wenn sie vier Blätter gebildet haben, die Gerste bei fünf, Bohnen und die anderen Hülsenfrüchte, wenn sie vom Erdboden an vier Finger hoch gewachsen sind, mit Ausnahme jedoch der Lupine, deren Same kein Hacken verträgt, da sie nur eine Wurzel hat, und wenn diese durch das Eisen abgeschnitten oder verwundet ist, stirbt die ganze Staude ab. Auch wenn das nicht geschähe, wäre Hacken doch überflüssig, da sie als einzige sich so wenig von Unkraut belästigen läßt, daß sie es vielmehr selbst vernichtet. Andere Saatfelder aber können zwar auch in feuchtem Zustande gelockert werden, doch hackt man sie besser, wenn sie trocken sind, weil sie dann nicht vom Rost befallen werden; Gerste aber darf nur berührt werden, wenn sie ganz trocken ist. Die Bohnen brauchen nach Ansicht vieler überhaupt nicht behackt zu werden, weil sie, wenn sie reif seien, mit den Händen herausgezogen und vom Unkraut getrennt würden und die dazwischen gewachsenen Kräuter sich als Heu verwenden ließen. Das ist auch die Meinung des Cornelius Celsus, der unter anderen Vorzügen dieser Pflanze auch den aufzählt, daß nach Abernten der Bohnen an der gleichen Stelle Gras zu Heu geschnitten werden könne. Mir dagegen scheint es das Zeichen für einen sehr schlechten Landwirt zu sein, wenn er zuläßt, daß zwischen dem Gesäten Gras hochkommt; den Früchten nämlich wird sehr viel entzogen, wenn das Unkraut stehenbleibt. Ein verständiger Landwirt wird auch nicht mehr auf Futter für die Tiere aus sein als auf Nahrung für die Menschen, zumal er ja durch Wiesenkultur auch jenes erlangen kann; und für das Behacken der Bohnen trete
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ich so unbedingt ein, daß ich behaupte, man solle sie sogar dreimal hacken. Denn ich habe festgestellt,, daß sie bei solcher Behandlung nicht nur ihren Ertrag vervielfältigen, sondern daß auch die Schalen nur einen geringen Anteil ausmachen und ein Modius nach dem Schroten und Reinigen beinahe ebensovoll ist wie vorher, da das Maß durch die Entfernung der Hülsen kaum vermindert wird. 8 Im ganzen hilft, wie ich schon gesagt habe, das Winterhacken am meisten, wenn es nach dem Ende der kürzesten Tage im Januar bei heiterem und trockenem Wetter vorgenommen wird, nur darf kein Frost sein. Das Hacken muß ferner so geschehen, daß die Saatwurzeln nicht verletzt, vielmehr leicht mit Erde bedeckt und behäufelt werden, damit die Pflanze breiter sich in Halmen verzweigt. Dies Häufeln ist beim ersten Hacken nützlich, beim zweiten schadet es, weil das Getreide zu faulen beginnt, wenn man es nach dem ersten Treiben noch mit 9 Erde zudeckt. Beim zweiten Hacken darf also die Erde nur gleichmäßig gelockert werden, und man muß sie nach der Frühjahrsgleiche sofort, in den nächsten zwanzig Tagen, durcharbeiten, bevor die Saat in die Halme schießt, weil diese, wenn man sie erst später behackt, in der folgenden Sommertrockenheit und -hitze verdorrt. Mit dem Hacken muß dann das Jäten verbunden werden, und man soll es so einrichten, daß die Saat nicht bearbeitet wird, wenn sie blüht, 10 sondern entweder vor der Blüte oder bald nach dem Abblühen. Alles Korn aber sowie Gerste, kurz alles, was nicht zwei Keimblätter hat, treibt nach Bildung des dritten bis vierten Knotens eine Ähre, und wenn es sie vollständig entwickelt hat, blüht es in acht Tagen ab und wächst noch vierzig Tage, in denen es dann nach der Blüte zur Reife gelangt. Die zweikeimblättrigen hingegen, wie Bohne, Erbse, Linse, blühen vierzig Tage lang und wachsen zugleich.
12. Kapitel 1 Um nun zu berechnen, wieviel Tagewerke nötig sind, bis das, was wir der Erde anvertraut haben, auf die Tenne kommt, so beanspruchen vier oder fünf Modii Weizen vier Pflügertage, einen Tag wird geeggt, zwei Tage wird beim ersten Mal, einen beim zweiten Mal gehackt, der Jäter braucht einen Tag, der Mäher anderthalb. Das sind insgesamt zehneinhalb Tagewerke. Fünf Modii Siligoweizen brauchen die gleiche Arbeitszeit. Neun oder zehn Modii Spelt erfordern dieselbe Zahl von 2 Tagewerken wie fünf Modii Weizen. Fünf Modii Gerste verlangen drei Pflügertage, einen für das Eggen, anderthalb für das Hacken und einen zum Mähen: zusammen sechseinhalb Tagewerke. Vier bis sechs Modii Bohnen beanspruchen den Pflüger auf Brachland zwei Tage, auf ungebrachtem Acker dagegen einen; geeggt werde sie in anderthalb Tagen, gehackt in anderthalb und zum zweiten und dritten Mal in je einem Tage, gemäht in einem: das macht im ganzen acht oder sieben 3 Tagewerke. Sechs oder sieben Modii Wicken beschäftigen auf Brachland den
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Pflüger zwei Tage, auf ungebrachtem Acker einen, ebenso werden sie in einem Tagewerk geeggt, in einem gemäht: das sind zusammen vier oder drei Tagewerke. Fünf Modii Erven werden in ebensoviel Tagewerken gesät wie die Wicke, in einem geeggt, ebenso in je einem gehackt, gejätet und gemäht; das alles füllt sechs Arbeitstage. In der gleichen Zahl von Tagen werden sechs oder sieben Modii Bockshornklee untergebracht, in einem gemäht. Vier Modii Faselen bringt man in derselben Arbeitszeit unter und eggt und erntet sie in je einem Tage. Vier Modii der gewöhnlichen oder der kleinen Platterbse erfordern drei Tagewerke der Pflüger, werden in einem geeggt, in einem gejätet, in einem ausgerissen: die Summe beträgt sechs Tagewerke. In ebensovielen werden anderthalb Modii Linsen eingesät, sie werden geeggt in einem Tage, gehackt in zwei, gejätet in einem und in einem ausgerissen : die Summe beträgt acht Tagewerke. Zehn Modii Lupinen werden in je einem Tage eingepflügt, geeggt und gemäht. Vier Sextarii Bispen- oder Kolbenhirse brauchen vier Pflügertagewerke, werden in drei geeggt, in drei gehackt; wieviel Zeit das Pflücken braucht, ist ungewiß. Drei Modii der Kichererbse werden gleichfalls in vier Tagewerken gesät, in zweien geeggt, gebackt und gejätet in je einem, ausgerissen in dreien: die Summe beträgt elf Tagewerke. Zehn oder acht Modii Lein werden in vier Gespanntagen gesät, in dreien geeggt, in einem gejätet, in dreien ausgerissen: die Summe beträgt elf Tagewerke. Sechs Sextarii Sesam werden in drei Tagen gleich nach dem Pflügen untergebracht, in vier geeggt, gehackt in vier und noch einmal in zwei, in zweien geerntet: die Summe beträgt fünfzehn Tagewerke. Hanf wird gesät, wie ich oben dargestellt habe, doch ist unsicher, welchen Arbeitsaufwand er braucht. Luzerne aber wird nicht mit Hilfe des Pfluges untergebracht, sondern, wie gesagt, mit hölzernen Harken. Einen Morgen davon eggen zwei Mann, einer hackt, einer mäht. Aus dieser Zusammenstellung der Tagewerke kann man berechnen, daß ein zweihundert Morgen großer Acker mit zwei Rindergespannen und ebensovielen Pflügern sowie sechs Hilfsarbeitern bearbeitet werden kann, vorausgesetzt, daß er baumlos ist. Stehen indessen Bäume darauf, so kann man ihn, wie Saserna versichert, bei gleicher Größe trotzdem durchaus angemessen in Ordnung halten, wenn man nur drei Mann hinzufügt. Die Rechnung zeigt uns, daß ein Joch Ochsen ausreicht für hundertfünfundzwanzig Modii Weizen und ebensoviel Hülsenfrüchte, so daß sich insgesamt eine Herbstaussaat von zweihundertfünfzig Modii ergibt und trotzdem nachher noch von Dreimonatsgewächsen fünfundsiebzig gesät werden können . Das läßt sich so beweisen. Samen, die mit dem vierten Pflügen auf fünfundzwanzig Morgen gesät werden, brauchen hundertfünfzehn Pflügertagewerke; denn ein Acker dieser Größe wird, auch wenn der Boden sehr hart ist, in fünfzig Tagewerken aufgerissen, in fünfundzwanzig zum zweiten Mal gepflügt und in vierzig Tagen zum dritten Mal gepflügt und besät. Die anderen Früchte beanspruchen sechzig Arbeitstage, also zwei Monate. Auch fünfundvierzig Regen- und Feiertage, an denen nicht gepflügt wird, werden angesetzt, ebenso nach beendeter Saat dreißig Ruhetage. So kommen insgesamt acht Monate und zehn Tage heraus.
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Es bleiben dann vom Jahr drei Monate und fünfundzwanzig Tage übrig, die man für das Säen der Dreimonatsgewächse verwendet oder für den Transport von Heu, Futter, Dung und anderen Dingen, die zur Wirtschaft gehören. 13. Kapitel 1 Von den Saatpflanzen, die ich aufgezählt habe, meint der gleiche Saserna, von den einen würden die Äcker gedüngt und gekräftigt, von den anderen dagegen verbrannt und ausgemagert; gedüngt würden sie von Lupine, Bohne, Wicke, Erve, Linse, kleiner Platterbse und Erbse. An der Wirkung der Lupine und auch der Futterwicke zweifle ich nicht, nur sollen sie grün geschnitten werden und dann sofort der Pflug folgen, und die Pflugschar muß, was die Sichel zurückgelassen hat, bevor es vertrocknet, zerschneiden und unterpflügen; das wirkt nämlich 2 wie Dünger. Wenn die nach Abschneiden des Futters zurückgebliebenen Wurzeln erst verdorren, entziehen sie dem Boden allen Saft und verzehren die Kraft des Landes; und das gleiche gilt wahrscheinlich auch für die Bohne und die anderen Hülsenfrüchte, die anscheinend dem Boden Kräfte zuführen: wenn man nicht gleich nach dem Abernten pflügt, bringen sie den Saaten, die nach ihnen auf 3 derselben Stelle gesät werden, keinen Nutzen. Von den Ackergewächsen, die ausgerissen werden, sagt Tremellius, am meisten schade dem Boden der Saft der Kicher und des Leins, der eine, weil er salziger, der andere, weil er hitziger Natur sei, was auch Vergil zu verstehen gibt mit den Worten: „Denn an des Feldes Kraft zehrt Leinsaat und Hafer, es zehret Mohn, vom Safte durchzogen vergessenbringenden Schlafes." Unstreitig nämlich wird auch durch diese Saaten der Acker angegriffen, ebenso wie durch Rispen- und Kolbenhirse. Aber für alles Land, das durch Bestellung mit den eben genannten Gewächsen erschöpft wird, ist ein Heilmittel da: man helfe ihm mit Dung und frische die verbrauchten Kräfte wieder auf, indem man 4 es damit gewissermaßen füttert; man tue das nicht nur um der Samen willen, die man den Furchen, welche der Pflug gezogen, anvertraut, sondern auch den Bäumen und Sträuchern zuliebe, denen solche Nahrung noch mehr zusagt. Wenn demnach offensichtlich das Düngen für den Landwirt äußerst vorteilhaft ist, so glaube ich, genauer darüber sprechen zu müssen, da es von den alten Schriftstellern zwar nicht übersehen, aber doch nur ziemlich oberflächlich behandelt worden ist. 14. Kapitel 1 Beim Dung also kommen vornehmlich drei Arten in Betracht, nämlich der, den die Vögel, die Menschen und das Vieh erzeugen. Der Vogeldung, der aus den Taubenschlägen zusammengekehrt wird, steht an erster Stelle, dann folgt der
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Dung, den die Hühner und das übrige Geflügel liefern, mit Ausnahme jedoch der Sumpf- oder Wasservögtl, wie der Ente und der Gans; denn deren Mist ist sogar schädlich. Besonders schätze ich den Taubendung, weil ich festgestellt habe, daß er in richtiger Menge gestreut den Boden locker und gar macht, zweitens den, welchen die Menschen machen; er muß aber mit anderen Abgängen aus dem Wirtschaftshof gemischt werden, da er für sich allein zu hitzig ist und deshalb den Boden verbrennt. Geeigneter für Baumpflanzungen ist indessen Menschenurin; wenn man diesen sechs Monate hat alt werden lassen und ihn dann bei Weinstöcken oder Obstbäumen verwendet, wird durch keinen anderen Dung der Ertrag mehr gesteigert, und zwar vergrößert er nicht nur die Ernte, sondern verbessert auch den Geschmack und Duft von Wein und Früchten. Mit Urin gemischt kann ferner alte Amurca, die kein Salz enthält, gut zur Bewässerung von Fruchtbäumen und besonders Ölbäumen dienen, auch allein angewandt ist sie schon von großem Nutzen. Mit beidem aber soll hauptsächlich im Winter und auch noch im Frühling vor Eintritt der schwülen Sommerhitze gedüngt werden, solange noch um Weinstöcke und Bäume die Erde aufgegraben ist. Den dritten Platz nimmt der Viehdung ein, und auch bei ihm muß man unterscheiden; denn als bester gilt der, den der Esel macht, weil dies Tier sehr langsam kaut und deshalb leichter verdaut und gut zersetzten und sofort für den Acker brauchbaren Mist gibt. Danach kommt der Schafmist und nach diesem der von Ziegen, dann der von den verschiedenen anderen Großtieren; für den schlechtesten von allen hält man den Schweinemist. Von einigem Düngewert ist auch grobe und feine Asche, das Wurzelwerk der gemähten Lupinen aber hat vorzügliche Dungkraft. Mir ist wohl bekannt, daß es auch Land gibt, auf dem man weder Vieh noch Vögel halten kann; doch zeugt es auch an solchem Platze von Unfähigkeit eines Landwirts, wenn es ihm an Dung fehlt. Er kann nämlich alles Laub sammeln und allen Kehricht von Hecken und Straßen und Scheidewegen, er kann Farnkraut abschneiden, ohne einen Nachbarn zu schädigen, vielmehr t u t er ihm sogar einen Gefallen; das kann er mit den Abfällen vom Hofe mischen, kann eine Grube anlegen, wie ich es für die Lagerung von Dung im ersten Buche empfohlen habe, und Asche, Unrat aus den Kloaken, Stroh sowie alles, was man sonst ausfegt, auf den Haufen bringen. In dessen Mitte aber sollte man einen kräftigen Pfahl einrammen, denn das hindert giftige Schlangen, sich in dem Dung zu verbergen. So verfährt man, wo für das Land kein Viehdung zur Verfügung steht. Denn wo Vierfüßerherden sich aufhalten, sollen manche Plätze, wie Küche und Ziegenstall, täglich, manche, zum Beispiel Rinder- und Schafställe, an Regentagen gründlich gereinigt werden. Und wenn das Gut nur Getreideland hat, ist es unnötig, die Dungarten getrennt zu halten; wenn es aber für Baumzucht, für Saaten und auch für Wiesen eingeteilt ist, soll man den Dung, etwa Ziegen- und Vogeldung, auch nach Arten gesondert lagern. Das übrige ist dann an die vorgenannte ausgeschachtete Stelle zu schaffen und ständig mit Feuchtigkeit zu sättigen, damit die mit dem Stroh und den anderen Abgängen vermengten Unkrautsamen faulen. In den Sommermonaten muß dann nicht anders,
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als wenn man Land umgräbt, der ganze Dunghaufen mit der Hacke durchgemischt werden, um leichter zu verrotten und für den Acker reif zu werden. Zuwenig sorgfältig aber, meine ich, sind Landwirte, bei denen in dreißig Tagen ein kleineres Tier weniger als ein Fuder Mist bringt, und entsprechend die größeren Tiere je zehn, ebensoviel die Menschen, die nicht nur ihren eigenen Kot sammeln und aufhäufen können, sondern auch den Unrat, den Hof und Haus täglich bringen. 9 Auch darauf habe ich hinzuweisen, daß am nützlichsten für die Saaten aller Dung ist, der rechtzeitig gelagert ist und ein Jahr geruht hat, denn dann behält er die volle Kraft und entwickelt kein Unkraut; daß er aber weniger nützt, je älter er wird, da er ja an Kraft verliert. Auf Wiesen darf er also wohl ganz frisch gestreut werden, weil er dann den Graswuchs vermehrt, und zwar soll es im Februar bei zunehmendem Mond geschehen, denn auch das trägt beträchtlich dazu bei, den Ertrag an Heu zu steigern. Wie sonst in den besonderen Fällen der Dung angewandt werden soll, werde ich sagen, wenn ich das Einzelne durchgehe.
15. Kapitel 1 Wer Felder für die Aufnahme von Getreide einstweilen schon vorbereiten will, möge, wenn er im Herbst zu säen vorhat, im September, für Frühlingssaat irgendwann im Winter bei abnehmendem Mond angemessene Haufen Dung so verteilen, daß ein Morgen auf ebenem Gelände zweiundzwanzig, auf hügeligem vierundzwanzig Fuder bekommt, er möge aber, wie ich schon früher gesagt habe, 2 die Haufen nicht eher ausstreuen, als er ans Pflügen geht. Wenn jedoch irgendetwas ihn am rechtzeitigen Düngen gehindert hat, gibt es die zweite Möglichkeit, vor dem Hacken wie ein Säer gepulverten Dung aus den Vogelhäusern über die Saat zu streuen oder in Ermangelung dessen auch Ziegendung mit der Hand auszuwerfen, ihn einzuhacken und so die Erde damit zu mischen; das macht die Saatfelder fruchtbar. Wer Land bebaut, sollte auch wissen, daß Acker, der nicht gedüngt wird, erkaltet, und es sollte ihm ebenso bekannt sein, daß er verbrennt, wenn man ihn übermäßig düngt, und daß es für den Landwirt ersprießlicher ist, 3 lieber häufig als auf einmal zu stark zu düngen. Ohne Zweifel braucht auch wasserreiches Land mehr Dung und trockenes weniger, das erste, weil es, infolge der dauernden Nässe kalt, durch Zuführung von Dung erwärmt wird, das andere, weil es, durch seine Trockenheit an sich schon warm, durch zu .große Dunggaben vollends ausdorrt, weswegen solchem Lande Dung weder fehlen noch zu reichlich 4 gegeben werden darf. Wenn jedoch keinerlei Dung zu Gebote steht, wird es von großem Nutzen sein, das zu tun, was, wie ich mich erinnere, mein Onkel Marcus Columella, ein sehr unterrichteter und umsichtiger Landwirt, oft getan hat, daß er Sandböden Kreide, kreidigen und allzudichten aber Sand zuführte, und so nicht nur fruchtbare Saaten erzielte, sondern auch sehr schöne Weinpflanzungen 5 zustande brachte. Er behauptete nämlich, Dung dürfe an Weinstöcke nicht
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gebracht werden, weil er den Geschmack des Weines verdürbe, und meinte, für die Steigerung der Weinernte sei Humuserde besser, die man unter Buschwerk zusammengeharkt oder sonst irgendwo hergeholt und angefahren habe. Schließlich aber glaube ich, daß einem Landwirt, falls er gar nichts hat, doch gewiß die Lupine als bequemste Aushilfe nicht fehlt; wenn er diese in dürftigen Boden etwa Mitte September sät und einpflügt und sie später zur richtigen Zeit mit Pflugschar oder Hacke unterbringt, wird sie ausgezeichnet düngen. An sandigen Stellen 6 soll das Unterpflügen der Lupinen erfolgen, sobald sie zum zweiten Mal geblüht haben, an roterdigen nach der dritten Blüte. Dort werden sie in die Erde gebracht, solange sie noch jung sind, so daß sie schnell selbst faulen und sich mit dem schwachen Boden mischen, hier, wenn sie schon stärker sind, weil sie dann die festeren Erdschollen länger aufrecht in der Schwebe halten, daß sie von der Sommersonne ausgeglüht locker werden. 16. Kapitel Folgendes sollte ein Landwirt sich zur Aufgabe machen, wenn er nicht nur die besprochenen Futterarten anzubauen plant, sondern auch einen Heuvorrat beschaffen will, um das Großvieh besser zu versorgen, ohne das man die Erde schwer richtig bearbeiten kann; er muß also auch Wiesen anlegen, und diesen haben die alten Römer in der Landwirtschaft den ersten Platz eingeräumt, ihnen auch ihren Namen deswegen gegeben, weil sie sich schnell herrichten ließen und keine große Arbeit forderten. Marcus Porcius hat ja auch daran erinnert, daß Wiesen nicht wie anderes Land durch Unwetter geschädigt würden, daß sie nur sehr geringer Aufwendungen bedürften, aber doch Jahr für Jahr Erträge gäben, und zwar sogar doppelt, da sie an Grünfutter nicht weniger einbrächten als an Heu. Ich betrachte zwei Arten von Wiesen, unbewässerte und bewässerte. Ist das Land ergiebig und fett, so braucht man kein Wasser hineinzuleiten, und das Heu, das auf von Natur saftreichem Boden erzeugt wird, gilt für besser als dasjenige, das erst durch Bewässerung hervorgelockt wird; wenn jedoch Saftlosigkeit des Bodens diese erforderlich macht, muß man sich dazu bequemen. Denn man kann auf dichtem wie auf lockerem Boden, selbst wenn er ganz dürftig ist, Wiesen anlegen, vorausgesetzt, daß man die Möglichkeit hat, sie zu bewässern. Nur darf der Platz weder in einem Talkessel noch steil am Hügel liegen, denn dort wäre zu befürchten, daß er gesammeltes Wasser zu lange festhält, hier, daß er es gleich jäh hinabströmen läßt. Ein nur mäßig ansteigender Acker indessen kann, wenn er entweder fett ist oder bewässert wird, zu Wiese gemacht werden. Am empfehlenswertesten ist allerdings eine ebene Fläche, die sich ganz sacht abwärts senkt, denn sie gestattet Regengüssen oder einfließenden Bächen kein zu langes Verweilen, sondern alles Wasser, das sie überschwemmt, rinnt langsam weiter. Sollte es sich irgendwo stauen und einen Sumpf bilden, so ist es durch Gräben abzuleiten, denn Wasserüberfluß und Wassermangel sind dem Grase gleichermaßen verderblich. 7
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2. Buch, 17. Kapitel
17. Kapitel 1 Die Pflege der Wiesen nun bedeutet mehr Fürsorge als Arbeit. Vor allem darf man nicht Gesträuch oder Dorngewächse oder Kräuter von stärkerem Wuchs darin dulden; vor dem Winter den Herbst hindurch werden die einen, wie Brombeeren, Buschwerk und Binsen, mit den Wurzeln gerodet, andere, wie Cichorie und sommerliche Dornstauden, im Frühjahr ausgerissen. Ferner soll man auf Wiesen keine Schweine treiben, da sie mit dem Rüssel wühlen und Rasensoden herausreißen, und die größeren Tiere dürfen dort nur weiden, wenn der Boden ganz trocken ist, weil auf feuchtem die Hufe einsinken und die Graswurzeln zer2 treten und zerreißen. Stellen, die rauher und hängig sind, unterstütze man im Februar bei zunehmendem Mond mit Dung, sammle alle Steine und was sonst im Wege liegt und die Sicheln beschädigen könnte, schaffe es weiter fort und bringe es früher oder später bei Seite, wie es die Gegend erlaubt. Wiesen, die mit der Zeit vermoost sind, pflegt man seit altersher durch Auskratzen des Mooses und Überstreuen mit Samen vom Heuboden oder auch durch Dünger wieder in Stand zu setzen, doch nützt das beides nicht so viel wie wiederholtes Aufbringen 3 von Asche; dadurch wird das Moos vernichtet. Immerhin sind diese Mittel aber ziemlich unzulänglich, während es am wirksamsten ist, das Land von neuem aufzupflügen. So verfährt man bei der Pflege vorhandener Wiesen. Will man indessen neue anlegen oder alte erneuern — denn, wie gesagt, verkommen viele durch Nachlässigkeit und bringen kein Heu mehr —, dann lohnt es, sie zwischendurch noch für Getreide umzupflügen, weil ein solcher Acker nach der langen Ruhe 4 gut trägt. Man bricht also das zur Wiese bestimmte Land im Sommer auf, arbeitet es durch und bestellt es gleich im Herbst mit Rüben oder Steckrüben oder auch mit Bohnen, im Jahr darauf mit Getreide; im dritten pflügt man sorgfältig und rodet alle stärkeren Pflanzen und Brombeergestrüpp mit den Wurzeln aus, auch die Bäume, die auf dem Lande stehen, es sei denn, daß der Gewinn aus der Baumpflanzung dies verbietet. Dann sät man Wicke mit Grassamen gemischt, zerkrümelt die Erdschollen mit der Hacke, führt die Egge darüber und ebnet den Boden; die Erdklumpen, die die Egge in der Regel mitschleppt und beim Wenden zurückläßt, wirft man so auseinander, daß das Eisen des Mähers nirgends anstoßen 5 kann. Man mäht die Wicke aber erst, wenn sie ausgereift ist und einen Teil ihrer Samen hat zu Boden fallen lassen. Dann läßt man sie von den Mähern schneiden, und nun wird, wenn Wasser zu beschaffen ist, das Land berieselt, allerdings nur, wenn der Boden schon einigermaßen fest ist. Denn es ist nicht gut, gelockertem Boden größere Wassermengen zuzuführen, ehe er sich gesetzt hat und durch die Graswurzeln zusammengehalten wird; der Strom des Wassers reißt ja die Erde mit sich, entblößt die Wurzeln und verhindert die Bildung einer geschlossenen 6 Grasnarbe. Deswegen lasse' man auch das Vieh nicht auf die Wiesen, solange sie weich sind und sich noch setzen müssen, sondern schneide das Gras, sooft es aufgeschossen ist, mit Sicheln. Denn die Tiere bohren, wie ich schon früher gesagt
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habe, ihre Hufe in den lockeren Boden, zerreißen die Wurzeln der Gräser und lassen sie nicht weiterkriechen und sich verfilzen. Im zweiten Jahre jedoch darf man erlauben, daß nach der Mahd die kleineren Tiere auf die Wiese gebracht werden, vorausgesetzt, daß Trockenheit und Lage es zulassen. Wenn im dritten Jahre 7 dann die Wiese fester und härter ist, kann sie auch die größeren Tiere aufnehmen. Allgemein aber muß man dafür sorgen, daß nach Beginn des Frühlingswestwindes etwa Mitte Februar die Stellen, die magerer sind, gedüngt werden, wobei man Grassamen in den Dung mischt. Man bedenke dabei namentlich die höher liegenden Teile, denn ein steilerer Abhang bietet auch den tiefer liegenden Stellen Nahrung, weil darauffallender Regen oder ein künstlicher Graben die Jauche nach unten mit sich zieht. Und deshalb düngen gewöhnlich verständige Landwirte auch auf Ackerland einen Hügel mehr als das Tal, weil, wie gesagt, die Regengüsse immer alle nahrhafteren Stoffe bis nach unten spülen.
18. Kapitel Gemäht aber wird das Gras am besten, bevor es trocken wird; man erntet näm- 1 lieh reichlicher, und es wird von den Tieren auch lieber gefressen. Beim Trocknen muß man aber die rechte Mitte einhalten, daß es weder allzu dürr noch auch grün eingebracht wird, das eine, weil es nach Verlust alles Saftes nur noch als Streu verwendet werden kann, das andere, weil es auf dem Heuboden fault, wenn es zuviel Saft behalten hat, sich oft auch erhitzt und Feuer und Brand verursacht. Manchmal fällt auch während der Heuernte plötzlicher Regen ein; das durchnäßte Heu soll man, solange es feucht ist, nicht wenden, sondern man wartet besser ab, bis die obere Schicht von der Sonne getrocknet ist. Erst dann wendet 2 man es, und nachdem es auf beiden Seiten getrocknet ist, wird es zu Schwaden zusammengezogen und gebündelt. Auf keinen Fall aber darf man zögern, es unter Dach zu bringen; mindestens soll man, falls es noch nicht in die Villa geschafft oder in Bündel gefaßt werden kann, alles, was genügend getrocknet ist, zu Schobern aufschichten und diese nach oben spitz zulaufen lassen. So nämlich wird 3 das Heu am einfachsten vor Regen geschützt, und auch wenn es nicht regnet, ist es durchaus angebracht, die Schober zu errichten, damit die Feuchtigkeit, die etwa noch in den Gräsern ist, ausschwitzt und verdunstet, solange sie noch in Haufen stehen. Verständige Landwirte speichern deshalb das Heu, auch wenn es schon unter Dach gebracht ist, erst dann, wenn sie es einige Tage, beliebig zusammengehäuft, haben in sich reifwerden und auskühlen lassen. Auf die Heumahd aber folgt jetzt sogleich, was für die Ernte der Feldfrüchte zu bedenken ist. Um diese richtig einbringen zu können, muß man vorher die Geräte instandsetzen, mit deren Hilfe sie geerntet werden.
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19. Kapitel 1 Auch die Tenne muß, wenn es eine Erdtenne ist, um für das Dreschen richtig brauchbar zu sein, zuerst gereinigt und geebnet, dann umgegraben und mit einem Gemisch von Spreu und salzloser Amurca genäßt werden, denn dies Mittel schützt das Korn vor Verheerung durch Mäuse und Ameisen; darauf wird sie geglättet, mit Schlegeln oder einem Mühlstein zusammengepreßt, noch einmal Spreu darüber geworfen und festgetreten, und so überläßt man sie der Sonne zum 2 Trocknen. Manche bestimmen jedoch eine dem Westwind ausgesetzte Wiesenfläche zum Dreschen und glätten sie, indem sie abgeerntete Bohnen darauf werfen, denn wenn diese von den Tieren gedroschen werden, wird von den Hufen auch das Gras niedergetreten, und so wird die Tenne glatt und für den Getreidedrusch brauchbar. 20. Kapitel 1 Ist die Saat reif geworden, soll man sie schnell mähen, bevor sie von der Hitze der Sommersonne versengt wird, die am schlimmsten ist in der Zeit, wenn der Hundsstern aufgeht. Zögern nämlich bringt Verluste, erstens, weil es Vögeln und anderen Tieren zu Beute verhilft, ferner, weil die Körner und sogar die Ähren schnell abfallen, wenn Halm und Ähre dürr sind. Stellen sich vollends heftige 2 Winde oder Wirbelstürme ein, so fällt das meiste zu Boden, und deshalb darf man nicht aufschieben, sondern muß, wenn die Saaten schon gleichmäßig gelb sind, an die Ernte gehen, bevor die Körner ganz hart werden und sowie sie eine rötliche Farbe angenommen haben; das Korn soll lieber auf der Tenne oder im Haufen als auf dem Acker noch an Größe zunehmen; denn es ist bekannt, daß es, rechtzeitig geschnitten, später noch wächst. Für das Mähen aber gibt es mehrere 3 Verfahren. Viele schneiden die Halme mit schnabelartig gekrümmten oder gezahnten spitzen Sicheln in der Mitte ab, viele ernten mit Mähgabeln, andere mit Kämmen nur die Ähren selbst, was bei dünnstehender Saat sehr leicht, bei dichter sehr schwierig ist. Falls nun das Korn mit einem Teil des Halmes abgesichelt ist, wird es gleich auf einen Haufen oder unter das Wetterdach gebracht und möglichst bald, sowie es 4 durch günstiges Sonnenwetter dürr geworden ist, gedroschen. Wenn man jedoch nur die Ähren abgeschnitten hat, kann man sie gleich in die Scheune bringen und sie dann im Winter entweder mit Stöcken dreschen oder von Tieren austreten lassen. Soll dagegen das Korn auf der Tenne ausgetreten werden, so läßt sich das ohne Zweifel mit Pferden besser als mit Rindern durchführen, und wenn nur wenige Gespanne zur Verfügung stehen, kann man auch Dreschtafel und -schütten 5 zu Hilfe nehmen, die beide die Halme sehr leicht zerschlagen. Die Ähren allein aber werden besser mit Stöcken ausgedroschen und mit der Schwinge gereinigt,
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wenn jedoch das Korn mit Spreu vermischt ißt, trennt man beides durch Wind. Dafür gilt als vorzüglich der Westwind, der in den Sommermonaten leicht und gleichmäßig zu wehen pflegt; aber nur ein wenig wendiger Landwirt wird auf diesen warten, weil, wenn gezögert wird, es oft überraschend schlechtes Wetter gibt. Deshalb soll das auf der Tenne gedroschene Korn so aufgeschüttet werden, daß es bei jedem Wehen gereinigt werden kann. Wenn jedoch mehrere Tage lang i-us keiner Richtung sich ein Luftzug rührt, muß man es mit der Schwinge reinigen, damit nicht nach der allzu langen Windstille wildes Sturmwetter die Arbeit eines ganzen Jahres zunichte macht. Ehe dann reines Korn auf Jahre hinaus gespeichert 6 wird, muß es noch einmal gereinigt werden, denn je sauberer es ist, desto weniger wird es von Kornwürmern angefressen; wenn es aber für den baldigen Gebrauch bestimmt ist, ist eine nochmalige Reinigung unnötig, man braucht es nur im Schatten abkühlen zu lassen und so in den Speicher zu bringen. Auch Hülsenfrüchte werden nicht anders behandelt als das sonstige Getreide, denn sie werden ebenfalls entweder gleich verbraucht oder aufbewahrt. Und das ist zum Schluß des Ackersmannes Lohn, den Samen, den er erst der Erde anvertraute, wieder einzutragen.
21. Kapitel Wie die Arbeitszeit aber, so meinten unsere Vorfahren, müsse man auch die 1 arbeitsfreien Zeiten planvoll verwenden, und so glaube auch ich, daß den Landwirten klargemacht werden muß, was sie an den Feiertagen tun und was sie nicht tun dürfen. Denn — so sagt der Dichter — „auch an festlichem Tage gestatten mancherlei Arbeit Heilige Satzung und Recht; das Wasser in Felder zu leiten Wehrt kein Götterverbot, nicht wehrt es, die Saaten zu zäunen, Nicht, den Vögeln Netze zu stellen, zu zünden den Dornbusch, Auch nicht, im heilenden Flusse die blökende Herde zu baden." Die Priester allerdings sagen, das Einhegen der Saat sei an Feiertagen unzulässig; 2 sie verbieten auch, die Schafe um der Wolle willen zu baden; nur um sie zu heilen, dürfe man es tun. Darum fügt auch Vergil, weil er sich dafür einsetzt, feiertägliches Baden der Herde im Flusse solle erlaubt sein, noch hinzu, ,im heilenden Flusse', das heißt ja, um sie zu heilen; es gibt nämlich Krankheiten, bei denen es nützlich ist, das Vieh zu baden. Der Brauch der Vorfahren erlaubt für die 3 Feiertage aber auch folgendes: Korn zu mahlen, Fackeln zu schneiden, Talglichter zu ziehen, Weinstöcke aufzubinden und zu pflegen, alte Teiche, Wasserbecken und Gräben zu räumen und zu säubern, Wiesen mit der Sichel nachzumähen, Dung umzusetzen, Heu auf die Böden zu bringen, geerntete Ölfrüchte zu speichern, Äpfel, Birnen und Feigen auszubreiten, Käse zu machen, Bäume zum
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Pflanzen auf dem Nacken oder mit einem Saumtier an Ort und Stelle zu bringen; Transport mit Gespannen ist nicht gestattet, ebensowenig Herangebrachtes zu 4 pflanzen oder die Erde zu öffnen oder einen Baum auszulichten; ferner darf man, es sei denn, man hat vorher ein Jungtier geopfert, nicht die Saat besorgen und Gras schneiden, bündeln oder abfahren. Nach den Regeln der Priester ist es gleichfalls nicht erlaubt, an Feiertagen die Weinernte zu bergen und Schafe zu scheren, es sei denn, man hat ein Jungtier geopfert. Defrutum herzustellen und Wein einzukochen ist erlaubt. Trauben und ebenso Oliven zum Einmachen zu lesen ist erlaubt. Schafe mit Fellen zu bekleiden ist nicht erlaubt. Alles, was man im Garten für das Gemüse tut, ist erlaubt. An Staatsfeiertagen einen Toten zu bestatten, 5 ist nicht erlaubt. Marcus Porcius Cato sagt, Maultiere, Pferde und Esel hätten keine Feiertage, und er erlaubt auch, zum Transport von Holz und Getreide Ochsen anzuspannen. Ich habe bei den Priestern gelesen, daß man nur an Totenfesten Maultiere nicht anspannen dürfe, an den übrigen sei. es erlaubt. Manche werden sicher hier, nachdem ich einige der alljährlich wiederkehrenden Feste genannt habe, die altüberkommene Sitte der Lustrationen und anderen Opfer 6 vermissen, die für das Gedeihen der Feldfrüchte gebracht werden; auch darüber beabsichtige ich zu sprechen, aber ich verschiebe es bis zu dem Buche, das ich zu verfassen gedenke, wenn ich alle Regeln, die bei der Landwirtschaft zu beachten sind, niedergeschrieben habe. Einstweilen beende ich die Erörterung des gegenwärtigen Themas und will mit dem folgenden Buche von dem zu reden beginnen, was die alten Schriftsteller über Weinpflanzung im Felde und an Bäumen überliefert haben und welche Erfahrungen ich selbst dann gemacht habe.
Drittes Buch
1. Kapitel
,Soweit über der Saat Anbau', sagt der treffliche Dichter; und es ist ja mir, Publius Silvinus, der ich über die gleichen Dinge sprechen will, nicht verwehrt, zur guten Vorbedeutung mit den Anfangsworten des weitbekannten Gedichtes zu beginnen. Es folgt jetzt die Behandlung der Bäume, die ein äußerst wichtiger Teil der Landwirtschaft ist. Sie sind verschieden geartet und vielgestaltig. Denn von mancherlei Art (wie der gleiche Autor berichtet) .wachsen sie, ohne daß Menschen sie zwingen, von selbst aus eigenem Antrieb,' viele aber wachsen auch von Menschenhand gepflanzt. Solche, die nicht mit menschlicher Hilfe entstehen, die wilden Waldbäume also, bringen wohl nach der Eigenart eines jeden ihre Früchte oder Samen; aber diejenigen, an die man Arbeit wendet, liefern besseres Obst. Vornehmlich also ist von denen zu sprechen, die dem Menschen Nahrung bieten. Man teilt sie in drei Gruppen ein. Denn aus einem Setzreis entsteht entweder ein Baum, wie der Ölbaum; oder ein Strauch wie die Feldpalme, oder aber ein drittes, das man im eigentlichen Sinne weder Baum noch Strauch nennen kann, wie der Weinstock. Ihn stellen wir den übrigen Gewächsen mit Recht voran, nicht nur wegen der Süße seiner Frucht, sondern auch wegen der Bereitschaft, mit der er fast überall und in jedem Klima, wenn es nicht gerade eisig oder übermäßig heiß ist, die Pflege der Menschen vergilt, und weil er mit gleicher Fruchtbarkeit auf ebenem Lande wie auf Hügeln fortkommt, in dichtem nicht weniger gut als in lockerem Boden, oft sogar in dürftigem; ebenso in fettem wie in magerem, in trockenem wie in feuchtem. Ferner erträgt nur er allein so gut wie jedes schlechte Wetter, sei es in kalten, sei es in heißen und stürmischen Landstrichen. Allerdings ist es wichtig zu überlegen, welche Sorte von Weinstöcken und in welcher Gestalt man sie je nach der Besonderheit der Gegend anzupflanzen hat. Denn weder ist in jedem Klima oder Boden seine Kultur gleich, noch gibt es nur eine einzige Sorte dieser Pflanze, und welche vor allen vorzüglich ist, ist nicht leicht zu sagen, da
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die Erfahrung lehrt, daß jede Gegend ihre eigene hat, die ihr mehr oder weniger 5 angepaßt ist. Jedoch wird ein guter Landwirt aus Erfahrung wissen, daß sich für die Ebene ein Weinstock eignet, der Nebel und Reif ohne Schaden erträgt; für Hügelland einer, dem Trockenheit und Winde nichts anhaben. In fetten und ergiebigen Boden wird er einen schwachwüchsigen Weinstock pflanzen, der nicht von Natur zu reich trägt; in mageren einen tragwilligen, in dichten einen starkwüchsigen, der viele Ranken entwickelt, in lockere und fruchtbare Erde eine Sorte, die nur wenige Reben bildet; er wird wissen, daß man feuchtem Lande nicht Stöcke anvertraut, die Trauben mit dünnhäutigen und größepen Beeren bringen, sondern solche mit dickhäutigen und kleinen Beeren und zahlreichen Kernen; daß es aber richtig ist, trockenem Boden Setzreiser der anderen Art 6 zuzuteilen. Darüberhinaus aber wird dem Gutsherrn auch klar sein, daß noch mehr als der Boden eine kalte oder warme, trockene oder taureiche, eine zu Hagel und Winden neigende oder gleichmäßig sanfte, eine heitre oder neblige Beschaffen7 heit des Klimas ausmacht. Für kaltes oder nebelreiches Klima wird er Weinstöcke von zwei Arten wählen, entweder frühe, bei denen die Fruchtreife der Kälte voraneilt, oder solche mit harter und fester Beere, deren Trauben während der Nebelzeit abblühen und unter Frösten und Reif dann süß werden, wie die der anderen bei Wärme. Auch bei windreichem und stürmischem Klima soll er getrost die gleichen wenig empfindlichen Sorten mit harten Beeren anpflanzen. Hinwiederum wird er einem warmen Klima die dünnschaligen und üppigeren anvertrauen. Für trockenes wird er solche bestimmen, die bei Regen und anhaltendem Tau zu faulen pflegen, für taureiches diejenigen, die durch Trockenheit leiden; wo Hagelschläge zu erwarten sind, solche mit harten und breiten Blättern, damit sie die Frucht besser schützen können. Für eine Gegend, in der sanftes und heiteres Wetter die Regel ist, passen alle, am besten allerdings die, bei denen 8 entweder die Trauben oder die Beeren schnell abfallen. Wenn indessen Ort und Klima für Weinpflanzungen nach Belieben gewählt werden kann, so ist, nach der durchaus richtigen Meinung des Celsus, am besten ein Boden, der weder allzulocker noch allzudicht ist, eher jedoch dem lockeren sich nähert; der weder arm ist noch besonders fruchtbar, aber diesem doch recht nahe kommt; weder soll der Platz in der Ebene noch steil am Hang liegen, vielmehr einer etwas erhöhten Fläche gleichen; er sei weder trocken noch naß, doch soll mäßig Tau fallen; er soll nicht von Quellen sprudeln, weder an der Oberfläche noch in der Tiefe der Erde, soll indessen in der Nähe der Wurzeln Feuchtigkeit für diese bereit haben, 9 die aber weder bitter noch salzig sein darf, damit sie nicht den Geschmack des Weines verdirbt und das Wachstum der Pflanzen wie durch eine Art schäbigen Rostes hemmt; wir brauchen nur Vergil zu glauben, der sagt: „Salziger Boden indessen und der sich als bitter herausstellt, Tauget für Feldfrucht nicht, wird auch durch Pflügen nicht süßer, Läßt entarten den Wein und die mancherlei Arten des Obstes."
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Ferner verlangt, wie ich schon gesagt habe, der Weinstock ein weder eisiges noch 10 glutheißes Klima, jedoch liebt er warmes mehr als kaltes; Regengüsse n i m m t er stärker übel als heiteres Wetter, und eher ist er trockenem Boden freund als vom Regen durchnäßtem; mäßiger und sanfter Luftzug sagt ihm zu, gegen Stürme ist er empfindlich. Das also ist die annehmbarste Beschaffenheit von Klima u n d Boden.
2. K a p i t e l Wein pflanzt m a n entweder, u m Eßtrauben oder u m Keltertrauben zu ernten. Eine Anpflanzung f ü r Eßtrauben ist nur zu empfehlen, wenn-das Gut so nahe der Stadt liegt, d a ß es sich lohnt, die Früchte gleich vom Stock weg den Händlern als Frischobst zu verkaufen. Wenn diese Lage gegeben ist, ziehe m a n vorzugsweise frühreifende und hartschalige, weiterhin Purpureae u n d Bumasti, Dactyli und Rhodiae, auch Libycae und Cerauniae; m a n soll ferner nicht n u r Sorten pflanzen, die sich durch guten Geschmack auszeichnen, sondern auch solche, die sich durch ihr Aussehen empfehlen, wie die Stephanitae, Tripedaneae, Unciariae und Cydönitae; ebenso Sorten, deren Trauben sich über den Winter halten u n d in Gefäßen aufbewahren lassen, wie die Venuculae und die neuerdings f ü r diesen Zweck erprobten Numisianae. Will m a n aber den Wein keltern, so wählt m a n einen Stock, der viel Frucht bringt und kräftiges Holz bildet; das eine ist äußerst wichtig f ü r den Gewinn des Landwirts, das andere f ü r die Lebensdauer des Stockes. Vorzüglich ist dieser, wenn er weder allzuschnell sich belaubt u n d entsprechend früh abblüht, noch allzuspät reift, wenn er ferner Schädigung durch Reif, Nebel und Sonnenbrand leicht übersteht u n d weder bei Regen fault noch bei Trockenheit verdorrt. Solche Sorte wähle m a n auch bei nur mäßiger Ergiebigkeit, falls man einen Platz hat, welcher ihr einen edlen Geschmack verleiht, der gute Preise bringt; wenn der Geschmack unrein oder gewöhnlich ist, ist es ratsam, immer die am reichsten tragenden Sorten zu pflanzen, damit durch die größere Menge der Früchte der Erlös gesteigert wird. F a s t überall n u n bringen ebene Lagen mehr Wein, ansprechenderen indessen die Hügellagen; in gemäßigtem Klima tragen jedoch auch diese reichlicher, wenn sie nach Norden liegen; edleren Wein freilich erzeugen Südhänge. U n d ohne Zweifel sind manche Weinstöcke so geartet, daß sie je nach Lage in der Güte des Weines bald hervorragen, bald weniger wert sind. Einzig von den Amineatrauben wird behauptet, d a ß sie, außer in zu kaltem Klima, sich je nach ihrem Standort zwar verschieden entwickeln u n d unter sich verglichen Weine von mehr oder minder gutem Geschmack geben, d a ß sie aber alle anderen im Geschmack übertreffen. Trotz gleichen Namens haben nicht alle Amineae die gleiche Art. Zwei verwandte Sorten — Germanae — kenne ich, von denen die kleinere schneller und besser abblüht u n d sich f ü r die Anpflanzung am Baum und auch am Joch eignet; dort verlangt sie fetten Boden, hier mittleren,
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und sie übertrifft weit die größere, weil sie Regen und Winde besser verträgt. Die größere kommt nämlich in der Blüte schnell zu Schaden, und zwar leichter an Jochen als an Bäumen. Deshalb ist sie für Weingärten nicht geeignet, auch kaum für Pflanzung am Baum, es sei denn in äußerst fettem und feuchtem Lande; denn in mittlerem Boden kommt sie nicht vorwärts und noch viel weniger in magerem. Man erkennt sie an den zahlreichen überlangen Banken und an der Größe der Blätter, der Trauben und Beeren, auch der Abstand zwischen den Knoten ist weiter. Im Fruchtreichtum wird sie von der kleineren übertroffen, im Geschmack nicht. Diese beiden also gehören zu den Amineatrauben. Zwei weitere Amineae, die Geminae — Zwillinge —, haben ihren Beinamen daher, daß sie aus einem Auge zwei Trauben entwickeln ; sie geben herberen, aber gleichfalls haltbaren Wein. Die kleinere von diesen ist allgemein sehr bekannt, denn sie bekleidet die viel besuchten Hügel Campaniens um den Vesuv und um Sorrent. Sie fühlt sich im sommerlichen Wehen des Westwindes wohl, wird aber durch Südwinde geschädigt. In den anderen Gegenden Italiens paßt sie daher weniger gut für Weingärten als für Bäume, während sie in der vorgenannten Landschaft sich ohne weiteres am Joch ziehen läßt. Ranken und Frucht sind, wenn man von der Doppeltraubigkeit absieht, nicht unähnlich der kleineren Germana, und ebenso ähnelt die größere Gemina der größeren Germana; doch ist sie insofern besser, als sie auch bei mittlerem Boden fruchtbarer ist; denn daß jene Germana nur in sehr fettem Boden gedeiht, ist schon gesagt worden. Auch die wollige — Lanata — Aminea schätzen manche sehr; sie hat diese Bezeichnung nicht deshalb, weil sie als einzige von allen Amineae wollig weißgrau aussieht, sondern weil das bei ihr besonders ausgeprägt ist. Sie gibt recht guten, aber milderen Wein als die vorigen, sendet auch zahlreiche Ranken aus, setzt daher wegen des dichten Laubes oft nicht richtig an, und wenn die Frucht reif ist, fault sie schnell. Außer den bereits aufgezählten gilt als einzigartig eine Aminea, die nach dem ersten Eindruck von Ranken und Stamm der größeren Germana recht ähnlich sieht, im Geschmack des Weines freilich, wenn sie auch den edelsten Gewächsen nahe bleibt, doch beträchtlich geringer ist; sie verdient Empfehlung auch wegen der ihr eigentümlichen Vorzüge; denn sie ist fruchtbarer, entledigt sich besser der Blüte, trägt dichte weißliche Trauben mit stärker schwellenden Beeren, versagt nicht auf magerem Grunde und wird deshalb zu den ergiebigsten Sorten gerechnet. Die Nomentanae folgen in der Vortrefflichkeit des Weines den Amineae unmittelbar, in der Ergiebigkeit aber gehen sie ihnen sogar voran, da sie sowohl reichlich Frucht ansetzen als auch ihren Behang aufs beste bewahren. Auch bei ihnen ist fruchtbarer die kleinere, die ein weniger geschlitztes Blatt hat und deren Ranken nicht so rot sind wie die der größeren; von dieser Farbe haben die Nomentanae die Bezeichnung Rubellianae — die rötlichen —, auch Faeciniae — die hefigen — nennt man sie, weil sie mehr Hefe absetzen als die anderen Sorten. Diesen Nachteil gleichen sie jedoch aus durch die Vielzahl von Trauben, die sie am Joch, besser aber am Baum liefern. Gegen Winde und Regengüsse sind sie widerstandsfähig, blühen schnell ab und
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reifen deshalb zeitiger, und sie lassen sich alles gefallen, nur nicht Hitze; denn weil sie kleinbeerige und harthäutige Trauben haben, schrumpfen sie bei heißer Witterung zusammen. Besonders gedeihen sie auf fettem Boden, weil er den von Natur [mageren und] dürftigen Trauben einige Fülle zu verleihen imstande ist. Die Eugeniae vertragen sehr gut kaltes und taureiches Land und Klima, solange sie am Albanerberge stehen; denn nach Ortsveränderung entsprechen sie kaum mehr ihrem Ruf. Ebenso ändert sich bei den allobrogischen Weinen die Lieblichkeit des Geschmacks, wenn sie in eine andere Gegend verpflanzt werden. Durch große Vorzüge empfehlen sich auch die drei Apianae, sie sind alle fruchtbar und recht geeignet für Joch und Bäume; edler ist jedoch die eine, die nackte Blätter hat. Die zwei wollblättrigen, die in Laub und Zweigen ganz gleich aussehen, sind in der Güte des Weines verschieden, da dieser bei der einen die Milde des Alters erst später erlangt. In fettem Boden tragen sie sehr gut, sind auch in mittlerem noch ergiebig, und sie reifen früh; deshalb passen sie besonders gut für kalte Lagen. Der Wein ist süß, aber für Kopf und Nerven [und Adern] nicht zuträglich. Wenn man sie nicht frühzeitig liest, fallen sie Regen und Winden zur Beute sowie den Bienen, nach denen sie wegen dieser Plünderei benannt werden. Dies sind die bekanntesten Sorten von wertvollem Geschmack. Es können jedoch auch Weinstöcke geringerer Güte, empfehlenswert sein wegen ihres Wachstums und ihres reichen Ertrages, etwa die Biturica oder auch die Basilica, deren kleinere die Spanier Cocolubis nennen; beide stehen von allen Sorten den erstklassigen weitaus am nächsten. Denn ihr Wein verträgt das Altern und kommt mit den Jahren zu einer gewissen Güte. Ferner aber übertreffen sie alle Sorten, die ich früher genannt habe, an Fruchtbarkeit und namentlich an Unempfindlichkeit. Sie lassen nämlich Wirbelstürme und Regenschauer tapfer über sich ergehen, geben ordentlich Most und versagen nicht in magerem Boden. Kälte ertragen sie besser als Nässe, Nässe leichter als Dürre, werden jedoch auch durch Hitze nicht beeinträchtigt. Die Visula und die kleinere Argitis, als nächste nach diesen, gedeihen in mittlerem Boden. In fettem nämlich werden sie zu kräftig und wachsen zu üppig, in magerem kommen sie schwach und bleiben ohne Frucht; sie lieben mehr das Joch als die Bäume, doch ist die Argitis auch in der Höhe fruchtbar, treibt lange Ranken und ist überreich an Trauben. Die Visula paßt besser für ganz niedrige Gestelle, sie bildet kurze Ranken und ein hartes und breites Blatt, durch dessen Größe sie ihre Früchte sehr gut gegen Hagel schützt; wenn diese jedoch nicht, sowie sie reif sind, gelesen werden, fallen sie zu Boden; bei Nässe faulen sie schon, bevor sie abfallen. Es gibt noch die Helvolae, die einige die bunten nennen, sie sind weder purpurn noch schwarz, sondern wohl nach ihrer gelblichen Farbe benannt. Die dunklere ist besser, weil sie sehr viel Wein gibt, aber die andere ist wertvoller durch ihren Geschmack. Die Farbe der Beeren erscheint bei keiner der beiden gleichmäßig. Beide geben im Wechsel der Jahre bald mehr, bald weniger weißen Mostes. Besser wachsen sie am Baum, aber auch am Joche nicht schlecht; auch auf mittlerem Boden sind sie fruchtbar, ebenso wie die kleinere und größere
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Pretia, doch stellt man diese wegen der Güte ihres Weines höher; sie treiben viele 24 Banken und reifen schnell. Die Albuelis ist, wie Celsus sagt, brauchbarer am Hügel als auf ebenem Felde, wächst besser am Baum als am Joch und besser im Wipfel als unten; sie ist fruchtbar und bildet zahlreiche Banken und Trauben. Die Sorten ferner, die aus Griechenland stammen, wie die Mareoticae, Thasiae, die Psithiae und Sophortiae, schmecken wohl ganz angenehm, geben aber in unserem Lande infolge der geringen Zahl der Trauben und der Kleinheit der Beeren zu wenig Most. Die schwarze Inerticula jedoch, die manche Griechen Amethystos nennen, kann man gewissermaßen zur zweiten Klasse rechnen, weil der Wein gut ist und unschädlich, wovon sie auch den Namen bekommen hat; denn obwohl der Wein im Geschmack keineswegs schwach ist, meint man, er wirke nicht auf die Nerven. 25 An den dritten Platz stellt Celsus die Sorten, die sich nur durch Fruchtbarkeit auszeichnen, zum Beispiel die drei Helvenaciae, von denen die zwei größeren keineswegs der kleineren an Güte und Mostreichtum gleichgeachtet werden können; die eine von ihnen, die die Bewohner der gallischen Provinzen Emarcus nennen, liefert mittelmäßigen Wein; die andere, die sie als die lange oder auch als Avara bezeichnen, gibt nur unrein schmeckenden und nicht so viel Wein, wie sie nach 26 der Traubenzahl auf den ersten Blick verspricht. Die kleinste und beste von den dreien erkennt man sehr leicht am Blatt, denn sie hat von allen das rundeste; und sie ist zu loben, weil sie Dürre sehr gut verträgt und auch Kälte aushält, wofern sie nur ohne Begen ist; weil man ihren Wein mancherorts auch zum Altwerden in Krüge verteilt, namentlich aber, weil sie als einzige durch ihre Frucht27 barkeit auch das magerste Land einträglich macht. Ferner nennt Celsus die Spionia, die viel Most gibt, aber mehr infolge der Größe der Trauben als infolge ihrer Zahl reiche Ernten bringt, die Oleaginia, Murgentina, die Pompejana, Numisiana, die Venucula und Scirpula und Siticula, die schwarze Fregellana, die Merica, Bhaetica sowie die von allen mir bekannten ergiebigste größere Arcelaca, die von vielen 28 fälschlich für eine Argitis gehalten wird. Von solchen, die ich erst kürzlich kennengelernt habe, — ich nenne die Pergulana, Irtiola und Fereola —, kann ich nicht genau sagen, wie sie einzuschätzen sind; wenn ich auch weiß, daß sie recht fruchtbar sind, habe ich doch über die Güte des Weines, den sie bringen, mir noch kein Urteil bilden können. Eine mir bisher unbekannte frühreife Sorte wird, wie ich erfahren habe, oft nach griechischem Brauch Dracontion genannt; sie soll in Fruchtreichtum und Lieblichkeit der Arcelaca, Basilica und Biturica vergleichbar 29 sein, in der Güte des Weines der Aminea. Es gibt noch viele Bebensorten, doch vermag ich weder deren Zahl noch Namen zuverlässig zu berichten, denn es ist ja, wie es der Dichter sagt, „vergebliches Mühen, die Zahl zu begreifen. Wer sie nämlich zu wissen begehrt, der zähl' auch die Körnchen Sandes, soviele der Westwind wirbelt durch Libyens Wüste." 30 Sämtliche Landschaften nämlich und beinah jeder einzelne Teil von ihnen haben
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ihre eigenen Rebensorten, die sie nach ihrer Gewohnheit benennen; manche Weinstöcke haben ferner mit der Gegend die Bezeichnung geändert, manche auch, wie ich schon früher gesagt habe, bei dem Ortswechsel die ihnen eigene Art verloren, so daß man sie nicht erkennen kann. Und deshalb gehen schon in diesem Italien selbst, um nicht zu sagen auf dem Erdkreis in seiner ganzen Ausdehnung, sogar Nacl barvölker in der Benennung der Weinsorten auseinander und wechseln die Namen. Daher wird ein verständiger Lehrer seine Schüler mit der Aufzählung 31 von Namen, die sie doch nicht behalten können, nicht aufhalten, sondern nur allgemein das lehren, was Celsus sagt und was schon vor ihm Cato gesagt hat, daß man nämlich nur Weinsorten pflanzen soll, die schon einen Ruf genießen, und keine beibehalten darf, wenn sie sich nicht in der Praxis bewährt hat. Und Julius Gräcinus meint, wo viele Vorzüge einer Gegend zur Pflanzung einer edlen Sorte einlüden, solle man eine solche wählen, wo aber nichts oder nicht viel sei, was dazu reize, solle man zuerst auf hohe Erträge sehen; denn solcher Wein werde nicht in dem Maße geringer bezahlt, wie er durch die größere Menge mehr Geld einbringe. Dieser Meinung bin auch ich bis vor kurzem gewesen; wie ich indessen 32 jetzt im geheimen darüber denke, werde ich an passender Stelle noch sagen. Ich habe mir nämlich vorgenommen zu zeigen, auf welche Weise Weinpflanzungen angelegt werden können, die gleichzeitig ergiebig sind und hochwertigen Most liefern.
3. Kapitel Bevor ich nun über das Pflanzen der Weinstöcke spreche, halte ich es für angebracht, für die folgende Erörterung gewissermaßen den Grund zu legen, damit vorher die Frage erwogen und geklärt ist, ob denn überhaupt der Weinbau dem Gutsherrn zu größerem Wohlstand verhilft. Es wäre nämlich beinahe überflüssig, vom Pflanzen zu reden, solange noch nicht die Voraussetzung bejaht wird, ob man überhaupt Weingärten haben soll, und solange daran die meisten so stark zweifeln, daß viele solche Landnutzung aufs stärkste scheuen und den Besitz von Wiesen und Weideland oder von haubarem Walde für wünschenswerter halten. Ferner hat es dann über die Weinpflanzung an Bäumen unter den Autoren schweren Streit gegeben, da Saserna diese Anbauweise ablehnte, Tremellius sich stark dafür einsetzte. Auch zu dieser Auffassung werde ich in geeignetem Zusammenhange Stellung nehmen. Einstweilen sollen die, die die Landwirtschaft erlernen wollen, als erstes dies gesagt bekommen, daß die Einkünfte aus Weinpflanzungen sehr reich sind. Ich will jene frühere Fruchtbarkeit der Äcker nicht weiter erwähnen, von denen zuerst schon Marcus Cato und später Terentius Varro überliefert hat, daß ein Morgen Weinland sechshundert Urnen Wein gebracht habe; das versichert nämlich Varro ausdrücklich im ersten Buche seines Werkes über Landwirtschaft; und das sei nicht nur in einem begrenzten Gebiete der gewöhnliche
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Ertrag gewesen, sondern auch im faventinischen Lande sowie in dem gallischen, 3 das jetzt zu Picenum gerechnet wird; noch in unserer Zeit vielmehr genießt jedenfalls die Gregend um Nomentum einen ausgezeichneten Ruf, zumal der Teil, den der geistig hervorragende und hochgelehrte Seneca besitzt, auf dessen Gütern der Morgen Weinland bekanntlich in der Regel acht Cullei geliefert hat. Und was sich auf deinen und meinen Besitzungen bei Caere zugetragen hat, scheint fast ein Wunder: daß bei dir ein Weinstock über die Zahl von zweitausend Trauben hinauskam, bei mir aber achtzig Stöcke im zweiten Jahr nach der Pfropfung sieben Cullei brachten, und daß zum erstenmal tragende Weingärten hundert Amphoren je Morgen lieferten, während Wiesen, Weiden und Wälder, wenn sie nur hundert Sestertien je Morgen einbringen, schon recht gut für ihren Herrn zu sorgen scheinen. 4 Und an Zeiten, in denen Getreidesaaten, wenigstens im größeren Teile Italiens, das vierte Korn gebracht haben, kann ich mich kaum erinnern. Warum also ist der Weinbau verrufen? Nicht durch seine, sondern durch Schuld der Menschen, sagt Gräcinus. Erstens, weil niemand bei der Auswahl der Setzlinge Sorgfalt übt und deshalb die meisten das Weinland mit den schlechtesten Sorten bestellen; zweitens nähren sie die Jungpflanzen nicht so, daß sie eher sich kräftigen und sprossen als verdorren; sind diese aber durch gutes Glück doch gewachsen, dann 5 vernachlässigen sie die Pflege. Zudem halten sie es von Anfang an für gleichgültig, was für Land sie bepflanzen, wählen vielmehr sogar die schlechteste Stelle ihrer Äcker aus, als ob Land, das nichts anderes tragen kann, gerade für den Wein besonders geeignet sei. Aber auch das Pflanz verfahren verstehen sie nicht, oder, wenn sie es verstehen, wenden sie es nicht an; ferner bereiten sie auch die Mitgift für die Weinpflanzungen, das heißt das Arbeitsgerät, selten vor, obgleich doch solche Unterlassung viele Arbeiten sehr erschwert und infolgedessen ständig die 6 Kasse des Herrn ausleert. Die meisten aber sind auf eine möglichst sofortige reiche Ernte aus und denken nicht an die Zukunft, sondern als ob sie ganz und gar nur für einen Tag lebten, muten sie den Weinstöcken zu viel zu und belasten sie mit so vielen Reben, daß sie für spätere Jahre nicht sorgen. Wenn sie dann alle diese Fehler oder doch sehr viele davon gemacht haben, tun sie alles andere eher, als daß sie ihre Schuld zugeben; und sie jammern, daß die Weinpflanzungen, die sie durch Raffgier oder Unwissenheit oder Nachlässigkeit zu Grunde gerichtet 7 haben, ihnen nichts abwerfen. Wenn dagegen Landwirte, die Sorgfalt mit Wissen gepaart haben, nicht, wie ich selbst meine, vierzig oder doch dreißig Amphoren ernten, sondern, wie Gräcinus sagt, der den Mindestertrag berechnet, meinetwegen nur zwanzig je Morgen, so werden sie alle, die auf ihr Heu und Gemüse so großen Wert legen, im Vermögenszuwachs leicht übertreffen. Und er irrt darin nicht, denn ein genauer Rechner sieht ja aus der aufgestellten Rechnung, daß dieser 8 Zweig der Landwirtschaft für das Vermögen sehr gewinnbringend ist. Mögen nämlich auch Weinpflanzungen erhebliche Aufwendungen fordern, so übersteigen doch sieben Morgen nicht die Arbeitskraft eines Winzers, den man nach der gewöhnlichen Meinung für geringes Geld kaufen oder, wenn es ein Verbrecher ist,
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vom Stein erwerben kann; ich allerdings bin anderer Ansicht als die meisten und meine, daß ein Winzer vor allem hochwertig sein muß; angenommen nun, ein solcher sei für achttausend Sestertien gekauft worden; wenn ich dann veranschlage, ein Grundstück von sieben Morgen sei für ebensoviele tausend Sestertien erworben und die Weinstöcke einschließlich ihrer Mitgift, das heißt der Pfähle und Ruten, seien mit zweitausend je Morgen in die Rechnung eingesetzt, so macht das zusammen genau neunundzwanzigtausend Sestertien. Hinzu kommen monatlich einhalb Prozent Zinsen, also dreitausendvierhundertachtzig Sestertien, für die zwei Jahre, in denen wegen ihrer Jugend die Stöcke noch nicht tragen. Alles in allem beläuft sich die Summe aus Anlagekapital und Zinsen auf zweiunddreißigtausendvierhundertachtzig Sestertien. Wenn nun so, wie es ein Geldgeber mit dem Schuldner macht, der Landwirt mit seinen Weinstöcken diesen Schuldposten in der Weise bucht, daß er für diese Summe als Dauerleistung den vorgenannten Zins von einhalb Prozent festsetzt, so muß er jährlich eintausendneunhundertfünfzig Sestertien empfangen; bei dieser Berechnung aber übersteigt der Ertrag der sieben Morgen, nach der Meinung des Gräcinus, die Zinsen des Betrages von zweiunddreißigtausendvierhundertachtzig Sestertien. Denn gesetzt, die Weinstocke seien ganz schlechter Art, so wird doch, wenn sie gepflegt sind, gewiß jeder Morgen von ihnen wenigstens eiiien Culleus Wein bringen; und gesetzt, daß vierzig Urnen für dreihundert Sestertien verkauft werden, was heute der mindeste Marktpreis ist, so ergeben sieben Cullei doch zweitausendeinhundert Sestertien, und diese Summe überschreitet dann die Zinsen von einhalb Prozent. Dieser Überschlag nun, den ich aufgestellt habe, legt die Berechnung des Gräcinus zugrunde. Ich aber bin der Meinung, daß man Weinpflanzungen, bei denen der einzelne Morgen weniger als drei Cullei bringt, ausroden soll. Und außerdem habe ich bisher so gerechnet, als ob man keine Setzlinge hätte, die aus dem neuen Weinacker entnommen werden können, obgleich deren Wert allein schon die Gesamtkosten des Ackers aufwiegt, vorausgesetzt, daß es italischer und nicht Provinzacker ist. Auch das muß jeder einsehen, wenn er meine Rechnung und die des Julius Atticus durchgeht. Ich nämlich pflanze jeweils zwanzigtausend Stecklinge auf den Morgen Weinland zwischen die Reihen. Jener setzt viertausend weniger. Läßt man seine Berechnung gelten, so wird doch jeder, auch der ungünstigste Platz, höhere Einkünfte bringen, als man Kosten an ihn gewandt hat, weil ja, auch wenn man annimmt, daß durch Nachlässigkeit des Pflanzers sechstausend Setzlinge eingehen, doch die übrigen zehntausend für dreitausend Sestertien sich leicht und mit Gewinn verkaufen lassen. Dieser Betrag ist um ein Drittel höher als die zweitausend Sestertien, die ich für einen Morgen Weinstöcke vorhin genannt habe. Freilich hat mein Bemühen schon solche Erfolge gezeitigt, daß die Landwirte, ohne zu feilschen, mir tausend Setzlinge für sechshundert Sestertien abkaufen. Aber das wird ein anderer kaum leisten können, und es wird mir so leicht auch keiner glauben, daß auf meinen Äckern der Wein so üppig gedeiht, wie du, Silvinus, es weißt. Deshalb habe ich einen mittleren und üblichen Setzlingspreis angesetzt, damit
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desto schneller und ohne daß einer widerspricht, diejenigen zu meiner Auffassung bekehrt werden können, die aus Unkenntnis sich gegen diesen Zweig der Land15 Wirtschaft sträuben. Zweierlei also, der Gewinn aus dem neubearbeiteten Boden und ebenso die Hoffnung auf künftige Weinernten, sollte uns zur Pflanzung von Weinstöcken anspornen. Nachdem ich dargelegt habe, daß es sich lohnt, sie zu setzen, will ich jetzt zeigen, wie man das macht. 4. Kapitel 1 Wer Weinpflanzungen anlegen möchte, hüte sich namentlich, fremder Sorge eher zu vertrauen als seiner eigenen; deshalb kaufe er keine bewurzelten Setzlinge, sondern stecke auf seinem eigenen Gute Heiser der bewährtesten Sorte, lege also eine Pflanzschule an, um aus dieser das Land mit Weinstöcken bestellen zu können. Denn Jungpflanzen, die als fremde aus anderer Gegend eingeführt werden, sind weniger an unseren Boden gewöhnt als die einheimischen, und deshalb scheuen sie wie ein Fremdstämmiger die Klima- und Ortsveränderung. 2 Man kann sich aber auch nicht sicher auf ihre Sortenechtheit verlassen, da es ungewiß ist, ob der, der die Reiser gesteckt hat, eine sorgfältig erprobte und bewährte Sorte gepflanzt hat. Darum sind zwei Jahre als die Mindestzeit anzusehen, in der die Beschaffenheit der Setzlinge so oder so erkennbar wird, wobei es immer, wie gesagt, sehr wichtig ist, daß man Stöcke von ausgesuchter Herkunft gesetzt 3 hat. Weiterhin denke der Landwirt daran, mit aller Sorgfalt den Platz für die Weinpflanzung auszuwählen; wenn er sich darüber schlüssig geworden ist, muß er wissen, daß er größte Aufmerksamkeit auf die Bearbeitung des Bodens zu richten hat; ist diese erfolgt, soll er mit nicht geringerer Achtsamkeit die Stöcke pflanzen und, nachdem er sie gesetzt hat, mit ganzer Hingabe sich um die Pflege kümmern; das nämlich ist gewissermaßen das A und das 0 dessen, was der Gutsherr an das Unternehmen wenden muß, denn davon hängt es ab, ob er gut oder schlecht daran tat, Geld der Erde anzuvertrauen, statt es ohne viel eigene Arbeit anderweit anzulegen. Nunmehr werde ich alles, was ich aufgezählt habe, Punkt für Punkt der Reihe nach abhandeln. 5. Kapitel 1 Die Pflanzschule soll man nicht auf kraftlosen und auch nicht auf nassem Boden anlegen, vielmehr auf saftreichem und eher mittlerem als fettem Boden. Allerdings empfehlen fast alle Schriftsteller dafür den fruchtbarsten Platz, aber ich glaube, daß das dem Landwirt sehr wenig dienlich ist. Denn die gesteckten Reiser fassen in kräftigem Boden wohl schnell Wurzel und treiben aus; wenn sie indessen pflanzreif geworden sind und dann in schlechteren Boden versetzt werden,
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verdorren sie und vermögen nicht weiterzuwachsen. Ein vorsorglicher Landwirt 2 wird aber lieber aus schlechterem in besseres Land als aus besserem in schlechteres umpflanzen. Deshalb ist bei der Wahl des Platzes mittlerer Boden am besten, da er ja auf der Grenze zwischen gutem und schlechtem liegt. Falls man nämlich später gezwungen ist, die fertigen Setzlinge in mageren Boden zu bringen, werden sie, wenn man sie aus mittlerem Boden dahin versetzt, keinen großen Unterschied spüren; soll aber ein fruchtbareres Feld bepflanzt werden, so wurzeln sie in dem reichen Boden weit schneller ein. Auf ganz schwachem Boden hinwiederum die 3 Pflanzschule anzulegen, ist durchaus unvernünftig, da dort die Mehrzahl der Stecklinge zugrundegeht und der Best erst spät zum Verpflanzen reif wird. Also ist ein mittlerer und mäßig trockener Acker für eine Pflanzschule am günstigsten ; diesen muß man zuerst mit dem Bipalium rigolen, was eine Bearbeitungstiefe bedeutet, bei der sich der Boden durch die Lockerung auf zweieinhalb Fuß erhöht, und dann werden mit Zwischenräumen von drei Fuß, von denen aus die Wartung der Pflanzen erfolgen soll, in jeder Reihe, die zweihundertvierzig Fuß lang ist, achtzig Stecklinge eingesenkt. Das ergibt für den ganzen Morgen drei- 4 tausendzweihundert Pflanzen. Dieser Arbeit aber geht die Beschaffung und Auswahl der Stecklinge voran. Denn wie ich schon oft betont habe, ist es sozusagen die Grundlage des ganzen Vorhabens, daß man nur Weinstöcke von bewährter Güte pflanzt.
6. Kapitel Bei der Auswahl aber ist zweierlei zu beachten: es genügt nämlich nicht, daß der 1 Mutterstock, von dem die Stecklinge genommen werden, fruchtbar ist, sondern es muß das feinere Verfahren angewandt werden, daß man sie von den Teilen des Stockes nimmt, die wuchskräftig und besonders fruchtbar sind. Doch darf man 2 die Ertragsfähigkeit eines Weinstockes, den man fortpflanzen will, nicht allein danach beurteilen, daß er eine größere Zahl von Trauben bringt. Das ist unter Umständen ja auf den Umfang des Stockes und die große Zahl der Reben zurückzuführen, und ich möchte nicht den als reichtragend bezeichnen, bei dem man an jeder Ranke nur eine einzige Traube sieht; sondern wenn an jedem Trieb eine größere Zahl von ihnen hängt, wenn er aus der einzelnen Knospe mehrere fruchttragende Zweige treibt, wenn er schließlich auch aus dem harten Holz heraus Ranken mit einigen Trauben entwickelt und auch in den Nebenschößlingen sich fruchtträchtig zeigt, dann ist er ohne Zweifel sehr tragwillig und sollte für die Auswahl der Hämmerchen vorgemerkt werden. Ein Hämmerchen aber ist ein 3 junger Trieb, der an einem vorjährigen Reis gewachsen ist, und er ist benannt nach der Ähnlichkeit, weil er an der Stelle, wo er vom alten Holz abgeschnitten wird, nach zwei Seiten vorspringend wie ein Hammer aussieht. Diese Stecklinge müssen, so meine ich, von den fruchtbarsten Weinstöcken genommen werden, 8 Ähren«
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und zwar immer dann, wenn man diesfe beschneidet, und sollen darauf an mäßig feuchtem, aber nicht nassem Platze sorgfältig so in die Erde gebracht werden, daß noch drei oder vier Knospen oben herausragen; äußerst wichtig ist es jedoch, darauf zu achten, daß der Weinstock, von dem man den Steckling nimmt, nach der Blüte zuverlässig ansetzt, die Beeren gut entwickelt und seine Trauben nicht zu früh und nicht zu spät zur Reife bringt. Denn die frühreifen werden durch die 4 Vögel, die späten durch die Winterwitterung geschädigt. Solche Artung nun läßt sich nicht durch eine einzige Weinlese sicher feststellen. I n einem guten Erntejahr oder aus anderen Gründen kann nämlich auch ein von Natur wenig fruchtbarer Weinstock einmal reich tragen. Sobald einer aber mehrere Jahre sozusagen seinen Mann gestanden und sich dadurch als zuverlässig geeignet für Stecklinge erwiesen hat, braucht man an der Fruchtbarkeit nicht zu zweifeln. Über mehr als vier Jahre indessen dehnt man solche Prüfung nicht aus; diese Frist nämlich, in der die Sonne auf der gleichen Bahn, auf der sie ihren Lauf begonnen hatte, in den gleichen Teil des Tierkreises zurückkehrt, offenbart in der Regel die edle Art einer Pflanze. Den Umlauf von vollen eintausendvierhunderteinundsechzig Tagen nennen die Astronomen caioxaraaraaig.
7. K a p i t e l 1 Ich bin aber gewiß, Publius Silvinus, daß du schon längst im stillen fragst, von welcher Sorte dieser fruchtbare Weinstock ist, den ich so genau beschreibe, und ob damit einer von denen gemeint ist, die jetzt gewöhnlich als die fruchtbarsten gelten. Sehr viele nämlich heben die Biturica mit ihren Lobsprüchen in den Himmel, viele die Spionia, manche die Basilica und einige auch die Arcelaca. 2 Auch ich will diese Sorten durch mein Zeugnis nicht um ihren Ruhm bringen: ihr Weinertrag ist wirklich außerordentlich reich; ich habe mir aber vorgesetzt, solche Weinstöcke zur Anpflanzung zu empfehlen, die nicht weniger üppig Frucht tragen als die vorgenannten Sorten, aber gleichzeitig ebenso köstlich schmecken wie die Aminea oder wenigstens nicht weit davon entfernt sind. Ich weiß, daß dieser meiner Meinung das eingewurzelte und in schon langen Zeiten erstarkte Vorurteil fast aller Landwirte entgegensteht, die Amineae litten an unabänderlich 3 angeborener Unfruchtbarkeit. Umsomehr muß ich die richtige Anschauung, die infolge der Trägheit und nicht weniger der Gedankenlosigkeit der Landwirte aufgegeben wurde und gleichsam von den Finsternissen der Unwissenheit verhüllt nicht im Lichte ihrer Wahrheit leuchtete, aus der Tiefe ihrer Verborgenheit hervorholen und sie durch mehrere Beispiele sichern, und es ist deshalb nicht unzeitgemäß, wenn ich mich zunächst zu dem wende, was wahrscheinlich diesen allgemeinen Irrtum berichtigen kann.
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8. Kapitel Wenn wir also, Publius Silvinus, das Wesen der Dinge gleichsam mit dem schärferen Auge des Verstandes zu betrachten unternehmen, so werden wir finden, daß die Natur den Pflanzen das gleiche Gesetz der Fruchtbarkeit auferlegt hat wie den Menschen und den anderen Lebewesen und daß sie nicht den einen Völkern oder Landschaften besondere Gaben gespendet hat, während sie anderen ähnliche Geschenke ganz und gar versagte. Manchen Stämmen hat sie die Fähigkeit verliehen, eine zahlreiche Nachkommenschaft zu zeugen, z. B. den Ägyptern und Afrern, bei denen Zwillingsgeburten oft vorkommen, ja beinahe das Gewöhnliche sind; aber sie hat auch gewollt, daß es im italischen Volke die außerordentlich fruchtbaren Mütter von Alba aus der curiatischen Familie gäbe, die Drillinge gebaren. Germanien hat sie ausgezeichnet durch Heere sehr hoch gewachsener Menschen; aber auch andere Völker hat sie um Männer von hervorragender Größe nicht betrogen; denn Marcus Tullius Cicero ist Zeuge, daß es einen römischen Bürger namens Naevius Pollio gegeben hat, der noch einen Fuß länger war als die allerlängsten, und neuerdings haben wir selbst in dem glänzenden Aufzuge bei den Zirkusspielen einen Juden sehen können, der größer war als der größte Germane. Ich gehe über zu den Tieren. Durch große Rinder fällt Mevania auf, durch kleine Ligurien; aber auch in Mevania gibt es kleine Rinder, und in Ligurien sieht man manchmal Stiere von besonderer Größe. Indien erregt, so sagt man, Staunen durch riesenhafte Wildtiere; wer jedoch möchte leugnen, daß in unserem Lande gleichermaßen fürchterliche Ungetüme erzeugt werden, da wir doch die in den Mauern unserer Stadt geborenen Elefanten sehen? Ich wende mich nun zu den Feldfrüchten. Mysien und Libyen sollen überreiche Getreideernten bringen; aber auch den apulischen und campanischen Feldern mangelt es nicht an üppigen Saaten. Tmolos und Korykos prangen, wie es heißt, in der Blüte des Safrans, Judäa und Arabien sind berühmt durch kostbare Düfte; doch auch unser Land ist keineswegs arm an solchen Pflanzen. Denn an mehreren Stellen Roms sehen wir schon die Casia grünen, wir sehen die Weihrauchpflanze sowie Gärten, die in Myrrhen- und Safranblüte stehen. Durch diese Beispiele werden wir unfehlbar daran erinnert, daß Italien aufs beste den Wünschen der Menschen sich bequemt, da es, wenn die Landwirte ihren Fleiß daran gewandt haben, die Früchte fast des ganzen Erdkreises zu tragen gelernt hat. Desto weniger sollten wir Zweifel haben bei der Frucht, die gleichsam diesem Boden eingeboren und zugehörig und in ihm heimisch ist. Es ist nämlich nicht zu bestreiten, daß die Weinstöcke vom Berge Massicus, aus der Gregend von Sorrent und Alba und vom cäcubischen Acker von allen, die die Erde trägt, in der Güte des Weines die ersten sind.
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9. Kapitel 1 Die Fruchtbarkeit läßt bei diesen vielleicht zu wünschen übrig, aber auch sie kann durch den Fleiß des Landwirts gesteigert werden. Wenn nämlich, wie ich gerade dargelegt habe, die Natur, die überaus gütige Mutter aller Dinge, jegliches Volk und Land mit den ihnen eigentümlichen Geschenken so bereicherte, daß sie darüber doch den anderen ähnliche Gaben nicht völlig vorenthielt, warum sollten wir da zweifeln, daß sie auch bei den Weinstöcken sich an besagtes Gesetz gehalten hat? Daß sie also gewollt hat, die eine oder andere Sorte, wie die Biturica oder Basilica, solle besonders ergiebig sein, aber doch auch die Aminea nicht so unfruchtbar gemacht hat, daß nicht unter den vielen tausend Weinstöcken dieser Sorte einmal ganz wenige reichtragende gefunden werden könnten wie bei den 2 italischen Menschen jene albanischen Schwestern. Wenn das aber schon an sich wahrscheinlich ist, so hat mich der Versuch gelehrt, daß es auch wahr ist, da ich sowohl auf einem Acker bei Ardea, den ich vor langer Zeit selbst besessen habe, als auch auf meinem Carseolaner und ebenso meinem Albanergut von der Aminea derartige Stöcke gehabt habe, allerdings sehr wenige, aber so fruchtbar, daß am 3 Joch jeder drei Urnen, am Spalier aber zehn Amphoren lieferte. Und unglaublich braucht diese Fülle bei den Amineae keineswegs zu erscheinen. Denn wie könnten Terentius Varro und vor ihm Marcus Cato bezeugen, daß den alten Weinbauern der einzelne Morgen Weinland sechshundert Urnen gebracht hat, wenn die Aminea, die die Alten doch meist als einzige kannten, nicht fruchtbar gewesen wäre? Wir müßten dann ja glauben, jene hätten ihre Weinäcker mit Sorten von der Art der Biturica und Basilica bestellt, die erst kürzlich aus ganz fernen Ländern eingeführt und uns bekannt geworden sind, und dabei sehen wir doch immer noch als 4 den allerältesten Weinstock die Aminea an. Derart reichtragende Amineae also habe ich, wie berichtet, noch bis vor kurzem besessen, und wenn einer solche in mehreren Weinlesen prüft und sie kennzeichnet, um von ihnen besonders vielversprechende Stecklinge zu nehmen, so wird er wohl gleichermaßen edle und reichtragende Weinstöcke erzielen. Ohne jeden Zweifel nämlich hat die Natur selbst gewollt, daß der Nachwuchs der Mutter ähnlich sei. Daher sagt auch jener Hirt in den Bucolica: ,So sind Hunden die Hündelein gleich, so Ziegen die Böcklein, Dacht' ich mir.' 5 Daher wachen auch die Veranstalter der den Göttern geheiligten Wettkämpfe mit sorglicher Aufmerksamkeit über die Fortpflanzung der behendesten Viergespanne und hoffen auf künftige Siege durch Züchtung edelrassiger Jungtiere. In gleicher Weise wie jene auf die Auslese des Nachwuchses der Stuten, die in Olympia siegten, ihre Hoffnung setzen, wollen auch wir von der Auslese der Stecklinge besonders fruchtbarer Amineae eine reiche Weinernte erhoffen. Und es besteht kein Grund, daß jemand sich durch die Langsamkeit des Verfahrens ab-
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schrecken läßt, denn wohl wird eine ganze Zeit auf die Auslese der Stecklinge verwandt; wenn aber dann die Fruchtbarkeit eines Weinstockes feststeht, läßt er 6 sich sehr schnell durch Pfropfungen äußerst stark vermehren. Das kannst gerade du, Publius Silvinus, mir bezeugen, da du dich gut daran erinnern wirst, daß ich von einem einzigen friihreifenden Stock her, den du auf deinem Gut bei Caere besitzst, zwei Morgen Weinland binnen zwei Jahren durch Pfropfung voll bepflanzt habe. Welche Stockzahl also, meinst du wohl, wird man in der gleichen Zeit 7 zwischenpflanzen können bei Verwendung der Heiser von zwei Morgen, wenn diese zwei Morgen selbst der Nachwuchs eines einzigen Stockes sind? Wenn man' somit, wie ich es sagte, bereit ist, Arbeit und Pflege darauf zu verwenden, dann wird man nach dem beschriebenen Verfahren leicht ebenso fruchtbare Pflanzungen von der Aminea anlegen wie von der Biturica oder Basilica; nur kommt es darauf an, daß man beim Versetzen der Jungpflanzen auf ähnliches Klima, ähnliche Lage sowie auf die Gestalt des Weinstockes selbst achtet; oft nämlich entarten sie, wenn entweder die Lage des Ackers oder die Beschaffenheit der Luft ihnen nicht zusagt, oder auch, wenn man sie vom Baum ans Joch versetzt. Daher wird man sie 8 aus Kälte in Kälte, aus der Wärme in ähnliche Bedingungen und aus einem Weingarten wieder in einen Weingarten bringen. Eher jedoch kann ein Amineasprößling nach kaltem Stande einen warmen vertragen als nach warmem einen kalten. Denn wie schon von Natur jeder Wein mehr die Wärme als die Kälte liebt, so ganz besonders die Aminea. Aber auch die richtige Bodenbeschaffenheit ist sehr 9 förderlich, und man soll deshalb aus magerem oder mittlerem Boden in besseren verpflanzen. Was an fetten Boden schon gewöhnt ist, läßt sich mageren höchstens gefallen, wenn man öfter düngt. Dies hatte ich allgemein über das Verfahren bei der Auswahl der Stecklinge zu sagen. Jetzt will ich im besonderen dazu raten, daß man sie nicht nur von einem besonders fruchtbaren Weinstock, sondern auch von dessen fruchtbarstem Teile nehmen soll.
10. Kapitel Die fruchtbarsten Stecklinge finden sich nicht, wie die alten Schriftsteller über- 1 liefert haben, am obersten Teile des sogenannten Stockhauptes, das heißt an der letzten und am stärksten in die Höhe geschossenen Ranke; denn auch darin täuschen sich die Landwirte. Hauptgrund des Irrtums ist der erste Eindruck, nämlich die große Zahl von Trauben, die man gewöhnlich an den höchsten Reben sieht. Das darf uns aber nicht irreführen, denn es liegt nicht an einer dem Zweige innewohnenden Fruchtbarkeit, sondern an dej Gunst seines Platzes, weil aller Saft und alle Nahrung, die der Boden hergibt, die übrigen Teile des Stammes durchfließt, um bis zinn obersten zu gelangen. In natürlichem Drange nämlich wird alle 2 Nahrung einer Pflanze wie eine Art von Atem durch das Mark des Stammes wie durch einen Heber, den die Mechaniker diabetes nennen, bis ganz nach oben
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nehmen. Ich aber, der ich zuerst nur vernünftiger Überlegung gefolgt bin, jetzt mich auch an meine langjährige Erfahrung halte, wähle keinen anderen Steckling aus und halte keinen für fruchtbar außer solchen, die an einer fruchtverheißenden Stelle des Stockes tatsächlich schon Trauben gebracht haben. Denn was aus einem sterilen Stammteil frisch und kräftig, aber ohne Frucht hervortreibt, täuscht nur Ergiebigkeit vor und besitzt keine Kraft, Früchte zu zeugen. Daß das unzweifelhaft wahr ist, zeigt uns die Überlegung, daß wohl, wie bei unseren Leibern jedes Glied seine eigenen Verrichtungen hat, so auch den Teilen der fruchttragenden Pflanzen besondere Aufgaben obliegen. Wir sehen, daß den Menschen als Lenker und Leiter der Glieder der Geist eingehaucht ist und daß ihnen die Sinne gegeben sind, um das zu unterscheiden, was das Tasten, was Nase, Ohren und Augen aufspüren; daß die Füße zum Schreiten gebildet sind, die Arme zum Umfassen; und um nicht übertrieben hin- und herzureden über all die wechselnden Dienste: nichts können die Ohren vollbringen, was Aufgabe der Augen ist, nichts die Augen, was den Ohren zu tun bestimmt ist; und auch die Fähigkeit zu zeugen ist nicht den Händen oder Füßen gegeben, sondern, was nach dem Willen des Weltschöpfers den Menschen ein Rätsel bleiben sollte, verbarg er in ihrem Bauche, und nach diesem Plane des Gottes mischte die ewige Bildnerin der Dinge im Dunkel gleichsam des Leibes geheim und verborgen die heiligen Keime des Lebens mit irdischem Urstoff, und so schuf sie das Bild des atmenden Menschen. Nach dem gleichen Plane hat sie Tiere und Pflanzen gebildet, auch nach ihm den Weinstock in mancherlei Sorten gestaltet; diesem gab zuerst dieselbe zeugende Mutter Wurzeln zum Fundamente, daß er auf sie, wie auf Füße, sich stelle; auf die Wurzeln setzte sie den in Statur und Erscheinung dem Körper vergleichbaren Stamm; diesen zerteilte sie dann, als wären es Arme, in Zweige; schließlich lockte sie Ranken und Reiser wie Hände hervor und begabte die einen mit Früchten, kleidete andere nur mit Laub zu Schutz und Schirm der Trauben. Wenn man also, wie ich oben gesagt habe, von diesen Reben nicht die fruchtwilligen und fruchtträchtigen Glieder zur Vermehrung ausersieht, sondern an deren Statt sozusagen ihre Schützer und Schattenspender, die ohne Früchte bleiben, so sorgt man — wunderlich genug — wohl für Schatten, aber nicht für die Ernte. Wie steht es nun aber weiter? Warum verwerfe ich ein Reis, obwohl es nicht vom-harten Stamm, sondern aus dem schwachen Holze genommen ist und nur noch nicht trägt, auch für die Zukunft als unfruchtbar? Hat doch soeben meine Untersuchung ergeben, daß jedem Körperteil eine eigene Aufgabe zugeteilt ist, und zwar natürlich die ihm gemäße, und so müßte doch auch einem Steckling, der an richtiger Stelle des Stockes gewachsen ist, die Kraft der Zeugung innewohnen, selbst wenn er einstweilen noch nicht trägt. Ich gebe gern zu, daß ich meine Beweisführung so begonnen habe. Aber ich behaupte auch mit allem Nachdruck, daß sogar ein aus noch so fruchtbarem Teile des Stockes gesproßtes Reis, sofern es nicht selber getragen hat, unfähig ist, Früchte zu zeugen. Und das widerspricht jener Auffassung keineswegs, denn bekanntlich können auch manche Menschen trotz Vorhandenseins
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sämtlicher Glieder nicht zeugen, und 'ebensowenig braucht es daher unglaublich zu sein, daß ein an zeugungskräftiger Stelle gewachsenes Reis, wenn es keine Früchte hat, auch künftig keine haben wird. Die Landwirte — um zu deren Brauch zurückzukehren — nennen deshalb solche Stecklinge, die nichts getragen haben, Kastraten, was sie nicht tun würden, wenn sie nicht annähmen, man könnte von ihnen keine Früchte erwarten. Eben diese Benennung hat mich darin bestärkt, auch von den günstigsten Stellen eines Weinstockes keine Stecklinge zu nehmen, wenn sie nicht getragen hatten, obgleich ich weiß, daß auch diese nicht ganz und gar steril sind. Ja ich gebe zu, daß auch Laubreiser, wenn sie aus dem harten Holz hervorgewachsen sind, im darauffolgenden Jahre Fruchtbarkeit gewinnen, und daß man deshalb das Reis, damit es zum Tragen kommt, beschneidet. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß solche Früchte nicht so sehr eine Leistung des beschnittenen Reises wie der Mutterpflanze sind. Denn weil es mit seinem von Natur fruchtbaren Stamme verwachsen ist, bleibt es mit der Mutternahrung und den Reisern von fruchtversprechender Herkunft noch vereint, wird also gleichsam an Ammenbrüsten großgezogen und lernt allmählich, wie die anderen Frucht zu tragen. Ein Reis dagegen, das ohne eine gewisse natürliche Reife vorzeitig und unentwickelt vom Stamm gerissen und entweder in die Erde oder auch in einen zurückgeschnittenen Stamm eingesetzt wird, verliert wie das jugendliche Alter, das noch nicht einmal zum Geschlechtsverkehr, geschweige denn zur Empfängnis fähig ist, die Zeugungskraft ganz und gar, oder mindestens ist sie gemindert. Deshalb sollte man, meine ich, bei der Auswahl von Stecklingen sehr sorgfältig darauf achten, aus dem fruchtbaren Teil des Weinstockes diejenigen Reiser zu wählen, die künftige Fruchtbarkeit dadurch versprechen, daß sie schon Früchte gebracht haben. Man darf sich aber auch nicht mit nur einer Traube zufrieden geben, muß vielmehr die bevorzugen, die die zahlreichsten Früchte aufweisen. Oder wird man nicht den Schäfer loben, der den Nachwuchs aus demjenigen Mutterschaf fortpflanzt, das Zwillinge geboren hat? Und den Ziegenhirten, der die Lämmer derjenigen Tiere zur Zucht heranwachsen läßt, die sich durch Drillingsgeburt auszeichnen? Offensichtlich tut er das doch, weil er hofft, der Nachwuchs werde den Eltern an Fruchtbarkeit gleichkommen. Ich selbst gedenke es bei den Weinstöcken ebenso zu machen, und das um so mehr, als ich aus Erfahrung weiß, daß, wie aus einer Art von angeborener Bosheit, bisweilen auch ganz erprobtes Saatgut versagt; und das mag uns wie Leuten, die gegen die Wahrheit taub sind, der Dichter einhämmern mit den Worten: ,Selbst die gewähltere Saat, mit Arbeit lange gemustert, Sah ich dennoch entarten, wenn menschliche Mühe nicht jährlich Größeres nur mit der Hand auslas. So stürzt durch das Schicksal Alles zu Schlimmerem fort, und rückwärts gleitend versinkt es.'
Das muß man so verstehen, daß es nicht nur von den Samen der Feldfrüchte, 19 sondern für die gesamte Landwirtschaft gesagt ist. Gesetzt, daß ich durch lange
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Beobachtung festgestellt habe — und ich habe es eindeutig festgestellt —, daß ein Pflanzreis, das vier Trauben getragen hat, nach dem Abschneiden und Einsenken in die Erde in der ererbten Fruchtbarkeit so nachläßt, daß es bisweilen eine, manchmal zwei Trauben weniger bringt, wieviel mehr werden dann wohl die 20 versagen, die schon an der Mutterpflanze nur zwei oder vielleicht eine Traube gebracht haben, wenn schon die fruchtbarsten die Verpflanzung oft übelnehmen? Dabei gestehe ich gern, daß ich eher der Verkünder als der Erfinder dieses Verfahrens bin, damit keiner glaube, ich wolle unsere Vorfahren um verdientes Lob betrügen. Denn daß jene der gleichen Ansicht waren, ist nicht zweifelhaft, obwohl sie schriftlich nur in den zitierten Versen Vergils überliefert ist, wo jedoch nur von den Samen der Feldfrüchte gesprochen wird. Weshalb nämlich hätten sie eine 21 aus dem harten gewachsene Rute oder auch einen von einem fruchtbaren Reis, das sie selbst geprüft hatten, geschnittenen Pfeil verschmähen sollen, wenn sie es für gleichgültig hielten, von welcher Stelle man das Material für die Vermehrung hernahm? Sollten sie nicht in kluger Voraussicht Laubtrieb und Pfeil darum als zum Pflanzen unbrauchbar verurteilt haben, weil sie v sicher waren, daß nur bestimmten Teilen ebenso wie bestimmten Gliedern Zeugungskraft innewohne? Ist das so, dann haben sie ganz gewiß noch viel mehr auch solche Zweige als untauglich zurückgewiesen, die an einer fruchtbaren Stelle gewachsen keine Frucht gebracht hatten. Denn wenn nach ihrer Meinung schon ein Pfeil, d. h. eine Trieb- 22 spitze, Tadel verdiente, obwohl er doch Teil eines fruchttragenden Sprößlings war, wieviel mehr mußten sie dann, was bei vernünftiger Überlegung sofort einleuchtet, ein Reis ohne Früchte ablehnen, mochte es immerhin von dem besten Teil eines Weinstockes stammen? Es sei denn, daß sie — was aber absurd ist — ein Reis, das schon am Mutterstamm nichts getaugt hatte, für fruchtbar gehalten hätten, nachdem es verpflanzt, also von seinem Stamme getrennt und damit der Mutternahrung beraubt war. Ich habe für dies Thema vielleicht mehr Worte gebraucht, als die Rücksicht auf den wahren Sachverhalt verlangte, aber doch noch viel weniger, als das völlig verkehrte und eingewurzelte Vorurteil der Landwirte forderte.
11. K a p i t e l Nun kehre ich zu den übrigen Punkten der geplanten Erörterung zurück. Der Stecklingsauswahl folgt die Bearbeitung des Bodens, zuvor jedoch muß seine Be schaffenheit bekannt sein, denn auch die trägt zweifelllos sehr viel zu Güte und Reichtum der Früchte bei. Bevor man den Boden selbst genauer ansieht, halte ich es für die Hauptsache, womöglich lieber Neuland in Aussicht zu nehmen als solches, wo Saat oder Baumpflanzungen gestanden haben; auf jeden Fall ist es ganz unangebracht, Weinland, das durch lange Beanspruchung heruntergekommen ist, neu bepflanzen zu wollen; darin sind sich alle.Schriftsteller einig. Denn
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es ist ja in seinen tieferen Schichten'von zu vielen Wurzeln wie von einem Netz durchzogen und hat auch noch nicht jene schädliche Altersfäulnis verloren, durch die das Erdreich erschlafft und wie durch irgendwelche Gifte gelähmt wird. Deshalb ist Neuland vorzuziehen, das sich, auch wenn Buschwerk oder Bäume darauf stehen, leicht urbar machen läßt, weil alles, was von selbst wächst, seine Wurzeln nicht allzu sehr in die Tiefe treibt, sondern nur in der obersten Erdschicht allseitig ausbreitet; wenn man diese Wurzeln mit dem Eisen zerschnitten und gerodet hat, kann man auch den noch unbearbeitet gebliebenen wurzelfreien Boden unter den Bäumen mit dem Karst graben, zur Gärung aufhäufen und wieder einebnen. Steht jedoch roher Boden nicht zur Verfügung, dann ist das nächstbeste ein baumloses Feld. Ist auch das nicht vorhanden, so wird ein mit möglichst wenig Bäumen bestandenes Rebengehölz oder ein ölgarten für die Weinpflanzung bestimmt, besser jedoch ein alter ölgarten, wo an den Bäumen kein Wein hochgezogen war. Am ungünstigsten sind, wie ich schon sagte, die Bedingungen bei Neubepflanzung von altem Weinland. Denn wenn die Not dazu zwingt, muß man zunächst alles roden, was von alten Weinstöcken noch zurückgeblieben ist, muß darauf den ganzen Boden mit trockenem Mist oder, wenn man den nicht hat, mit anderem, selbst ganz frischem, düngen und dann umgraben, alle Wurzeln muß man mit größter Sorgfalt freilegen, herausholen und verbrennen; dann bedeckt man das so zubereitete Land noch einmal reichlich mit altem Dung, weil dieser kein Unkraut erzeugt, oder mit Humuserde, die unter Buschwerk hervorgeholt wurde. Wo dagegen reines und baumfreies Brachland zur Verfügung steht, muß vor der Bearbeitung geprüft werden, ob der Boden sich zur Anpflanzung von Setzlingen eignet oder nicht, und das stellt man am leichtesten fest an den Pflanzen, die dort wild wachsen. Es gibt nämlich keinen Boden, der so frei von Gebüsch wäre, daß er nicht einiges davon trüge, etwa wilde Birnen und Schlehen oder wenigstens Brombeeren. Mögen diese nämlich auch nur Dorngewächse sein, so pflegen sie doch kräftig und üppig und früchteschwer emporzuwachsen. Wenn man also sieht, daß sie nicht dürr und verkümmert sind, sondern glatt und glänzend, wüchsig und fruchtbar, dann erkennt man daran, daß der Boden für die Aufnahme von Setzlingen tauglich ist. Dies gilt allgemein; was dagegen vorzugsweise bei Wein wünschenswert ist, ist besonders zu prüfen, ob nämlich, wie ich früher berichtet habe, der Boden leicht zu bearbeiten und mäßig locker ist — solcher Boden heißt, wie schon gesagt, Pullerde —, denn dieser ist zwar nicht als einziger, wohl aber vor allen anderen für Weinpflanzung geeignet. Welcher auch nur durchschnittliche Landwirt nämlich weiß wohl nicht, daß sogar der härteste Tuffstein oder Karbunkel, sowie sie zertrümmert zu Tage liegen, durch Unwetter und Frost und nicht weniger durch sommerliche Hitze mürbe und krümelig werden, und daß sie den Sommer über die Weinwurzeln sehr schön kühlen und die Feuchtigkeit festhalten? Das ist aber dem Wachstum von Setzlingen äußerst dienlich. Jeder weiß auch, daß aus ähnlichem Grunde lockerer Kies, Land voll Steinchen und Steingeröll sich empfehlen, doch muß solcher
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Boden mit fetter Erde durchsetzt sein, denn ohne diese wird er sehr getadelt. Meiner Meinung nach ist aber auch Felsgrund, über dem eine Erdschicht von 8 mäßiger Dicke liegt, für Weinstöcke günstig, weil er kalt ist und die Feuchtigkeit hält und so verhindert, daß in den Hundstagen die Wurzeln Durst leiden. Hyginus, der sich der Ansicht des Tremellius anschließt, versichert jedenfalls — und ich widerspreche dem nicht —, daß besonders der Fuß von Bergen, wo sich die vom Gipfel herabgeschwemmte Erde gesammelt hat, oder auch Täler, die infolge von Anspülung und Überflutung durch Flüsse zugeschlämmt sind, für Weinpflanzungen geeignet sind. Tonhaltige Erde gilt als nützlich für den Weinstock; reiner 9 Ton, wie ihn die Töpfer verwenden und den manche Argilla nennen, ist sehr schädlich, ebenso magerer grobkörniger Sand und alles, was, wie Julius Atticus sagt, den Setzling verdorren läßt, d. h. aber jeder nasse oder salzige, auch bitterer oder dürrer und übermäßig trockener Boden. Schwarzen und roten Sand jedoch, der mit lebender Erde durchmischt sein soll, haben die Alten gebilligt. Karbunkelgrund, so sagen sie ferner, gebe magere Weinstöcke, wenn man ihn nicht mit Dung anreichere. Roter Ton ist, wie der gleiche Atticus sagt, schwerer Boden 10 und für das Einwurzeln ungünstig. Hat der Weinstock aber erst Wurzel gefaßt, so gibt er diesem gute Nahrung, ist freilich schwieriger zu bearbeiten, denn man kann ihn weder graben, wenn er naß ist, weil er dann zu stark klebt, noch in zu trockenem Zustande, weil er dann über die Maßen hart ist.
12. Kapitel Um mich nun nicht weiter über die unendlich vielen Bodenarten auszulassen, will ich rechtzeitig an das erinnern, was Julius Gräcinus als eine Art Maßstab für die Bestimmung von Weinland niedergeschrieben hat. Dieser Gräcinus nämlich sagt so: ein Boden ist entweder warm oder kalt, feucht oder trocken, locker oder dicht, leicht oder schwer, fett oder mager; der Weinstock aber kann weder zu warmen Boden vertragen, weil er verbrennt, noch sehr kalten, weil er den gewissermaßen erstarrten und gefrorenen Wurzeln durch die zu starke Kälte die Bewegungsfreiheit nimmt; diese wagen sich erst dann hervor, wenn milde Wärme sie dazu ermuntert. Übermäßige Bodenfeuchtigkeit bringt die Jungpflanzen zum Faulen, zu große Trockenheit hinwiederum beraubt sie ihrer natürlichen Nahrung, tötet sie entweder ganz oder macht sie kümmerlich und dürr. Sehr dichter Boden nimmt das Regenwasser nicht auf, lüftet nicht gut durch, bricht sehr leicht und bildet Risse, durch die die Sonne zu den Wurzeln der Pflanzen dringt; er hält diese gleichsam gefangen und eingeengt, quetscht und erwürgt sie; übermäßig lockerer Boden läßt den Regen wie durch einen Trichter rinnen und wird durch Sonne und Wind völlig saft- und kraftlos; schwerem Boden läßt sich kaum durch irgendeine Pflege beikommen, leichtem hilft kaum eine auf. Sehr fetter und triebkräftiger Boden führt leicht zu geilem Wachstum, magerer und dürftiger leidet an Un-
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fruchtbarkeit. Es bedarf, sagt Gräcinus, unter diesen so auseinandergehenden und ungleichen Eigenschaften sehr des richtigen Verhältnisses, Wie es auch unser Körper braucht, dessen Wohlbefinden von einem bestimmten und sozusagen ausgewogenen Maß von warm und kalt, feucht und trocken, dicht und locker 4 abhängt. Er sagt jedoch, daß bei Land, das für Weinpflanzungen bestimmt sei, dies Verhältnis nicht auf Gleichgewicht hinzielen, sondern sich stärker nach der einen Seite neigen müsse; daß der Boden eher warm als zu kalt sein solle, eher trocken als zu naß, eher locker als zu dicht, und was es sonst noch Entsprechendes gibt, worauf, wer eine Weinpflanzung plant, seine Aufmerksamkeit richten muß. 5 Das alles nützt, wie ich meine, noch mehr, wenn auch das Klima günstig ist; nach welcher Himmelsrichtung Weinberge schauen müssen, ist ein alter Streit ; Saserna nämlich empfiehlt am meisten den Osten, dann den Süden und schließlich den Westen, Tremellius Scrofa hält Südlage für vorzüglich, Vergil lehnt Westlage ausdrücklich ab mit den Worten: ,Niemals neige sich dir zur sinkenden Sonne das Weinland* Demokrit und Mago loben die Nordseite, weil sie meinen, die dorthin gerichteten Weinpflanzungen zeigten größte Fruchtbarkeit, die jedoch durch die Güte des 6 Weines noch übertroffen werde. Mir scheint allgemein die beste Regel zu sein, daß man in kalten Gregenden Weinpflanzungen der Südsonne aussetzen, in warmen sie nach Osten richten soll; nur dürfen sie nicht durch Süd- und Südostwinde gefährdet werden, wie das Küstengebiet der Baetica. Wenn aber Gegenden von diesen Winden geplagt werden, soll man die Pflanzungen lieber vom Nordoder Westwind anwehen lassen, und in den glühend heißen Provinzen, wie Ägypten und Numidien, richtet man sie besser immer nach Norden. Dann erst, wenn all dies gründlich geklärt ist, wird man mit der Vorbereitung des Bodens beginnen.
13. Kapitel 1 Wie man dabei verfährt, muß den künftigen Landwirten in Italien, besonders aber auch denen in den Provinzen mitgeteilt werden, da ja in den fernen und ganz entlegenen Gregenden das Wenden und Durcharbeiten des Ackers kaum gebräuchlich ist, sondern die Weinstöcke meist in Gruben oder Furchen gepflanzt 2 werden. Diejenigen, die gewohnt sind, die Stöcke in Gruben zu setzen, höhlen den Boden etwa drei Fuß in der Länge und zwei Fuß tief so breit aus, wie es der Spaten ergibt, pflanzen Setzlinge an die beiden Grubenenden und biegen sie einander gegenüber an der Grubenwand aufwärts. Zwei Knospen lassen sie dabei über die Erde herausragen, bergen das übrige im Boden und ebnen ihn ein; das setzen sie in der gleichen Linie fort mit Abständen von ebenfalls drei Fuß, bis sie die Reihe 3 fertig haben. Dann lassen sie einen Zwischenraum, jenachdem, ob es Brauch ist,
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die Weinpflanzungen mit dem Pflug oder dem Karst in Ordnung zu halten, und beginnen die folgende Reihe. Wenn nur ein Gräber das Land wenden soll, beträgt der Reihenabstand mindesteüs fünf, höchstens sieben Fuß, bei Verwendung von Ochsen und Pflug ist das wenigste sieben, ziemlich reichlich sind zehn Fuß. Manche indessen pflanzen jeden Weinstock zehn Fuß in allen Richtungen von den nächsten entfernt in versetzten Reihen, so daß wie bei Brachland der Boden kreuz und quer gepflügt werden kann. Diese Anlage lohnt sich für einen Landwirt allerdings nur, wo auf sehr ergiebigem Boden der Wein besonders stark wächst. Wer aber zwar die Kosten für die vollständige Durcharbeitung des Ackers scheut, sie jedoch in gewissen Grenzen nachahmen möchte, zieht in gleichen Abständen sechs Fuß breite Furchen, vertieft sie durch Ausgraben auf drei Fuß und verteilt die Weinstöcke oder Stecklinge auf die Ränder. Noch sparsamer legen einige eine zwei und dreiviertel Fuß tiefe und fünf Fuß breite Furche an, lassen dann einen dreimal so breiten Streifen unbearbeitet und graben nun die nächste Furche. Wenn sie das über den ganzen für die Weinpflanzi^ng ausersehenen Platz hin getan haben, setzen sie an die Furchenränder bewurzelte Jungpflanzen oder möglichst frisch geschnittene Steckreiser; zwischen die in Reihen stehenden Pflanzen kommen Stecklinge, und wenn diese später erstarkt sind, kann man sie in das bei der Bearbeitung ausgelassene Land in Querfurchen verpflanzen und die Weinstöcke in gleichen Abständen anordnen. Die Pflanzverfahren für Weinstöcke, von denen ich berichtet habe, muß man aber entsprechend den Eigentümlichkeiten und der Ertragsfähigkeit des jeweiligen Landstriches entweder verwenden oder verwerfen. Jetzt habe ich vor, das Verfahren zu schildern, wie man einen Acker im Ganzen durcharbeitet. Vor allen Dingen müssen, mag man nun Gehölz oder Ödland zur Weinpflanzung bestimmt haben, alle Büsche und Bäume ausgegraben und entfernt werden, damit sie nicht später den Gräber aufhalten und nicht der schon bearbeitete Boden durch die darauf liegenden Massen wieder eingedrückt und von den Füßen derer, die Zweige und Stämme fortschaffen, festgetreten wird. Es ist nämlich durchaus nicht unwichtig, daß das bearbeitete Land ganz locker ist und, wenn möglich, auch kein Fuß es betritt, damit der Boden gleichmäßig aufgelockert den W u r z l n der Jungpflanzen, wohin sie auch kriechen mögen, leicht nachgibt und nicht durch seine Härte ihr Wachstum hemmt, sondern sie gleichsam an seinen weichen nährenden Busen nimmt; er soll auch dem Regen, der vom Himmel fällt, offenstehen und ihn als Nahrung an die Pflanzen verteilen, kurz, in allen seinen Teilen mithelfen, die neue Jugend großzuziehen. Ebenes Land ist durch Graben auf zweieinhalb Fuß Höhe gelockerten Bodens zu bringen, ansteigendes Gelände auf drei, ein steilerer Hügel aber sogar auf vier Fuß, weil er beim Abtragen des Bodens von oben nach unten für die losgegrabene Erde sonst kaum einen angemessenen Platz zum Aufschichten bietet, wenn man nicht die Grabstufe viel höher macht als in der Ebene. In niedriger Tallage wieder erscheint es nicht angebracht, die Weinstöcke weniger als zwei Fuß tief zu setzen. Denn man sollte lieber gar nicht als nur knapp in die
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oberste Erdschicht pflanzen, wenn nicht etwa, wie im Gebiet von Ravenna, gleich Sumpfwasser aufquillt und verhindert, mehr als anderthalb Fuß tief einzudringen. Das allererste aber bei der vorgenannten Arbeit ist, nicht, wie es heute die meisten Landwirte machen, die Furche allmählich zu vertiefen und so erst in zwei oder drei Absätzen zu der vorgesehenen Bearbeitungstiefe zu gelangen, sondern sofort gleichmäßig nach der Schnur einen fortlaufenden Graben mit senkrechten Wänden zu ziehen und die ausgehobene Erde nach hinten zu schütten; der Graben ist so weit in die Tiefe zu fähren, bis er das vorgeschriebene Maß erreicht hat, dann wird an der ganzen Stufe entlang die Schnur gleichmäßig verschoben, und es muß erreicht werden, daß unten dieselbe Breite erhalten bleibt, die oben begonnen wurde. Es bedarf aber eines erfahrenen und wachsamen Aufsehers, der anzuordnen hat, daß der Band senkrecht gemacht, der Graben ausgeräumt und der rohe Boden in seiner ganzen Tiefe an die schon vorher ausgehobene Erde herangeschüttet werde, wie ich es im vorigen Buche bei der Beschreibung des Pflügens empfohlen habe, wo ich davor, warnte, irgendwo unbearbeitete Bänke stehen zu lassen und den harten Boden nur oberflächlich mit Erde zu überschütten. Für die Durchführung dieser Arbeit aber haben unsere Vorfahren ein Gerät ersonnen, nämlich eine Meßlatte hergestellt, bei der ein seitlich angebrachter Stab mit dem einen Ende so tief reicht, wie der Graben werden soll, mit dem anderen bis zum oberen Bande des Abstichs. Solches Meßwerkzeug nennen die Landleute Storch. Aber auch dieses läßt Täuschungen zu, da es ja sehr darauf ankommt, ob man es schräg oder senkrecht stellt. Daher habe ich, um bei Meinungsverschiedenheiten allen Zank und Streit abzuschneiden, dem Gerät einige Teile hinzugefügt. Entsprechend der Breite nämlich, in der der Gräber die Furche herstellen soll, habe ich zwei Stangen in Gestalt des griechischen Buchstaben % kreuzweise zusammengefügt und dann in der Mitte an ihrer Verbindungsstelle den altbekannten Storch so darauf befestigt, daß er wie auf einer Basis senkrecht stand. Dann habe ich auf den rechtwinklig an der Seite der Meßlatte angebrachten Stab ein Zimmermannslot gesetzt. Läßt man ein so konstruiertes Instrument in den Graben hinab, so entscheidet es einen Streit zwischen dem Herrn und dem Ausführenden ganz gerecht. Denn der Stern, der, wie gesagt, die Gestalt eines griechischen Buchstaben hat, mißt unten die Grabensohle und läßt zugleich erkennen, ob sie waagerecht ist; ob sie nämlich nach vorn oder hinten geneigt ist, ist durch die Stellung des Gerätes zu ermitteln, da ja das auf dem Stabe angebrachte Lot beides anzeigt und eine Täuschung des Aufsehers unmöglich macht. Unter solchem Messen und Loten geht die Arbeit wie beim Pflügen von Brachacker Furche auf Furche weiter, und nach Vorverlegen der Schnur wird immer so viel Fläche in Angriff genommen, wie die schon ausgegrabene Furche in Länge und Breite einschließt. Diese Art der Bodenvorbereitung hat sich sehr bewährt.
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14. Kapitel Es folgt die Arbeit der Weinpflanzung; die rechte Zeit dafür ist der Frühling 1 oder Herbst. Man pflanzt besser im Frühling, wenn das Klima regenreich oder kalt ist oder der Acker fettes und nasses ebenes Land; dagegen im Herbst, wenn die Luft trocken und warm, ein ebenes Feld dürftig und wasserarm, ein Hügel mager und steil ist; die etwa vierzig Tage der Frühjahrspflanzung reichen von Mitte Februar bis zum Äquinoktium, die der Herbstpflanzung von Mitte Oktober bis Anfang Dezember. Man pflanzt auf zweierlei Art, entweder Stecklinge oder 2 bewurzelte Setzreiser, die beide bei den Landwirten gebräuchlich sind, in den Provinzen allerdings mehr die Stecklingskultur. Denn dort gibt man sich keine Mühe mit Pflanzschulen, und man versteht auch nicht, bewurzelte Ableger zu ziehen. Die meisten italischen Landwirt*, lehnen Verwendung von Stecklingen mit Recht ab, da ja eine Pflanze, die schon Wurzeln hat, sich durch sehr viele Vorzüge auszeichnet. Denn sie geht weniger leicht ein, da sie Hitze und Kälte 3 und sonstige schlechte Witterung wegen ihrer Stärke eher verträgt; außerdem wächst sie früher heran, und daher kommt es, daß sie auch schneller fähig wird, Früchte zu bilden; ferner ist es auch nicht zweifelhaft, daß öfter verpflanzt ***. Jedoch können in lockeren und leichten Boden ohne weiteres an Stelle von bewurzelten Pflanzen auch Stecklinge gebracht werden; dichter und schwerer aber verlangt in jedem Falle fertige Weinstöcke.
15. K a p i t e l Man pflanzt also, nachdem vorher das bearbeitete Land gereinigt, geeggt und 1 geebnet ist, bei magerem Boden mit fünf Fuß Reihenabstand, bei mittlerem mit sechs. Auf fettem Boden aber sind Abstände von sieben Fuß einzuhalten, damit größere Zwischenräume freiliegen, über die sich die zahlreichen und langen Ranken ausbreiten können. Für die Pflanzung in versetzten Reihen läßt sich folgende Vermessung des Weinlandes sehr bequem bewerkstelligen. Eine Schnur wird in Abständen von so viel Fuß, wie die Reihen voneinander entfernt sein sollen, mit Lappen von purpurner oder einer anderen auffallenden Farbe benäht und derart bezeichnet über den vorbereiteten Acker gespannt; neben jeden Lappen steckt 2 man einen Rohrstab, und so werden in gleichen Abständen gerade Reihen abgeteilt. Ist das geschehen, dann folgt der Pflanzer und gräbt immer von einem Stab bis zum nächsten eine Grube, läßt dabei aber jeden zweiten Zwischenraum in der Reihe aus; die Gruben dürfen in ebenem Gelände nicht weniger als zweieinhalb Fuß tief sein, in ansteigendem müssen sie auf zweidreiviertel, in steilem sogar auf drei Fuß Tiefe gebracht werden. Wenn die Gruben so tief ausgehoben sind, dann setzt man in jede zwei Weinstöcke so ein, daß man von der Grubenmitte her einen hierhin, den anderen dorthin legt und sie an den einander gegen-
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3 über liegenden Grubenwänden empor zu den Stäben hinbiegt. Der Pflanzer hat dabei die Aufgabe, erstens die Setzlinge möglichst frisch und, wenn es sein kann, erst unmittelbar vor dem Pflanzen aus der Bebschule zu holen, nachdem er sie dort mit aller Sorgfalt unbeschädigt ausgehoben hat; zweitens soll er sie wie alte Weinstöcke ganz ausputzen, nicht mehr als einen sehr starken Stamm stehen lassen sowie Knoten und Narben glätten, auch Wurzeln abschneiden, falls sie — wovor man sich beim Herausnehmen besonders hüten soll — Schaden gelitten haben; schließlich legt er sie umgebogen so ein, daß nicht die Wurzeln zweier Weinstöcke sich miteinander verflechten. Das läßt sich leicht dadurch vermeiden, daß man unten an den Grubenwänden einige Steine verteilt, die jeder nicht mehr 4 als fünf Pfund wiegen sollen. Diese halten anscheinend, wie Mago meint, Winternässe und Sommerhitze von den Wurzeln fern. Ihm folgend lehrt Vergil, die Pflanzen so zu schützen und zu sichern: ,Grab' in die Erde poröses Gestein, rauhschalige Muscheln', Und gleich darauf ,schon fanden sich manche, welche darüber Gestein und riesige Haufen von Muscheln Schütteten, daß dies wehre zu heftig strömendem Regen, Wehre dem glühenden Hund, wenn er spaltet die lechzenden Fluren*. 5 Der gleiche punische Autor ist der Meinung, man solle Weintrester mit Dung vermischt an die Pflanzen bringen, wenn sie in die Gruben gesetzt seien, weil das neue Würzelchen hervorrufe und herauslocke; es gebe im kalten und nassen Winter den Gruben die rechte Wärme und im Sommer den Pflanzen Nahrung und Feuchtigkeit. Wenn aber der Boden, dem der Weinstock anvertraut wird, offensichtlich arm ist, so soll man, meint er, anderswo fetten Boden herholen und in die Gruben einbringen; ob das lohnt, wird sich aus dem Marktpreis der Gegend und den Kosten der Arbeit errechnen lassen.
16. Kapitel 1 Gegrabener Boden, der ein wenig feucht ist, erleichtert das Einsetzen, lieber aber pflanzt man in ganz trockenes als in zu nasses Land. Ragt nun die Pflanze mit mehreren Knoten oben über die Grube hinaus, so läßt man über der Erde nur zwei Knospen stehen und schneidet das Überschüssige ab, füllt die Grube mit Erde voll und ebnet sie dann ein. Jetzt werden auf dem Acker zwischen die in Reihen stehenden Weinstöcke Stecklinge gepflanzt, und zwar braucht man sie nur in einer Linie mitten in den Gängen zwischen den Weinstockreihen zu stecken. 2 So nämlich fassen sie selbst besser Wurzel, und es bleibt auch noch ausreichend Raum für die Pflege der eigentlichen Weinstöcke. In der gleichen Reihe, in der diese ihren Platz haben, werden dann in den Zwischenräumen auf einer fußlangen
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Strecke als Ersatz für etwa abgestorbene Weinstöcke vorsorglich je fünf Stecklinge gepflanzt; der Fuß wird in der Mitte des Zwischenraumes so abgegrenzt, daß er von beiden Stöcken gleich weit entfernt ist. Für solche Pflanzung seien, 3 so meint Julius Atticus, sechzehntausend Stecklinge übergenug. Ich selbst stecke indessen viertausend mehr, weil durch Unachtsamkeit der Pflanzer ein großer Teil eingeht und dann die übrigen, die am Leben bleiben, zu dünn stehen. 17. Kapitel Wegen der Stecklingspflanzung hat es unter den Schriftstellern viel Streit gegeben. Manche haben geglaubt, das ganze Reis, wie man es von der Mutterpflanze trenne, sei dazu brauchbar; deshalb haben sie es in mehrere Stücke von fünf oder auch sechs Augen geteilt und sie in die Erde gesteckt. Das halte ich für ganz falsch und pflichte eher den Schriftstellern bei, die den oberen Teil einer Ranke als ungeeignet für die Fruchtbildung bezeichnen und nur den Teil, der dem alten Holz benachbart war, als brauchbar anerkennen, vom ganzen Pfeil aber nichts wissen wollen. Pfeil nennen die Landwirte den jüngsten Teil eines Zweiges, sei es, weil er weiter von der Mutter entfernt und gleichsam her vorgeschnellt und geschossen ist, sei es, weil er, nach der Spitze zu verjüngt, dem genannten Geschoß gleicht. Diesen also soll man nach Äußerungen verständiger Landwirte nicht pflanzen; sie haben uns ihre Meinung aber nicht begründet, sicherlich, weil sie ihnen auf Grund ihrer praktischen Erfahrung in der Landwirtschaft selbstverständlich war und beinah vor Augen lag. Jede fruchtbare Ranke trägt nämlich reich nur bis zum fünften oder sechsten Auge, im übrigen Teile, und mag er noch so lang sein, versagt sie entweder völlig oder bildet nur ganz kleine Trauben. Somit haben die Alten recht, wenn sie die Rankenspitzen der Unfruchtbarkeit bezichtigten. Ein Steckling nun wurde von ihnen so gepflanzt, daß an dem jungen Reis ein Teil des alten hing; dies Verfahren hat aber die Praxis als falsch erwiesen. Denn alles, was man an altem Holz belassen hatte, faulte, wenn es in die Erde gebracht war, infolge der Feuchtigkeit schnell und tötete durch diese Fäulnis die nächsten noch schwachen Wurzeln, die sich ja gerade erst entwickelten; wenn das geschehen war, verdorrte der obere Teil des Stecklings. Deshalb haben dann Julius Atticus und Cornelius Celsus, sehr bekannte Schriftsteller unserer Zeit, nach dem Beispiel von Vater und Sohn Saserna alles, was von altem Holz am Steckling sitzengeblieben war, an der Verbindungsstelle, wo er seinen Ursprung hat, abgeschnitten, nur sein Köpfchen daran gelassen und ihn so eingesetzt.
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18. Kapitel Julius Atticus aber hat dies Köpfchen, damit es nicht aus dem Pastinum heraus- 1 rutsche, gedreht und umgebogen und so den Steckling in die Erde gebracht. Pastinum nennen die Landwirte ein zweizinkiges Eisengerät, mit dem man die 9
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Stecklinge einsenkt. Nach ihm nannte man auch das Wiederumgraben alten Weinlandes repastinari. Dafür nämlich ist das die eigentliche Benennung; heute bezeichnet die Gewohnheit, der die alte Zeit fremd geworden ist, als repastinatum jeglichen umgegrabenen Boden, der für die Aufnahme von Wein hergerichtet wird. Nun wieder zur Sache. Das Pflanzverfahren des Julius Atticus, bei dem man den Stecklingen die Köpfe umbiegt, ist meiner Meinung nach falsch; mehrere Gründe sprechen dafür, es zu meiden. Zunächst gedeiht jeder Steckling, den man vor dem Pflanzen mißhandelt und geknickt hat, weniger gut als einer, der völlig unversehrt ohne gewaltsame Behandlung gesteckt ist; ferner leistet, wenn die Zeit des Auspflanzens da ist, alles, was verbogen und nach oben gerichtet in die Erde gekommen ist, infolge seiner Krümmung dem Pflanzer Widerstand, der nun Gewalt anwendet, und wie ein im Boden verankerter Haken zerbricht der Steckling eher, als daß er sich herausziehen läßt. Denn an der Stelle, wo er durch das Drehen und Biegen beim Einsetzen Schaden genommen hat, ist er brüchig, und durch das Abbrechen verliert er den größeren Teil seiner Wurzeln. Aber wenn ich auch von diesen Mängeln absehe, darf ich doch den allerschlimmsten keinesfalls verhehlen. Als ich nämlich eben von dem obersten Ende der Ranke sprach, den man, wie gesagt, Pfeil nennt, wies ich darauf hin, daß sich Früchte, vom alten Holz an gerechnet, etwa bis zum fünften oder sechsten Auge entwickeln. Wer also den Steckling zusammendreht, zerstört den fruchtbildenden Teil der Ranke, weil ja gerade das Stück, das geknickt wird, drei oder vier Fruchtknospen trägt, die übrigen zwei oder drei Augen jedoch in die Erde kommen und dort nicht Zweige, sondern Wurzeln bilden. Man kommt somit dem, was man durch Verzicht auf das Pflanzen von Pfeilen zu vermeiden gedachte, mit solchen Stecklingen geradezu entgegen, da man diese, wenn man sie verdreht stecken will, ja länger machen muf>, und so ist es ganz sicher, daß die der Spitze zunächst sitzenden unfruchtbaren Augen daranbleiben, aus denen nur entweder sterile oder bestenfalls minder ergiebige Ranken treiben, die die Landleute racemarii nennen. Ferner ist es bei einem Steckling, den man in die Erde setzt, doch natürlich sehr wichtig, daß die Stelle, wo er von der Mutterpflanze geschnitten ist, sich scLIieSt und schnell vernarbt. Geschieht das nämlich nicht, so saugt das offene Mark des Weinstockes wie eine Röhre zuviel Feuchtigkeit auf, diese höhlt ihn aus, und dann können Ameisen u i d andere Tiere, die die unteren Teile des Stammes zerfressen, darin Unterschlupf finden. Das aber geschieht bei zerdrehten Stecklingen, denn wenn beim Herausnehmen deren unteres Stück abgebrochen ist, liegt beim Wiedereinpflanzen ihr Mark offen, und wenn nun Wasser eindringt und Ungeziefer hineinkriecht, verkümmern sie schnell. Deshalb verwendet man am besten gerade Stecklinge, bei denen daa am unteren Ende sitzende Köpfchen, wenn es zwischen die zwei Zinken der Pflan7gabel geklemmt ist, in dem engen Winkel des Gerätes leicht festgehalten und in die Erde gesetzt werden kann. Ein so gepflanzter Steckling wächst schneller an, denn er entwickelt aus dem Köpfchen, wo er abgeschnitten ist, Wurzeln, und, sobald diese stärker werden, über-
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wachsen sie die Wunde; übrigens nimmt diese, da sie nach unten gerichtet ist, auch nicht soviel Feuchtigkeit auf wie jene, die aufwärts gebogen alles Regenwasser, das von oben hineinsickert, wie ein Trichter weiterleitet. 19. Kapitel Die Länge, die man dem Steckling geben soll, läßt sich nicht ein für allemal fest- 1 legen, da man ihn, wenn er viele Augen hat, kürzer machen muß, bei wenigen aber länger. Mehr als einen Fuß lang und weniger als dreiviertel Fuß soll er indessen nicht sein, denn dieser würde, da er nur in der obersten Erdschicht steht, bei Sommerhitze Durst leiden, jener, weil er zu tief eingesenkt ist, nach dem Heranwachsen sich schwer herausnehmen lassen. Das gilt für ebenes Land, denn auf hügeligem Gelände, wo der Boden abfällt, kann man ihn in einer Länge von fünfviertel Fuß pflanzen. Lage im Tal und in feuchter Ebene läßt auch einen drei- 2 äugigen zu, der etwas kürzer als dreiviertel Fuß, auf jeden Fall aber länger als ein halber Fuß ist. Er heißt nicht .deshalb dreiäugig, weil er überhaupt nur drei Augen hat, denn er ist um die Wunde herum, die ihm das Abschneiden von der Mutterpflanze zugefügt hat, .voller Knospen; vielmehr nennt man ihn deshalb so, weil er außer diesen, die in großer Zahl unmittelbar am Köpfchen sitzen, noch drei Glieder und ebensoviele Augen hat. Im übrigen erinnere ich diejenigen, die Stecklinge oder Jungpflanzen setzen, auch daran, daß sie, um deren Austrocknen zu verhüten, ein Übermaß von Wind und Sonne vermeiden müssen; beides läßt sich gut abhalten, indem man Tücher dagegen aufhängt oder sie sonstwie dicht abschirmt. Immerhin ist es besser, für das Pflanzen einen wind- 3 stillen oder doch nur ganz leicht windigen Tag abzuwarten; die Sonne läßt sich durch schattende Bedeckung leicht abwehren. Bevor ich aber nun die Erörterung abschließe, muß ich nachholen, was ich noch nicht berichtet habe: ob man eine oder mehrere Sorten von Weinstöcken verwenden und ob man sie getrennt jede für sich oder ungeschieden völlig durcheinander pflanzen soll. Zunächst will ich den ersten Punkt besprechen.
20. Kapitel Es zeugt von der Klugheit eines Landwirtes, wenn er, ohne eine andere Sorte 1 dazwischen zu pflanzen, nur Weinstöcke von einer einzigen pflanzt, die er als besonders gut erkannt hat, und deren Zahl dann so stark wie möglich fortlaufend steigert. Ebenso aber ist es ein Zeichen klarer Voraussicht, verschiedene Sorten zu pflanzen, denn kein Jahr ist jemals so mild und gleichmäßig, daß es nicht irgendeine mit irgendeinem Schaden bedroht. Wenn es nämlich trocken ist, leiden die, die Feuchtigkeit brauchen; ist es regenreich, solche, die gern trockenes 0*
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Wetter haben; einer frostempfindlichen schadet Kälte und Reif, einer, die keine 2 Hitze verträgt, die Sonnenglut. U n d um n u n nicht die tausenderlei Wetterunbilden weiter aufzuzählen: immer gibt es irgendetwas, was die Weinstöcke in Gefahr bringt. Bei Pflanzung nur einer einzigen Sorte wird m a n also, wenn etwas eintritt, was ihr schädlich ist, der ganzen Ernte beraubt, und einer, der nicht verschiedene 3 gepflanzt hat, h a t dann nichts, worauf er zurückgreifen kann. Wenn man aber das Land mit mehreren Sorten bestellt hat, wird immer einiges davon unversehrt bleiben und Frucht tragen. Das braucht jedoch niemand zum Anbau einer Unzahl von Sorten zu veranlassen, sondern man pflanzt diejenige, die m a n f ü r die beste hält, in möglichst großer Menge, dann die, die ihr am nächsten steht, auch die drittbeste und vielleicht noch eine vierte; mit dieser Vierzahl sollte m a n es — wie bei den Athleten — genug sein lassen; mit vier oder höchstens fünf Sorten 4 das Ernteglück zu versuchen, reicht nämlich aus. Bei dem zweiten Punkt, den ich besprechen wollte, zweifle ich nicht, daß die Weinstöcke nach .Sorten getrennt und jede f ü r sich in eigene Gärten gebracht u n d durch Längs- und Quersteige voneinander geschieden werden müssen. Allerdings habe weder ich selbst bei meinen Leuten das durchsetzen können, noch h a t es vor mir einer von denen erreicht, die es gern gewollt hätten; die Arbeit ist nämlich von allen ländlichen Geschäften das schwierigste, weil sie größte Sorgfalt bei der Auswahl der Stecklinge verlangt und weil zu deren Unterscheidung gewöhnlich sehr viel Glück und Verstand gehört; aber wenn uns auch bisweilen, wie der göttliche Plato schreibt, die 5 Schönheit einer Sache dazu veranlaßt, nach etwas zu streben, was wir wegen der Schwäche der Menschennatur nicht erreichen können, so wird sich, falls man nicht darüber hinwegstirbt und Wissen und Können mit dem Willen zusammengehen, doch die Sortentrennung unschwer vollziehen lassen; freilich gilt es, nicht gerade kurze Zeit auszuharren, um eine große Zahl von Weinstöcken einige J a h r e hindurch zu beobachten; nicht jede Jahreszeit nämlich läßt ein Urteil darüber zu, da die Art der Weinstöcke, die sich wegen der Ähnlichkeit von Farbe, S t a m m oder Ranken nicht auseinanderhalten lassen, erst durch die reife Frucht und die Blätter erkennbar wird. Daß diese sorgfältige P r ü f u n g indessen durch einen anderen als durch den Gutsherrn selbst vorgenommen werden kann, möchte ich be6 zweifeln; denn sie dem Verwalter oder auch einem Winzer zu überlassen, ist Leichtsinn, da ja weitaus Leichteres bisher nur sehr wenigen Landwirten geglückt ist, daß sie nämlich keine schwarztraubigen Weinstöcke bekommen, obgleich doch wohl die Farbe einer Traube auch von dem Dümmsten erkannt werden müßte. 21. K a p i t e l 1 Die einzige zulängliche Abhilfe scheint mir zu sein, schnellstens meinem Vorschlag zu folgen, daß m a n bei Vorhandensein von alten Weinpflanzungen die Stecklinge jeder Sorte f ü r sich in eine besondere Schule bringt; von diesen Steck-
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lingen wird man sicher in wenigen Jahren viele tausend Jungpflanzen erhalten und sie dann nach Sorten getrennt auf die Äcker verteilen können. Von der Nütz- 2 lichkeit dieses Verfahrens können uns viele weitere Gründe überzeugen; um mit den weniger gewichtigen zu beginnen, so hat erstens auf allen Lebensgebieten, nicht nur im Landbau, sondern in jeder Wissenschaft,, ein kundiger Mann mehr Freude an dem, was nach seinen besonderen Eigenschaften geordnet ist, als an dem, was unterschiedslos gleichsam beiseite geworfen und wie auf einen Haufen zusammengeschüttet ist. Zweitens wird wohl sogar jemand, der dem Landleben 3 ganz fremd ist, wenn er zur passenden Zeit auf das Feld kommt, mit größtem Vergnügen die Güte der Natur bewundern, wenn früchteschwer dort die Bituricae gedeihen, hier in gleicher Ergiebigkeit die Helvolae, dort die Arcelacae sich zusammenfinden, woanders wieder Spioniae oder Basilicae, denen Jahr für Jahr die nährende Erde den Menschen zur Freude wie in stetig erneutem Gebären die mostgeschwellten Trauben wie Brüste herabhängen läßt. In der Gnade des Vaters Bacchus leuchtet dabei an den fruchtbaren Reben der weißen, goldgelben, der rötlich schimmernden oder in purpurnem Glänze strahlenden Sorten ringsum von buntfarbigen Früchten trächtig der Herbst. Mag das aber noch so sehr er- 4 freuen, so geht doch der Nutzen der Freude vor. Auch der Gutsherr nämlich bequemt sich umso lieber zur Betrachtung seines Besitzes, je ansehnlicher dieser ist, und wenn der Dichter von dem heiligen Gotte sagt, ,und wo immer der Gott hindreht sein herrliches Antlitz', so wächst wahrlich auch dort reichere Frucht, wohin der Herr persönlich seine Blicke häufig gelenkt hat. Ich übergehe nun, was sonst noch von unsortierten Weinstöcken zu sagen wäre, und will nur besprechen, was besonders beachtenswert ist. Die verschiedenen Sorten blühen nicht gleichzeitig ab und gelangen auch 5 nicht gleichzeitig zur Reife. Wer also seine Weinpflanzungen nicht nach Sorten abgeteilt hat, muß sich entweder den einen Nachteil gefallen lassen, daß er die späten Trauben zugleich mit den frühen abnimmt, was dann Säure verursacht; oder den anderen, daß er durch das Warten auf die Reife der späten Trauben die Frühernte preisgibt, die dann gewöhnlich durch Vogelfraß und Regen- oder Windschaden verloren geht. Will er aber die Früchte jeder Sorte nacheinander 6 pflücken lassen, so muß er sich auf ein Glücksspiel mit der Nachlässigkeit der Winzer einlassen, denn er kann ja nicht jedem einzelnen noch einen Wächter beigeben, der ihn beobachtet und anhält, keine sauren Trauben [mit] abzupflücken. Ferner wird auch bei gleichzeitig reifenden Stöcken, wenn sie verschiedener Herkunft sind, der Geschmack des besseren Weines durch den schlechteren verdorben, und hat man viele Sorten zusammengegossen, so schmeckt er nicht mehr, wenn er älter wird; und so muß dann der Landwirt sich mit dem jeweiligen Marktpreis des Mostes abfinden, während der Preis sich sehr erhöht, wenn der Verkauf ein Jahr oder wenigstens bis zum nächsten Sommer hinausgezögert werden kann. Zudem ist Trennung der Sorten sehr zweckmäßig, weil der Winzer 7
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leichter jede in der ihr zukommenden Weise beschneiden kann, wenn er weiß, zu welcher Sorte der Garten, den er beschneidet, gehört; bei zusammengepflanzten Sorten läßt sich das nur schwer feststellen, weil man hauptsächlich zu einer Zeit schneidet, in der die Stöcke nicht einmal erkennbare Blätter tragen; und doch ist es wichtig, ob der Winzer, je nach der Art eines jeden Weinstockes, mehr oder weniger Triebe wachsen läßt, ob er den Stock zur Bildung langer Ranken reizt oder ihn durch Zurückschneiden kurz hält. Es kommt bei jeder einzelnen Sorte auch sehr darauf an, nach welcher Himmelsrichtung man sie schauen läßt, denn nicht jede liebt warmen, nicht jede kalten Stand, vielmehr haben die Jungpflanzen die Eigentümlichkeit, daß die einen bei Südlage sich gut bestocken, weil Kälte sie schädigt, andere die Richtung nach Norden vorziehen, weil sie sich bei Hitze nicht wohl fühlen, manche auch an der gemäßigten Ost- oder Westlage Gefallen finden. Wer jeder Sorte ihren eigenen Garten gibt, kann diese Unterschiede mit allen Möglichkeiten, die das Gelände bietet, in Einklang bringen. Er hat auch den nicht geringen Vorteil, daß die Lese weniger Arbeit und Kosten macht, denn jede Sorte wird, wie sie zu reifen beginnt, rechtzeitig geerntet, und die Lese der noch unreifen Trauben läßt sich ohne Schaden hinausschieben. Demgegenüber führt das gleichzeitige Ernten von schon welken und gerade reifen Früchten zur Überstürzung der Lese und zwingt dazu, ohne Rücksicht auf die Kosten mehr Arbeiter zu dingen. Sortentrennung bringt auch das Gute mit Bich, daß man die Moste verschiedenen Geschmackes nicht miteinander vermengt, sondern völlig rein bewahrt und jeden für sich lagert, hier den der Biturica, dort den der Basilica oder Spionia. Weil bei solcher Verteilung auf mehrere Gefäße nichts Fremdartiges, das die Haltbarkeit gefährdet, hineinkommt, werden die Weine edler, denn man wird dann nicht nach fünfzehn Jahren oder einigen mehr eine Entartung im Geschmack feststellen können, zumal fast jeder Wein die Eigenschaft hat, daß er mit dem Alter an. Güte zunimmt. Deshalb ist es — und das wollte ich zeigen — sehr nützlich, jede Sorte für sich zu pflanzen; wenn man das nicht durchführen kann, ist es das zweitbeste, von Weinstöcken verschiedener Sorte nur solche zusammenzupflanzen, die ähnlichen Geschmack zeigen und gleichzeitig reifen. Wenn jemandem sehr an Obst liegt, kann er bei den letzten Reihen der Weinpflanzung Reiser von Feige, Birne und Apfel stecken, und zwar an ihrer Nordgrenze, damit sie den Wein nicht beschatten, wenn sie größer werden; nach zwei Jahren kann er sie pfropfen oder, falls sie edel sind, nach dem Heranwachsen verpflanzen. Soviel über die Anlage von Weinpfianzungen. Als sehr wichtige Teilfrage bleibt nun noch ihre Pflege zu erörtern, und darüber will ich im folgenden Buch ausführlicher sprechen.
Viertes Buch
1. Kapitel
Du sagst, Publius Silvinus, Du habest mein Buch über die Anlage von WeinPflanzungen einigen Freunden der iiandwirtschaft vorgelesen, und da seien unter diesen einige gewesen, die wohl im übrigen meine Anweisungen gelobt, eines oder das andere jedoch getadelt hätten; ich hätte nämlich eine allzu große Tiefe der Pflanzgruben für die jungen Weinstöcke empfohlen, indem ich noch dreiviertel Fuß zugab zu den zwei Fuß, die Celsus und Atticus genannt hatten; recht unüberlegt hätte ich auch jede Pflanze einer einzigen Stütze zugeteilt, wo doch die eben genannten Schriftsteller erlaubt hätten, weniger kostspielig die Ranken eines Stockes nach zwei Seiten auseinanderzuziehen und mit ihnen der ßeihe nach immer zwei Stützen zu bekleiden. Diese beiden Einwände muß man eher als ein Zeichen von Geiz denn als stichhaltig ansehen. Weshalb nämlich soll man — ich will zuerst widerlegen, was ich zuerst vorgebracht habe —, wenn man sich mit einer zwei Fuß tiefen Grube zu begnügen gedenkt, tiefer lockern, da man doch den Weinstock so flach pflanzen will? Es könnte einer entgegnen, das solle geschehen, damit unter der Pflanze eine lockere Erdschicht liegt, die die jungen Würzelchen, wenn sie hineinkriechen wollen, nicht hindert und durch ihre Härte zurückstößt. Aber das vermöchte er ja auch zu erreichen, wenn er das Land mit dem Bipalium bewegt und die Grube in dem wieder aufgeworfenen Boden gemacht wird, der zu mehr als zweieinhalb Fuß aufgequollen ist; denn stets schwillt auf ebener Fläche die loser wieder zurückgeschüttete Erde höher als die Stufe des unbearbeiteten Bodens. Keineswegs auch wünschen die Setzlinge bei der Pflanzung, daß man unter sie ein sehr hohes weiches Bett breitet; vielmehr genügt es vollauf, den Weinstöcken unter die Wurzeln einen halben Fuß lockere Erde zu geben, die die wachsenden Sprößlinge gleichsam in ihren freundlichen Mutterschoß aufnimmt. Ein Beispiel dafür kann uns die Weinpflanzung am Baum bieten, bei der man nach dem Ausheben der Gruben nur eine recht geringe Menge loser Erde unter den Setz-
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5 ling bringt. Triftiger also ist ein zweiter Grund für das tiefere Umgraben, daß nämlich ans Joch gebundene Weinstöcke in tieferen Gruben besser stehen. Gruben von nur zwei Fuß Tiefe können ja kaum noch von den Landwirten aus den Provinzen als ausreichend anerkannt werden, bei denen der Weinstock gewöhnlich niedrig in Bodennähe gehalten wird; ein Stock aber, der am Joch wachsen soll, braucht, um festzustehen, ein tieferes Fundament und verlangt auch, wenn er 6 erst höher emporsteigt, mehr Nahrung und Erde; deshalb gibt ja auch niemand Weinstöcken, die er an Bäumen hochziehen will, eine Grube von weniger als drei Fuß Tiefe. Jene besonderen Vorzüge flacher Pflanzung übrigens, daß Setzlinge, die nicht durch viel Erde belastet müde werden, schnell wachsen und daß flach und locker gepflanzte fruchtbarer werden, bringen dem Landwirt keinen sonderlichen Nutzen; denn diese beiden Gründe des Julius Atticus werden widerlegt durch das Beispiel der Weinstöcke, die an Bäumen gepflanzt sind und sich dort selbstverständlich viel kräftiger und fruchtbarer entwickeln; das würden sie nicht tun, wenn tiefer eingesenkte Setzlinge in ihrer Entwicklung behindert 7 wären. Wie nun, wenn die durchgearbeitete Erde, solange sie frisch gelockert und gelüftet ist, wie in Gärung aufquillt, dann aber nach nicht sehr langer Zeit sich verdichtet und setzt und dadurch die Weinwurzeln gewissermaßen hilflos in der obersten Bodenschicht schwimmen läßt? Bei meinem Pflanzverfahren, bei dem der Weinstock tiefer eingesetzt wird, ist das weniger zu befürchten. Wenn ferner behauptet wird, in der Tiefe litten die Setzlinge an der Kälte, so stelle auch 8 ich das nicht in Abrede; aber eine Tiefe von nur zweidreiviertel Fuß kann so noch nicht wirken, zumal ja die eben erwähnte Pflanzung des Weinstockes am Baum trotz ihrer größeren Tiefe keinen derartigen Nachteil spüren läßt. 2. Kapitel 1 Jene zweite Behauptung, es sei billiger, zwei Pfähle mit den Banken nur eines Weinstockes zu bekleiden, ist grundfalsch. Ist nämlich ein Stock eingegangen, so werden zwei Stützen leer, und es müssen dann ebensoviele Setzlinge nachgepflanzt werden, die durch ihre Zahl die Kasse des Wirtes belasten. Wenn jedoch ein Weinstock zwar lebt, aber, wie es oft vorkommt, sich als schwarz oder zu wenig fruchtbar erweist, ist es nicht nur an einer, sondern an mehr Stützen mit der Ernte schlecht bestellt. Nach der Meinung von Männern, die die Landwirtschaft recht gut verstehen, trägt ja sogar ein Weinstock von edler Art, wenn er so auf zwei Pfähle verteilt wird, weniger, weil er zu dichtes Wurzelwerk bildet. 2 Und deshalb schreibt der schon genannte Atticus selbst vor, alte Weingärten lieber durch Absenker zu ergänzen, als ganze Weinstöcke auseinanderzuziehen, weil ja Senker schnell und leicht Wurzel fassen, so daß dann wie auf eignen Fundamenten jeder Stock auf seinen Wurzeln ruht. Ein Stock aber, der als Ganzes zerteilt ist, durchzieht mit seinen Wurzeln den Boden, auf dem er steht, wie mit
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einem Gitter oder Netz und bildet so einen Wurzelfilz; das Zuviel aber an ineinander verflochtenen Wurzeln beengt ihn, und er geht daher ebenso ein wie einer, der durch viele Ranken zu stark erschöpft wird. Deshalb will ich, alles in allem, 3 lieber zwei Setzlinge pflanzen als es mit einem wagen, und will nicht um einer scheinbaren Ersparnis willen etwas betreiben, was in zweifacher Hinsicht weit größeren Verlust bringen kann. Jetzt aber verlangt die Erörterung des vorigen Buches, daß ich mit dem beginne, was ich für dies folgende versprochen habe.
3. Kapitel Bei jeder Art von Kosten stellen, wie Gräcinus sagt, die meisten stärker die Neuanlagen in Rechnung, als daß sie die Erhaltung des Fertigen berücksichtigen. Manche, sagt er, bauen Häuser von Grund auf, wenn sie aber stehen, pflegen sie sie nicht. Andere zimmern mit allem Fleiß Schiffe, und wenn sie vollendet sind, dann können sie sie nicht auftakeln und bemannen. Manche plagt die Sucht, Vieh oder Sklaven zu kaufen, ihre Pflege kümmert sie nicht. Viele machen auch gute Dienste, die sie Freunden erwiesen haben, durch ihren Wankelmut zunichte. Und darüber, Silvinus, dürfen wir uns nicht wundern: gibt es doch sogar Leute, die erst Kinder haben wollten und darum feierlich die Ehe schlössen, die hernach aber bei ihnen mit der Nahrung geizen, sie auch nichts lernen lassen oder ihren Leib nicht ordentlich kleiden. Was ergibt sich daraus? Natürlich dieses, daß sehr oft auf ähnliche Weise auch Landwirte sündigen, die ihre aufs schönste angelegten Weinpflanzungen, bevor sie groß werden, aus mancherlei Gründen im Stich lassen. Die einen scheuen die alljährlich wiederkehrenden Ausgaben, halten den ersten Ertrag für den einzig sicheren und wollen kein Geld auf weitere Sicht anlegen; als ob es überhaupt nötig gewesen wäre, Weinpflanzungen anzulegen, die man dann aus Geiz vernachlässigt. Andere finden es schön, lieber große als gepflegte Weingärten zu besitzen. Sehr viele habe ich schon kennengelernt, die überzeugt waren, man könne Weinland wie mit guten, so auch mit schlechten Methoden instandhalten. Ich dagegen möchte meinen, daß jegliche Landnutzung nur dann Gewinn abwerfen kann, wenn sie äußerst sorgfältig und geschickt betrieben wird, ganz besonders aber der Weinbau. Der Weinstock ist nämlich äußerst empfindlich, und unsachgemäße Behandlung verträgt gewöhnlich der am schlechtesten, der durch allzu große Ergiebigkeit in Not kommt; er geht nämlich, wenn man ihn nicht bändigt, an dieser seiner Fruchtbarkeit zugrunde. Wenn er ein wenig erstarkt ist und gewissermaßen die K r a f t des Jünglingsalters erreicht hat, hält er allerdings Vernachlässigung aus, eine Jungpflanze aber, die während ihres Wachstums nicht alles bekommt, was ihr gebührt, verkümmert völlig und siecht so dahin, daß sie später durch keinerlei Aufwand wiederhergestellt werden kann. Man soll also mit größter Fürsorge sozusagen Fundamente legen und gleich vom ersten Tage an die frisch gepflanzten Weinstöcke anleiten, wie man es mit den
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Gliedern der kleinen Kinder macht; hat man das unterlassen, so bleiben alle Aufwendungen vergeblich, und ist bei irgendetwas der rechte Zeitpunkt versäumt, läßt es sich nie wieder gut machen. Glaube meiner Erfahrung, Silvinus, daß eine gut angelegte Weinpflanzung von guter Sorte bei einem guten Pfleger noch immer 6 mit reichen Zinsen ihren Dank abgetragen hat. Und das verdeutlicht uns in seinem Buch über den Weinbau derselbe Gräcinus nicht nur durch eine Berechnung, sondern auch durch ein Beispiel, wenn er berichtet, er habe von seinem Vater oft gehört, daß ein Nachbar von ihm, Paridius aus Vetera, zwei Töchter und ein Weingut gehabt habe; von diesem habe er der älteren Tochter, als sie heiratete, ein Drittel als Mitgift gegeben, und trotzdem habe er regelmäßig ebensogroße Ernten wie früher von nur zwei Dritteln des Gutes eingebracht; dann habe er die jüngere Tochter verheiratet und ihr die Hälfte des übrigen Landes gegeben, habe aber auch jetzt von seinen früheren Erträgen nichts eingebüßt. Was wird dadurch bewiesen? Doch wohl, daß nachher jenes Drittel des Gutes besser gepflegt worden ist als vorher das ganze.
4. Kapitel 1 Wir also, Publius Silviniu, wollen fleißig Wein pflanzen und noch fleißiger ihn pflegen. Das einzig richtige Pflanzverfahren, das ich im vorigen Buche angegeben habe, ist, daß man in durchgearbeitetem Boden Gruben aushebt, von ihrer Mitte her die Weinstöcke hineinlegt und am Grubenrande jeden Stamm von unten her gerade emporleitet und an die Stütze bindet. Besonders nämlich ist zu beachten, daß die Grube nicht einer Mulde gleicht, sondern daß ihre Wände mit ausgearbei2 teten Winkeln wie nach dem Lot senkrecht gemacht werden; denn ein Weinstock, der rücklings und sozusagen liegend in eine Mulde gepflanzt wird, ist später, wenn man ihn rundum behackt, Beschädigungen ausgesetzt, denn wenn der Hackende die Baumscheibe stärker zu vertiefen trachtet, verwundet er gewöhnlich den schrägliegenden Weinstock und schneidet ihn manchmal sogar ab. Man denke also daran, ganz unten von der Grubensohle an gerade aufwärts gerichtet das Reis an die Stütze zu binden und so bis ganz oben zu führen, im übrigen dann derart zu verfahren, wie ich es im vorigen Buche vorgeschlagen habe, die Erde so aufzufüllen, daß zwei Augen oben herausstehen, und schließlich, nachdem Stecklinge zwischen die Reihen gesetzt sind, durch häufiges Hacken den Boden zu lockern 3 und zu Staub zu zerkrümeln. Wenn nämlich die lose Erde, ohne daß Unkräuter sich einnisten, den Stöcken Feuchtigkeit zukommen läßt und nicht Härte des Bodens die noch jungen Pflanzen wie mit einer engen Fessel zusammenpreßt, werden diese und die Stecklinge, die man außerdem gepflanzt hat, am besten gedeihen.
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5. Kapitel Wie oft aber mit dem zweizinkigen Karst der Boden behackt werden soll, läßt 1 sich, damit ich die Wahrheit gestehe, nicht bestimmen, da anerkanntermaßen das Hacken umso mehr nützt, je häufiger man es vornimmt. Weil jedoch die Rücksicht auf die Kosten eine Grenze setzt, haben es die meisten als ausreichend angesehen, von Anfang März bis Anfang Oktober allmonatlich die jungen Weinpflanzungen zu hacken und alles Unkraut zu beseitigen, namentlich aber alle Gräser; wenn nuvi diese nicht mit der Hand jätet und auf Haufen wirft, leben sie weiter, sobald sie nur mit ganz wenig Erde bedeckt sind, und entziehen den jungen Weinstöcken so stark die Nahrung, daß sie sie verkümmern und verdorren lassen.
6. Kapitel Am besten formt man nun die als Reiser oder mit Wurzeln eingesetzten Jungpflanzen gleich von Anfang an so, daß man durch häufiges Abranken Überflüssiges entfernt und dafür sorgt, daß sjLe nur einem einzigen Trieb alle Kraft und Nahrung zuführen. Zuerst allerdings läßt man je zwei Triebe wachsen, damit der zweite als Ersatz dienen kann, wenn der erste zu Schaden kommen sollte. Sind sie dann etwas verholzt, so wird immer der schwächere entfernt, und damit die stehenbleibenden nicht durch heftigen Wind abgeschlagen werden, muß man sie, ihrem Wachstum folgend, immer wieder durch lockere und nachgiebige Bänder sichern, bis sie mit ihren Gäbelchen wie mit Händen die Stützpfähle umklammern. Wenn man aus Mangel an Arbeitskräften bei Stecklingen nicht so verfahren kann, die meiner Meinung nach ebenfalls abgerankt werden sollten, so muß man doch unbedingt bei den regelrechten Weinstöcken erreichen, daß sie, außer wenn man für künftigen Nachwuchs sorgen will, nicht durch Bildung zu vieler Ranken entkräftet, sondern nur auf eine beschränkt werden, deren Wachstum man durch eine längere Stütze fördern muß, an der sie so hoch emporranken soll, daß sie das für das folgende Jahr bestimmte Joch überragt und zu Fruchtholz gebogen werden kann. Wenn sie bis zu dieser Höhe gewachsen ist, ist die Spitze zu knicken, damit der Trieb lieber an Dicke zunimmt als durch unnötige Länge zu dünn wird. Eben diesen Trieb jedoch, den man als Stamm wachsen läßt, wird man von unten an bis zu dreieinhalb Fuß Höhe abranken und alle Nachtriebe an diesem Teil des Stammes öfter ausbrechen. Alles, was weiter oben austreibt, muß unberührt bleiben; es ist nämlich richtiger, den oberen Teil im kommenden Herbst mit dem Winzermesser zu beschneiden, als ihn im Sommer zu entranken, weil er an der Stelle, wo man einen Nebenschößling abgenommen hat, sofort einen anderen treibt, und wenn der herausgewachsen ist, bleibt am Stamm kein Auge, aus dem im folgenden Jahre Fruchtholz sprießen kann.
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7. K a p i t e l 1 Für jedes Abranken aber ist die richtige Zeit, solange die Triebe noch so schwach sind, daß sie sich mit leichtem Fingerdruck abbrechen lassen; wenn sie nämlich schon stärker verholzt sind, können sie nur mit stärkerer Anstrengung losgerissen oder mit der Hippe abgeschnitten werden, und das sollte man beides vermeiden, das eine, weil man bei dem Versuch, den Trieb abzureißen, der Mutterpflanze eine schwere Wunde beibringt, das andere, weil einem grünen und noch unaus2 gereiften Stock Schnittwunden schädlich sind, denn der Eingriff bleibt nicht auf die Stelle beschränkt, an der die Klinge ihr Werk getan hat, sondern in der Sommerhitze trocknet eine mit der Hippe tiefer eingeschnittene Wunde m i t ihrer Umgebung so ein, daß sie keinen ganz kleinen Teil des Körpers der Mutterpflanze selbst in Mitleidenschaft zieht. Wenn m a n also schon bei harten Banken die Hippe gebrauchen muß, so soll das ein wenig vom Stamm entfernt geschehen, und man soll eine Art Stümpfe, die die Gewalt der Hitze auffangen, stehen lassen, und zwar bis zu der Stelle, wo Seitentriebe abzweigen, weiter nämlich wirkt die 3 Hitze nicht. Mit Stecklingen verfährt man beim Abranken und Hochziehen ähnlich, wenn m a n sie einjährig verpflanzen will, was ich oft getan habe. Will man sie jedoch durchaus zurückschneiden, u m sie erst als zweijährige zu verwenden, so soll man, nachdem man sie schon auf einen einzigen Trieb beschränkt h a t und dieser über die Länge von einem F u ß hinausgewachsen ist, ihm den Kopf wegnehmen, damit er lieber bis zum Halse sich festigt und stärker wird. Das ist die erste Behandlung, die Stecklingen nach dem Pflanzen zuteil wird.
8. K a p i t e l 1 Wie Celsus und Atticus, die unsere Gegenwart mit Recht besonders schätzt, beide geschrieben haben, fordert dann die folgende Zeit nach der Oktobermitte umfangreichere Maßnahmen. Denn vor dem Einsetzen der Fröste m u ß um den Weinstock herum die Erde aufgegraben werden. Diese Arbeit legt die Tauwurzeln frei, und diese schneidet der erfahrene Landwirt mit dem Messer a b ; denn wenn er sie wachsen läßt, verkümmern die tiefer liegenden, und es kommt dann so, daß d e r Weinstock nur noch nahe der Erdoberfläche Wurzeln treibt, die vom F r o s t angegriffen werden und bei Wärme sich zu stark erhitzen, was dazu führt, d a ß 2 in den Hundstagen der Stock heftigen Durst leidet. Deshalb m u ß alles, was sich bis zu anderthalb F u ß Tiefe an Wurzelwerk entwickelt hat, freigegraben und abgeschnitten werden. Bei diesem Beschneiden geht man aber nicht ebenso vor, wie m a n es beim oberen Teil des Weinstockes machen soll. Keinesfalls nämlich darf man dicht am Wurzelansatz schneiden u n d das Messer a n den Stamm selbst bringen, denn wenn man unmittelbar an diesem eine Wurzel abgeschnitten h a t , werden entweder aus der Narbe mehrere neue sprießen, oder das Winterwasser,
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das vom Regen sich in den Räumgruben sammelt, wird, wenn es in der kalten Zeit gefriert, die frischen Wunden angreifen und bis zum Mark durchdringen; damit das nicht geschieht, muß man vom Stamm selbst einen Finger breit entfernt bleiben und dort die Wurzeln wegschneiden; entfernt man sie so, dann bilden sich keine neuer, und der Stamm bleibt vor weiterem Schaden bewahrt. Nach Vollendung 3 dieser Arbeit bleibt in Gregenden, wo der Winter mild ist, der Weinstock offen; wenn strengere Kälte das nicht zuläßt, schüttet man vor Mitte Dezember die erwähnten Räumgruben zu. Wenn aber irgendwo mit besonders starken Frösten zu rechnen ist, soll man vor dem Wiederzuschütten etwas Dung oder, was noch besser ist, Taubenmist über die Wurzeln breiten, oder man gießt je Weinstock sechs Sextarii alten Urins darüber, den man für diesen Zweck gesammelt hat. Räumen 4 aber muß man in den ersten fünf Jahren, solange der Weinstock heranwächst, in jedem Herbst; ist er ausgewachsen, läßt man diese Arbeit etwa drei Jahre ruhen. Dann wird nämlich der untere Teil des Stammes nicht vom Eisen verletzt, und so schnell bilden sich, wenn der Stock schon älter ist, keine Tauwurzeln.
9. Kapitel Dem Räumen folgt dann ein Beschneiden, bei dem nach der Vorschrift der alten 1 Autoren der Weinstock auf einen Trieb beschränkt wird und zwei Augen über dem Erdboden stehen bleiben. Dies Beschneiden darf nicht dicht an einem Knoten erfolgen, damit nicht das Auge im Wachstum stockt, sondern der Schnitt soll etwa in der Mitte zwischen zwei Knoten mit schräg gerichteter Hippe geführt werden, damit nicht die Wunde, wenn sie quer hindurch geht, das darauffallende Regenwasser festhält. Aber die Wunde soll auch nicht nach der Seite hin abwärts 2 gehen, wo das Auge sitzt, sondern nach der rückwärtigen, damit sie lieber zur Erde hin als in das Auge hinein tränt. Denn das herabtropfende Naß läßt das Auge erblinden und verhindert das Ausschlagen. 10. Kapitel Für das Beschneiden gibt es zwei Zeiten; wie Mago sagt, ist die bessere das Früh- 1 jähr vor dem Austreiben der Sprößlinge, da diese dann infolge der Saftfülle sich leicht, glatt und gleichmäßig schneiden lassen und der Hippe nicht widerstreben; dem Mago sind Celsus und Atticus gefolgt. Mir selbst scheint es weder richtig, die jungen Pflanzen, außer, wenn sie sehr schwach sind, durch starken Rückschnitt kurz zu halten, noch sie unter allen Umständen im Frühjahr zu beschneiden. Vielmehr soll man ihnen wenigstens im ersten Jahr, in dem sie gepflanzt sind, all- 2 monatlich, solange sie grün sind, durch häufiges Graben und Abranken helfen, damit sie Kraft gewinnen und nur einen einzigen Stamm bilden. Haben sie diesen
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entwickelt, so soll man, meine ich, ihn im Herbst oder, wenn es besser paßt, im Frühjahr einstutzen, von den Nebenschößlingen, die der Abranker am oberen Teil hat stehen lassen, befreien und so aufs Joch legen. Ein solcher Weinstock nämlich ist glatt und gerade und narbenlos, und er erhebt sich mit dem Trieb des ersten Jahres über das Joch. Aber nur selten und bei wenigen Landwirten kommt es dazu, und deshalb haben die genannten Schriftsteller gemeint, man solle die Erst3 lingstriebe des Weinstocks beschneiden. Keineswegs aber ist überhaupt und überall das Frühjahr die bessere Schneidezeit, denn in kaltem Klima zwar muß man sie gewiß wählen, wo aber das Land viel Sonne hat und die Winter mild sind, ist es am besten und natürlichsten, im Herbst zu schneiden, also dann, wenn nach ewiger göttlicher Ordnung die Weinstöcke Frucht bringen und Laub abwerfen. 11. Kapitel 1 So soll man, meine ich, verfahren, mag man nun bewurzelte Setzlinge oder Stecklinge gepflanzt haben. Denn jene alte Meinung, man dürfe einjährige Stecklingspflanzen nicht mit dem Messer berühren, da sie das schlecht vertrügen, hat die Praxis widerlegt, und Vergil, Saserna und Männer wie Stolo und Cato haben das ohne Grund gefürchtet; und sie irrten nicht allein darin, daß sie die Tauwurzeln des ersten Jahres unberührt ließen, sondern auch in dem anderen, daß sie nach zwei Jahren, wenn die Jungpflanze beschnitten werden mußte, den ganzen Oberteil bis zum Boden und bis an die Austriebsstelle selbst wegnahmen, damit der 2 Stock aus dem Harten triebe. Mich aber hat der beste Meister, die Praxis, belehrt, im ersten Jahre das Wachstum der Stecklinge zu lenken und zu verhindern, daß der Stock übermäßig viel Laubwerk bildet und wild wuchert, andererseits indessen ihn nicht so weit zu beschneiden, daß ich den ganzen Oberteil wegnahm, 3 wie es die Alten wollten. Denn das ist ganz unvernünftig, hauptsächlich deshalb, weil die Weinstöcke, wenn man sie bis zum Boden herunterschneidet, sozusagen unheilbar verwundet werden und in der Mehrzahl eingehen und auch die wenigen, die zäh weiterleben, weniger Fruchtholz bringen, weil ja, wie alle zugeben, Triebe 4 aus dem harten Holz sehr oft unfruchtbar sind. Man muß also den Mittelweg gehen und den Setzling weder ganz herunterschneiden noch ihn zu hoch ziehen; man kürze wohl den vorjährigen Trieb, lasse aber oberhalb der Stelle, wo er aus dem alten Holz wächst, ein Auge oder zwei stehen, aus denen er ausschlagen kann. 12. Kapitel 1 Dem Beschneiden folgt nun das Stützen des Weinstocks, aber zuerst braucht er noch nicht einen starken runden oder vierkantigen Pfahl; ich habe nämlich oft bemerkt, daß ein junger Weinstock an einer leichteren Stütze besser Halt findet
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als an einem dicken Pfahl. Man wird deshalb jedem jungen Weinstock zwei Rohrstäbe geben, und zwar alte, da frische sich vielleicht bewurzeln würden, oder wenn die Gegend sie bietet, aus Hecken herausgeschnittene Stäbe, an die man in der einen Richtung der Reihen je eine Querstange heftet, eine Anordnung des Joches, die die Landwirte Canterius nennen. Sehr wichtig ist, daß dabei die dicht 2 unter der Krümmung des Weinstockes hervortreibenden Ranken sich sogleich anklammern, sich mehr nach den Seiten als nach oben ausbreiten und, durch das Geländer gestützt, leichter den Winden standhalten. Das Joch soll man, bis der Weinstock erstarkt, nicht höher als vier Fuß anbringen.
13. Kapitel Dem Aufstellen der Stützen folgt dann die Arbeit des Binders. Dieser soll den 1 Weinstock gerade zum Joch hochführen. Wenn, wie manche Schriftsteller es für richtig halten, der Weinstock dicht neben dem Pfahl steht, muß der Mann, der ihn anbindet, beachten, daß er dabei nicht etwa einer zufälligen Krümmung des Pfahles folgen darf, denn das macht auch den Weinstock krumm. Wenn aber, wie es Atticus und einige andere "Landwirte wollen, zwischen Weinstock und Pfahl ein Abstand gelassen wird — was auch mir nicht schlecht scheint —, muß man neben den Weinstock ein gerades Rohr stecken, ihn vielfach festbinden und so ans Joch leiten. Sehr kommt es darauf an, welcher Art die Bänder sind, mit denen man die jungen Pflanzen anheftet. Solange nämlich der Weinstock jung ist, 2 bedarf es möglichst elastischer Bänder, weil er, wenn man ihn mit Weiden- oder Ulmenruten gebunden hat, sich beim Wachsen selbst abschnürt. Am besten sind daher Ginster, Binsen, die man in den Sümpfen schneidet, oder Schilf. Nicht am schlechtesten jedoch eignen sich für diesen Zweck auch die im Schatten getrockneten Blätter des Rohres.
14. Kapitel Auch bei den Stecklingen muß in ähnlicher Weise gesorgt werden, daß sie auf ein 1 Auge oder zwei zurückgeschnitten und im Herbst oder vor dem Austreiben im Frühjahr ans Joch gebunden werden. Ihnen muß man, wie gesagt, ein Geländer als Stütze geben, das der Erde näher ist als bei den richtigen Weinstöcken; es darf nämlich nur fußhoch sein, so daß die noch schwachen Ranken, um nicht vom Wind entwurzelt zu werden, sich mit ihren Gäbelchen daran festhalten können. Dann kommt der Arbeiter, der durch häufiges Hacken mit dem Karst die Erddecke gleichmäßig kleinkrümelt. Dieses flache Hacken empfehle ich sehr; denn 2 jenes andere, das man in Spanien das Winterhacken nennt und bei dem man die Erde von den Weinstöcken wegzieht und in der Mitte zwischen den Reihen auf-
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häuft, scheint mir überflüssig, weil ja schon die Herbsträumung vorangegangen ist, die die oberen Wurzeln freigelegt und zu den unteren die Winterregen durchgelassen hat. Was aber die Häufigkeit des Hackens betrifft, so muß es ebenso oft erfolgen wie im ersten Jahr, höchstens einmal weniger; denn unbedingt muß der Boden wiederholt bearbeitet werden, bis die Stöcke soviel gewachsen sind, daß sie 3 ihn beschatten und kein Unkraut aufkommen lassen. Beim Entranken muß jetzt ebenso verfahren werden wie im ersten Jahr, denn noch muß gewissermaßen der Jugendübermut der Pflanzen im Zaum gehalten werden, und man darf sie umsomehr nur mit einem Trieb wachsen lassen, als ihr zartes Alter es nicht verträgt, zugleich mit Frucht und Ranken belastet zu werden. 15. Kapitel 1 Wenn dann der anderthalbjährige Weinacker erntereif ist, wird er gleich nach der Traubenlese dichter besetzt; als Ergänzung fügt man Stecklinge ein, die zu diesem Zweck gepflanzt waren, oder, wenn keine zur Verfügung stehen, zieht man vom in der Reihe stehenden Weinstock zum nächsten Pfahl einen Senker. Jetzt nämlich ist die richtige Zeit, durch Nachpflanzung das gesamte Stützwerk zu be2 kleiden, nicht aber dann, wenn man zu ernten hat. Senker erzielt man, wenn man über der Erde eine Rebe dicht neben ihrer Stütze umbiegt und sie von oben her in eine Grube gesenkt an einen leerstehenden Pfahl bringt; sie treibt dann aus dem Bogen kräftig Ranken, die sofort an ihren Stab geheftet und zum Joch 3 hochgezogen werden. Im folgenden Jahr wird der Bogen von der Oberseite her bis zum Mark eingekerbt, damit der Senker nicht der Mutterpflanze die ganze Kraft entzieht und allmählich lernt, sich durch seine eigenen Wurzeln zu ernähren. Zweijährig schneidet man ihn dann ganz dicht an dem Zweige ab, den man aus dem Bogen hat wachsen lassen; rings um das, was nun, von der Mutter losgetrennt, selbständig geworden ist, wird sofort tief gegraben und der Wurzelstock nach Aushöhlung einer kleinen Grube bis unten beschnitten und wieder zugeschüttet, damit er seine Wurzeln abwärts treibt und sie nicht, wenn man ihn nachlässig nur dicht unter der Erdoberfläche beschneidet, am oberen Teile wachsen 4 läßt. Für das Abschneiden des Senkers aber gibt es keine bessere Zeit als die von Mitte Oktober bis Mitte November, damit er in den Wintermonaten seine Wurzeln kräftigen kann. Tut man es nämlich im Frühjahr, wenn die Triebe zu knospen beginnen, so beginnt er, der Mutternahrung plötzlich beraubt, zu siechen. 16. Kapitel 1 Gleiches gilt für das Verpflanzen des Setzlings. Denn am richtigsten wird er, wenn Klima und Gegend es gestatten, im zweiten Herbst nach Mitte Oktober herausgenommen und gepflanzt; wenn jedoch von Boden oder Wetter her irgendwelche
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Unbilden drohen, verschiebt man die Arbeit besser auf das nächste Frühjahr. Innerhalb von Weinpflanzungen soll man ihn länger nicht stehenlassen, damit er nicht die Kräfte des Bodens verbraucht und die Weinstöcke in den Reihen schädigt; je schneller diese von der Gesellschaft der Setzlinge befreit werden, desto leichter erstarken sie; in der Pflanzschule dagegen kann man einen drei- und auch vierjährigen Setzling behalten, wenn man ihn zurückgeschnitten hat und kurz hält, denn dort braucht man ja auf Ernte nicht Rücksicht zu nehmen. Sobald 2 ein Weinstock seit der Pflanzung über dreißig Monate steht, also im dritten Herbst, muß er gleich mit kräftigeren Pfählen gestützt werden, und das darf man nicht beliebig oder von ungefähr machen. Denn wenn ein Pfahl nahe dem Stamme in die Erde getrieben wird, soll man doch einen Fuß entfernt bleiben, damit er nicht die Wurzel drückt oder verletzt und damit der Gräber von jeder Seite rings um den Weinstock graben kann; man muß ihn auch so setzen, daß er die Gewalt von 3 Kälte und Nordwind abfängt und den Weinstock schützt. Wird der Pfahl aber mitten in den Raum zwischen den Stöcken gesetzt, so soll man ihn entweder eingraben oder erst mit einem kleineren Pfahl vorbohren und ihn dann tiefer eintreiben, damit er desto leichter die Last des Jodhes und der Trauben trägt. Denn je näher man ihn an den Weinstock rückt, desto fester steht er, auch wenn er nur locker eingeschlagen ist; berührt er nämlich den Stock, so wird er von ihm gestützt und stützt ihn seinerseits. An den Ständern sind dann stärkere Joche zu 4 befestigen; man nimmt dazu entweder Weidenstangen, oder sie werden aus mehreren Rohrstäben gebündelt, damit sie steif genug sind und sich unter der Traubenlast nicht biegen; man wird jetzt ja auch jeder Pflanze zwei Stützen geben müssen, außer wenn die Schwachwüchsigkeit eines Weinstockes kürzeren Schnitt erfordert und von ihm nur ein einziger Trieb mit wenigen Augen stehenbleibt.
17. Kapitel Stangen machen das Joch fester und erfordern weniger Arbeit. Für Joche aus 1 Rohrstäben braucht man mehr Arbeiter, da sie ja an mehreren Stellen zusammengebunden werden und man sie so verknüpfen muß,, daß die Spitzen jeweils einander entgegengesetzt liegen, damit das Joch überall gleich dick ist; denn wenn die Spitzen nach der gleichen Seite gerichtet sind, so läßt dieser schwächere Teil, wenn er belastet wird, die schon reifen Trauben zur Erde sinken und gibt sie den Hunden und Wildtieren*preis. Ist dagegen das Joch aus mehreren Stäben mit den 2 Spitzen einmal nach hier, einmal nach dort gebündelt, so hält es ungefähr fünf Jahre. Späterhin wird Beschneiden und die sonstige Pflege nicht anders gehandhabt als in den ersten zwei Jahren. In jedem Herbst nämlich soll man fleißig räumen und auch leerstehende Pfähle mit Senkern bekleiden. Diese Arbeit muß ja alle Jahre regelmäßig wiederholt werden, denn unser Pflanzgut kann nicht unsterblich sein; vielmehr sorgen wir für seine Unvergänglichkeit dadurch, daß 3 10 Ährens
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wir an die Stelle von abgestorbenen Pflanzen andere setzen, und dulden nicht, daß durch jahrelange Vernachlässigung die gesamte Anlage dem völligen Verderben anheimfällt. Es muß auch häufig gehackt werden, wenn es auch einmal weniger geschehen darf als im ersten Jahr. Ebenso muß man oft abranken, denn es ist nicht genug, nur ein- oder zweimal in einem ganzen Sommer dem Weinstock sein überflüssiges Laub zu nehmen. Vornehmlich aber ist alles zu beseitigen, was unterhalb der Krone des Stammes hervorgesproßt ist, und ebenso muß man, wenn einzelne Augen unter dem Joch zwei Triebe entwickelt haben, auch bei reichem Fruchtansatz einen davon entfernen, damit der übrigbleibende freudiger wächst und seine Trauben besser zur Reife bringt. Wenn zweiundvierzig Monate vergangen sind, muß nach der Lese der Weinstock so beschnitten werden, daß man mehrere Ranken wachsen läßt und ihn sternförmig auseinanderzieht. Aufgabe des Beschneiders aber ist es, im Abstand von etwa einem Fuß unterhalb des Joches den Weinstock zu kappen, damit alle jungen Kronentriebe sich in Armen ausbreiten, zum Wachstum angeregt und über das Joch gebogen soweit abwärts geleitet werden, daß sie die Erde nicht berühren. Man soll aber den Kräften des Stockes entsprechend Maß halten, daß man nicht mehr Triebe wachsen läßt, als er ernähren kann. Ungefähr erlaubt das genannte Alter bei fruchtbarem Boden und gesundem Stamm drei Zweige, selten vier, und diese muß der Binder nach ebenso vielen Seiten verteilen. Sinnlos ist es, ein Joch sternförmig abzuteilen und auseinanderzuziehen, wenn man keine Zweige zum Anbinden hat. Nicht alle Landwirte freilich sind mit dieser Sternform einverstanden, viele begnügen sich nämlich mit der einfachen Reihe; standfester aber ist für die Last der Ranken und für die Schwere der Frucht ein Weinstock, der beiderseits ans Joch gebunden wie durch Anker im Gleichgewicht gehalten wird. Er breitet dann auch an mehreren Armen Ranken aus, und wenn er allseitig unterstützt wird, entfaltet er sie leichter als einer, den man mit zahlreichen Ranken an einem einfachen Geländer zusammendrängt. Wenn jedoch die Weinstöcke zu eng gepflanzt oder nicht sehr fruchtbar, auch nicht Sturm und Unwetter ausgesetzt sind, können sie an einem Joch genug haben. Wo mit großer Gewalt Regengüsse niederprasseln und Witide auf die Weinstöcke einstürmen, wo sie durch die Wassermassen ins Wanken gebracht werden, wo sie an steilen Hängen gleichsam klebend stärksten Schutz verlangen, da müssen sie ringsum gesichert werden, so wie im geschlossenen Viereck die Soldaten marschieren. In warmer und trockenerer Gregend aber sollte man das Joch nach allen Seiten ausbreiten, damit die Ranken im Wachstum sich ganz und gar zusammenschließen und wie eine dichte Laube die Erde überschatten, daß sie nicht dürstet. In Landstrichen mit viel Regen und Kälte und Reif indessen legt man einfache Reihen an, denn so dringt die Sonne leichter zum Boden, die Frucht reift besser durch, und es gibt eine gesundere Durchlüftung; auch die Hacker können freier den Karst schwingen, wie es sich gehört, die Prüfenden können die Frucht besser beurteilen, und der Winzer kann sie bequemer ernten.
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18. Kapitel Immer aber müssen, wie man auch die Pflanzungen anordnen mag, je hundert 1 Stöcke als Einzelgärten durch Pfade voneinander getrennt werden, oder man muß, wie manche wollen, das gesamte Gelände in Parzellen von der Größe eines halben Morgens aufteilen. Abgesehen von dem Vorteil, daß solche Abgrenzung den Weinstöcken mehr Sonnenstrahlung und Durchlüftung zukommen läßt, erleichtert sie es auch dem Herrn, die Pflanzung zu betreten und sie zu prüfen, was ihr immer gut tut, und gibt ihm bei der Leitung der Arbeiten einen klaren Überblick. Ist nämlich jeder Morgen gleichmäßig aufgeteilt, so kann man sich nicht irren. Je kleiner außerdem das Grundmaß ist, nach dem die Parzellierung 2 in Gärtchen erfolgt, desto mehr mindert sie gewissermaßen die Ermüdung, treibt die Arbeiter an und lockt sie zu eilen, denn die Unbegrenztheit einer zu bewältigenden Aufgabe schwächt gewöhnlich die Arbeitslust. Es ist auch durchaus von Vorteil, Kraft und Gedeihen eines jeden Teiles der Weinpflanzung zu kennen, damit man in der Lage ist zu beurteilen, welche mehr und welche weniger pflegebedürftig sind. Den Winzern schließlich und den Leuten, die Joch und Pfähle ausbessern, geben diese Pfade genügend weiten Baum, durch den sie Trauben oder Stützen tragen können. 19. Kapitel Wie weit ein Joch sich über die Erde erheben muß, darüber braucht man nicht 1 mehr zu sagen, als daß das niedrigste vier, das höchste sieben Fuß hoch sein soll. Dies Maß ist jedoch bei jungen Stöcken zu vermeiden, denn für die Neuanlage von Weinpflanzungen gilt es noch nicht, vielmehr wird erst in einer langen Reihe von Jahren ein Weinstock bis zu dieser Höhe geführt. Je feuchter übrigens 2 Boden und Klima und je sanfter die Winde sind, desto höher darf sich das Joch erheben. Denn ein fröhlich wachsender Weinstock verträgt es, höher geleitet zu werden, und Trauben, die weiter vom Boden entfernt sind, faulen weniger, und nur so kann der Wind hindurchwehen, der Nebel und verderblichen Tau schnell trocknet und viel zum Abblühen und zur Güte des Weins beiträgt. Armes, 3 ansteigendes und hitzedürres Land hinwiederum oder auch solches, das heftigen Stürmen ausgesetzt ist, verlangt niedrigere Joche. Wenn dagegen alles den Wünschen entspricht, ist die richtige Höhe eines Weinstockes fünf Fuß, wobei es freilich nicht zweifelhaft ist, daß der Most, den die Stöcke hefern, desto besser schmeckt, je höher sie am Joch emporsteigen. 20. Kapitel Ist der Weinstock mit Pfählen und Joch versehen, so schließt sich die Arbeit 1 des Binders an, dessen vornehmste Pflicht es ist, wie ich oben gesagt habe, den Stamm gerade zu halten und nicht einer Biegung des Pfahles zu folgen, damit 10»
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nicht krumme Stützen den Weinstock ebenso krumm werden lassen. Das ist nicht nur wichtig für das gute Aussehen, sondern auch für Fruchtbarkeit, Standfestigkeit und Lebensdauer, denn ein gerader Stamm hat auch ebensolches Mark, durch das wie auf einer Straße ohne Biegung und Hindernisse die nährenden Säfte der Mutter Erde leichter ihren Weg nehmen und zur Höhe gelangen; krumme und verdrehte dagegen werden nicht gleichmäßig bespült, da die Knoten es hindern und die Krümmung, wie in einem Fluß die Untiefen, das Strömen der Erdfeuchtigkeit aufhält. Wenn also der Weinstock bis zur Pfahlhöhe gerade emporgezogen ist, wird er mit einer Schlinge festgeschnürt, damit er nicht, wenn Trauben ihn beschweren, in sich zusammensinkt und krumm wird. Dann werden von der Stelle aus, wo er dem Joch am nächsten angebunden ist, Arme nach den verschiedenen Richtungen verteilt, die Banken über das Joch gelegt und mit Hilfe eines Bandes abwärtsgebogen. So füllt sich alles, was vom Joch herabhängt, mit Trauben, und die Krümmung wiederum treibt dicht an dem Bande Ranken hervor. Manche ziehen den Teil, den ich überhängen lasse, oben auf dem Joch entlang und halten ihn durch Herumschlingen zahlreicher Ruten fest. Mit diesen bin ich gar nicht einverstanden, denn den herabhängenden Ranken schaden Regen, Reif und Hagelschläge nicht so sehr wie denen, die man festgebunden und sozusagen den Unwettern ausgesetzt hat. Vor dem Reifen der Trauben, solange sie noch verschiedenfarbig und sauer sind, muß man jene Ranken allerdings aufbinden, damit die Frucht bei Tau weniger fault und Wind oder Tiere sie nicht so sehr verwüsten. An Haupt- und Querwegen werden die Ranken nach der Innenseite gebogen, damit sie nicht durch Daranstreifen von Vorübergehenden beschädigt werden. Auf solche Weise bringt man den Umständen gemäß die Weinstöcke an das Joch, und wenn einer zu schwach oder kurz ist, schneidet man ihn auf zwei Augen zurück, damit er einen stärkeren Stamm treibt, der dann schnell zum Joch emporschießen wird. 21. Kapitel
1 Einen fünfjährigen Weinstock beschneidet man nur so, daß er die Form erhält, wie ich es oben besprochen habe, und nicht ziellos höher wächst, daß vielmehr seine Krone etwa einen Fuß unter dem Joch bleibt und in vier Armen, die manche Holzreben nennen, sich nach ebenso vielen Seiten verzweigt. Bis die Stöcke die richtige Kraft haben, wird es einstweilen genug sein, die Arme mit nur einer Fruchtrebe wachsen zu lassen. Wieviele man dann, wenn die Stöcke nach einigen Jahren sozusagen Jünglingsalter erreicht haben, stehen lassen soll, ist ungewiß, 2 denn ein fruchtbarer Platz fordert mehr, magerer Boden weniger, da ja ein üppig wachsender Stock, wenn er nicht zum Fruchttragen beschnitten wird, schlecht ansetzt und in Ranken und Laub seine Kraft vergeudet, ein schwacher hingegen, wenn er überladen ist, Schaden leidet. Daher wird man bei fettem Boden jedem
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Arm zwei Banken lassen können, ihn jedenfalls aber — es sei denn, daß allzuüppiges Wachstum mehr verlangt — nicht stärker belasten, als daß ein Stock acht Reben ernährt. Einer, der mit noch mehr Ranken ausgebreitet wird, gleicht nämlich eher einer Laube als einem Weinstock. Man darf auch nicht zulassen, daß 3 die Arme voller sind, als der Stamm, vielmehr muß man die Holzreben, vorausgesetzt, daß man aus ihren Seiten neue Reben wachsen lassen kann, oben fleißig kappen, daß sie nicht das Joch überschreiten, sondern der Weinstock sich immer durch neue Triebe verjüngt. Sind diese genügend entwickelt, so legt man sie über das Joch, wenn aber einer von ihnen abgebrochen oder zu kurz geraten ist, jedoch an passender Stelle steht, von der aus sich der Stock im folgenden Jahre erneuern soll, wird er zum ,Daumen' geschnitten, den manche auch Wächter, andere Stumpf, einige Nothelfer nennen, das heißt zu einem Reis mit zwei oder drei Augen; wenn aus diesem dann Fruchttriebe hervorgewachsen sind, wird alles, was von dem alten Arm darüber ist, weggeschnitten, und so schlägt aus dem Jungwuchs der Weinstock neu aus. Dies Verfahren. Weinstöcke gut instandzuhalten, behält man dauernd bei.
22. Kapitel Wenn man aber anders geformte Weinstöcke übernommen hat und sie infolge langjähriger Vernachlässigung über das Joch hinausgewachsen sind, wird zu prüfen sein, wie lang die verholzten Reben sind, die das genannte Maß überschreiten. Sind sie nämlich zwei Fuß lang oder nur wenig länger, so läßt sich noch der ganze Weinstock unter das Joch bringen, wenn nur der Pfahl dicht am Stamm steht. Er wird dann nämlich vom Weinstock entfernt und genau in der Mitte zwischen zwei Reihen eingeschlagen, der Stock wird schräg zu ihm hingeführt und so an das Joch geheftet. Ragen dagegen seine Holzreben mehr über das Joch hinaus, so daß sie bis zur vierten oder auch fünften Stütze weitergekrochen sind, dann läßt sich der Stock nur mit größerem Aufwand in Ordnung bringen. Verjüngt man ihn nämlich durch Senker, was mir am meisten zusagt, so kommt er sehr schnell wieder hoch. So verfährt man indessen nur, wenn der Stock alt und sein Stamm oben hohl ist, ein kräftiger und gesunder macht weniger Arbeit. Im Winter räumt man und sättigt ihn mit Dung, schneidet ihn kurz und verwundet ihn zwischen dem vierten und dritten Fuß von der Erde aus gerechnet an einer ganz grünen Stelle der Rinde mit der scharfen Spitze des Messers. Durch häufiges Graben lockert man dann die Erde, damit er zum Treiben gereizt wird und besonders in der Nähe der Wunde ausschlägt. Gewöhnlich kommt ein Trieb aus der Narbe hervor, den man, wenn er länger austreibt, als Rebe wachsen läßt, bleibt er kürzer, zum .Daumen' macht; ist er ganz klein, so läßt man ihn als Nebenschößling stehen; ein solcher kann sich auch aus dem winzigsten haardünnen Trieb entwickeln, denn wenn ein Reis mit nur einem oder zwei Blättern aus dem
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harten Holz gesproßt ist, so wird es, falls man es auswachsen läßt und im nächsten Frühjahr nicht abknotet oder einstutzt, eine kräftige Rebe treiben, und wenn diese herangewachsen ist und gleichsam einen neuen Arm bildet, kann man den zu weit hinausragenden Teil der Holzrebe wegschneiden und dann den Rest ans Joch bringen. Viele, denen das zu lange dauert, schneiden solche Weinstöcke in vier Fuß Höhe ohne Scheu vor einem so starken Eingriff einfach ab, da ja fast alle Stämme sich so verhalten, daß sie an der Narbe neue Laubtriebe machen. Mit diesem Verfahren bin ich aber nicht einverstanden, weil doch eine größere Wunde, wenn sie nicht über sich kräftiges Holz hat, mit dessen Hilfe sie verwachsen kann, von der Sonnenglut ausgedörrt wird und später durch Tau und Regen fault. Wenn aber ein Weinstock durchaus zurückgeschnitten werden soll, ist es richtig, zuerst zu räumen, dann ihn etwas unter der Erdoberfläche abzuschneiden, damit die wieder daraufgeworfene Erde die Gewalt der Sonne abhält und er neu aus den Wurzeln hervorbrechende Ranken aussendet, die entweder ihre eigenen Stützen bekleiden oder benachbarte, die etwa leer sind, mit Senkern versehen können. Das darf aber nur dann geschehen, wenn Weinstöcke tiefer eingesetzt sind und nicht nur oben unsicher haftende Wurzeln haben, und wenn sie von edler Sorte sind; denn sonst wird die Mühe verschwendet, weil ja unedle auch nach der Erneuerung ihre frühere Art behalten, diejenigen aber, die kaum oberflächlich in der Erde haften, eher eingehen als zu Kräften kommen werden. Die einen also kann man wohl noch mit fruchtbaren Reisern pfropfen, die andern müssen völlig gerodet und ersetzt werden, wenn anders die Güte des Bodens es empfiehlt. Ist eine Pflanzung durch dessen Schuld verkommen, sollte man sie, meine ich, überhaupt nicht wieder herrichten. Bodenfehler, die gewöhnlich Weinpflanzungen zum Absterben bringen, sind Dürre und Magerkeit der Erde, salzige oder bittere Feuchtigkeit, Lage an steilem Abhang oder in allzudunklem und von der Sonne abgewandtem Tal, auch sandiger Tuff oder übermäßig saftarmer Sand, ebenso Kies ganz ohne erdige Bestandteile und was sonst noch den Wein nicht nährt. Wenn aber diese und ähnliche Mängel nicht vorliegen, kann nach dem Verfahren, das ich im vorigen Buche beschrieben habe, die Weinpflanzung sofort wieder hergestellt werden. Jene Pflanzungen von schlechten Sorten wiederum, die wohl kräftig wachsen, aber wegen ihrer Unfruchtbarkeit keine Trauben bringen, lassen sich, wie gesagt, verbessern, wenn man sie pfropft. Davon werde ich reden, wenn ich zu diesem Thema komme. 23. Kapitel
1 Da ich, wie mir scheint, über das Beschneiden der Weinstöcke noch zu wenig gesagt habe, will ich jetzt diesen besonders notwendigen Teil meines Vorhabens genauer behandeln. Wenn in der Gegend, die man bebaut, ein mildes und gemäßigtes Klima es zuläßt, halte ich es also für richtig, mit dem Schneiden anzufangen,
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sobald nach der Oktobermitte die Weinlese abgeschlossen ist. Doch müssen die Herbstregen vorbei und die Banken richtig ausgereift sein; bei Trockenheit zögert man das Schneiden hinaus. Wenn aber kaltes Wetter und starke Reif- 2 bildung einen strengen Winter verheißen, wird man die Arbeit bis Mitte Februar verschieben. So kann man vorgehen, wenn die Besitzung nur klein ist. Denn wo einem die Ausdehnung des Gutes den Zeitpunkt zu wählen verwehrt, sollte man die kräftigsten Abteilungen der Pflanzung im Winter, die schwächsten im Frühjahr oder Herbst beschneiden, oder auch die nach Süden gerichteten in den kürzesten Tagen, Frühjahr und Herbst hindurch die Nordlagen. Und ohne Zweifel 3 ist der Wein so beschaffen, daß er, je früher man ihn beschneidet, desto mehr Laubranken bildet, je später der Schnitt erfolgt, desto mehr Fruchtholz. 24. Kapitel Wann auch immer der Winzer sich dieser Arbeit unterzieht, dreierlei muß er vornehmlich beachten, erstens, daß er so sehr wie möglich für Fruchtholz sorgt, zweitens, daß er schon jetzt möglichst tragwillige Reben für das folgende Jahr auswählt, drittens dann, daß er dem Weinstock ein recht langes Leben sichert; denn alles, was hierbei unterlassen wird, bedeutet für den Herrn großen Verlust. Wenn nun der Weinstock vierseitig geteilt ist, schaut er nach ebensovielen Himmelrichtungen. Da diese untereinander gegensätzliche Eigenschaften haben, wollen auch die Teile der Weinstöcke je nach ihrer Stellung verschieden behandelt werden. So dürfen die nach Norden schauenden Arme nur ganz wenige Wunden erhalten, zumal wenn sie bei eintretendem Frost beschnitten werden, der die Narben verbrennt; Man darf daher nur die eine dem Joch am nächsten stehende Rebe als Tragholz wachsen lassen und eine unter dieser als Sparrebe, die den Weinstock dann im nächsten Jahr verjüngen soll. Im Gegensatz dazu sollen nach Süden mehr Ranken stehen bleiben, die die Pflanze beschatten, wenn sie von der Sonnenglut geplagt wird, und nicht zulassen, daß die Trauben vor der Reife verdorren. Für Osten und Westen gibt es kaum große Unterschiede im Beschneiden, weil ja der Weinstock aus diesen beiden Richtungen gleichviele Stunden lang Sonne bekommt; die Menge des Tragholzes wird sich also nach der Fruchtbarkeit des Bodens und des Stockes selbst richten. Soviel allgemein; im einzelnen ist folgendes zu beachten. Um damit gleichsam von Grund auf ganz unten am Weinstock zu beginnen, so muß immer rings um seinen Fuß mit der kleinen Hacke die Erde weggescharrt werden, und wenn ein Schößling — die Landwirte nennen ihn Wurzelschoß — an den Wurzeln sitzt, so ist er sorgfältig zu entfernen und die Stelle mit dem Messer zu glätten, damit sie die Wintemässe nicht aufnimmt. Man soll auch einen aus der Wunde neu ausschlagenden Schößling lieber ausreißen und sie nicht knotig und rauh lassen, denn auf diese Weise vernarbt sie schnell, sonst aber wird sie ausgehöhlt und fault. Ist dann gewissermaßen der Fuß des
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Weinstocks fertig behandelt, so sieht "man sich Schenkel und Rumpf ringsherum daraufhin an, daß ja nicht eine zwischendurch gewachsene Laubranke oder ein warzenähnlicher Nebenschößling stehenbleibt, außer, wenn ein Weinstock über das Joch hinausgewachsen ist und deswegen von unten her verjüngt werden soll. Sollte aber eine Schnittstelle am Rumpf durch Sonnenstrahlung stark ausgedörrt oder ein Stock durch Wasser oder Ungeziefer, das durch das Mark hineinkriecht, hohl geworden sein, so wird man mit der Hacke alles Abgestorbene ausputzen und dann mit dem Messer bis zum lebenden Holz schaben, so daß sich die Narbe an der grünen Rinde bildet. Ohne viel Mühe kann man die geglätteten Wunden dann mit Erde bestreichen, die man vorher mit Amurca angefeuchtet hat. Solcher Aufstrich verscheucht nämlich Holzwurm und Ameise, hält auch Sonne und Regen ab; die Wunde verwächst daher schneller, und die Frucht bleibt frisch. Auch trockene und gerissene Rinde, die vom Stamm herabhängt, wird bis zum Stammkörper abgeschält, weil ein gleichsam vom Schmutz gesäuberter Weinstock besser wächst und dem Wein weniger Hefe mitteilt. Ferner ist das Moos, das wie eine Fessel unten den Weinstock umschließt und beengt und ihn durch alten Moder morsch macht, mit dem Messer abzustreifen und loszukratzen. Soviel zum unteren Teile des Weinstocks. Ebenso will ich nun das, was am Oberteil zu tun ist, der Reihe nach vortragen. Schnitte am harten Holz müssen schräg und rund gemacht werden, sie verwachsen dann schneller und lassen, solange sie noch nicht vernarbt sind, das Wasser leichter abfließen, Querwunden dagegen nehmen mehr Nässe auf und halten sie fest. Hier darf sich der Winzer am wenigsten eine Nachlässigkeit zuschulden kommen lassen. Weitläufige, alte, schlecht entwickelte, verdrehte, abwärts gerichtete Ranken schneide er zurück, junge und fruchtversprechende lasse er wachsen. Er schone junge und grüne Arme, trockne und alte schneide er mit der Hippe ab. Die Stümpfe oberhalb des Auges der vorjährigen Ersatzreben beseitige er nach einem Jahr. Er ziehe den Weinstock bis zu einer Höhe von etwa vier Fuß über dem Erdboden und ordne ihn nun zu ebensovielen Armen, von denen jeder nach einer anderen Seite des gekreuzten Joches sieht. Entweder läßt er dann, wenn der Stock nicht sehr wüchsig ist, an jedem Arm eine Rebe stehen, oder, wenn er kräftiger wächst, deren zwei, und leitet sie über das Joch hinweg nach unten. Man denke aber daran, daß nicht zwei oder gar mehr Tragreben in der gleichen Richtung und an derselben Seite des Armes sitzen dürfen, denn es schädigt den Stock sehr, wenn nicht beide Seiten eines Armes gleichmäßig beansprucht werden und er den Saft nicht in gleicher Menge seinen Sprößlingen zuteilt, sondern einseitig ausgesogen wird. Das führt dazu, daß die Ader, der aller Saft entzogen wird, wie vom Blitz getroffen verdorrt. Oft entwickelt sich auch mitten in der Astgabel ein sogenannter Kehlschoß; so bezeichnen ihn die Landleute, weil er zwischen zwei Armen da, wo sich der Weinstock teilt, hervorkommt und diese schlundartige Stelle in Besitz nimmt; er entzieht beiden Armen die Nahrung und verbraucht sie für sich. Solchen Schmarotzertrieb schneiden daher die Winzer, bevor er stärker wird, sorgfältig heraus und glätten die Stelle. Ist
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er jedoch schon so kräftig geworden, daß er beide Arme geschädigt hat, so nimmt man den schwächeren von diesen weg und läßt dafür den Kehlschoß wachsen; sobald man nämlich den Arm abgeschnitten hat, fuhrt die Pflanze den beiden anderen Teilen ihre Säfte gleichmäßig zu. Das Haupt des Weinstockes also soll der Winzer einen Fuß unter dem Joch in der Weise formen, daß sich von ihm, wie gesagt, vier Arme ausbreiten; an diesen ist alljährlich der Stock zu verjüngen, indem man die alten Reben entfernt und neue wachsen läßt, die aber geschickt ausgesuoht werden müssen. Wo man nämlich unter vielen Tragreben wählen kann, achte man beim Beschneiden darauf, daß nicht diejenigen stehenbleiben, die dem harten Holz, also dem Stamm und Kopf, am nächsten wachsen, aber auch nicht die, die von ihm am weitesten entfernt sind, denn jene sind für die Lese von sehr geringem Wert, weil sie nur so wenig Trauben bringen, daß man sie fast für Laubranken halten möchte; diese erschöpfen den Weinstock, weil sie ihn durch übermäßige Fruchtbildung zu stark beanspruchen und sich bis zum zweiten und dritten Pfahl auszudehnen streben, was ich schon als fehlerhaft bezeichnet habe. Deshalb wird' man am besten die Triebe am mittleren Teil des Armes stehen lassen, da sie weder die Hoffnung auf die Lese enttäuschen noch ihren Stock auszehren. Manche locken allzu gierig Früchte dadurch hervor, daß sie sowohl die äußersten wie auch die mittleren Reiser wachsen lassen und außerdem noch das stammnächste Reis zur Vorratsrebe verschneiden; das sollte man meiner Meinung nach höchstens dann tun, wenn die Kräfte von Boden und Stock es erlauben; die Reben bekleiden sich nämlich so stark mit Trauben, daß diese, wenn die Güte des Bodens und die Tragfreudigkeit des Stockes fehlt, nicht ausreifen können. Eine Vorratsrebe zum Daumen zu schneiden, ist überflüssig, wenn Reben, von denen man für das nächste Jahr Frucht erwarten kann, an geeigneter Stelle sitzen; denn dadurch, daß man diese ans Joch bindet und erdwärts biegt, nötigt man sie, unterhalb des Bandes auszuschlagen. Ist dagegen der Weinstock von seinem Haupte her weiter, als es dem. Landwirt erwünscht ist, hinausgewachsen und mit seinen Armen auf fremde JochVierecke hinübergekrochen, so wird man am Stamm eine gesunde und möglichst kräftige Ersatzrebe mit zwei oder drei Knoten stehenlassen und die Ranken, die im Jahre darauf aus dieser Art von Daumen wachsen, zu Armen ausbilden, damit danii der Weinstock zurückgeschnitten und verjüngt auf sein Joch beschränkt wird. Beim Schneiden einer Ersatzrebe aber ist auf folgendes besonders zu achten. Erstens soll die Wunde nicht aufwärts zum Himmel, sondern lieber abwärts zur Erde gerichtet sein, denn so schützt sie sich selbst vor Frost und liegt bei Sonnenschein im Schatten; zweitens soll die Schnittstelle nicht pfeilähnlich, aber auch nicht wie ein Huf aussehen, denn jene stirbt schneller und in weiterer Ausdehnung ab, diese verlangsamt und schwächt das Wachstum. Einen anderen äußerst fehlerhaften Brauch, den ich bemerke, sollte man durchaus meiden; damit nämlich um des schönen Aussehens willen die Vorratsrebe kürzer ist und einem Daumen gleicht, schneiden manche das Reis dicht an einem Knoten; das ist aber ganz zweck-
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widrig, weil das an der Wunde liegende Auge durch Reif und Frost, dann wieder durch Hitze leidet. Am besten also kappt man die Hilfsrebe ungefähr in der Mitte zwischen zwei Knoten und führt den Schnitt schräg abwärts nach der vom Auge abgewandten Seite hin, damit er nicht, wie früher beschrieben, über das keimende 17 Auge tränt und es blendet. Wenn man keine Vorratsrebe machen kann, muß man sich nach einem Nebentrieb umsehen, der bis auf einen ganz kleinen Höcker eingestutzt dann im nächsten Frühjahr Banken treiben soll, die man entweder zum Arm ausbildet oder als Fruchtreben herabsenkt. Sollte auch ein solcher sich nicht finden lassen, so verletzt man durch Ritzen mit dem Messer den Weinstock dort, wo man Triebe hervorlocken möchte. Ferner soll man meiner Meinung nach die Reben, die man zum Fruchttragen vorbereitet, unbedingt von Gäbelchen und 18 Blattachseltrieben befreien. Bei deren Schnitt verfährt man aber anders als bei Trieben, die aus dem Stamm kommen. Bei allem nämlich, was aus hartem Holz wächst, wird das Messer energischer angesetzt, man knotet die Stelle ab und glättet sie, damit sie möglichst schnell vernarbt. Was jedoch aus dem Weichen treibt, zum Beispiel Blattachseltriebe, schneidet man vorsichtiger, weil ganz dicht neben der Schnittstelle das Auge sitzt, bei dem man aufpassen muß, es nicht mit der Hippe abzustreifen; wenn man diese nämlich beim Abknoten zu dicht heranbringt, wird es entweder ganz mit abgeschnitten oder doch gleichfalls verletzt, und dann wird die Ranke, die es später in der Triebzeit hervorbringt, kümmerlich und weniger fruchtbar werden, außerdem auch nicht recht windfest sein, nachdem sie in ihrer Schwäche sich ja schon mühsam genug aus der Narbe hervor19 gequält hat. Ein bestimmtes Maß für die Länge der Tragreben festzulegen, die man wachsen läßt, ist schwierig; die meisten lassen sie so lang werden, daß sie umgebogen und über das Joch hängend die Erde nicht berühren können. Ich meine aber, man sollte da erst genauer prüfen, und zwar zunächst den Wuchs des Weinstocks; ist er nämlich kräftig, so vermag er längere Ranken zu tragen; dann die Fruchtbarkeit des Bodens; wo die fehlt, wird man auch den kräftigsten Weinstock schnell töten, wenn man ihm durch zu lange Tragreben die Kraft nimmt. 20 Richtiger aber beurteilt man die Reben nicht so sehr nach ihrer Länge als nach der Zahl ihrer Augen, denn wo die Knoten in weiteren Abständen stehen, mag man die Ranken immerhin so tief ziehen, daß sie fast bis zur Erde reichen, und sie werden trotzdem nur mit wenigen Trieben ausschlagen. Wo dagegen die Knoten dicht aufeinander folgen und die Augen zahlreich sind, treibt schon eine ganz kurze Rebe viele Ranken und bildet eine reichliche Zahl von Früchten; deshalb muß man bei ihr besonders Maß halten und darf sie nicht durch zu lange Fruchtreben überlasten. Der Winzer soll auch im Auge behalten, ob die letztjährige 21 Lese viel gebracht hat oder nicht; nach einer reichen Ernte nämlich soll man die Stöcke schonen und sie darum kurz schneiden; war die Ernte klein, so kann man ihnen etwas zumuten. Im übrigen bin ich auch der Meinung, daß die gesamte Arbeit mit harten, ganz dünnen und scharfen Messern ausgeführt werden sollte, denn eine schartige, stumpfe und weiche Hippe hält beim Beschneiden auf,
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schafft daher weniger Arbeit und macht dem Winzer größere Mühe. Bei einer weichen nämlich verbiegt sich die Schneide, ist das Werkzeug stumpf und grob, so dringt es langsamer ein, und man muß sich mehr anstrengen. Auch zerfetzt rauher und ungleichmäßiger Schnitt die Weinstöcke, denn er läßt sich nicht mit einmaligem, sondern nur mit öfter wiederholtem Hieb vollziehen, und davon 22 kommi- es gewöhnlich, daß, was abgeschnitten werden sollte, abgebrochen wird und so der Weinstock zerrissen und aufgerauht bei Nässe fault und die Wunden nicht heilen. Daher muß der Beschneider sehr angehalten werden, die Klinge scharf zu halten und sie möglichst wie neu zu machen. Er soll auch bei jedem Arbeitsgang wissen, welchen Teil der Hippe er zu benutzen hat, denn ich habe festgestellt, daß sehr viele, weil sie das nicht wissen, die Weinpflanzungen verwüsten.
25. Kapitel Eine Winzerhippe aber sieht in ihren einzelnen Teilen so aus, daß die gerade Schneide dicht am Heft wegen der Ähnlichkeit Messer genannt wird, der ihr folgende gebogene Teil Krümme, der von der Krümme vorstoßende Scalprum; der darüberliegende, hakenförmig gebogene Teil heißt Schnabel, der sich an diesen nach oben hin anschließende halbmondförmige Teil Axt und die abwärts geneigte Spitze Dolch. Jeder dieser Teile dient einem besonderen Zweck, nur muß der Winzer mit ihnen umzugehen wissen. Hat er nämlich etwas mit dagegendrückender Hand abzuschneiden, so benutzt er das Messer, wenn er die Hand zu sich heranzieht, die Krümme; zum Glätten bedient er .sich des Scalprum, zum Aushöhlen des Schnabels; will er mit einem Hiebe kappen, verwendet er die Axt, und wenn er an einer engen Stelle etwas herauszubohren hat, den Dolch. Die Mehrzahl der Arbeiten am Weinstock führe man aber lieber ziehend als hauend aus, denn eine Wunde, die man ihm so beibringt, wird gleichzeitig geglättet. Zuerst nämlich setzt der Beschneider das Eisen an, und dann erst schneidet er ab, was er dazu ausersehen hat. Wer den Weinstock hauend angeht und — was oft vorkommt — fehlschlägt, bringt ihm durch das wiederholte Zuhauen mehr Wunden bei. Sicherer also und nutzbringender ist ein Beschneiden, das, wie gesagt, durch Ziehen der Hippe und nicht durch Hauen erfolgt.
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26. Kapitel Nach Abschluß des Beschneidens folgt, wie ich schon früher gesagt habe, das Anbringen der Stützen und Joche für die Weinstöcke, und zwar ist für deren festen Stand besser als der runde der Vierkantpfahl, jedoch nicht aus beliebigem Holze; hervorragend eignen sich mit dem Keil gespaltene Ölbaum-, Eichen- und
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Korkeichenstämme und was es an ätnlichen Harthölzern gibt; an dritter Stelle stehen dann die Rundpfähle, und zwar vorzugsweise von Wacholder, ferner von Lorbeer und Zypresse. Die Wildpinie läßt sich ebenfalls gut verwenden, und auch Holunder liefert brauchbare Stützen. Diese und sonstige Pfähle müssen, wenn 2 man den Wein fertig beschnitten hat, in Ordnung gebracht werden; man haut ihre morschen Teile ab und spitzt neu an; die einen, die noch lang genug sind, dreht man um, die anderen, die verfault oder zu kurz sind, werden entfernt und passende an ihre Stelle gesetzt, liegende werden aufgestellt, schiefe gerade gerichtet. Beim Joch soll man, wenn nicht ein neues nötig ist, an den Verbindungsstellen neue Bänder anbringen; erscheint es erneuerungsbedürftig, so soll es, ehe der Weinstock an den Pfahl geheftet wird, aus Stangen oder Rohren zusammengebunden werden; erst nachher wird man, wie ich es für die Neuanlage empfehle, den Weinstock dicht an seinem Haupt sowie unterhalb der Arme an den Pfahl binden, und zwar soll man das nicht jedes J a h r an derselben Stelle tun, damit 3 nicht das Band einschneidet und den Stamm abschnürt. Die Arme ordnet man dann unter dem Stern nach vier Richtungen und bindet die dünnen Ranken, ohne ihnen Gewalt anzutun, vielmehr ganz so, wie jede sich legen will, auf das Joch und biegt sie nur leicht herunter, um zu verhüten, daß sie dabei brechen oder die schon schwellenden Knospen abgestreift werden; wo man zwei Tragreben über einen Jochteil leitet, soll eine Stange zwischen ihnen sein, die Ranken sollen sich getrennt über die Jochränder senken und gleichsam niedertauchend mit ihren 4 Spitzen zur Erde hinabschauen. Um das geschickt zu machen, muß der Binder darauf achtgeben, die Rebe nicht zu verdrehen, sondern sie nur gebogen herunterzubinden und alles Tragholz, das er noch nicht nach unten leiten kann, so über das Joch zu legen, daß es lieber auf der Stange ruht als am Bande herabhängt. Oft habe ich nämlich festgestellt, daß die Arbeiter ohne Überlegung eine Rebe nur bis unter das Joch führen und sie so anbinden, daß sie allein von dem Bande gehalten wird, und wenn sie dann , das Gewicht von Laub und Trauben tragen muß, bricht sie ab.
27. K a p i t e l 1 Wenn die Pflanzungen so in Ordnung gebracht sind, wird es Zeit, sie zu reinigen und von Gestrüpp und dürrem Holz zu befreien. Das soll jedoch bei trockenem Boden gelesen werden, damit nicht die durchnäßte Erde festgetreten wird und so dem Gräber mehr Arbeit macht, der nun gleich, solange die Weinstöcke noch schlafen, in Erscheinung treten muß. Schickt man ihn nämlich erst dann hinein, wenn die Ranken schon Augen tragen und austreiben, so wird er einen großen Teil der kommenden Frucht abschlagen. Vor dem Sprossen also, an der Scheide von Frühjahr und Winter, ist möglichst tief zu graben, damit die Weinstöcke desto kräftiger und fröhlicher wachsen, und wenn sie sich mit Laub bekleidet
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haben, wird den noch zarten Trieben und nicht erst den schon ausgewachsenen ihr Maß bestimmt; der gleiche Winzer nämlich, der sie vorher mit dem Messer bearbeitet hat, wird das jetzt mit der Hand tun, er wird den Schatten beschränken und die überzähligen Ranken abbrechen. Besonders wichtig ist dabei, daß er mit Verstand ans Werk geht, weil das Brechen den Weinstöcken viel dienlicher ist als das Beschneiden; dieses hilft wohl sehr, aber das Messer schlägt Wunden; jenes greift behutsamer ein, ohne zu verletzen, erleichtert im folgenden Jahr das Beschneiden und hinterläßt auch am Stock nicht soviel Narben, weil bekanntlich Stellen, aus denen nur grüne und dünne Triebe herausgepflückt sind, schnell verheilen; überdies kräftigt sich das Fruchtholz besser, und die der Sonne ausgesetzten Trauben reifen leichter durch. Daher wird ein verständiger und wohlerfahrener Winzer prüfen und Umschau halten, an welchen Stellen er im kommenden Jahr Tragholz wachsen lassen und wo er nicht nur Laubranken, sondern auch Fruchtreben beseitigen muß, wenn von diesen sich eine zu große Zahl entwickelt hat; denn es kommt ja vor, daß ein Auge dreifach ausschlägt, und zwei von diesen Trieben muß man immer entfernen, damit es den «inen, der übrigbleibt, umso besser ausbildet. Ein vernünftiger Landmann muß sich nämlich fragen, ob ein Weinstock etwa mehr Frucht angesetzt hat, als er austragen kann, und muß deshalb nicht nur die überflüssigen Laubranken auspflücken — das muß immer geschehen —, sondern bisweilen einen Teil der Fruchtreben entfernen, um den durch seine eigene Fülle beschwerten Stock zu erleichtern; und auch wenn nicht mehr Frucht da ist, als reifen kann, wird ein auf seine Aufgabe bedachter Abranker aus mancherlei Gründen so verfahren; falls aber ein Weinstock in den Jahren vorher ununterbrochen reich getragen hat, wird es zweckmäßig sein, daß er losgebunden ruht und sich erholt, wenn für. künftiges Fruchtholz gesorgt werden soll. Das Abknicken der Triebspitzen, um allzustarkes Wachstum einzudämmen, das Entfernen der am harten Teil des Stammes sitzenden Triebe, soweit nicht einer oder zwei davon zur Verjüngung des Weinstockes stehenbleiben sollen, das Ausbrechen all dessen, was aus dem Haupte zwischen den Armen neu hervortreibt, sowie das Abstreifen der unfruchtbaren Banken an den Armen selbst, die unnötigerweise die Mutterpflanze beschatten, alles das sind Arbeiten, zu denen man schon jeden beliebigen Jungen anstellen kann.
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28. Kapitel Für das Abranken wählt man am besten die Zeit vor dem Erscheinen der Blüten, 1 doch kann man es auch nachholen, wenn die Stöcke verblüht sind. Die Zeit zwischen diesen Tagen, in der sich die Beeren bilden, verwehrt uns den Zutritt zur Pflanzung, da es nicht gut ist, während der Blüte die Trauben zu bewegen; wenn sie dann aber heranwachsen und sozusagen ins Jünglingsalter kommen, bindet man sie an, befreit sie von allen Blättern und .fördert ihr Wachstum auch
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2 durch häufiges Umgraben, denn staubfeine Erde läßt sie üppiger werden. Ich stelle dabei nicht in Abrede, daß vor mir die meisten Lehrer des Landbaus sich mit dreimaligem Graben begnügt haben, unter ihnen Gräcinus, der sich so äußert: ,Man kann es als genügend ansehen, wenn die hergerichtete Weinpflanzung dreimal gegraben wird.' Auch Celsus und Atticus stimmen überein in der Auffassung, daß der Wein oder vielmehr jeder Baum drei natürliche Triebzeiten hat, die erste, wenn er ausschlägt, die zweite, wenn er blüht, und die dritte, wenn die Frucht reift. Diese Triebe also werden nach ihrer Meinung durch das Graben gefördert, denn die Natur setzt ihren Willen nicht voll durch, wenn man ihr nicht mit fleißigem Mühen zu Hilfe kommt. Diese Pflege der Weinpflanzung findet ihr Ende mit der Lese. 29. Kapitel 1 Ich kehre jetzt zu dem Teil der Erörterung zurück, in dem ich die Regeln für das Pfropfen und für die Behandlung der gepfropften Weinstöcke mitgeteilt habe. Als Pfropfzeit nennt Julius Atticus Anfang November bis Anfang Juni, und er versichert, so lange könne man Pfropfreiser aufbewahren, ohne daß sie treiben. Daraus müßte man entnehmen, daß man das ganze Jahr über pfropfen kann, wenn man ein schlafendes Reis hat. Daß das für andere Gewächse mit stärkerem 2 und saftreicherem Bast zutreffen kann, will ich wohl zugeben, ich wäre aber unehrlich, wenn ich verschweigen wollte, daß es beim Wein allzu leichtsinnig ist, den Landleuten so viele Monate hindurch das Pfropfen zu erlauben; freilich weiß ich, daß gelegentlich einmal ein im Winter gepfropftes Reis einwächst, doch darf ich Lernenden nicht zur Regel machen, was zufällig hier oder da bei einem Versuch glückt, sondern nur, was nach bestimmtem Verfahren regelmäßig zum Erfolge führt. Denn wenn man es einmal mit einer kleinen Zahl versuchen will, bei der größere Fürsorge das Wagnis ausgleicht, kann ich mir das zur Not gefallen 3 lassen; wenn aber der Umfang der Arbeit die Sorgfalt auch des umsichtigsten Landwirtes überfordert, muß ich alle unsicheren Experimente beiseite schieben. Was nämlich Atticus vorschreibt, ist widersprüchlich; er erklärt es für falsph, im Winter den Wein zu beschneiden, und er hat, obwohl dieser Eingriff dem Stock nicht so wehtut, doch mit seinem Verbot recht, weil bei Kälte jede Pflanze steif friert und deshalb nicht Rinde bilden kann, um die Wunde ganz zu schließen. 4 Derselbe Atticus aber läßt in ebendieser Zeit das Pfropfen zu und schreibt vor, daß dabei der ganze Weinstock geköpft und der Stumpf gespalten werden solle. Richtiger ist es also, in den schon milderen Nachwintertagen zu pfropfen, wenn Auge und Rinde bereits von Natur in Bewegung kommen und kein Frost mehr 5 hereinbricht, der Pfropfreis oder Spaltwunde angreifen könnte; wenn man Eile hat, hätte ich indessen auch nichts gegen das Pfropfen im Herbst einzuwenden, weil die Herbstluft der des Frühjahrs nicht unähnlich ist. Aber in welcher Jahres-
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zeit jemand auch pfropfen will, so muß er wissen, daß bei der Prüfung der ßeiser genau so sorgsam zu verfahren ist, wie ich es im vorigen Buche dargestellt habe, als ich von der Auswahl der Stecklinge sprach. Er soll von einem edlen und fruchtbaren Weinstock möglichst ausgereifte Reiser abnehmen und auch einen warmen und windstillen Tag wählen, ferner soll er prüfen, ob die Reiser glattrund und 6 kräftig sind, ob ihr Mark nicht schwammig ist, ob sie auch zahlreiche Augen haben und die Knoten in kurzen Abständen stehen; denn es ist sehr wichtig, daß ein Pfropfreis nicht zu lang ist und daß es auch mehrere Augen hat, aus denen es treiben kann. Bei weiten Zwischenräumen muß man daher das Reis auf ein Auge oder höchstens zwei zurückschneiden, daß es Unwetter, Wind und Regen über sich ergehen läßt, ohne sich zu rühren. Man pfropft entweder auf den zurück- 7 geschnittenen Weinstock, oder man läßt ihn, wie er ist, und macht nur mit dem Bohrer ein Loch. Das erste Verfahren wird häufiger angewandt und ist fast allen Landleuten bekannt, das zweite ist seltener und bei wenigen im Gebrauch. Über das gebräuchlichere will ich zuerst sprechen. Man schneidet den Weinstock ge- 8 wohnlich oberhalb der Erde,' manchmal jedoch auah darunter an einer recht kräftigen und knotenfreien Stelle ab; pfropft man ihn oberirdisch, so häufelt man nachher das Reis bis zur Spitze mit Erde an; ist es aber zu weit vom Boden entfernt, so verstreicht man, um Hitze und Regen abzuhalten, den Spalt mit gründlich durchgeknetetem Lehm, legt Moos darüber und bindet es fest. Das Reis wird ähnlich wie ein Schreibrohr so zugeschnitten, daß es genau in den Spalt paßt; am unteren Ende des Spaltes soll ein Knoten im Holz sein, der ihn sozusagen festhält und verhindert, daß der Riß zu tief geht. Auch wenn dieser Knoten vier & Pinger von der Schnittstelle entfernt ist, soll man ihn doch, bevor der Stock gespalten wird, lieber einbinden, damit nicht, wenn das Messer dem Reis den Weg gebahnt hat, eine unnötig große Wunde klafft. Das Reis darf höchstens drei Finger breit angeschabt werden, und die Schabstelle muß glatt sein; man schabt so weit, daß man auf der einen Seite bis zum Mark vordringt, auf der Gegenseite nur wenig mehr als die Rinde abstreift und das Reis in der Weise keilförmig zuschneidet, daß es, nach unten spitz zulaufend, an der einen Seite dünner ist, an der anderen dicker bleibt; mit der dünneren eingeführt, wird es mit der dickeren fest eingezwängt und muß beiderseits dem Spalt anliegen; wenn sich nämlich nicht Rinde so dicht an Rinde schließt, daß nirgends Luft bleibt, kann es nicht verwachsen. Die Bänder, die man beim Pfropfen verwendet, sind verschiedener 10 Art; einige binden mit Weidenruten, einige umgeben den Spalt mit Bast; die meisten verschnüren mit Binsen, und das ist sehr zweckmäßig, denn Ruten schneiden, wenn sie trocken geworden sind, zu stark in die Rinde ein, und darum bin ich mehr für weichere Bänder, die man um den Stumpf legt und dann mit kleinen Keilen aus Rohr straff zieht. Äußerst wichtig aber ist es, vorher zu räumen und die obersten Wurzeln oder Nebentriebe wegzuschneiden und nachher den Stamm mit Erde zu decken. Sind dann Stumpf und Reis zusammengewachsen, 11 so gibt es neue Arbeit, denn während des Austreibens muß öfter abgerankt werden,
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und Nebentriebe aus Stamm und Wurzeln sind regelmäßig zu beseitigen. Ferner müssen die Triebe aus dem Pfropfreis aufgebunden werden, damit sich dieses durch Wind nicht lockert, oder, da es noch schwach ist, losgerissen wird. Ist das Reis voll entwickelt, so nimmt man ihm die Nebentriebe, es sei denn, daß man Mangel an Ersatz hat und sie zur Füllung leerer Stellen als Senker wachsen läßt. An die ausgewachsenen Pfropfreiser bringt dann der Herbst die Hippe. Beim Beschneiden geht man so vor, daß, wo man weiter keinen Nachwuchs braucht, nur eins der Reiser zum Joch hochgezogen und das zweite so weit abgeschnitten wird, daß die Wunde ganz dicht am Stamm liegt, wobei von diesem aber nichts abgeschabt werden soll. Abgerankt wird ein Pfropfreis ebenso wie ein junger Setzling, beschnitten aber so, daß man bis zum vierten Jahr, solange die Wunde des Stammes noch nicht voll vernarbt ist, schonender vorgeht. Soviel zur Spaltpfropfung; bei jener anderen, der Bohrpfropfung, muß man zuerst einen in der Nähe stehenden sehr fruchtbaren Weinstock aussuchen und von diesem her eine an der Mutter hängende Ranke wie einen Senker herüberziehen und durch das Bohrloch hindurchschieben. Dies Verfahren nämlich bringt sicherer und zuverlässiger Erfolg, weil ja das Reis, auch wenn es im nächsten Frühjahr noch nicht einwächst, doch bestimmt im folgenden, wenn es größer geworden ist, gezwungen wird, Anschluß zu suchen; dann wird es von der Mutter abgeschnitten und der Oberteil des gepfropften Stockes bis dahin, wo das Reis Aufnahme gefunden hat, geköpft. Hat man kein solches Gesenk, so nimmt man ein möglichst frisch vom Stock geschnittenes Reis, beschabt es ringsherum leicht, so daß nur die Rinde abgezogen wird, setzt es in das Loch ein und umklebt dann den Stamm mit Lehm, nachdem man ihn so weit zurückgeschnitten hat, daß er ganz und gar nur das fremde Reis ernährt. Man macht es also anders als beim Gesenk, das bis zum Finwachsen von der Mutter erhalten wird. Das Werkzeug aber, mit dem man früher den Weinstock durchbohrte, war ein anderes als das, mit dem ich selbst jetzt in der Praxis bessere Erfahrungen gemacht habe; der alte Bohrer nämlich, den frühere Landwirte als einzigen kannten, erzeugte Bohrmehl und rauhte die Stelle auf, die er durchbohrt hatte; das Aufgerauhte wurde dann selten wieder grün, und der eingepfropfte Zweig wuchs selten fest. Ferner ließ sich auch nie das Bohrmehl so herausholen, daß nichts im Loch hängen blieb, und wenn es dann dazwischen kam, hinderte es die enge Vereinigung von Reis und Stamm. Ich selbst habe mich für dies Pfropfen auf den sogenannten gallischen Bohrer besonnen und habe festgestellt, daß er weit geschickter und brauchbarer ist, denn er höhlt den Stamm aus, ohne das Bohrloch aufzurauhen, da er nicht Mehl erzeugt, sondern Späne abhebt, nach deren Entfernung eine glatte Wunde zurückbleibt, die leichter von allen Seiten das inmitten sitzende Reis umschließen kann, da kein Mehl, wie es der alte Bohrer hervorbrachte, sich dazwischen setzen kann. [Nach der Frühjahrsgleiche also soll er das Pfropfen abgeschlossen haben, und er soll an trockenen und regenlosen Plätzen dunklen Wein pfropfen, an feuchten hellen.] Das Aufziehen des zweiten Pfropfreises ist nämlich entbehrlich, wenn der Stumpf nur so
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dick ist, daß ein Reis, wenn es gewachsen ist, den Spalt ausreichend zu füllen vermag, es sei denn, daß, wo ein Haupt abgestorben ist, der leere Platz einen neuen Weinstock verlangt. In diesem Falle wird das eine der beiden Pfropfreiser als Senker verwendet, das andere als Eruchtholz ans Joch gebracht. Dabei ist es ganz praktisch, Nachwuchstriebe, die aus der herabgesenkten Rebe in deren Bogen ausschlagen, wachsen zu lassen und sie dann, wenn es paßt, entweder weiterzuziehen oder zum Fruchttragen zu bestimmen. 30. Kapitel Nachdem ich erörtert habe, was nach meiner Auffassung zu gutem Nutzen für die Anlage und Pflege von Weinpflanzungen empfohlen werden konnte, ist mitzuteilen, wie man Stützen, Joche und Bänder beschafft. Diese werden nämlich wie eine Mitgift vorher für den Wein zugerüstet. Wenn ein Landwirt diese Dinge nicht hat, kann man ihm nicht raten, Wein zu bauen, weil alles Erforderliche außerhalb des Gutes gekauft werden müßte und nicht nur, wie Atticus sagt, der Kaufpreis die Rechnung des Landwirts belastet, sondern auch die Beschaffung höchst beschwerlich ist; man muß nämlich im Winter, also in der ungünstigen Jahreszeit, die Anfuhr bewerkstelligen. Darum sollte man lieber erst einmal Korbweiden und Rohrgebüsche pflanzen sowie Wälder überhaupt oder planmäßig angesäte Kastaniengehölze schaffen. Nach Meinung des Atticus reicht ein Morgen Weiden aus, um fünfundzwanzig Morgen Weinland mit Bändern zu versorgen, ein Morgen Rohr, um für zwanzig die Joche zu liefern, und ein Morgen Kastanien gibt für ebenso viele Morgen Pfähle wie ein Morgen Rohr Joche. Weiden gedeihen am besten auf bewässertem oder sumpfigem Boden, nicht schlecht jedoch auch in ebenem Gelände, wenn es fett ist. Das Land ist mit dem Bipalium umzugraben, denn die Alten schreiben vor, den zur Weidenpflanzung bestimmten Boden zweieinhalb Fuß tief zu lockern. Welche Sorte von Weiden man pflanzt, bleibt sich gleich, nur sollen die Ruten recht zäh sein. Drei jedoch hält man für besonders gut, die griechische und die gallische Weide sowie die sabinische, die die meisten nach der Stadt Ameria benennen. Die griechische ist goldgelb, die gallische hat sehr dünne Ruten von schmutziger Purpurfarbe, die Ruten der amerinischen sind dünn und rötlich. Zur Anzucht werden entweder Äste aus dem Wipfel oder Aststücke verwendet. Die Äste sollen einigermaßen dick sein, jedoch den Umfang eines Zweiasstückes nicht überschreiten, und man setzt sie am besten so tief, daß sie bis zum festen Boden reichen. Aststücke von anderthalb Fuß werden in die Erde gesenkt und etwas angehäufelt. Bewässertes Land verlangt weitere Zwischenräume, dort pflanzt man richtig mit je sechs Fuß Abstand in versetzten Reihen; auf trockenem Boden wird dichter gepflanzt, jedoch so, daß die mit der Wartung betrauten Leute noch leicht heran können. Ein Reihenabstand von fünf Fuß genügt völlig, wobei indessen in der Pflanzreihe selbst die Stecklinge 11 Ahrens
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6 mit jeweils nur zwei Fuß Zwischenraum stehen. Man pflanzt sie vor dem Ausschlagen, solange sie noch schlummern, auch müssen sie trocken sein, wenn man sie vom Baum nimmt; schneidet man sie nämlich, nachdem sie Tau bekommen haben, so entwickeln sie sich nicht recht; Regentage wählt man deshalb nicht zum Weidenschneiden. In den ersten drei Jahren sollen Weidengehölze wie junge Weingärten öfter umgegraben werden, nach dem Heranwachsen haben sie an 7 dreimaligem Graben genug; ohne das gehen sie schnell ein. Denn schon wenn man sie pflegt, sterben viele Weiden ab; an deren Stellen zieht man von den Nachbarpflanzen Absenker heran, indem man Zweigspitzen herunterbiegt und eingräbt, die alles Abgestorbene ersetzen sollen. Ein Jahr später wird dann der Senker von der Mutterpflanze abgeschnitten, um sich, wie der Weinstock, nun durch seine eigenen Wurzeln zu ernähren. 31. Kapitel 1' Sehr trockene Plätze, an denen Weiden nicht fortkommen, erheischen den Anbau von Ginster, der ziemlich feste und besonders biegsame Bänder liefert. Er wird aus Samen gezogen, nach dem Aufgehen als zweijähriger Busch verpflanzt oder am Ort gelassen; ist er über dies Alter hinaus, kann er Jahr für Jahr wie Getreide dicht über der Erde abgemäht werden. Sonstige Bänder, von der Brombeere zum 2 Beispiel, erfordern mehr Arbeit, die man sich notfalls aber machen muß. Die Stangenweide verlangt etwa den gleichen Boden wie die Korbweide, wächst jedoch besser im Feuchten. Sie wird als Aststück gepflanzt und nach dem Austreiben auf einen Stamm beschränkt, wird häufig gehackt und von Unkraut befreit und ebenso wie der Wein der Nebentriebe beraubt, damit sie eher in die Länge als in die Breite geht. Bei dieser Kultur schneidet man sie erst im vierten 3 Jahr. Pflanzt man die Weide an, um Bänder zu gewinnen, so kann man sie schon einjährig in Höhe von zweieinhalb Fuß köpfen, damit sie aus dem Stumpf ausschlägt und wie ein niedriger Weinstock Arme ausbildet. Ist der Boden trockener, so schneidet man sie allerdings lieber erst zweijährig ab. 32. Kapitel 1 Rohr wächst auch in weniger tief gegrabenem Boden, besser aber in solchem, der mit dem Bipalium bearbeitet worden ist. Zwar ist es sehr ausdauernd und nimmt überall vorlieb, doch richtiger zieht man es in lockerem als in dichtem, in feuchtem als in trockenem Boden, lieber im Tal als an Hängen; an Flußufern, an Rainen 2 und in Hecken günstiger als mitten im Feld. Man setzt Wurzelknollen und Halmstecklinge, kann aber ebensogut auch ganze Pflanzen in die Erde bringen. Mit drei Fuß Abstand eingesetzte Knollen geben in weniger als Jahresfrist volltaug-
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liehe Stäbe; Stecklinge und ganze Pflanzen brauchen länger. Aber sowohl beim Steckling, den man zweieinhalb Fuß lang schneidet, als auch bei der Pflanze, die man als Ganzes einsetzt, müssen die Spitzen herausstehen, denn wenn diese mit untergebracht sind, fault das Ganze. In den ersten drei Jahren wird eine Rohr- 3 pflanzung ebenso behandelt wie andere, ist sie dann alt geworden, muß umgegraben werden. Von Alter kann man sprechen, wenn sie entweder durch die Länge der Zeit und infolge jahrelanger Vernachlässigung verdorrt oder aber so dicht geworden ist, daß nur dünnes, schilfähnliches Rohr wächst. Im ersten Falle 4 muß man ganz und gar umgraben, im anderen kann man Teile herausschneiden und die Pflanzung auslichten, ein Verfahren, das die Landleute als Stipatio bezeichnen. Dabei ist man aber gezwungen, aufs Geratewohl vorzugehen, weil ja das, was man zu beseitigen oder stehenzulassen hat, über der Erde nicht zu sehen ist, und so ist es annehmbarer, vor dem Schneiden das Rohr soweit auszulichten, wie die Halme gleichsam verraten, was ausgegraben werden muß. Die 5 richtige Zeit für Umgraben und Pflanzen liegt vor dem Austreiben der Knospen des Rohres, geschnitten wird es dann nach der Wintersonnenwende, denn bis dahin wächst es noch und hört erst damit auf, wenn es von der Winterkälte steifgefroren ist. Gehackt wird ebensooft wie bei Weinland. Magerem Rohr hilft man durch Asche oder anderen Dünger auf, weshalb viele auch die Rohrpflanzung nach dem Schnitt anzünden. 33. Kapitel Die Kastanie steht den Harthölzern sehr nahe und eignet sich deshalb zu Wein- 1 stützen. Ferner schießt ihre in gelockerten Boden gelegte Frucht schnell empor, nach fünf Jahren gehauen wächst sie nach wie Weidengehölz, und als Stütze hält sie gewöhnlich bis zum nächsten Hauen aus. Sie liebt dunklen und lockeren Boden, verschmäht nicht feuchten Sand oder bröckligen Tuff und gedeiht an schattigen Nordhängen; auf dichten Boden und rote Erden spricht sie nicht an. Man sät von November an den ganzen Winter hindurch in trocknes zweieinhalb 2 Fuß tief gegrabenes Land, die Früchte kommen in die Reihe mit Abständen von einem halben Fuß, die Reihen trennt man durch Zwischenräume von fünf Fuß. Man legt die Kastanien in Furchen, die dreiviertel Fuß tief sind, und wenn das geschehen ist, steckt man vor dem Einebnen neben die Kastanien kurze Rohrstäbe, damit diese die Saatstellen anzeigen und man, ohne Schaden anzurichten, hacken und jäten kann. Sobald die jungen Pflanzen kleine Stämme gebildet 3 haben, kann man sie noch als zweijährige versetzen, man lichtet sie aus und läßt immer zwei Fuß ohne Bäumchen, damit nicht zu dichter Bestand sie beeinträchtigt. Die Saat aber wird dichter gelegt, um mancherlei Zufällen vorzubeugen. Denn zuweilen vertrocknet bei Dürre der Same schon vor dem Keimen, oder, wenn das Wasser zu reichlich ist, fault er, mitunter leidet er auch Schaden von 11*
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den unter der Erde lebenden Tieren, wie Mäusen und Maulwürfen. Deshalb wird bei jungen Kastanienpflanzungen der Bestand oft zu dünn, und um ihn zu vermehren, nimmt man, wenn es möglich ist, als Ersatz besser aus der Nähe Äste, die man zu Senkern herabbiegt, als daß man Bäumchen ausgräbt und umpflanzt. 4 Ein Gesenk nämlich bleibt gewissermaßen unbewegt an seinem Platze und treibt kräftig, eine Pflanze dagegen, die mit ihrer Wurzel herausgenommen und versetzt ist, stockt zwei Jahre lang im Wachstum. Die Erfahrung lehrt also, daß es für die Anlage eines Kastanienwaldes einfacher ist, die Früchte auszusäen als Jungpflanzen zu setzen. Hält man bei der Aussaat die oben niedergeschriebenen Abstände ein, so kann man zweitausendachthundertachtzig Kastanien unterbringen, von denen, wie Atticus sagt, jeder Morgen leicht zwölftausend Stützen liefern wird, denn die in Stammnähe abgehauenen Äste geben in der Regel nach dem Spalten vier, die dann folgenden des gleichen Baumes zwei Vierkantpfähle, die 5 länger halten als runde. Die Pflege der Kastanie durch Hacken ist die gleiche wie beim Weinstock. Beschnitten wird sie im Alter von zwei und auch drei Jahren, denn zweimal muß man sie zu Frühjahrsbeginn mit dem Messer angreifen, damit sie gut in die Höhe wächst. Auch Eichen können in ähnlicher Weise gesät werden, doch haut man sie erst zwei Jahre später als Kastanien, und deshalb rät die Vernunft, lieber Zeit zu sparen, es sei denn, daß gestrüpptragendes und kiesiges Bergland und die oben genannten Bodenarten die Aussaat von Eicheln mehr 6 empfehlen als die von Kastanien. Bisher habe ich über Weinpflanzungen in Italien und über alles, was dazu gehört, nicht ohne Nutzen, wie ich meine, und ausführlich gesprochen, und nunmehr gedenke ich darzustellen, wie die Landwirte in den Provinzen den Wein bauen und wie er bei uns und in Gallien an Bäumen gezogen wird.
Fünftes Buch
1. Kapitel
Wie du sagst, Silvinus, hat in den früheren Büchern, die ich über Anlage und 1 Pflege von Weinpflanzungen an dich geschrieben hatte, einiges gefehlt, wonach die Freunde der Landwirtschaft verlangten, und ich gebe zu, daß mir trotz eifrigsten Forschens dies und jenes entgangen ist, was die Landwirte unserer Zeit sagen und was die Alten schriftlich überliefert haben. Wenn ich nicht irre, hatte ich aber zu Beginn meiner Darstellung einer Landwirtschaftslehre mir ausdrücklich vorbehalten, daß ich nicht alles, was diese Wissenschaft in ihrer ganzen Weite enthält, sondern nur das meiste davon bringen würde, da jenes dem Überblick eines einzigen Menschen nicht zugemutet werden konnte. Es gibt nämlich keine 2 Wissenschaft, die der Geist eines Einzelnen in ihrem ganzen Umfange theoretisch und praktisch zu fassen vermag, und wie ein guter Jäger, der in einem großen Walde nach Wild spürt, nur die Aufgabe hat, möglichst viele Tiere zu fangen, man aber keinem einen Vorwurf daraus machen wird, wenn er nicht alle fängt, so darf man von mir nicht mehr erwarten, als daß ich von dem so ausgedehnten Stoffgebiet, das ich in Angriff genommen habe, einen sehr großen Teil behandle. Zudem vermißt man ja Dinge und verlangt sie von mir, die nicht eigentlich meinem Fach allein zugehören; so befragte mich kürzlich unser Marcus Trebellius über Landvermessung und meinte, es müßte einem, der das Graben von Ackerland lehre, genau so nahe liegen, auch das Messen des gegrabenen Landes zu lehren. Ich antwortete ihm, das sei nicht Sache des Landwirts, sondern des Feldmessers, 3 zumal ja nicht einmal die Architekten, die mit dem Messen vertraut sein müssen, sich dazu herbeilassen, das Maß der vollendeten Bauten, die sie doch selbst errichtet haben, zu berechnen, sondern der Ansicht sind, zu ihrem Geschäft gehöre nur das eine, das andere aber sei Sache derer, die die fertigen Bauten ausmessen, die Berechnungen aufstellen und die Summe der abgeschlossenen Arbeit ziehen. Umsomehr, meine ich, muß man es wohl meiner Lehre verzeihen, wenn
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sie nur so weit geht, daß sie zwar sagt, wie alles zu machen ist, nicht aber von der 4 Größe dessen spricht, was die Arbeit erreicht. Da jedoch auch du, Silvinus, in aller Freundschaft Hinweise für das Vermessen von mir verlangst, werde ich Deinem Wunsche unter der Bedingung gehorchen, daß du nicht daran zweifelst, daß es mehr Landmesser- als Landwirtsarbeit ist, und daß du mir verzeihst, wenn mir auf einem Gebiet, das zu kennen ich nicht für mich in Anspruch nehme, ein Fehler unterläuft. Um aber nun zur Sache zu kommen, so wird die Größe jedes Grundstücks durch die Fußlänge ausgedrückt, die sechzehn Finger beträgt. Den Fuß vervielfacht man zu Doppelschritten, Actus, Climata, Jugera, zu Stadien 5 und Centurien, und schreitet dann zu noch größeren Maßen fort. Ein Doppelschritt hat fünf Fuß, der Actus minimus nach Angabe von Marcus Varrò vier Fuß in der Breite, in der Länge hundertzwanzig Fuß, ein Clima in beiden Richtungen sechzig Fuß. Die Grenzen eines Quadrat-actus betragen auf allen Seiten hundertzwanzig Fuß. Verdoppelt man ihn, so erhält man ein Jugerum, das von eben dieser Verbindung zweier Actus seinen Namen bekommen hat. Den Actus aber nennen die Landleute der Provinz Baetica eine Acnua, und eine dreißig Fuß breite und hundertachtzig Fuß lange Fläche bezeichnen sie als Porca. Die 6 Gallier dagegen nennen bei städtischen Grundstücken eine Größe von hundert, bei ländlichen von hundertfünfzig Fuß Candetum, und ein halbes Jugerum heißt bei ihnen Arepennis. Wie gesagt also, bilden zwei Actus ein Jugerum von zweihundertvierzig Fuß Länge und hundertzwanzig Fuß Breite, und diese beiden Zahlen ergeben miteinander multipliziert achtundzwanzigtausendachthundert Quadratfuß. Das Stadium dann hat hundertfünfundzwanzig Doppelschritte gleich sechshundertfünfundzwanzig Fuß, und dieses Maß ergibt, mit acht 7 multipliziert, tausend Doppelschritte, also fünftausend Fuß. Ein Maß von zweihundert Morgen nennt man jetzt, wie der gleiche Varrò sagt, Centuria; diesen Namen erhielt es einst von hundert Morgen, behielt ihn dann aber, als es verdoppelt wurde; ähnlich wurden ja auch die Tribus ursprünglich nach den drei Abteilungen, in die das Volk gegliedert war, benannt und halten noch heute, 8 obwohl vervielfacht, den alten Namen fest. Dies mußte ich kurz voranschicken, da es nicht gleichgültig ist für die Berechnungen, die ich anstellen will; jetzt will ich zu meinem Vorhaben kommen. Ich zähle nicht alle Unterteilungen eines Morgens auf, sondern nur die, die bei der Abschätzung geleisteter Arbeit Anwendung finden, denn die kleineren, für die Lohn nicht berechnet wird, zu nennen, ist überflüssig. Wie gesagt also, hat ein Morgen achtundzwanzigtausendacht9 hundert Quadratfuß, das macht zweihundertachtundachtzig Scripula. Um aber mit dem kleinsten Maß, das heißt einem halben Scripulum, zu beginnen, so ergibt der fünfhundertsechsundaiebzigste Teil fünfzig Quadratfuß; das ist ein halbes Scripulum eines Morgens. Der zweihundertachtundachtzigste Teil oder hundert Quadratfuß ist ein Scripulum, der hundertvierundvierzigste Teil, gleich zweihundert Quadratfuß, ergibt zwei Scripula; der zweiundsiebzigste Teil mit vierhundert Fuß, in dem vier Scripula enthalten sind, ist eine Sertula, der achtund-
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vierzigste Teil mit sechshundert Fuß hat sechs Scripula und heißt Sicilicus. Der vieruildz wanzigste Teil, eintausendzweihundert Fuß, ist eine Semuncia mit zwölf Scripula; der zwölfte Teil, zweitausendvierhundert Fuß, eine Uncia mit vierundzwanzig Scripula; der sechste Teil, viertausendachthundert Fuß, ein Sextans mit achtundvierzig Scripula; der vierte Teil, siebentausendzweihundert Fuß, ein Quadrans mit zweiundsiebzig Scripula; der dritte Teil, neuntausendsechshundert Fuß, ein Triens mit sechsundneunzig Scripula; fügt man dem Drittel ein Zwölftel hinzu, so erhält man den Quincunx mit hundertzwanzig Scripula. Die Hälfte, also vierzehntausendvierhundert Fuß, heißt Semis und enthält hundertvierundvierzig Scripula; die Hälfte und ein Zwölftel dazu ergibt mit sechzehntausendachthundert Fuß oder hundertachtundsechzig Scripula den Septunx, zwei Drittel mit neunzehntausendzweihundert Fuß oder hundertzweiundneunzig Scripula nennt man Bes. Dreiviertel Morgen gleich einundzwanzigtausendsechshundert Fuß bilden einen Dodrans mit zweihundertsechzehn Scripula; die Hälfte und ein Drittel, also vierundzwanzigtausend Fuß, ist der Dextans mit zweihundertvierzig Scripula. Zwei Drittel und ein Viertel bilden mit sechsundzwanzigtausendvierhundert Fuß oder zweihundertvierundsechzig Scripula einen Deunx. Ein Morgen hat achtundzwanzigtausendachthundert Quadratfuß, das heißt ein As mit zweihundertachtundachtzig Scripula. Wenn nun ein Morgen immer rechteckig wäre und beim Vermessen in der Länge zweihundertvierzig, in der Breite einhundertzwanzig Fuß hätte, könnte man ihn sehr leicht berechnen; da aber Ackerflächen von verschiedener Gestalt in Betracht kommen, will ich für jede von diesen die Berechnung folgen lassen, die sich dann als Muster verwerten läßt.
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2. K a p i t e l Jeder Acker ist entweder quadratisch oder langgestreckt, keilförmig zugespitzt oder dreieckig, rund oder auch halbrund oder bogenförmig, und manchmal zeigt er auch die Gestalt eines Vielecks. Am leichtesten läßt sich ein quadratischer Acker messen, denn da auf allen Seiten die Fußzahl gleich ist, multiplizier^ man zwei Seiten miteinander, und die Summe, die dabei herauskommt, bezeichnet man mit Quadratfuß; wenn zum Beispiel ein Platz hundert Fuß in jeder Richtung hat, macht das zehntausend. Man wird also sagen, er hat zehntausend Quadratfuß, d'.o einen Triens und eine Sextula des Morgens ergeben, und diesem Maß entsprechend muß man dann die geleistete Arbeit bezahlen. Bei größerer Länge als Breite dagegen, wenn beispielsweise ein Ackerstück von Morgengröße zweihundertvierzig Fuß lang und hundertzwanzig Fuß breit ist, multipliziert man, wie ich schon gesagt habe, die Breite mit der Länge folgendermaßen: hundertzwanzig mal zweihundertvierzig macht achtundzwanzigtausendachthundert; und dann sagt man, soviel Quadratfuß hat der Morgen. Entsprechend macht man es bei allen Äckern, die mehr lang als breit sind. Ist aber ein Acker wie ein Keil geformt,
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beispielsweise hundert Fuß lang und auf einer Seite zwanzig, auf der anderen zehn Fuß breit, dann legt man beide Breiten aneinander, und die Summe beider beträgt dreißig Fuß. Die Hälfte davon ist fünfzehn, und wenn man das mit der Länge multipliziert, erhält man als Ergebnis eintausendfünfhundert Fuß. So viele Quadratfuß also wird man diesem Keil zusprechen, und er ist demnach eine Semuncia und drei Scripula eines Morgens groß. Wenn man dagegen ein gleichseitiges Dreieck auszumessen hat, geht man folgenden Weg. Angenommen, ein Ackerdreieck mißt an jeder Seite dreihundert Fuß; diese Zahl multipliziere mit sich selbst, das macht neunzigtausend; davon nimm den dritten Teil, das ist dreißigtausend, ebenso den zehnten, das ist neuntausend; zähle dann beides zusammen, dann hast du neununddreißigtausend Fuß. Man stellt damit fest, daß das Dreieck diese Zahl von Quadratfuß hat, ein Maß, das der Summe aus einem Morgen, einem Triens und einem Sicilicus entspricht. Hat indessen ein dreieckiger Acker ungleiche Seiten und; wie bei dem gleich folgenden Beispiel, einen rechten Winkel, so rechnet man anders. Die eine Seite, die den rechten Winkel einschließt, habe fünfzig, die andere hundert Fuß. Miteinander multipliziert ergibt fünfzig mal hundert fünftausend. Die Hälfte davon ist zweitausendfünfhundert, und das macht eine Uncia und ein Scripulum eines Morgens. Bei einem kreisrunden Acker stellt man die Fußzahl so fest: die runde Fläche möge einen Durchmesser von siebzig Fuß haben; diese Zahl ergibt mit sich selbst multipliziert viertausendneunhundert, und das Produkt mit elf multipliziert dreiundfünfzigtausendneunhundert Fuß; hiervon errechne ich den vierzehnten Teil, also dreitausendachthundertfünfzig Fuß, und sage dann, daß der Kreis so viele Quadratfuß hat, umgerechnet anderthalb Unciae und zweieinhalb Scripula eines Morgens. Ist ein Acker halbrund, und hat seine Basis hundertvierzig Fuß, die Breite des Halbkreises aber siebzig, so muß man Breite mit Basis multiplizieren; siebzig mal hundertvierzig ist neuntausendachthundert; dies ergibt mit elf multipliziert einhundertsiebentausendachthundert, und davon der vierzehnte Teil ist siebentausendsiebenhundert. Diese Fußzahl hat, so sage ich, der Halbkreis, also einen Quadrans und fünf Scripula eines Morgens. Einen Bogen aber, der keinen vollen Halbkreis bildet, mißt man, wie folgt. Ich nehme einen Kreisabschnitt an, dessen Basis sechzehn Fuß und dessen Breite vier Fuß betragen soll; zähle ich Breite und Basis zusammen, so erhalte ich zwanzig Fuß; nehme ich das viermal, so kommt achtzig heraus, und davon die Hälfte ist vierzig. Von den sechzehn Fuß der Basis ist die Hälfte acht, diese acht mit sich selbst multipliziert geben vierundsechzig. Davon der vierzehnte Teil macht etwas mehr als vier Fuß. Fügt man die zu den vierzig hinzu, so erhält man als Summe beider vierundvierzig Fuß. So viele Quadratfuß hat der Bogen, also ein Fünfundzwanzigstel Scripulum weniger als ein halbes Scripulum. Handelt es sich um ein Sechseck, so wird es in folgender Weise auf Quadratfuß gebracht. Ich setze voraus, daß es lauter Seiten von dreißig Fuß hat, und multipliziere eine Seite mit sich selbst: dreißig mal dreißig gleich neunhundert. Als dritten Teil davon errechne ich dreihundert und
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als zehnten neunzig, zusammen dreihundertneunzig. Das muß ich sechsmal nehmen, da es ja sechs Seiten sind, und das Produkt ist zweitausenddreihundertvierzig. Soviel Quadratfuß also setze ich an, und so ergibt sich vom Morgen eine Uncia, von der sechs Zehntel eines Scripulum abzuziehen sind.
3. Kapitel Hat man dies sozusagen als Anfangsgründe solcher Berechnungen begriffen, dann wird man unschwer die Ackermessungen vornehmen, deren sämtliche Arten jetzt aufzuzählen umständlich und schwierig wäre. Zwei Muster will ich nun den früheren noch zufügen, die die Landleute oft gebrauchen, wenn sie junge Pflanzen setzen. Ein Acker sei eintausendzweihundert Fuß lang und hundertzwanzig breit, und es sollen darauf Weinstöcke so verteilt werden, daß immer fünf Fuß zwischen den Reihen bleiben. Nun frage ich, wieviel Pflanzen man braucht, wenn man dazwischen fünf Fuß Abstand haben will. Ich nehme ein Fünftel der Länge, also zweihundertvierzig, und ein Fünftel der Breite, also vierundzwanzig, und füge beiden noch eins hinzu für die äußersten Reihen, die man Eckreihen nennt. Also ist die eine Zahl zweihunderteinundvierzig, die andere fünfundzwanzig. Diese multipliziert man: fünfundzwanzig mal zweihunderteinundvierzig ist sechstausendfünfundzwanzig, und so viele Pflanzen gibt man dann als Bedarf an. Will man ähnlich, aber mit sechs Fuß Abstand pflanzen, so nimmt man ein Sechstel der Länge von eintausendzweihundert Fuß, also zweihundert, ein Sechstel der Breite von hundertzwanzig, also zwanzig. Diesen Zahlen fügt man je eins hinzu für die schon genannten Eckreihen, so daß zweihunderteins und einundzwanzig herauskommt. Diese Zahlen multipliziert man miteinander und erhält so viertausendzweihunderteinundzwanzig. Ebenso viele Pflanzen braucht man dann. Will man entsprechend mit sieben Fuß Abstand pflanzen, so nimmt man von Länge und Breite den siebenten Teil, zählt die Randpflanzen hinzu und berechnet in gleicher Weise und Reihenfolge den Bedarf an Weinstöcken. Kurz, entsprechend der Fußzahl der vorgesehenen Reihenabstände teilt man die ganze Länge und Breite und addiert, wie gesagt, je eins. Da das so ist, so folgt, daß ein Morgen Acker, der zweihundertvierzig Fuß lang und hundertzwanzig breit ist, bei Abständen von je drei Fuß — das ist meiner Ansicht nach der Mindestabstand beim Pflanzen von Weinstöcken — in der Länge einundachtzig, bei fünf Fuß Abstand in der Breite fünfundzwanzig Pflanzen aufnehmen kann, und diese Zahlen ergeben miteinander multipliziert zweitausendfünfundzwanzig Pflanzen. Oder wenn man in beiden Richtungen die Stöcke mit vier Fuß Abstand anordnet, so wird die Längenreihe einundsechzig, die Breitenreihe einunddreißig bekommen, der Morgen insgesamt also eintausendachthunderteinundneunzig. Oder man pflanzt mit vier Fuß in der Länge und fünf in der Breite, dann kommen auf die Längenreihe einundsechzig, auf die Breitenreihe fünfundzwanzig. Wird aber mit je fünf Fuß
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Abstand gepflanzt, so braucht man für die Länge neunundvierzig und für die Breite wieder fünfundzwanzig, das ergibt multipliziert eintausendzweihundertfünfundzwanzig Pflanzen. Wenn man jedoch den gleichen Acker aui sechs Fuß Abstand mit Wein bestellen will, so ist klar, daß man jeder Längsreihe einundvierzig und jeder Querreihe einundzwanzig Weinstöcke geben muß; das macht 8 multipliziert achthunderteinundsechzig. Gibt man aber den Stöcken je sieben Fuß Abstand, so wird eine Längsreihe fünfunddreißig Stück, eine Querreihe achtzehn aufnehmen, was multipliziert sechshundertdreißig macht, und diese Pflanzenzahl wird man dann bereitstellen lassen. Bei Pflanzung auf acht Fuß Abstand bekommt die Längsreihe einunddreißig, die Querreihe sechzehn Pflanzen, multipliziert also vierhundertsechsundneunzig, bei Pflanzung auf neun Fuß sieben9 undzwanzig und vierzehn, zusammen dreihundertachtundsiebzig, bei Pflanzung auf zehn Fuß fünfundzwanzig und dreizehn, multipliziert dreihundertfünfundzwanzig, und um meine Rechnung nicht bis ins Unendliche fortzusetzen, schließe ich ab: im gleichen Verhältnis, wie einer die Abstände erweitert, muß er auch die Zahl der Pflanzen berechnen. Damit mag reichlich genug gesagt sein über Ackermaße und Pflanzenzahlen, und ich kehre jetzt zu meinem Thema zurück. 4. Kapitel 1 Ich habe in Erfahrung gebracht, daß es in den Provinzen mehrere Arten gibt, wie man den Wein zieht; von denen aber, die ich selbst kennengelernt habe, gefallen mir am besten eine Art Bäumchen mit kurzem Stamm, die ohne Stütze von selbst stehen, dann solche Weinstöcke, die an Pfähle gelehnt auf einzelne Joche gelegt werden; die Landwirte nennen sie Canteriatae; ferner solche, die man mit eingesteckten Bohrstangen rings umgibt, mit ihren Banken daran festbindet und zu Kreisen und Windungen biegt; diese bezeichnen manche als Chara2 catae. Ein letztes Verfahren ist das Niederlegen der Weinstöcke; von da, wo der Stock aus der Erde wächst, werden sie sogleich wie hingestreckt über den Boden gebreitet. Die Pflanzweise aber ist bei allen ziemlich gleich, man setzt nämlich die Jungpflanzen entweder in Gruben oder in Furchen, denn eine gründliche Bodenbearbeitung kennen die Landwirte im Ausland nicht; sie ist freilich beinah auch überflüssig in jenen Gegenden, wo die Erde mürbe und von Natur locker ist. Vergil sagt ja: ,Das ahmen wir nach durch das Pflügen', da£ heißt durch Bodenlockerung. Und so findet — um ein naheliegendes Beispiel aus unserem Land zu wählen — dieses Umgraben in Campanien keine Anwendimg, weil der lockere Boden dieser Landschaft solche Bearbeitung weniger braucht. Wenn aber irgendwo in den Provinzen dichterer Boden größeren Arbeitsaufwand des Bebauers nötig macht, dann erreicht jener durch Furchenziehen das, was wir durch Umgraben erzielen, daß er nämlich die Pflanzen in besser gelockerten Boden setzen kann.
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5. Kapitel Für die Einzelbesprechung der vorgenannten Arten, den Wein zu ziehen, will ich die schon gegebene Einteilung beibehalten. Weinstöcke, die ohne Stützen aus eigener Kraft stehen, setzt man, wenn der Boden lockerer ist, in Gruben, ist er dichter, in Furchen. Besonders vorteilhaft ist es, wenn in gemäßigtem Klima, wo der Sommer nicht gar zu heiß ist, Gruben und Furchen schon im Jahre vor dem Pflanzen angelegt werden. Vorher jedoch prüfe man die Bodengüte, denn wenn die Pflanzen in wenig fruchtbaren mageren Boden kommen sollen, darf man Gruben oder Furchen erst unmittelbar vor der Pflanzzeit ausheben. Werden die Gruben im Jahr zuvor gemacht, so ist eine Länge und Tiefe von drei Fuß völlig genug, bei einer Breite jedoch von zwei Fuß; wenn man allerdings vier Fuß Abstand zwischen den Reihen lassen will, gilt es als richtiger, den Gruben in beiden Richtungen dasselbe Maß zu geben, sie dabei aber nicht tiefer als drei Fuß auszugraben; dann setzt man die Pflanzen an die vier Ecken, nachdem man fein zerkrümelte Erde daruntergebreitet hat, und schüttet so die Gruben zu. Über die Reihenabstände aber flauß ich soviel sagen, daß den Landleuten eins klar wird: wenn sie die Pflanzung mit dem Pfluge bearbeiten wollen, müssen sie weitere Reihenzwischenräulne lassen, wenn sie zu hacken vorhaben, engere; breiter als zehn und schmaler als vier Fuß aber sollen sie nicht sein. Viele jedoch ordnen die Reihen so an, daß sie in der Länge nur zwei oder höchstens drei Fuß zwischen den Pflanzen lassen und dafür in der Quere die Zwischenräume breiter machen, durch die der Hacker oder Pflüger gehen soll. Das Pflanzverfahren aber braucht nicht anders zu sein, als ich es im dritten Buch angegeben habe, eins nur fügt ihm der Karthager Mago hinzu; er will so pflanzen, daß nicht gleich die ganze Grube mit Erde aufgefüllt, sondern etwa die Hälfte davon erst in den folgenden zwei Jahren nach und nach zugeschüttet wird; nach seiner Meinung wird nämlich auf diese Weise der Weinstock veranlaßt, seine Wurzeln nach unten zu treiben; daß das in trockenen Landstrichen mit Nutzen geschieht, mag richtig sein, aber wo das Land feucht und das Klima regenreich ist, sollte man es, meine ich, keineswegs so machen, denn wenn in den halb gefüllten Gruben zuviel Wasser steht, tötet es die noch nicht gekräftigten Pflanzen. Ich halte es daher für zweckmäßiger, die Gruben zwar nach dem Pflanzen ganz zu füllen, aber wenn die Setzlinge Wurzel gefaßt haben, unmittelbar nach der Herbstgleiche sorgfältig und tief zu räumen und nach Abschneiden der Würzelchen, die die Pflanzen in der obersten Erdschicht möglicherweise gebildet haben, wenige Tage später wieder zuzuschütten. So nämlich vermeidet man beide Nachteile: es wachsen oben keine Wurzeln, und die noch zu schwachen Setzlinge werden durch starken Regen nicht geschädigt. Wenn sie schon kräftiger geworden sind, hilft ihnen freilich der Regen ohne Zweifel sehr; deshalb wird man, wo die Milde des Winters es erlaubt, die Weinstöcke offen halten und den ganzen Winter hindurch geräumt lassen. Über die Beschaffenheit der Pflanzen aber, die man setzen soll, sind sich die Schrift-
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steller nicht einig; die einen halten es für besser, das Land gleich mit Schöttlingen zu besetzen, die anderen ziehen Wurzelreben vor. Meine Meinung darüber habe ich schon in den früheren Büchern bekanntgegeben, doch jetzt füge ich noch hinzu, daß es Äcker gibt, auf denen versetzte Pflanzen nicht so gut gedeihen wie solche, die an Ort und Stelle bleiben, daß das allerdings sehr selten vorkommt. Ebenso sei angemerkt, daß man gründlich prüfen muß, ,was in jeglicher Gegend gedeiht, was jede verweigert'. Nach dem Einsetzen ist dann die Pflanze, sei es Schnittling oder Wur^elrebe, so zu formen, daß der Weinstock später ohne Stütze steht. Das kann man aber nicht sofort erreichen, denn wenn man ihm, solange er noch dünn und schwach ist, keine Stütze gibt, werden die Banken sich kriechend auf den Boden legen. Deshalb heftet man nach dem Einsetzen an die Pflanze ein Rohr, das die Aufgabe hat, sozusagen ihre Kindheit zu schützen und zu leiten und sie bis zu der Höhe zu führen, wie sie der Landwirt will; diese braucht nun allerdings nur gering zu sein, denn man sqjl sie auf anderthalb Fuß begrenzen. Wenn der Stock dann verholzt und schon ohne Stütze zu stehen vermag, betätigt er seine Jugendkraft im Wachstum entweder des Hauptes oder der Arme, denn das sind auch bei dieser Kultur die zwei Formen des Weinstocks, und die einen schätzen mehr solche mit Häuptern, andere die mit Armen. Wer am Weinstock Arme ausbilden möchte, muß oben, wo der junge Stock abgeschnitten worden ist, alles, was dicht an der Narbe hervorwächst, stehen lassen und in vier Arme von Fußlänge teilen, so daß nach jeder Himmelrichtung einer schaut. Diese Arme läßt man aber, um den noch schwachen Weinstock nicht zu überlasten, nicht gleich im ersten Jahr so lang stehen, sondern entwickelt sie erst durch mehrfaches Beschneiden zu dem genannten Maß. Dann läßt man aus ihnen Seitentriebe wie Horner herauswachsen und auf diese Weise den Stock nach allen Seiten hin sich kreisförmig ausbreiten. Beschnitten wird ebenso wie bei den angejochten Weinstöcken, nur mit dem einen Unterschied, daß anstelle längeren Tragholzes Daumen mit vier oder fünf Augen stehen bleiben, die Vorratszapfen aber auf zwei Augen geschnitten werden. Bei der sogenannten Kopfpflanzung dann entfernt man am Stamm die Ranken bis zum Ansatz, wobei man nur ein oder das andere Auge übrigläßt, das unmittelbar am Stamm sitzt. Dies kann auf bewässertem oder sehr fettem Boden ohne Schaden geschehen, wenn die Kraft der Erde stark genug ist, Frucht und Holz auszubilden. Die Besitzer so gestalteter Weinstöcke aber bearbeiten das Land in der Regel mit Pflügen und nehmen den Stöcken die Arme, weil die bloßen Häupter ohne irgendwelchen Auswuchs weder vom Pflug noch von den Ochsen Schaden leiden. Bei den Weinstöcken mit Armen kommt es nämlich oft vor, daß die Ochsen mit Beinen oder Hörnern kleine Weinzweige abbrechen, häufig geschieht das auch durch die Pflugsterze, wenn ein eifriger Pflüger beim Durchpflügen einer Reihe sich bemüht, den Boden bis möglichst dicht an den Wein heran umzuarbeiten. Die geschilderte Behandlung soll den Stöcken, sowohl denen mit Armen wie denen mit Häuptern, zuteil werden, bevor sie knospen; nach dem Austreiben folgt der Behacker und bearbeitet die Teile,
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die der Pflüger nicht hat erreichen können, mit dem Karst. Wenn dann der Wein Banken bildet, kommt der Brecher, streift die überzähligen ab und läßt die Fruchtreben stehen, die nach dem Erhärten wie zu einem Kranze gebunden werden. Das geschieht aus zwei Gründen, erstens, damit sie nicht ungezügelt treiben und ins Wuchern kommen und alle Nahrung ins Laub geht, zweitens, damit sie dadurch, daß si ? angebunden sind, dem Pflüger und Behacker Raum geben, sie zu pflegen. Beim Brechen geht man so vor, daß man an schattigen, feuchten und kalten Plätzen im Sommer den Stock lichtet und die Blätter von den Reben pflückt, damit die Frucht reifen kann und nicht infolge mangelnder Lüftung fault; daß man aber im Gegensatz dazu an trockenem, warmem und sonnigem Orte die Trauben mit den Laubranken bedeckt und, wenn der Stock selbst zu wenig Blätter hat, noch Laubzweige und gelegentlich auch Matten heranschafft und damit die Frucht schützt. Mein Onkel Marcus Columella jedenfalls, ein vorzüglich unterrichteter und sehr rühriger Landwirt in der Provinz Baetica, pflegte zu Beginn der Hundstage dem Wein durch Palmenmatten Schutz zu geben, da in dieser Jahreszeit manche Teile jenes Landes gewöhnlich vom Südostwind, den die Einwohner Vulturnus nennen, so angegriffen werden, daß, wenn man die Weinstöcke nicht mit Decken schützt, die Früchte wie von einem Gluthauch versengt werden. Das ist die Behandlung der Weinbäumchen mit Kopf oder Armen. Jene Form dann, bei der der Weinstock auf ein einzelnes Joch gelegt wird, oder jene, bei der man ihn nach Hochziehen der Reben ringsum an Rohrstäbe heftet, erfordert ungefähr die gleiche Pflege wie der Jochwein. In bepfählten Weinpflanzungen habe ich jedoch manchmal bemerkt, daß man lange Reben, besonders von der Helvenaca, wie Absenker oberflächlich eingrub, dann wieder an Rohren hochrichtete und Frucht tragen ließ; unsere Landwirte bezeichnen diese als Gesenke, die Gallier als Candosocci, und sie graben sie aus dem einfachen Grunde ein, weil sie meinen, so liefere die Erde den Fruchtreben mehr Nahrung; nach der Lese schneiden sie sie dann ab und roden sie mit Stumpf und Stiel aus, als ob sie zu nichts mehr nütze wären. Ich aber empfehle, solche Reben vom Mutterstamm zu trennen und anstatt bewurzelter Setzlinge zu pflanzen, wenn irgendwo infolge Absterbens von Weinstöcken die Reihen Lücken aufweisen oder wenn jemand eine neue Weinpflanzung einrichten will; die Stellen der Reben nämlich, die von Erde bedeckt waren, haben genügend Wurzeln, um in Gruben gepflanzt schnell anzuwachsen. Es bleibt noch jene Anbauweise zu besprechen, bei der die Weinstocke auf dem Erdboden ausgebreitet liegen, auf die man sich aber nur in äußerst stürmischem Klima einlassen sollte; sie gibt nämlich den Arbeitern schwer zu schaffen und bringt niemals Wein von edlem Geschmack. Wo die örtlichen Bedingungen nur dies Verfahren zulassen, setzt man die Stecklinge in Gruben von zwei Fuß und läßt ihnen nach dem Ausschlagen nur einen Trieb; der wird im ersten Jahre auf zwei Augen beschränkt, und im folgenden bleibt dann, wenn er Ranken hervorgebracht hat, eine davon stehen, die übrigen werden entfernt. Die stehengebliebene wird, nachdem sie gefruchtet hat, soweit zurückgeschnitten, daß sie
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18 im Liegen den Reihenabstand nicht überschreitet. Der Unterschied im Beschneiden des liegenden und des aufrecht stehenden Weinstocks ist nicht groß, nur soll m a n beim kriechenden die Reben kürzer halten, und auch die Ersatzreben schneidet man stärker zurück, so wie man es mit Nebenschößlingen macht. Nach dem Beschneiden aber, das bei solchen Anlagen unbedingt im Herbst erfolgen muß, wird der ganze Weinstock nach dem einen Reihenzwischenraum hinübergebogen und dann der Platz, den er eingenommen hatte, gegraben oder gepflügt; ist das abgeschlossen, so legt man den Stock wieder an seine Stelle zurück, damit auch 19 die andere Seite bearbeitet werden kann. Über das Brechen bei solchen Pflanzungen besteht unter den Schriftstellern keine Einigkeit; die einen sagen, man dürfe den Weinstock überhaupt nicht auslichten, damit er die Trauben besser vor Schädigung durch Wind und Tiere bewahren könne, andere wollen, daß man mit einiger Zurückhaltung soweit entrankt, daß der Stock mit unnötigem Laub nicht ganz und gar überladen ist und doch die Frucht zu bedecken und zu schützen imstande ist; dies Verfahren scheint auch mir richtiger.
6. K a p i t e l 1 Über Weinäcker habe ich genug gesagt und m u ß jetzt Regeln f ü r die Weinpflanzung an Bäumen geben. Wer ein vollbestandenes, gleichmäßig aufgeteiltes und fruchtbares Weingehölz haben will, gebe acht, d a ß es nicht durch Absterben von Bäumen Lücken bekommt; vielmehr beseitige er jeden durch Alter oder Sturm beschädigten Baum sofort und setze an seine Stelle einen neuen. Damit h a t er keine Not, wenn er eine Pflanzschule von Ulmen angelegt h a t ; wie m a n das 2 macht und welche Baumart man wählt, will ich nun darlegen. Zwei Ulmenarten kommen in Betracht, die gallische und die italische, jene wird als atinische, diese als einheimische bezeichnet. Von der atinischen h a t Tremellius Scrofa fälschlich gemeint, sie trage keine Samera; so nennt man bei diesem B a u m den Samen. Ohne Zweifel freilich bringt sie weniger hervor, und vielen gilt sie auch darum als unfruchtbar, weil die Samen zwischen den Blättern, die sie gleich beim Ausschlagen entwickelt, versteckt sind. Und so zieht man sie nirgends mehr aus 3 Samen, sondern aus Zweigen. Diese Ulme wächst weit üppiger u n d höher als unsere, und die Rinder fressen ihr Laub lieber; wenn m a n die Tiere dauernd damit gefüttert h a t und dann anderes Laub zu geben anfängt, sagt ihnen das nicht zu. 4 Man wird deshalb, wenn es sich machen läßt, das ganze Land nur mit atinischen Ulmen bepflanzen, im anderen Falle aber es so einzurichten suchen, daß m a n bei der Reiheneinteilung in gleicher Zahl einheimische und atinische abwechseln läßt; so wird m a n immer gemischtes Laub verfüttern, u n d die Tiere werden, durch die Würze des Atinialaubes gleichsam angeregt, mit mehr Lust die richtige Futtermenge zu sich nehmen. Für die Weinpflanzung aber scheint a m besten die 5 Pappel geeignet zu sein, dann die Ulme und schließlich auch die Esche. Die Pappel
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pflanzen viele nicht gern, weil sie nur wenig und für die Viehfütterung unbrauchbares Laub liefert; das Laub der Esche fressen Ziegen und Schafe mit Vorliebe, und auch den Rindern sagt es zu; daher ist es richtig, in rauher und gebirgiger Gegend, wo die Ulme weniger gut fortkommt, Eschen zu pflanzen. Die Ulme wird von den meisten vorgezogen, weil sie sich besonders gut mit dem Weinstock verträgt, den Rindern Futter liefert, das sie lieben, und weil sie in verschiedenen Bodenarten gedeiht. Wer also ein Weingehölz neu anlegen möchte, sollte Pflanzschulen von Ulmen oder Eschen so einrichten, wie ich es nun beschreiben will; Pappeln nämlich pflanzt man besser, indem man die Stecklinge gleich an Ort und Stelle in den Garten bringt. Auf fettem und ziemlich feuchtem Lande wird die 6 Erde mit dem Bipalium durchgearbeitet und nach sorgfältigem Eggen und Lockern im Frühjahr in Beete aufgeteilt; dort sät man dann Ulmensamen, der schon von rötlicher Farbe ist und mehrere Tage in der Sonne gelegen hat, so jedoch, daß er Saft und Biegsamkeit einigermaßen behalten hat; man bedeckt die ganzen Beete dicht mit Samen, siebt zwei Finger hoch lockere Erde darüber, wässert mäßig und deckt die Beete ein, damit nicht Vögel die Keimspitzen abfressen, wenn sie aus der Erde kommen. Sobald die Pflanzen dann da sind, nimmt 7 man die Deckung weg und rupft mit der Hand das Unkraut; das soll vorsichtig und fürsorglich geschehen, damit die noch schwachen und kurzen Ulmenwürzelchen nicht herausgerissen werden. Die Beete selbst wird man so schmal halten, daß die Leute, die jäten sollen, deren Mitte mit der Hand leicht erreichen, denn bei größerer Beetbreite würden sie auf die Keimlinge treten, und diese würden Schaden nehmen. Im Sommer muß man dann vor Sonnenaufgang oder gegen Abend die Saatbeete 8 öfter sprengen als begießen. Sind die Pflanzen drei Fuß hoch, so werden sie auf ein anderes Beet verschult, und damit sie ihre Wurzeln nicht zu tief wachsen lassen — was später beim Herausnehmen und Versetzen auf ein anderes Beet viel Mühe verursacht —, hebt man nur ziemlich kleine Gruben mit sechs Fuß Abstand aus, biegt die Wurzeln, wenn sie kurz sind, ballenförmig, längere aber kranzähnlich zusammen, bestreicht sie mit Rinderdung, pflanzt sie in die Gruben und tritt sorgfältig ringsum fest. Man kann auch bewurzelte Wildlinge sammeln 9 und auf gleiche Weise aussetzen; notwendig ist das bei der atinischen Ulme, die man nicht aus Samen zieht. Man verpflanzt die Ulme besser im Herbst als im Frühjahr und dreht ihre kleinen Zweige nach und nach mit der Hand ab, da sie in den ersten zwei Jahren das Messer nicht verträgt. Erst im dritten Jahre wird sie mit scharfer Hippe geschoren, und wenn sie nun zum Auspflanzen reif ist, versetzt man sie. Die richtige Zeit dafür geht von den Herbsttagen an, wenn die Erde vom Regen durchfeuchtet ist, bis in den Frühling, solange noch die Wurzel sich beim Herausnehmen nicht schält. In lockerem Boden hebt man zur Aufnahme 10 der Bäume Gruben aus, die in jeder Richtung drei Fuß haben, in dichtem dagegen zieht man Gräben von gleicher Tiefe und Breite; ferner aber sind in taureicher und nebliger Gegend die Ulmen so zu pflanzen, daß man ihre Äste nach Osten und Westen richtet, damit die Baummitte, an die man den Weinstock heranzieht
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11 und anheftet und die ihm als Stütze dient, desto mehr Sonne bekommt. Wenn man bei fruchtbarem Boden als Unterfrucht Korn säen will, sollen die Bäume vierzig Fuß Abstand erhalten, in magerem, wo nichts gesät wird, zwanzig. Beginnen sie dann zu wachsen, so muß man ihnen mit dem Messer ihre Form geben und Stockwerke ausbilden. So nämlich bezeichnet der Landwirt die aus dem Stamme ragenden Äste, und diese schneidet er entweder kürzer oder läßt sie länger stehen, damit der Weinstock sich weiter ausbreiten kann; dies ist besser bei fettem Boden, 12 jenes bei magerem. Die Stockwerke sollen voneinander nicht weniger als drei Fuß entfernt sein und so angeordnet werden, daß nicht ein höherer Ast in der gleichen Richtung liegt wie der Ast darunter, denn dieser würde die vom oberen heruntergebogene Rebe, wenn sie weiterwächst, wundreiben und die Früchte abschlagen. In den ersten zwei Jahren aber darf man alle gepflanzten Bäume nicht schneiden; wenn dann später die Ulme etwas gewachsen ist, wird sie oberhalb eines augenscheinlich besonders gut entwickelten Zweiges so entspitzt, daß man über ihm vom Stamm noch einen dreiviertel Fuß langen Stumpf stehen läßt, an den der Zweig dicht herangezogen und festgebunden wird und so senkrecht 13 gestellt dem Baum eine neue Spitze liefert; nach einem Jahre schneidet man dann den Stumpf ab und glättet die Stelle. Hat aber der Baum keinen geeigneten Zweig, so genügt es auch, neun Fuß von der Erde an stehen zu lassen und, was darüber ist, abzuschneiden, damit die neuen Triebe, die er dann macht, vor Schädigung durch das Vieh bewahrt bleiben. Jedoch soll man, wenn es geht, den Baum mit nur einem Hiebe kappen, andernfalls absägen, die Wunde mit dem Messer glätten und sie mit spreugemischtem Lehm verstreichen, damit Sonne oder Regen ihr 14 nichts anhaben können. Nach ein oder zwei Jahren, wenn die Äste sich entwickelt haben und richtig zu Kräften gekommen sind, schneidet man die überzähligen ab und läßt die passenden so, wie man es braucht, wachsen. Bei Ulmen, die seit dem Pflanzen gut gediehen sind, muß man die obersten Zweige mit dem Messer abknoten. Handelt es sich aber um starke Zweige, so stutzt man sie derart, daß man noch einen kleinen Stumpf aus dem Stamm herausragen läßt. Nach Heranwachsen des Baumes schneidet man alles, was man mit dem Messer erreichen kann, 15 heraus und glättet so weit, daß es am Stamm keine Wunde gibt. Die richtige Form aber gibt man der jungen Ulme folgendermaßen. Bei fettem Boden läßt man sie acht, bei magerem sieben Fuß hoch ohne Äste, von der Erde an gerechnet, darüber teilt man sie dann ringsherum in drei Abschnitte ein und weist auf den drei Seiten 16 je einen Ast, der weiterwachsen soll, dem ersten Stockwerk zu. Nun läßt man drei Fuß höher weitere Äste so stehen, daß sie nicht in der gleichen Linie wie die des Stockwerkes darunter liegen, und in derselben Weise wird der Baum bis zum Wipfel aufgeteilt. Beim Ablauben soll man sich hüten, die von den abgeschnittenen Zweigen zurückbleibenden Stümpfe zu lang zu machen oder aber so stark zu glätten, daß man den Stamm verletzt oder abschält; denn die Ulme liebt es nicht, bis ins Holz entblößt zu werden. Zu vermeiden ist auch, daß aus zwei Wunden 17 eine wird, da die Rinde solche Narbe nur schwer zu schließen vermag. Zur dauern-
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den Pflege des Baumes aber gehört es, nicht nur die Einteilung der Äste sorgfältig in Ordnung zu halten, sondern auch um den Stamm herum zu graben und alles, was sich an Laubwerk entwickelt, in jedem zweiten Jahr mit dem Messer abzuschneiden oder zu beschränken, damit nicht allzuviel Schatten dem Weinstock schadet. Ist ein Baum alt geworden, so bringt man ihm in Bodennähe eine Wunde derart bei, daß man bis ins Mark bohrt und der Feuchtigkeit, die er von oben her aufgenommen hat, einen Abfluß verschafft. Den Wein pflanzt man, bevor der Baum allzustark wird; vermählt man allerdings eine zu junge Ulme, wird sie die Last noch nicht aushalten, gesellt man den Stock einer alten, so wird er die Gattin töten; es müssen also Baum und Weinstock an Kräften ungefähr gleich sein. Um aber den Baum zu vermählen, ist für den jungen Weinstock eine zwei F u ß breite Grube anzulegen, die in leichtem Boden ebenfalls zwei, in schwerem zweidreiviertel Fuß tief und sechs oder mindestens fünf Fuß lang ist; vom Baum aber soll sie nicht weniger als anderthalb Fuß entfernt sein, denn wenn man den Stock zu dicht an die Ulmenwurzeln setzt, wächst er schlecht an, und sollte er anwachsen, so läßt ihn der stärker werdende Baum nicht aufkommen. Die Grube grabe man möglichst im Herbst, damit die Erde durch Regen und Frost mürbe wird. Zur Zeit der Frühjahrsgleiche pflanzt man dann in jede Grube, einen Fuß voneinander entfernt, gleich zwei Weinstöcke, damit sie die Ulme schneller bekleiden, und achtet darauf, daß sie nicht bei Nordwind oder betaut, sondern trocken eingesetzt werden. Die Bücksicht hierauf mache ich nicht nur für das Pflanzen der Weinstocke zur Regel, sondern auch für die Ulmen und sonstigen Bäume; ferner sollen sie beim Herausnehmen aus der Baumschule auf einer Seite rot bezeichnet werden, damit man darauf achtet, daß sie nicht anders eingesetzt werden, als sie in der Schule gestanden haben; es ist nämlich sehr wichtig, daß sie nach der Himmelsrichtung schauen, an die sie von Jugend auf gewöhnt sind. I n sonniger Gegend aber, wo das Klima weder zu kalt noch zu regenreich ist, pflanzt man Bäume und Wein besser im Herbst nach der Tag- und Nachtgleiche. Die Bäume werden so gesetzt, daß man von der oberen durchgepflügten Erde einen halben Fuß darunterbreitet, die Wurzeln ganz auseinanderlegt, sie nach dem Einbringen, wie ich selbst meine, mit gedüngter, sonst aber wenigstens mit gelockerter Erde bedeckt und rings um den Stamm festtritt. Die Weinstöcke .pflanzt man am Ende der Grube, legt ihre Ranken die Grube entlang, richtet sie dann zum Baum empor und schützt sie durch Eingitterung vor Unbill, die ihnen das Vieh antun könnte. In sehr heißer Gegend fügt man die Jungpflanzen an die Nordseite der Bäume, bei kalter Lage an ihre Südseite, in gemäßigtem Klima setzt man sie auf die Ostoder Westseite, damit sie nicht den ganzen Tag Sonne oder Schatten ertragen müssen. Celsus hält es für besser, in der nächsten Schneidezeit das Messer beiseitezulassen und die Ranken zum Kranze gedreht um den Baum zu winden, damit an der Biegung sich Tragreben entwickeln, deren kräftigste man im Jahr darauf zum Haupttrieb macht. Mich aber hat lange Erfahrung gelehrt, daß es weit besser ist, auch gleich zuerst die Hippe an die Stöcke zu bringen und sie nicht mit un12 Ahrens
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nötigen Ranken wuchern zu lassen. Sogar diejenige Rebe, die man zuerst in die Höhe gehen läßt, sollte man meiner Ansicht nach auf zwei oder drei Augen schneiden, damit sie desto kräftigere Triebe macht; wenn die das erste Stockwerk erreicht haben, werden sie beim nächsten Beschneiden verteilt; alle Jahre wird einer zum höheren Stockwerk emporgezogen und immer einer ausersehen, der an den Stamm geheftet zur Spitze des Baumes geleitet wird. Weiterhin halten sich die Landwirte dann bei der Anordnung der Weinstöcke an bestimmte Regeln. Die Mehrzahl besetzt, in dem Streben nach reicherer Ernte und leichter Pflege, die untersten Stockwerke mit Reben; wer aber auf Güte des Weines Wert legt, zieht den Weinstock bis ganz oben in den Baum; je nachdem, wie eine Ranke sitzt, bringt er sie immer an den höchsten erreichbaren Ast, in der Weise, daß die Spitze des Weinstocks dem Baumwipfel zustrebt, daß also die zwei obersten Reben an den Stamm des Baumes geheftet werden, um den Wipfel zu erreichen, und daß jeder Ast entsprechend seiner Stärke Reben erhält. Auf dickere Äste legt man mehr Reben, jede von der anderen getrennt, auf dünnere weniger. Ein neuer Weinstock soll mit drei Wulstbändern an den Baum gebunden werden, von denen das erste unten am Stamm vier Fuß von der Erde entfernt sitzt, das zweite ihn oben festhält und das dritte ihn in der Mitte umschließt. Ganz unten soll man kein Band anlegen, da das dem Stock Kraft nimmt, zuweilen wird es jedoch nötig sein, wenn entweder der Baum keine Äste hat oder ein sehr kräftiger Weinstock sonst zu üppig wuchert. Außerdem gehört es noch zum Beschneiden, daß alle alten Reben, an denen die Früchte des letzten Jahres gehangen haben, beseitigt und neue hochgeleitet werden, nachdem man überall ihre Gäbelchen und die Nebentriebe, die aus ihnen sprießen, entfernt hat. Wächst ein Stock freudig, so legt man am besten seine äußersten Reben über die Astenden abwärts, wächst er schwach, die dem Stamm nächsten, bei mittlerem Wuchs die mittleren; die äußersten nämlich bringen die meisten Früchte, die nächsten erschöpfen und schwächen den Stock am wenigsten. Vornehmlich aber tut es den Weinstöcken gut, wenn man sie alle Jahre losbindet; denn sie lassen sich dann bequemer entknoten, sie lüften, wenn sie an anderer Stelle angebunden werden, besser aus, werden weniger beschädigt und wachsen kräftiger. Die Reben selbst soll man so über die Stockwerke legen, daß sie beim dritten oder vierten Auge angebunden herabhängen, und soll sie nicht zu fest einschnüren, damit die Binderute sie nicht abschneidet. Ist aber ein Stockwerk so weit entfernt, daß die Rebe sich nur schwer bis zu ihm hinziehen läßt, so bindet man sie an den Weinstock und befestigt sie dort oberhalb ihres dritten Auges. Das empfehle ich deshalb, weil der abwärts gesenkte Teil der Rebe sich mit Früchten bekleidet, der andere aber, der angebunden nach oben gerichtet ist, das Tragholz für das nächste Jahr liefert. Von Ranken gibt es zwei Arten, eine, die aus dem harten Holz sprießt und die man Laubschoß nennt, weil sie im ersten Jahr gewöhnlich nur Laub, aber keine Früchte trägt; die andere, die aus einer einjährigen Ranke wächst und, weil sie sofort Trauben bringt, als Fruchtrebe bezeichnet wird. Um davon immer eine ausreichende Menge
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zu haben, m u ß die Rebe mit ihren ersten drei Augen hochgebunden werden, damit alles, was innerhalb des Bandes ist, Tragholz austreibt. Wenn d a n n der Weinstock an Jahren und K r a f t zugenommen hat, leitet man Ranken zu den nächsten Bäumen hinüber, schneidet sie aber nach zwei Jahren a b und ersetzt sie durch jüngere, denn wenn sie zu alt werden, erschöpfen sie den Stock. Wenn manchmal ein Weinstock nicht den ganzen Baum beranken kann, ist es auch von Nutzen, den einen oder anderen Teil des Stockes herunterzubiegen, einzugraben und d a n n zwei oder drei Senker am gleichen Baume hochwachsen zu lassen, damit er von mehreren Stöcken berankt schneller voll wird. Laubranken am jungen Stock stehen zu lassen, ist unnötig, wenn sie sich nicht an Stellen bilden, wo m a n sie zur Bekleidung eines leeren Astes gut gebrauchen kann. Bei alten Weinstöcken sind an richtiger Stelle gewachsene Laubtriebe nützlich, und am besten läßt m a n die meisten, auf drei Augen zurückgeschnitten, stehen, denn im nächsten J a h r e bilden sie Tragholz. Eine Laubrebe aber, die an passendem Platze steht, jedoch beim Schneiden oder Anbinden gebrochen ist, soll man, sofern sie nur ein einziges Auge behalten hat, nicht ganz und gar beseitigen, da sife aus dem einen Auge das J a h r darauf umso kräftiger treiben wird. Sturztriebe nennt m a n solche, die aus heurigen Ranken gewachsen ans harte Holz gebunden werden. Sie bringen das meiste an Früchten, schwächen den Stock aber sehr. Man soll sie daher nur an den äußersten Enden der Äste niederbiegen oder wenn der Weinstock den Wipfel des Baumes überragt. Will aber jemand um der Früchte willen solche Ranken wachsen lassen, so sollte er sie einknicken u n d dann anbinden und herabsenken; sie wird nämlich hinter dem Knick reichlich Tragholz bilden, und der abwärts gerichtete Teil wird weniger K r ä f t e für sich beanspruchen, auch wenn er von Frucht überquillt. Länger als ein J a h r indessen sollte man solche Reben nicht dulden. Eine andere Art von Ranken wächst aus dem jungen und weichen Holz, wird ebendort angebunden und hängt so herab; m a n nennt sie Tragholz. Sie bringen Früchte und neue Triebe reichlich hervor. Auch wenn man aus gleichem Ursprung zwei Triebe wachsen läßt, heißen beide Tragholz. Von der Art der Laubranken habe ich schon oben gesprochen. Als Kehlschosse bezeichnet m a n solche, die zwischen zwei Armen gewissermaßen mitten.in einer Gabel entstehen. Ich habe festgestellt, daß das die schlechtesten Triebe sind, weil sie keine Frucht bringen und außerdem die beiden Arme, zwischen denen sie wachsen, schwächen. Deshalb sind sie zu beseitigen. Viele haben geglaubt, ein kräftiger und üppig wachsender Weinstock bringe mehr Frucht, wenn m a n ihm viele Ranken lasse und ihn so stärker belade. Das ist falsch, denn infolge der größeren Rankenzahl macht er auch mehr Laubtriebe, und wenn er sich mit viel Laub bedeckt, setzt er schlechter an, hält Nebel und Tau länger fest und läßt alle Trauben verderben. Ich bin also dafür, daß man einen kräftigen Weinstock auf die Äste verteilt, ihn auch auf Nachbarbäume hinüberleitet und ihn licht stellt, d a ß m a n bestimmte Ranken als Fruchtreben herunterbiegt und, wenn er nicht zu sehr wuchert, auch Ranken lose hängen läßt; dann wird er reichlicher tragen. Wie aber ein voll12»
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besetztes Weingehölz sich durch Ertrag und gutes Aussehen empfiehlt, so ist es, wenn es alt und dünn wird, gleichermaßen unnütz und unansehnlich. Damit es dazu nicht kommt, läßt ein vorsorglicher Gutsherr jeden altersschwachen Baum sofort beseitigen und an seine Stelle einen neuen pflanzen; diesen vermählt er aber nicht mit einem jungen Setzling, auch wenn dazu Gelegenheit wäre, sondern schafft weit besseren Ersatz durch ein Gesenk aus der Nachbarschaft. Bei beidem verfährt man, wie ich es schon angegeben habe. Soviel über das italische Weingehölz. 7. Kapitel 1 Es gibt noch die andere Art der Weinpflanzung an Bäumen, die in Gallien üblich ist und Rumpotinum heißt. Sie erfordert niedrige und laubarme Bäume. Am brauchbarsten dafür scheint der Maßholder zu sein, der dem Ahorn ähnelt, doch werden manchmal auch Kornelkirsche, Hainbuche, Blütenesche und von sehr vielen die Weide zum gleichen Zweck gepflanzt. Die Weide sollte man indessen, da sie den Geschmack des Weines verdirbt, nur in wasserreichen Gegenden verwenden, wo andere Bäume schwer anwurzeln. Auch Ulmen kann man pflanzen, wenn man sie noch in der Jugend entspitzt, damit sie nicht die Höhe von fünfzehn 2 Fuß überschreiten. Gewöhnlich legt man, wie ich beobachtet habe, ein Rumpotinum so an, daß die Stockwerke in trockenem Hügelland bis zu einer Höhe von acht Fuß eingeteilt werden, an ebenen und feuchten Plätzen bis zu zwölf Fuß. Jeden Baum aber gliedert man in der Regel in drei Äste, an deren jedem auf beiden Seiten mehrere Arme stehen bleiben, und dann schneidet man, gleichzeitig mit 3 dem Weinschnitt, fast alles Gezweig kurz ab, damit es nicht schattet. Wenn kein Getreide dazwischen gesät wird, bekommen beim Rumpotinum die Bäume in beiden Richtungen zwanzig Fuß Abstand, legt man auch auf Saaten Wert, so läßt man in der einen Richtung vierzig, in der anderen zwanzig Fuß. Im übrigen verfährt man ähnlich wie beim italischen Weingehölz, pflanzt die Weinstöcke in längliche Gruben, pflegt sie mit der gleichen Sorgfalt, verteilt sie auf die Äste, verknüpft alle Jahre neue Ranken miteinander von Baum zu Baum und schneidet 4 die alten ab. Wenn zwei Ranken einander nicht erreichen, verbindet man sie durch eine Rute, und wenn später die Früchte sie durch ihr Gewicht herunterziehen, hält man sie durch Unterstellen von Stützen oben. J e tiefer aber bei dieser und bei jeder Baumpflanzung überhaupt gepflügt und ringsherum gegraben wird, desto reichlicher ist die Ernte. Ob es sich für den Gutsherrn lohnt, diese Arbeit daran zu wenden, lehrt der Ertrag. 8. Kapitel 1 Bei jeglichem Baum ist die Kultur einfacher als beim Weinstock, und noch weit geringeren Aufwand als jeder andere braucht der Ölbaum, der der wichtigste von 2 allen ist. Denn wenn er auch nicht alle Jahre trägt, sondern gewöhnlich nur in
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jedem zweiten, so zeichnet er sich doch dadurch aus, daß er mit leichter Pflege sich erhalten läßt und, wenn er mit der Frucht ausläßt, kaum Arbeit fordert. Wenn man aber einiges an ihn wendet, vervielfacht er sogleich seinen Ertrag; wird er mehrere Jahre vernachlässigt, so geht er nicht ein wie der Weinstock, sondern bringt in ebendieser Zeit dem Gutsherrn zwischendurch noch etwas ein, und wenn man sich nachher seiner wieder annimmt, läßt er sich in einem Jahr in Ordnung bringen. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, über diesen Baum genaue Belehrung zu geben. Wie beim Wein gibt es wohl auch beim Ölbaum noch mehr Sorten, Bekanntschaft aber habe ich im ganzen mit zehn gemacht, mit der Pausia, Algiana, Liciniana, Sergia, Nevia, Culminia, Orchis, Regia, Cercitis und Murtea. Von diesen schmeckt am angenehmsten die Beere der Pausia, am ansehnlichsten ist die der Regia; beide aber eignen sich mehr zum Essen als zur ölgewinnung. Das ö l der Pausia jedenfalls, das grün von vorzüglichem Geschmack ist, verdirbt, wenn es alt wird. Auch Orchis und Radius pflückt man besser zum Essen als zum Ölpressen. Das beste ö l gibt die Licinia, das meiste die Sergia; und überhaupt sind in der Regel die größeren Oliven brauchbarer zum Verzehren, die kleineren zu öl. Keine von diesen Sorten verträgt zu heißes oder kaltes Klima, daher lieben sie in heißer Gegend die Nordhänge, in kalter die südlichen. Weder Niederungen aber noch steile Stellen sagen ihnen zu, eher die mäßig ansteigenden Höhen, wie man sie in Italien im Sabinerlande oder in der ganzen Provinz Baetica findet. Nach Meinung der meisten kann weiter als sechzig Meilen vom Meer entfernt der Ölbaum nicht leben oder doch nicht fruchtbar sein, jedoch kommt er hier und da gut fort. Hitze verträgt am besten die Pausia, Kälte die Sergia. Am besten paßt für Ölbäume ein Boden mit Kiesuntergrund, wenn über diesem sandgemischter Ton liegt. Nicht weniger eignet sich nahrhafter Sand. Aber auch dichterer Boden nimmt, wenn er feucht und fruchtbar ist, den Baum gern auf. Reiner Tonboden ist zu meiden, mehr noch Sumpfland und solches, das dauernd naß bleibt. Unzuträglich ist auch magerer Sand und reiner Kies; denn wenn der Ölbaum in solchem Boden auch nicht eingeht, so wird er doch niemals kräftig. Man kann ihn aber auf Getreidefeider pflanzen oder dorthin, wo vorher Erdbeerbaum oder Steineiche gestanden haben. Die Eiche jedoch läßt auch nach dem Roden Wurzeln zurück, die einer Olivenpflanzung sctiaden und deren Gift die Bäume tötet. Dies hatte ich allgemein vom Ölbaum überhaupt zu sagen, nun werde ich im einzelnen von seiner Kultur berichten.
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9. Kapitel Die Pflanzschule für Ölbäume lege man unter freiem Himmel an, auf mittel- 1 kräftigem und saftreichem Lande, das weder zu dicht noch zu locker, eher aber locker ist. Diese Eigenschaften finden sich gewöhnlich bei schwarzer Erde. Man gräbt diese drei Fuß tief um, zieht ringsherum einen tiefen Graben, um dem
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2 Vieh den Zugang zu verwehren, und wartet die Gare ab. Dann nimmt man von besonders fruchtbaren Bäumen junge schlanke und glatte Äste, die man mit der Hand umspannen kann, so dick also wie der Griff eines Werkzeuges, und schneidet sie möglichst frisch in Stücke, ohne dabei die Rinde oder einen anderen Teil zu verletzen, außer wo die Säge am Werk gewesen ist. Das gelingt leicht, wenn man erst einen Sägebock herstellt und die Stelle, über der man den Ast sägen will, mit Heu oder Stroh schützt, so daß man nun schonend und ohne Schaden für die 3 Rinde die daraufgelegten Stücke schneiden kann. Man sägt dann anderthalb Fuß lange Stücke ab, glättet die Schnittwunden an ihren beiden Enden mit dem Messer und bezeichnet sie mit roter Farbe, damit das Stück so, wie es am Baum gestanden hat, auch gepflanzt wird, mit dem unteren Teile in die Erde, mit dem oberen zum Himmel gerichtet. Setzt man es nämlich verkehrt ein, so faßt es schwer Wurzel und bleibt, auch wenn es mehr zu Kräften gekommen ist, doch dauernd unfruchtbar. Kopf und Fuß des Steckholzes aber soll man mit einer Mischung aus Mist und Asche bestreichen und sie vollständig eingraben, so daß 4 vier Finger hoch lockere Erde darüberliegt. Durch zwei Stäbe zu beiden Seiten wird der Pflanzplatz gekennzeichnet und gesichert; man schneidet sie von einem beliebigen Baume, steckt sie dicht neben die Aststücke und verknüpft sie oben durch ein Band miteinander, damit sie nicht als einzelne leicht umgestoßen werden können. So zu verfahren ist nützlich, damit die Behacker Bescheid wissen und nicht, wenn die Bearbeitung der Pflanzschule mit Karst oder Jäthacke beginnt, 5 das gepflanzte Steckholz beschädigen. Manche halten es für besser, Gärtchen mit Wurzelknospen vom wilden Ölbaum zu bestellen und sie in ähnlicher Weise auszusetzen; in beiden Fällen aber muß nach der Frühjahrsgleiche gepflanzt sowie die Schule im ersten J a h r möglichst oft gejätet, im nächsten und in den folgenden Jahren, wenn sich die Stecklinge schon stärker bewurzelt haben, mit dem Karst bearbeitet werden. Vom Beschneiden soll man zwei Jahre lang absehen, im dritten J a h r zwei Zweige an jedem Steckling stehen lassen und häufig die Sehlde jäten. 6 Im vierten J a h r wird der schwächere der beiden Zweige abgeschnitten, und so vorbereitet sind im fünften Jahre die Bäumchen zum Auspflanzen in den ölgarten fertig. Die beste Zeit dafür ist bei dürrem und sehr wenig feuchtem Acker der Herbst, bei fruchtbarem und feuchtem der Frühling, kurz bevor die Pflanzen 7 ausschlagen. Man bereitet für sie Gruben von je vier Fuß vor, und zwar im Jahre vorher; erlaubt das aber die Zeit nicht, so wirft man vor dem Einsetzen der Bäume in die Gruben Stroh und Reisig und zündet das an, damit das Feuer die Erde lockert, was sonst Sonne und Reif hätten tun sollen. Bei fettem Boden, der auch Korn tragen soll, muß der Reihenabstand in der einen Richtung mindestens sechzig, in der anderen vierzig Fuß betragen, auf magerem, der für Untersaat nicht geeignet ist, je fünfundzwanzig Fuß. Zweckmäßig ist es, die Reihen auf den 8 Westwind auszurichten, damit er sie im Sommer durchweht und kühlt. Das Verpflanzen selbst aber kann so vor sich gehen: vor dem Herausnehmen bezeichne man mit roter Farbe die nach Süden gerichtete Seite des Bäumchens, damit es
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ebenso, wie es in der Baumschule stand, wieder in die Erde gesetzt wird. Man lasse ihm ferner rundherum in Fußbreite einen Wurzelballen und hebe es mit diesem heraus. Damit der Ballen sich dabei nicht auflöst, muß man ein Rutengeflecht von entsprechender Größe herstellen, es mit dem Spaten beim Graben an den Ballen bringen und diesen mit den Ruten so einbinden, daß die Erde festgehalten wird und sozusagen eingesperrt ist; dann unterhöhlt man den Ballen, hebt ihn mit dem Spaten vorsichtig an und schiebt Ruten darunter, bindet fest und kann nun die Pflanze versetzen. Vor dem Pflanzen bearbeitet man die Grubensohle mit dem Karst, bringt — wenigstens wenn die obere Bodenschicht fetter ist — durchgepflügte Erde ein und streut dann Gerstensamen; sollte in den Gruben Wasser stehen, so muß man es, ehe gepflanzt wird, erst ganz ausschöpfen. Darauf wird in die Grube eine Mischung aus ganz kleinen Steinen oder Kies und fetter Erde geschüttet, und nach dem Pflanzen wird der Grubenrand auf allen Seiten gehackt und dabei etwas Dung mit untergebracht. Wenn eine Pflanze ihren Ballen nicht hält, so ist es das beste, dem Stamm alle Laubzweige zu nehmen, die Schnitte zu glätten und mit Mist und Asche zu bestreichen und ihn dann in Grube oder Furche zu setzen. Ein armdicker Stamm eignet sich zum Auspflanzen am besten, doch kann man auch weit dickere und kräftigere versetzen. Wo keine Gefährdung durch Vieh zu befürchten ist, pflanzt man Bäume, die nur mit einem ziemlich kurzen Stamm über die Grube hinausragen; diese treiben nämlich üppiger. Wenn sich indessen Viehschaden nicht auf andere Weise verhüten läßt, setzt man, um die Bäume davor zu bewahren, Hochstämme. In Trockenperioden brauchen die Pflanzen auch Wasser. Mit dem Messer darf man sie erst nach zwei Jahren berühren, und zwar werden sie zuerst so beschnitten, daß der Stamm astlos bleibt bis zu einer Höhe, die diejenige des größten Rindes übertrifft; damit dann beim Pflügen nicht ein Ochse mit der Hüfte oder einem anderen Körperteil an den Stamm stößt, ist es das beste, auch die ausgepflanzten Bäume zu umzäunen. Den fertigen und schon tragfähigen ölgarten gliedert man in zwei Abteilungen auf, die jährlich abwechselnd mit Feldfrucht bestellt werden sollten, denn der Ölbaum trägt nicht in zwei aufeinander folgenden Jahren. Wenn der Acker keine Untersaat hat, treibt der Baum, wenn er besät wird, bringt er Frucht, und so liefert ein derart aufgeteilter Olivengarten alle Jahre gleichmäßige Erträge. Mindestens zweimal im Jahr aber soll man pflügen und um die Bäume herum mit dem Karst tief hacken, denn wenn im Hochsommer der Boden von der Hitze reißt, muß man Sorge tragen, daß nicht durch die Risse die Sonne zu den Baumwurzeln dringt. Nach der Herbstgleiche gräbt man die Baumscheiben in der Weise auf, daß man, wenn die Ölbäume am Hang stehen, von oben her Rinnen zieht, die das Schlammwasser an den Wurzelstock leiten. Aller Nachwuchs unten am Stamm wird jedes Jahr entfernt, und alle drei Jahre gibt man den Bäumen auch Dung. Einen ölgarten düngt man ebenso, wie ich es im zweiten Buch dargestellt habe, wenn dabei auf Untersaat Rücksicht zu nehmen ist; handelt es sich dagegen nur um die Bäume, so genügen für jeden sechs Pfund Ziqgenmist oder ein Modius
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trockener Dung, oder auch von ungesalzener Amurca ein Congius. Man gibt den Dung im Herbst und bringt ihn unter, damit er im Winter die Wurzeln wärmt. An kränkelnde Bäume soll man Amurca gießen, denn wenn Würmer und anderes Ungeziefer in der Erde sind, werden sie über Winter durch dies Mittel getötet. Gewöhnlich werden auch, in trockenen wie in feuchten Gegenden, die Bäume durch Moos gefährdet, und wenn man das nicht mit dem Messer abkratzt, wird der Ölbaum weder Früchte noch üppiges Laub entwickeln. Im Abstand von mehreren Jahren soll man eine Ölbaumpflanzung auch beschneiden, denn man darf nicht das alte Sprichwort vergessen, daß, wer einen Olivengarten pflügt, ihn fragt, ob er tragen wolle, wer düngt, ihn darum anfleht, wer beschneidet, ihn dazu zwingt. Man braucht dies aber nur alle acht Jahre zu tun, um dabei nicht Fruchtzweige mit abzuschneiden. Es kommt auch vor, daß ganz gesunde Bäume nicht tragen. Diese bohrt man mit dem gallischen Bohrer an und setzt in das Loch genau passend ein frisches Aststück vom wilden Ölbaum ein. So werden sie, von dem fruchtbaren Pflock gleichsam begattet, selbst fruchtbarer. Man kann ihnen dann auch noch durch Räumen und Begießen mit einer Mischung von salzloser Amurca und altem Schweine- oder Menschenurin helfen, nur muß man bei diesen beiden maßhalten, denn für einen sehr großen Baum genügt, wenn man die gleiche Menge Wasser zusetzt, eine Urna reichlich. Oft versagen Ölbäume in der Fruchtbildung auch durch Schuld des Bodens. Um dem abzuhelfen, gräbt man um die Bäume herum den Boden tief auf und streut dann entsprechend ihrer Größe mehr oder weniger Kalk, ein ganz kleiner Baum braucht einen Modius. Hilft dies Mittel nicht, so muß man zum Pfropfen seine Zuflucht nehmen. Wie man einen Ölbaum pfropft, werde ich später sagen. Zuweilen ist an einem Ölbaum auch ein einzelner Ast bedeutend üppiger als die übrigen; wenn man ihn nicht zurückschneidet, leidet der ganze Baum. Von Olivenpflanzungen habe ich jetzt genug gesagt; es ist nun noch zu erörtern, wie man mit Obstbäumen verfährt, und dazu will ich im folgenden Hinweise geben. 10. Kapitel
1 Das für einen Obstgarten bestimmte Grundstück soll man vor dem Bepflanzen mit einer Mauer oder einem Zaun umgeben, oder auch mit einem so steilwandigen Graben, daß er nicht nur Tieren, sondern auch Menschen den Übergang verwehrt. Denn wenn öfter Menschenhand die Baumspitzen abbricht oder Tiere sie benagen, 2 können auf die Dauer die jungen Pflanzen nicht an Größe zunehmen. Nützlich ist es, die Bäume nach Arten getrennt zu setzen, damit namentlich nicht diejenigen, die noch schwächer sind, von den stärkeren bedrängt werden; denn sie sind weder an Kraft noch Größe gleich, noch wachsen sie in gleicher Zeit heran. Land, das sich zur Weinkultur eignet, ist auch dem Obstbaum zuträglich. Die Gruben hebe man schon im Jahre vor dem Pflanzen aus, sie werden dann von
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Sonne und Regen gelockert, und was man einsetzt, wächst schnell an. Will m a n 3 dagegen im gleichen J a h r die Gruben anlegen und die Bäume pflanzen, so grabe man die Gruben mindestens zwei Monate zuvor und erhitze sie dann durch angezündetes Stroh; je weiter und offener man sie macht, desto üppigere und reichere Ernten wird m a n erhalten. Die Grube sei einem Clibanus ähnlich, unten weiter als 4 oben, damit die Wurzeln sich besser ausbreiten können und im Winter weniger Kälte, im Sommer weniger Hitze durch die enge Öffnung dringt, ferner, damit auf ansteigendem Gelände die in die Grube geschüttete Erde vom Regen nicht weggespült werden kann. Man pflanze die Bäume in weiten Abständen, damit sie 5 herangewachsen Platz haben, die Zweige auszubreiten. H a t m a n nämlich zu dicht gepflanzt, so kann m a n weder darunter etwas säen, noch werden dann die Bäume selbst fruchtbar sein, wenn man nicht auslichtet; es ist daher richtig, zwischen 6 den Reihen vierzig, mindestens aber dreißig F u ß frei zu lassen. Zu Stecklingen wähle man solche, die nicht weniger dick als ein Hackenstiel, gerade, glatt, schlank und ohne Auswüchse sind, mit unbeschädigtem Bast. Diese wachsen gut und schnell an. Man suche die Stecklinge von solchen Bäumen aus, die alljährlich gut und reich tragen, und zwar nehme man sie vom mittleren Teil der Bäume, der der [Morgen-] sonne zugewandt ist. [Wenn m a n Pflanzen mit Wurzeln einsetzt, wachsen sie schneller als die Stecklinge. Gepfropfte Bäume sind fruchtbarer als ungepfropfte, das heißt als solche], die als Zweige oder bewurzelte Pflanzen gesetzt sind. Bevor man aber Bäumchen umpflanzt, merke m a n sich an, welchen 7 Winden ausgesetzt sie vorher gestanden haben, u n d versetze sie dann mit aller Sorgfalt vom Hügel und aus trockenem Boden in feuchtes Ackerland. Möglichst pflanze man dreispitzige Stämmchen, die mindestens drei F u ß aus der Erde ragen. Will m a n zwei oder drei Bäumchen in derselben-Grube unterbringen, so dürfen sie sich nicht berühren, da sie bei gegenseitiger Berührung entweder ganz faulen oder Würmern zum Opfer fallen. Beim Einsetzen der Pflanzen grabe m a n rechts 8 und links von ihnen bis zur Grubensohle hinab armdicke Reisigbündel so ein, daß sie ein wenig noch aus der Erde heraussehen; durch diese kann m a n m i t kleiner Mühe den Wurzeln im Sommer Wasser zuführen. Bäume und Jungpflanzen mit Wurzeln bringe man im Herbst von Anfang bis Mitte Oktober an ihren Platz, Stecklinge im Frühjahr, bevor die Bäume ausschlagen. Damit Feigenpflan- 9 zen nicht von Schildläusen behelligt werden, stecke m a n bis unten in die Grube einen Pfahl vom Mastixbaum, die Spitze abwärts gerichtet. Bei Kälte soll m a n die Feige nicht pflanzen. Sie liebt sonnige Plätze mit Steinchen und Kies und gedeiht hier und da auch auf Felsgrund. Der B a u m wächst schnell heran, wenn man weit offene Gruben macht. Die Sorten sind wohl in Geschmack und Aus- 10 sehen verschieden, aber sie werden auf die gleiche Weise gepflanzt, allerdings unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Bedingungen. Wo die Gegend kalt und der Herbst regenreich ist, setze man frühe Sorten, damit man vor der Regenzeit ernten kann, an warmen Stellen aber Winterfeigen. Will m a n dagegen einen Feigenbaum zur Spätreife veranlassen, obwohl es •seiner N a t u r nicht ent-
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spricht, so schlage man die Grossuli, das heißt den ersten Behang, unreif ab, und er wird dann neue Früchte ausbilden, die er bis in den Winter behält. Es ist gut, nach Beginn des Austreibens manchmal die Feigenwipfel mit dem Eisen einzustutzen, die Bäume werden dann kräftiger und fruchtbarer; und immer ist es zuträglich, sowie sie auszuschlagen anfangen, rote Erde in Amurca aufzulösen und zusammen mit Abtrittdünger an die Wurzeln zu gießen. Das regt die Fruchtbildung an und macht die Feigen fleischiger und besser. Vornehmlich pflanze man die Winterfeigen Liviana, Africana, Chalcidica, Sulca, Lydia, Callistruthia, Topia, Rhodia, Libyca, dazu auch alle zwei? oder dreimal tragenden. Die griechische Mandel säe man etwa Anfang Februar, weil sie zuallererst treibt. Sie wünscht harten, warmen und trockenen Boden. Legt man die Kerne irgendwoanders, so faulen sie leicht. Vor dem Pflanzen weiche man sie in nicht zu süßem Honigwasser ein; dann wird der Baum, wenn die Zeit gekommen ist, Früchte von angenehmerem Geschmack liefern und einstweilen schon besser und schneller sich belauben. Je drei Mandeln stecke man derart im Dreieck, daß jede von der anderen wenigstens eine Handbreit entfernt ist und zweiseitig nach Westen schaut. Jede sendet nur eine Wurzel aus und entwickelt einen einfachen Stamm. Ist die Wurzel bis zur Grubensohle gelangt, so kommt sie wegen der Härte des Untergrundes nicht weiter, krümmt sich zurück und bildet aus sich wie Zweige andere Wurzeln. Pflanzen der griechischen Mandel und der tarentinischen Haselnuß lassen sich folgendermaßen gewinnen: Bringe in die zu ihrer Aussaat bestimmte Grube einen halben Fuß hoch feinkrümelige Erde und säe Steckenkraut hinein; wenn dies sich entwickelt hat, spalte es, stecke in sein Mark die geschälte Mandel oder Haselnuß und fülle dann Erde auf. Tu das Ende Februar oder in der zweiten Märzwoche. Zur gleichen Zeit soll man auch Walnuß, Pinie und Kastanie säen, den Granatapfel sät man im Frühjahr bis Anfang April. Wenn dieser saure oder doch zu wenig süße Früchte bringt, kann man das dadurch bessern, daß man die Wurzeln mit Schweine- und Abtrittdünger und altem Urin gießt; es macht den Baum fruchtbar und gibt den Äpfeln in den ersten Jahren einen weinartigen Geschmack, und nach fünf Jahren werden sie süß und kernlos. Ich selbst habe eine ganz geringe Menge Harz von der Laserpflanze in Wein aufgelöst und damit die obersten Äste des Baumes bestrichen; das hat die Säure der Äpfel beseitigt. Dem Übel, daß Granatäpfel am Baume platzen, beugt man dadurch vor, daß man beim Pflanzen drei Steine dicht an die Wurzeln legt; ist indessen der Baum schon gepflanzt, so säe man Meerzwiebel an seine Wurzel. Man kann aber auch, bevor die schon reifen Äpfel bersten, die Stiele einknicken, an denen sie hängen; auf diese Weise kann man sie ungeplatzt sogar ein ganzes Jahr aufheben. Birnen säe man im Herbst vor der Wintersonnenwende, so daß bis dahin mindestens noch fünfundzwanzig Tage bleiben. Damit ein Birnbaum nach dem Heranwachsen fruchtbar ist, räume man tief, spalte dicht an der Wurzel den Stamm, füge ein keilförmiges Stück Kienholz in den Spalt und lasse es dort stecken, schütte dann die ausgegrabene Erde wieder ein und streue oben darüber Asche. Man sehe auch
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darauf, daß man die Birnengärten mit möglichst edlen Sorten bepflanzt. Das sind die Crustumina, Regia, Signina, Tarentina — auch Syria genannt —, Purpurea, Superba, Ordeacea, Aniciana, Naeviana, Favoniana, Lateritana, Dolabelliana, Turraniana, Volema, Mulsa, Praecocia, Venerea und noch andere, deren Aufzählung jetzt zu umständlich ist. Von Apfelsorten sind vorzugsweise zu 19 empfehlen Scandiana, Matiana, Orbiculata, Sextiana, Pelusiana, Amerina, Syrica, Melimjla sowie die Quitte, von der es drei Sorten gibt, die Struthia, Chrysomelina und Mustea. Alle diese schmecken nicht nur gut, sondern sind auch gesund. Auch die Sorben, Aprikosen und Pfirsiche sind recht beliebt. Äpfel, Sorben und Pflaumen säe man von der Wintermitte an bis Mitte Februar. Die Saatzeit der Maulbeere 20 reicht von Mitte Februar bis zur Frühjahrsgleiche. Griechisches Johannisbrot, von manchen XBQatiov genannt, und Pfirsiche säe man vor Eintritt der Kälte im Herbst. Ist ein Mandelbaum zu wenig fruchtbar, so bohre man in den Stamm ein Loch, treibe einen Keil hinein und lasse dann den Bast darüberwachsen. Bei 21 allen Obstarten aber ist es möglich, etwa Anfang März in Baumschulen nach Lockern und Düngen der Erde Äste auf Beete zu setzen. Zu beachten ist, daß diese Stecklinge im ersten Jahre, wenn sie dünne Nebenzweige haben, ähnlich, wie man den Wein entrankt, auf einen Stamm beschränkt werden; ist dann der Herbst gekommen, so empfiehlt es sich, bevor die Kälte die Spitzen erfrieren läßt, alles Laub abzupflücken, die Stecklinge mit dicken Rohrstengeln, die auf einer Seite unberührte Knoten haben sollen, ringsherum wie mit Kappen einzudecken und 22 die noch empfindlichen Zweige so vor Kälte und Frost zu schützen. Nach vierundzwanzig Monaten kann man sie dann ohne Gefahr entweder verpflanzen und in Reihen bringen oder auch pfropfen.
11. Kapitel Jedes Reis läßt sich auf jeden Baum pfropfen, wenn es demjenigen, auf den es gepfropft wird, in der Rinde nicht unähnlich ist; wenn es aber außerdem ähnliche Früchte hervorbringt und sogar zur gleichen Jahreszeit, so kann man unbedenklich mit vortrefflichem Anwachsen rechnen. Drei Arten des Pfropfens nun haben die Alten überliefert. Eine, bei der der zurückgeschnittene und gespaltene Baum die zugeschnittenen Reiser aufnimmt, eine zweite, bei der sie nach dem Kappen des Baumes zwischen Bast und Holz kommen; beide Verfahren wendet man im Frühling an; das dritte, bei dem man nur Augen mit ganz wenig Rinde an einer Stelle des Stammes einsetzt, von der man die Rinde gelöst hat, und das die Landleute Anschilden, manche auch Okulieren nennen, läßt sich am besten im Sommer durchführen. Nach Mitteilung dieser Pfropfmethoden will ich noch eine beschreiben, die ich selbst erfunden habe. Alle Bäume pfropfe man bei zunehmendem Mond, sowie sie zu knospen begonnen haben, den Ölbaum aber von der Frühjahrsgleiche bis Mitte April. Man sehe darauf, daß der Baum, von dem aus man pfropfen
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und Reiser zu diesem Zweck nehmen will, jung und fruchtbar ist sowie zahlreiche Knoten hat, und wähle, sobald die Knospen schwellen, von den einjährigen, nach Osten stehenden und unversehrten Zweigen solche von Kleinfingerdicke aus. Sie sollen zwei- oder dreifach gegabelt sein. Den Baum, auf welchen m a n pfropfen will, säge m a n vorsichtig an einer möglichst glatten und narbenlosen Stelle ab und gebe sich Mühe, nicht den Bast zu verletzen. Nach dem Abschneiden glätte man die Wunde m i t einem scharfen Messer und treibe behutsam, ohne die Rinde zu beschädigen oder zu zerreißen, einen dünnen eisernen oder beinernen Keil mindestens drei Finger tief zwischen Rinde und Holz. Nun schabe m a n mit scharfem Messer die zum Pfropfen bestimmten Reiser an einer Seite soweit ab, wie der eingetriebene Keil Platz geschaffen hat, und zwar so, daß das Mark und die Rinde der anderen Seite unverletzt bleibt. Nach Fertigstellung des Reises ziehe m a n den Keil heraus und setze es sogleich in die Öffnung, die m a n m i t Hilfe des Keiles zwischen Rinde und Holz gemacht hat. Man füge es mit dem angeschabten Ende so ein, daß es einen halben F u ß oder mehr aus dem Stamm herausragt. Auf einen Stumpf lassen sich gut zwei oder, wenn er dicker ist, auch mehr Reiser pfropfen, nur soll zwischen diesen immer ein mindestens vier Finger breiter Abstand sein; m a n m u ß sich dabei also nach der Größe des Baumes und nach der Beschaffenheit der Rinde richten. H a t man alle Reiser, die ein Stamm bekommen soll, angebracht, so umschnürt m a n ihn mit Ulmenbast, Binsen oder Weidenruten und verpackt die ganze Wunde und den R a u m zwischen den Reisern so dick in gut durchgekneteten Spreulehm, d a ß diese noch mindestens vier Finger breit hervorschauen. Darüber legt man n u n Moos und bindet es fest, damit sich die Packung bei Regen nicht auflöst. Manchen jedoch gefällt es besser, am Stamm des Baumes einen Platz für das Pfropfreis mit der Säge freizulegen, den Einschnitt mit einer dünnen Klinge zu glätten und dann das Reis anzupassen. Will m a n einen sehr kleinen Baum pfropfen, so schneide m a n ihn unten anderthalb F u ß oberhalb des Erdbodens a b ; nach dem Kappen glätte m a n sorgfältig die Wunde und spalte mit scharfem Meißel den Stumpf in der Mitte auf, doch so wenig, daß ein nur drei Finger tiefer Schlitz entsteht.Setze d a n n einen Keil hinein, der ihn offenhält, und füge beiderseits beschabte Reiser so ein, daß ihr Bast auf dem des Baumes aufsitzt. Nach genauem Einpassen der Reiser ziehe man den Keil heraus und verbinde den Baum, wie ich oben angegeben habe; schließlich häufle m a n ihn bis zum Pfropfreis ringsherum mit Erde an, das schützt ausgezeichnet vor Wind und Hitze. Ich habe noch eine dritte Pfropfmethode gefunden, die größte Genauigkeit verlangt und daher nicht f ü r alle Baumarten paßt, bei Bäumen aber, die feuchten, saftreichen und kräftigen Bast haben, in der Regel Erfolg hat, zum Beispiel bei der Feige. Diese treibt nämlich sehr viel Milch und h a t eine starke Rinde, und so läßt sich ein wilder Feigenbaum sehr gut veredeln. An dem Baume, von dem aus veredelt werden soll, wähle man junge, glatte Zweige und suche an diesen ein Auge aus, das gut aussieht und Austreiben zuverlässig erhoffen läßt; m a n umreiße ein Rindenstück von zwei Fingern im Quadrat so, d a ß das Auge
5. Buch, 11. Kapitel
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in seiner Mitte sitzt, schneide es mit einem kleinen scharfen Messer rundum los und schäle es vorsichtig ab, ohne das Auge zu verletzen. Dann wähle man an dem Baume, den man veredeln will, ebenfalls einen recht glatten Ast, umschneide ein Rindenstück von gleichem Umfange und lege das Holz frei. Darauf passe man in den bloßgelegten Teil das vorbereitete Schildchen so hinein, daß es genau die Stelle des herausgelösten einnimmt. Sobald man dies getan hat, schnüre man es um die Knospe herum gut fest, hüte sich aber, dabei das Auge zu beschädigen. Verbindungsstellen und Bänder hülle man dann in Lehm, lasse aber Platz, daß das Auge frei bleibt und durch den Verband nicht beengt wird. Nachwuchs und obere Zweige des gepfropften Baumes schneide man ab, damit nichts davon den Saft an sich ziehen kann oder daß er doch der Veredelung zuerst zugute kommt; nach drei Wochen löse man den Verband. Sehr gut läßt sich auf diese Art auch der Ölbaum anschilden. Eine vierte Pfropfmethode habe ich schon bei der Besprechung der Weinstöcke beschrieben, es ist deshalb unnötig, jenes Bohrverfahren hier nochmals darzustellen. Da nun aber die Alten behauptet haben, man könne nicht Reiser jeder Art auf jeden Baum pfropfen, und da sie 4ie Einschränkung, die ich vorhin gemacht habe, als eine Art Gesetz hinstellen, daß nämlich nur solche Reiser anwachsen können, die in Rinde, Bast und Frucht den Bäumen ähneln, auf die man sie pfropft, so glaube ich, diese irrige Auffassung erschüttern und der Nachwelt das Verfahren überliefern zu müssen, wie man jede Art Reis auf jede Art Baum pfropfen kann. Um aber nicht durch eine längere Abhandlung den Leser zu ermüden, will ich nur eins als Beispiel dafür anführen, wie sich alle Reiser auf alle Bäume pfropfen lassen. Hebe eine Grube von vier Fuß in jeder Richtung soweit von einem Ölbaum entfernt aus, daß dessen äußerste Zweige bis zu ihr hinreichen; in die Grube pflanze dann ein Feigenbäumchen und bemühe dich darum, daß es kräftig und üppig wird. Wenn es nach drei Jahren schon recht gewachsen ist, biege einen Ast des Ölbaums herab, der besonders gut entwickelt scheint, und binde ihn unten an den Stamm des Feigenbaumes; nun schneide die übrigen Zweige ab und laß nur die Triebe an ihm stehen, die du zum Pfropfen brauchen willst. Köpfe dann den Feigenstamm, glätte die Schnittstelle und spalte ihn mit einem Keil in der Mitte auf. Die Zweige des Ölbaumes mußt du so, wie sie mit ihrem Mutterstamm zusammenhängen, beiderseits beschaben und in den Spalt des Feigenbaumes einschieben, dann den Keil herausnehmen und sie sorgfältig festbinden, damit sie nicht durch irgendwelche Gewalt herausgerissen werden. Binnen drei Jahren werden Feige und Ölbaum zusammenwachsen, und im vierten Jahr endlich, wenn sie sich fest miteinander verbunden haben, schneidest du die ölbaumzweige wie Senker von der Mutter ab. In dieser Weise läßt sich jedes Reis auf jeden Baum pfropfen. Bevor ich aber dies Buch abschließe, ist es, nachdem ich in den bisherigen Büchern wohl allen Baumkulturen im einzelnen nachgegangen bin, jetzt an der Zeit, vom Schneckenkleestrauch zu reden.
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5. Buch, 12. Kapitel
12. Kapitel 1 Möglichst viel Schneckenblee auf den Feldern zu haben, empfiehlt sich sehr, weil er vorzüglich brauchbar ist für Hühner, Bienen, Schafe und Ziegen, auch für Rinder und jede andere Art von Tieren, weil das Vieh davon schnell fett wird und er den Schafen sehr viel Milch gibt, ferner auch, weil man ihn acht Monate lang als Grünfutter und später als Trockenfutter verwerten kann. Außerdem kommt er in jedem, auch dem magersten Boden schnell vorwärts und nimmt 2 jede schlechte Behandlung ohne Schaden hin. Auch wenn Frauen an Milchmangel leiden, soll man trockenen Schneckenklee einwässern und, wenn er eine ganze Nacht lang durchgeweicht ist, am folgenden Tage den Saft auspressen, jeweils drei Heminae davon mit etwas Wein mischen und so zu trinken geben; dann werden die Frauen selber kräftig sein und die Rinder durch die Menge der Milch 3 kräftig werden. Die Anzucht des Schneckenklees kann entweder im Herbst etwa Mitte Oktober oder im Frühjahr erfolgen. Nachdem man die Erde gut durchgearbeitet hat, lege man kleine Beete an und säe dort im' Herbst den Schneckenklee aus, so wie man Ocimum sät. Im Frühling verteile man dann die Pflanzen so, daß sie untereinander in jeder Richtung vier Fuß entfernt sind. Hat man keinen Samen, so setze man im Frühjahr Triebspitzen ein und häufle um sie herum 4 Dungerde an. In den nächsten fünfzehn Tagen soll man, wenn kein Regen fällt, Wasser geben und, sobald neues Laub zu wachsen beginnt, jäten. Nach drei Jahren kann man den Klee dann schneiden und an das Vieh verfüttern. Bei Grünfütterung sind für ein Pferd fünfzehn, für Rinder je zwanzig Pfund mehr als genug, den übrigen Tieren teile man entsprechend ihren Kräften zu. Man kann Schneckenklee recht gut auch an Ackerzäunen aus Stecklingen ziehen, da er ja leicht anwächst und sich viel gefallen läßt. Verfüttert man ihn trocken, so gebe man, weil er dann nahrhafter ist, weniger, weiche ihn vorher in Wasser ein und 5 mische ihn nach dem Herausnehmen mit Spreu. Zum Trocknen schneide man ihn im September, wenn seine Samen groß zu werden anfangen, setze ihn wenig Stunden, bis er welk wird, der Sonne aus, lasse ihn im Schatten nachtrocknen und speichere ihn dann. Über Bäume habe ich nun vollauf genug gesagt und werde im folgenden Buche von der Pflege des Viehs und den Heilmitteln für seine Krankheiten sprechen.
Sechstes Buch
Vorrede
Ich weiß, Publius Silvinus, daß manche verständigen Landwirte mit Vieh nichts zu tun haben wollten und daß sie Belehrung über Dinge, die den Viehzüchter angehen, als mit ihrer Tätigkeit unvereinbar beharrlich verschmähten; ich leugne auch nicht, daß sie das mit einigem Grunde getan haben, da man sagen kann, die Aufgaben von Ackerbauer und Viehzüchter vertrügen sich nicht miteinander, weil jener sich über möglichst gründlich bearbeiteten und reinlichen Boden freue, dieser über ungepflügtes und grasiges Brachland, jener Gewinn von der Erde erhoffe, dieser vom Vieh, und deshalb der Pflüger den Graswuchs verabscheue, der Hirte dagegen ihn begehre. Trotz dieser einander so widerstrebenden Wünsche gibt es aber doch etwas, das beide verbindet und eint, weil es in der Regel ja nützlich ist, das Futter, das auf dem Gute wächst, lieber von eigenem als von fremdem Vieh abweiden zu lassen, und weil durch reichliche Düngung, die ein Viehbestand ermöglicht, die Feldfrüchte üppig gedeihen. Zudem wird doch auch jede Gegend, die überhaupt Getreide erzeugt, mit Hilfe nicht allein von Menschen, sondern auch von Tieren bewirtschaftet, weshalb auch Jochtiere und Pflugochsen ihre Benennungen davon bekommen haben, daß sie unsere Arbeit durch Lastenbeförderung oder Pflügen unterstützen. Darum trete auch ich, ebenso wie die alten Römer es wollten, dafür ein, daß man genau so gut mit dem Vieh umzugehen lernen sollte wie mit dem Acker. Ferner ist von den Arbeiten auf dem Lande die Weidewirtschaft die allerälteste und zugleich sehr einträglich, weswegen auch die Wörter für Geld und Vermögen augenscheinlich von dem Wort für Vieh abgeleitet sind, weil ja die Alten nur dies besessen haben und weil es bei manchen Völkern noch heute nur diese eine Art von Reichtum gibt. Aber auch unseren Landwirten bringt nichts anderes mehr ein, wie Marcus Cato bezeugt; als ihn jemand fragte, welchen Zweig der Landwirtschaft er betreiben solle, um rasch reich zu werden, hat er .geantwortet, er solle gute
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6. Buch, Vorrede. 1. Kapitel
Vieh Wirtschaft treiben; erneut befragt, auf welchem Wege er sonst noch zu befriedigenden Einkünften kommen könnte, hat Cato versichert, das sei möglich, 5 wenn jener sich um die Viehzucht nur einigermaßen bekümmere. Wenn allerdings gewisse Autoren von einem so verständigen Manne wie Cato behaupten, er habe dem gleichen Manne auf dessen Frage, was denn an dritter Stelle in der Landwirtschaft lohnend sei, gesagt, selbst schlechte Viehhaltung lohne noch, so möchte ich das nicht wiederholen, zumal ja ein träger und unwissender Hirt mehr Verlust verursacht, als ein erfahrener und zuverlässiger an Gewinn einbringt. Was jedoch die zweite Antwort anlangt, so gleicht ohne Frage der Ertrag aus der Viehzucht eine nicht gerade übermäßige Nachlässigkeit des Herrn mehr als reichlich aus. 6 Deshalb, Silvinus, habe ich diesen Teil der Landwirtschaft gleichfalls mit allem Fleiß, den Regeln der Vorfahren folgend, für die Späterlebenden dargestellt, und da es nun zweierlei Vierfüßer gibt, von denen wir die einen — Bind, Maultier, Pferd, Esel — uns zu Helfern bei der Arbeit erziehen, die anderen — Schaf, Ziege, Schwein und Hund —, damit sie uns Genuß und Einkünfte bringen oder Wache halten, so will ich zuerst von der Gruppe sprechen, die wir bei unserer 7 Arbeit verwenden. Unzweifelhaft muß, wie Varro sagt, das Bind an Wertschätzung die anderen Tiere übertreffen, vornehmlich in Italien, das, wie man annimmt, seinen Namen davon bekommen hat, daß einst die Griechen die Stiere als itali bezeichneten, sowie in derjenigen Stadt, für deren Mauerbau ein männliches und ein weibliches Bind mit dem Pfluge die Grenzlinie zogen; auch deshalb muß, um auf Älteres zurückzugreifen, das Rind das vornehmste der Tiere sein, weil es im attischen Athen als Diener der Ceres und des Triptolemos gilt, weil es unter die glänzendsten Sternbilder des Himmels aufgenommen wurde, schließlich, weil es bis heute der arbeitsamste Gefährte des Menschen beim Ackern ist; so hoch wurde es von den Alten verehrt, daß es ebenso ein Kapitalverbrechen war, ein Bind zu töten wie einen Bürger. Mit dem Binde will ich daher die Behandlung des Themas beginnen.
1. Kapitel 1 Was beim Binderkauf zu beachten und was zu vermeiden ist, läßt sich nicht so leichthin sagen, weil die Tiere ja je nach Gregend und Klima ihren besonderen Körperbau, ihre Wesensart und ihre Haarfarbe haben. Anders sehen asiatische Binder aus, anders gallische, wieder anders die Binder aus Epirus; es gibt aber nicht nur diese Verschiedenheit nach den Provinzen, sondern sogar Italien zeigt in seinen Landschaften Unterschiede. Campanien erzeugt meist weiße und kleine, zur Arbeit indessen und zum Pflügen des Bodens in ihrer Heimat recht geeignet, 2 Umbrien sehr große von weißer oder auch roter Farbe, die wegen ihres Wesens nicht weniger empfehlenswert sind als wegen ihres Körperbaues, Etrurien und Latium untersetzte, aber sehr leistungsfähige Tiere, der Appennin solche, die
6. Buch, 1.—2. Kapitel
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sehr hart und allen Strapazen gewachsen sind, allerdings nicht schön aussehen. Obwohl die Bassen so mannigfach verschieden sind, muß der Ackersmann doch einige gewissermaßen allgemeingültige und feststehende Regeln beim Ankauf von Jungtieren befolgen, und diese hat der Karthager Mago so überliefert, wie ich sie jetzt weitergeben werde. Man soll junge, mittelgroße, starkgliedrige Ochsen 3 anschaffen, mit schlanken, schwarzen und kräftigen Hörnern, breiter und kraushaariger Stirn, struppigen Ohren, dunklen Augen und Lippen, aufgeworfenen, weitoffenen Nüstern, langem, muskulösem Nacken, großer Wamme, die fast bis zu den Knien reicht, mit weiter Brust und mächtigem Vorderbug, mit viel fassendem und scheinbar trächtigem Bauch, ausgedehnten Flanken, breiten Lenden, geradem und waagerechtem oder auch abfallendem Rücken, rundem Steiß, gedrungenen und geraden Schenkeln, die aber eher kurz als lang sein und tüchtige Knie aufweisen sollen, mit großen Hufen, sehr langem und behaartem Schwanz, am ganzen Körper mit dichtem, kurzem Haar von roter oder dunkelbrauner Farbe; die Leiber der Tiere sollen sich sehr weich anfühlen.
2. Kapitel Kälber mit solchen Merkmalen soll man, solange sie noch jung sind, daran gewohnen, sich mit der Hand anfassen und an die Krippe binden zu lassen, damit sie später bei der Zähmung geringe Mühe verursachen und weniger gefährlich sind; doch ist es nicht richtig, die Jungstiere vor dem dritten oder nach dem fünften Jahre zu zähmen, weil sie in jenem Alter noch zu empfindlich, in diesem schon zu störrisch sind. Tiere aber, die wild aus der Herde eingefangen werden, soll man folgendermaßen bändigen. Vor allem ist ein geräumiger Stall bereitzuhalten, wo der Bändiger sich frei bewegen und den er ungefährdet verlassen kann. Vor dem Stall soll keine Enge sein, sondern entweder Feld oder weit offener Weg, damit das Jungvieh, wenn man es herausläßt, freien Auslauf hat und nicht in seiner Angst gegen Bäume oder was sonst im Wege steht, anrennt und Schaden nimmt. Im Stall sollen Stände von ansehnlicher Größe sein und quer darüber sieben Fuß vom Boden entfernt dicke Stangen jochartig zusammengefügt werden, an die man die Stiere binden kann. Als Zeitpunkt für die Zähmung wähle man einen hinsichtlich des Wetters und der religiösen Vorschriften passenden Morgen aus und binde den Jungstieren Hanfstricke um die Hörner. Die Schlingen aber, mit denen man sie einfängt, sollen mit Wollfell umwickelt sein, um nicht die empfindlichen Stirnen unterhalb der Hörner zu verletzen. Hat man die Farren gefangen, so führe man sie zum Stall und binde sie so an die Pfähle, daß sie nur wenig Bewegungsfreiheit haben und ziemlich weit voneinander entfernt stehen, damit nicht einer dem anderen schadet, wenn sie um sich schlagen. Bei allzugroßer Ungebärdigkeit lasse man ihnen einen Tag und eine Nacht, sich zu beruhigen; sobald sie ihre Wut ausgetobt haben, führe man sie am frühen Morgen 13
Ahlens
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6. Buch, 2. Kapitel
hinaus, wobei mehrere Männer folgen und sie von hinten an Stricken festhalten, einer aber, der mit einem Weidenknüppel vorangeht, sie mit leichten Schlägen gleich zurücktreibt, wenn sie vorstürmen wollen. Sind sie aber sanft und friedlich, so kann man sie noch am gleichen Tage, an dem man sie gefesselt hat, vor Abend hinausführen und ihnen beibringen, tausend Doppelschritte weit ruhig und ohne zu scheuen dahinzuschreiten; wenn man sie nach Hause zurückgebracht hat, binde man sie so kurz an die Pfähle, daß sie den Kopf nicht rühren können. Nach dem Anbinden erst nähere man sich ihnen, und zwar nicht von hinten oder von der Seite, sondern von vorn, ruhig und mit gleichsam schmeichelnden Worten, um sie an den Anblick des Herantretenden zu gewöhnen; danach reibe man ihnen die Nüstern, damit sie den Geruch des Mensehen kennenlernen. Es ist auch gut, ihnen dann den ganzen Rücken zu massieren und mit Wein zu befeuchten, damit sie mehr Vertrauen zu ihrem Wärter gewinnen, und die Hand auch unter Bauch und Schenkel zu bringen, damit sie nicht später bei solcher Berührung scheuen und damit die Zecken, die meist an den Schenkeln hängen, entfernt werden können; dabei muß der Bändiger seitlich stehen, um nicht vom Huf getroffen zu werden. Danach ziehe man die Kiefer auseinander, zerre die Zunge heraus und reibe das ganze Maul und den Gaumen mit Salz ab, stecke jedem Tier einen pfundschweren Klumpen stark gesalzenes Schmalz in den Schlund und trichtere ihm einen Sextarius Wein ein. Durch diese Lockmittel nämlich werden sie gewöhnlich in drei Tagen zahm und lassen sich am vierten ein Joch auflegen, an das man einen Ast bindet und statt der Deichsel durchsteckt. Manchmal packt man noch irgendeine Last darauf, um durch die größere Anstrengung bei der Arbeit die Geduld auf die Probe zu stellen. Nach derlei Versuchen schirrt man die Tiere vor einen leeren Wagen und führt sie mit Lasten allmählich immer weiter hinaus, und in dieser Weise völlig gezähmt, sollen sie dann vor den Pflug gespannt werden, aber auf schon bearbeitetem Lande, damit sie nicht gleich vor der Schwere der Arbeit scheuen und sich beim Aufreißen harten Bodens nicht die Hälse quetschen, die noch empfindlich sind. Wie aber der Treiber beim Pflügen die Ochsen anschirren soll, habe ich im ersten Buche beschrieben. Man sorge dafür, daß nicht während des Zähmens ein Tier irgendjemanden mit Huf oder Horn treffen kann, denn wenn man dem nicht vorbeugt, lassen sich solche Unarten, so sehr man es versucht, nie mehr beseitigen. So zu verfahren, wie ich es geschildert habe, schlage ich aber nur für den Fall vor, daß altgediente Tiere nicht vorhanden sind. Sonst ist nämlich die Zähmungsmethode bequemer und ungefährlicher, die ich auf meinen Besitzungen anwende. Wenn ich einen Jungochsen an Wagen oder Pflug gewöhnen will, schirre ich den kräftigsten und gleichzeitig friedlichsten von den eingearbeiteten Ochsen mit dem ungezähmten zusammen an das gleiche Joch; er hält den vorstürmenden zurück und zieht den zögernden vorwärts. Wem es aber nicht zu umständlich ist, ein Joch herzustellen, an das sich drei Tiere schirren lassen, der kann durch diese Vorrichtung erreichen, daß auch störrische Ochsen die schwersten Arbeiten nicht
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verweigern. Denn wenn der träge Jungochse mitten zwischen zwei alte geschirrt und, nachdem der Pflug in lockere Erde gestoßen ist, gezwungen wird, so hat er keine Möglichkeit, sich gegen die Zumutung zu sträuben; will er nämlich wild vorwärtsstürmen, so hält ihn die Überlegenheit der beiden anderen zurück, bleibt er stehen, so muß er, da die zwei weiterschreiten, auch wenn er nicht will, folgen, und falls er versucht, sich zu Boden zu legen, ziehen ihn jene, als die Stärkeren, hoch und schleifen ihn mit, weswegen er völlig bezwungen seine Widerspenstigkeit ablegt lind mit ganz wenigen Schlägen sich dazu bringen läßt, die Arbeit auf sich zu nehmen. Auch nach dem Abrichten gibt es Ochsen von trägerer Art, die sich in der Furche 11 niederlegen; diese soll man, meine ich, nicht durch Roheiten, sondern mit Vernunft davon abbringen. Wer es nämlich für besser hält, mit Stachel, Feuer oder anderen Quälereien diesen Fehler abzugewöhnen, weiß nicht, wie man richtig vorgeht, da allzuheftige Bestrafung das Tier in der Regel zum Rasen bringt und schwächt; darum ist es nützlicher, einen Ochsen, der sich gern niederlegt, nicht am Körper zu strafen, sondern lieber durch Hunger und Durst an seine Pflicht zu bringen, denn die natürlichen Bedürfnisse gehen ihm näher als Schläge. Wenn sich also einer hingelegt hat, ist es am zweckmäßigsten, ihm mit Gurten 12 die Füße so zu fesseln, daß er nicht aufstehen oder vorwärtsgehen und deshalb auch nicht weiden kann; macht man es so, dann legt er, von Hunger und Durst getrieben, seine Trägheit ab. Bei einheimischem Vieh ist diese jedoch sehr selten, und jeder am Ort geborene Ochse ist weit besser als ein fremder. Denn er wird weder von einer Veränderung des Ortes oder Futters oder Klimas betroffen, noch gefährdet ihn die Besonderheit einer Gegend so sehr wie einen, der von ebenen Feldern in rauhes Gebirgsland versetzt worden ist oder aus den Bergen in die Ebene. Wenn man daher gezwungen ist, Ochsen von ferne herzuholen, muß man 13 auch dafür sorgen, daß sie in eine Gegend überführt werden, die ihrer Heimat ähnlich ist. Ebenso soll man darüber wachen, daß nicht ein in Größe oder Kräften ungleicher Ochse mit einem stärkeren zusammengespannt wird, denn beides wird dem schwächeren schnell zum Verhängnis. Ihrem Verhalten nach gelten Ochsen als tauglich, wenn sie eher ruhig als erregt 14 sind, aber doch nicht faul, wenn sie wohl Schläge und Anschreien fürchten, im Vertrauen auf ihre Kraft indessen sich durch nichts, was sie hören oder sehen, schrecken lassen, wenn sie keine Angst haben, in Flüsse zu gehen oder Brücken zu betreten, wenn sie viel fressen, aber langsam kauen. Denn Tiere, die sich beim Kauen Zeit lassen, verdauen besser, magern deshalb nicht ab und bewahren ihre Kräfte eher als die, die ihr Futter herunterschlingen. Ein Ochsenknecht handelt 15 aber ebenso falsch, wenn er die Ochsen fett werden, als wenn er sie abmagern läßt. Denn ein Arbeitstier soll beweglich sein und die rechte Mitte halten in seiner Körperbeschaffenheit, es soll starke Sehnen und Muskeln haben, indessen nicht von Fett strotzen, so daß es weder durch die Masse seines eigenen Fleisches noch durch die Last der Arbeit beschwert wird. Nachdem ich dargestellt habe, was bei 13*
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6. Buch, 2. -3. Kapitel
Kauf und Zähmung von Ochsen zu beachten ist, will ich lehren, wie man für sie sorgt. 3. Kapitel 1 Ochsen sollen in der warmen Zeit im Freien bleiben, bei Kälte unter Dach kommen. Deswegen ist für ihre Winterstallung Stroh zu besorgen, das im August binnen dreißig Tagen nach dem Abernten der Ähren geschnitten und zu Haufen geschichtet werden soll. Das Abschneiden kommt, wie dem Vieh, auch dem Acker sehr zugute; das Land wird von dem dornigen Unkraut befreit, das, wenn es im Sommer zu Beginn der Hundstage gemäht wird, in der Regel völlig eingeht; das unter das Vieh gebreitete Stroh aber bringt sehr viel Dung. Hat man dies erledigt, so wird man für Nahrung jeglicher Art Vorsorge treffen und sich darum bemühen, daß die Tiere nicht infolge von Futtermangel ab2 magern. Für die richtige Fütterung von Ochsen aber gibt es nicht nur eine Möglichkeit. Wenn eine Gegend reichlich Grünfutter liefert, so zweifelt niemand, daß dieses den anderen Futterarten vorzuziehen ist; es steht jedoch nur auf bewässertem oder taureichem Lande zur Verfügung. Ein besonderer Vorteil ist dabei noch, daß für zwei Gespanne, die am gleichen Tage abwechselnd pflügen 3 oder grasen, ein Arbeiter genügt. Wenn das Land trockener ist, müssen die Ochsen aus der Krippe fressen, und man gibt ihnen Futter, wie es die Gegend bietet; das beste ist ohne Frage gebündelte Wicke, Platterbse und ebenso das Wiesenheu. Weniger dienlich ist den Ochsen die Spreu, die überall — und in manchen Gegenden allein — aushelfen muß. Als beste gilt Hirsespreu, dann die der Gerste, ferner auch die vom Weizen; den Tieren aber, die ihre volle Arbeit leisten, gibt man dazu noch Gerste. 4 Man teilt den Ochsen ihr Fntter den Jahreszeiten entsprechend zu. Im Januar soll man jedem Tier vier Sextarii geschrotete und in Wasser eingeweichte Erven mit Spreu gemischt geben oder einen Modius eingewässerte Lupinen oder von eingeweichten Platterbsen einen halben Modius und dazu genügend Spreu. Wenn an 5 Hülsenfrüchten Mangel besteht, kann man auch die Weintrester, die aus der Lora entfernt werden, ausgewaschen und getrocknet mit Spreu mischen, kann sie allerdings ohne Zweifel noch viel besser vor dem Wässern mit ihren Hülsen geben, denn dann haben sie die Kraft von Futter und Wein und machen das Vieh glatt und munter und wohlgenährt. Will man es damit nicht versuchen, so genügt auch ein zwanzig Modii fassender Futterkorb trockenes Laub oder dreißig Pfund Heu oder nach Belieben grünes Lorbeer- oder Steineichenlaub; doch fügt man Eicheln hinzu, wenn die Gegend welche liefert; gibt man sie nicht reichlich, bis zur Sättigung, so bleiben die Tiere nicht glatt. Es kann auch ein halber Modius geschrotete 6 Bohnen gegeben werden, wenn sie infolge einer guten Ernte billig sind. Im Februar füttert man gewöhnlich ebenso, im März und April muß, weil gepflügt wird,
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die Heumenge erhöht werden, doch genügt es, wenn jeder Ochse vierzig Pfund bekommt. Von Mitte April bis Mitte Juni aber ist es richtig, Grünfutter zu schneiden, in kälteren Gegenden kann es auch noch bis Anfang Juli geschehen. Von dieser Zeit an bis Anfang November, also den ganzen Sommer und Herbst hindurch, sollen die Tiere mit Laub satt gemacht werden, das jedoch erst brauchbar wird, wenn es durch Regen oder häufigen Tau ausgereift ist; als bestes gilt ITlmenlaub, dann das der Esche und darauf das Pappellaub; an letzter Stelle 7 stehen Steineiche, Eiche und Lorbeer, aber sie sind nach Sommersende unentbehrlich, da die übrigen Laubarten dann zu Ende gehen. Es lassen sich gut auch Feigenblätter verfüttern, wenn man davon Vorrat hat oder das Pflücken den Bäumen zuträglich ist; Steineichenlaub jedoch ist besser als das der Eiche, aber nur das von der stachellosen Art, denn das andere wird, wie der Wacholder, wegen der Stacheln vom Vieh verschmäht. Im November und Dezember während 8 der Saatzeit müssen die Ochsen soviel bekommen, wie sie haben wollen, gewöhnlich allerdings genügt für jeden ein Modius Eicheln, dazu Spreu bis zur Sättigung, oder ein Modius eingeweichte Lupinen oder sieben Sextarii mit Wasser übergössen© und mit Spreu vermischte Erven oder zwölf Sextarii Platterbsen, die ebenfalls gewässert und mit Spreu vermischt sind, oder auch je Tier ein Modius Weintrester, wenn diesen, wie ich oben gesagt habe, reichlich Spreu zugetan wird, schließlich, wenn von all diesem nichts vorhanden ist, vierzig Pfund Heu ohne Beigaben.
4. Kapitel Es nützt aber nichts, die Tiere mit Futter sattzumachen, wenn man nicht alle 1 Sorgfalt darauf verwendet, daß sie gesund sind und ihre Kräfte behalten; beides erreicht man, wenn man ihnen drei Tage lang ein Mittel reichlich eingibt, das man zu gleichen Gewichtsteilen aus zerriebenen Kapern-, Wildmyrten- und Zypressenblättern zusammensetzt und mit Wasser eine Nacht unter freiem Himmel stehen läßt; man soll das viermal im J a h r machen, und zwar zu Ausgang des Frühlings, Sommers, Herbstes und Winters. Oft läßt sich Ermattung und Übelkeit auch 2 dadurch beheben, daß man dem nüchternen Tiere ein ganzes rohes Hühnerei in den Schlund steckt und am Tage darauf Teilzwiebelchen von Ulpicum oder Knoblauch mit Wein zerrieben in die Nüstern gießt. Und nicht diese Mittel allein erhalten die Tiere gesund: viele mischen reichlich Salz in das Futter, manche reiben Andorn mit ö l und Wein, andere verrühren Lauchblätter oder Weihrauchkörner, wieder andere Sadebaum und Baute zerstampft in ungemischtem Wein und geben diese Mittel zu trinken; viele heilen Rinder mit Trieben der 3 weißen Zaunrübe und mit Ervenschoten, einige mischen geriebene Schlangenhaut mit Wein. Als Heilmittel dient auch geriebener Feldthymian in süßem Wein sowie geschnittene und eingewässerte Meerzwiebel. Alle genannten Tränke •werden drei Tage lang in einer Menge von drei Heminae täglich eingegeben; sie
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6. Buch, 4 . - 5 . Kapitel
reinigen Magen und Darm und stellen nach Beseitigung der Krankheitsursachen 4 die Kräfte wieder her. Als besonders gesund jedoch gilt Amurca, wenn man ebensoviel Wasser dazugießt und das Vieh daran gewöhnt; sie kann nämlich nicht gleich verabreicht werden, sondern zuerst wird nur das Futter damit besprengt, dann wird ein wenig dem Wasser zugesetzt, und schließlich mischt man zu gleichen Teilen und gibt den Tieren davon, bis sie satt sind. 5. Kapitel 1 Zu keiner Zeit aber und am wenigsten im Sommer ist es gut, die Ochsen zum Laufen anzutreiben, denn das bringt entweder die Gedärme in Aufruhr oder führt oft zu Fieber. Auch muß man verhüten, daß ein Schwein oder Huhn zur Krippe durchkriecht, denn deren Kot bringt, wenn er sich mit dem Futter mischt, einem Rinde den Tod. Ein krankes Schwein vermag eine Seuche hervorzurufen. Wenn sie eine Herde befällt, muß schleunigst Klima- und Ortswechsel erfolgen, man teilt die Tiere in Gruppen ein und sucht entfernte Gregenden auf, und die kranken müssen von den gesunden so getrennt werden, daß unter diesen keins bleibt, das durch An2 steckung die anderen gefährdet. Wenn sie also verschickt werden, muß man sie an Orte bringen, wo kein Vieh weidet, damit sie durch ihre Ankunft nicht auch jenes krankmachen. Auch noch so verderbliche Krankheiten aber lassen sich gänzlich besiegen und durch ausgesuchte Mittel vertreiben. Man muß dann Wurzeln von Panax und Mannstreu mit Fenchelsamen mischen und mit heißem Wasser übergießen, in dem feingemahlenes Weizenmehl verrührt ist; dies Mittel gibt 3 man als feuchte Masse kranken Tieren ein. Ferner mischt man einen Trank aus gleichen Gewichtsteilen Casia, Myrrhe, Weihrauch und ebensoviel Blut der Meerschildkröte mit drei Sextarii alten Weins und gießt ihn dann in die Nüstern. Es genügt aber, dies Mittel in gleichen Gaben von anderthalb Unzen Gewicht mit Wein vermischt drei Tage lang zu verabreichen. Von einer schnell wirkenden Wurzel habe ich noch erfahren, die die Hirten Lungenkraut nennen; sie wächst in großer Menge in den Marserbergen und ist für alles Vieh sehr heilsam. Man gräbt sie mit der linken Hand vor Sonnenaufgang aus; so gesammelt hat sie, wie man 4 meint, stärkere Wirkung. Folgendermaßen soll sie angewandt werden: mit einer ehernen Nadel wird ein großer Teil des Ohres umrissen, so daß, wenn das Blut hervorquillt, gleichsam das Bild des Buchstaben 0 erscheint. Hat man das auf der Innen- und auf der Außenseite des Ohres gemacht, so durchsticht man mit der gleichen Nadel die Mitte des beschriebenen Kreises und setzt in das Loch die vorgenannte Wurzel ein; wenn die frische Wunde sie aufnimmt, hält sie sie so fest, daß sie nicht herausrutschen kann. In dieses Ohr zieht sich dann die ganze Kraft der Krankheit und ihr verderbliches Gift, bis der von der Nadel umrissene Teil abgestorben ist und herausfällt; so bleibt durch die Opferung eines ganz
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kleinen Teiles das Tier am Leben. Cornelius Celsus empfiehlt auch, Mistelblätter 5 mit Wein zerrieben in die Nüstern zu gießen; dies sollte man tun, wenn ganze Herden, jenes dann, wenn nur einzelne Tiere erkrankt sind. 6. Kapitel Zeichen für verdorbenen Magen sind häufiges Rülpsen und Bauchgeräusche, Appetitlosigkeit, Muskelkrampf und matte Augen, wobei das Bind weder wiederkäut noch sich mit der Zunge beleckt. Als Abhilfe dienen zwei Congii warmes Wasser und dann dreißig mittelgroße Kohlstrünke, gekocht und mit Essig eingegeben ; andere Nahrung aber soll einen Tag lang wegbleiben. Manche halten das kranke Tier im Stall, damit es nicht weiden kann. Sie zerreiben dann vier Pfund Zweigspitzen vom Mastixbaum und vom wilden Ölbaum in einem Pfund Honig, mischen das mit einem Congius Wasser, lassen es eine Nacht unter freiem Himmel stehen und gießen es darauf dem Tier in den Schlund. Nach einer Stunde schütten sie ihm vier Pfund eingewässerte Erven vor, lassen es- aber sonst nichts saufen. Das soll man drei Tage lang durchführen, damit jede Ursache des Unwohlseins beseitigt wird. Läßt man Magenübefladung nämlich unbeachtet, so hat das Blähungen und stärkeren Leibschmerz zur Folge; der läßt das Tier nicht zum Fressen kommen, bringt es zum Keuchen, erlaubt ihm nicht, am Platze zu bleiben, und zwingt es, sich oft niederzulegen, sich hin und her zu wälzen und immer wieder mit dem Schwänze um sich zu schlagen. Ein erfolgreiches Mittel ist es, dann den Schwanz in Steißnähe ganz fest anzubinden, dem Tier einen Sextarius Wein mit einer Hemina öl einzutrichtern, es dann anzutreiben und anderthalb römische Meilen laufen zu lassen. Hält der Schmerz an, schneidet man sich die Fingernägel, führt die eingesalbte Hand in den After ein, zieht den Mist heraus und läßt das Tier nochmals laufen. Hat auch das nicht geholfen, so zerreibt man drei trockene Wildfeigen und gibt sie mit einem Dodrans warmen Wassers ein. Wenn auch dieser Versuch erfolglos bleibt, werden zwei Pfund Blätter der wilden Myrte zu Pulver zerrieben, ebenso viele Sextarii warmes Wasser dazugemischt und mit Hilfe eines Holzgefäßes in den Schlund gegossen; dann zapft man unter dem Schwänze Blut ab; ist davon genug ausgeflossen, so bringt man es durch einen Papyrusverband zum Stehen. Nunmehr zwingt man das Tier zu schnellem Lauf, bis es keucht. Vor der Blutentziehung gibt es noch diese Heilmethoden: mit drei Heminae Wein mischt man einen Triens zerstampften Knoblauch und treibt das Tier, nachdem es das getrunken hat, zum Laufen, oder man verreibt einen Sextans Salz mit zehn Zwiebeln, mischt das mit abgekochtem Honig, führt Zäpfchen davon in den Darm ein und bewegt dann das Bind recht schnell.
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7. Kapitel Leib- und Darmschmerz legt sich auch beim Anblick von Schwimmvögeln, 1 namentlich von Enten; wenn ein Bind mit Leibschmerzen solche sieht, wird es
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schnell von der Qual befreit. Mit noch größerem Erfolg heilt die Ente durch ihren Anblick Maultiere und Pferde. Bisweilen aber hilft kein Mittel, und es folgt die Ruhrkrankheit, deren Zeichen blutiger und schleimiger Ausfluß aus dem Darm 2 ist. Ihrer Heilung dienen fünfzehn Zypressenzapfen, ebenso viele Galläpfel und im Gewicht beider sehr alter Käse. Wenn das miteinander zerstoßen ist, gießt man vier Sextarii herben Wein zu, die dann in gleichen Mengen auf vier Tage verteilt eingeflößt werden; dabei sollen auch Zweigspitzen von Mastixbaum, Myrte und wildem Ölbaum nicht fehlen. Grüner Durchfall greift Körper und Kräfte an und macht unfähig zur Arbeit. Tritt er auf, so hindere man das Rind 3 zwei Tage am Saufen, gebe am ersten Tage auch kein Futter, dann aber Triebe von wildem Ölbaum und Rohr sowie Mastix- und Myrtenbeeren, und lasse ihm nur ganz wenig Wasser zukommen. Es gibt Landwirte, die ein Pfund junge Lorbeertriebe und in gleicher Menge wildwachsende Eberraute in zwei Sextarii warmen Wassers zerreiben, den Tieren in den Schlund schütten und sie dann 4 ebenso füttern, wie ich es oben gesagt habe. Manche rösten zwei Pfund Weinbeerenkerne, zerstoßen sie dann in ebenso vielen Sextarii herben Weines und geben das als Medizin zu trinken, entziehen den Tieren aber alle andere Flüssigkeit; außerdem werfen sie ihnen gleichfalls Triebspitzen von den schon genannten Bäumen vor. Wenn jedoch ein Ochse weder Durchfall noch Darm- und Magenschmerzen hat und doch nicht frißt, mit niederhängendem Kopfe öfter blinzelt und ihm Tränen aus den Augen und Schleim aus der Nase fließen, soll man die Stirnmitte bis auf den Knochen brennen und die Ohren mit dem Messer schlitzen. Während der Heilung reibt man die Brandwunde mit altem Rinderurin ein, die Schnittwunden dagegen behandelt man besser mit Pech und öl. 8. Kapitel 1 Freßunlust kann ihre Ursache auch in krankhaften Zungengeschwülsten haben, die die Tierärzte Frösche nennen. Diese werden mit dem Messer geschnitten und die Wunden mit einem Gemisch aus gleichen Teilen Salz und zerstampftem Knoblauch eingerieben, bis der Eiter hervorkommt und abfließt. Dann spült man das Maul mit Wein aus und gibt nach einer Stunde Grünfutter oder Laub, bis die 2 Schwären vernarben. Wenn sich weder Frösche gebildet haben noch Durchfall vorliegt und das Rind trotzdem nicht fressen will, so empfiehlt es sich, zerstampften Knoblauch mit öl in die Nüstern zu gießen, den Schlund mit Salz und Cunila einzureiben oder ihn mit zerstampftem Knoblauch und Fischsauce zu bestreichen, dies aber nur, wenn es sich allein um Appetitlosigkeit handelt. 9. Kapitel 1 Einem fiebernden Ochsen gibt man einen Tag lang nichts zu fressen, am nächsten Tage zapft man ihm, solange er noch nüchtern ist, unter dem Schwanz ein wenig Blut ab, läßt ihn eine Stunde später dreißig mittelgroße gekochte Kohlstrünke
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mit öl und Fischsauce in Kloßform schlucken und füttert damit das Tier fünf Tage lang auf nüchternen Magen; außerdem wirft man ihm Mastix- oder Ölbaum triebe oder ganz junges Laub und Weinranken vor, wischt ihm mit einem Schwamm die Lippen ab und gibt dreimal täglich kaltes Wasser zu trinken. Diese Behand- 2 lung soll unter Dach vor sich gehen und der Ochse nicht ins Freie gelassen werden, ehe er gesund ist. Fieberanzeichen sind rinnende Tränen, schwerer Kopf, zusammengekniffene Augen, Speichelfluß aus dem Maule, längerer und gewissermaßen behinderter Atem, manchmal auch mit Ächzen verbunden. 10. Kapitel Plötzlicher Husten läßt sich sehr gut mit Schleim aus Gerstenmehl bekämpfen. 1 Bisweilen hat geschnittenes Gras mit Bohnenschrot bessere Wirkung. Man mischt auch zwei Sextarii ausgehülste Linsen feingemahlen mit warmem Wasser und flößt den so zubereiteten Trank durch einen Trichter ein. Alten Husten heilen zwei Pfund Ysop, in drei Sextarii Wasser eingeweicht. Den Ysop reibt man, gibt ihn mit vier Sextarii Linsen, die, wie gesagt, feingemahlen sein sollen, in Kloßform ein und gießt das Ysopwasser durch einen Trichter nach. Auch Saft von 2 Porree mit öl oder auch die Porreeblätter selbst mit Gerstenmehl verrieben bringen Heilung. Die Wurzeln der gleichen Pflanze, sorgfältig gewaschen und mit Weizenschrot zerstampft, vertreiben, auf nüchternen Magen gegeben, den hartnäckigsten Husten. Die gleiche Wirkung erzielt man, wenn ipan enthülste Erven und geröstete Gerste zu gleichen Teilen mahlt und Klöße davon eingibt. 11. Kapitel Geschwüre schneidet man besser auf, als daß man sie mit Medikamenten be- 1 handelt. Man drückt dann den Eiter heraus, wäscht die Höhle, die ihn enthielt, mit warmem Rinderurin aus und verbindet sie mit Leinwand, die mit flüssigem Pech und öl getränkt ist, oder wenn sich die Stelle nicht verbinden läßt, träufelt man mit Hilfe einer erhitzten Klinge Ziegen- oder Rindertalg darauf. Manche brennen auch die kranke Stelle aus, waschen sie mit altem Menschenurin und bestreichen sie dann mit einer Salbe, die zu gleichen Gewichtsteilen aus flüssigem Pech und altem Schweinefett zusammengekocht ist. 12. Kapitel Blutandrang in den Füßen führt zum Hinken, wenn das sich zeigt, muß man sofort 1 den Huf untersuchen. Beim Berühren spürt man Hitze, und das Rind läßt nicht zu, daß man die kranke Stelle stärker drückt. Solange das Blut noch oberhalb
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der Hufe in den Unterschenkeln ist, läßt es sich durch fleißiges Reiben verteilen oder, wenn das nicht geholfen hat, durch Schröpfen herausziehen. Ist es aber schon im Huf, so macht man mit einem Messerchen zwischen den zwei Zehen einen leichten Einschnitt und legt nachher einen mit Salz und Essig getränkten Leinwandverband an, bekleidet den Fuß mit einem Schuh aus Spartgras und achtet namentlich darauf, daß das Rind nicht in Wasser tritt und im Stall trocken steht. Wird das Blut nicht abgezapft, so entsteht ein Abszeß, der, wenn er eitrig wird, sich nur langsam heilen läßt. Zuerst wird er mit dem Messer umschnitten und ausgekratzt; dann stopft man mit Essig, Salz und ö l getränkte Lappen hinein; mit altem Schweinefett und Bockstalg, die in gleicher Menge miteinander verschmolzen sind, führt man die Heilung zu Ende. Wenn das Blut unten im Huf ist, wird dessen äußerster Rand bis zum Lebenden zurückgeschnitten und dann geschröpft, der Fuß in Leinen gewickelt und durch einen Spartgrasschuh geschützt. Den Huf in der Mitte auf der Unterseite zu öffnen, ist nicht ratsam, es sei denn, daß sich an dieser Stelle schon ein Geschwür gebildet hat. Hinkt ein Ochse infolge von Muskelschmerzen, so reibt man Knie, Kniekehlen und Unterschenkel mit ö l und Salz ein, bis er gesund ist. Geschwollene Knie badet man in warmem Essig und legt Leinsamen oder gedroschene mit Honigwasser benetzte Hirse auf. Gut ist es auch, mit heißem Wasser vollgesogene, dann ausgedrückte und mit Honig bestrichene Schwämme auf die Knie zu legen und mit Binden zu umwickeln. Wenn die Geschwulst aber Wasser enthält, legt man Sauerteig oder Gerstenmehl auf, das mit Passum oder Honigwasser aufgekocht ist; wenn das Geschwür dann reif geworden ist, schneidet man es auf, entleert und verbindet es, wie ich oben angegeben habe, mit Leinen. Nach Angabe von Cornelius Celsus können auch Lilienwurzel oder Meerzwiebel mit Salz, Blutkraut, das die Griechen Polygonon nennen, oder schließlich Andorn die mit dem Messer geöffneten Wunden heilen. Fast jeder körperliche Schmerz ohne offene Wunden aber läßt sich, wenn er eben erst auftritt, durch warme Umschläge beheben; dauert er schon länger an, so bekämpft man ihn durch Brennen und träufelt auf die Brandwunde Butter oder Ziegenschmalz.
13. K a p i t e l 1 Räude läßt nach, wenn man mit zerquetschtem Knoblauch einreibt, und das gleiche Mittel ist brauchbar gegen Biß von wütenden Hunden oder Wölfen, der jedoch ebensogut geheilt wird, wenn man alte Fischlake auf die Wunde bringt. Bei Räude gibt es ein anderes Mittel, das schneller wirkt: Rindercunila und Schwefel werden miteinander verrieben und nach Beimischung von Amurca mit ö l und Essig gekocht. Dann wird das warme Gemisch auf zerriebenen, faserigen Alaun gegossen; dies Medikament hilft am meisten, wenn man es in glühender 2 Sonne aufstreicht. Schwären werden heil durch geriebene Galläpfel, ebenso
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durch Andornsaft mit Ruß. Es gibt beim Rindvieh auch eine gefährliche Krankheit — auf dem Lande nennt man sie Coriago —, bei der die Haut so fest am Rücken haftet, daß sie sich, wenn man daran zupft, nicht von den Rippen lösen läßt. Das kommt nur vor, wenn ein Rind entweder infolge irgendeiner Unpäßlichkeit völlig abgemagert ist oder wenn es bei der Arbeit geschwitzt und sich erkältet hat oder auch dabei naßgeregnet ist. Da dies Gefahr bringt, soll man darüber 3 wachen, daß nach der Rückkehr von der Arbeit die Ochsen, während sie noch erhitzt sind und keuchen, mit Wein besprengt werden und Schmalzklumpen in den Schlund gesteckt bekommen. Wenn das genannte Leiden chronisch geworden ist, empfiehlt es sich, Lorbeer abzukochen und mit dem Sud, solange er warm ist, den Rücken zu baden, dann sofort mit viel öl und Wein zu massieren und überall die Haut zu fassen und loszuzupfen; am besten macht man das unter freiem Himmel in glühender Sonne. Manche mischen ölhefe mit Wein und Schmalz und wenden nach dem oben geschilderten Bade dieses Mittel an.
14. Kapitel Schwere Lebensgefahr bringt .auch eine Lungenentzündung. Es stellt sich dabei Husten und Abmagerung ein und zum Schluß Schwindsucht. Damit nicht der Tod die Folge ist, durchlöchert man, wie ich oben angegeben habe, ein Ohr und steckt eine Lungenkrautwurzel in das Loch, mischt eine Hemina Porreesaft mit der gleichen Menge öl und gibt das mit einem Sextarius Wein mehrere Tage zu trinken. Bisweilen wird auch infolge von Gaumenschwellung ein Rind freßunlustig, ächzt häufig und macht den Eindruck, daß es anscheinend das Maul ungewöhnlich breit aufreißt. Es ist dann ratsam, mit dem Messer den Gaumen zu verletzen, daß Blut fließt, und bis zur Heilung enthülste eingeweichte Erven, grünes Laub oder anderes Weichfutter zu geben. Hat sich ein Ochse bei der Arbeit den Hals verstaucht, so ist die erste Hilfe eine Blutabzapfung am Ohr, oder wenn man diese nicht vornimmt, eine Pflanze namens Avia, die mit Salz zerrieben und aufgelegt wird. Wenn der Nacken aus seiner Lage gerückt und verrenkt ist, wird man prüfen, nach welcher Seite er sich neigt, und am entgegengesetzten Ohr Blut abnehmen. Dabei wird die Ader, die im Ohr offensichtlich die stärkste ist, zuerst mit einer Rute gepeitscht und dann, wenn sie da, wo der Hieb getroffen hat, angeschwollen ist, mit einem Messerchen geöffnet, am folgenden Tage wird an der gleichen Stelle noch einmal Blut entzogen, und diese zwei Tage läßt man das Tier nicht arbeiten. Am dritten Tage gibt man ihm leichte Arbeit und verlangt von ihm erst allmählich wieder die volle Leistung. Wenn nun der Nacken nach keiner Seite verdreht ist und in der Mitte anschwillt, wird das Blut aus beiden Ohren abgezapft. Ist das nicht binnen drei Tagen, nachdem der Ochse den Schaden erlitten hat, geschehen, so schwillt der Hals an, die Muskeln spannen sich, und die so entstandene Verhärtung macht
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5 dem Tiere das Joch unerträglich. Gegen solches Leiden gibt es, wie ich erfahren habe, ein wirksames Mittel, das in gleichem Gewicht aus flüssigem Pech, Rindermark, Bockstalg, altem Schweinefett und altem öl zusammengesetzt und gekocht ist. Diese Mischung wendet man folgendermaßen an: wenn der Ochse nach der Arbeit abgeschirrt wird, feuchtet man in dem Teich, aus dem er säuft, die Nackengeschwulst mit Wasser an, massiert sie, reibt sie mit besagtem Medikament ein 6 und bestreicht sie damit. Wenn er wegen der Schwellung sich überhaupt gegen das Joch sträubt, soll man ihm wenige Tage Arbeitsruhe geben, dann den Nacken mit kaltem Wasser abreiben und mit Silberschaum bestreichen. Celsus will, daß man die sogenannte Avia, wie ich oben erwähnt habe, zerquetscht und auf den geschwollenen Nacken legt. Mit Schwielen, die gewöhnlich den Nacken plagen, hat man weniger Not, denn sie sind mit öl, das man aus einer brennenden Lampe 7 darauftropfen läßt, leicht zu heilen. Richtiger ist es jedoch, darauf zu achten, daß sie gar nicht erst entstehen und daß auch die Hälse nicht kahl werden, die nur dann die Haare verlieren, wenn sie durch Schweiß oder Regen bei der Arbeit naß geworden sind. In diesem Falle soll man deshalb vor dem Abjochen die Hälse mit Mehl aus zerstoßenen alten Ziegeln bestäuben und dann, wenn sie abgetrocknet sind, sofort einölen. 15. Kapitel 1 Hat ein Ochse sich Fessel oder Huf an der Pflugschar verletzt, so wickle man Hartpech und Schweinefett mit Schwefel in frischgeschorene Wolle und brenne das mit glühendem Eisen über der Wunde ab. Das gleiche Mittel wirkt sehr gut, wenn ein Tier sich einmal einen Splitter eingetreten und man ihn herausgezogen hat, oder auch wenn es sich an einer scharfen Scherbe oder einem spitzen Stein ein Loch in den Huf gestoßen hat. Geht die Wunde jedoch tiefer, so erweitert man sie ringsherum mit dem Messer und brennt sie dann aus, wie ich es beschrieben habe, schützt den Fuß durch einen Spartgrasschuh und behandelt ihn drei Tage 2 lang mit Essigspülungen. Wenn ein Tier sich an der Pflugschar das Bein aufgerissen hat, wird Wolfsmilch — von den Griechen Tithymallum genannt — unter Beimischung von Salz aufgelegt. Unten aufgescheuerte Füße badet man in angewärmtem Rinderurin, zündet dann ein Reisigbündel an, zwingt, wenn die Glut schon zu Asche zerfällt, das Tier dazu, solange sie noch heiß ist, hineinzutreten, und bestreicht die Hornteile des Hufes mit flüssigem Pech und öl oder Schweinefett. Die Gespanntiere werden aber weniger hinken, wenn man ihnen nach dem Abschirren mit viel kaltem Wasser die Füße wäscht und dann Hinterbug, Hufkrone und den Zwischenraum, der den Huf des Rindes teilt, mit altem Schweineschmalz einreibt.
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16. Kapitel Oft verrenkt sich ein Ochse auch, entweder infolge der Beschwerlichkeit eines 1 weiteren Weges oder wenn er beim Pflügen mit härterem Boden oder hemmenden Wurzeln zu kämpfen hat, den Vorderbug. In diesem Falle soll man aus den Vorderbein« a Blut abziehen, und zwar, wenn der Schaden auf der rechten Seite ist, am linken, ist er links, am rechten; sind infolge übergroßer Anstrengung beide Seiten betroffen, so werden auch an den Hinterbeinen Adern geöffnet. Bei abgebrochenen 2 Hörnern legt man mit Salz, Essig und ö l getränkte Leintücher auf, verbindet die Horner und hält sie drei Tage lang mit der Mischung feucht. Erst am vierten wird Schweinefett mit der gleichen Gewichtsmenge flüssigen Pechs und Pinienrinde verrieben und aufgestrichen, und zum Schluß reibt man, wenn sich schon eine Narbe bildet, Ruß ein. Vernachlässigte Geschwüre pflegen auch von Würmern zu wimmeln; wenn man diese frühmorgens mit kaltem Wasser übergießt, ziehen sie sich in der Kälte zusammen und fallen herab; können sie jedoch auf diese Weise nicht beseitigt werden, so zerreibt man Andorn oder Lauch, tut Salz hinzu und legt das auf; sie werden dann sehr schnell getöfet. Nach Reinigung der Geschwüre soll man 3 aber sofort Leinwand mit Pech, ö l und altem Schweinefett daraufbringen und auch die Umgebung mit dem gleichen Mittel bestreichen, damit die Schwären nicht von den Fliegen behelligt werden, die, wenn sie sich daraufsetzen, die Würmer erzeugen. 17. Kapitel Todbringend sind auch Schlangenbisse, und ebenso ist das Gift kleinerer Tiere 1 schädlich. Wenn sich nämlich auf der Weide ein Rind unversehens auf eine Viper oder Eidechse legt, werden diese dadurch gereizt und beißen oft; auch die Spitzmaus, die die Griechen fivyaXfj nennen, richtet trotz der Winzigkeit ihrer Zähne beträchtliches Unheil an. Schlangengift macht man unschädlich durch Schröpfen mit dem Messer und darüber hinaus durch eine Pflanze, die sogenannte Personata, die man reibt und mit Salz auflegt. Mehr noch nützt es, wenn man ihre Wurzel 2 stampft oder wenn man zufällig Bergklee findet. Dieser ist am wirksamsten, wenn er auf Geröllböden wächst, er riecht stark, ähnlich wie Erdpech, und die Griechen nennen ihn deswegen äatpäkreiov, die Unseren aber wegen seines Aussehens Spitzklee, denn er grünt mit langen rauhen Blättern und bildet stärkere Stengel als der Wiesenklee; den Saft dieser Pflanze flößt man mit Wein vermischt ein, 3 und ihre Blätter dienen, mit Salz verrieben, als erweichender Umschlag. Kann man sie wegen der Jahreszeit aber nicht in grünem Zustand verwenden, so sammelt und pulvert man die Samen und gibt sie mit Wein zu trinken, reibt Wurzeln und Strunk, verrührt sie mit Gerstenmehl und Salz in Honigwasser und legt sie
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4 auf die geschröpfte Stelle. Ein schnell wirkendes Mittel ist es ferner, wenn man fünf Pfund junge Eschentriebe in ebenso vielen Sextarii Wein und mit zwei Sextarii ö l zerstampft und den ausgepreßten Saft einflößt, ebenso, wenn man Triebe desselben Baumes mit Salz zerrieben auf die verletzte Stelle legt. Eidechsenbiß verursacht Anschwellen und Eiterung, das Gleiche bewirkt auch der B i ß der Spitzmaus. Jenen Schaden heilt man, wenn man mit einer ehernen Nadel die Bißwunde punktiert und sie mit cimolischer Siegelerde in Essig bestreicht. 5 Die Maus büßt, was sie angerichtet hat, mit ihrem eigenen Leibe, man tötet nämlich das Tier durch Eintauchen in ö l ; wenn es verwest ist, zerquetscht man es und bestreicht mit diesem Mittel Spitzmausbisse. Hat man es nicht zur Hand und zeigt eine Schwellung Zahnspuren, so reibt man Kümmel und fügt ihm etwas 6 flüssiges Pech und Schweinefett hinzu, damit er wie ein Verband klebt; streicht man ihn dann auf die Wunde, so bannt er die Gefahr. Wenn jedoch die Geschwulst, bevor man sie beseitigen konnte, vereitert ist, ist es das beste, mit einer glühenden Klinge der Eiteransammlung Abfluß zu verschaffen, alles, was krank ist, wegzubrennen und dann flüssiges Pech mit ö l aufzustreichen. Man pflegt auch Mäuse lebendig in Töpferton einzupacken, und wenn dieser getrocknet ist, hängt man sie den Ochsen um den Hals; das sichert die Tiere vor Mäusebiß. 7 Kranke Augen werden gewöhnlich mit Honig behandelt. Wenn sie geschwollen sind, versetzt man Honigwasser mit Weizenmehl und legt das auf; wenn der weiße Fleck im Auge auftritt, läßt sich dies Übel mildern durch feingestoßenes und mit Honig gemischtes spanisches Bergsalz, auch Ammonsalz oder kappadokisches. Das Gleiche bewirkt geriebener Sepiaschulp, durch ein Röhrchen dreimal täglich ins Auge geblasen, oder die Wurzel, die die Griechen aihpiov nennen, wir 8 aber volkstümlich als Laserpitium bezeichnen. Einer beliebigen Menge davon wird ein Zehntel des Gewichtes Ammonsalz zugesetzt und gleichmäßig verrieben auf ähnliche Weise ins Auge geblasen, oder man verwendet die Wurzel gestoßen und mit Mastixöl als Salbe und heilt damit das Leiden. Tränenfisteln beseitigt man, indem man Gerstengraupen in Honigwasser quellen läßt und auf Brauen und Augenhöhlen legt; auch Samen der wilden Möhre und Meerrettichsaft mit Honig 9 geschmeidigt stillen Augenschmerz. Immer jedoch, wenn in einem Heilmittel Honig oder ein anderer Saft enthalten ist, soll man das Auge ringsherum mit flüssigem Pech und ö l einreiben, damit es nicht von Fliegen belästigt wird. Übrigens kommen auf Süße und Duft des Honigs und anderer Medikamente hin nicht allein diese, sondern auch die Bienen angeflogen.
18. K a p i t e l 1 Schweres Unheil bringen oft auch Blutegel, die mit dem Wasser eingeschluckt werden. Sie saugen sich im Schlund fest, ziehen Blut ab und verschließen durch ihr Anschwellen der Nahrung den Durchgang. Sitzt ein Blutegel an so unerreich-
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barer Stelle, daß man ihn nicht mit der Hand herausziehen kann, so schiebe man eine Röhre oder einen Bohrhalm ein und gieße dann heißes öl hindurch, denn davon getroffen fällt das Tier sogleich ab. Man kann durch die Röhre auch den Qualm von verbrannten Wanzen eindringen lassen ; über Feuer gehalten beginnen 2 diese zu rauchen, der Gestank wird von der Röhre aufgenommen, bis zu dem Blutegel geleitet und zwingt ihn loszulassen. Hängt er jedoch im Magen oder Darm fest, so tötet man ihn durch Eintrichtern von heißem Essig. Diese Mittel eignen sich, wenn ich sie auch zur Anwendung bei Rindern empfohlen habe, doch in ihrer Mehrzahl ohne Zweifel auch für alle größeren Tiere. 19. Kapitel Man muß aber auch ein Gestell bauen, in dem Zugtiere und Rinder bei der Be- 1 handlung eingeschlossen werden, damit die Betreuer näher an die Tiere herantreten können und diese bei der Kur nicht widerstreben und sich gegen die Mittel sträuben. Die Vorrichtung sieht so aus: aus Hartholzbohlen wird ein Boden zusammengefügt, der neun Fuß lang nnd vorn zweieinhalb, hinten vier Fuß breit ist. An diesem Boden werden auf beiden Seiten vier sieben Fuß lange Pfosten 2 senkrecht angebracht. Diejenigen aber, die unmittelbar an den vier Ecken befestigt sind, *** und alle werden durch sechs Querstangen wie eine Hürde miteinander verbunden; von der breiteren Hinterseite her wird das Tier dann wie in einen Käfig hineingeführt und kann nirgends wieder hinaus, da die Stangen im Wege sind und es verhindern. Auf die beiden vorderen Ständer wird ein festes Joch gelegt, an das die Zugtiere mit dem Halfter oder die Ochsen mit den Hörnern gebunden werden und an dem sich auch ein Halseisen anbringen läßt, damit der Kopf hineingesteckt und der Nacken mit Stangen, die durch Löcher geführt werden, eingeschient werden kann. Der übrige Körper wird verstrickt, auf allen 3 Seiten an die Stangen gebunden und steht unbeweglich dem Willen dés Behandelnden zur Verfügung. Dieses Gestell ist für alle größeren Vierfüßer gleichermaßen brauchbar.
20. Kapitel Nachdem ich über die Ochsen zur Genüge gesprochen habe, ist es jetzt an der 1 Zeit, von Bullen und Kühen zu reden. Bei den Bullen schätze ich am meisten solche, die Gliedmaßen von ansehnlicher Größe haben, gutartig und mittleren Alters sind. Im übrigen ist bei ihnen fast ganz dasselbe zu beachten wie bei der Auswahl von Ochsen. Denn ein guter Deckstier unterscheidet sich von einem kastrierten nur darin, daß er eine grimmige Miene zeigt, lebhafter wirkt, kürzere Horner sowie einen muskulöseren und so umfangreichen Nacken hat, daß er den
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größten Teil des Körpers ausmacht; der Bauch ist etwas stärker eingezogen, so daß er weniger rund und zum Bespringen der weiblichen Tiere geschickt ist. 21. Kapitel 1 Auch bei den Kühen gelten als die besten solche von hohem und langgestrecktem Bau; sie sollen einen mächtigen Bauch haben, sehr breite Stirn, dunkle, weit offene Augen, schöne glatte und schwarze Hörner, behaarte Ohren, schmale Kinnlade, sehr große Wamme und langen Schwanz, mittelgroße Hufe, kurze Beine. Sonst stellt man an die weiblichen Tiere ungefähr dieselben Ansprüche wie an die männlichen, vor allem aber sollen sie jung sein, denn sobald sie das Alter von zehn Jahren überschritten haben, sind sie zum Gebären unbrauchbar; 2 jünger als zweijährig sollen sie allerdings noch nicht gedeckt werden. Sind sie jedoch schon früher trächtig geworden, ist es richtig, ihnen das Kalb wegzunehmen und ihnen, damit sie nicht leiden, drei Tage die Euter zu leeren, dann aber sie nicht mehr zu melken.
22. Kapitel 1 Ebenso wie bei den übrigen Herden soll man dafür sorgen, daß jedes Jahr eine Auslese getroffen wird. Einerseits nämlich sind fruchtbare Kühe abzuschaffen, die wegen ihres Alters nicht mehr werfen, andererseits sind unter allen Umständen die Zwitterkühe, die den fruchtbaren den Platz wegnehmen, zu entfernen oder für den Pflug abzurichten, da sie infolge ihrer Sterilität die schwere Arbeit nicht 2 weniger gut aushalten als junge Stiere. Rinderherden fühlen sich zur Winterszeit in Meeresnähe und sonniger Gegend wohl, im Sommer jedoch ziehen sie den tiefsten Schatten von Waldtriften und Bergen vor und weiden lieber auf den Höhen als im Flachland. Besser ist es, sie in grasreichen Gehölzen, zwischen Strauchwerk und Riedgras weiden zu lassen, weil an trockenen und steinigen Plätzen sich die Hufe härten. Flüsse und Bäche sind ihnen nicht so zuträglich wie künstliche Teiche, denn Flußwasser, das in der Regel kälter ist, verursacht Fehlgeburten, und Regenwasser wirkt weniger erkältend. Sonst sind gegen alle von außen andringende Kälte Kühe nicht so empfindlich wie Pferde und können daher gut auch im Winter unter freiem Himmel bleiben.
23. Kapite 1 1 Die Hürden sollen aber weiträumig angelegt werden, damit nicht bei zu großer Enge eine Kuh die Leibesfrucht der anderen erdrückt und damit die schwachen den Stößen der stärkeren entgehen. Die Standplätze pflastert man am besten
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mit Steinen oder Kies, brauchbar ist jedoch auch Sandschüttung; jene nämlich nehmen Regen nicht an, diese saugt ihn schnell auf und läßt ihn versickern. Beide aber sollen schräg abwärts gehen, damit die Nässe abfließen kann, sowie nach Süden liegen, damit sie leicht trocken werden und nicht den kalten Winden ausgesetzt sind. Die Pflege der Weideflächen macht nur wenig Mühe, denn damit das 2 Gras freudiger sprießt, wird es zu Sommersende gewöhnlich abgebrannt. Das düngt durch die Asche der verholzten Dornbüsche den Jungwuchs der Futterkräuter und hindert das Gesträuch, das hochschießen möchte, am Aufkommen. Für die Tiere aber ist es gesund, wenn man dicht am Gehege auf Steinen und in Trögen Salz ausstreut; zu diesem kommen sie, nachdem sie sich sattgefressen haben, gern heimwärts gelaufen, wenn mit dem Hirtensignal gleichsam zum Sammeln geblasen wird. Denn auch das soll in der Dämmerung immer geschehen, 3 damit die Tiere sich daran gewöhnen, auf den Klang des Kuhhorns hin zum Gehege heimzukehren, wenn etwa eins im Walde zurückgeblieben ist. Mustern und zählen nämlich kann man die Herde nur dann, wenn die Kühe mit gewissermaßen militärischer Disziplin im Lager auf ihrem Platze übernachten. Den gleichen Gehorsam verlangt man aber von den Bullen nicht; sie streifen im Vertrauen auf ihre Kräfte durch die Wälder, dürfen frei aus- und eingehen, und man holt sie nur zum Begatten herein. 24. Kapitel Bullen, die jünger als vier oder älter als zwölf Jahre sind, schließt man vom 1 Belegen der Herde aus, jene, weil sie, sozusagen im Knabenalter, zur Besamung noch nicht reif erscheinen, diese, weil sie infolge ihrer Betagtheit erschöpft sind. In der Regel soll man Stiere im Juli auf die Kühe loslassen, so daß diese die zu dieser Zeit empfangene Frucht im nächsten Frühjahr zur Welt bringen, wenn das Futter schon hoch steht; denn in zehn Monaten tragen sie aus. Im Juli lassen 2 sich außerdem die Kühe, auch ohne Zwang durch den Hirten, den Bullen sehr gern gefallen, und die natürlichen Triebe stimmen in dieser Zeit gewöhnlich zusammen, da die Tiere, durch das Frühlingsfutter voll gesättigt und aufgeregt, im Geschlechtsverkehr ihr Vergnügen finden. Wenn eine Kuh den Bullen zurückweist oder dieser unlustig ist, so weckt man auf dieselbe Weise, wie ich es in Kürze für widerwillige Pferde empfehlen werde, den Trieb dadurch, daß man ihnen den Geruch der Geschlechtsteile an die Nüstern bringt. Während der Deck- 3 zeit beschränkt man aber den Kühen das Futter, damit allzugroße Körperfülle sie nicht steril macht, den Bullen gibt man mehr, damit sie desto kräftiger springen. Ein einziger Bulle vermag fünfzehn Kühen völlig Genüge zu tun. Wenn er eine Kuh belegt hat, kann man aus gewissen Anzeichen schließen, welches Geschlecht er gezeugt hat; wenn er nämlich nach rechts herabspringt, so wird es sicherlich ein männliches Tier werden, springt er linljs ab, ein weibliches. Daß 14
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das so ist, zeigt sich allerdings nur dann, wenn die Kuh nach einmaliger Begattung 4 trächtig wird und keinen Bullen mehr zuläßt. Ebendies aber geschieht selten, denn auch tragende Kühe sind des Triebes noch nicht satt. So stark wirken über die von der Natur gesetzten Grenzen hinaus sogar bei den Tieren die lockenden Reize der Lust! Wo das Futter üppig wächst, kann man ohne Bedenken jedes Jahr Jungvieh aufziehen, wo es jedoch knapp ist, nur alle zwei Jahre. Diese Beschränkung übe man namentlich bei Arbeitskühen, damit die Kälber ein Jahr lang sich an Milch satttrinken können und eine tragende Kuh nicht zugleich von der Last der Arbeit und des Leibes beschwert wird. Wenn eine Arbeitskuh nach dem Gebären nicht Kraftfutter erhält, so mag sie eine noch so gute Amme sein, sie entzieht doch, 5 von der Anstrengung erschöpft, dem Kalbe Nahrung. Man gibt also der Mutter grünen Schneckenklee, gedörrte Gerste und eingeweichte Erven, und das junge Kalb wird mit einem Brei aus gerösteter und gemahlener Hirse und Milch gefüttert. Besser noch ist es, als Ammen Kühe aus Altinum. zu beschaffen, die die Leute dort Cevae nennen. Sie sind von niedrigem Wuchs, geben sehr viel Milch, und deshalb nimmt man ihnen ihre eigenen Jungen und läßt edelrassige Kälber an den fremden Eutern groß werden. Wenn jedoch diese Möglichkeit nicht besteht, so reicht auch Bohnenschrot und Wein völlig aus, und damit soll man sich vornehmlich bei großen Herden behelfen.
25. Kapitel 1 Den Kälbern pflegen Eingeweidewürmer zu schaden, die gewöhnlich bei Magenüberladung auftreten. Deshalb überfüttere man Kälber nicht, damit sie gut verdauen. Leiden sie aber schon an Würmern, so zerquetscht man halbrohe Lupinen, formt Klöße daraus und führt sie, wie bei der Mast, in den Schlund ein. Man kann auch Wermut mit trockenen Feigen und Erven verreiben und zu Klößen geformt in gleicher Weise schlucken lassen. Dieselbe Wirkung tut eine Mischung aus einem Teil Schweinefett und drei Teilen Ysop. Auch Andorn- und Porreesaft vermag solches Ungeziefer zu töten.
26. Kapitel 1 Kastrieren soll man Kälber, wie Mago meint, solange sie noch jung sind, und man soll es nicht mit dem Messer machen, sondern mit einer gespaltenen Rute die Hoden zusammendrücken und allmählich zerquetschen; er hält das für das beste 2 Verfahren, weil es sich im zarten Alter unblutig durchführen läßt. Wenn das Kalb schon stärker geworden ist, kastriert man es besser mit zwei Jahren als einjährig, und zwar soll man es nach Vorschrift Magos im Frühjahr oder Herbst bei ab-
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nehmendem Monde tun, dabei das Kalb an das Gestell binden, dann, bevor man das Messer ansetzt, mit zwei schmalen hölzernen Schienen wie mit einer Zange die Stränge fassen, die die Griechen deshalb, weil an ihnen die Hoden hängen, als xQefiaarfjgeQ bezeichnen; dann hält man die Hoden fest, legt sie mit dem Messer frei, drückt sie heraus ünd beschneidet sie so weit, daß ihr letztes Stück, das an den besagten Strängen hängt, daranbleibt. Auf diese Weise wird der Stier nämlich 3 nicht durch Blutverlust gefährdet und wird auch nicht durch Wegnehmen des Ganzen völlig entmannt, behält vielmehr das Aussehen des männlichen Tieres, obschon er die Zeugungskraft eingebüßt hat. Diese verliert er jedoch nicht sofort, denn wenn man ihn unmittelbar nach dem Eingriff eine Kuh bespringen läßt, so zeigt sich, daß er noch zeugen kann; man sollte das aber nicht erlauben, damit er nicht verblutet. Seine Wunden aber soll man mit Reisigasche und Silberschaum bestreichen und ihm an dem Tage nichts zu saufen und wenig zu fressen geben. An den folgenden drei Tagen darf er sich wie ein Kranker an Baumtrieben 4 und geschnittenem Grünfutter, erfreuen, aber nicht vjel trinken. Es wird auch geraten, nach drei Tagen die Wunden mit flüssigem Pech und Asche mit wenig ö l zu bestreichen, damit sie schneller vernarben und nicht von Fliegen behelligt werden. Von Rindern habe ich nun ausführlich genug gesprochen.
27. K a p i t e l Wer Pferde züchten möchte, sollte sich zuerst um einen regsamen Gestütsver- 1 walter und um Futterreichtum kümmern. Mag bei anderen Tieren beides, auch wenn es nur mäßig ist, noch erträglich sein, so verlangt ein Gestüt einen äußerst emsigen Meister sowie die Möglichkeit, die Tiere reichlich zu sättigen. Man teilt ein Gestüt in drei Abteilungen. Es gibt da nämlich das edle Blut, das die Rosse für den Zirkus und für Wettkämpfe bei den Festen liefert, es gibt die Maultiere, die im Preise der Fohlen den Vergleich mit den edelrassigen Pferden aushalten, und schließlich die gewöhnlichen Pferde, die Stuten und Hengste von mittlerer Güte erzeugen. J e hervorragender die Rasse ist, desto fruchtbareres Weideland teilt man ihr zu. Es sollen aber für die Herden weiträumige und sumpfige Wiesen 2 und nicht Bergweiden gewählt werden, ein Gelände, das bewässert und nie trocken, eher kahl als von Baumwuchs unterbrochen ist, auf dem überall lieber weiche Gräser als hochstehende Kräuter reichlich wachsen. Bei den gewöhn- 3 liehen Pferden läßt man Hengste und Stuten durcheinander weiden, und für das Beschälen hält man sich nicht an bestimmte Zeiten. Edle Stuten sollen um die Frühjahrsgleiche zur Paarung kommen, um ein J a h r später in der gleichen Jahreszeit, in der sie empfangen haben, wenn die Weiden schon reichen Graswuchs tragen, mit kleiner Mühe die Fohlen großziehen zu können; sie gebären nämlich im zwölften Monat. Es muß in der genannten Jahreszeit also unbedingt dafür gesorgt werden, daß man so Stuten wie Hengsten, wenn sie danach verlangen, 14*
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6. Buch, 27. Kapitel
die Begattung ermöglicht, denn gerade das Pferd wird, wenn man sie ihm verweigert, besonders stark vom Basen des Geschlechtstriebes aufgepeitscht, wovon man ja auch einem Gifte den Namen bmo/iavis beigelegt hat, weil es bei den Menschen eine Leidenschaft der Sinne entfacht, die dem Trieb des Pferdes gleicht. 4 In manchen Gegenden brennen bekanntlich die Stuten von so heißer Glut, sich begatten zu lassen, daß sie sogar ohne Hengst in unablässiger übersteigerter Sinnengier sich selbst den Liebesgenuß einbilden und wie die Hausvögel sich durch den Wind befruchten lassen. Nicht zuviel nämlich behauptet der Dichter: 5
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,Freilich: vor allen erstaunlich ist das Basen der Stuten. Über den Gargarusberg und durch des Ascanius Bauschen Jagt sie die Brunst, sie erklimmen die Höh'n, durchschwimmen die Ströme. Und sobald nur die Glut gezündet im gierigen Marke, Meist indessen im Lenz, da sich neu dann die Leiber erhitzen, Stehen sie alle auf felsigen Biffen und schauen nach Westen, Fangen die linden Lüfte auf, und oftmals — o Wunderl — Ohne daß ihnen genahet ein Gatte, schwängert der Wind sie.'
7 Es ist ja auch ganz bekannt, daß auf einem heiligen Berge in Spanien, der nach Westen in den Ozean vorstößt, Stuten oft ohne Beschälung trächtig geworden sind und ihre Frucht aufgezogen haben, aus der allerdings nichts wird, da sie dreijährig vor der Beife vom Tode hinweggerafft wird. Man wird also, wie gesagt, Sorge tragen, daß die Stuten zur Zeit der Frühjahrsgleiche nicht von ihrer natür8 liehen Sinnenlust gepeinigt werden. Wertvolle Hengste aber soll man in der übrigen Zeit des Jahres von den Stuten fernhalten, damit sie nicht entweder nach ihrem Belieben decken oder, wenn man sie daran hindert, vom Triebe aufgeregt Schaden davontragen. Man wird sie deshalb entweder auf entlegene Weiden bringen oder eingehegt halten; dann aber, wenn die Stuten nach dem Hengste verlangen, soll man ihn durch reichliches Futter kräftigen und, wenn der Frühling kommt, mit Gerste und Erven mästen, damit er seiner Aufgabe voll gewachsen ist und, je stärker er deckt, desto kräftigeren Samen für den kommenden Nach9 wuchs liefert. Manche raten auch, einen Beschäler so zu mästen wie bei der Maultierzucht, damit er, dadurch aufgemuntert, mehr Stuten Genüge tun kann. Jedoch soll ein Hengst zwar nicht weniger als fünfzehn, aber auch nicht mehr als zwanzig Stuten decken; dann bleibt er in der Begel von der Vollendung des 10 dritten Lebensjahres an bis zum zwanzigsten dafür tauglich. Ist ein Beschäler zu träge zum Decken, so wischt man die Geschlechtsteile der Stute mit einem Schwamm ab, hält diesen dem Hengst an die Nüstern und reizt ihn so durch den Geruch. Wenn umgekehrt eine Stute sich nicht decken lassen will, bestreicht man ihre Geschlechtsteile mit geriebener Meerzwiebel; das weckt den Trieb. Bisweilen läßt dieser sich auch mit Hilfe eines ganz gewöhnlichen Hengstes hervorrufen. Wenn er nämlich, zur Stute gelassen, sie sich beinahe gefügig ge-
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macht hat, führt man ihn beiseite und läßt sie, die nun zugänglicher geworden ist, von dem edleren Hengste beschälen. Weiterhin wende man den tragenden Stuten recht große Sorgfalt zu und kräftige sie durch reichlichen Weidegang. Wenn es in der Winterkälte dann mit der Grün- 11 fütterung zu Ende ist, hält man sie unter Dach, strengt sie weder mit Arbeit noch mit Laufen an, läßt sie nicht in die Kälte hinaus, soll sie aber nicht zu eng stehen lassen, damit sie einander nicht die Frucht abtreiben; alle solche Unzuträglichkeiten führen nämlich zur Fehlgeburt. Wenn aber eine Stute bei Geburt oder Fehlgeburt Not leidet, so hilft dagegen zerquetschtes Engelsüß, das man mit lauem Wasser vermischt und eintrichtert. Ist jedoch alles gut verlaufen, so 12 fasse man das Fohlen nicht an, denn man tut ihm schon durch die leiseste Berührung weh. Unbedingt muß es mit der Mutter an einem geräumigen und warmen Platze untergebracht werden, damit nicht, weil es noch empfindlich ist, die Kälte ihm schadet oder die Mutter in der Enge es zerdrückt. Allmählich läßt man es dann hinaus und achtet darauf, daß es sich nicht am Mist die Hufe entzündet. Ist es kräftiger geworden, so bringt man es auf die gleiche Weide wie die Mutter, damit diese nicht in Sehnsucht nach ihrem Kinde vergeht, denn eine 13 Stute leidet mehr als andere Tiere darunter, wenn sie ihr Fohlen nicht bei sich hat. Gewöhnliche Stuten läßt man in der Regel alle Jahre werfen, Edelstuten aber sollen jedes zweite Jahr ungedeckt bleiben, damit die Fohlen, durch die Muttermilch gestärkt, besser für die Strapazen der Wettkämpfe zugerüstet werden.
28. Kapitel Man nimmt an, daß ein weniger als drei Jahre alter Hengst zum Decken noch nicht reif ist, daß er dann aber bis zum zwanzigsten Jahre zeugen kann; bei der Stute gilt es als richtig, daß sie zweijährig empfängt, um nach dem dritten Jahre zu gebären und das Fohlen großzuziehen, daß sie aber nach dem zehnten untauglich wird, weil die Nachkommenschaft von alten Stuten schlaff und träge ist. Ob ein weibliches oder männliches Fohlen gezeugt wird, kann man, wie Demokrit versichert, beeinflussen; er hat die Anweisung gegeben, man solle, um ein männliches zu bekommen, den linken, für ein weibliches den rechten Hoden des Deckhengstes mit einer leinenen Schnur oder sonstwie abbinden, und er meint, daß sich das Gleiche bei fast allen Tieren machen lasse.
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29. Kapitel Ist nun ein Fohlen zur Welt gekommen, so vermag man alsbald sein Wesen zu beurteilen; wenn es munter und sorglos ist, wenn es nicht erschrickt, sobald es etwas Neues sieht oder hört, wenn es der Herde voranstürmt, wenn es in Mut-
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willen und Ausgelassenheit, gelegentlich auch im Wettlauf die Altersgenossen übertrifft, wenn es ohne Zögern über einen Graben springt, eine Brücke oder einen Fluß überschreitet, dann sind das Zeugnisse für seine edle Art. Körperlich zeigt sich diese in kleinem Kopf, schwarzen Augen, offenen Nüstern, kurzen und steil aufgerichteten Ohren, geschmeidigem und breitem, aber nicht langem Nacken, dichter Mähne, die nach rechts fällt, breiter Brust, die reichliche Muskelpolster aufweist, starkem und aufrechtem Vorderbug, eingebogenen Flanken, doppeltem Kreuz, schmalem Bauch, gleichmäßigen, kleinen Hoden, breiten und abfallenden Lenden, langem, starkhaarigem und krausem Schwanz, federnden hohen und geraden Beinen, glattrunden und kleinen, nicht einwärts gerichteten Knien, rundem Hinterteil, mächtigen muskulösen Schenkeln, harten, hohen, rundgewölbten Hufen, über denen mäßig große Kronen sitzen; der Körper im ganzen soll so gebaut sein, daß er gewaltig wirkt, hoch und gerade aufgerichtet ist, auch beweglich und, soweit es die Gestalt erlaubt, länglichrund erscheint. Im Gebaren aber gelten als lobenswert Pferde, die sich schnell aus der Ruhe bringen, ebensoschnell aber wieder beruhigen lassen; solche erweisen sich nämlich als geschickt zum Gehorchen und als sehr geneigt zu Wettkampf und Arbeit. Für den Hausgebrauch richtet man Pferde mit zwei Jahren ab, für die Kämpfe erst mit vollen drei, so jedoch, daß man sie erst nach Ablauf des vierten Jahres für ihren Zweck einsetzt. Die Merkmale für das Alter eines Pferdes wandeln sich mit dem Körper. Im Alter von zweieinhalb Jahren nämlich fallen ihm die mittleren Ober- und Unterzähne aus, mit vier Jahren verliert es die sogenannten Hundszähne und bekommt dafür andere, noch vor Ablauf des sechsten Jahres fallen dann die oberen und unteren Mahlzähne aus, im sechsten Jahr ersetzt es die zuerst verlorenen, im siebenten alle ohne Ausnahme; von da an werden die Zähne hohl, und später kann man nicht mehr genau feststellen, wie alt das Pferd ist. Im zehnten Jahre beginnen jedoch die Schläfen einzufallen und manchmal die Augenbrauen grau zu werden sowie die Zähne herauszuragen. Mit diesen Hinweisen, die Gemütsart und Gebaren, Körper und Alter betreffen, lasse ich es genug sein; jetzt habe ich die Aufgabe zu zeigen, wie man gesunde und kranke Pferde behandelt.
30. Kapitel 1 Sind Pferde gesund, aber zu mager, so bringt man sie schneller mit geröstetem Weizen als mit Gerste zurecht, gibt ihnen aber auch Wein zu trinken; dann entzieht man ihnen allmählich diese Kost, indem man ihr Gerste und Kleie beimischt, bis sie sich an die Ernährung mit Bohnen und reiner Gerste gewöhnen. Ferner sollen, genau wie die Menschen, auch die Pferde täglich frottiert werden, und oft ist es nützlicher, ihnen gründlich den Rücken zu massieren als sie sehr reichlich zu füttern; wo aber die Pferde ihren Stand haben, muß Stroh unter-
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gebreitet werden. Von großer Wichtigkeit ist es, Körper und Füße bei K r ä f t e n 2 zu halten. Beides wird erreicht, wenn man die Tiere zu den richtigen Zeiten an die Krippe und ans Wasser f ü h r t und ihnen Bewegung verschafft, und wenn man darauf achtet, d a ß sie an trockenem Platze stehen und die Hufe nicht naß werden; dies läßt sich leicht dadurch vermeiden, daß man entweder die Stände mit Eichenbohlen belegt oder den Boden sofort gründlich reinigt und Stroh schüttet. Krank werden Pferde in der Regel durch Übermüdung und Hitze, manchmal 3 auch durch Kälte, oder wenn sie nicht rechtzeitig H a r n lassen; ferner wenn sie schwitzen und nach schneller Bewegung gleich saufen, oder schließlich, wenn sie nach langem Stehen plötzlich zum Laufen angestachelt werden. Mattigkeit heilt man durch Ruhe und gibt außerdem ö l oder Schmalz mit Wein gemischt. Bei Erkältung macht man warme Umschläge, benetzt die Lenden mit angewärmtem ö l und bestreicht Kopf und Rückgrat mit lauwarmem Schmalz oder Salbe. Ähnlich behandelt man Harnverhaltung; man gießt nämlich ö l mit Wein ge- 4 mischt auf Unterleib und Nieren, und wenn das zu wenig hilft, führt m a n Zäpfchen aus einer Abkochung von Honig und Salz in die Harnröhre ein, oder man steckt in diese eine lebende Fliege, ein Körnchen Weihrauch oder auch ein Zäpfchen aus Erdpech. Die gleichen Mittel werden bei Entzündung der Geschlechtsteile angewendet. Kopfschmerz erkennt man an tränenden Augen, schlappen Ohren 5 sowie daran, daß der ganze Nacken mit dem Kopfe schwer zur Erde niederhängt. Man öffnet dann eine Ader unter dem Auge, spült das Maul warm aus und gibt am ersten Tage nichts zu fressen, am nächsten dann aber nüchtern warmes Wasser zu saufen und frisches Gras, macht dem Tier eine Streu aus altem Heu oder weichem Stroh und verabreicht in der Dämmerung noch einmal Wasser sowie ein Weniges an Gerste und Wickenkraut, so d a ß es auf dem Wege über kleine Futterportionen wieder bis zu seinem richtigen Maß kommt. Wenn einem Pferd "6 die Kinnlade wehtut, soll man sie in warmem Essig baden und mit altem Schweinefett einreiben, und das gleiche Mittel findet auch Anwendung, wenn sie geschwollen ist. H a t das Pferd sich den Vorderbug verletzt oder zeigt sich Blutandrang zu den Füßen, so lasse man es an beiden Beinen ungefähr in der Mitte zur Ader, mische Weihrauchstaub mit dem hervorströmenden Blut und bestreiche damit den Bug; damit es nicht zu sehr erschöpft wird, legt fiian auf die blutenden Adern den eigenen Mist des Tieres und befestigt ihn mit Binden. Auch am nächsten Tage ziehe man an denselben Stellen Blut ab, behandle das Pferd auf die gleiche Weise und füttere keine Gerste, sondern nur etwas Heu. Nach drei Tagen dann bis zum 7 sechsten trichtere man ihm ein Gemisch von drei Cyathi Porreesaft und einer Hemma ö l ein. Nach dem sechsten Tage zwinge man es, sich langsam zu bewegen, und nach dem Gehen soll man es so weit in den Teich schicken, daß es schwimmt; durch Beigabe kräftigerer Nahrung bringt man es dann allmählich bis zu dem vollen Maß. Wenn einem Pferde dagegen die Galle Beschwerden verursacht, der 8 Bauch anschwillt und keine Winde abgehen läßt, führt man die eingesalbte H a n d in den Darm ein und öffnet den verstopften Ausgang. Nach Entfernung
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des Mistes verrührt man Rindscunila und Läusekraut, mit Salz verrieben, in abgekochtem Honig, macht daraus Zäpfchen und führt sie ein; sie bringen die 9 Eingeweide in Bewegung und führen alle Galle ab. Manche gießen auch einen Quadrans geriebene Myrrhe mit einer Hemina Wein in den Schlund und bestreichen den After mit flüssigem Pech, andere spülen den Darm mit Seewasser, wieder andere mit frischer Salzlake. Auch Würmer verschiedener Art pflegen den Eingeweiden zu schaden; man kann darauf schließen, wenn die Pferde unter Schmerzen sich häufig hin- und herwälzen, den Kopf an den Bauch bringen und immer wieder mit dem Schwänze 10 schlagen. Gegen Würmer hilft unmittelbar das oben beschriebene Einführen der Hand und Herausholen des Mistes; darauf spült man die Därme mit Seewasser oder starker Salzlake und gibt dann geriebene Kapernwurzel mit einem Sextarius Essig ein; dadurch gehen die Würmer zugrunde. 31. Kapitel 1 Allen schwachen Pferden muß man eine hohe Streu geben, damit sie weicher liegen. Plötzlich einsetzender Husten läßt sich schnell heilen, wenn man Linsen stampft, von den Hülsen trennt und ganz fein mahlt. Dann wird ein Sextarius warmes Wasser mit der gleichen Menge Linsen verrührt und eingeflößt; das macht man drei Tage, und gleichzeitig kräftigt man das kranke Tier mit grünem Gras und Laub. Chronischen Husten dagegen vertreibt man durch mehrere Tage wiederholtes Eingeben von drei Cyathi Porreesaft mit einer Hemina öl und durch Ernährung mit dem oben empfohlenen Futter. 2 Räudige Stellen und jede Art von Ausschlag reibt man mit Essig und Alaun ab. Hartnäckige Ausschläge bestreicht man manchmal mit einer Mischung von gleichen Gewichtsteilen Aschensalz und faserigem Alaun in Essig. Blattern werden in glühender Sonne mit dem Striegel abgeschabt, bis Blut quillt. Dann mischt man zu gleichen Teilen Wurzeln von wildem Efeu, Schwefel und flüssiges Pech mit Alaun und behandelt damit die betroffenen Stellen. 32. Kapitel 1 Den Wolf spült man täglich zweimal mit warmem Wasser und scheuert dann die Stelle mit ganz trockenem und zerstoßenem Salz und Schmalz, bis das Blut fließt. Räude kann dem Pferd den Tod bringen, wenn man nicht schnell eingreift. Tritt sie nur leicht auf, so streicht man gleich anfangs unter glühender Sonne Zedernharz oder Mastixöl auf oder auch mit öl verriebenen Brennesselsamen oder 2 das Fett, das eingesalzener Thunfisch im Troge absondert. Von ganz vorzüglicher Heilkraft aber ist bei dieser Krankheit Meerkalbfett. Wenn sie jedoch schon
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chronisch geworden ist, bedarf es stärkerer Mittel; dazu verkocht m a n Erdpech, Schwefel und Nieswurz mit flüssigem Pech und altem Schweinefett, in gleichem Gewicht gemischt, und wendet dies Medikament an, nachdem m a n vorher die wunde Stelle m i t dem Messer ausgekratzt und m i t Urin gespült hat. Oft h a t es 3 sich auch als nützlich erwiesen, mit dem Skalpell bis ans lebende Fleisch zu gehen, die Stelle auszuschneiden und die so entstandene Verletzung mit flüssigem Pech und ö l zu heilen, die sowohl reinigen als auch Wunden schließen. Damit sie d a n n schneller vernarbt und das Wachstum der Haare angeregt wird, ist es gut, sie mit R u ß von einem ehernen Kessel zu pudern. 33. K a p i t e l Auch Fliegen, die die Wunden gefährden, vertreibt man durch Anwendung von 1 Pech und ö l oder Salbe; sonst empfiehlt sich Behandlung mit Ervenmehl. Augenverletzungen werden durch Bestreichen mit nüchternem Speichel und Salz gebessert, ferner durch Sepiaschale, die mit Grubensalz verrieben ist, oder auch durch Samen der wilden Möhre, den m a n stampft und durch ein Leinentuch über den Augen ausdrückt. Alle Augenleiden lassen sich durch Einsalben mit Wegerichsaft 2 und ungeräuchertem Honig, wenn man den nicht hat, auch mit Thymianhonig schnell beheben. Manchmal bringt auch Nasenbluten Gefahr; man stillt es durch Einträufeln von frischem Coriandersaft in die Nüstern. 34. K a p i t e l Bisweilen leidet ein Tier auch an Appetitlosigkeit. Dagegen hilft Samen des so- 1 genannten Git, wovon m a n zwei Cyathi reibt, mit drei Cyathi ö l und einem Sextarius Wein verrührt und dann einflößt. Erbrechen läßt sich dadurch stillen, d a ß m a n zerquetschte Knoblauchzwiebel in einer Hemina Wein mehrmals zu trinken gibt. Geschwüre öffnet man besser mit erhitzter als mit kalter Klinge und verbindet sie nach dem Ausdrücken mit Leinwand. Gefährlich ist auch eine Er- 2 krankung, bei der innerhalb weniger Tage Stuten plötzlich abmagern und dann vom Tode dahingerafft werden. Tritt sie auf, so sollte man, wenn die Tiere kleiner sind, jedem vier Sextarii Fischsauce in die Nüstern gießen, größeren sogar einen Congius. Das läßt allen Schleim durch die Nüstern ausfließen und reinigt die Tiere. 35. K a p i t e l Selten zwar, aber immerhin bekannt ist auch eine Tollheit der Stuten, die sich 1 darin äußert, daß sie, wenn sie im Wasser ihr Spiegelbild gesehen haben, von sinnloser Liebe gepackt werden, darüber das Fressen vergessen, sich in der Leiden-
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schaft verzehren und eingehen. Daß sie wirklich von diesem Wahnsinn befallen sind, wird dadurch offenbar, daß sie wie gehetzt über die Weide rasen und dann plötzlich umherblickend sehnsüchtig etwas zu suchen scheinen. Man heilt den Wahn in der Weise, daß man der Stute die Haare ungleichmäßig verschneidet 2 und sie zum Wasser hinabführt. Erst dann, wenn sie ihre Verunstaltung erspäht hat, läßt sie die Erinnerung an das frühere Bild fahren. Damit ist über das, was die Stuten allgemein angeht, genug gesagt, das Folgende soll besondere Anweisungen für solche bringen, die sich mit der Aufzucht von Maultierherden befassen wollen. 36. Kapitel 1 Wenn man Maultiere aufziehen will, muß man vor allem die Eltern der künftigen Zucht, Mutter wie Vater, sorgfältig auswählen und prüfen; denn wenn der eine Teil nicht geeignet ist, befriedigt auch das nicht, was beide zustande bringen. 2 Zu Müttern wählt man am besten vier- bis zehnjährige, besonders große und schöne, starkgliedrige und recht leistungsfähige Pferdestuten, von denen man erwarten kann, daß sie den ihrem Leibe von Natur nicht anstehenden fremdstämmigen Sproß, wenn er ihnen eingepflanzt wird, leicht aufnehmen und austragen und daß sie ihm die guten Eigenschaften nicht nur ihres Körpers, sondern auch ihres Wesens vererben. Einerseits nämlich bleiben die Samen nach Vollzug der Besamung nur selten am Leben, andererseits aber ist auch, wenn die Empfängnis zustandegekommen ist, das Wachstum der Frucht langsamer; nach einem vollen Jahr, im dreizehnten Monat erst wird sie geboren, und den Fohlen hängt mehr von der väterlichen Trägheit an als von der Lebhaftigkeit der Mutter. 3 Mögen immerhin aber Stuten für den genannten Zweck sich mit geringerer Mühe finden lassen, so ist bei der Gattenwahl die Schwierigkeit umso größer, weil oft das Ergebnis die Erwartung enttäuscht. Viele Deckesel, die wunderbar aussehen, zeugen eine in Gestalt oder Geschlecht ganz minderwertige Nachkommenschaft; sie bringen nämlich entweder weibliche Tiere von kleinem Wuchs hervor oder auch solche, die wohl von ansehnlicher Größe, aber in der Mehrzahl männlichen Geschlechtes sind, und so mindern sie den Gewinn des Züchters; manche aber, denen man es gar nicht ansieht, liefern in reichem Maße den wertvollsten Samen. Gelegentlich zeigt sich bei einem Eselhengst in seinen Sprößlingen edle Rasse, aus Sinnenträgheit aber läßt er sich nur ganz selten zum Geschlechts4 verkehr aufregen. Solchen Esel reizen die Hirten, indem sie ihm eine Stute gleicher Art zuführen, da sich ja von Natur Gleich und Gleich lieber gesellt; wenn er dann nach Gegenüberstellung mit der Eselin sich auf diese stürzt und sie ihn so gelockt haben, entziehen sie ihm, der nun gleichsam brennt und geblendet ist von Begierde, die Eselin, die er gesucht hat, und lassen ihn die früher verschmähte Pferdestute decken.
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37. Kapitel Andere Zuchtesel rasen vor Begier, und wenn man ihnen nicht mit List Einhalt tut, schädigen sie die. Herde. Oft nämlich zerreißt ein solcher Esel die Fesseln, belästigt trächtige Stuten, und wenn man ihn springen läßt, zerbeißt er den Stuten Nacken und Rücken. Damit er das nicht tut, läßt man ihn eine Weile die Mühle treiben; dann kühlt die Arbeit seine Liebesglut, und er hält beim Decken nun mehr Maß. Ebenso geschickt aber muß man auch einen allzuruhigen Esel auf das Decken erst vorbereiten, da es sehr wichtig ist, das seiner natürlichen Anlage nach schläfrige Tier durch wohlbemessene Beanspruchung seiner Leibeskräfte in Bewegung zu bringen und aufzuwecken und erst, nachdem es lebendiger geworden ist, die Stute decken zu lassen, damit durch eine Art geheimnisvoller K r a f t schon die Samen aus beweglicheren Elementen sich bilden. Ein Maultier entsteht aber nicht nur durch Kreuzung von Pferdestute und Esel, sondern auch aus Eselin und Pferdehengst und ebenfalls aus Wildesel und Pferdestute. Autoren, die Beachtung verdienen, wie Marcus Varro und vor ihm Dionysius und Mago, haben sogar überliefert, in Afrika sehe man auch Abkömmlinge von Maultieren so wenig als Wunder an, daß sie den Bewohnern genau so selbstverständlich seien wie uns die Maultierfohlen von Pferdestuten. Doch gibt es bei all solchen Tieren nichts, was sie in Wesen oder Gestalt vorzüglicher erscheinen ließe als ein vom Esel gezeugtes. Einigermaßen vergleichbar wäre diesem vielleicht die Nachkommenschaft des Wildesels, freilich mit der Einschränkung, daß sie ungebärdig sich gegen die Knechtschaft auflehnt und stärker die Wildheit und schmächtige Gestalt des Vaters zeigt. Ein Wildesel als Beschäler ist deshalb von höherem Wert für die zweite als für die erste Generation. Denn wenn man den Sohn einer Eselin und eines Wildesels eine Pferdestute decken läßt, so wird schrittweise die ursprüngliche Wildheit gebrochen, und was nun zur Welt kommt, erbt Gestalt und Fügsamkeit vom Vater, vom Großvater aber Energie und Schnelligkeit. Tiere, die aus einer Verbindung von Pferd und Eselin stammen, haben zwar nach dem Vater ihren Namen bekommen — .man nennt sie Hinni —, gleichen aber in allem mehr der Mutter. Es ist also am richtigsten, für die Zeugung von Maultieren einen Eselhengst zu verwenden, dessen Nachkommenschaft, wie gesagt, erfahrungsgemäß ansehnlicher ist. Mit seinem Aussehen aber soll man nur zufrieden sein, wenn er stattlichen Wuchs zeigt, kräftigen Nacken, starke und breite Flanken, fleischige und geräumige Brust, muskulöse Schenkel, gedrungene Beine hat und schwarz oder dunkelgraubraun ist. Denn mausgraue Färbung wirkt schon beim Esel ordinär und paßt erst recht nicht sehr gut für ein Maultier. Man soll sich auch nicht durch den allgemeinen Eindruck täuschen lassen, wenn man einen Esel sieht, dessen Farbe einem zusagt. Denn wie sich Flecken auf Zunge und Gaumen der Schafböcke nicht selten auf den Pelzen der Lämmer wiederfinden, so zeugt auch ein Esel mit andersfarbigen Haaren an Lidern oder
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6. Buch, 37. Kapitel
Ohren häufig Fohlen von abweichender Farbe, die sogar, wenn man bei dem Beschäler sehr genau achtgegeben hat, oft die Erwartung des Herrn enttäuscht. Manchmal nämlich bringt ein Esel, auch ohne die erwähnten Kennzeichen zu besitzen, Maultiere hervor, die ihm unähnlich sind, was ich mir nur so erklären kann, daß die Farbe des Großvaters von Anfang an dem Samen innewohnt und bei den Enkeln wieder durchschlägt. Einen solchen Esel also, wie ich ihn beschrieben habe, sollte man seiner Mutter gleich nach der Geburt wegnehmen und einer Pferdemutter unterschieben, ohne daß sie es merkt. Am besten läßt sie sich im Dunklen täuschen, denn wenn man ihr dort das eigene Fohlen wegstiehlt und dafür das Eselfohlen hinlegt, nährt sie dieses, als ob sie es geboren hätte. Hat sie sich dann zehn Tage daran gewöhnt, so reicht sie ihm später immer die Zitzen, wenn es danach verlangt. In dieser Weise aufgezogen wird der künftige Beschäler mit Pferden vertraut. Manchmal kommt es auch vor, daß ein junger Esel, obwohl mit der Milch der eigenen Mutter genährt, die Gesellschaft der Pferde sucht, weil er von klein auf mit ihnen eng zusammengelebt hat. Bevor er dreijährig ist, soll man ihm aber das Decken nicht gestatten, und wenn man es ihm dann erlaubt, soll es im Frühjahr erfolgen, und man soll ihn dazu mit frisch gemähtem Weidefutter und viel Gerste kräftigen, ihm mitunter auch Mastfutter geben. Doch soll man ihn nicht ohne weiteres auf die Stute loslassen, denn wenn sie ihn nicht vorher als Beschäler erkannt hat, treibt sie ihn, sowie er anspringt, durch Ausschlagen mit den Hufen fort, und diese schlechte Behandlung macht ihn nach der ersten Zurückweisung überhaupt den Pferdestuten feind. Um das zu vermeiden, führt man zu der Stute einen gewöhnlichen Esel, damit er sie erst willig macht, läßt ihn aber, nicht bis zum Beschälen kommen; vielmehr führt man, wenn die Stute sich die Begattung schon gefallen lassen will, den wertlosen eilends beiseite und läßt sie durch den hochwertigen Zuchtesel decken. Für diesen Zweck ist ein Platz hergerichtet: Machina nennen die Landwirte zwei Wände, die einen kleinen Hügel hinan gebaut sind und so eng nebeneinander stehen, daß die Stute sich nicht wehren oder von dem aufsteigenden Beschäler abwenden kann. Zugang ist von beiden Enden, der untere aber durch ein Gatter versperrt; an diesem wird die Stute angehalftert und erhält so ganz unten am Hügel ihren Platz, damit sie vornüber geneigt den Samen ihres Beschälers besser aufnimmt und ihm, der ja kleiner ist, dadurch, daß er von obenher kommt, das Besteigen ihres Rückens leicht macht. Wenn die Stute das von dem Esel empfangene Fohlen zur Welt gebracht hat, nährt sie es das folgende Jahr, ohne neu gedeckt zu werden. Das ist nämlich richtiger, als was manche tun, daß sie eine Stute, die eben geboren hat, doch gleich wieder durch ein Pferd decken lassen. Einjährig soll man das Maultier von der Mutter wegnehmen und es nach der Entwöhnung in den Bergen oder in wilder Gegend weiden lassen, damit es die Hufe abhärtet und später zu weiten Wegen geschickt ist. Der Maulesel eignet sich mehr für den Saumsattel, beweglicher ist das Maultier, doch vermögen beide sowohl auf der Straße richtig einherzuschreiten als auch so, wie es sich gehört,
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das Land zu pflügen; allerdings belastet der Preis der Tiere die Rechnung des Landwirtes, und ein Feld mit schwerem Boden verlangt die Kräfte der Ochsen. 38. Kapitel Die Heilmittel für diese Tiere habe ich in der Mehrzahl schon bei den anderen Gattungen angegeben, will jedoch einige besondere Maultierkrankheiten nicht übergehen, sondern deren Behandlung hier folgen lassen. Einem rossenden Maultier gibt man rohen Kohl, einem, das an Atemnot leidet, nimmt man Blut ab und flößt ihm mit einem Sextarius Wein und öl eine Mischung aus einer halben Unze Weihrauch und einer Hemina Andornsaft ein. Bei der Marmorkrankheit legt man Gerstenmehl auf, öffnet die Geschwüre dann mit dem Messer und verbindet sie mit Leinwand, oder man läßt durch das linke Nasenloch einen Sextarius bester Fischsauce mit einem Pfund öl einfließen, nachdem man diesem Mittel das Weiße von drei oder vier Eiern ohne die Dotter-beigemischt hat. Krampfädern pflegt man zu schneiden, bisweilen auch zu brennen. Blut in den Füßen läßt man ab wie bei Pferden, oder wenn man Nieswurz hat, die die Landleute Veratrum nennen, so gibt man sie statt Futters. Auch Bilsenkrautsamen, zerrieben und mit Wein eingegeben, heilt das genannte Leiden. Magerkeit und Erschlaffung vertreibt man, indem man mehrmals einen Trank verabreicht, der eine halbe Unze Schwefel, ein rohes Ei und Myrrhe im Gewicht eines Denars enthält. Das wird verrieben, mit Wein gemischt und dann eingeflößt. Das gleiche Mittel heilt aber ebensogut auch Husten und Leibschmerzen. Gegen Magerkeit hilft nichts soviel wie Luzerne. Schneller mästet diese die Tiere, wenn man sie frisch gibt, aber auch nicht gerade langsam in trockenem Zustande statt Heu; nur soll man sie mit Maßen verfüttern, damit die Tiere nicht durch zuviel Blut ersticken. Einem müden und keuchenden Maultier stopft man Schmalz in die Kehle und gießt Wein nach. Im übrigen verfährt man bei den Maultieren ebenso, wie ich es in den früheren Teilen dieses Buches dargestellt habe, die die Behandlung von Bindern und Pferden enthalten.
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Siebentes Buch
1. Kapitel
1 Wenn man von den kleineren Haustieren sprechen will, Publius Silvinus, so wird die erste Stelle der bekannte kleinere, in Arkadien beheimatete, billige und gewöhnliche Esel einnehmen, den die meisten Landwirtschafteschriftsteller beim Ankauf und Halten von Arbeitstieren vorzugsweise berücksichtigt wissen sollen. Nicht zu Unrecht, denn man kann ihn sogar auf Land halten, das keine Weide bietet, weil er mit wenigem Futter beliebiger Art zufrieden ist; nährt er sich doch mit Laub und dornigem Buschwerk oder auch mit einem Bund Stroh, das man ihm vorwirft; von Spreu aber, die fast überall reichlich anfällt, wird er sogar 2 dick und fett. Ferner hält er Gewalttätigkeit und Nachlässigkeit eines unverständigen Hüters wacker aus, da er Schläge und Mangel sehr gut verträgt, weswegen er auch weniger schnell von Kräften kommt als jedes andere Arbeitstier. Weil Strapazen und Hunger ihm sehr wenig ausmachen, wird er auch nur selten krank. Dies Tier, das so geringer Wartung bedarf, leistet sehr viele und notwendige • Arbeiten weit besser, als man erwarten sollte, da es lockeren Boden, wie er sich in der Baetica und ganz Lybien befindet, mit einem leichten Pfluge zu pflügen 3 vermag und vor den Wagen gespannt recht bedeutende Lasten zieht. ,Oft' auch, wie der gefeierte Dichter sagt, .belastet der Treiber (mit öl) den langsamen Esel (Oder) mit billigem Obst, läßt heim ihn tragen vom Markte Neugeschärft den Mühlstein, den Klumpen des schwärzlichen Peches.' Außerdem aber ist Mühlenarbeit und Kornmahlen sein fast tägliches Geschäft. Deshalb braucht jedes Landgut als nötigstes Inventar den Esel, der, wie gesagt, die meisten Dinge der Wirtschaft auf Nacken oder Rücken ohne Umstände zur Stadt befördern und heimbringen kann. Darüber aber, welche Art von Eseln die
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bewährteste ist und wie er am besten behandelt wird, ist im vorigen Buch bei der Besprechung des hochwertigen Esels genug gesagt worden.
2. Kapitel Dem Esel folgt an zweiter Stelle das Schaf. Es rückt an die erste, wenn man an die Größe seines Nutzens denkt. Zunächst nämlich schützt es uns gegen die Gewalt des Winters und bietet unserem Leibe anständigeres Gewand; ferner stillt es mit reicher Fülle von Käse und Milch den Hunger dem Landvolk, aber es ziert auch die Tafel verwöhnter Städter mit mancherlei lieblichen Speisen; Völkern aber, die des Kornes entbehren, fristet es das Leben, und daher werden die meisten Nomaden und Geten Milchtrinker genannt. Dies Tier also ist, wie Celsus sachkundig feststellt, sei es auch noch so feinwollig, doch von festester Gesundheit und wird am wenigsten von Krankheit geplagt. Immerhin aber ist bei der Wahl der Rasse die Lage des Gutes zu berücksichtigen, wie es nicht nur hierbei, sondern in allen Zweigen der Landwirtschaft geschehen soll; Vergil empfiehlt das mit den Worten: ,Doch vermag nicht jedes ein jeglicher Boden zu tragen.' Fettes Land in ebener Lage paßt für Schafe von großem schlankem Wuchs, mageres Hügelland für gedrungene, Wald- und Bergland für kleine. Das feinwollige weidet am besten auf Wiesen und ebener Brache. Schafe sind nicht allein in ihren Arten sehr verschieden, sondern auch in ihren Farben. Unseren Vorfahren galten als hervorragend kalabrische, apulische und milesische, und als deren beste die tarentinischen. Jetzt hält man die gallischen für wertvoller und unter diesen vornehmlich solche aus Altinum, ebenso die Schafe, die auf den .Mageren Feldern' um Parma und Mutina ihren Stand haben. Weiße Wolle ist die beste, sie ist aber auch die brauchbarste, weil man sie vielfältig umfärben kann, das Umgekehrte jedoch unmöglich ist. In ihrer Art empfehlen sich durch den Preis auch grauschwarze und dunkelbraune Schafe, die in Italien Pollentia liefert, in der Baetica Corduba, ebenso, wie aus Asien rötliche kommen, die sogenannten Erythraei. Die Praxis hat uns indessen 'gelehrt, noch weitere Spielarten bei diesem Tier zu züchten. Als nämlich in die Freistadt Gades aus dem benachbarten Afrika für Veranstalter von Spielen neben anderen wilden Tieren auch wilde Waldwidder von prachtvoller Farbe gebracht wurden, hat mein Onkel Marcus Columella, ein unternehmender Mann und angesehener Landwirt, einige erhandelt, sie auf sein Gut überführt und nach der Zähmung Feinschafe von ihnen decken lassen. Die Schafe haben zuerst grobwollige, aber wie der Vater gefärbte Lämmer geworfen, die dann ihrerseits, als sie tarentinische Schafe deckten, Böcke mit feinerer Wolle zeugten. Alles wieder, was diese hervorbrachten, erbte die weiche Wolle der Mutter, vom Vater und Großvater die Farbe. In dieser Weise, so sagte Columella, seien alle Eigenarten der Wildtiere, von Generation zu Generation in
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ihrer Wildheit gemildert, vererbt worden. Aber ich will zum Thema zurückkehren. 6 Es gibt also zwei Arten von Schafen, solche mit weicher und mit grober Wolle, beide aber haben wohl mehreres miteinander gemein, manches jedoch ist nur dem Edelschaf eigen, und man muß bei Kauf oder Haltung darauf achten. Allgemein gilt für den Ankauf von Herden etwa dies: wenn jetnand besonderen Wert auf die weiße Farbe der Wolle legt, soll er immer nur ganz weiße Böcke wählen, weil von solchen zwar wohl auch oft schwärzliche Lämmer gezeugt werden, niemals aber von rötlichen oder dunklen Böcken weiße. 3. Kapitel 1 Deshalb soll man bei Prüfung eines Widders nicht nur feststellen, ob sein Pelzkleid weiß ist, sondern auch, ob Gaumen und Zunge die gleiche Farbe haben wie die Wolle, denn wenn diese Körperteile dunkel oder fleckig sind, kommen dunkle oder sogar gescheckte Lämmer zur Welt, und das hat unter anderem der schon oben zitierte Dichter vorzüglich ausgedrückt in folgenden Versen: .solchen Widder verschmäh', und geh' er in glänzender Weiße, Dem unter feuchtem Gaumen sich schwärzlich strecket die Zunge, Daß er nicht sprenkle mit dunklen Flecken die Vliese der Lämmer, Welche er zeugt.' 2 Ganz dasselbe ist bei den rötlichen und schwarzen Böcken zu beachten, denn auch bei diesen darf, wie ich es entsprechend schon gesagt habe, nicht ein Teil der Wolle in der Farbe abweichen und noch viel weniger der ganze Rücken von Flecken gseprenkelt sein. Man soll darum Schafe nur ungeschoren kaufen, damit die Einheitlichkeit der Farbe sich besser erkennen läßt, denn wenn sie nicht bei den Widdern vorzüglich ist, so haften die Mängel der Väter gewöhnlich auch den Kindern an. 3 Seinem Körperbau nach ist ein Widder besonders empfehlenswert, wenn er hoch und schlank gewachsen ist; er soll einen vorgewölbten, mit Wolle bedeckten Bauch haben, sehr langen Schwanz, dichtes Vlies, eine breite Stirn und große Hoden; die Hörner sollen gewunden sein, nicht weil ein solcher Bock mehr Nutzen bringt — besser ist nämlich der hornlose Widder —, sondern weil gedrehte Horner weniger Schaden anrichten als aufwärts gerichtete und weit ausladende. In manchen Gegenden allerdings, wo das Klima feucht und windig ist, möchte ich Ziegenund Schafböcke mit recht großen Hörnern vorziehen, damit sie durch ihren Um4 fang den größten Teil des Kopfes vor dem Wetter schützen. Man wird also dort, wo der Winter in der Regel härter ist, diese Art wählen, wo er milder auftritt, den hornlosen Bock bevorzugen, da der gehörnte ja den Nachteil hat, daß er seinen Kopf wie mit einer natürlichen Angriffswaffe bewehrt fühlt, daher oft zum Kampfe vorstürmt und auch gegen die weiblichen Tiere übermäßig zudring5 lieh wird. Denn obwohl er allein gar nicht alle decken kann, verfolgt er Rivalen
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aufs heftigste und läßt die Deckung der Herde durch einen anderen allerhöchstens dann geschehen, wenn er selbst in der Brunst erschöpft ist. Demgegenüber kommt sich ein hornloser Bock sozusagen waffenlos vor und ist deshalb weniger rauflustig und hält beim Decken eher Maß. Bei einem stößigen Ziegen- oder Schafbock nun dämpfen die Hirten das Rasen durch diesen Kniff: sie beschlagen ein starkes fußlanges Brett mit Nägeln und binden es an die Horner, die Nägel der Stirn zugekehrt; das hält den Wildling vom Raufen ab, da er mit seinem Stoße sich selbst sticht und verwundet. Der Syrakusaner Epicharmus aber, der die Behandlung von Haustieren genau beschrieben hat, versichert, man bändige einen allzu streitbaren Bock dadurch, daß man ihm dicht an den Ohren die Hörner da, wo sie sich krümmen, durchbohrt. Zum Decken ist ein Bock mit drei Jahren am besten geeignet, doch behält er die Fähigkeit dazu bis zu acht Jahren. Das Schaf soll zweijährig belegt werden und gilt noch als jung bis zu fünf Jahren, nach dem siebenten erschöpft es sich. Wie gesagt also, wird man Schafe ungeschoren kaufen und mehrfarbige, graue und kahle zurückweisen, weil man sich bei ihnen nicht auf die Farbe verlassen kann; mehr als drei Jahre alte, solche, die die Zähne zeigen oder unfruchtbar sind, nimmt man nicht; man wählt zweijährige von stattlichem Wuchs, mit langzottiger, jedoch nicht rauher Nackenwolle, mit dichtwolligem und stark entwickeltem Unterleib; Tiere, bei denen der Bauch kahl und schmächtig ist, meidet man. Dies etwa gilt es allgemein beim Erwerb von Schafen zu beachten, folgendes aber bei ihrer Wartung: Die Ställe macht man niedrig, aber mehr langgestreckt als breit, daß sie zugleich im Winter warm sind und nicht in der Enge die Lämmer erdrückt werden. Man soll sie gegen Süden anlegen, denn das Schaf hat zwar von allen Tieren das wärmste Kleid, ist aber doch äußerst kälteempfindlich; ebensowenig indessen verträgt es die Sommerhitze, und darum soll vor dem Eingang ein Hof liegen, den eine hohe Mauer umschließt, daß sie geschützt dort hinauskönnen, wenn ihnen heiß ist; man treffe auch Vorsorge, daß keine Nässe stehenbleibt und die Ställe immer mit völlig trockenem Farnkraut oder Stroh gestreut sind, damit die Mütter recht rein und weich darauf liegen und nicht durch Feuchtigkeit die Gesundheit der Tiere gefährdet wird, die vor allem andern des Schutzes bedarf. Alle Schafe aber müssen reichlieh gefüttert werden, denn schon eine kleine Zahl bringt, wenn sie richtig satt wird, dem Besitzer mehr ein als eine riesige Herde, wenn man sie hungern läßt. Man weide sie aber auf Brachland, das nicht nur grasreich ist, sondern möglichst auch frei von Dornen; ich berufe mich nochmals auf die Autorität des herrlichen Gedichtes:
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.Willst Du Dir Wolle gewinnen, so fliehe die Rauheit der Wälder, Kletten und stachliges Unkraut'; wie das gleiche Gedicht sagt, macht es nämlich die Schafe räudig, ,wenn den geschorenen Schafen am Leib klebt Unabgewaschen der Schweiß, und die Dornen ritzen das Rauhschaf'. 15
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Auch nimmt dann von Tag zu Tag die Menge der Wolle ab, da sie, je umfänglicher das Vlies eines Schafes ist, desto mehr den Dornsträuchern zum Raube wird, denn diese fassen sie wie mit Haken und reißen sie vom Rücken der weidenden Tiere los. Die feinwolligen Schafe aber verlieren auch den Mantel, der sie schützt, und der läßt sich nur mit einigen Kosten ersetzen. Als erste Deckzeit setzen die Schriftsteller ziemlich übereinstimmend für Schafe, die zum ersten Mal belegt werden, den Frühling an, und zwar die Tage um das Palesfest, für solche aber, die schon gelammt haben, etwa den Juli. Der frühere Zeitpunkt ist zweifellos insofern vorzuziehen, als dann der Getreidemahd die Weinlese und der Weinlese unmittelbar die Geburt der Lämmer folgt und diese, vom Futter des ganzen Herbstes gesättigt, vor Einbruch der unbehaglichen kalten Zeit und vor dem Winterfasten sich kräftigen. Das Decken im Herbst ist, wie Celsus ganz richtig sagt, deswegen besser als dasjenige im Frühjahr, weil es günstiger ist, daß das Lamm vor der Sommer- als vor der Wintersonnenwende heranwächst, und als einziges von allen Tieren verträgt es ja die Wintergeburt gut. Für den Fall, daß sehr viele Böcke gezeugt werden sollen, hat der erfahrene Naturwissenschaftler Aristoteles empfohlen, in der Deckzeit trockene Tage mit Nordwind abzuwarten; dann führt man die Herde auf der Weide gegen den Wind und läßt in der gleichen Richtung die Böcke auf sie los; will man jedoch, daß Schafe gezeugt werden, so soll man Südwind abpassen und dann in gleicherweise die Muttertiere decken lassen. Jenes Verfahren nämlich, das ich im vorigen Buche beschrieben habe, man solle dem männlichen Tier vor dem Decken den rechten oder auch linken Hoden abbinden, ist bei großen Herden zu umständlich. Nach dem Fallen der Lämmer bestimmt dann ein Schafmeister, der seine Herde in abgelegener Gregend hat, fast den ganzen Nachwuchs für die Aufzucht, einer, der nahe der Stadt hütet, übergibt die jungen Lämmer schon vor der Entwöhnung dem Schlächter, denn man kann sie ohne großen Aufwand transportieren, und wenn man so auf ihre Aufzucht verzichtet, erzielt man von der Milch der Mütter keinen geringeren Gewinn. Doch soll man auch in Stadtnähe jedes fünfte Lamm heranwachsen lassen, denn einheimische Tiere sind weit nützlicher als fremde; auch darf es nicht vorkommen, daß die ganze Herde infolge Überalterung den Besitzer enttäuscht, zumal es Hauptaufgabe eines guten Hirten ist, jedes Jahr die eingegangenen und kranken Schafe durch ebenso viele oder auch mehr Häupter zu ersetzen, weil oft strenge Winterkälte seinen Voranschlag durchkreuzt und Schafe tötet, die er im Herbste in der Meinung, sie seien ausreichend widerstandsfähig, nicht ausgesondert hatte; auch wegen solcher Zufälle soll man umso mehr nur die kräftigsten Schafe für die Überwinterung vorsehen und die Zahl durch junge Tiere auffüllen. Wer das tut, behalte im Auge, daß er weder Schafen, die jünger als vier, noch solchen, die älter als acht Jahre sind, ihre Lämmer zum Aufziehen anvertrauen darf. Beide Altersgruppen nämlich eignen sich nicht dazu, überdies bekommt ein Lamm, das von einer zu alten Mutter stammt, gewöhnlich deren Altersschwäche von Geburt an als Erbteil mit, denn es ist entweder steril
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oder schwächlich. Das Gebären aber muß man bei einem trächtigen Schaf ganz wie eine Hebamme überwachen, es geht nämlich bei diesem Tier nicht anders vonstatten als bei einer Frau, und es kommt im Verlauf der Geburt sogar noch öfter in Not, weil es aller Vernunft bar ist. Deswegen soll ein Schafmeister etwas von der Tierheilkunde verstehen, um notfalls die Frucht, wenn sie in der Gebärmutter verkehrt liegt und festhängt, unversehrt herausholen zu können oder sie ohne Gefährdung der Mutter zu zerschneiden und in Teilen zu entfernen; die Griechen nennen das ¿fißgvovXxelv. Das Lamm aber muß nach der Geburt aufgerichtet und an das Euter gelegt werden, dann zieht man ihm die Kiefer auseinander und benetzt das Maul durch Melken der Zitzen, damit es lernt, die Muttermilch zu saugen. Doch ehe man das tut, soll man etwas von der Milch abmelken, die die Hirten Biestmilch nennen; wenn man davon nicht eine gewisse Menge ablaufen läßt, schadet sie dem Lamm; dies wird in den ersten zwei Tagen nach der Geburt zur Mutter gesperrt, damit sie es wärmt. Solange es dann noch nicht herumhüpft, soll man es in dunklem und warmem Verschlage geschützt halten; später, wenn es ausgelassen wird, sperrt man es mit seinesgleichen in ein Ställchen aus Ruten, damit es nicht infolge allzugroßen Jugendübermuts abmagert; doch muß man achtgeben, daß ein schwächeres Lamm von stärkeren getrennt wird, da diese es drücken. Es genügt, wenn man morgens, bevor die Herde auf die Weide hinauszieht, und dann wieder abends, wenn die Schafe satt zurückkehren, die Lämmer zu ihnen läßt. Bis diese kräftiger geworden sind, füttert man sie im Stall mit Schneckenklee oder Luzerne, auch mit Kleie oder, wenn es der Preis erlaubt, mit Gersten- oder Ervenmehl. Sobald sie dann erstarkt sind, treibt man um die Mittagszeit ihre Mütter auf Wiesen und Brachland in unmittelbarer Nähe des Gutshofes und holt die Lämmer aus ihrem Stall ebenfalls dorthin, damit sie lernen, draußen zu weiden.
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Über die Futterkräuter habe ich schon früher gesprochen und trage jetzt nur nach, 20 was noch nicht gesagt ist, daß den Schafen am liebsten die Pflanzen sind, die auf umgepflügtem Acker wachsen, dann solche von trockenen Wiesen, daß aber Sumpf- und Wald weide als sehr wenig geeignet gilt. Doch ist kein Futter und auch kein Weideland so verlockend, daß es nicht, sobald die Tiere dauernd darauf angewiesen sind, seine Beliebtheit verliert; es sei denn, daß der Hirt dem Überdruß durch Gaben von Salz begegnet, das er als Würze für Wasser und Futter den Sommer über in hölzerne Tröge streut; wenn die Schafe von der Weide zurückgekehrt sind, lecken sie es auf und bekommen durch diese Leckerei Lust zum Trinken und Fressen. Dem winterlichen Futtermangel aber begegnet man durch 21 Stallfütterung an der Krippe und ernährt die Schafe am besten mit gespeichertem Ulmen- oder Eschenlaub oder auch mit dem Herbstheu, das als Grummet bezeichnet wird. Es ist nämlich weicher und deshalb den Schafen lieber als das 22 frühe. Auch Schneckenklee und Saatwicke fressen sie sehr gern, notgedrungen aber, wenn das Übrige ausgegangen ist, auch Hülsenfruchtspreu. Denn reine Gerste oder geschrotete Platterbsen und Bohnen sind zu kostspielig, als daß 15*
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man sie in Stadtnähe zu einem vernünftigen Preise beschaffen und verfüttern könnte. Wenn es allerdings irgendwo ihre Billigkeit erlaubt, sind sie zweifellos 23 das beste Futter. Über die sommerlichen Weide- und Tränkzeiten denke ich nicht anders, als es Maro überliefert hat: ,Laßt uns, sobald die Sonne erscheint, auf den Feldern, die kühl noch, Weiden die Herd', da der Morgen noch jung, grau schimmert der Rasen Und auf den zarten Gräsern der Tau ist willkommen den Schafen. Sind sie zur vierten Stunde des Tages dann durstig geworden', führen wir ,sie zum Brunnen oder zum tiefgelegenen' Teiche' und mittags noch einmal zum gleichen Zwecke talabwärts, ,Wo voll Urkraft Jupiters Eiche riesigen Wuchses Breitet ihr weithin ragendes Astwerk, oder wo schwarz auch Liegt der dichte Steineichenhain in düsterem Schatten.' 24 Wenn die Hitze schon nachgelassen hat, treiben wir sie wieder ans Wasser — im Sommer nämlich ist das nötig — und lassen sie dann nochmals grasen ,Bis zum Sinken der Sonne, wenn Abendkälte die Luft schon Kühlt und im Scheine des Mondes der Tau die Wälder erquicket.' In den Hundstagen aber muß man auf den Sonnenstand achten, in der Weise, daß vormittags die Herde nach Westen getrieben wird und in dieser Richtung wandert, nachmittags nach Osten, denn es ist sehr wichtig, daß die Köpfe der weidenden Tiere nicht der Sonne ausgesetzt sind, die in der Jahreszeit, da der 25 Hundsstern am Himmel erscheint, ihnen oftmals schadet. Im Winter und Frühling halte man sie morgens eingehegt, bis der Tag den Reif auf den Wiesen abtauen läßt. Denn bereiftes Gras macht die Schafe drüsenkrank und führt zu Durchfall. In den kalten und nassen Jahreszeiten soll man sie darum auch nur einmal täglich zur Tränke lassen. 26 Ferner soll der Betreuer der Herde umsichtig und wachsam — was allen Hirten für alle Vierfüßer zur Pflicht gemacht wird — die Schafe mit großer Milde leiten, um so freundlicher, weil sie ja friedlich sind; beim Austreiben oder Heimholen soll er höchstens mit Zuruf oder Stab drohen, nie aber nach ihnen werfen, soll sich auch nicht zu weit von ihnen entfernen und sich nicht hinlegen oder setzen; vielmehr muß er, wenn er nicht vorwärtsgeht, stehen, da ja sein Hirtenamt verlangt, daß er die Herde sozusagen von ganz hoher Warte aus beobachtet, denn er darf es nicht zulassen, daß die schwerfälligeren trächtigen Tiere durch ihr Zurückbleiben und die nach dem Lammen wieder beweglichen durch ihr Vorauseilen von den übrigen getrennt werden; denn sonst übertölpelt Dieb oder Raubtier den träumenden Schäfer. Dies etwa ist über alle Schafe ohne Unterschied zu sagen, jetzt will ich von dem sprechen, was die Edelschafe im besonderen angeht.
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4. Kapitel
Griechische Schafe, die man gewöhnlich tarentinische nennt, lohnt es, wenn nicht der Herr selbst da ist, kaum zu halten, weil sie größere Sorgfalt und mehr Nahrung brauchen. Wenn nämlich schon alles, was Schaf heißt, empfindlicher ist als die anderen Haustiere, so ist von allen Schafen am empfindlichsten das tarentinische; denn es hält keine verkehrte Behandlung durch Herrn oder Hirten aus, und noch viel weniger bekommt es ihm, wenn es zu knapp gehalten wird, auch verträgt es weder Hitze noch Kälte. Es weidet nur selten draußen, wird vielmehr in der Regel im Stall gefüttert und ist äußerst freßgierig, und wenn ein betrügerischer Verwalter Futter unterschlägt, so folgt daraus Schaden für die Herde. Im Winter soll jedes Tier drei Sextarii Gerste oder vier Sextarii mit den Hülsen geschrotete Bohnen oder Platterbsen in die Krippe bekommep, und dazu gibt man noch trockenes Laub oder, trocken oder grün, Luzerne oder Schneckenklee, ferner auch je sieben Pfund Grummetheu oder in genügender Menge Hülsenfruchtspreu. Bei diesen Schafen kann man durch den Verkauf von Lämmern nur ganz wenig, von der Milch überhaupt keinen Gewinn erzielen, denn ein Teil der Lämmer muß wenige Tage nach der Geburt abgesetzt werden und wird gewöhnlich unreif geschlachtet, und die ihrer eigenen Lämmer beraubten Mütter reichen fremden die Euter. Jedes Lamm trinkt nämlich bei zwei Ammen, und es darf ihm, wenn es angelegt ist, nichts vorenthalten werden, damit es richtig satt wird und sich schnell kräftigt, die Mutter aber soll dadurch, daß sie mit der Amme die Mühe teilt, beim Aufziehen ihrer Frucht sich weniger erschöpfen. Mit peinlicher Sorgfalt wache man also darüber, daß die Lämmer täglich sowohl von ihren Müttern als auch von den fremden, selbst wenn diese nicht wollen, gesäugt werden. Bei derartigen Herden ziehe man mehr Böcke groß als bei den grobwolligen; sie werden dann nämlich, bevor sie zum Decken fähig sind, kastriert und, wenn sie volle zwei Jahre alt sind, getötet, denn ihre Pelze lassen sich wegen der Schönheit der Wolle teurer an die Händler verkaufen als andere. Man darf aber nicht vergessen, daß griechische Schafe nur auf freien Feldern weiden dürfen, wo kein Strauchwerk und keine Brombeeren wachsen, da sonst, wie ich oben gesagt habe, die Wolle abgerupft und die Decke zerrissen wird. Weil sie nicht täglich auf die Weide gehen, verlangen sie draußen doch nicht weniger eifrige Fürsorge, noch größere allerdings zu Hause, denn man muß ihnen öfter den Mantel abnehmen und sie abkühlen lassen, soll ihre Wolle öfter durchkämmen und sie mit Wein und ö l anfeuchten, manchmal auch, wenn ein sonniger Tag es erlaubt, sie ganz auswaschen, doch braucht dies nur dreimal im Jahr zu geschehen. Die Ställe aber soll man häufig auskehren und säubern und alle Nässe vom Urin beseitigen; diese trocknet am leichtesten, wenn man die Bretter durchbohrt, mit denen der Boden des Schafstalls bedeckt wird, damit die Herde darauf ruht. Und nicht allein von
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Schmutz oder Mist, sodern auch von todbringenden Schlangen ist der Stall zu befreien, und zu diesem Zweck ,Lern' auch zünden im Stalle die duftverbreitende Zeder Und mit Galbanonqualm zu vertreiben die giftigen Schlangen. Oft unter ungesäuberter Krippe, gefährlich zu fassen, Hält sich die Viper verborgen und fliehet erschreckt vor dem Lichte, Oder die Natter, ans Haus gewöhnt.' Deshalb, so rät der gleiche Dichter, ,nimm Knüppel, o Hirte, Und wenn sie drohend sich hebt, aufbäumend den zischenden Bachen, Wirf sie nach ihr', oder verbrenne lieber, um dies gefährliche Verfahren zu vermeiden, von Zeit zu Zeit Frauenhaare oder Hirschhorn, deren Gestank ganz besonders verhindert, daß die genannten Schädlinge sich in den Ställen einnisten. 7 Eine bestimmte und überall gültige Jahreszeit für die Schur läßt sich nicht festlegen, da der Sommer hier früher, dort später anbricht; am besten ist es, ein Wetter abzuwarten, bei dem die Schafe weder frieren, wenn man ihnen die Wolle genommen hat, noch unter Hitze leiden, wenn sie noch nicht geschoren sind. Nach jedem Scheren aber reibe man sie mit folgendem Mittel ein: Man mischt Saft von ausgekochten Lupinen, Hefe von altem Wein und Amurca zu gleichen Teilen und 8 benetzt mit dieser Flüssigkeit die geschorenen Schafe. Ist das Fell drei Tage hindurch so bestrichen worden und das Mittel ganz eingezogen, dann führt man am vierten, wenn das Meer nahe ist, die Tiere an den Strand und taucht sie unter; andernfalls kocht man Regenwasser, das zu diesem Zweck unter freiem Himmel mit Salz angesetzt wurde, ein wenig ein und badet darin die Herde. Celsus versichert, daß so behandelte Schafe das ganze Jahr nicht räudig werden können, und es ist nicht zweifelhaft, daß dann auch die Wolle weicher und länger nachwächst.
5. Kapitel 1 Nachdem ich über Pflege und Behandlung der gesunden Schafe meine Meinung gesagt habe, will ich jetzt Anweisungen geben, wie man solchen hilft, die an Gebrechen oder Krankheit leiden. Allerdings ist dieser Punkt meines Themas schon beinah vollständig erschöpft worden, als ich im vorigen Buche von den Arzneien für die größeren Haustiere sprach, denn da die Körperbeschaffenheit der kleineren und größeren Vierfüßer annähernd gleich ist, lassen sich nur wenige und kleine Unterschiede in Krankheiten und Heilmitteln finden. Mögen sie aber auch noch so gering sein, so will ich sie trotzdem nicht übergehen.
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Für den Fall, daß eine ganze Herde krank ist, wiederhole ich jetzt noch einmal, 2 was ich früher empfohlen habe, weil ich meine, daß es besonders gut hilft; man soll dann zu allererst einen Wechsel in Speise und Trank vornehmen, ein völlig anderes Klima aufsuchen und dafür sorgen, daß, wenn die Krankheit auf Hitze und Schwüle zurückzuführen ist, schattenreiche Weiden ausgewählt werden, wenn Kälte die Schuld hat, sonnige. Man treibe die Tiere aber ruhig und ohne Hast, um 3 sie in ihrer Schwäche nicht durch zu weite Wege zu beschweren, lasse sie jedoch nicht völlig träge und schläfrig dahintrotten. Denn wie es nicht richtig ist, die durch die Krankheit erschlafften heftig vorwärtszujagen und zu überanstrengen, so ist es zweckmäßig, sie maßvoll zu bewegen, die gleichsam leblosen aufzuwecken und nicht zu dulden, daß sie in greisenhafter Lethargie dahinsiechen. Ist dann die Herde an ihren neuen Weideplatz gebracht, so weise man sie in kleinen Gruppen den Pächtern zu, denn wenn sie geteilt ist, gesundet sie leichter als im ganzen, 4 sei es, weil bei einer kleinen Zahl die Ausdünstungen der Krankheit geringer sind, sei es, weil bei wenigen eine bessere Versorgung bequemer durchführbar ist. Dies also und dazu das übrige, das ich früher behandelt habe und jetzt nicht wiederholen will, möge man beachten, wenn sämtliche Schafe krank sind; handelt es sich nur um einzelne, so gilt folgendes. Häufiger als jedes andere Tier wird das Schaf von Räude befallen, die, wie unser 5 Dichter sagt, für gewöhnlich auftritt, ,wenn kältender Regen Tiefer dringend zur Haut dort haftet und starrenden Winters Eisiges Reifgrau', oder nach der Schur, wenn man nicht die Hilfe des schon genannten Vorbeugungsmittels in Anspruch nimmt, ferner, wenn man im Sommer nicht den Schweiß in Meer oder Fluß abspült, wenn man es zuläßt, daß eine geschorene Herde sich in der Wildnis an Brombeeren und Dornen verletzt, wenn man einen Stall benutzt, in dem früher Maultiere, Pferde oder Esel gestanden haben; vornehmlich jedoch läßt zu wenig Futter die Tiere abmagern, Magerkeit aber ruft die Räude hervor. Ihr Auftreten merkt man daran, daß die Schafe .die erkrankte Stelle mit den 6 Zähnen benagen, sie mit Horn oder Huf kratzen, an einem Baume schaben oder an Wänden reiben. Wenn man das bei einem Schaf sieht, greife man es und ziehe die Wolle auseinander, denn darunter ist rauhe Haut und eine Art Grind, den man möglichst schnell bekämpfen muß, damit er nicht die ganze Herde ergreift, weil ja Schafe noch schneller als andere Tiere der Ansteckung verfallen. Es gibt 7 nun mehrere Mittel gegen Räude, die ich nicht deshalb aufzählen will, weil man sie sämtlich anwenden müßte; da sich aber manche davon nicht überall beschaffen lassen, nenne ich sie, damit doch aus der Vielzahl wenigstens eins gefunden werden und der Heilung dienen kann. Von guter Wirkung ist zunächst die weiter oben schon beschriebene Zusammensetzung, bei der man mit Hefe, Amurca und dem Saft von ausgekochten Lupinen in gleicher Menge zerriebene weiße Nieswurz
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8 mischt. Räude läßt sich auch durch den Saft von grünem Schierling beheben; im Frühjahr, wenn er schon Stengel, aber noch keine Samen bildet, schneidet und zerquetscht man ihn und birgt den ausgepreßten Saft in einem Tongefäß, wobei man auf zwei Urnen Flüssigkeit einen halben Modius trockenes Salz zugibt. Ist das geschehen, verpicht man das Gefäß, gräbt es in den Misthaufen ein und läßt den Inhalt ein ganzes J a h r lang in der Düngerhitze gar werden, hebt es dann heraus und streicht das Mittel angewärmt auf die rauhe Stelle, die jedoch vorher 9 mit einer schärfen Scherbe abgeschabt oder mit Bimsstein aufgekratzt wird. Zur Heilung von Räude dient ferner auf ein Drittel ihres Volumens eingekochte Amurca, ebenso alter Menschenurin, den man in glutheißen Tongefäßen erhitzt hat. Manche lassen diesen jedoch über Feuer um ein Fünftel einkochen und mischen in gleichem Maße Saft von grünem Schierling bei, dann schütten sie je einer Urna 10 dieser Flüssigkeit einen Sextarius zerriebenes Salz hinzu. Wirksam ist auch zerstoßener Schwefel und flüssiges Pech zu gleichen Teilen auf schwachem Feuer gekocht. Das Gedicht vom Landbau aber versichert, es gebe keine vorzüglichere Arznei, ,als wenn einer mit Stahle beherzt das Haupt des Geschwüres öffnete. Nahrung gewinnt und lebt im Verborgnen das Übel.' Man soll es also öffnen und mit Medikamenten behandeln wie andere Wunden. Ebenso verständig schreibt der Dichter dann weiterhin, fiebernde Schafe solle man an der Ferse oder zwischen den zwei Zehen zur Ader lassen, denn am meisten, sagt er, .Dienlich war's, den heftig entzündeten Gluten zur Dämpfung Unten zu schlagen am Fuß die mit Blut aufspringende Ader'. 11 Ich selbst pflege auch unterhalb der Augen und an den Ohren Blut abzunehmen. Auch Hinken plagt das Schaf, und zwar in zweierlei Weise, entweder, wenn unmittelbar in dem Spalt des Hufes sich ein Geschwür und eine wunde Stelle bildet, oder, wenn ebendort eine Geschwulst auftritt, aus der etwa in der Mitte ein Haar 12 wie von einem Hunde hervorsteht, und darunter sitzt ein kleiner Wurm. Geschwüre und wunde Stellen heilt man durch Bestreichen nur mit flüssigem Pech oder mit einer Mischung aus Alaun, Schwefel und Essig oder mit unreifen, noch kernlosen Granatäpfeln, die man mit Alaun zerstampft und mit Essig übergössen hat; oder man verrührt auch zerbröckelten Erzrost oder verbrannte Gall13 äpfel mit saurem Wein und streicht das auf. Die Geschwulst, unter der ein Wurm sitzt, soll man mit dem Messer äußerst behutsam ausschneiden, um dabei nicht auch das darunter befindliche Tier zu verwunden. Wird dies nämlich verletzt, so sondert es giftigen Saft ab, der die damit benetzte Wunde so unheilbar macht, daß der ganze Fuß abgenommen werden muß. Wenn man aber die Geschwulst mit aller Sorgfalt umschnitten hat, soll man mit Hilfe eines brennenden Kienspans erhitzten Talg auf die Wunde träufeln.
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Ein lungensüchtiges Schaf behandelt man, ähnlich wie das Schwein, in der Weise, daß man durch das Ohr eine Wurzel steckt, die die Tierärzte als Lungenkraut bezeichnen. Über diese habe ich schon gesprochen, als ich die Heilung von Großvieh beschrieb. Die Krankheit tritt gewöhnlich im Sommer auf, wenn Wasser gefehlt hat, und deswegen soll man bei Hitze allen Vierfüßern Gelegenheit geben, reichlicher zu trinken. Celsus hält es für gut, bei einer Lungenerkrankung soviel scharfen Essig zu geben, wie das Schaf vertragen kann, oder drei Heminae alten Menschenurins angewärmt mit Hilfe eines kleinen Trichters durch das linke Nasenloch einzuflößen und einen Sextans Fett in den Schlund zu stopfen. Weiter ist von dem unheilbaren heiligen Feuer zu sprechen, das die Hirten Pusula nennen. Wenn das nicht gleich beim ersten davon befallenen Tier eingedämmt wird, steckt es die ganze Herde an und bringt sie zum Erliegen, da es sich weder durch Arznei noch Messer heilen läßt, denn fast bei jedem Berühren entzündet es sich. Einzig durch Behandlung mit warmer Ziegenmilch kann man es lindern; wenn diese daraufgegossen wird, lockt sie durch ihre Berührung gleichsam schmeichelnd die rasende Glut heraus, schiebt allerdings den Untergang der Herde mehr nur hinaus, als daß sie ihn verhindert. Der beachtenswerte ägyptische Schriftsteller Bolus Mendesius aber, dessen Gedanken, mit der griechischen Bezeichnung j;eigox/iJ|Ta, fälschlich unter dem Namen des Demokrit überliefert werden, vertritt die Meinung, man solle die Rücken der Schafe öfters genau auf diese Krankheit hin untersuchen, und wenn man sie dann etwa bei einem feststelle, am Stalleingang sofort eine Grube ausheben, das befallene Tier auf dem Rücken liegend lebendig eingraben und die ganze Herde darüber hinweg laufen lassen; das vertreibe nämlich die Krankheit.
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Gallensucht, nicht die unbedenklichste von den Krankheiten, die der Sommer 18 bringt, wird durch Trinken von altem Menschenurin geheilt, der auch bei gelbsüchtigen Schafen seine Wirkung tut. Zeigt sich lästiger Schnupfen, so umwickelt man Stengel von Rindercunila oder wilder Katzenminze mit Wolle, führt sie in die Nasenlöcher ein und dreht sie darin herum, bis das Schaf niest. Gebrochene Beine heilt man bei den Schafen nicht anders als bei Menschen: man umwickelt sie mit öl- und weingetränkten Wollbinden und schient sie dann ringsherum mit Steckenkrautstengeln ein. Schwere Gefahr bringt auch das Blutkraut; wenn 19 nämlich ein Schaf davon gefressen hat, wird ihm der ganze Leib aufgetrieben und zieht sich wieder zusammen, es schäumt und scheidet etwas Wässeriges aus, das abscheulich riecht. Man muß dann schnell unter dem Schwänze dicht am Steiß Blut abnehmen und außerdem an der Oberlippe eine Ader öffnen. Schafen, die an Atemnot leiden, schlitzt man mit dem Messer die Ohren und nimmt einen Ortswechsel vor, was man meiner Meinung nach bei allen Krankheiten und Seuchen t u n sollte. Auch den Lämmern leiste man Hilfe, mögen sie nun fiebern oder an einer anderen 20 Unpäßlichkeit leiden; sobald sie krank sind, darf mt\n sie nicht zu den Müttern lassen, damit sie diese nicht anstecken. Man melkt daher die Schafe gesondert,
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verdünnt die Milch mit der gleichen Menge Regenwasser und gibt das den fiebernden Lämmern zu trinken. Viele heilen diese mit Ziegenmilch, die mit einem kleinen 21 Trichter in die Kehle geflößt wird. Ferner ist ein Ausschlag, den die Hirten Ostigo nennen, für Sauglämmer tödlich. Gewöhnlich entsteht er, wenn durch Unachtsamkeit des Hirten die Schaf- oder auch Ziegenlämmer hinausgelassen werden und bereiftes Gras fressen, was keinesfalls vorkommen darf. Ist es aber geschehen, so bedecken sich wie beim heiligen Feuer Maul und Lippen mit häßlichen Schwären. 22 Als Heilmittel dient, in gleichem Gewicht miteinander verrieben, Ysop und Salz. Mit dieser Mischung reibt man Gaumen und Zunge und das ganze Maul tüchtig ein, wäscht dann die Geschwüre mit Essig und bestreicht sie darauf mit flüssigem Pech und Schweinefett. Manche mischen gern ein Drittel Erzrost und zwei Teile altes Fett und wenden das Mittel erwärmt an. Einige verrühren geriebene Cypressenblätter mit Wasser und spülen damit Schwären und Gaumen. Wie man kastriert, ist schon mitgeteilt worden, denn man macht es bei Schafen nicht anders als bei den größeren Vierfüßern. 6. Kapitel 1 Nachdem über Schafe genug gesagt ist, wende ich mich jetzt zur Ziege. Diese liebt mehr dichtes Gestrüpp als freies Feld und kann sehr gut auch auf rauhem und waldigem Gelände weiden, denn sie verschmäht weder Brombeeren noch kümmern sie Dornen, und am liebsten rupft sie ihr Futter von Bäumchen und Sträuchern, etwa vom Erdbeerbaum, immergrünen Wegdorn, wilden Schneckenklee, sowie von Steineichen- und Eichengebüsch, das nicht zu hoch geschossen ist. 2 Der Bock, dem am Halse unter dem Kinn zwei Zotteln herabhängen, gilt als der beste; er soll stattlich gebaut sein, kräftige Beine, vollen, kurzen Nacken, schlappe, hängende Ohren und einen kleinen Kopf haben; das Haar soll schwarz, dicht, glänzend und sehr lang sein, denn auch er wird geschoren .Lagerndem Heer zum Gebrauch und dem ärmlichen Schiffer zur Hülle'. 3 Im Alter von sieben Monaten ist der Bock durchaus geschlechtsreif; maßlos geil begattet er schon dann, wenn er noch am Euter trinkt, in seiner Zuchtlosigkeit sogar die Mutter, altert daher auch schnell, noch vor sechs Jahren, weil er infolge der vorzeitigen geschlechtlichen Erregung in früher Kindheit schon erschöpft ist, und so gilt er bereits als fünfjähriger nicht mehr als recht geeignet zum Decken. 4 Eine Ziege ist dann besonders empfehlenswert, wenn sie dem Bock, den ich beschrieben habe, sehr ähnlich ist, dazu noch ein sehr großes Euter hat und sehr viel Milch gibt. Für ruhiges Klima wird man hornlose Ziegen anschaffen, für stürmisches und regnerisches gehörnte. Deckböcke sollen immer und überall ohne Horner sein, weil gehörnte in ihrer Stößigkeit meist schweren Schaden an5 richten. Mehr als hundert Ziegen aber in einem Stalle einzuschließen, ist nicht
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günstig, während man von Schafen ohne Bedenken tausend so unterbringen kann. Bei der ersten Anschaffung von Ziegen ist es besser, eine geschlossene Herde zu erhandeln als aus mehreren Herden einzelne Tiere, damit sie sich beim Weiden nicht in Gruppen auseinanderziehen und im Stall einträchtiger Ruhe halten. Hitze schadet den Ziegen, mehr aber Kälte, und zwar vornehmlich den trächtigen, weil ein zu kalter Winter die Frucht gefährdet. Nicht nur dieser jedoch führt zu Fehlgeburten, sondern auch Eicheln, wenn man sie nicht bis zur Sättigung gibt. Mit diesen soll man also die Herde nur füttern, wenn man es in ausreichender Menge tun kann. Als Deckzeit empfehle ich den ganzen Herbst bis etwa Ende November, damit die Geburt zu Frühlingsanfang vor sich geht, wenn schon die Büsche knospen und die Wälder junges Laub treiben. Für den Stall aber soll man einen Platz wählen, der von Natur Steinboden hat oder gepflastert ist, weil man Ziegen ja keine Streu gibt und ein ordentlicher Hirt den Stall alle Tage fegt und nicht Mist oder Nässe sich dort ansammeln und ihn verschlammen läßt, was alles für die Ziegen nicht zuträglich ist. Ziegen guter Rasse werfen oft Zwillinge, manchmal Drillinge; sehr schwierig ist das Gebären, wenn zweijährige Mütter drei Lämmer zur Welt bringen. Nach der Geburt werden Ziegenlämmer ebenso wie Schaflämmer aufgezogen, nur muß man bei jungen Ziegen den Übermut mehr zügeln und sie kürzer halten. Ferner soll man über eine reichliche Menge Milch hinaus Ulmensamen, Schneckenklee oder Efeu verabreichen oder auch Mastixzweige und anderes junges Laub vorwerfen. Bei Zwillingen behält man das Tier, das kräftiger aussieht, zur Auffüllung der Herde, das andere verkauft man. Bei ein- und zweijährigen Ziegen — denn beide Altersklassen werfen — lasse man Lämmer nicht trinken, erst mit drei Jahren nämlich darf eine Ziege sie großziehen. Einjährigen aber nimmt man die Lämmer sofort weg, zweijährigen läßt man sie nur so lange, bis sie sich verkaufen lassen. Über das Alter von acht Jahren hinaus soll man Mutterziegen nicht behalten, weil sie, durch die ständigen Geburten erschöpft, unfruchtbar werden. Ein Ziegenhirt aber soll energisch, abgehärtet, tätig, allen Strapazen gewachsen, draufgängerisch und wägemutig sein, so daß er leicht Felsen und Einöden überwindet und durch Dorngesträuch sich hindurcharbeitet, auch nicht, wie die Hüter anderer Tiere, der Herde folgt, sondern meistens ihr vorangeht. Am lebhaftesten sind die vorausspringenden Zicklein, die dann folgenden Mütter aber muß man zusammenhalten, daß sie nicht vorlaufen, sondern ruhig und langsam fressen, um volle Euter zu bekommen und nicht zu sehr abzumagern.
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7. K a p i t e l Wenn andere Haustiere eine Seuche heimsucht, kränkeln sie erst, werden m a t t 1 und magern ab, nur die Ziegen brechen, eben noch rund und munter, plötzlich zusammen, so daß sie wie bei einem Einsturz herdenweise hingestreckt werden.
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Das ist gewöhnlich auf Futterüberfluß zurückzuführen, und deshalb soll man, solange noch das Verhängnis erst wenige getroffen hat, allen Blut entziehen und sie nicht den ganzen Tag weiden lassen, sondern zwischendurch vier Stunden in 2 den Stall sperren. Tritt sonstige Mattigkeit auf, so heilt man sie mit einem Trank aus Rohr- und Weißdornwurzeln; diese zerstampft man gründlich mit einer eisernen Mörserkeule, gießt Regenwasser dazu und gibt den Tieren weiter nichts als dies zu trinken. Werden sie dadurch nicht gesund, so müssen sie verkauft oder, wenn das nicht glückt, geschlachtet und eingesalzen werden. Nach einiger Zeit muß man dann irgendeinmal die Herde wieder ergänzen, jedoch nicht eher, als die ungesunde Jahreszeit vorbei ist, also der Winter durch den Sommer, der Herbst 3 durch den Frühling abgelöst wird. Wenn aber nur einzelne Tiere erkrankt sind, verwendet man die gleichen Heilmittel wie bei Schafen. Sollte ferner die Haut von Wasser aufgetrieben werden, — eine Krankheit, die die Griechen üÖQU>ip nennen —, so soll ein leichter Einschnitt unter dem Vorderbug dies gefahrbringende Wasser abfließen lassen und dann die Wunde m i t flüssigem Pech behandelt 4 werden. Wenn nach dem Werfen die Geburtsteile geschwollen sind oder die Nachgeburt nicht zur Zeit abgeht, flößt man einen Sextarius Defrutum oder, wenn das nicht zur Hand ist, ebensoviel guten Wein in die Kehle und füllt die Geburtsteile mit flüssiger Wachssalbe. Um mich jetzt aber nicht in Einzelheiten zu verlieren, füge ich nur noch hinzu, daß man Ziegenkrankheiten ebenso behandelt, wie ich es früher schon für Schafe gesagt habe.
8. K a p i t e l 1 Auch um die Käsebereitung muß man sich kümmern, namentlich in abgelegenen (Siegenden, wo man die Milch nicht frischgemolken verschicken kann. Stellt man Käse aus magerer Milch her, so muß man ihn recht schnell verkaufen, solange er noch frisch und saftig ist; ist die Milch sehr fett, so verträgt er längere Aufbewahrung. Man soll ihn aber aus reiner und möglichst frischer Milch machen — denn abgestandene oder mit Wasser gemischte wird schnell sauer — und sie gewöhnlich mit Lab von Schaf- oder Ziegenlämmern gerinnen lassen, obwohl das auch mit Hilfe von Blüten der wilden Kardendistel und von Saflorsamen geschehen kann und ebenso mit der Milch, die der Feigenbaum absondert, wenn 2 man seine frische Rinde verletzt. Am besten jedoch ist Käse, der wenig Lab enthält. Mindestens aber rechnet man auf ein Sinum . Milch Labzusatz im Gewicht eines Silberdenars, und ohne Zweifel schmeckt Käse, den man mit Feigenzweigen zum 3 Gerinnen gebracht hat, besonders angenehm. Wenn der Eimer mit Milch gefüllt ist, soll er einigermaßen warm stehen, nur wird man ihn nicht, wie gelegentlich empfohlen wird, unmittelbar ans Feuer stellen, aber doch nicht allzu fern davon, und gleich nach dem Gerinnen füllt man die Milch in Körbe von verschiedener Gestalt oder in Holzformen um. Denn es ist besonders wichtig, daß gleich zuerst
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die Molke absickert und von der geronnenen Masse geschieden wird. Deshalb warten die Landleute auch nicht ab, daß die Molke von selbst langsam abfließt, sondern wenn der Käse ein wenig fester geworden ist, legen sie Gewichte darauf, die sie herauspressen sollen; nach dem Herausnehmen aus Formen oder Körben legt man ihn dann, damit er nicht schlecht wird, an einem dunklen und kalten Orte ruf ganz saubere Platten, bestreut ihn mit feingemahlenem Salz, damit er die Säure ausschwitzt, und nach dem Erhärten preßt man ihn stärker, um ihn zu verdichten, streut noch einmal trockenes Salz darauf und preßt ihn wieder durch Gewichte zusammen. Ist das neun Tage lang geschehen, so wird er mit Süßwasser abgespült und im Schatten auf einer zu diesem Zweck angefertigten Darre so gelagert, daß kein Käse den anderen berührt und daß er langsam trocknet; damit er dann nicht zu hart wird, stapelt man ihn an schattigem und windgeschütztem Orte in mehreren Schichten übereinander. Auf solche Weise behandelt bekommt er weder Löcher, noch wird er zu salzig oder zu trocken; der erste Fehler tritt auf, wenn der Käse zu wenig gepreßt ist, der zweite, wenn er zu stark gesalzen, der dritte, wenn er von der Sonne ausgedörrt wird. Dieser Käse läßt sich auch über See versenden, bei solchem, der binnen weniger Tage frisch verbraucht werden soll, kann man es sich leichter machen, er wird nämlich nach dem Herausnehmen aus den Körben in Salzlake gelegt und dann in der Sonne ein wenig getrocknet. Manche tun auch, bevor sie die Ziegen zum Melken in das Halseisen schließen, frische Pinienkerne in den Kübel, melken dann über ihnen aus und entfernen sie erst, wenn sie die geronnene Masse in die Formen bringen. Manche zerstoßen auch die frischen Kerne, mischen sie in die Milch und bringen diese dadurch zum Gerinnen. Gelegentlich setzt man auch geriebenen und gesiebten Thymian der Milch zu. Ähnlich kann man je nach der Würze, die man wählt und beigibt, jeden beliebigen Geschmack erzielen. Am bekanntesten aber ist das Herstellungsverfahren des sogenannten Handkäses; wenn dieser im angewärmten Kübel ein wenig dick geworden ist, wird er zerteilt und nach Übergießen mit kochendem Wasser entweder mit der Hand geformt oder in Formen aus Buchsbaumholz gedrückt. Recht angenehm schmeckt er auch, wenn man ihn mit Salzlake härtet und dann mit Apfelbaumholz oder mit Stroh räuchert. Ich will jetzt aber wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren.
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9. Kapitel Bei der Auswahl aller Vierfüßer beachtet man sorgfältig das Aussehen des mann- 1 liehen Tieres, da ja die Nachkommenschaft öfter dem Vater mehr ähnelt als der Mutter. Auch bei Schweinen soll man daher Eber vorziehen, die sich zwar durch Ansehnlichkeit des ganzen Körpers auszeichnen, aber doch eher von Mittelstatur als langgestreckt oder rund sind; sie sollen gewölbten Bauch, recht große Schinken, aber nicht sehr lange Beine oder Füße haben, ferner ein kräftiges und drüsiges
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Genick sowie kurzen, aufgeworfenen Rüssel; namentlich ist es wichtig, daß sie 2 recht decklustig sind. Von einem bis zu vier Jahren sind sie zeugungskräftig, doch können sie auch schon mit sechs Monaten decken. Sauen gelten als empfehlenswert, wenn sie sehr langgestreckt, sonst aber in ihrem Körperbau dem beschriebenen Eber ähnlich sind. Wenn eine Gegend kalt ist und starke Reifbildung aufweist, soll man eine Herde mit möglichst harten, dichten und schwarzen Borsten wählen, ist sie mild und sonnig, kann man unbehaarte Schweine oder auch 3 weiße Mastschweine auffüttern. Eine Sau gilt als gebärfähig etwa bis zum Alter von sieben Jahren, je fruchtbarer sie aber ist, desto schneller altert sie. Mit einem J a h r nehmen Sauen schon gut auf, doch sollen sie im Februar gedeckt werden, vier Monate lang tragen und dann im fünften, wenn das Gras bereits kräftiger ist, werfen, damit den Ferkeln Milch von voller Nährkraft zuteil wird und man sie nach der Entwöhnung auf der Stoppel weiden und mit dem Abfall der Feldfrüchte 4 füttern kann. So macht man es aber nur in entlegener Gegend, wo einzig das Aufziehen der Ferkel lohnt; denn in Stadtnähe macht man schon die Saugferkel zu Geld; dann braucht nämlich die Mutter sie nicht zu nähren, wird weniger angestrengt und kann schneller wieder empfangen und werfen, und zwar zweimal in jedem Jahre. Eber werden entweder mit sechs Monaten, sobald sie zum Decken fähig sind, oder im Alter von drei bis vier Jahren, nachdem sie mehrmals gedeckt 5 haben, kastriert, damit sie fett werden können. Auch Sauen wird die Tasche mit dem Messer verwundet und durch die Narben verschlossen, damit sie nicht aufnehmen können, allerdings sehe ich nicht ein, was dazu veranlassen könnte außer Futtermangel. Denn wo reichlich Futter ist, lohnt es immer, Ferkel aufzuziehen. 6 Für Schweine läßt sich Land in jeder Lage ausnutzen, Bergweiden und Ebene sagen ihnen gleichermaßen zu, mehr jedoch sumpfiger als wasserarmer Boden. Am besten eignen sich Weidewälder, die mit Eiche, Korkeiche, Buche, Zerreiche, Steineiche, wildem Ölbaum, Terebinthe und Hasel bestanden sind, auch mit wilden Obstgewächsen wie Weißdorn, griechischem Johanniskraut, Wacholder, Lotus, Wein, Kornelkirsche, Erdbeerbäum, Schlehdorn, Judendorn und Wildbirne. Alle diese nämlich reifen zu verschiedenen Zeiten und machen fast das ganze J a h r 7 hindurch die Herde satt. Wo es indessen an Bäumen mangelt, wird man nach Futter Umschau halten, das am Boden wächst, und statt einer trockenen Gegend lieber Sumpfland wählen, damit die Schweine dort wühlen, Regenwürmer ausgraben und sich im Schlamm wälzen können; das lieben sie ganz besonders. Auch vom Wasser sollen sie reichlich Gebrauch machen dürfen, und zumal im Sommer ist es ja gut, wenn sie es sich dort wohl seih lassen und die süßen Würzelchen der Wasserpflanzen herauswühlen, zum Beispiel von allerlei Binsen und von dem 8 gemeinen Rohr, das man meist Canna nennt. Ferner macht auch bestelltes Land die Schweine fett, wenn es grasreich und mit mehreren Arten von Fruchtbäumen bepflanzt ist, so daß es die verschiedenen Zeiten des Jahres hindurch Äpfel, Pflaumen, Birnen, vielerlei Nüsse und Feigen liefert. Darum spare man aber doch
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nicht mit den Speicherfrüchten, denn oft muß man, wenn draußen das Futter mangelt, aus der Hand füttern, und man soll daher recht viel Kernfrucht entweder in Zisternen in Wasser oder im Rauch auf Fruchtböden einlagern. Wenn es der Preis erlaubt, gibt man auch Bohnen und ähnliche Hülsenfrüchte, und das namentlich im Frühjahr, solange das Grünfutter noch saftig ist, denn dieses bekommt meist den Schweinen nicht gut. Deshalb werden sie, bevor sie frühmorgens auf die Weide gehen, aus dem Vorrat vom Speicher gefüttert, damit nicht durch das unreife Gras die Därme gereizt werden und die Tiere infolge von Durchfall abmagern. Schweine soll man auch nicht wie' die sonstigen Herden gemeinsam einsperren, sondern in langgestreckte Ställe Koben einbauen, in denen sie entweder gleich nach dem Werfen oder schon während des Tragens untergebracht werden. Denn gerade Sauen liegen gern, wenn sie zusammengesperrt sind, haufenweise durch- und übereinander und zerquetschen so die Jungen. Deswegen soll man, wie gesagt, nebeneinander durch vier Fuß hohe Zwischenwände Koben abteilen, daß kein Schwein darüber hinwegspringen kann. Oben darf man die Koben nicht zudecken, damit von dort her der Hirt die Ferkel zählen und, wenn die Mutter beim Niederlegen eins davon zu erdrücken droht, es unter ihr hervorziehen kann. Er soll aber wachsam, unermüdlich, eifrig und anstellig sein und alle Muttersauen und jüngeren Tiere, die er betreut, so gut kennen, daß er bei jeder einzelnen den Termin des Ferkeins beurteilen kann. Solche, die kurz davor stehen, soll er ständig beobachten und einschließen, damit sie ihre Jungen im Koben zur Welt bringen. Nachher soll er sich sofort merken, wieviele und was für Ferkel es sind, und dafür sorgen, daß nicht eins bei einer anderen als der eigenen Mutter trinkt, denn sehr leicht kommen die Ferkel, wenn sie aus dem Koben entwischen, durcheinander, und eine Sau läßt, wenn sie sich niedergelegt hat, fremde Ferkel ebenso saugen wie ihre eigenen. Somit ist es erste Pflicht des Sauhirten, jede Sau mit ihrem eigenen Nachwuchs zusammenzusperren. Wenn sein Gedächtnis nicht ausreicht, den Wurf einer jeden zu erkennen, so muß er mit flüssigem Pech auf Sau und Ferkel das gleiche Zeichen malen und jeden Wurf einschließlich der Mutter durch Buchstaben oder sonstwie verschieden kennzeichnen. Denn bei einer größeren Zahl bedarf es besonderer Markierungen, damit nicht der Hirt in seinem Gedächtnis irre wird. Weil dies Verfahren aber bei großen Herden augenscheinlich viel Arbeit macht, ist es am einfachsten, beim Bau der Koben die Schwelle so hoch zu legen, daß wohl die Mutter hinaus kann, die Ferkel aber sie nicht überspringen können. So schmuggelt sich kein fremdes ein, und jeder Wurf harrt in seinem Behältnis der eigenen Mutter. Die Ferkelzahl soll jedoch höchstens acht betragen, nicht, weil ich nicht wüßte, daß die Fruchtbarkeit der Schweine noch größere Zahlen bringt, sondern weil eine Sau, die mehr als acht aufzieht, sehr schnell sich erschöpft. Sauen, die einen Wurf säugen, sind mit gekochter Gerste zu füttern, damit sie nicht völlig abmagern und dadurch irgendeinen Schaden davontragen. Ein gewissenhafter Schweinezüchter aber fegt häufig den Stall aus und noch häufiger die Koben, denn mag auch das Schwein
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7. Buch, 9.—10. Kapitel
beim Fressen sich noch so schweinisch gebärden, so wünscht es doch ein ganz reines Lager. Soviel sei gesagt über die Behandlung gesunder Schweine, und nun will ich davon sprechen, wie man mit kranken umgeht.
10. Kapitel 1 Fiebernde Schweine erkennt man daran, daß sie nach einer Seite geneigt die Köpfe schief tragen, auf der Weide ein wenig vorwärts laufen, plötzlich stehenbleiben 2 und vom Schwindel erfaßt zusammenbrechen. Man merke sich dann, nach welcher Seite sie den Kopf neigen, um auf der anderen Seite am Ohr Blut abzunehmen. Ebenso schlage man unter dem Schwanz, zwei Finger breit vom Steiß entfernt, die Ader, die hier ziemlich stark ist; zuerst peitscht man sie mit einer Rute, und wenn sie von dem Schlagen dann anschwillt, wird sie mit dem Messer geöffnet und nach dem Ausfließen des Blutes mit Weiden- oder auch Ulmenbast ver3 bunden. Ist das getan, so behält man die Tiere einen oder zwei Tage im Stall und gibt ihnen mäßig warmes Wasser, soviel sie wollen, sowie je Tier einen Sextarius Gerstenmehl. Bei Drüsenschwellung entzieht man den Schweinen unter der Zunge Blut, und wenn es abgeflossen ist, reibt man zweckmäßigerweise das ganze Maul mit geriebenem Salz und Weizenmehl ein. Manche glauben, es helfe schneller, wenn sie den Tieren je drei Cyathi Fischbrühe eintrichtern. Dann binden sie gespaltene Steckenkrautstengel mit einer Leinenschnur zusammen und hängen sie 4 ihnen so um den Hals, daß die Stengel den Drüsen aufliegen. Bei Erbrechen gilt Elfenbeinstaub als heilsam, den man mit zerriebenem Salz und feingeschroteten Bohnen mischt und den Tieren auf nüchternen Magen zu fressen gibt, bevor sie auf die Weide gehen. Es kommt auch vor, daß eine ganze Herde krank ist; sie magert ab, frißt nicht, auf die Weide geführt legt sie sich mitten auf dem Felde nieder und schläft, wie von Schlafsucht übermannt, unter der Sommersonne ein. 5 In solchem Falle wird die gesamte Herde im überdachten Stall eingeschlossen und bekommt einen Tag lang nichts zu saufen und zu fressen. Haben dann die Tiere am nächsten Tage Durst, so gibt man ihnen geriebene Schlangengurkenwurzel mit Wasser gemischt; wenn sie das getrunken haben, wird ihnen schlecht, und sie erbrechen und reinigen sich; nach Ausscheidung aller Galle dürfen sie Platterbsen oder Bohnen, die mit gesättigter Salzlösung begossen sind, fressen und darauf wie die Menschen warmes Wasser trinken. 6 Macht schon allen Vierfüßern im Sommer der Durst zu schaffen, so ist er den Schweinen besonders feind. Deshalb empfehle ich, sie nicht wie Ziegen oder Schafe nur zweimal ans Wasser zu führen, sondern sie in den Hundstagen möglichst in der Nähe von fließenden oder stehenden Gewässern zu halten, weil das Schwein bei großer Hitze nicht damit zufrieden ist, das Wasser nur zu trinken, wenn es nicht auch seinen feisten Schlund und den vom Futter geschwollenen Wanst darin untertauchen und abkühlen kann, und nichts ist ihm lieber, als sich
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in Bach und schlammiger Pfütze zu wälzen. Wenn es nun irgendwo nicht möglich 7 ist, so zu verfahren, dann muß das Wasser aus Brunnen emporgezogen und in reichlicher Menge in Tröge geleitet den Schweinen geboten werden, denn wenn sie sich nicht richtig satt trinken können, werden sie lungensüchtig. Diese Krankheit heilt man am besten, indem man Lungenkraut in die Ohren bohrt; ich habe von der Wurzel schon mehrmals genau gesprochen. Oft kommt es auch vor, daß 9 Schweine milzkrank werden und Schmerzen leiden, und zwar dann, wenn große Dürre herrscht und, wie das Hirtengedicht sagt, ,breit unter Bäumen liegen gestreut eines jeglichen Früchte.' Denn wenn im Sommer das Schweinevieh in seiner Unersättlichkeit dem süßen Futter nachgeht, ohne Maß zu halten, erkrankt es an Milzschwellung. Man schafft Abhilfe, indem man Tröge aus Tamariskenholz anfertigt, sie mit Wasser füllt und den durstigen Tieren hinstellt, denn wenn der heilsame Holzsaft getrunken ist, läßt er die Schwellung im Leibe zurückgehen.
11. Kapitel Für das Kastrieren hält man bei diesem Tier zwei Zeiten ein, Frühling und Herbst, 1 und führt es nach zweierlei Verfahren durch. Beim ersten, das ich schon mitgeteilt habe, werden zwei Einschnitte gemacht und durch jeden von beiden ein Hoden herausgequetscht; das zweite ist interessanter, aber gefährlicher; ich will es jedoch nicht übergehen. Wenn man den einen Hoden mit dem Messer freigelegt 2 und entfernt hat, führe man das Skalpell durch die gleiche Schnittstelle ein, durchschneide die Zwischenhaut, die die beiden Hoden trennt, und ziehe mit gekrümmten Fingern auch den zweiten Hoden heraus; so wird nach Anwendung der schon angegebenen Heilmittel nur eine Narbe zurückbleiben. Etwas, was die Religiosität des Gutsherrn angeht, glaube ich noch erörtern zu müssen. Es gibt 3 Sauen, die ihre Ferkel auffressen, und wenn es geschieht, soll man es nicht für ein Wunderzeichen halten, denn die Schweine, die von allen Haustieren am wenigsten den Hunger ertragen, bedürfen zu Zeiten so sehr des Futters, daß sie nicht nur gelegentlich fremde, sondern sogar ihre eigene Nachkommenschaft verzehren.
12. Kapitel Vom Großvieh und auch vom Kleinvieh sowie von den Hirten, die die Vierfüßer- 1 herden mit der dem Menschen eigenen Anstelligkeit daheim und draußen besorgen und hüten, habe ich wohl eingehend genug gesprochen. Jetzt will ich, wie ich es zu Beginn des vorigen Buches versprochen habe, von den stummen Wächtern reden. Der Hund wird allerdings zu Unrecht so bezeichnet, denn wer von den 16 Ähren»
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Menschen kündigt so hell und mit so lautem Stimmenschall ein Raubtier oder einen Dieb an, wie der Hund durch sein Bellen? Wer ist ein liebevollerer Diener seines Herrn, ein treuerer Begleiter, wo findet sich ein unbestechlicherer Wächter, ein aufmerksamerer Hüter, wo schließlich einer, der unerbittlicher rächt oder straft? Deshalb soll der Landwirt unbedingt vor allem dies Tier kaufen und halten, weil es Gutshof und Ernte, Gesinde und Vieh beschirmt. Für Hundeankauf und -haltung kommen drei Arten in Betracht; die erste erwirbt man zur Abwehr feindlicher Anschläge von Menschen, sie wacht über das Gutshaus und dessen Umgebung; eine zweite Gruppe soll böswillige Menschen und Raubtiere verscheuchen und hütet also daheim die Stallungen, draußen das Weidevieh. Die dritte wird für die Jagd angeschafft und ist dem Landwirt nicht nur keine Hilfe, sondern lenkt ihn sogar ab und macht ihn unlustig zu seiner Arbeit. Ich habe also nur vom Hofhund und vom Hirtenhund zu sprechen, denn der Jagdhund hat mit unserem Gewerbe nichts zu schaffen. Zum Wächter der Gutsgebäude wähle man einen Hund mit mächtigem Körper, der laut und schallend bellt, so daß er einem Übeltäter schon Schrecken einjagt, wenn dieser ihn bloß hört, dann auch, wenn er ihn erblickt, daß er aber manchmal auch schon ungesehen nur durch sein schreckliches Gebell den Strolch in die Flucht treibt. E r soll einfarbig sein, und zwar nimmt man zu Hirtenhunden besser weiße, für den Hof schwarze; gescheckte sind in keinem Falle zu empfehlen. Der Hirt zieht einen weißen Hund vor, weil er nicht mit einem Raubtier verwechselt werden kann, und es bedarf manchmal schon des großen Unterschiedes, damit nicht der Hirt, wenn er früh im Dunkeln oder auch im Zwielicht Wölfe abwehrt, statt des Raubtieres den Hund erschlägt. Der Hofhund, der gegen menschliche Übeltat schützen soll, sieht fürchterlicher aus, wenn er schwarz ist, falls nämlich ein Dieb bei hellem Tage kommt; kommt er aber nachts, so kann er den Hund, der ja dem nächtlichen Dunkel gleicht, nicht einmal gewahren, und so vermag dieser im Schutze der Finsternis dem Anschleichenden sicherer zu nahen. Ein Hund mit ausgeglichenen Körpermaßen ist einem langgestreckten oder kurzgebauten vorzuziehen; der Kopf soll so dick sein, daß er als der größte Teil des Körpers erscheint. Die Ohren sollen abwärts hängen, die schwarzen oder bläulichen Augen grimmig funkeln, die Brust sei stattlich und zottig; er soll breite Schultern haben, starke und struppige Läufe, kurzen Schwanz, sehr kräftige Fußgelenke und Krallen, die auf griechisch dgaxeg heißen. So soll ein Haushund aussehen, der besonderes Lob verdient. In ihrem Gebaren aber sollen die Hunde weder übermäßig sanft noch auch wild und grausam sein, weil jene sogar einen Dieb anwedeln, diese aber auch auf die Hausgenossen losgehen. Es genügt, daß sie nicht schmeicheln und so scharf sind, daß sie gelegentlich auch die Haussklaven etwas grimmig betrachten, immer jedoch fremden gegenüber in Wut geraten. Vornehmlich aber sollen sie sich auf der Wacht als zuverlässig erweisen, nicht herumstreunen, sondern sich an ihrem Platz halten, eher besonnen als draufgängerisch sein. Jene nämlich melden nur, wenn sie etwas sicher festgestellt
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haben, diese lassen sich durch leeres Geräusch und falschen Verdacht erregen. Ich glaube das anmerken zu müssen, weil nicht nur Natur, sondern auch Zucht das Wesen formt, so daß man also, wenn sich Kaufgelegenheit bietet, Hunde der richtigen Art aussuchen oder, wenn man daheim geborene aufzieht, sie nach den angegebenen Gesichtspunkten dressieren wird. Ob Hofhunde schwerfällig und nicht sehr schnell sind, ist ziemlich unwichtig, denn sie sollen ihre Aufgaben mehr in der Nähe und an Ort und Stelle erfüllen als in der Ferne und in weitem Lauf. Sie bleiben ja immer an den Umzäunungen und im Bereiche der Baulichkeiten, dürfen sogar nicht einmal weiter weglaufen und genügen völlig ihrer Pflicht, wenn sie Fremde leicht wittern, durch Bellen erschrecken und nicht dichter heranlassen oder, wenn einer trotzdem näher kommt, ihn heftig angreifen. Das erste ist nämlich, daß der Hund sich nicht überraschen läßt, das zweite, daß er, gereizt, tapfer und unbeirrt seine Pflicht tut. Soviel zu den Hütern des Hauses, das Weitere über die Hirtenhunde.
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Ein Hund für das Vieh braucht nicht so schmächtig oder behend zu sein wie solche, 8 die Rehwild und Hirsche und überhaupt sehr schnelle Tiere jagen, und nicht so massig oder schwer wie der Wächter von Haus und Hof, aber immerhin soll er doch kräftig und einigermaßen anstellig und hurtig sein, weil er sowohl zu Kampf 9 und Streit wie auch zum Lauf gerüstet sein muß, wenn er die heimtückischen Angriffe des Wolfes abwehren, den wilden Räuber, wenn er flieht, einholen, ihm die Beute entreißen und sie davonschleppen soll. Für solche Fälle also ist ein mehr langgestreckter Körper des Hundes vorteilhafter als ein kurzer oder auch normal proportionierter, weil ja, wie gesagt, zuweilen die Not dazu zwingt, ein Raubtier schnell zu verfolgen. Die übrigen Glieder sollen ähnlich gebildet sein wie die des Hofhundes. Beide Arten bekommen ungefähr das gleiche Futter. Wenn nämlich die Ländereien 10 so weitläufig sind, daß man Weidevieh hält, kann man alle ohne Unterschied mit Gerstenmehl in Molke ernähren. Hat aber das Gut kein Weideland, da es mit Baumpflanzungen bestellt ist, so werden die Hunde mit Spelt- oder Weizenbrot satt gemacht, doch gibt man ihnen dazu gekochte Bohnenbrühe, aber nur lauwarm, denn zu heiß verursacht sie Tollwut. Hunden wie Hündinnen soll man Geschlechtsverkehr erst gestatten, wenn sie 11 ein Jahr alt sind; erlaubt man ihn schon, wenn sie jünger sind, so zehrt er an den Kräften und läßt Körper und Geist entarten. Den ersten Wurf muß man einer Hündin nach der Geburt wegnehmen, weil sie wegen ihrer Jugend nicht richtig nähren kann und das Aufziehen ihre ganze körperliche Entwicklung beeinträchtigt. Die Rüden behalten bis zum Alter von zehn Jahren jugendliche Zeugungskraft, später sind sie zum Begatten offensichtlich nicht mehr fähig, da es von älteren ja nur einen kümmerlichen Nachwuchs gibt. Hündinnen empfangen bis zu neun Jahren und sind nach dem zehnten nicht mehr brauchbar. Die Welpen 12 soll man in den ersten sechs Monaten, bis sie kräftig werden, zur Mutter nur hinauslassen, damit sie spielen und tollen. Später werden sie den Tag über ange16*
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7. Buch, 12.-13. Kapitel
kettet und nachts freigelassen, und man wird bei ihnen, deren gute Anlagen ja bewahrt bleiben sollen, niemals dulden, daß sie bei einer fremden Amme trinken, weil immer Muttermilch und Mutterwärme weitaus stärker Körper und Geist im 13 Wachstum fördern. Sollte aber einer Hündin, die geworfen hat, die Milch mangeln, so gibt man den Welpen am besten Ziegenmilch, bis sie vier Monate alt werden. Hunden soll man nicht zu lange Namen geben, damit jeder recht schnell auf den Ruf hört, aber auch keine, die kürzer sind als zwei Silben; als Beispiele nenne ich das griechische ExvXa£, das lateinische Ferox, das griechische Aaxmv, das lateinische Celer, oder für Hündinnen griechisch Enovdrj, 'Ahtr\, 'PCJ/XT], latei14 nisch Lupa, Cerva, Tigris. Vierzig Tage nach der Geburt kupiere man den Welpen den Schwanz auf folgende Art: durch die Wirbel zieht sich bis zur Schwanzspitze eine Sehne; diese faßt man mit einer Zange, zieht sie etwas hervor und kneift sie ab; dann wächst der Schwanz nicht ungebührlich in die Länge, und es wird, wie die meisten Hirten versichern, die Tollwut ferngehalten, eine Krankheit, die diesem Tier den Tod bringt. 13. Kapitel 1 Im Sommer bringen gewöhnlich Fliegen die Ohren der Hunde so stark zum Eitern, daß sie sie oft ganz verlieren. Um das zu verhüten, soll man sie mit geriebenen bitteren Mandeln bestreichen. Sind sie aber schon von Schwären bedeckt, so ist es gut, gekochtes flüssiges Pech mit Schweineschmalz gemischt auf die Wunden zu träufeln. Von dem gleichen Mittel berührt fallen die Zecken ab, mit der Hand nämlich darf man diese nicht losreißen, damit sie nicht, wie ich schon früher sagte, 2 Geschwüre verursachen. Einem von Flöhen geplagten Hunde hilft man entweder mit geriebenem Kümmel und Nieswurz in gleichen Gewichtsmengen, die mit Wasser gemischt und aufgestrichen werden, oder auch mit Schlangengurkensaft oder, wenn diese Mittel nicht verfügbar sind, durch Übergießen des ganzen Körpers mit alter Amurca. Ist ein Hund von Räude befallen, so reibe man gleichviel Gips und Sesam zusammen, mische es gründlich mit flüssigem Pech und bestreiche den kranken Teil damit; dies Mittel ist angeblich auch für Menschen brauchbar. Tritt das Leiden heftiger auf, so wird es durch Cedernöl beseitigt; die übrigen Krankheiten wird man so behandeln, wie ich es für die anderen Tiere angegeben habe. 3 Soviel über die kleineren Haustiere. Im folgenden Buche will ich über die Hofwirtschaft sprechen; sie umfaßt die Behandlung der Vögel und Fische und der wilden Vierfüßer.
Achtes Buch
1. Kapitel
Annähernd das gesamte Wissen, Publius Silvinus, von der Landbestellung, dazu 1 das, was eine gewinnbringende Viehwirtschaft verlangt, habe ich in sieben Büchern aufgezeichnet. Das Buch, das sich diesen anschließt, soll die nächstfolgende Ziffer nicht deshalb bekonimen, weil das, was ich sagen will, gleich nach jenen Themen die besondere Aufmerksamkeit des Landwirtes beansprucht, sondern weil es sich nirgendwo anders als auf dem Lande oder dem Gutshof durchführen läßt und ja auch den Landleuten mehr zugutekommt als den Städtern. Denn wie 2 die Weidewirtschaft bringt auch die Tierhaltung auf dem Hofe dem Landmann recht erheblichen Gewinn, da sie mit dem Dung der Vögel den magersten Weinpflanzungen und jeglichem Baum- und Saatland aufhilft, da sie durch die Tiere Herd und Tisch des Hauses mit köstlichen Speisen bereichert, schließlich auch durch den Erlös aus dem Verkauf von Tieren den Ertrag des Gutes mehrt. Deshalb, meine ich, muß ich auch über diese Art von Tierhaltung reden. Sie spielt sich in der Regel auf dem Hofe selbst ab oder in dessen Umgebung. 3 Auf dem Hofe befindet sich, was die Griechen OQVSI&WVBQ und TieQiareQe&vet; nennen, und wenn Wasser da ist, bemüht man sich auch fleißig um lx&voTQo