Bankiers im Kaiserreich: Sozialprofil und Habitus der deutschen Hochfinanz 9783666357992, 9783647357997, 3525357990, 9783525357996


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Bankiers im Kaiserreich: Sozialprofil und Habitus der deutschen Hochfinanz
 9783666357992, 9783647357997, 3525357990, 9783525357996

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Peter Ulimann, Hans-Ulrich Wehler

Band 136 Morten Reitmayer Bankiers im Kaiserreich

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Bankiers im Kaiserreich Sozialprofil und Habitus der deutschen Hochfinanz

von

Morten Reitmayer

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Umschlagabbildung: In der Hamburger Börse Druck nach einem Gemälde von Brütt aus dem Jahre 1888 © Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz, Berlin, 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Reitmayer, Motten :

Bankiers im Kaiserreich : Sozialprofil und Habitus der deutschen Hochfinanz / von Morten Reitmayer. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 136) Zugl.: Hannover, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-525-35799-0 Gedruckt mit Unterstützung der Axel Springer Stiftung und der Commerzbank.

© 1999, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlag: Jürgen Kochinke, Holle. Satz: Text & Form, Pohle. Druck und Bindung: Guide-Druck GmbH, Tübingen.

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Inhalt Vorwort

7

Einleitung

9

1.

Berliner Bankiers und Provinzbankiers

29

2.

Die Hierarchien der ökonomischen Macht a) Die konzentrischen Kreise der Hochfinanz b) Orden und Titel

53 53 67

3.

Privatbankiers und die Leiter der Aktienbanken a) Die Beziehungen zwischen Privat- und Aktienbanken b) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien - Bindeglied zwischen Personal- und Kapitalgesellschaft c) Der Reichtum der Privatbankiers und die Macht der Manager d) Soziale Herkunft, Ausbildung und Karrierewege e) Nobilitierungen und das Prestige der Privatbankiers

83 85 102 112 120 147

4.

Die jüdischen Großbankiers a) Juden und Nichtjuden im »Feld der Hochfinanz« b) Die Hochfinanz und der Antisemitismus

163 165 176

5.

Etablierte und Aufsteiger a) Das »soziale Alter« b) Berufliche Wertvorstellungen, Leistungsethos und der Habitus der Etablierten

195 197

6.

7.

206

Familienleben und soziale Verflechtungen a) Die Wahl des Ehepartners b) Generationenkonflikte und die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern c) Der Lebensstil der Hochfinanz und ihre Kontakte mit anderen sozialen Gruppen

225 226

247

Die Hochfinanz in der Politik

273

236

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a) Das Bild der Hochfinanz in der öffentlichen Diskussion b) Die politischen Orientierungen der Hochfinanz c) Das Börsengesetz von 1896 und der Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes d) Hochfinanz und Politik 1908 bis 1914

274 282 300 320

Zusammenfassung

345

Abkürzungsverzeichnis

365

Quellen- und Literaturverzeichnis

367

Anhang 1: Vorstandsmitglieder, persönlich haftende Gesellschafter und Inhaber der Banken des Preußenkonsortiums Anhang 2: Betriebsergebnisse der Aktienbanken

389 400

Register

419 Verzeichnis der Tabellen

Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15:

Übersicht zum Sample nach den Kategorien der Untersuchung Geographische Verteilung der Aufsichtsratsmandate (1908) .. Aufsichtsratsmandate in den 100 größten Industrieunternehmen im Jahre 1907 Größe der Herkunftsgemeinde der Manager-Bankiers Großbankiers in den Aufsichtsräten von Aktienbanken (1908) Inhaber und Leiter der Banken des Preußenkonsortiums 1877 und 1912 Die Vermögen der Großbankiers Eintritt von Manager-Bankiers in die Direktionen der Aktienbanken des Preußenkonsortiums Soziale Herkunft von Privatbankiers und Manager-Bankiers Eintritt von akademisch gebildeten Bankiers ins »Feld der Hochfinanz« Laufbahnen und Eintrittsalter der Manager-Bankiers Jüdische und nichtjüdische Bankiers des Preußenkonsortiums 1877 und 1912 Jüdische und nichtjüdische Bankiers (gesamtes Sample) Berufe der Schwiegerväter Eintragungen in das Börsenregister für den Handel in Wertpapieren

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24 44 46 49 59 89 113 120 122 126 168 166 167 228 310

Vorwort Wer eine Arbeit über Bankiers schreiben will, setzt sich offenbar besonderen Begründungszwängen aus. »Und warum schreibst Du nun ausgerechnet über Bankiers?« war die meistgehörte Frage während der zurückliegenden Jahre. Die Antwort bleibt nach wie vor offen. Ich möchte jedoch allen denjenigen danken, die mir bei dieser Arbeit geholfen haben. Am meisten verdanke ich der intensiven kritischen Begleitung durch meine »Doktormutter« Professor Dr. Adelheid von Saldern, die sich viel Zeit nahm, den zu umfangreichen Text auf die Tragfähigkeit seiner Argumente hin abzuklopfen, und die mich immer wieder mit weitem Horizont auf die Vielfalt historiographischer Kontroversen aufmerksam machte. Professor Dr. PeterChristian Witt hat mir in langen Gesprächen mit scharfem Humor und überragender Quellenkenntnis geholfen, die sozialen und politischen Machtverhältnisse im wilhelminischen Deutschland besser zu begreifen. Herbert Kalthoff bewahrte mich vor zahlreichen Verständnis fehlem und Simplifizierungen eines Historikers beim Verwenden soziologischer Methoden. Während des Arbeitsprozesses hatte ich immer wieder das Glück, meine Thesen einer aufgeschlossenen Zuhörerschaft präsentieren und ihre Aussagekraft testen zu können. Besonders danken möchte ich daher den Teilnehmern des Sozial- und Kulturgeschichtlichen Colloquiums in Hannover, den von Reinhard Rürup geleiteten Colloquien der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft des Leo-Baeck-Instituts in der Bundesrepublik Deutschland sowie des Transatlantic Doctoral Seminar des Deutschen Historischen Instituts in Washington. Was an Fehlern und Unklarheiten geblieben ist, hat allein der Verfasser zu verantworten. Zahlreiche Archivare und Bibliothekare habe ich mit meinen Lektürewünschen ins Schwitzen gebracht. Ihnen schulde ich ebenso wie der Studienforderung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die diese Arbeit bereitwillig mit einem Doktorandenstipendium unterstützt hat, besonderen Dank. Den Herausgebern der »Kritischen Studien« möchte ich nicht allein für die Aufnahme in die Reihe, sondern auch und vor allem für ihre hilfreiche Kritikdanken. Die Axel Springer Stiftung hat die Veröffentlichung durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß erleichtert; auch ihr gebührt mein Dank. Der vorliegende Text stellt die überarbeitete Fassung einer im Sommersemester 1996 von der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universi7

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tät Hannover angenommenen Dissertation dar. Sie wurde mit dem Wissenschaftspreis 1996 der Hannoverschen Hochschulgemeinschaft und einer honorary mention der European Association for Banking History e.V. ausgezeichnet. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern, ohne deren Rückhalt ich sie nicht hätte schreiben können. Trier, im September 1999

Morten Reitmayer

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»Prinzipiell ist eine Bankgeschichte irgend eines Volkes, die nur die ökonomischen Motive zur Erklärung heranziehen wollte, natürlich ganz ebenso unmöglich, wie es etwa eine >Erklärung< der Sixtinischen Madonna aus den sozial-ökonomischen Grundlagen des Kulturlebens zur Zeit ihrer Entstehung sein würde.« 1

Einleitung Bankiers bilden neben den Kaufleuten die älteste Gruppe der Unternehmerbourgeoisie, nicht nur in Deutschland- Ihr persönlicher Reichtum, ihre wirtschaftliche Macht und ihr politischer Einfluß beschäftigten bereits die Phantasie der Zeitgenossen vor der Reichsgründung, erst recht aber um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, der Zeit der großen Bankenkonzentration während der Hochindustrialisierung. Um so erstaunlicher erscheint das Fehlen einer sozialgeschichtlich orientierten Studie über die Bankiers zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg. Die Umwälzung, welche die deutsche Finanzwelt im Gefolge einer unerhörten Expansion des Bankwesen erfuhr, konnte auf die Zusammensetzung der Bankierschaft und ihre innere wie äußere Machtverteilung nicht ohne Folgen bleiben.2 Was den Zeitgenossen zuerst auffiel, war die Tatsache, daß Banken und Börsen einen bislang nie dagewesenen Einfluß auf ihre Lebenssituation nahmen. Das war eine Erfahrung, die eine millionenstarke Anlegerschar im Gefolge des »Gründerkrachs« am eigenen Leibe machen mußte. Von dieser bitteren Lektion war es nicht weit zur Anklage der (weit übertriebenen) Macht der Bankiers. Verfechter einer vorkapitalistischen Gesellschaftsordnung- und diese gab es bis weit ins bürgerliche Lager hinein - bekämpften mit aller Macht den als illegitim empfundenen politischen Einfluß der reichen Finanzunternehmer und verurteilten ihren luxuriösen Lebensstil als mammonistisch, unmoralisch und verderblich für die guten alten Sitten. Daß diese Plutokraten mit Teilen der Aristokratie verkehrten und sogar zum Hof zugelassen wurden, daß 1 Weber, Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: WL, S. 169. 2 Unverzichtbar ist bis heute die umfassende Arbeit von Riesser, Konzentration; Riesser war selbst von 1888 bis 1905 Vorstandsmitglied der Bank für Handel und Industrie (BHI). Einen sehr instruktiven Vergleich der Bankensysteme in den wichtigsten Industrieländern gibt Born, Geld und Banken; einen Überblick über die vieldiskutierte Konzentrationsbewegung liefert Pohl, Konzentration.

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sich Bismarck als Reichskanzler jahrelang fast täglich mit seinem jüdischen Vermögensverwalter Gerson (von) Bleichröder3 traf, bestätigte alle ihre Ängste. Doch schon eine Generation später hatte sich das Blatt gewendet. Selbstbewußte, aber enttäuschte Liberale wie Max Weber und bürgerliche Sozialdemokraten wie Georg Bernhard bezichtigten das Bürgertum und gerade die Hochfinanz des Verrats an den »wahren« bürgerlichen Werten. Der übermäßige Kontakt mit dem Adel habe das Großbürgertum sozial und politisch korrumpiert. Der damals entstandenen These von der »Feudalisierung« des deutschen Bürgertums und der sich daran anschließenden Diskussion über den »deutschen Sonderweg« in die Moderne soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Nur soviel sei gesagt, daß die These eines Defizits an liberaler Bürgerlichkeit bis weit in die 1980er Jahre hinein die Diskussion bestimmt hat, und zwar auf einer empirisch ziemlich dünnen Grundlage. Die neuere Sozialgeschichte hat sich dann mit viel Enthusiasmus auf die Erforschung der bürgerlichen Formationen in Deutschland geworfen. Erwähnt seien nur die vom Heidelberger Arbeitskreisfür moderne Sozialgeschichte herausgegebenen Bände über das Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, das Bielefelder Projekt Bürgertum, Bürgerlichkeit und bürgerliche Gesellschaft und die im dortigen Sonderforschungsbereich Sozialgeschichte des neuzeitlichen Bürgertums entstandenen Arbeiten sowie das Frankfurter Projekt Stadt und Bürgertum im 19. Jahrhundert.4 Mittlerweile haben sich auch die Kulturgeschichte, die Geschlechtergeschichte und sogar die Alltagsgeschichte des Bürgertums angenommen, so daß die Literatur zum deutschen Bürgertum stetig anwächst.5 Betonte die neuere Bürgertumsforschung zunächst die markante Abgrenzung und die geringe Ausstrahlungs- und Integrationskraft des deutschen Bürgertums,6 werden mittlerweile stärker die inneren Gegensätze zwischen Konfessionen und Geschlechtern, aber auch die kohäsive Bedeutung der bürgerlichen Lebensführung und Symbolwelten hervorgehoben.7 Zunächst standen jedoch bildungsbürgerliche Gruppen im Vordergrund des Interesses. Daher weiß man über das Sozialverhalten der Unternchmergruppen und über das Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Bildungsbürgertum noch immer verhältnismäßig wenig,8 und über Bankiers, immerhin eine der 3 Hier wie im Folgenden wird zur Unterscheidung der Geburtsanstokratie von geadelten Bürgerlichen bei letzteren das von ihres Adelstitels in ( ) gesetzt. 4 Wehler, Future Research, bes. S. 566-568. Einen Überblick über die bis 1995 vorliegenden Ergebnisse dieser Projekte gibt Sperber. 5 Vgl. die Literaturübersicht bei Haltern und bei Sperber; sowie die Beiträge in Tenfelde u. Wehler. 6 Kocka, Bürgertum und bürgerliche Gesellschaft, S. 68f. 7 Vgl. Kaelble, Nachbarn, S. 71-81, sowie die neueren Arbeiten von Mergel; Budde; Kaplan, Jüdisches Bürgertum; die Beiträge in: Gyr (Hg.); Frevert, Mann und Weib. 8 Unter den wenigen neueren Arbeiten über die deutschen Unternehmer im Kaiserreich

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wirtschaftlich einflußreichsten Gruppen, existieren außer einem neueren Aufsatz nicht viel mehr als einige eher feuilletonistische Arbeiten aus den fünfziger und sechziger Jahren.9 Der Forschungsstand zu den deutschen Großbankiers ist daher als äußerst dürftig zu bezeichnen. Neben einigen allgemeinen Untersuchungen über die Unternehmerschaft, in denen nebenbei auch die Finanzwelt berücksichtigt ist, gibt es wenig mehr als verstreute Aufsätze und die Festschriften der Banken. Einzelne Bankiers haben Biographen gefunden besonders Fritz Sterns Untersuchung über Gerson Bleichröder hat das Bild von der deutschen Finanzelite nachhaltig geprägt. Überwiegend handelt es sich dabei jedoch um Männer, die durch ihre Karriere außerhalb des Bankwesens bekannt wurden, wie Walther Rathenau oder Karl Helfferich. Die Mehrzahl der quellennahen Biographien ist älteren Datums. Es ist auch keine wissenschaftliche Studie über den 1901 gegründeten Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes, den ersten deutschen Bankenverband, vorhanden, und für die staatlichen Anleihegeschäfte bleibt man auf die Arbeit Heinrich Stuebels aus dem Jahre 1935 angewiesen. Die jüdische Finanzelite ist durch die Werke Werner E. Mosses erschlossen,10 doch das Verhältnis zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bankiers liegt nach wie vor ebenso im Dunkeln wie die Reaktion der Privatbankiers auf den Verdrängungswettbewerb der Aktienbanken.11 Die soziale Herkunft der deutschen Finanzelite ist praktisch unbekannt. Welche funktionalen Elemente und welche soziokulturellen Merkmale die »Hochfinanz« aus der Bankierschaft hervorhob, liegt schließlich vollständig im Dunkeln. Doch auch konzeptionell zeichnen sich gerade die wenigen prominent gewordenen neueren Studien über die wirtschaftsbürgerlichen Spitzengruppen durch verschiedene, mehr oder minder weitreichende Schwächen aus. Pars pro toto sollen hier die methodischen und theoretischen Probleme von zwei einflußreichen Arbeiten diskutiert werden, um mit geschärftem Blick die historische Forschung über die deutschen Wirtschaftseliten voranzutreiben. Werner Mosse präpariert bei seiner Suche nach einem jüdischen Sektor im deutschen Kapitalismus die jüdischen Unternehmer gewaltsam aus dem Wirtragen besonders die deutsch-englischen Vergleiche von Berghoff u. Möller hervor: Tired pioneers; dies., Wirtschaftsbürger; dies.. Unternehmer. Zu einzelnen Aspekten der Sozialstruktur und dem Verhältnis der Unternehmer zum monarchischen Staat vgl. Kaelble, Wie feudal; Kaelble u. Spode; Berghoff, Aristokratisierung. Wichtige, aus dem deutsch-französischen Vergleich gewonnene Überlegungen über Staatsnähe und -ferne des deutschen Großbürgertums finden sich bei Kaelbte, Nachbarn. 9 Augttstine, The Banker in German Society. 10 Masse, Jews in the German Economy; ders., German-Jewish Economic Elite. 11 Wixford und Ziegler konstatieren für die größeren Privatbanken einen Rückzug in teilweise sehr profitable Marktnischen. Weshalb die Autoren es ablehnen, habituelle Prägungen von Unternehmern in die Analyse deren ökonomischer Strategien einzubeziehen, bleibt unklar, weil unternehmerisches I landein offensichtlich keinem einfachen rational choiee-Modell folgte. Wixford u. Ziegler, Deutsche Privatbanken, bes. S. 206f.

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schaftsbürgertum heraus mit der Folge, daß an die Stelle einer Beschreibung und Analyse der Ausübung von unternehmerischer Macht und Herrschaft die altbekannte Leistungsparade prominenter jüdischer »Wirtschaftsführer« mitsamt einer erneuten Aufzählung jüdischer Kommerzienräte und Millionäre tritt.12 Ebenso problematisch ist die Konzentration auf die Zugehörigkeit zum Judentum für das ökonomische und soziale, kulturelle und symbolische Handeln seiner Untersuchungsgruppe, deren Einheit und subjektiv erfahrene Zusammengehörigkeit nur unterstellt wird. Dagegen unterschlägt Mosse Faktoren wie Herkunft, Bildung und Laufbahn, Branchenzugehörigkeit, Arbeitsbeziehungen und das Handeln in ethnisch gemischten Netzwerken mit dem frappierenden Ergebnis, daß die jüdische Großunternehmerschaft - auch und gerade die jüdische Hochfinanz - beispielsweise hinsichtlich ihrer (im weitesten Sinne) politischen Machtchancen als eine Gruppe hilfloser Einzelgänger erscheint. Im übrigen führen eine teilweise recht willkürliche Auswahl und das eingeschränkte Quellenmaterial zu einem empfindlichen Mangel an quantifizierenden Aussagen. Methodisch anspruchsvoller und in engerer Berührung mit den Fragestellungen der neueren Bürgertumsforschung ist die Studie von Dolores Augustine über die Wilhelminische Wirtschaftselite.13 Vor allem der geschlechtergeschichtliche Ansatz zeigt eine Reihe neuer Perspektiven auf Bereits die Konzeption der Arbeit ist jedoch nicht unproblematisch. Indem Dolores Augustine allein Multimillionäre zur Wirtschaftselite zählt, reduziert sie ökonomische Macht auf nur eine ihrer Formen, was von vorn herein die Vielzahl einflußreicher, aber über ein geringeres Privatvermögen verfügenden Leiter der großen Aktienunternehmen ausschließt. Daher handelt es sich in Wirklichkeit nicht um eine Wirtschafts-, sondern um eine Vermögenselite, die untersucht wird. Konsequenterweise muß daher die berufliche, die ökonomische Tätigkeit der Untersuchten vollständig ausgeblendet bleiben. Die Erfahrungen, welche die Akteure hier machten und die in vielfältiger Weise prägend für ihre Einstellungen und ihr außerberufliches Handeln wurden, gehen folglich nicht in die Darstellung des wilhelminischen Großbürgertums ein. Daher muß auch die Frage nach dem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Großunternehmerschaft unbeantwortet bleiben. Die Analyse des gemeinsamen Lebensstils, der die Multimillionäre miteinander verband und auf den sich Augustine konzentriert, krankt an der unbesehenen Übernahme von Thorstein Veblens Konzept des »demonstrativen Müßiggangs« und »demonstrativen Konsums«, das in den kulturellen und symbolischen Handlungen der leisure class nur kalkulierte und intendierte Bemühungen sieht, die eigene soziale Überlegenheit zur Schau zu stellen, und diese als Verschwendung sozialer Energie deutet, so daß 12 Vgl. die Kritik von Barkai, S. 206. 13 Augustine, Die Wilhelminische Wirtschaftselite; dies., Patricians and Parvenus.

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gelegentlich die empirischen Befunde der Autorin unvermittelt neben Veblens entgegengesetzten Aussagen stehen. Schließlich begnügt sich auch diese Arbeit mit einer oberflächlichen Zuordnung der Wirtschaftselite auf politische Großlager, ohne gelegentlich recht fragwürdige Urteile über die politischen Handlungsmöglichkeiten von Großunternehmern zu vermeiden.14 Die folgende Untersuchung soll einen Beitrag leisten zur sozialhistorischen Erforschung des deutschen Wirtschaftsbürgertums.15 Als Konsequenz aus den Schwächen der oben diskutierten Konzepte konzentriert sich das Interesse sowohl auf die Darstellung des Handlungsrahmens, in dem sich die Großbankiers beruflich bewegten, als auch auf ihre lebensweltlichen und politischen Praxisformen. Vier Problemkreise sollen dabei untersucht werden. Erstens ist den Bedingungen des Entstehens, Aufstiegs und Wandels einer unternehmerischen Spitzengruppe nachzugehen. Erst die Verdichtung der Geschäftsbeziehungen und der Kommunikationsnetze ließ in Deutschland während der Reichsgründungszeit aus lokal und regional tätigen Bankiers eine auf der Ebene des nationalen Wirtschaftsraums agierende Finanzwelt entstehen. Die Expansion des Bankwesens im Gefolge der Industrialisierung und die bereits in der »Gründerkrise« seit 1873 einsetzende und sich dann um die Jahrhundertwende erneut beschleunigende Konzentration im Bankwesen schufen neuartige Zusammenballungen unternehmerischer Macht. Bei der deutschen Hochfinanz handelte es sich um eine aus einem alten unternehmerischen Berufsfeld sich entwickelnde verhältnismäßig junge soziale Gruppe. Daher ist es von zentraler Bedeutung, der Frage nachzugehen, welche unterschiedliche Gestalt ihre ökonomische Macht annahm und welcher Art und Ausmaß das Machtgefälle zwischen den Großbankiers war, von welchen inneren und äußeren Konflikten sie geprägt wurden, welche Formen der Rekrutierung es gab, kurz, wie diese Akteure untereinander in Beziehung standen. Besonders die Art und Weise, in der sich der Wandel im Unternehmensbereich, also der Übergang von der Personal- zur Kapitalgesellschaft, auf das Sozialprofil und das Handeln der Akteure auswirkte, wird dabei im Vordergrund stehen müssen. Zweitens sind die Binnendifferenzierung der Hochfinanz und ihr Zusammenhalt sowie ihre Verbindungen mit anderen Sozialgruppen zu untersuchen. Das beginnt mit der Identifizierung der einzelnen Teilgruppen und ihrer Profile und mit der Frage nach dem Ausmaß der Binnenintegration. Für den Historiker besteht dabei stets die Gefahr, der >auf dem Papien definierten und eingegrenzten Untersuchungsgruppe a priori auch eine von den historischen Akteuren subjektiv begriffene Zusammengehörigkeit zu unterstellen und von 14 Vgl. Patncians and Parvenus, S. 48-50, S. 181. 15 Der Begriff »Wirtschaftsbürgertum« wird hier und im folgenden synonym für »Unternehmerschaft« verwendet, obwohl diese Gleichsetzung methodisch nicht unproblematisch ist, und dient nicht als analytische Kategorie zur Bestimmung der spezifischen »Bürgerlichkeit« von Unternehmern.

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dort aus auf gemeinsame Werte und Handlungsformen zu schließen. Daher ist es einerseits notwendig, besonderes Augenmerk auf die kohäsiven Kräfte der symbolischen Praktiken und der Lebensstile zu legen, welche die Angehörigen einer Gruppe - sei diese nun durch ihren Beruf, ihren Reichtum, durch ethnische oder regionale Zugehörigkeit bestimmt - miteinander verbanden. Andererseits müssen diejenigen Faktoren, die dauerhafte Trennungen zwischen ihnen bewirkten, berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist die Integration der Hochfinanz in die Oberklassen des kaiserlichen Deutschland zu untersuchen. Eine derartige Analyse hat dabei zum einen den Aufstieg der Großbankiers (im Sinne eines Zuwachses an sozialer Macht) in Rechnung zu stellen, der die Herausbildung neuer Lebensstile erforderte. Zum anderen ist den unterschiedlichen Barrieren und Trennlinien zwischen den einzelnen Fraktionen dieser Oberklassen nachzugehen, die einer engeren Verbindung der Hochfinanz mit ihnen im Wege standen. Unter »Oberklassen« werden dabei jene Gruppen verstanden, die sich durch Distinktion und gesellschaftlichen Führungsanspruch von den übrigen sozialen Formationen abgrenzten und sich im »sozialen Raum«, den eine Gesellschaft bildet, auf den dominierenden Positionen identifizieren lassen.16 Der Begriff ist stets relational, also in Beziehung auf andere Positionen zu verstehen. Derartige vom Historiker konstruierten »Klassen« sind streng genommen lediglich Ensembles von Akteuren, die ähnliche Existenzbedingungen aufweisen, und damit nur »wahrscheinliche Klassen«. Um diese Gruppen auch in der Wahrnehmung der Akteure existent werden zu lassen und in Konflikten mobilisieren zu können, bedarf es der »symbolischen Arbeit« des group making, beispielsweise in Form der Gründung von Vereinen oder Verbänden, die beanspruchen, für die Gruppe zu sprechen. Damit ist bereits der dritte Problemkreis angeschnitten. In der vielfach fragmentierten Gesellschaft des Kaiserreiches konnte keine Fraktion der »Oberklassen« gleichzeitig ein Maximum an Reichtum und Prestige, Bildung und politischem Einfluß in ihren Händen vereinen. Es ist daher die Frage zu stellen, in welchem Ausmaß und auf welchen Wegen es den Großbankiers gelang, ihre unbestreitbar große wirtschaftliche Macht, die keineswegs allein auf persönlichem Reichtum beruhte, in andere Aggregatformen zu konvertieren und damit auch auf anderen sozialen Feldern geltend zu machen. Die zeitweilig stark ausgeprägten Trennlinien zwischen den einzelnen Oberklassen-Fraktionen deuten bereits darauf hin, daß eine derartige Umwandlung keineswegs mühelos verlief, da ökonomische oder kulturelle (Deutungs-) Macht von anderen Gruppen nicht unumschränkt anerkannt wurde und daher auch nicht in Ansehen umgemünzt werden konnte. Das hatte ebenso dauerhafte wie tiefgreifende Folgen für die Vernetzung dieser Gruppen untereinander. Bei der Untersuchung der Kräfteverhältnisse in den für die Großbankiers relevanten politi16 Bourdieu, Sozialer Raum und »Klassen«, S. 9-15; ders., Wie eine soziale Klasse entsteht, in: Der Tote packt den Lebenden, S. 102-129.

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schen Auseinandersetzungen und ihrer Interessenvertretung, die nicht zuletzt von der Mobilisierung eigener undfremder Ressourcen abhingen, kommt daher gerade ihrem Ansehen und ihren sozialen Verflechtungen eine entscheidende Bedeutung zu. Als vierter Problemkreis stellt sich schließlich die Aufgabe, die eingangs genannten Strukturen und Prozesse nicht von den Wahrnehmungen und dem Handeln der historischen Akteure zu isolieren, sondern sie durch die Praxis der Akteure Gestalt annehmen zu lassen. Damit wird auch den Forderungen der neueren Kulturgeschichte Rechnung getragen und der »Bedeutung von Bedeutung« Raum gegeben, indem die Sinnstiftungen und Wertorientierungen der Menschen einbezogen werden, ohne daß der Blick auf die sozialen Ungleichheiten und Konflikte aufgegeben und Kultur als »autonomes symbolisches Universum« betracht werden müßte, das nur noch gleichsam »von innen« beschreibbar wäre und dem keine Institutionen oder sozialen Prozesse mehr zugeordnet werden könnten.17 Kurz gesagt handelt es sich um die Frage, wie Strukturen und Handeln vermittelt sind. Für eine Analyse des Handlungsrahmens und der Lebenswelt der Hochfinanz ist es daher unumgänglich, über die Darstellung der Praktiken und Strategien der Großbankiers und die Entschlüsselung ihrer Einstellungen und Wertewelt hinaus die soziale Logik dieser Phänomene herauszuarbeiten und die Bedingungen und Bedingtheiten ihres Handelns, die »Ökonomie ihrer Praxisformen« (Bourdieu) zu untersuchen.18 Diese Überlegungen machen es notwendig, das Berufsfeld der Großbankiers in den Vordergrund zu stellen. Dieser soziale Ort strukturierte das Handeln, die Erfahrungen und Deutungen der Akteure, wie er umgekehrt erst durch deren Handeln und Deuten hervorgebracht wurde. Die Logik dieses Feldes aus der Dialektik von Handlungsbedingungen und Praktiken zu rekonstruieren, bildet daher das primäre Untersuchungsziel dieser Arbeit. Tatsächlich läßt sich beides nicht trennen: Das Aufweisen der Struktur des „Feldes der Hochfinanz“ einerseits und die Beschreibung der Logik der Kämpfe in diesem Feld andererseits bedingen sich gegenseitig. Unter dem „Feld der Hochfinanz“ wird dabei ein mehrdimensionaler Raum verstanden, der auf der Grundlage sämtlicher Machtfaktoren konstruiert ist, die in diesem oder jenem Augenblick innerhalb der Konkurrenzkämpfe wirksam werden. Ziel dieser Kämpfe wiederum ist es, jene Struktur in der vorliegenden Gestalt zu erhalten oder durch Neubestimmung der Hierarchie der Machtfaktoren zu verändern.19 Diese Fragestellung hat es notwendig gemacht, eine ganze Reihe unterschiedlicher Quellenformen zu erschließen und auszuwerten. Die Verortung 17 Daniel, Clio unter Kulturschock, S. 200; dies., »Kultur« und »Gesellschaft«; Sieder, Sozialgeschichte; sowie die Beiträge in Hardtwig u. Wehler (Hg.) und in Mergel u. Welskopp (Hg.). 18 Bourdieu, Die Feinen Unterschiede, S. 171-399. 19 Vgl. Bourdieu, Homo academicus, S. 54.

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der Bankiers im »Feld der Hochfinanz« erforderte vor allem die Erhebung prosopographischer Daten. Die quantitativen Angaben fußen in erster Linie auf genealogischen und biographischen Lexika wie dem Deutschen Geschlechterbuch, den Gotha'ischen Taschenbüchern, der Neuen Deutschen Biographie, demJahrbuchdes Vermögens und Einkommens der Millionäre und dem Biographischen Jahrbuch, dem reichhaltigen Material des Archivs des Instituts zur Erforschung Historischer Führungsschichten in Bensheim sowie personenbezogenen Daten aus einer Reihe von Stadtarchiven. Dazu kommen mehrere eher feuilletonistische Sammelbände mit Kurzbiographien und eine Reihe von »Familiengeschichten«. Unverzichtbar für das Verfolgen der beruflichen Stationen der Akteure erwiesen sich die diversen Jahrgänge des Deutschen Banquierbuches, die Geschäftsberichte der Banken und die älteren Festschriften sowie der Deutsche Wirtschaftsführer; für die Untersuchung der Aufsichtsratsverflechtungen wurden das Adressbuch der Directoren und Aufsichtsräte und Saling's Börsen-Jahrbuch herangezogen. Vervollständigt wurde dieses Material vor allem von drei Seiten: Eingesehen wurden erstens die Akten über die Verleihungen von Orden und Titeln, die besonders reichhaltig für die Berliner Bankiers vorlagen, und zwar im Bestand des Polizeipräsidenten von Berlin (Landeshauptarchiv Potsdam). Außerdem konnten die Bestände des preußischen Handelsministeriums und des Geheimen Zivilkabinetts im Geheimen Staatsarchiv Merseburg (jetzt Berlin-Dahlem) und die Ministerialakten im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München benutzt werden, sowie die Sammlungen von Zeitungsausschnitten durch die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank und das Pressearchiv des Reichslandbundes und im Hamburgischen Weltwirtschafts-Archiv. Weiterhin wurde eine systematische Auswertung der zeitgenössischen Fachpresse und -publizistik vorgenommen. Schließlich sei erwähnt das sehr heterogene, teilweise jedoch außerordentlich ergiebige Material aus den Archiven einzelner heute noch bestehender Banken, besonders der Deutschen Bank und der Dresdner Bank. Um die einzelnen Kreditinstitute in ihrer ökonomischen Bedeutung vergleichen zu können, werden die wichtigsten Angaben wie Grundkapital und Bilanzsumme im Anhang wiedergegeben. Um die oben erläuterten Fragen beantworten zu können und dabei sowohl mit quantitativen als auch qualitiativen Methoden der Heterogenität des Materials gerecht zu werden, sollen einige Konzepte und Begriffe Pierre Bourdieus für die Historiographie fruchtbar gemacht werden. Im Folgenden wird der heuristische Wert, die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von Bourdieus Konzept des »genetischen Strukturalismus«20 für eine erweiterte sozialgeschichtliche Untersuchung kurz diskutiert. 20 So Bourdieu selbstironisch in: Satz und Gegensatz, S. 44. Andernorts spricht Bourdieu auch von »strukturalistischem Konstruktivismus« oder »konstruktivistischem Strukturalismus« (Rede

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Bourdieu, der an Klassiker wie Weber, Marx, Durkheim und Levi-Strauss anknüpft, verbindet in seinen Arbeiten immer wieder mikrosoziologische Perspektiven, etwa die Beziehungen zwischen Bewußtseinsstrukturen und institutionellen Strukturen, mit der makrosoziologischen Kritik der Reproduktion der herrschenden Klassen in einer entwickelten industriekapitalistischen Gesellschaft. Gerade die Suche nach Verbindungen zwischen objektiven Strukturen (zum Beispiel des Bildungssystems) und den subjektiven Orientierungen der Akteure macht seine Überlegungen für den Historiker interessant, wenn er der Machtverteilung zwischen sozialen Gruppen, etwa den einzelnen Fraktionen der Oberklassen, nachgeht und dabei die historischen Subjekte nicht aus dem Blick verlieren darf. Einige Begriffe Bourdieus, die von zentraler Bedeutung für diese Untersuchung sind, bedürfen dabei der Erläuterung.21 Eine der zentralen Begrifflichkeiten Bourdieus ist die des »Kapitals«. Dieser Terminus bezeichnet üblicherweise Geld- und Sachwerte oder genauer: Eigentum an Produktionsmitteln. Die Reduzierung des Kapitalbegriffs auf reine Wirtschaftsgüter, deren Austausch auf Profitmaximierung ausgerichtet und durch Eigennutz geleitet ist, führt jedoch dazu, daß alle übrigen Sphären der Akkumulation gesellschaftlicher Macht und sozialen Austausches als uneigennützig erscheinen. Es ist daher eine zentrale Forschungsabsicht Bourdieus, in seiner »Ökonomie der kulturellen und symbolischen Phänomene« nachzuweisen, daß auch Sphären außerhalb derjenigen der Produktion und Zirkulation von Wirtschaftsgütern, etwa die Felder der kulturellen Produktion, nach ökonomischen Prinzipien strukturiert sind, nur daß diese »Ökonomien« (oder Märkte) keineswegs Geld oder geldwerte Leistungen zum Maßstab haben müssen, deren Erwerb sogar entgegengesetzt sein können, und ihre Bedeutung nicht selten verleugnen oder sogar ablehnen, wie es in bestimmten sozialen Gruppen, etwa der Bohème, der Fall ist.22 »Kapital«, gleichbedeutend mit Macht, ist akkumulierte Arbeit und existiert bei Bourdieu in verschiedenen Formen:23 Erstens gibt es das »ökonomische und Antwort, S. 135). Wie auch immer man seinen Ansatz bezeichnen will: Bourdieu ist ebensosehr daran gelegen, sich vom Strukturalismus oder »Objektivismus«, wie er ihn von Lévi-Strauss vertreten sieht, abzugrenzen, ohne dabei dem »Subjektivismus« bzw. der »Spontansoziologie« anheim zu fallen, wie daran, zu zeigen, in welcher Weise die handelnden Individuen selbst, die Akteure, gesellschaftliche Strukturen bilden und aufrecht erhalten. Zu Bourdieus Auseinandersetzung mit den genannten Ansätzen vgl. auch ders., Sozialer Sinn, S. 49-96. 21 Vgl. die Diskussion der zentralen Kategorien Bourdieus, ihrer Anwendung durch Historiker und der Risiken des Wissenschaftsimports bei Wehler, Herausforderung, S. 15-44; Raphael, Klassenkämpfe; den., Diskurse. Einen Überblick über die deutsche Bourdieu-Rezeption geben Reichardt, Bourdieu für Historiker? Gitcher-Holtey, Kulturelle und symbolische Praktiken; sowie die Beiträge in Eder (Hg.). 22 Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, S. 356f; ders., Satz und Gegensatz, S. 1lf. 23 Bourdieu, Ökonomisches Kapital - Kulturelles Kapital - Soziales Kapital, in: Kreckel (Hg.), S. 183-198; hier und im Folgenden zitiert nach Bourdieu, Die Verborgenen Mechanismen der Macht, S. 49-79.

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Kapital«, das als materieller Besitz in der Regel direkt in Geld ausgedrückt werden kann. Da ökonomische Macht in Kapitalgesellschaften nicht mehr von den »Inhabern« des Unternehmens (den Aktionären) ausgeübt wird, sondern von formal angestellten Leitern (den Managern), nimmt »ökonomisches Kapital«, soweit es sich um Wirtschaftsunternehmen handelt, außer der Form der personalen Herrschaft des Inhabers mehr und mehr den Modus der »Herrschaft durch Struktur« an.24 Die Bedeutung des »ökonomischen Kapitals« wird durch den säkularen Aufstieg des Bildungssystems für die Rekrutierung der Inhaber ökonomischer und politischer Machtpositionen relativiert. An seine Seite tritt als zweite Kapitalsorte das »kulturelle Kapital«, das in drei Erscheinungsformen auftritt. Erstens existiert es als »institutionalisiertes kulturelles Kapital«, womit alle möglichen »Bildungspatente« (Weber) gemeint sind. Diese Titel verschaffen ihrem Träger die mehr oder minder formalisierte Berechtigung, eine bestimmte Position einzunehmen und auf diese Weise die Möglichkeit, das »kulturelle« wieder in »ökonomisches Kapital« zu verwandeln. Eine zweite Erscheinungsform des »kulturellen Kapitals« liegt in »objektiviertem« Zustand vor: kulturelle Güter wie Bücher, Gemälde und Musikinstrumente, die als Eigentum erworben und übertragen werden können. Der aktuelle Wert dieses »Kapitals« ist ein Produkt der Auseinandersetzungen in den Feldern der kulturellen Produktion, vor allem in Kunst und Wissenschaft. Die Attraktivität dieser Form des »kulturellen Kapitals« liegt in der Einfachheit seiner Übertragung als Eigentumstitel, die sich zudem weitaus leichter verschleiern läßt als die Übertragung »ökonomischen Kapitals«. Dem steht gegenüber, daß sich seine eigentliche Aneignungsweise nur schwer übertragen läßt: Die Fähigkeit, sich einen ästhetischen »Zugang« zum Kunstwerks zu verschaffen, läßt sich nur während eines langen Zeitraums erwerben. Sie bilden eine dritte Erscheinungsform, das »inkorporierte kulturelle Kapital«. Dieses ist vollständig körpergebunden und setzt einen Verinnerlichungsprozeß voraus, der seinen Träger Zeit kostet, die er persönlich investieren muß, was wiederum voraussetzt, daß er währenddessen von ökonomischen Zwängen weitgehend befreit ist. Der Prozeß der Inkorporierung vollzieht sich außer in den Bildungsinstitutionen vor allem in der Familie, so daß diejenigen Familien, die über ein Maximum an »kulturellem Kapital« verfügen, dieses auch am wirkungsvollsten an die folgenden Generationen weitergeben können. Daher ist die Übertragung »kulturellen Kapitals« zweifellos die am besten verschleierte Form der Übertragung von sozialer Macht überhaupt. Die dritte Kapitalsorte ist das »soziale Kapital«, also die Gesamtheit der sozialen Beziehungen, die als potentielle oder aktuelle Ressourcen fungieren. Derartige Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens, die auf der Zu24 Bourdieu u.a., Kapital und Bildungskapital, in: ders. u.a., S. 23-87.

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gehörigkeit zu einer Gruppe beruhen, machen ihren Träger kreditwürdig. Akkumulieren läßt sich das »soziale Kapital« an Knotenpunkten, an denen es sich konzentriert, etwa in exklusiven Clubs. Die mehr oder weniger stark ritualisierte Aufnahme in eine fremde Gruppe, sei es eine Familie oder einen Stand wie den Adel, bildet einen Akt der Institutionalisierung »sozialen Kapitals«. Entscheidend ist, daß diese Kapitalsorten untereinander konvertierbar sind. Der Kauf eines Gemäldes, also die Übertragung eines Eigentumtitels, verwandelt zum Beispiel »ökonomisches« in »objektiviertes kulturelles Kapital«. Ganz so einfach sind Kapitalumwandlungen allerdings in den seltensten Fällen. Sie müssen nämlich von anderen Akteuren anerkannt und damit als »symbolisches Kapital« wirksam werden. Hierbei handelt es sich nicht allein um Ansehen oder Legitimität, auch wenn beide in diesem Begriff enthalten sind. »Symbolisches Kapital« kann unterschiedliche Ausprägungen annehmen, je nach der Logik des Feldes, in dem es wirksam ist. In mancherlei Hinsicht handelt es sich um transformiertes oder negiertes »Kapital«: Es bringt seinen ihm eigenen Effekt nur »in dem Maße hervor, wie es verschleiert, daß jene >materiellen< Arten des Kapitals auch ihm ... zugrunde liegen«.25 Das bedeutet, daß symbolische Gewinne nur mit solchen Handlungen erzielt werden können, denen nicht die Absicht der Profitmaximierung zu Grunde liegt. Distinktion, das Schaffen von Unterschieden, schließt aus der Sicht des Betroffenen jedes Streben nach Distinktion aus, eine Überlegung, mit der sich Bourdieu auch von Veblens conspicous consumption abgrenzt. Da sich der soziale Raum, die Sozialstruktur einer Gesellschaft, den Akteuren als ein System von unterschiedlich verteilten Merkmalen, das heißt von distinktiven Zeichen präsentiert, funktioniert er tendenziell wie ein symbolischer Raum. In der symbolischen Ordnung der Gesellschaft verleiht das »symbolische Kapital« seinem Träger die Macht, eine bestimmte Weltsicht und Wertordnung durchzusetzen, was nichts anderes bedeutet, als daß die symbolischen Kräfteverhältnisse die Verteilung des »materiellen Kapitals« reproduzieren, die den sozialen Raum strukturieren. Gleichzeitig ist diese Klassifikationsmacht die wirkungsvollste Art, soziale Trennungen und Gliederungen sichtbar zu machen, Gruppen zu schaffen und dadurch die soziale Welt zu beeinflussen.26 Eine Sonderform »symbolischen Kapitals« ist das »politische Kapital«, das zum einen darin besteht, kraft symbolischen Handelns soziale Gruppen entstehen zu lassen, und zum anderen darin, durch Delegation für diese Gruppe, also in ihrem Namen zu sprechen. Das »Kapital« bleibt unfruchtbar, solange es nicht an einem Ort wirksam wird, an dem (ökonomische, kulturelle oder symbolische) Güter produziert werden und zirkulieren, um deren Aneignung die Akteure konkurrieren. Diese

25 Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, S. 357. 26 Bourdieu, Wie eine soziale Klasse entsteht, in: Her Tote packt den Lebenden, S. 117-129.

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Orte, an denen das »Kapital« investiert wird, nennt Bourdieu »Felder«.27 Sie tragen einen Doppelcharakter: Einerseits sind sie definiert als mehrdimensionale Schauplätze von Konkurrenzkämpfen. Die Position der Akteure in einem derartigen Raum hängt ab vom Umfang und der Struktur ihres Kapitalbesitzes. Entsprechend ihrer Position und damit ihrer Möglichkeiten zur Profitaneignung sind die Teilnehmer dieser Kämpfe entweder an der Bewahrung oder der Veränderung der im »Feld« herrschenden Kräfteverhältnisse interessiert. Ein Feld wie dasjenige der Hochfinanz stellt also ein System von objektiven, meßbaren Positionen und den Beziehungen zwischen ihnen dar. Andererseits wirken Felder auch als Kraftfelder und Sozialisationsinstanzen, die sich auf all diejenigen Akteure auswirken, die sich in ihnen bewegen. Daß die Akteure ein Interesse an der Teilnahme an dem »Spiel« des »Feldes« haben, setzt den Glauben an den Sinn dieses Spiels voraus. Diesen Glauben bezeichnet Bourdieu als »illusio«: ein Einverständnis, das alle Beteiligten miteinander verbindet, entreißt sie der Indifferenz gegenüber dem, was im »Feld« geschieht. Im übrigen besitzen die »Felder« eine relative Autonomie gegenüber den Geschehnissen außerhalb, was dazu führt, daß bei einem hohen Grad der Autonomie tendenziell alles, was sich in einem »Feld« ereignet, an die Geschichte dieses »Feldes« gebunden ist. Mit anderen Worten: Die gesamte Geschichte des »Feldes« ist in seiner Funktionsweise enthalten. Die Vermittlung zwischen der analytischen Ebene der »Felder« und ihrer Struktur einerseits und der Ebene der (ökonomischen, kulturellen, symbolischen) Praktiken und Praxisformen andererseits ist bei Bourdieu im Konzept des »Habitus« gefaßt. Als »System dauerhafter und übertragbarer Dispositionen« bezeichnet der Habitus eine generative »Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmatrix«. Geformt wird diese Matrix durch die Inkorporierung der Strukturen jener Kraftfelder, in denen sich die Akteure bewegen. Auf diese Weise erzeugt der Habitus als »modus operandi« Praxisformen, die ihrem Zweck und Ziel innerhalb dieser Felder angepaßt sind, ohne daß sie das Resultat irgendeiner strategischen Absicht wären. Tendenziell reproduziert der Habitus also die Existenzbedingungen, die ihn selbst hervorgebracht haben.28 Der heuristische Wert der Kategorien von Bourdieu für diese Untersuchung liegt erstens in der Erweiterung des Kapitalbegriffs. Dadurch wird es möglich, die verschiedenen Aggregatzustände sozialer Macht analytisch zu fassen, über die Bankiers verfügten und die Fähigkeiten und Grenzen zu bestimmen, mit denen sie diese Macht - die in erster Linie auf ihrem »ökonomischen Kapital« beruhte -, an unterschiedlichen sozialen Orten (politisch, sozial, kulturell) ein27 Bourdieu, Über einige Eigenschaften von Feldern, in: Soziologische Fragen, S. 107-114. 28 Bourdieu, Zur Soziologie symbolischer Formen, S. 142-158; ders., Entwurf einer Theorie der Praxis, S. 164-202;ders., Sozialer Sinn, S. 97-121, bes. S. 98f.;ders., Sozialer Raum und »Klassen«. Leçon sur la leçon, S. 75; ders., Die Feinen Unterschiede S. 281-283; ders., Zur Genese der Begriffe Habitus und Feld, in: Der Tote packt den Lebenden, S. 59-66.

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zusetzen vermochten. Zweitens erlaubt das Konzept des sozialen »Feldes« nicht nur die Darstellung des Entstehens und Wandels einer funktional definierten Gruppe und ihres inneren Machtgefälles, es schließt darüber hinaus auch die subjektiven Wahrnehmungen der Akteure als konsumtive Bestandteile historischer Realität mit ein. Drittens eröffnet das Konzept des »Habitus« als System inkorporierter Strukturen die Chance, die sich aus den unterschiedlichen Lebensumständen, Sozialisationsinstanzen und -effekten ergebenden Affinitäten und Blockaden zwischen den Angehörigen der einzelnen Oberklassenfraktionen zu systematisieren und auf diese Weise nicht allein die Voraussetzungen für die möglichen Beziehungen der Großbankiers zu Angehörigen der übrigen bürgerlichen Teilgruppen, sondern auch für die vielfältige Fraktionierung der bürgerlichen Mittel- und Oberklassen zu untersuchen. Diese Arbeit ist weder der Ort, um eine umfassenden Kritik an diesem Ansatz zu diskutieren, noch handelt es sich um den Versuch, einer bestimmten Theorieschule orthodox zu folgen.29 Der Nutzen der Konzepte Bourdieus für das Untersuchungsvorhaben besteht vielmehr darin, aus einem methodisch anspruchsvollen sozialwissenschaftlichen Konzept neue Perspektiven für eine historiographische Analyse zu gewinnen, die einen Ausweg aus den Sackgassen strukturalistischer Funktionszwänge einerseits und der Reduktion sozialer Prozesse auf die Rekonstruktion der Binnenperspektive der Akteure andererseits zu finden sucht Eine Analyse des Sozialprofils, der Einstellungen und Strategien der Großbankiers erfordert zunächst die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes. Eine Definition des Begriffs »Hochfinanz« stößt dabei auf vielerlei Schwierigkeiten. Für den untersuchten Zeitraum ist es unmöglich, die Spitzenpositionen im deutschen Bankwesen anhand objektiver Kriterien wie der Bilanzsumme oder dem Grundkapital einer Bank zu definieren. Diese Daten sind für die Privatbanken wegen der mangelhaften Überlieferung nicht zu beschaffen. Zudem wäre die Festlegung einer Mindestgröße, etwa des Grundkapitals, ein ausgesprochen willkürliches Verfahren; ganz abgesehen davon, daß bei einem über vierzigjährigen Untersuchungszeitraum mehrere solcher Markierungen notwendig wären. Auch Erich Achterberg, langjähriger Chefredakteur der Zeitschriftfür das gesamte Kreditwesen, blieb in seinem 1965 erschienenen Buch »Berliner Hochfinanz um 1900« eine Begriffsklärung schuldig.30 29 Häufig wird die angebliche Frankreichzentrierung sowie eine inhärente Statik, die es unmöglich mache, gesellschaftliche »Lernprozesse« zu erfassen, kritisiert; vgl. Reuhardt, S. 86-90; Eder, Klassentheorie, S. 39-41. 30 Achterberg, Berliner Hochfinanz. Aussagen wie: »Die Hochfinanz einer Stadt oder eines Landes ist eine Gruppe von Personen, die den Umgang mit dem Gelde meisterhaft verstehen.« (S. 212) oder: »Nahe liegen könnte es, den Begriff Hochfinanz einfach mit Reichtum zu übersetzen. Es steckt jedoch mehr in ihm. Reichtum ist ein unpersönlicher Begriff, Hochfinanz hingegen enthält den Hinweis auf die Initiative einzelner Persönlichkeiten, auf das Management, auf die

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Schon Zeitgenossen sahen das Problem des etwas diffusen Terminus. Georg Bernhard, der Herausgeber des Plutus, schrieb 1905 in einem populärwissenschaftlich gehaltenen Panorama der Berliner Bankwelt: »Es ist wohl die allgemeine Annahme, daß zur hohen Finanzwelt alle Bankiers gehören, deren Kapital über eine gewisse Summe hinausgeht. Aber nichts wäre falscher, als eine solche Annahme. [...] Die Hautefinance ist keine durch Gesetz und Rechte nach außen abgeschlossene Körperschaft, aber wie das oft zu geschehen pflegt, ist ihre Abschließung noch enger gerade dadurch, daß sie auf ungeschriebenem Gewohnheitsrecht beruht. Die Hautefinance ist auch kein Klub, dessen Mitglieder durch Ballotage darüber abstimmen, ob irgendein Neuling als vollgültiges Mitglied in ihre Reihen aufzunehmen ist; der eigentliche Schiedsrichter in dieser Frage ist die Meinung der Börse, und sie beschließt keineswegs allein nach dem Geldbeutel. Eine ganze Reihe von Firmen und Banken, deren finanzielle Potenz über alle Zweifel erhaben stand, deren Wechsel von den Börsenleuten zum billigsten Prozentsatz hereingenommen wurden, sind niemals zur Hautefinance gerechnet worden. [...] Die Hautefinance stellt gewissermaßen den Börsenadel dar. Und merkwürdig ist, daß gerade im Mittelpunkt des Kapitalismus das Adelsprädikat durch Geld nicht erworben werden kann.«31 Bernhards Urteil krankte sicher an der Gleichsetzung von »Bank« und »Börse«, denn um die Jahrhundertwende waren Börsenoperationen für die Banken nur noch ein Geschäftsgebiet neben anderen. Außerdem überschätzte er vermutlich die Bedeutung des Prestiges einzelner Institute. Dennoch macht Bernhard die Schwierigkeiten deutlich, die Hochfinanz aus der übrigen Bankwelt herauszuheben. Daher wird in dieser Untersuchung als Kriterium für die Zugehörigkeit zur deutschen Hochfinanz die Mitgliedschaft im sogenannten »Preußenkonsortium« beziehungsweise Reichsanleihekonsortium gewählt. Dieses trat 1859 erstmalig und seit 1867 regelmäßig zusammen, um den Großteil der preußischen und Reichsanleihen unterzubringen. Dieses Verfahren bietet folgende, hier thesenartig skizzierte Vorteile: Für die Untersuchung ergibt sich eine klar abgrenzbare Gruppe von Banken. Das Preußenkonsortium war das größte damals in Deutschland operierende Bankenkonsortium; zwischen 1870 und 1913 gehörten ihm insgesamt 39 private Geschäftsbanken einmal oder wiederholt an. Die Leiter und Inhaber dieser 39 praktisch über das gesamte Reichsgebiet verteilten Institute repräsentierten alle Sparten des privaten deutschen Bankgewerbes und bilden auch für eine quantitative Untersuchung ein hinreichend großes wie überschaubares Sample. Denn aufgrund der Gewinne, welche die Banken hier zumindest bis zur Jahrhundertwende machten, und des Prestiges, das die Mitgliedschaft im KonKommandobrücke des Wirtschaftsschiffes im Strom des Großkapitals« (S. 8) vernebeln mehr, als daß sie aufklären. Allenfalls läßt sich in ihnen der Versuch erkennen, eine Gruppe von Bankiers einzureihen unter die »großen Männer, die Geschichte machen«. 31 Bernhard, Berliner Banken, S. 23f 22 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

sortium versprach, drängten sich die Banken um ihre Aufnahme, und nur die größten und solidesten wurden genommen.32 In ihm waren alle nennenswerten Typen der damals exisitierenden großen Kreditinstitute - Großbanken, Privat- und Aktienbanken im geographischen Zentrum und an der Peripherie der deutschen Bankwelt, Hypothekenbanken, merchant banks und Industriebanken - vertreten. Es ist also davon auszugehen, daß sich unter den Leitern und Inhabern dieser Banken sämtliche relevanten sozialen Merkmale und sämtliche unterschiedlichen sozialen Typen von Großbankiers finden lassen. Bestimmt man andererseits den Begriff »Hochfinanz« durch die Teilnahme an nationalen und internationalen Finanzoperationen, sind die Mitglieder des Preußenkonsortiums aufgrund der Definition durch ihre Beteiligung an der Aufbringung der staatlichen Anleihen, zunächst der des größten Einzelstaates, Preußens, dann auch der des Deutschen Reiches, Mitglieder der Hochfinanz.33 Praktisch alle Banken des Konsortiums pflegten darüber hinaus auch internationale Geschäftsbeziehungen.34 Die derart gewonnene Untersuchungseinheit besteht aus 376 Personen (siehe Tab. 1). Das ist sicherlich nur ein Ausschnitt der von Werner Sombart für die Jahrhundertwende auf 70 bis 75.000 Köpfe geschätzten »Kerntruppe der Bourgeoisie«, der »Vollblutbourgeois«.35 Aber das soziale Handeln der Hochfinanz dürfte immerhin auf die mehrtausendköpfige Gemeinschaft der Inhaber mittlerer und höherer Leitungspositionen im Bankgewerbe als Vorbild gewirkt haben. Denn die zahllosen Prokuristen, stellvertretenden Vorstandsmitglieder und Filialleiter der Banken des Konsortiums wie die Leiter, Inhaber und Prokuristen anderer Institute konnten auf eine Karriere als Großbankier hoffen und ihr Sozialverhalten am Leibild der bereits Arrivierten orientieren. Andererseits sollte man sich vor Augen halten, wie klein die Spitzengruppe aus Wirtschaft und Politik, Verwaltung und Kultur letztlich war. Man braucht für diese Überlegung nicht einmal Walther Rathenaus Bemerkung aus dem Jahre 1909 wörtlich zu nehmen, daß »dreihundert Männer, von denen jeder jeden kennt [und von denen sicherlich ein gutes Duzend dem Sample dieser Arbeit angehört, der Vf.], die wirtschaftlichen Geschicke des Kontinents« leiten.36

32 GStA Merseburg 2.2.1. Nr. 25137 (7.2.1910); GStA Dahlem Rep. 109 Nr. 5075 (28.2.1903, 23.9.1912); Nr. 5389(4.10.1878, 16.9.1887, 16.9.1887); VZ Nr. 53 (1.2.1899); BBC Nr. 130 AA (11.3.1880); Schwabach, S. 142; Helfferich, Bd. I S. 335; Stuebel, S. 96; Reiter, S. 107; Witt, S. 311; Treue u.a., S. 271. 33 Da das Preußische Finanzministerium und das Reichsschatzamt ihre Anleiheoperationen aufeinander abzustimmen pflegten, waren die Konsortien für preußische wie für Reichsanleihen stets identisch, abgesehen von der Teilnahme der Reichsbank, die sich an der Unterbringung preußischer Anleihen nicht beteiligte. 34 Barth, Imperialismen, passim; übersichtlich: Schaefer, S. 28-34. 35 Zitiert nach Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. III, S. 704f. 36 Zitiert nach Kessler, Walther Rathenau, S. 118.

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Da sich die Zusammensetzung des Konsortiums im Laufe des Untersuchungszeitraumes wandelte, ist es möglich, den Veränderungen in der Zugehörigkeit zur deutschen Finanzelite nachzuspüren. Deshalb handelt es sich um ein in chronologischer Hinsicht dynamisiertes Sample. Auf diese Weise gelangt man auch zu einem angemessenen Verhältnis von untersuchten Privatbanken und Aktienbanken. Wie sich zeigen wird, ist für eine sozialhistorische Analyse der Hochfinanz der Unterschied zwischen einem Privatbankier und dem Leiter einer Aktienbank konsumtiv. Das gleiche gilt für das Problem der Relation zwischen Berliner Banken und »Provinzbanken«. Schon durch die Tatsache, daß sich nach der Reichsgründung das Verhältnis zwischen dem Berliner Kapitalmarkt und den übrigen deutschen Finanzplätzen stark veränderte, wird die Frage nach der Gewichtung der Banken aufgeworfen, welche die einzelnen Finanzplätze repräsentierten. Darüber hinaus stehen angesichts der regional differenzierten Gesellschaft des Deutschen Reiches die einzelnen Orte, an denen die Banken und die Bankiers ansässig waren, auch für möglicherweise unterschiedliche soziale Positionen und soziale Muster der Bankiers. Tab. 1: Übersicht zum Sample nach den Kategorien der Untersuchung (376 Fälle) Kategorien der Untersuchung

Anzahl

Manager-Bankiers Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften Geschäftsinhaber einer KGaA Privatbankiers

294 239 55 82

Berliner Bankiers Provinsbankiers Wechsel zwischen Berlin und Provinz

211 158 7

Jüdische Bankiers nichtjüdische Bankiers k.A.

123 143 110

Schließlich sei die eben getroffene Definition der Hochfinanz als »Leiter und Inhaber« der 39 Banken des Preußenkonsortiums noch einmal präzisiert. Es handelt sich um die Inhaber der Privatbanken, seien sie offene Handelsgesellschaften oder als Kommanditgesellschaften, um die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA, oft auch als Geschäftsinhaber bezeichnet) und um die ordentlichen Vorstandsmitglieder der Aktiengesell24 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Schaften. Damit besteht das Sample aus 376 Bankiers. Nicht aufgenommen wurden die stellvertretenden Vorstandsmitglieder, Subdirektoren und Filialleiter sowie die Aufsichtsratsmitglieder (auch nicht die Aufsichtsratsvorsitzenden) der Aktienbanken. Letztere gehörten entweder ohnehin als aktive Bankiers von Bedeutung dem Sample an oder standen der Bankwelt zu fern, um als Mitglieder der Hochfinanz zu gelten. Zuweilen handelte es sich sogar um reine Dekorationsfiguren. Das Machtzentrum einer Aktienbank war seit den 1880er Jahren bei der Mehrzahl der Institute nicht der Aufsichtsrat, sondern der Vorstand, und in der Zeit davor waren es die Bankiers im Aufsichtsrat, welche die wichtigsten Entscheidungen fällten. Die stellvertretenden Vorstandsmitglieder und Filialchefs waren in der Ausübung ihrer Kompetenz zu sehr an die Weisungen des obersten Leitungsgremiums der Bank gebunden, um zur Hochfinanz zu zählen. Was Bankiers außerhalb des Konsortiums anbetrifft, die gleichwohl zur deutschen Finanzelite gehörten, so dürften sie sich in ihren sozialen Merkmalen nicht allzu sehr von den Bankiers des Samples unterscheiden. Denn wenn sie wirklich Mitkonkurrenten waren um die einträglichsten Positionen im deutschen Bankwesen, mußten auch sie sich der Logik des »Feldes der Hochfinanz« beugen und das Profil, das die Spieler in diesem »Feld« trugen, besitzen oder annehmen. Eine Einschränkung ist freilich zu machen: Die Leiter der dem Konsortium angehörenden staatlichen Banken, also der Reichsbank, der Seehandlung und der Königlich Bayerischen Hauptbank, wurden nicht in das Sample aufgenommen. Da es sich um Beamte handelte, ist sehr fraglich, ob sie in die Gruppe der »Hochfinanz« gehören. Von der Unternehmenszugehörigkeit (Staatsbetrieb versus Privatunternehmen) über das Einkommen37 und die sozialen Verflechtungen bis zum Berufsethos und ihrem Habitus unterschieden sie sich von den Leitern und Inhabern der Geschäftsbanken so sehr, daß diese Einschränkung gerechtfertigt erscheint. Rechnet man die Leiter der Staatsbanken, die hohen Beamten der zuständigen Ministerien und die Industriellen zum Kreis der Hochfinanz, wie es Achterberg tat,38 so stößt man wieder auf die oben erörterten Definitionsprobleme. Daher bleibt in dieser Untersuchung die Verwendung des Begriffs Hochfinanz auf die Großbankiers, also auf die Leiter und Inhaber der wichtigsten privaten Kreditinstitute, beschränkt. 37 Im Jahre 1893 verdienten die drei Mitglieder des Reichsbankdirektoriums Waldemar Mueller, Maximilian von Klitzing und Hugo Hartung zwischen 10.000 und 13.000 Mark p.a., ein Jahr draufjeweils 1.000 M. mehr. Zu diesem Zeitpunkt (1895) verdiente der Privatbankier Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy (Mendelssohn & Co.) etwa 1.1 Mio M. p.a. und zahlte dafür über 45.000 M. Steuern, und ein Vorstandsmitglied wie Z.B.Johannes Kaempf von der Darmstädter Bank ca. 160.000 M. p.a. Die Bankiers waren also materiell in der Lage, einen ganz anderen - »plutokratischen« - Lebensstil zu führen als die Beamten. Für Mueller, Klitzing und Hartung: BA Potsdam RdI 2110 Nr. 5 B Bd.l; für Mendelssohn-Bartholdy: LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11792 (27.9.1895); für Kaempf: ebd. Nr. 11175 (27.12.1895). 38 Achterberg, Berliner Hochfinanz, S. 8f. und passim.

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Diesem Verfahren stehen die folgenden möglichen Nachteile entgegen: 1. Die Auswahl der Banken, die in der Untersuchung zur Hochfinanz gezählt werden, stammt von staatlichen Stellen (Staatsbanken, Preußisches Finanzministerium, Reichsschatzamt) und nicht aus der Bankwelt oder einschlägigen Publikationen. Die jeweilige Zusammensetzung des Konsortiums konnte also politischen, mithin außerökonomischen Beweggründen Rechnung tragen, was quer zu einem primär ökonomisch (und sozial) zu definierenden »Feld der Hochfinanz« liegt. Damit wäre die Gefahr einer »politischen Verzerrung« des Untersuchungssamples gegeben. Tatsächlich berührten politische Erwägungen jedoch weitaus stärker die Form der Anleihebegebung, also die Frage, ob überhaupt ein Konsortium zusammentreten solle, und weniger, aus welchen Banken es zu bestehen habe. 2. Aus mancherlei Gründen ist es bei diesem Verfahren möglich, daß zweitrangige Banken in das Sample geraten oder nur ein Teil der tatsächlichen Hochfinanz mit dem Reichsanleihekonsortium abgebildet wird. Die erste Variante ist nicht auszuschließen. In diesem Fall besteht jedoch die Möglichkeit, anhand der sozialen Merkmale zu beurteilen, welche Position weniger bedeutende Bankiers im Feld der Hochfinanz - gegebenenfalls auch an der Grenze des Feldes oder jenseits davon - einnehmen. Das trägt offensichtlich zur Schärfung des Begriffs bei. Zur zweiten Variante ist zu sagen, daß praktisch alle erstrangigen Banken im Preußenkonsortium vertreten waren, wie die Untersuchung zeigen wird. 3. Zweifellos konstituierte das Preußenkonsortium nicht die Hochfinanz als solche. Dazu war die gesamtökonomische Bedeutung der staatlichen Anleiheoperationen zu gering. Vor allem für die 1870er Jahre gilt, daß aus verschiedenen Gründen diverse überregional bedeutende Banken nicht im Konsortium vertreten waren. Aber schon zu dieser Zeit gehörten die größten Banken zumal Preußens dem Konsortium an, das wiederholt auch bei Transaktionen über die staatlichen Anleihen hinaus zusammentrat. Das Konsortium bildete also keine zufällige Auswahl beliebiger Banken. Wenn es die Hochfinanz nicht konstituierte, repräsentierte es sie doch. Allerdings ist die Verwendung des Begriffs »Hochfinanz« oder »haute finance« für die 1870er Jahre ein wenig irreführend. Noch gab es keine Bank oder Bankengruppe, die im gesamten Reichsgebiet tätig war oder gar eine Anzahl von Instituten, die zusammen den deutschen Finanzmarkt beherrschten. Auch wenn sich Berlin mittlerweile zum führenden deutschen Markt für Eisenbahnwerte aufgeschwungen hatte, war der Konzentrationsprozeß im Bankgewerbe doch noch nicht so weit fortgeschritten, daß auch nur alle bedeutenderen Banken in Berlin auf die eine oder andere Weise vertreten waren und damit irgendwie einheitlich hätten agieren können. Auch die Begriffe »Hochfinanz« und »haute finance« wurden bezeichnenderweise zu dieser Zeit noch kaum verwendet. Sie tauchen erst seit etwa 1890 auf, als die Kapitalkonzentration im 26 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Bankwesen ein neues Niveau erreicht hatte und eine neue soziale Gruppe von Großbankiers entstanden war. Die Konzeption der Untersuchung muß diese Überlegungen berücksichtigen. Eine Analyse des Sozialprofils, der Einstellungen und Strategien der Großbankiers erfordert zunächst eine Rekonstruktion des »Feldes der Hochfinanz«, denn so wenig »Bankier« gleich »Bankier« ist, so wenig ist es möglich, eine Untersuchung der sozialen Dispositionen und Praktiken der Hochfinanz zu beginnen, ohne den Aufbau des »Feldes« und die Position der Akteure darin möglichst genau zu bestimmt zu haben. Die Dimensionen des »Feldes« werden in den ersten fünf Kapiteln der Arbeit dargestellt: erstens der Gegensatz zwischen seinem geographischen Zentrum und seiner Peripherie, der bereits in der Entstehung des »Feldes« unauflöslich mit seiner Existenz verknüpft war; zweitens die Hierarchien der ökonomischen Macht als Folge der ungleichen Verteilung »ökonomischen Kapitals«; drittens die Form der Ausübung ökonomischer Herrschaft, die auf vielfältige Weise die Herkunft, Ausbildung und Laufbahn, Reichtum und Ansehen (als Folge der im »Feld« erzielbaren Profite) der Bankiers bestimmte; viertens die »ethnische Struktur« der Hochfinanz, also das auf besondere Weise von Kontinuität und Wandel gekennzeichnete Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden; fünftens das »soziale Alter« der Institute und Akteure, das ebenfalls entscheidend die Laufbahnen beeinflußte und nicht nur über den Zugang zu einflußreichen und profitablen Positionen entschied, sondern auch die Berufseinstellung der Bankiers prägte. Auf diese Weise kann ein differenziertes Sozialprofil der Hochfinanz in ihren vorrangig ökonomischen Existenzbedingungen, ihrer Kohäsion und Binnendifferenzierung unter steter Berücksichtigung der Handlungsebene gezeichnet werden. Daran anschließend wird in zwei Kapiteln zum einen der sozialen Integration der Hochfinanz in den Raum der Oberklassen nachgegangen, wobei konnubiale Verflechtungen und Lebensstil sowie die Dynamik innerhalb der großbürgerlichen Familie im Vordergrund stehen. Zum anderen wird die politischen Praxis der Hochfinanz untersucht, deren Grundbedingungen in ihrer Binnenstruktur, ihrer Fremdwahrnehmung und in der sich wandelnden Stellung des »Feldes der Hochfinanz« zum Feld der politischen Macht bestanden. Abschließend sollen einige besonders hervorstechende Merkmale des Habitus der deutschen Großbankiers zusammengefaßt und sich daraus ergebende weitere Folgerungen und Anstöße für die Bürgertumsforschung skizziert werden.

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1. Berliner Bankiers und Provinzbankiers Von einem zusammenhängenden »Feld der Hochfinanz« kann im deutschsprachigen Raum frühestens seit den 1870er Jahren gesprochen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es wohl in manchen deutschen Städten, etwa in Frankfurt, einzelne reiche Bankiers wie Amschel Mayer Rothschild, deren Macht weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt hinausreichte. Aber es zeigt sich keine Gruppe, die an ökonomischer Macht, sozialem Prestige und überregionalem Zusammenhalt eine »deutsche Hochfinanz« hätte bilden können, mit anderen Worten: eine Dominanz über das Bankwesen im nationalen Wirtschaftsraums auszuüben vermocht hätte und als kohärente soziale Gruppe identifizierbar gewesen wäre. Bratz leugnete für die Zeit vor 1850 sogar die Existenz eines »Bankierstandes«. Die relative Rückständigkeit des deutschen Bankwesens zeigte sich gerade in der geringen Verknüpfung der einzelnen regionalen Bankund Börsenplätze untereinander.1 Auch dauerte es bis zum Jahr 1901, bis neben lokalen Zusammenschlüssen von Bankiers ein reichsweit organisierter Interessenverband des Kreditgewerbes gegründet wurde. Mit dem Entstehen eines nationalen »Feldes der Hochfinanz« verband sich der Gegensatz zwischen den Bankiers des sich herauskristallisierenden Bankenzentrums Berlin und ihren Kollegen in anderen Bank- und Börsenstädten. Dieser Gegensatz war also kein zu Beginn des Untersuchungszeitraumes gegebener, sondern er entwickelte sich mit dem Aufstieg und der Dominanz der Aktiengroßbanken in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung. Im Folgenden soll das Entstehen dieser Struktur und ihre Wirkung auf das »Feld der Hochfinanz« unter mehreren Gesichtspunkten verfolgt werden. Dabei soll zunächst die strukturprägende Verteilung von »Kapital« zwischen den Berliner Bankiers und ihren Kollegen in den Regionalbanken im Vordergrund stehen. Daß die »Hochfinanz« jedoch nicht allein durch ihre ökonomische Funktion im Bankwesen und der sich daraus ergebenden gemeinsamen Interessenlage zu definieren ist, sondern darüber hinaus auch durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl vergemeinschaftet war und von Außenstehenden als ein Milieu mit 1 Bratz, S. 19. »Die Eigentümlichkeit der deutschen Zustände bot keinen Zentralpunkt für den Geldverkehr und für die großen finanziellen und industriellen Schöpfungen, wie ihn Frankreich in Paris, und England in London haben. Jede der Börsen von Frankfurt, Berlin, Hamburg und Leipzig bilden einen selbständigen Mittelpunkt für eine Reihe von Unternehmungen.« Knips, S. 65. Beispielsweise waren die Geschäftsverbindungen der Stuttgarter Banken auf Süddeutschland (Frankfurt und Augsburg) beschränkt. Kaulla, S. 6, S. 43; Kirchgässner, S. 73.

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hoher sozialer Kohäsion betrachtet wurde, zeigt sich am Beispiel der Berliner Großbankiers. Anfang wie Ende des Untersuchungszeitraumes werden durch tiefe Zäsuren in der deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und besonders in der Geschichte des Bankwesens markiert. Nicht allein die politischen Daten von Reichsgründung und Ausbruch des Ersten Weltkrieges markieren diese Einschnitte. Am Beginn standen die großen Rechtskodifikationen der »liberalen Ära«, die auch das Bankgewerbe wesentlich berührten. Die Aufhebung der Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften durch den Norddeutschen Reichstag im Jahre 1870, das günstige Investitionsklima nach der Reichsgründung,2 als nach einer längeren Zeit der politischen Unsicherheit bislang aufgeschobene Investitionen getätigt wurden, und die industrielle Hochkonjunktur dieser Jahre führten zu einer Welle von Bankgründungen in ganz Deutschland zwischen 1870 und 1873.3 Die Rückschrittlichkeit des deutschen Bankwesens wurde außerdem zu einem guten Teil aufgeholt durch die Währungs- und Notenbankreformen zwischen 1870 und 1875, als das Deutsche Reich zur Goldwährung überging und die Reichsbank als Zentralnotenbank am 1.1.1876 ihre Arbeit aufnahm.4 Bis Anfang der 1870er Jahre existierten in Deutschland 2 Die Auswirkungen der französischen Kriegsentschädigung auf den deutschen Konjunkturverlauf werden in der Literatur unterschiedlich bewertet. Während Wehler (Gesellschaftsgeschichte, Bd. III, S. 98f.) diesen Faktor aufgrund der sukzessiven Zahlung für überschätzt hält, beharrt Schaefer (S. 9lf.) auf der konjunkturüberhitzenden Wirkung der sprunghaft angestiegenen Geldmenge. Daß die Investoren jener Jahre aus der Kriegsentschädigung Vorteile erwarteten, dürfte dagegen außer Zweifel stehen; vgl. Tilly, Zollverein, S. 80; den., Zeitreihen. 3 Die Angaben über die Anzahl der Bankgründungen während der Hochkonjunktur von 1871 bis 1873 gehen weit auseinander. Nach einer neueren Studie Pohls, deren Zahlen den Höhepunkt der »Gründerzeit« 1871/72 deutlich erkennen lassen, entstanden 1869: 6 Neugründungen, 1870: 13, 1871: 68, 1872: 89, 1873: 9. Eine ältere Berechnung kam für das Jahr 1872 auf eine Gesamtzahl von 139 Kreditbanken in Deutschland (ohne Noten- und Hypothekenbanken), von denen nur 30 bis einschließlich 1869 gegründet worden waren gegenüber 100 in den beiden Jahren 1871 und 1872. Der Schwerpunkt der Bankgründungen lag mit 21 neuen Instituten deutlich sichtbar in Berlin. Pohl, Gründungsboom und Krise, S. 2 l f ; Riesser, Großbanken, S. 648-650. 4 Der Übergang von der Silber- zur Goldwährung vollzog sich in Deutschland nicht in einem Akt, sondern in mehreren Etappen: Mit dem Gesetz des Norddeutschen Reichstages vom 27.3.1870, das die Errichtung weiterer und die Erhöhung der Kontingente bestehender Notenbanken untersagte, dem Beschluß der preußischen Regierung vom 3.7.1871, den freien Silberankauf durch die preußische Münze einzustellen, dem Beschluß des Bundesrates vom Oktober 1871 und dem Münzgesetz vom 9.7.1873 über die Einführung der Goldwährung (daneben blieben allerdings bis 1909 Silbertaler gesetzliche Zahlungsmittel) und der Umwandlung der Preußischen Bank in die Reichsbank durch das Bankgesetz vom 14.3.1875. Als die Reichsbank mit ihrer Arbeit begann, bestanden neben ihr noch 33 andere Notenbanken in Deutschland (neben den bei Pohl genannten 32 Instituten existierte noch die Landständische Bank in Bautzen). Von ihnen verzichteten sofort 12 auf ihr Notenprivileg, um sich in Geschäftsbanken zu verwandeln, darunter aus dem hier untersuchten Sample die Leipziger Bank und die Mitteldeutsche CB. 1890 arbeiteten noch 13 Notenbanken neben der Reichsbank, 1905 waren es nur noch fünf. Born, Geld und Banken, S. 10-47; Pohl, Deutsche Bankengeschichte, Bd. II, S. 223f; ders., Konzentration, S. 105; Täuber, S. 36-64; Kiesewetter, S. 293f., Riesser, Großbanken, S. 36-38.

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nicht weniger als sieben Münzsysteme, von denen sechs auf Silber und eines auf Gold beruhte. Daneben waren ausländische, aber auch preußische und österreichische Goldmünzen im Umlauf Von den Landesherren konzessionierte Notenbanken bestanden in allen größeren und kleineren Bundesstaaten, ohne daß eine zentrale Instanz zur Währungsregulierung bestanden hätte. Während der »zweiten Phase« der Gründung von Aktienbanken kam es in weitaus stärkerem Maße zu interregionalen Beziehungen, Gründungshilfen und Beteiligungen als in den 1850er Jahren. So kamen die Gründer der Deutschen Bank aus Berlin, Hamburg, Stuttgart, Köln, Frankfurt/M., Leipzig, Breslau, Bremen und sogar aus Warschau.5 Um die Deutsche Bank und ihren ersten Aufsichtsratsvorsitzenden Adelbert Delbrück (Delbrück, Leo & Co.) spann sich zwischen 1870 und 1872 ein Netz von Bankgründungen. Beide Banken beteiligten sich 1872 an der Gründung der AG für Boden- und Communalcredit in Elsaß-Lothringen, und zwar zusammen mit der Württembergischen Vereinsbank.6 Mit dem Schaaffhausen'schen Bankverein verbanden sich Delbrück, Leo & Co. und die Deutsche Bank dergestalt, daß das Kölner Institut an der Gründung der Deutschen Bank teilnahm und einen Sitz in deren ersten Aufsichtsrat übernahm und außerdem zwischen 1871 und 1891 Delbrück, Leo & Co. kommanditierte; zusätzlich war der Bruder eines der Kölner Direktoren seit 1878 Mitinhaber der Berliner Privatbank. Adelbert Delbrück arbeitete zu dieser Zeit als »Promoter« einer ganzen Reihe von »Bankvereinen« und »Unionbanken«, in denen er den Aufsichtsratsvorsitz oder dessen Stellvertretung übernahm und die, kapitalmäßig miteinander verflochten, in verschiedenen deutschen und österreichischen Städten niedergelassen und weitere Banken gründend, in strenger Arbeitsteilung, ein deutsches Bankennetz bilden sollten.7 Diese sich über ganz Deutschland hinstreckenden Beziehungen waren offensichtlich weitaus intensiver als während der »ersten Phase« der Aktienbankgründungen in den 1850er Jahren. Zur Erinnerung: Die Gründung der Darm5 BWWB Nr. 22 S. 47; Seidenzahl, 100 Jahre Deutsche Bank, S. 1-25. 6 Bis 1889 resp. 1887 waren Georg (von) Siemens und Adelbert Delbrück auch Mitglieder des AR des Communalcredit, in dem ansonsten die Elsässer dominierten. Für die Württembergische VB saß Kilian (von) Steiner im AR der Deutschen Bank, Emanuel Benzinger im AR des Straßburger Instituts. 7 Zentrale des Delbrückschen Bankenimperiums sollte die Deutsche Unionbank in Berlin mit dem für damalige Verhältnisse enormen Aktienkapital von 36 Mio M sein. Die angeordnete Arbeitsteilung (je gesonderte Unternehmen für Außenhandelsfinanzierung, reguläres Bankgeschäft und Emissionsgeschäfte) sollte vermutlich einen Schutz vor gegenseitigen Konkurrenzkämpfen und damit einem Zerreißen des noch fragilen Netzes gegenseitiger Abhängigkeiten (in dessen Mitte die »Spinne« Delbrück saß) bilden. Delbrücks Unmut über die Direktoren der Deutschen Bank wurde nicht zuletzt durch deren gegen alle Widerstände durchgesetzte Entscheidung erregt, den Geschäftskreis der Deutschen Bank nicht auf die Außenhandelsfinanzierung zu beschränken, sondern sich frühzeitig dem regulären Bankgeschäft zu widmen und damit die verordnete Arbeitsteilung zu verletzen. Hecht, Bankwesen, S. 140; Pohl, Deutsche Bankengeschichte, Bd. II, S. 259; Delbrück, S. 178 ff.

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Städter Bank ging letztlich auf Köln-Frankfurt-Karlsruher (also auf Süd- und Westdeutschland begrenzte) Verbindungen zurück, und französisches Kapital hatte sich dabei als unerläßlich erwiesen.8 Die Schwäche der überregionalen Kapitalbeziehungen innerhalb Deutschlands beeinträchtigte damalige Versuche, das Kapital für einen deutschen Credit Mobilier aufzubringen. Der Wirkungskreis der in den 1850er Jahren gegründeten Aktienbanken war - bei aller ausstrahlenden Vorbildhaftigkeit - zunächst eng regional begrenzt. Die Gründungswelle nach 1870 verband Unternehmen aller Branchen und aus vielen Regionen Deutschlands mit dem Börsen- und Bankplatz Berlin, und in den Aufsichtsräten dieser Unternehmen fanden Berliner Bankiers ihren Platz. Die Verkehrsrevolution der 1850er Jahre hatte die Voraussetzungen für schnelles und müheloses Reisen geschaffen, so daß regelmäßige Kontakte und Besuche vor Ort möglich wurden, die nicht selten auch in persönliche Beziehungen mündeten. Bankiers reisten viel. Der Biograph eines Direktors der Allgemeinen Deutschen Credit-Anstalt, Rudolph Wachsmuth, schätzte, daß dieser »Jahre lang ... mindestens ein Drittel des Jahres auf der Eisenbahn oder in fremden Quartieren« verbrachte.9 Nicht allein die Einführung eines einheitliches Währungssystems im kleindeutschen Reich und die Gründung der Reichsbank als Zentralnotenbank, sondern in erster Linie das Entstehen eines Netzes gegenseitiger, wenn auch ungleicher Abhängigkeiten brachte das »Feld der Hochfinanz« hervor. Sein Gravitationszentrum wurde Berlin als dominierender Börsenplatz und zentraler Kapitalmarkt. Die Reichsgründung und der ihr folgende Wirtschaftsaufschwung führten bekanntlich nicht nur zur Errichtung einer großen Anzahl von Banken, sondern auch von Industrieaktiengesellschaften. Das schuf einen einheitlichen Wirtschaftsraum, dessen Kapitalbeziehungen stärker als zuvor einen überregionalen Charakter mit dem Zentrum in der Reichshauptstadt trugen.10 Im Verlauf der 1870er und 1880er Jahren entwickelte sich Berlin von 8 Knips, S. 25-27; Treue u. a., S. 139-145. 9 Wachsmuth, S. 78. 10 In Preußen waren zwischen 1790 und 1870 276 Aktiengesellschaften gegründet worden, in den folgenden 21 Monaten waren es 726, bis 1873 insgesamt 928. Die Bücher von Otto Glagau geben - bei all ihren antisemitischen und antimodernen Inhalten - doch einen guten Überblick über die überregionalen Kapitalverflechtungen im neuen Kaiserreich. Eine willkürliche Auswahl bekannter Unternehmensgründungen aus unterschiedlichen Branchen jener Zeit bestätigt dies: Die Gründer der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. Richard Hartmann in Chemnitz (gegründet im März 1870; Gründungskapital 3 Mio Taler) kamen aus Berlin, Wien, Dresden; bei der im März 1871 gegründeten Egestorff schen Maschinenbauanstalt in Linden (Hannover) kamen die Gründer aus Berlin und Hannover, das Gründungskapital betrug 3.5 Mio Taler. Im August 1872 wurde die Eisen-Industrie und Brückenbau vorm. J . C . Harkort AG gegründet (Gründungskapital 1.5 Mio Taler), die Gründer kamen aus Duisburg, Hagen, Berlin, Köln und Hamburg. Die Gründer der im Februar 1871 errichteten Oberschlesischen Eisenbahnbedarfs AG in Breslau kamen aus Berlin und ganz Schlesien (Gründungskapital 2.5 Mio Taler). Im Februar 1872 wurden die Vereinigten Chemische Fabriken zu Leopoldshall gegründet (Gründungskapital 1.6 Mio Taler), ihre

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einem regional wichtigen Bankplatz, dessen Börse bereits die bedeutendste Deutschlands für bestimmte Wertpapiere wie Eisenbahnaktien bildete, zum nationalen Machtzentrum des Bankwesens, wie sich schon im überproportionalen Anstieg der Kapitalien der großen Berliner Banken im Vergleich zu den Provinzinstituten zeigt. Berlin wurde zum wichtigsten, weil größten Markt für alle möglichen Finanzwerte - von der Börsennotierung aller überregional gehandelten Wertpapiere bis zum Preis des Geldes, also den Zinssätzen, zu denen sich Banken untereinander Geld liehen. Dieser sogenannte »Privatdiskont«, der im kaiserlichen Deutschland durchschnittlich rund einen Prozentpunkt unter dem Reichsbank-Diskont lag, wurde nach der Jahrhundertwende fast ausschließlich von zwei Berliner Banken bestimmt, der Deutschen Bank (welche die meisten Depositengelder angezogen hatte) und Mendelssohn & Co. (bei denen die russische Regierung für den Kupondienst und zur Kurspflege der russischen Anleihen angeblich eine dreistellige Millionensumme als Guthaben unterhielt).11 Berlin war der mit der Zeit immer wichtiger werdende Markt mit den höchsten Umsätzen,12 auf dem für alle Finanzwerte die Kurse, das heißt die im gesamten deutschen Bankwesen geltenden Preise für die »Produkte« der Branche, festgelegt wurden; hier waren die größten Profite im Geldgeschäft zu erzielen. Da beispielsweise für größere Wertpapieremissionen möglichst der Markt mit den größten Umsätzen (wo sich die Emission am einfachsten unterbringen ließ) gewählt wurde und weil den Berliner Banken die größten Kapitalien zur Durchführung der Emissionen zur Verfügung standen, gewann der Bankplatz Berlin einen immer größeren Vorsprung vor seinen Konkurrenten.13 Das gab den in Berlin ansässigen Banken eine beherrschende Position auf diesem Markt. Außerdem wuchsen gerade die hier ansässigen Institute überproportional im Vergleich zu den auswärtigen Banken. Denn sie profitierten nicht nur von den hiesigen großen Umsätzen und hohen Gewinnen, sondern auch von den bei ihnen angelegten Geldern der Kunden, die in der ständig wachsen-

Gründer stammten aus Berlin, Magdeburg und Dessau. Schließlich die im September 1872 errichtete Dortmunder Acticn-Brauerei (Gründungskapital 900.000 Taler) mit Gründern aus Hagen, Iberdingen, Dortmund und Berlin. Glagau, Deutschland, S. 28, S. 71, S. 78f, S. 85f., S. 228f u. S.279; Kiesewetter, S. 78. 11 Korach, Bd. II, S. 6f. 12 Der Tagesumsatz an der Berliner Börse wurde für 1872 auf 20 bis 30 Mio M (nach anderen Angaben auf 30 bis 60, an manchen Tagen bis zu 200 Mio M) geschätzt. Seit Mitte der 1880er Jahre machte der Umsatz in Berlin regelmäßig über 60 % der Börsenumsätze im gesamten Reich aus und übertraf denjenigen in Frankfurt seit 1903 um das zehnfache. Während der Kurszettel der Berliner Börse bereits 1882 1100 verschiedene Effekten verzeichnete, waren es in Frankfurt nur 569. Kiesewetter, S. 79; Wetzet, S. 431; Meier, S. 8. 13 Demgegenüber wird man der Geldpolitik der Reichsbank kaum eine besonders zentralisierende Wirkung auf das deutsche Bankwesen zuschreiben können. Riesser, Großbanken, S. 129, S. 495; Pohl, Deutsche Bankengeschichte, Bd. II, S. 243 - 257; Täuber, S. 36 - 64; Die Bank 1 (1908), S. 1-11.

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den und reicher werdenden Reichshauptstadt lebten - was ihre marktbeherrschende Position verstärkte und die damit einhergehenden Profite erhöhte. Der Kapitalbedarf des Finanzzentrums Berlin war so groß, daß seine Banken mit den Depositen, die ihre Filialen in der Provinz anzogen, oder Leihgeldern der Regionalbanken arbeiteten; andererseits war beim steigenden Kapitalbedarf der deutschen Industrie nur der Berliner Kapitalmarkt in der Lage, die benötigten Summen auf- und die Neuemissionen unterzubrigen.14 Noch bevor einzelne Berliner Großbanken durch die Schaffung von Bankkonzernen begannen, die großen Regionalbanken unmittelbar an sich zu binden, wurden die Bank- und Börsenplätze außerhalb der Reichshauptstadt vom Marktgeschehen in Berlin abhängig. Die Konkurrenz im »Feld« drängte daher alle übrigen Kreditinstitute, irgendwie auf diesem Markt vertreten zu sein und in Kontakt mit einer Berliner Bank zu treten - selbstverständlich mit einer möglichst einflußreichen Bank, die in der Lage war, viele lukrative Geschäfte zu vermitteln, anzubahnen oder weiterzuleiten. So kamen die expansionswilligen Berliner Banken mit den nach Anschluß suchenden Provinzbanken mühelos zusammen, da sich ihre Interessen ergänzten. Frankfurt, das seine führende Stellung bereits mit dem erzwungenen Anschluß an die preußische Taler-Währung verloren hatte, und das bislang den bedeutendsten deutschen Geld- und Wertpapiermarkt (nämlich für die bis dahin wichtigsten Papiere, die Staatsanleihen) dargestellt hatte, wurde dadurch auf eine Position gedrängt, in der sein Markt zwar nicht unmittelbar in Abhängigkeit von Berlin geriet, dafür aber seine bisherige Hegemonie über die Finanzbeziehungen Süddeutschlands verlor. Hamburg, dessen Verknüpfung mit anderen deutschen Bank- und Börsenstädten bis dahin ausgesprochen schwach gewesen war, rückte nun dichter an Berlin heran.15

14 Gerade die Berliner Großbanken arbeiteten in einem Umfang mit »fremden Geldern«, wie dies bei Regionalbanken nicht üblich war, und zogen diese Gelder kontinuierlich steigend an: z. B. vervierfachten sich zwischen 1897 und 1907 die Kreditoren und Depositen bei den neun Berliner Großbanken, bei den übrigen Mittelbanken wuchsen sie im gleichen Zeitraum nur um das eineinhalbfache, bei den Sparkassen um das zweifache. Zwischen 1877 und 1907 stiegen die fremden Gelder bei der Deutschen Bank von 41.5 Mio M auf 1264.4 Mio M, bei der Dresdner Bank von 10.7 Mio M auf 548,5 Mio, und noch bei der BHG, die auf das Depositenkassensystem verzichtete, von 24 Mio M auf 212,9 Mio M. Umgekehrt verlieh z. B. die Württembergische VB in den 1890er Jahren und danach Millionenbeträge nach Berlin. Die Berliner Banken arbeiteten also nicht zuletzt mit den Einlagen der Provinzbanken, da diese in Berlin große Summen als Reserve und zur Einlösung von Verbindlichkeiten unterhielten. Derartige Nostroguthaben machten Mitte 1913 bei acht Berliner Großbanken zusammen 359 Mio M aus. Die Bank 1 (1908), S. 653f.; Die Bank 7 (1913), S. 731; Loewenstein, S. 112. 15 Pohl, Hamburger Bankengeschichte, S. 82f. Seit den 1870er Jahren intensivierten sich die Beziehungen zwischen den großen Hamburger und Berliner Banken wie Behrens und Bleichröder, der Norddeutschen Bank und der Disconto-Ges., z. B. bei der Gründung der Vereinigten Königs- und Laurahütte (1871) und der Gelsenkirchener Bergwerks AG (1873).

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Bereits 1873 veröffentlichte der Berliner Börsen-Courier einen lokalpatriotischen Artikel mit der herablassenden Überschrift: »Die Börsen zweiten Ranges«,16 der die neugewonnene Finanzmacht Berlins bejubelte: »Berlin besitzt einen ganzen Kreis von Börsenplätzen, die zwar nicht direkt von ihm abhängen, die aber mehr oder weniger jeder Anregung folgen, die von ihr ausgeht. Frankfurt a.M. theilt sich ziemlich zwischen den Einflüssen Berlin und Wien, trotzdem dominiert der Einfluß Berlins. Ziemlich unbedingt aber folgen Berlin Hamburg, Breslau, Bremen, Dresden, Leipzig, Köln, ferner Posen und die Fondbörsen der Ostseeplätze, welch letztere aber sämmtlich von durchaus geringerer Bedeutung sind. Ein Theil dieser Börsen, so Dresden, Breslau und Köln, sind zu ihrer Bedeutung hauptsächlich durch die Gründungen der letzten zwei Jahre gelangt.«

Tatsächlich lag in diesen Worten mehr Prophetie als Zustandsbeschreibung. In den 1870er Jahren besaß Berlin noch keine hegemoniale Position im deutschen Bankwesen; dafür erwiesen sich die Beziehungen zwischen Berlin und den übrigen deutschen Bank- und Börsenplätzen noch als zu schwach.17 Auch war der Rivale Frankfurt noch nicht geschlagen; so beteiligten sich allein drei Regionalbanken des Samples, die ADCA, die Württembergische Vereinsbank und die Rheinische Creditbank, 1871 an der Gründung der Deutschen Vereinsbank in Frankfurt: »Die Unabhängigkeit von Frankfurt war unmöglich, so mußte es das Bestreben sein, dort Freunde zu besitzen, die diese notwendige Abhängigkeit nicht einseitig ausnützten«.18 Mit der Zeit jedoch knüpften die Banken untereinander immer intensivere Beziehungen, deren Knotenpunkt Berlin bildete, und aufgrund der unterschiedlichen Größe der Beteiligten verstärkten sich die gegenseitigen Abhängigkeiten in ungleicher Weise. Erst durch die entstehende Abhängigkeit der anderen Bankplätze von diesem neuen Zentrum entstand die »Peripherie« des »Feldes der Hochfinanz«.19 Die Reaktion der größeren Regionalbanken bestand 16 BBC Nr. 34 (21.1.1873 AA). 17 Die Behauptung Böhmes, die Provinzbanken seien schon in den 1870er Jahren von den großen Berliner Banken abhängig geworden, ist irreführend. Diese Entwicklung trat erst um die Jahrhundertwende ein. Deutschlands Weg zur Großmacht, S. 351-353. 18 Loewenstein, S. 98f. Auch die Leipziger ADCA sah »das Bedürfnis einer engeren Geschäftsverbindung mit Frankfurt a.M.« (Geschäftsbericht pro 1871); ein Zeichen dafür, daß auch die sächsischen Banken zu Beginn der 1870er Jahre noch auf Frankfurt orientiert waren. 19 Die Wünternbergische VB konstatierte in ihrem Geschäftsbericht für 1892, daß »die leitenden Institute in den einzelnen Landestheilen, welche man als Provinz zu bezeichnen pflegt durchaus abhängig sind von der Geschäftslage, welche durch die Centrale des deutschen Bankgeschäfts geschaffen wird. Stärker noch als politisch ist eben Deutschland in dem letzten Vierteljahrhundert auch wirthschaftlich zu einem einheitlichen Körper zusammengewachsen. Die Abhängigkeit von den Stimmungen und Bewegungen, welche von der Berliner Börse ausgehen hat sich insbesondere auch auf das mit den Instituten in der Provinz verkehrende Publikum so sehr übertragen, daß es schwer gelingt selbstständigen Anschauungen auch nur im Kreise der nächsten Clientel Geltung zu verschaffen.«

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in dem Versuch, auf die eine oder andere Weise in Berlin Fuß zu fassen. Nach der Reichsgründung war es großen Aktienbanken wie der BHI und der Mitteldeutschen Creditbank sinnvoll erschienen, mit einer eigenen Niederlassung in Berlin vertreten zu sein; sie wählten dabei eine Form, in der sowohl am Hauptsitz der Bank (Darmstadt bzw. Meiningen, später Frankfurt/M.) als auch in Berlin ordentliche Vorstandsmitglieder die Niederlassung leiteten. Für dieses Modell entschied sich später auch zeitweilig die Dresdner Bank, deren Sitz in Dresden blieb, obwohl der größte Teil des Vorstandes in Berlin ansässig war und die Bank darüber hinaus mit je einem ordentlichen Vorstandsmitglied in Hamburg (von 1894 bis 1907) und in Frankfurt (von 1900 bis 1909) vertreten war.20 Auch die Commerz- und Discontobank und der Schaaffhausen'sche Bankverein wählten diesen Weg.21 Um die Jahrhundertwende lösten sich diese Banken schließlich von ihren selbständigen Niederlassungen bzw. einstigen Hauptsitzen außerhalb Berlins.22 Unter den Berliner Instituten waren es wenige Großbanken, die seit Mitte der 1890er Jahre über große ökonomische Macht verfügten und die finanziellen Beziehungen zwischen den hauptstädtischen und den Regionalbanken in einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu verwandeln begannen. Erst durch das 20 Die organisatorischen Probleme, die eine derart räumlich getrennte Direktion mit sich brachte, liegen auf der Hand. Nur die Deutsche Genossenschaftsbank ging aber so weit, ihre Frankfurter Dependence mit einem eigenen Grundkapital auszustatten und auch getrennte Bilanzen zu veröffentlichen. Offenbar um die Aktionäre zu beruhigen, schrieb die BHI, die als eine der ersten mit getrennten Vorständen operierte, in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1871: »Die Direction bildet nach wie vor ein Ganzes, ein einheitliches Colleg, das seine Beschlüsse unter Theilnahme aller seiner Mitglieder fasst und nur für die Ausführung der Maassregeln den einzelnen Abtheilungen in gewissen Beziehungen freie Hand lässt; die als Vertreter der Bank in Berlin fungirenden Mitglieder der Direction werden zunächst grundsätzlich aus der Mitte der Direction nur temporär dorthin delegirt. [...] Die neue Organisation hat... die Arbeitskräfte der Direction in einem ungewöhnlichen Maasse in Anspruch genommen.« Die Mitteldeutsche C B behalf sich zeitweilig mit der Bestellung eines »Geschäftsführers des Aufsichtsrates«, der zwischen dem AR in Frankfurt und der Meininger Direktion zu vermitteln hatte. 21 Die Commerz DB war seit 1898 durch die Ubernahme des Bankhauses J . Dreyfus & Co., deren Inhaber in den Aufsichtsrat bzw. in den Vorstand der Bank eintraten, in Berlin und in Frankfurt/M. durch Vorstandsmitglieder vertreten. Der Bankverein war seit 1891 mit einer von zunächst zwei Vorsundsmitgliedern geführten Niederlassung in Berlin vertreten. Auch hier irrt Böhme offensichtlich, wenn er schreibt, nach 1873 sei es unter den Provinzbanken nur noch der Dresdner Bank geglückt, in Berlin Fuß zu fassen. Deutschlands Weg zur Großmacht, S. 351f. 22 Die BHI war seit 1912 an ihrem Stammsitz Darmstadt nicht mehr mit dort residierenden Vorstandsmitgliedern vertreten; seit 1910 auch nicht mehr in Frankfurt/M. Die Commerz DB löste ihre Frankfurter Direktion bereits 1903 auf, »nachdem die fähigsten Beamten des Instituts zur Konkurrenz übergegengen waren«; Der Actionär (Ffm, 1904), S. 26. Die Mitteldeutsche CB war seit 1900 nicht mehr mit selbständigen Vorstandsmitgliedern an ihrem ursprünglichen Sitz Meiningen vertreten, sechs Jahre später ging ihre Meininger Filiale auf die Bank für Thüringen über. Die Dresdner Bank, die seit 1881 eine Berliner Geschäftsstelle besaß und ihre Geschäftsleitung drei Jahre später in die Reichshauptstadt verlegte, besaß seit 1913 kein Vorstandsmitglied mehr in Dresden.

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Entstehen der auf die Hauptstadt zentrierten Bankkonzerne wurde Berlin wirklich zur Finanzmetropole für das gesamte Reich. Die Dominanz Berlins beruhte auf dem Ausgreifen der Berliner Aktienbanken in die »Provinz«. Erstmals übernahm 1895 eine Berliner Großbank (die Disconto-Gesellschaft) eine bedeutende Regionalbank (die Norddeutsche Bank, damals die größte Bank in Hamburg). Auch die meisten der sog. »Interessengemeinschaften« zwischen Berliner Großbanken und den großen Regionalbanken entstanden um die Jahrhundertwende. Diese Interessengemeinschaften basierten einerseits auf dem Bestreben der Regionalbanken, die über teilweise sehr dichte regionale Filialnetze verfügten, nach einer Vertretung in Berlin, die selbst zu errichten ein erhebliches Risiko barg. Andererseits war es den Berliner Großbanken damals organisatorisch noch nicht möglich, ein weitverzweigtes Filialnetz aufzubauen; sie beschränkten die Errichtung von Niederlassungen auf Metropolen wie Frankfurt, Hamburg oder Leipzig.23 Die Großbanken brachten daher immer weitere Regionen dadurch in ihre Abhängigkeit, daß sie mehr und mehr Regionalbanken an sich banden und diesen ihre Vertretung in der Provinz übertrugen. Die Verdichtung der Geschäftsbezeihungen zu einem nationalen »Feld« zeigt sich auch und gerade in der Geschichte des Preußenkonsortiums. Dieses nach Karl Helfferich »vornehmste Finanzkonsortium« Deutschlands ging zurück auf die sog. Mobilmachungsanleihe von 1859, die sieben Berliner Banken zur Finanzierung der Mobilmachung der preußischen Armee während des österreichisch-italienisch-französischen Krieges übernahmen.24 Aber erst 1867/68 erhielt das Preußenkonsortium seine Gestalt, die es über ein Jahrzehnt mit nur geringen Veränderungen beibehielt. Die vom Konsortium übernommenen preußischen Anleihen dienten der Finanzierung des deutsch-französischen Krieges und dem Weiterbau oder der Verstaatlichung der preußischen Eisenbahnen. Zu dieser Zeit überwogen ganz deutlich die Berliner Institute: Unter den zehn Geschäftsbanken. die 1867 24 Mio. Taler 4l/2 % preußische Consols übernahmen, befanden sich acht Berliner Banken (keine von ihnen war mittels auswärtiger Filialen auch an anderen Plätzen vertreten!) sowie je eine Firma aus Köln und Frankfurt.25 1876 wurden zwei Hamburger Banken neu in das Konsortium aufgenommen.2'' Während der Reichsgründungszeit verband das »Feld« also zunächst Berlin mit den wichtigsten alten Handelsstädten in Nord- und Westdeutschland. Bereits das 1880 zusammengestellte Kon23 Über die organisatorischen Probleme des Filialwesens vgl. Riesser, Großbanken, S. 564-67; zur unterschiedlichen Ausrichtung der Filialnetze der Berliner Großbanken und der großen Regionalbanken die Übersichtskarten bei ders. (o.S.); Liebmann, (o.S.); Lerner, (o.S.); Haas, S. 64f., sowie die Auflistungen der Zweigstellen in: 100Jahre Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank, S. 228. 24 Stuebel, S. 9; Helfferich, Bd. I, S. 335. 25 Stuebel,S. l2f. 26 GStA Dahlem Rep. 109 Nr. 4984.

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sortium zeigte den nationalen Rahmen des »Feldes« an, denn hinzugetreten waren Banken aus Leipzig, München, Nürnberg, Mannheim, Straßburg und Stuttgart. Zwar blieben die Quoten dieser Banken gering, was die Dominanz Berlins unterstrich - nur 28,1 % der Anleihesumme ging an Firmen außerhalb der Reichshauptstadt -, aber zum ersten Mal trat die enge Verknüpfung nahezu aller bedeutenden deutschen Bank- und Börsenplätze hervor. Da die Zusammensetzung des Konsortiums auf bereits bestehende Marktverhältnisse zurückging und diese nicht selbst schuf, die neue Konstellation also erst mit einer gewissen Verzögerung sichtbar wurde, kann man davon ausgehen, daß schon seit Ende der Reichsgründungszeit tatsächlich ein überregional vernetztes und einen nationalen Rahmen bildendes Bankwesen bestand. Die Konsortien, die seit der Jahrhundertwende gebildet wurden, zeigen in der starken Zunahme gerade der Provinzbanken das »Feld« in seiner ganzen Vertiefung. Bis 1913 war die Zahl der auswärtigen Banken auf 15 angestiegen (gegenüber nun 13 Berliner Häusern), ihre Konsortialquote stagnierte jedoch bei 24,0 %. Nicht nur waren durch die Neuzugänge jetzt auch die östlichen Bankplätze Breslau und Posen sowie Dresden durch hier ansässige Institute integriert; durch ihre Filialen erreichten die Berliner Großbanken nun sämtliche bedeutenden Bank- und Börsenplätzen und die großen Provinzbanken drangen bis in kleinste Städtchen vor.27 Gleichzeitig zeigt das Preußenkonsortium auch die Zentralisierung des Marktes in Berlin; nicht allein durch die höheren Quoten der Berliner Banken, sondern auch durch die Tatsache, daß von Anbeginn an nur Berliner Institute über die Anleihebedingungen verhandelten. Der sog. »erweiterte Ausschuß«, in dem der Übernahme- und der Subskriptionskurs (aus dessen Differenz sich der Gewinn der Banken ergab), die Verteilung der Quoten und die Zinshöhe, die Form der Anleihe (ob Consols oder Schatzanweisungen) oder die Frage, ob Teile der Anleihe im Ausland untergebracht werden sollten, ausgehandelt wurden, bestand ausschließlich aus Berliner Instituten. Auch über die Erweiterung des Konsortiums und der Neuverteilung der Quoten wurde hier beraten und entschieden.28 Besonders stark war die Stellung der DiscontoGesellschaft, jahrzehntelang die mächtigste Bank im Konsortium; sie hatte nicht nur bis in die 1880er Jahre die mit Abstand die höchste Quote, sondern konnte bei den Konsortialverhandlungen auch ins Gewicht werfen, daß sie berechtigt war, die Interessen von M.A.v. Rothschild, Sal. Oppenheim und der Norddeutschen Bank - also fast sämtlicher auswärtigen Banken - zu vertreten. Im Preußenkonsortium kam also ebensosehr die zunehmende nationale Verflechtung der Geschäftsbeziehungen wie die wachsende Dominanz Berlins zum Ausdruck. Insgesamt waren von den 39 Banken, die dem Konsortium 27 Eine Übersicht über das Anwachsen der Filialnetze gibt Weber, Bankplatz Berlin, S. 44-46. 28 FS Disconto-Gesellschaft, S. 34-36; GStA Dahlem Rep. 109 Nr.4992, 4993, 4996, 5075 (18.11.1912).

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zwischen Reichsgründung und Kriegsausbruch mindestens einmal angehörten, Hin Berlin ansässig, 19 in verschiedenen Provinzstädten, und sechs unterhielten zumindest zeitweilig an mehreren Orten Teile ihrer Direktion. Diesem Muster folgt die räumliche Verteilung der Bankiers des Samples, das aus 158 Berliner und 211 Provinzbankiers besteht. Dazu kommen sechs Personen, die bereits als Großbankier nach Berlin wechselten und ein Mann, der von Berlin nach Frankfurt ging. Besonders in der Metropole Berlin nahm während des Untersuchungszeitraumes die Anzahl der Leitungspositionen zu. Die wachsende Bedeutung der Berliner Banken wird mithin sichtbar nicht nur in der Vermehrung ihrer Kapitalien, sondern auch in der Vergrößerung ihrer Direktionen.29 Bei der Deutschen Bank etwa erhöhte sich die Zahl der Vorstandsmitglieder zwischen 1876 und 1913 von drei auf zehn, bei der Disconto-Gesellschaft von vier auf sieben und bei der Dresdner Bank von zwei auf sechs. Insgesamt verdoppelte sich bei den Berliner Banken des Samples die Anzahl der Vorstandsmitglieder und Geschäftsinhaber in diesem Zeitraum von 32 auf 65, bei den Regionalbanken dagegen nur von 64 auf 75. In Frankfurt stagnierte sie zum Beispiel bei zwölf bzw. zehn, was einmal mehr zeigt, wie sehr der Bankplatz Frankfurt in den Hintergrund rückte. Der geringe Zuwachs der Leitungspositionen in den Provinzbanken lag am geringeren Anwachsen ihrer Geschäfte in Umfang und Komplexität. Auch wenn man berücksichtigt, daß das Konsortium grundsätzlich Berliner Banken bevorzugte, zeigt sich doch, daß die wirtschaftliche Dynamik, die in der Vermehrung der Leitungspositionen zum Ausdruck kommt, eindeutig die Reichshauptstadt bevorzugte. Damit wurde auch die Berliner Hochfinanz zum sozialen Mittelpunkt der deutschen Finanzelite. Doch erst in der Wilhelminischen Ära umfaßte die Spitze des deutschen Bankwesens in Berlin einen Corpus von rund 50 Personen, und erst zu dieser Zeit kam der Begriff»Hochfinanz« auf Das sich herauskristallisierende »Zentrum der Hochfinanz« bildeten eine Reihe von Berliner Banken, die in der Vereinigung von Berliner Banken und Bankiers zusammengeschlossen waren.30 Die Akteure im Macht-Zentrum des »Fel29 Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei den Banken die Vergrößerung der Leitungsgremien in der Regel nicht parallel zum Anwachsen des Geschäftsunifanges verlief (weil das die Bezüge jedes einzelnen Direktors geschmälert hätte), was ein stetes Monitum der Finanzpresse war, die darin sowohl die Gefahr der mangelhaften Überwachung der Geschäfte als auch eine Blockierung des Aufstiegs für den vielversprechenden Nachwuchs sah. »Mit dem Zuwachs der Geschäfte hat die VermehrungderDirektionsmitgliederdereinzelnen Banken nicht Schrittgehalten!«, beschwerte sich das BT am 10.3.1910 unter dem Titel »Gegen die Oligarchie bei unseren Großbanken« (Hervorhebung im Orig.). 30 Die Vereinigung von Berliner Banken und Bankiers ging 1900 aus der sog. »Stempelvereinigung« (gegründet nach dem Reichsstempelgesetz vom 1.7. 1881) hervor. Die »Stempelvereinigung« war von der Disconto-Ges. ins Leben gerufen worden, um im Zusammenhang mit dem der Bankwelt unbequemen Stempelgesetz vor Gericht eine einheitliche Haltung der Banken herbeizuführen. Da sie mit der Zeit ihren Wirkungsbereich immer weiter ausdehnte, v.a. bezüglich kartellähnlicher Absprachen über die Höchstsätze von Haben- und die Mindestsätze von Sollzin-

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des der Hochfinanz« überragten ihre Kollegen außerhalb Berlins deutlich an »ökonomischem Kapital«. Daneben lassen sich die unterschiedlichen regionalen Ausrichtungen der Provinzbanken in den Mustern der Karriereverläufe ihrer Leiter verfolgen. Während in der Bankenmetropole Berlin, und hier besonders in den großen Universalbanken, alle möglichen Bankgeschäfte und Bankierlaufbahnen ihren Platz hatten, zeigten die Regionalbanken vielfältige Unterschiede. So waren die großen Banken Kölns und Breslaus geprägt von ihren Beziehungen zur rheinisch-westfälischen bzw. zur (Ober-) Schlesischen Industrie. Der Schlesische Bankverein unterhielt »den Hauptverkehr mit der schlesischen Großindustrie und den schlesischen Magnaten«, und seine Geschäftsinhaber standen durch Herkunft und Laufbahn in enger Beziehung zu diesen Milieus.31 In den alten Handelsstädten Hamburg und Frankfurt dominierte dagegen das traditionelle Bankgeschäft, was sich auch in den Ausbildungswegen der Frankfurter und Hamburger Bankiers niederschlug, die sich signifikant vom Rest der Hochfinanz unterschieden. In beiden Städten dominierten deutlich die Bankkaufleute, während die juristisch geschulten und meist in den Aktienbanken zu findenden Organisatoren fast gänzlich fehlen: Unter den 78 Bankiers des Samples, die in Hamburg und in Frankfurt tätig waren, finden sich nur vier Personen mit akademischem Abschluß. Andererseits wurden Geschäftsverbindungen, die oft noch auf die Zeit vor der Reichsgründung zurückgingen, von den Privatbanken auch verwandtschaftlich abgesichert und blieben daher besonders exklusiv. So waren Angehörige der Familien Stern, Speyer, Rothschild und Warburgin London, New York, Paris und Wien ansässig und dort als Bankiers tätig. Auch die familienfremden Teilhaber zeichneten sich durch lange Auslandsaufenthalte vor ihrer Berufung in die Sozietät aus. Zwischen der schweizerischen und der Frankfurter Bankwelt bestanden enge personelle Verflechtungen.32 Nur in diesen, über die Höhe von Provisionen und über die Aufnahme langfristiger Gelder im Ausland, änderte sie ihren Namen. Im Jahre 1903 gehörten ihr 18 Mitglieder an: BHI; Berliner Bank; BHG; S. Bleichröder; Commerz DB; Delbrück, Leo & Co.; Deutsche Bank; Deutsche GcnossenschaftsBank; Disconto-Ges.; Dresdner Bank; Mendelssohn & Co.; Mitteldeutsche C B ; Nationalbank für Deutschland; Schaaffhausen'scher BV; R. Warschauer & Co.; Wiener Levy & Co.; Born & Busse; Hardy & Co. (nur die drei letztgenannten gehörten nicht dem Preußenkonsortium an). Wie Paul Wallich, der in diesem Gremium zeitweise die BHG vertrat, feststellte, waren es allerdings nur die größten Banken - zu denen Wiener Levy usw. nicht gehörten - , die hier den Ton angaben. 31 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9977 (22.10.1897). Joseph Graf von Hoverden, preußischer Kammerherr und einer der wenigen altpreußischen Aristokraten in der deutschen Hochfinanz, war seit der Gründung des Bankvereins 1856 bis Ende 1872 einer dessen Gesellschafter. Sein Kollege Paul Wachler war bis zu seinem Übertritt zum Bankverein Generalbevollmächtigter des Grafen Henckel von Donnersmarck; Emil Berve verließ vorübergehend die Direktion des Bankvereins, um Generaldirektor der Oberschlesischen Kokswerke zu werden. 32 Bei der Übernahme des Frankfurter Bankhauses J . Dreyfus & Co. durch die Commerz DB gelangten zwei Schweizer in deren Vorstand, Lucien Picard und Carl Brettauer (vormals Direktor des Basler Bankvereins). Auch Louis von Steiger, Frankfurter Vorstandsmitglied der Dresdner

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sen beiden Städten bildeten die reichen, international verwandtschaftlich verflochtenen jüdischen Privatbankierfamilien auch nach der Jahrhundertwende noch die tonangebende Fraktion der Hochfinanz. Im Industriegeschäft waren hingegen gerade die Frankfurter und die Hamburger Banken (mit Ausnahme der Norddeutschen Bank) kaum vertreten. Das Verhältnis zwischen den Berliner Mitgliedern der Hochfinanz und ihren Kollegen in der Provinz läßt sich anhand der Aufsichtsratsverflechtungen und dem persönlichen Reichtum dieser Männer beschreiben. Die reichsten Bankiers lebten keineswegs in Berlin, denn gerade die Privatbankiers in Frankfurt und Hamburg standen ihren hauptstädtischen Kollegen an Reichtum in nichts nach. Von den 42 Privatbankiers des Preußenkonsortiums, die zwischen 1900 und 1914 ein Vermögen von zusammen 598,82 Mio. M versteuerten, entfielen auf 21 Berliner Privatbankiers 273,82 Mio. M,33 auf die 21 Frankfurter und Hamburger Privatbankiers hingegen 325,00 Mio. M, ohne daß das nicht genau zu beziffernde Vermögen Mayer Carl v. Rothschilds, das bei seinem Tod 1901 auf über 200 Mio. M geschätzt wurde, eingerechnet ist.34 Was die Verteilung Bank, stammte aus einer ehemals schweizerischen Familie. Steiger saß zusammen mit Johann Jakob Schuster sen., dem Vater des späteren Vorstandsmitgliedes der Dresdner Bank J.J. SchusterGutmann im Aufsichtsrat des 1873 gegründeten Basler Bankvereins. Gerade der Basler BV bildete ein frühes Zentrum der Finanzbeziehungen zwischen der Schweiz und Frankfurt. 33 Diese Berliner Privatbankiers waren dabei die reichsten der Hauptstadt. Keiner der fünf Berliner Privatbankiers, die in diesem Zeitraum ein Vermögen von 10 Mio M und mehr versteuerten und nicht dem Preußenkonsortium angehörten (der reichste von ihnen war Siegmund Aschrott mit 20 Mio M), besaß ein so umfangreiches Vermögen wie einer der fünf reichsten Berliner Bankiers des Samples, oder mit anderen Worten: Im Gegensatz zu den Verhältnissen an alten Bankplätzen wie Hamburg oder Fankfurt waren die vermögensten Berliner Bankiers auch Mitglieder des Preußenkonsortiums. Angaben nach MJM. 34 Als Quelle dienen dabei die Angaben inMartin'sJahrbuch sowie die Akten des Polizeipräsidenten von Berlin (LHA Potsdam, Rep. 30 c Tit. 94). Die UnZuverlässigkeit dieser Quellen rührt daher, daß beide auf Steuerakten beruhen und Besitzenden schon damals viele Wege der Steuerhinterziehung offenstanden. Diese Steuerhinterziehung war durchaus bekannt und wurde offenbar auch geduldet. Im Jahre 1912 beklagte jedoch der Polizeipräsident von Berlin, Jagow, gegenüber dem preuß. Handelsminister die mangelnde Steuermoral »von Berliner Finanz- und Industriegrossen«, so daß er »ein allgemeines Misstrauen nicht mehr unterdrücken« könne, und beschwerte sich über einen besonders plumpen Versuch, und zwar des Privatbankiers Ludwig Delbrück, seines Zeichens (als Teilhaber von Gebr. Schickler) auch Verwalter des kaiserlichen Vermögens. LHA Potsdam Rep. 30 c it. 94 Nr. 9650 (23.5.1912). Daß Jagow sich abfällig über die Steuermoral eines bzw. mehrerer Bankiers äußerte, dürfte v.a. auf die Tatsache zurückzuführen sein, daß im Gefolge der Auseinandersetzungen um die Reichsfinanzreform von 1908/09 die staatlich geduldete Steuerhinterziehung besonders durch Großgrundbesitzer (also durch Jagows Klassengenossen) in Preußen ans Licht der Öffentlichkeit gekommen war. Da Martins Daten auf Steuerakten beruhen, kann als sicher angenommen werden, daß die Vermögensangaben über die preußischen Millionäre durchweg zu niedrig angesetzt sind. Trotz dieser Unsicherheiten geben die Quellen aber zumindest brauchbare Vorstellungen über die Relationen zwischen den einzelnen Großvermogen, auch wenn den Angaben über deren absolute Höhe zu mißtrauen ist; in Ermangelung anderer Quellen muß dennoch auf sie zurückgegriffen werden. Vgl. Witt, Der preußische Landrat, S. 205-219.

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persönlichen Reichtums anging, sah das Bild bei den Vorstandsmitgliedern der nun beherrschenden Aktienbanken genau umgekehrt aus. Im gleichen Zeitraum versteuerten 54 Vorstandsmitglieder zusammen 230.34 Mio. M, doch hier überwogen die Vermögen der 30 Berliner (zusammen 145.15 Mio. M, im Durchschnitt 4.84 Mio. M) deutlich die Vermögen der 24 Nicht-Berliner Vorstandsmitglieder, die zusammen nur 85.19 Mio. M (durchschnittlich 3.55 Mio. M) besaßen. Gerade die großen Vermögen der »Manager-Bankiers« (wie die Leiter der Aktienbanken im Folgenden genannt werden sollen), beispielsweise diejenigen von Arthur (von) Gwinner, Eugen Gutmann oder Hermann Wallich, fehlten außerhalb Berlins, wo kein Manager-Bankier über 10 Mio. M. besaß. In der Verteilung der privaten Vermögen wurde der Gegensatz zwischen den Berliner Bankiers und den Regionalbankiers offensichtlich überlagert von demjenigen zwischen Privatbankiers und Manager-Bankiers. Die legendären Vermögen der Rothschild, Speyer und Behrens, die auf generationenlanger Akkumulation von Geldkapitalien beruhten, waren vor der Entwicklung des modernen Bankwesens in Deutschland und der Zentralisierung der Geschäfte in Berlin entstanden. Während die »alten Vermögen« in den alten Handelsstädten durchaus weiter wuchsen, entstanden neue große Reichtümer wie die der Bleichröder und Schwabach fast ausschließlich in Berlin. Die einzige Ausnahme bildeten die Inhaber der Firma M.M. Warburg & Co., deren Blütezeit allerdings in die Zeit der Weimarer Republik fällt. Gerade die relativ »jungen« Vermögen der Manager-Bankiers, die nur selten Erben reicher Familien waren, die aber aus der wachsenden Ausdehnung der Aktienbanken ihre Einkünfte bezogen, entstanden überwiegend in Berlin und nahmen nur hier einen besonderen Umfang an. Die Vermögen Berliner Hochfinanz konnten allerdings in keiner Weise mit den Reichtümern in den beiden industriell entwickeltsten Regionen Preußens, Rheinland-Westfalen und Schlesien, konkurrieren. Privatvermögen über 100 Mio. M, wie Bertha Krupp von Bohlen und Halbach (187 Mio. M), Fürst Henckel von Donnersmarck (177 Mio. M) oder Herzog von Ujest (151 Mio. M) sie ihr eigen nannten, waren in Berlin nicht anzutreffen. An derartige industrielle Vermögen konnten im Bankwesen nur die Frankfurter Rothschilds heranreichen. Im Jahre 1908 lebten an Rhein und Ruhr 58 Personen und in Schlesien 37 Personen mit Vermögen von 10 Mio. M oder darüber, darunter nur sehr wenige Bankiers. Im Vergleich dazu besaßen »nur« 31 Berliner Bankiers Vermögen in dieser Höhe. Die Großbankiers der Reichshauptstadt waren also keineswegs die unumschränkte nationale Reichtumselite. Industrie- und Bankvermögen blieben in Deutschland wie in England geographisch getrennt, doch mit dem

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Unterschied, daß in Deutschland die in der Industrie erworbenen Vermögen bei weitern überwogen.35 Die Verteilung des »ökonomischen Kapitals« unter den Großbankiers zeigt sich anhand der Aufsichtsratsverflechtungen noch weitaus deutlicher als anhand persönlicher Vermögensverhältnisse, die einen zufälligen Punkt in den unterschiedlich langen Geschichten mehr oder minder begüterter Familien darstellen, ohne daß deutlich wäre, ob es sich bei dem Vermögen um das Geschäftskapital eines aktiven und dynamischen Unternehmers oder um die Rücklage einer behaglichen Rentierexistenz mit dem Dekor eines Bankgeschäfts handelte. Auch wenn Aufsichtsratsverflechtungen nicht die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse als solche bildeten - die Zahl der Mandate sagt nichts über die Art und Weise ihrer Ausübung -, verschaffen sie doch einen Überblick über Reichweite und Tiefe dieser Beziehungen. Vergleicht man die Verteilung der 1420 Aufsichtsratsmandate, die 83 Berliner und 77 Nicht-Berliner Bankiers des Samples 1908 in Industrie- und Handelsunternehmen (ohne Banken) wahrnahmen, zeigt sich als wichtigstes Ergebnis die lokale bzw. regionale Begrenztheit der Geschäftsbeziehungen von Provinzbankiers. Die Tab. 2 unterscheidet zwischen den »einfachen« Aufsichtsratsmandaten, die keinen Aufschluß über die Natur der Beziehung zwischen der Bank und anderen Unternehmen zulassen, und den Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats, die in der Regel einen größeren Einfluß auf die Geschäftspolitik des betreffenden Unternehmens auszuüben vermochten. Auf diese Weise läßt sich unterscheiden zwischen dem bloßen Geschäftskreis der Banken (der sich auch darstellen ließe etwa in Form der Verteilung der KuponZahlstellen für die Aktien bestimmter Unternehmen) und den Unternehmen, auf die sie sich einen mehr oder minder beherrschenden Einfluß sichern wollten. Diese Unterscheidung zwischen »Kontakt« und »beherrschendem Einfluß« ist weder logisch zwingend noch in jedem Fall zutreffend. Ein starker Einfluß auf die Entscheidungsfindung des betreffenden Unternehmens läßt sich gegebenenfalls auch durch ein einfaches Aufsichtsratsmitglied ausüben, und ein Vorsitzender muß keineswegs über wirklichen Einfluß auf die Unternehmenspolitik verfügen. Gerade anhand der Berliner Großbanken läßt sich das belegen: Während die Aufsichtsräte dieser Banken kaum eine wirksame Aufsicht (also: Kontrolle) auszuüben vermochten,36 sicherten sich ihre Vorstandsmitglieder regelmäßig den Vorsitz in abhängigen Tochterbanken. 35 Angaben nach MJM. Die Hälfte der wilhelminischen Multimillionärschaft bestand aus Industriellen (darunter als größte Gruppe die Schwerindustriellen mit insges. 12,4 %) und nur ein gutes Viertel (27,1 %) aus Bankiers. Augustine. Very Wealthy ßusinessmen, S. 304. 36 Den Verwaltungsrat der BHG bezeichnete der Autokrat Fürstenberg als »Chor der Greise« - »wenn er nicht die ganze Runde in der Person ihres ältesten und unnützesten Vertreters zusammenfaßte und schlechtweg vom >tauben Simon- [gemeint war der Geheime Regierungsrat und VRV Wilhelm Simon, der Vf.] sprach., Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 392.

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Tab. 2: Geographische Verteilung der Aufsichtsratsmandate (1908):* Provinzbankiers

AR stv ARV

ARV Berliner Bankiers

AR stv ARV

ARV

lokal

regional

übr. Deutschi.

Ausland

Berlin

k.A.

ges.

124 26 48

154 36 58

37 1 7

37 3 1

57 2 2

4 2 1

413 70 117

übr. Deutschi.

Ausland

k.A.

ges.

258 51 45

83 12 10

8

590 110 120

Berlin

235 41 64

»Region«**

6 6 1

* Eigene Auszählung nach dem Adressbuch der Directoren und Aufsichtsräte, Jg. 1909. Zugeordnet wurden die Bankiers dem Ort ihrer Tätigkeit, nicht dem Sitz der Bank. ** Gemeint ist die Region, in der die selbständigen, von ordentlichen Vorstandsmitgliedern geleiteten Niederlassungen (außerhalb Berlins) der »dezentral geleiteten Großbanken« lagen, in der aber ein Berliner Direktionsmitglied das Aufsichtsratsmandat eines dort beheimateten Unternehmens wahrnahm.

Sowohl die »einfachen« als auch die »beherrschenden« Geschäftsbeziehungen der Provinzbankiers lagen mit überwältigender Mehrheit in der Stadt und der sie umgebenden Region ihres Wirkens. Das »Kapital«, das diese tiefe regionale Verwurzelung darstellte, war so gewichtig, daß Berliner Großbanken bei der Übernahme einer Regionalbank dieser oft die formale Selbständigkeit ließen.37 Dagegen blieben ihre Beziehungen in die übrigen Teile Deutschlands wie auch ins Ausland ausgesprochen schwach. Mit der Reichshauptstadt hatten sie zwar rege, aber keine von ihnen dominierten Geschäftsverbindungen. Die dem Preußenkonsortium angehörenden Provinzbanken waren die in ihrer Region klar dominierenden Institute wie die ADCA in Sachsen, bis zur Jahrhundertwende L. Behrens und die Norddeutsche Bank in Hamburg, die Rheinische

37 Dies war auch das Motiv der Disconto-Ges., die Norddeutschen Bank in Hamburg 1895 und den Schaaffhausen'schen BV in Köln 1914 nach Übernahme sämtlicher Aktien dieser Banken trotz erheblicher steuerlicher Nachteile als eigenständige Firmen bestehen lassen. In beiden Fällen fürchtete die Disconto, die bisherigen Kunden der beiden Regionalbanken würden bei einem Verschwinden des Instituts aus Abneigung gegen die Zusammenarbeit mit einer Berliner Großbank nicht für sich zu gewinnen sein. Umgekehrt wurde es der Deutschen Bank 1914 als schwerer Fehler angerechnet, die Bergisch-Märkische Bank, deren Aktienkapital sich bereits seit 1897 mehrheitlich in ihren Händen befand, vollkommen in der Deutschen Bank AG aufgehen zu lassen. Die rheinischen Lokalpatrioten hätten nur geringe Neigung, mit einer Berliner Großbank zusammenzuarbeiten, und würden wohl ihre Bankverbindungen wechseln. Plutus (2.5.1914), S. 357; Die Bank 7 (1914), S. 299f.

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Creditbank in Baden oder die Württembergische Vereinsbank,38 aber es handelte sich zumindest bei den Aktienbanken nicht um Firmen, die bei Finanzoperationen auf nationaler oder gar internationaler Ebene hervortraten. Hierin lag der bedeutendste Unterschied zwischen der »regionalen« und der »nationalen Hochfinanz«. Demgegenüber besaßen die Berliner Bankiers nicht nur enge Beziehungen zu den Unternehmen ihrer Heimatstadt, sondern praktisch genausoviele Mandate in Firmen aus den übrigen Teilen Deutschlands. In den Aufsichtsräten mittelgroßer Provinzunternehmen saßen dazu die Filialdirektoren der Berliner Großbanken.39 Vor allem aber die Kolonialgesellschaften wurden von ihnen kontrolliert (was in der Tabelle nicht zum Ausdruck kommt, da diese zumeist ebenfalls in Berlin domizilierten). Während sich die Auslandskontakte der Provinzbankiers vor allem auf das benachbarte Ausland erstreckten (etwa von Sachsen nach Böhmen oder vom Elsaß nach Frankreich40), kontrollierten die Berliner Bankiers die großen Unternehmen der deutschen Kapitalexpansion: Überseebanken, überseeische Elektrizitätsunternehmen, die Petroleumindustrie und die osmanische Eisenbahnen.41 Eine ganze Reihe dieser Unternehmen hatte ihren Sitz übrigens unmittelbar in den Direktionsgebäuden der Berliner Großbanken, etwa die von ihnen gegründeten Auslandsbanken. Aber auch einige große Industrie- und Eisenbahngesellschaften waren dort untergebracht, so die DÜEG bei der Deutschen Bank oder die Schantung-Bergbau und die Schantung-Eisenbahn-Gesellschaft bei der Disconto-Gesellschaft, was ihre Abhängigkeit noch unterstrich. Die Großindustrie ging bei steigendem Kapitalbedarf ihrerseits dazu über, sich von den Regionalbanken (die diesen Bedarf nicht mehr zu befriedigen im 38 Diesbezüglich zur Württembergischen VB Loewenstein, S. 185. 39 Die Aufsichtsratsmitgliedschaften der Filialleiter - wie auch diejenigen der stellvertretenden Vorsundsmitglieder - sind in der obigen Tabelle nicht mitgezählt. Allein bei der Deutschen Bank hatten zu jener Zeit 14 Filialleiter 42 Aufsichtsratsmandate inne! (Täuber, S. 115). 40 Nach der Jahrhundertwende wurden keine elsässischen Banken mehr ins Preußenkonsortium aufgenommen, weil diese geschäftlich nach Frankreich orientiert waren, das seinerseits zu dieser Zeit des öfteren diskret deutsche Staatsanleihen kaufte, um sie dann auf einen Schlag zu verkaufen und damit die deutsche Finanzwelt, besonders bei »politischen« Auslandsanleihen, unter Druck zu setzten. GStA Dahlem Rep. 109 Nr. 5075 (23.9.1912); Stuebet, S. 93f 41 Geradezu idealtypisch kommt dies zum Ausdruck in den Aufsichtsratsmandaten, die zwei Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank, Elkan I leinemann und Karl Helfferich, 1908 wahrnahmen: Heinemann war gleichzeitig Vorstandsmitglied der DÜEG (derartige Personalunionen waren eine beliebte Form der Herrschaftssicherung) und saß in folgenden Aufsichtsräten: Deutsche Mineralöl-Industrie AG (Berlin), Deutsche Petroleum-Industrie AG (Berlin), Elektrische Lichtund Kraftanlagen AG (Berlin), Ges. für elektrische Beleuchtung v. Jahre 1886 (St. Petersburg), Siemens & Halske AG (Berlin), Steaua Romana AG für Petroleum-Industrie (Bukarest); Helfferich saß in den VR der Compagnie du Chemin de Fer Mersine-Tarsus-Adana, Société du Chemin de Fer Ottoman d'Anatolie, Société du Chemin de Fer Ottoman Salonique-Monastir, Société Imperiale Ottoman du Chemin de Fer de Bagdad, Société du Port de Haidar Pascha sowie im AR der Diamantenregie des südwestafrikanischen Schutzgebiets.

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Stande waren) ab- und den Berliner Großbanken zuzuwenden. Nach und nach verloren auf diese Weise die Provinzinstitute ihre potentesten Kunden. Obwohl die größten Industrieunternehmen (vor allem die kapitalintensive Schwerindustrie) ihren Sitz nicht in Berlin hatten, dominierten Berliner Bankiers in ihren Aufsichtsräten. Gerade für die Großindustrie war es spätestens seit den 1890er Jahren von essentieller Bedeutung, sich auf dem Berliner Kapitalmarkt finanzieren zu können, was wiederum dessen Dominanz gegenüber den regionalen Kapitalmärkten verstärken mußte. Tab. 3 zeigt die erdrückende Übermacht der Berliner Bankiers in den Geschäftsbeziehungen mit der Großindustrie anhand der Aufsichtsratsverflechtungen. Tab. 3: Aufsichtsratsmandate in den 100 größten Industrieunternehmen im Jahre 1907* Provinzbankiers Aufsichtsratsmandate Aufsichtsratsvorsitz stv. Vorsitz

17 1 4

Dezentrale Großbanken** Berliner Großbankiers

14 4 3

99 17 18

* Eigene Auszählung nach Kocka/Siegrist; Saling's Börsen-Jahrbuch für 1908/09. ** Außerhalb Berlins tätige Vorstandsmitglieder »dezentral geleiteten Großbanken«

Gewissermaßen analog zu den das gesamte Land erfassenden Geschäftsbeziehungen der Berliner Banken stammten die Berliner Bankiers aus allen Regionen Deutschlands.42 Fast zwei Drittel kamen aus den verschiedenen Teilen Deutschlands nach Berlin, um hier Karriere zu machen. Die einzelnen Herkunftsregionen weisen in ihren jeweiligen Anteilen keine besondere Signifikanz auf; nur der Anteil der in der Provinz Posen Geborenen war überdurchschnittlich hoch.43 Demgegenüber rekrutierten sich die Provinzbankiers zumeist aus der Region des betreffenden Bankplatzes, wie ja auch der ökono42 Im Jahre 1907 betrug der Anteil der in Berlin gebürtigen Personen insgesamt 40,5 % der hauptstädtischen Einwohnerschaft; der Anteil der gebürtigen Berliner unter den Großbankiers wich mit 37,4 % kaum von demjenigen der Gesamteinwohnerschaft der Hauptstadt ab. Hohorst u. a., S. 40. Der Geburtsort von 46 in Berlin tätigen Bankiers war nicht zu ermitteln. 43 Der Grund für den auffallend hohen Anteil von Migranten aus der Provinz Posen - der übrigens nach der Jahrhundertwende die Mehrzahl der nicht in der Reichshauptstadt geborenen Berliner Juden entstammte - dürfte auch darin zu suchen sein, daß es sich bei ihnen fast ausschließlich (sechs von sieben) um Juden handelte, die dem hier sehr orthodoxen Judentum zu entfliehen suchten. Eine dieser Personen jüdischer Herkunft konvertierte selbst, zwei weitere waren in religiöser Hinsicht offenbar indifferent, und die letzten beiden vertraten ausgesprochen assimilationistische Auffassungen, wie Arthur Salomonsohn, der später dem Verband NationaldeutscherJuden beitrat. Alexander, S. 142, Tab. 2.

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mische Einflußbereich der Provinzbanken regional gebunden war. Eine besonders hohe räumliche Selbstrekrutierung findet sich dabei in Bayern, dessen gesamte wirtschaftliche Entwicklung (abgesehen von der Pfalz) relativ wenig Verbindungen zum übrigen Reich aufwies. Ähnlich lagen die Verhältnisse in Elsaß-Lothringen, was sich aus der starken regionalen Vernetzung der AG für Boden- und Communalcredit und dem Regionalismus der oft frankophonen Bewohner und Bankkunden erklärt.44 Einen sehr viel weiteren geographischen Einzugsbereich - sowohl hinsichtlich der Geschäftsbeziehungen als auch der Herkunft der Bankiers - wiesen die alten Handelsstädte Frankfurt und Hamburg auf Hier war zwar die Rekrutierung aus der betreffenden Stadt überdurchschnittlich hoch, aber die Karrieremöglichkeiten an beiden Orten lockten Menschen aus einem viel weiteren Umkreis herbei, als es bei den übrigen Bankplätzen der Fall war. Im übrigen spielte der Unterschied zwischen Privatbankiers und Managern hinsichtlich der geographischen Mobilität der Großbankiers eine erhebliche Rolle. Da Privatbankiers üblicherweise durch das Eintreten in die väterliche Bank ihre Stellung einnahmen, blieben die meisten von ihnen am Ort ihrer Eltern beruflich tätig bzw. kehrten hierhin nach Abschluß ihrer Ausbildung zurück. Daher verließen nur Unternehmensgründer ihre Heimat wie Adelbert Delbrück oder Wilhelm Köster und Familienfremde, die entweder in die Bankierfamilie einheirateten wie Eduard Beit oder die wie Arthur Fischel, Luden Picard, Jacob Frensdorff und andere aufgrund ihrer unternehmerischen Leistung Teilhaber wurden. Auch unter den Privatbankiers waren übrigens die Berliner Bankiers geographisch mobiler als die Inhaber der Provinzbanken. Sie stammten zu einem geringeren Anteil (10 von 35) aus der Stadt ihres späteren Wirkens als ihre Kollegen in Hamburg, Frankfurt oder Köln, von denen nur jeder Vierte seine Heimatstadt verlassen hatte. Die große Anziehungskraft des Finanzplatzes Berlin und die Chancen, die sich hier boten, zeigt sich gerade in der Tatsache, daß vier der acht dortigen Privatbanken zu den jüngsten des Preußenkonsortiums und ihre Gründer zu den erfolgreichsten Bankiers des Kaiserreiches gehörten. Angesichts des langen Zeitraums, den Privatbanken üblicherweise für ihren Aufstieg benötigen, ist das ein beredtes Zeugnis der für die unternehmerischen Möglichkeiten, die auch die Gründer von R. Warschauer & Co., H.C. Plaut und Delbrück, Leo & Co. angelockt hatten, denn an keinem anderen Bankplatz Deutschlands war während des Kaiserreiches ein derart schneller und dauerhafter Erfolg im Bankwesen möglich. 44 Schon Adelbert Delbrück, einer der Mitgründer des Communalcredit, hatte darüber geklagt, daß »der Einfluß, den wir Deutschen auf die Verwaltung der Gesellschaft ausüben konnten, mehr und mehr (schwand). [...] Alle Mitglieder des Verwaltungsrats und der Direktion sprachen vollendet gut deutsch. Trotzdem versuchten sie, die Verhandlungen in den Sitzungen in französischer Sprache zu führen.« Bezeichnenderweise scheiterte auch der Plan Delbrücks, einen Deutschen zum Vorstandsmitglied der Hank zu machen Delbrück, S. 186-188.

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Im Gegensatz zu den Privatbankiers waren die späteren Manager gezwungen, in die größeren Bank- und Börsenplätze zu wandern. Schon Theodor Fontane hatte gefragt: »Was heißt Carrière machen anderes, als in Berlin leben, und in Berlin leben anderes, als Carrère machen?«45 Viele ehrgeizige junge Männer gingen in die Reichshauptstadt, um dort zu sein, »wo Holz gemacht wird«46 - im Zentrum des Bankwesens, nicht an dessen Peripherie -, auch wenn sie dafür sichere Stellungen aufgeben und in Berlin neu anfangen mußten. Nicht wenige der später mächtigen Manager-Bankiers reizte es, sich eine Stellung »selbst zu schaffen«, anstatt sich in ihrer Heimat mit einer sicheren, aber bescheidenen oder den eigenen Ehrgeiz nicht befriedigenden Existenz zu begnügen. Ein solches Vorhaben war für aufstrebende junge Bankkaufleute am ehesten in Berlin zu verwirklichen. Siemens' Nachfolger als Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Arthur (von) Gwinner, schlug sogar die Möglichkeit einer Karriere bei L. Speyer-Ellissen aus, die ihm nach seiner Heirat offengestanden hätte, um in Berlin »sein Glück zu machen«.47 Die expandierenden Berliner Banken boten gerade den qualifizierten und strebsamen Bankkaufleuten bessere Aufstiegemöglichkeiten als irgendein anderer Bankplatz Deutschlands und lockten karrierehungrige junge Männer aus allen Regionen Deutschlands (selbst aus dem alten Bankplatz Frankfurt) an. Die Statistik zeigt, daß die Herkunft aus einer dörflichen Umgebung es sehr erschwerte, ein Großbankier zu werden. Im Jahre 1910 lebten 40,0 % der Einwohner des Deutschen Reiches in Gemeinden mit weniger als 2.000 Köpfen, zur Zeit der Reichsgründung waren es sogar 63,9 %, doch nur jeder sechste Leiter oder Inhaber einer Bank des Preußenkonsortiums entstammte solchen Orten. Statt dessen war rund ein Viertel von ihnen in Großstädten aufgewachsen und ein weiteres Viertel in Mittelstädten.48 Nicht nur konzentrierte sich das Bankwesen in den größeren und großen Städten, sondern darüber hinaus war seine Funktionselite städtischer Herkunft. Damit schränkte bereits die 45 Theodor Fontane am 21.12.1884 an Georg Friedländer. Briefe, Bd. IV. 46 Mit diesen Worten beschrieb Siegmund Bodenheimer seinen »Lieblingswunsch«: »Der wachsende Einblick in die Verhältnisse der Firma Loeb [in Mannheim], vor allem ihre einseitige Betätigung auf dem Gebiete des spekulativen Effektengeschäfts, für das ich nie Neigung, auch nicht Talent zeigte, überzeugten mich mehr und mehr, daß ich hier fehl am Platze war. Dazu wurde ich wachsend von dem Gedanken beherrscht, ein Banker \ sie] müsse nach Berlin gehen, um die Voraussetzungen für die größere Bankkarriere zu gewinnen. In der Reichshauptstadt konzentrierte sich ein immer größerer Teil des deutschen bankgeschäftlichen Lebens, Ich wollte dort sein, wo >Holz gemacht wírd>Credit-fördernde[n] Wirkungjenes Titels«. Finanzminister Rheinbaben nannte den Titel »eine staatliche Abstempelung der Kreditfähigkeit«. GStA Dahlem Rep. 90a Nr. 2002 (21.7.1893; 19.3.1909).

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und erst recht mit dem eines Geheimen Kommerzienrates auf die Kreditwürdigkeit eines Unternehmers hatte, mußte also besonders für die EigentümerUnternehmer verlockend sein. Sie konnten das »symbolische Kapital«, das der Titel darstellte, in »ökonomisches Kapital« umwandeln, da sich die Auszeichnung eines Inhabers direkt auf das Ansehen seines Unternehmens auswirkte. Das Interesse der Privatbankiers an diesen Titeln ist daher offenkundig. Kapitalgesellschaften profitierten dagegen nicht unmittelbar von der Auszeichnung eines ihrer Leiter. Für Manager-Bankiers bedeutete der Titel vielmehr die symbolische Gleichstellung mit den Privatbankiers. Sie waren deshalb allein am »symbolischen Kapital« des Titels interessiert. Der Strukturwandel im »Feld der Hochfinanz« führte folglich zu einer Umwertung der staatlichen Auszeichnung von einem Mittel zur Akkumulation »ökonomischen Kapitals« zu einer Rangfolge sozialen Ansehens. Der zweite Grund für die Attraktivität des Titels war sprachlich-symbolischer Natur. Als Bestandteil des Namens ging er eine Verbindung mit seinem Träger, ja, sogar dessen Familie ein (»Frau Kommerzienrat«), Er ließ sich auf Visitenkarten drucken und zwang das Gegenüber, bei der Anrede seinerseits die staatliche Ehrung anzuerkennen. Die Tatsache, daß verbal und häufig auch schriftlich das berufliche Spezifikum (Kommerzien- oderJustizrat) weggelassen und von »Geheimrat XY« gesprochen wurde, drängte den Träger des Titels noch weiter in die Nähe zur hohen staatlichen Bürokratie, also etwa dem Geheimen Regierungsrat, denn sprachlich bestand kein Unterschied zwischen dem Rat in der Funktionsbezeichnung des staatlichen Beamten und dem Titularraí für verdiente Privatpersonen. Aus diesem Grund ist es auch sehr zweifelhaft, ob das deutsche Bürgertum tatsächlich durch die nach Berufsgruppen spezifizierten Rats-Titel symbolisch zersplittert wurde.42 Möglicherweise verband das gemeinsame Tragen jener Titel sogar die Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen miteinander, und sie konnten sich, wenn sie einander begegneten, gegenseitig mit »Herr Geheimrat« anreden. Auf diese Weise profitierten alle bürgerlichen Berufsgruppen mehr oder weniger von der im Titel ausgedrückte symbolischen Nähe zur Staatsbürokratic. Die Staatsnähe der Symbolik war den Akteuren durchaus bewußt und machte die Auszeichnungen in ihren Augen erst recht begehrenswert. »Das Bewußtsein, daß wir in Preußen nur im Staate und durch den Staat, der allen Einsichtigen längst als die idealste Verkörperung der Staatsidee überhaupt erschienen ist, Ansehen, Auszeichnung und wahrhafte Ehre finden können, ist in den weitesten Kreisen verbreitet«, erklärte der Regicrungsrat a.D. und Generalsekretär des Centralverband deutscher Industrieller Beumer, als er 1883 die Auszeichnung Emil Russells unterstützte.43 42 Kaelble, Französisches und deutsches Bürgertum, S. l3lf. 43 GStA Merseburg Rep. 120AIV5bBd.1 (31.8.1883).

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Da es sich bei den Rats-Titeln um sehr »staatsnahe« Auszeichnungen handelte, unterlag deren Verleihung auch besonderen, vom staatlichen Interesse definierten Kautelen. Bismarck erklärte 1887 im Staatsministerium, die Erhebung des Kommerzienrats Hapke aus Stettin sei abzulehnen, weil dieser die Fortschrittspartei unterstützt habe: »Der Fürst hält es nicht für entsprechend dem monarchischen Prinzip, dem Mitgliede einer Partei, welche bestrebt ist, die preußische Verfassung in revolutionärer Richtung zu ändern, einen Gnadenerweis zu erwirken«.44 Nach Bismarcks Entlassung wurde diese starre Haltung jedoch aufgeweicht, und Handelsminister Berlepsch erklärte, »daß S.M. den Titel als KR auch an Angehörige der Fortschrittspartei, sofern dieselben nicht agitatorisch auftreten«, zu verleihen bereit sei.45 Eine regierungskonforme politische Haltung war nicht die einzige außerökonomische Anforderung an die Kandidaten. Auch eine tadellose »moralische Führung« war gefragt. Dieser Passus tauchte stets bei Berichten über eine eventuelle Auszeichnungjeglicher Art auf. In der Regel war jedoch »nichts nachteiliges bekannt«, denn die patriarchalische Gesellschaft gab den Männern vielerlei Möglichkeiten sich auszuleben, ohne daß das Ansehen ihrer »moralischen Führung« darunter leiden mußte. Nur wenn ein Affaire öffentlich wurde, gefährdete dies eine Auszeichnung. Neben der Tatsache, daß die Deutsche Genossenschaftsbank in eine schwere Krise geriet (womit die ökonomischen Voraussetzungen der Auszeichnung entfielen), war einer der Gründe, weshalb Siegmund Weill der Kommerzienratstitel verweigert wurde, daß er schon vor der Ehe mit seiner nicht standesgemäßen späteren Frau zwei Kinder gezeugt hatte. Im Bericht an den Polizeipräsidenten von Berlin findet sich an der entsprechenden Stelle die Marginalie: »eignet sich danach nicht zur Frau Kommerzienrätin«.46 Auch bei einem der Bleichröder-Söhne führte ein »unsittlicher« Lebenswandel dazu, daß er einer Auszeichnung für nicht würdig erachtet wurde.47 44 GStA Dahlem Rcp. 90a Nr. 2002 (4.8.1887). 45 Dahlem Rep. 90a Nr. 2002 (8.10.1895). Man durfte sich allerdings nicht so dumm anstellen wie Emil Holländer aus der Berliner Direktion der Dresdner Bank, der bei den öffentlichcn preußischen Land tags wahlen 1888 fortschrittlich gewählt hatte und später, als er sich Hotïnungen auf die Verleihung des Kommerzienrats-Titels machte, behauptete, nie für die Linksliberalen gestimmt zu haben. Llolländcr erhielt den Titel nicht. LUA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 10653 (2.12.1893). 46 Und so notierte der Polizeipräsident »zu den Vorgängen Weill [...], daß ich die Verleihung des Kommerzienraths Charakters an den Bankdirektor Siegmund Weill nicht zu befürworten vermag. Dazu bestimmt mich ... seine Verehelichung mit einer früheren BüfTetmamsell und seine Gegnerschaft mit dem Herrn Handelsminister in Angelegenheiten der Umwandlung der hiesigen Korporation der Kaufmannschaft in eine Handelskammer.« LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 14214 (undatiert). 47 Über James von Bleichröder hieß es: »Durch die zweite Verehelichung ist er in schlechten Ruf geraten. Wenn er auch jetzt nicht mehr mit dieser Frau zusammenlebt, nehme ich doch Anstand, ihn zu einer allerhöchsten Auszeichnung vorzuschlagen.« LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9128(11.9.1911).

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Die strenge Prüfung vor allem der Besitzverhältnisse entfiel begreiflicherweise bei Ordensverleihungen. Kam die Auszeichnung mit dem Kommerzienrat nicht in Frage, konnte ein Kandidat doch immer noch mit einem Orden abgefunden werden. In der wilhelminischen Ära wurden mehr Auszeichnungen als früher verliehen, und der Kronen- oder der Rote Adler-Orden, der in der Bismarckzeit an Bankiers in der Regel nicht über der IV Klasse (der untersten) vergeben wurde, war nun sogar in der II. Klasse erreichbar.48 So war es kein Wunder, daß sinkende Qualifìkations-Standards, die den preußischen Handelsminister wiederholt dazu veranlaßten, gegenüber den Provinzialbehörden, welche die Kandidaten vorschlugen, auf Beachtung der Kriterien zu drängen, und die wachsende Zahl der Auszeichnungen diese inflationär entwertete. Dazu kam der sog. »Titelschacher«, als Privatleute mit guten Beziehungen entdeckten, daß Unternehmer, Arzte oder Rechtsanwälte bereit waren, sich die Auszeichnung viel Geld kosten zu lassen. Karl Liebknecht veröffentlichte am Vorabend des Ersten Weltkrieges neben der Dokumentation einiger Fallbeispiele eine komplette Preisliste für alle möglichen Auszeichnungen.49 Der preußische Kommerzienrat kostete demnach 50 bis 60.000 M, der Rote Adler-Orden 8 bis 12.000 M, die Nobilitierung 300.000 M. Letztlich war diese Entwicklung von Monarch und Bürokratie vorgezeichnet worden. Je häufiger Spenden für Kirchen und Säuglingsheime, für die Opfer von Überschwemmungen und ausländischen Hungersnöten belohnt wurden, desto mehr rückte die unternehmerische Leistung, die doch den Maßstab für den Kommerzienrats-Titel bilden sollte, in den Hintergrund. So war es kein Wunder, daß die Zahl der Ablehnungen in Großbankierkreisen in der wilhelminischen Zeit sprunghaft zunahmen. Bekannt geworden ist besonders die Weigerung Carl Fürstenbergs, einen Titel anzunehmen. Fürstenberg inszenierte sein Desinteresse zur Darstellung seiner sozialen Distanz gegenüber dem Rest der Großunternehmerschaft, ja, den übrigen der deutschen Eliten überhaupt, und schmeichelte damit seiner Individualität.50 In einer Zeit, in der »um ihn herum so viele Kommerzienräte, 48 Von den dreizehn Bankiers des Samplcs, an die einer dieser Orden in der II. Klasse verliehen wurde, erhielten zehn diese Auszeichnung nach 1890. Außer Bernhard Dernburg, dem beide Orden in der I. Klasse für seine Arbeit als Staatssekretär des RKA verliehen wurden, erhielt kein Mitglied der Hochfinanz diese Ordensklasse. Um die Jahrhundertwende lag der Kurswert des Roten Adler-Ordens II. Klasse etwa gleichauf mit dem des Geheimen Kommerzienrates, der KronenOrden III. Klasse entsprach in etwa dem Kotnmerziairat, wie aus den Dokumenten hervorgeht, in denen die Verleihungdieser Auszeichnungen gegeneinander abgewogen wurde. GStA Merseburg Rep. 120 A IV 13 a (20.11.1901); LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13431 (12.6.1903). 49 »Potpourri vom Titelschacher«. Vorwärts (25.5.1914). Bereits um die Jahrhundertwende waren in Preußen Fälle der Titel-Korruption autgetaucht. Berliner Neueste Nachrichten (1.2.1901 MA). 50 Das gleiche Motiv findet sich auch bei Georg (von) Siemens, der aus Konstantinopel an seine Frau schrieb: »Geehrte Frau Doktor, Leider muß ich Dich immer noch mit Frau >Doctor
Charakter< erworben«, und zweitens aus »Furcht, mich durch den Titel eines Kommerzienrats lächerlich zu machen, wie es unter meinen Intimen der Fall war«.52 Leider hat uns Wallich nicht überliefert, worin seiner Meinung nach diese Lächerlichkeit bestand. Jedenfalls bereute er seine Entscheidung: »Es war falsch, wie mir der Erfolg gezeigt hat. In einem Land wie dem unseren, wo so viel Wert auf Äußerlichkeiten und Rangunterschied gelegt wird, kann man nicht gut gegen die Strömung ankämpfen und es ist jedenfalls fehlerhaft, eine Auszeichnung abzulehnen, wenn sie - namentlich in jungen Jahren - angeboten wird«. Was Wallich in seinem Memoiren reflektierte, dürften die unausgesprochenen Beweggründe der meisten Titelträger gewesen anreden. Man hat mich früher einmal (noch in Berlin) gefragt, ob ich Geheimrat werden wollte; ich habe geantwortet, daß ich unter dem Namen «Der Doctor» bekannt sei und daß mir dies genüge«. Zitiert nach Helfferich, Bd. III, S. 359. Siemens bevorzugte offenkundig seinen individuellen »Spitznamen« gegenüber einer Anrede, die er mit vielen teilen mußte. In gleicher Weise verfuhr er mit seinen Ordensauszeichnungen: Nur für den persischen Sonnen- und Löwenorden I. Klasse, dessen einziger Träger in der Hochfinanz, wenn nicht in ganz Deutschland er war, holte er die vorgeschriebene Genehmigung zum Tragen ein. GStA Merseburg Rep. 176 VI S Nr.579 (4.8.1899). 51 Fürstertberg, Fürstenberg-Anekdoten, S. 85. Nicht umsonst lautet der Untertitel dieser Schrift: Ein Unterschied muß sein. Allerdings erschienen die einschlägigen Artikel in der Berliner Presse, die Fürstenbergs Ruf über die Bankwelt hinaus begründeten, erst nach Ende des Kaiserreiches, z. B. »Fürstenbergiana« (BT 1.9.1925), »Der witzigste Mann von Berlin« (BT 27.4.1930), »Der Witz des Bankiers« (BT 24.8.1930). Orden anzunehmen verschmähte Fürstenberg vor 1918 keineswegs; so besaß er »seit dem 2.7.1888 den Königlichen Kronen Orden dritter Klasse, seit dem 26.3.1906 den Roten Adler-Orden dritter Klasse mit dem Stern, ferner den Serbischen Takowo Orden I. Klasse, das GroßofFizierskreuz des Ordens der Italienischen Krone, das Komturkreuz des Österreichischen Franz Joseph Ordens mit dem Stern, den Russischen St. Stanislaus Orden II. Klasse mit dem Stern und das Komturzeichen II. Klasse des Anhaltischen Hausordens Albrecht des Löwen«. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9929 (22.1.1901, 10.7.1909). 52 Z. B. vermerkte der Polizeipräsident über die öffentlichen Verdienste Emil Holländers anläßlich der vom Präsidenten der Seehandlung, von Burchard, vorgeschlagenen Verleihung des Kommerzienratstitels: »Holländer ist nur Mitglied des Lissa'er Hilfsvereins, sonst hat er sich an anderen Wohlfahrtseinrichtungen niemals betheiligt und wenn er einen namhaften Beitrag zum Fonds für die Wilhelm-Gedächtnis-Kirche gegeben haben sollte, was in seinen Kreisen nicht bekannt ist, so dürfte dies sicherlich einen durchsichtigen Grund haben«. Holländers Spende für den Kirchenfond betrug nur 500 M. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 10653 (2.12.1893; 20.12.1895). Wallich, Aus meinem Leben, S. 131 (auch für das Folgende).

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sein: Die Unmöglichkeit, aus der gegebenen sozialen Rangordnung auszubrechen, führte zum Versuch, in ihr durch einen Titel eine möglichst hohe Position zu erklimmen, und bestätigte mit dieser Anerkennnung eben jene Rangordnung. Zu allem Uberfluß versuchte Wallichs Kollege Koch später, hinter seinem Rücken für ihn den Titel zu erwirken. Der Versuch scheiterte allerdings, und Wallich schrieb, er habe »die mir bewilligten österreichischen und italienischen Orden ... nie getragen und den vom Kaiser geadelten Kollegen Siemens nie beneidet«. Tatsächlich scheint Wallich um die Jahrhundertwende die Konsequenzen aus seinen Überlegungen über »Äußerlichkeiten und Rangunterschiede« gezogen zu haben, denn hinsichtlich der italienischen Orden vermerkte der Polizeipräsident von Berlin, daß »Wallich ... sich zur Annahme der in Frage kommenden italienischen Dekorationen nicht bereit finden [würde]. Wallich glaubt in Anbetracht seines Alters und seiner sozialen Stellung auf höhere Auszeichnung Anspruch zu haben«. Einige Jahre später hielt der Polizeipräsidentfest, daß Wallich über den Roten Adler-Orden IV Klasse »keine Freude empfinden [würde], zumal bei weitem jüngere Kollegen bereits mit dem Kronen Orden III. Klasse begnadigt worden sind«.53 Diese Beispiele zeigen, daß auch der Wille, sich den gegebenen sozialen Hierarchien zu widersetzen, letztlich von der Einsicht in die Notwendigkeit, sich diesen Hierarchien anpassen zu müssen, überwunden wurde. Die Mehrzahl der Großbankiers setzte der Macht der Rangunterschiede keinen ernsthaften Widerstand entgegen und entwickelte einen recht instrumenteilen Umgang mit den staatlichen Ehrungen.54 Der hohe Anteil von Trägern der staatsnahen Auszeichnung des Kommerzienrates unter den Großbankiers zeigt, daß sie die symbolische Ordnung von Staat und Gesellschaft weitgehend widcrspruchlos anerkannten. Die Hochfinanz war stolz auf ihre staatlichen Auszeichnungen, wenn sie tatsächlich eine Anerkennung unternehmerischer Leistung darstellten. Die Welt am Montag berichtete 1902: »Die Nachricht, daß der Direktor der Deutschen Bank Herr Max Stcinthal den Titel eines Kommerzienrates erhalten, ist in den Kreisen der Geschäftswelt und darüber hinaus mit Genugtuung begrüßt worden.«3“ Carl Michalowsky unterstrich diese Haltung, als er dem Berliner Polizeipräsidenten beschied: »Es würde zweifellos Herrn v. Koch die Freude über die ihm zugedachte Ehrung genommen oder doch be53 LHA Potsdam Rcp. 30 c Tit. 94 Nr. 14107 (29.4.1898; 8.11.1904). 54 Eine Ausnahme bildete Adolf Salomonsohn. der in der individuellen Leistung eines Mannes den einzigen Maßstab zur Bestimmung seines sozialen Ranges sah. Er verkündete bei einem Diner Hansemanns, als er sich von hochdekorierten Militärs und Beamten umgeben sah: »Eigentlich bin ich doch der Vornehmste von allen hier Versammelten, denn ich gelte, obgleich meinen Fraockein einziger Orden ziert«. Und sein Sohn berichtete über ihn: »Titel, Orden und Ehrenzeichen waren für ihn Schall und Rauch«. Solmsscn, S. 19. 55 Die Welt am Montag VIII Nr.3 (20.1.1902, Beilage).

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einträchtigt werden, wenn er das Gefühl haben müßte, dass bei den Erwägungen nicht allein seine Bewährung auf kaufmännischem Gebiete in hervorragender Stellung, sondern Rücksichten auf Eigenschaften und Betätigungen [Spenden an Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen] mitbestimmend gewesen sind, die jedermann, der hierzu in der Lage ist, als selbstverständlich ansieht.«56 Diese Beliebtheit staatlicher Auszeichnungen für erfolgreiche Unternehmer war nicht nur in Preußen, sondern auch bei den Bankiers in den »Mittelstaaten« wie Sachsen und Bayern anzutreffen. Lediglich im traditionell anti-bürokratischen Hamburg lagen die Dinge ein wenig anders. Allerdings gab es auch außerhalb Hamburgs Nuancen. Leiter und Inhaber von lange etablierten Banken, also die meisten Privatbankiers, verschmähten kaum eine Auszeichnung. Herausforderer wie Fürstenberg versuchten gelegentlich, durch Außenseiter-Strategien ihren Ort in der Hierarchie zu finden. Kamen ein prononciert linksliberaler Bürgersinn und der Leistungsstolz der Manager-Elite hinzu, wie in der Direktion der Deutschen Bank, standen diese Bankiers den Insignien der sozialen Rangstufen relativ distanziert gegenüber. Von Ludwig Roland-Lücke war bekannt, daß er Orden und Titel verschmähte, ebenso von dem politisch rechts stehenden, aber nicht weniger »bürgerlichen« Adolph Salomonsohn.57 Häufiger waren jedoch Querelen, wenn Bankiers angebotene Auszeichnungen als ihrer soziale Position nicht angemessen zurückwiesen. Denn im Gegensatz zu den Rats-Titeln, die in erster Linie die Nähe zur staatlichen Bürokratie symbolisierten, kam in den feinabgestuften Klassen der zahlreichen in- und ausländischen Orden die Position seines Trägers in der sozialen Hierarchie viel deutlicher und genauer zum Ausdruck. Der Berliner Stadtrat und Direktor der BHI Johannes Kaempf lehnte beispielsweise 1898 einen angebotenen italienischen Orden ab, weil er »vermöge seiner sozialen Stellung auf höhere Auszeichnung Anspruch zu haben« glaubte. Selbst als Kaempf daraufhin eine höhere Stufe des Ordens verliehen wurde, holte er keine Erlaubnis zum Anlegen des Ordens ein, weil ihm die Ordensklasse noch immer zu gering erschien.58 Die Affäre war kein Einzelfall. Ernst Magnus von der Nationalbank verweigerte die Annahme eines niederländischen Ordens, weil der Bankier Robert Warschauer einen höheren Orden bekommen hatte.59 Der Neid der Manager-Bankiers war begründet. Privatbankiers wurden gemäß ihres höheren Ansehens auch höher ausgezeichnet. Für die Negoziierung der gleichen rumänischen Anleihe erhielt Hans von Bleichröder das Kommandeurkreuz des Ordens der

56 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11075 (22.8.1918). 57 Helfferich, Bd. III, S. 89, S. 359; LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9408 (undatiert). 58 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11175 (29.4.1898; 26.6.1899). Kaempf sollte ursprünglich mit dem Offìzierskreuz der Italienischen Kronen Ordens ausgezeichnet werden; doch auch das höhere Kommandeurkreuz genügte ihm nicht. 59 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11825 (2.3.1898).

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Krone von Rumänien, während Arthur Salomonsohn von der Disconto-Gesellschaft, dem von der rumänischen Regierung ebenfalls das Kommandeurkreuz avisiert worden war, auf Geheiß des Polizeipräsidenten von Berlin ein geringerer Orden verliehen wurde: »Seiner Stellung dürfte vorliegend immer noch der Offiziersrang entsprechen, wenigstens im Vergleich zu den Auszeichnungen anderer Kaufleute gleichen Grades (die Stellung d. Bleichröders ist denn doch eine wesentlich höhere)«.60 Noch ärgerlicher war für die ganze Bankwelt in der wilhelminischen Zeit die Benachteiligung ihres Standes im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, ein Zeichen für das gewachsene Selbstbewußtsein der Großbankiers. Denn entsprechend der weitverbreiteten Ideologie, daß der Staat über den divergierenden Einzelinteressen der Gesellschaft stehe und das Gemeinwohl wahre, und des daraus folgenden hohen Ansehen der Bürokratie erhielten die Staatsdiener höhere Auszeichnungen als Unternehmer, erst recht als die angeblich wenig nationale, jüdisch durchsetzte Hochfinanz. Die Haltung der hohen Beamtenschaft wird deutlich in einem Bericht über Ludwig Delbrück, den der Polizeipräsident von Berlin 1912 an den preußischen Handelsminister schickte: »Delbrück befindet sich in demjenigen Lebensalter, in welchem durchschnittlich der Regierungsrat zur Verleihung des Roten Adler-Ordens IV Klasse in Frage kommt. Während dieser aber seine Lebenstätigkeit gegen Jahresentgelt von wenigen Tausend Mark dem Staate gewidmet hat, liegen unmittelbar staatliche Verdienste Delbrücks überhaupt nicht vor, handelt es sich lediglich um eine Millionen einbringende private Tätigkeit, deren mittelbarer Nutzen für den Staat selbstverständlich von mir nicht bestritten wird«.61

Das Hervorkehren ihrer gesellschaftlichen Superiorität findet sich auch in anderen Zeugnissen der Beamtenschaft.62 Sie blieb allerdings etwa seit der Jahrhundertwende nicht ohne Widerspruch. So fand Die Welt am Montag 1902 scharfe Worte für die symolischc Geringschätzung der Unternehmerschaft: »In diesen Tagen des Ordensfestes wird mancher Orden und mancher Stern sich auch auf die Brust von Börscnkauflcutcn und Industriellen niedersenken. Und doch pflegt bei derartigen Anlässen für den Kaunnaniisstand ein bitteres Gefühl zurückzubleiben; die Art der Auszeichnungen, welche man dem Kaufmann zuteilt, der oft Millionen-

60 LHA Potsdam Rcp. 30 c Tit. 94 Nr. 13475 (10.3.1901); Nr. 13431 (12.6.1903). 61 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9650 (23.5.1912). 62 Über die 1916 geplante Verleihung der Roten Kreuzmedaillc I. Klasse an Johannes Kaempf, damals immerhin Reichstagspräsident und ARVder Darmstädter Bank, schrieb der Polizeipräsident an den stellvertretenden Militärinspekteur der freiwilligen Krankenpflege, er lehne auch die Verleihung der II. Klasse ab: »Da er sich nicht auf phänomenale Taten gründen kann, muß ich annehmen, daß ihm die soziale Stellung zu Gründe liegt... aber Persönlichkeiten von weit höherer sozialer Stellung, beispielsweise Oberpräsidenten, [tragen] jahrelang die Rote Kreuzmedaille dritter Klasse«. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11175 (27.5.1916).

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Betriebe lenkt, die von größter Bedeutung für das Vaterland sind, pflegen auf keiner höheren Stufe zu stehen, als die Ordens-Verleihungen an einen braven Kompaniechef, der sein Fähnlein fern an der Grenze jahraus, jahrein ehrenwert geführt hat.«63 Doch solange das politische System nicht in eine akute Legitimationskrise geriet - also bis 1918 - fand sich auch in der Hochfinanz nur vereinzelt eine ernsthafte Kritik am bestehenden Ordnungssystem. Zwar gab es allenthalben individuelle Verweigerungsstrategien: gegenüber der Person des Monarchen (Adolf Salomonsohn), gegenüber einzelnen Auszeichnungen (Fürstenberg), gegenüber der politischen Dominanz der Agrarkonservativen (Siemens, Riesser). Doch keine dieser Strategien stellte die herrschende symbolische Ordnung in Frage. Die weitaus meisten Bankiers, denen eine »Charaktererhöhung« zu Teil wurde, erhielten den für Unternehmer vorgesehenen Titel des Kommerzienrates oder die höhere Stufe des Geheimen Kommerzienrates.64 Einige juristisch vorgebildete unter ihnen wurden Justizrat; ein einziger Bankier, der als Architekt in die Direktion der Disconto-Gesellschaft aufgenommen worden war, wurde zum Geheimen Baurat ernannt, aber diese Gruppe machte kaum 10 % der mit einem Rats-Titel Ausgezeichneten aus. Insgesamt wurden 82 Mitglieder der Hochfinanz derart geehrt. Gut jeder fünfte Großbankier erhielt also einen jener Titel. Angesichts der Weisung, daß nur in Ausnahmefállen mehrere Direktoren oder Inhaber einer Firma gleichzeitig derartige Titel tragen sollten, muß man dieses Verhältnis als außerordentlich hoch ansehen. Im Gegensatz zu den Nobilitierungen spielte bei der Vergabe von Titularräten wie bei den Ordensverleihungen eine jüdische Konfession oder Herkunft des Bewerbers keine Rolle.65 Unterschiede bestanden bei der Auszeichnung von Privatbankiers und Manager-Bankiers, doch sie waren gering: 23,2 % der Privatbankiers und 21,7 % der Manager-Bankiers des Samples erhielten einen Ratstitel. Allerdings mußten sich letztere in der Regel mit dem einfachen Ratstitel begnügen; 15,8 % der Privatbankiers, aber nur 8,5 % der Manager erhielten den Geheimratstitel. Dem Wandel der Machtverteilung im »Feld der Hochfinanz« entsprechend fielen die weitaus meisten Auszeichnungen an Privatbankiers zwischen 1850 und 1880, die Blütezeit der Privatbanken. Fast die Hälfte, nämlich 14 ihrer insgesamt 31 Auszeichnungen, wurde sogar vor der Reichsgründung vorgenommen. Die ersten Manager, die in den 1860er Jahren den Geheimratstitel erhielten, waren Geschäftsinhaber der KGaA-Banken, und noch in den 1870er Jahren blieb die Auszeichnung des Vorstandsmitgliedes einer »reinen« Aktien63 Die Welt am Montag VIII Nr. 3 (20.1.1902 Beilage). 64 Zur Geschichte des Titels und der formalen Seite der Titelvergabe vgl. Kaudelka-Hanisch, Preußische Kommerzienräte, S. 26-62; dies., The Titeled Businessman, S. 91-95. 65 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommtTlhompson,S. 190. 76 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

bank in Preußen außerordentlich selten. Die 1880er Jahren, die den deutschen Banken wenig einheimische Betätigung gaben, waren die Dekade mit den wenigsten Titel-Verleihungen, und die preußischen Manager-Bankiers des Samples gingen völlig leer aus. In größerem Umfang erhielten Bankdirektoren erst um die Jahrhundertwende einen der Ratstitcl. In Preußen waren es die großen Berliner Institute, deren Inhaber und Leiter bei der Titelvergabe bevorzugt wurden. Weil man aber kleinere Berliner Institute wie F.W. Krause & Co., die Berliner Bank oder die Deutsche Genossenschaftsbank, sogar die Nationalbank für Deutschland gar nicht berücksichtigte, wurde »nur« jeder sechste Berliner Großbankier mit einen Rats-Titel ausgezeichnet. Leiter von preußischen Provinzbanken wie der Ostbank oder der Breslauer DB sowie der nachgeordneten Großbanken erhielten zwar den Titel eines Kommerzienrates, nicht aber die höhere Stufe. Auszeichnungen an Privatbankiers außerhalb Berlins gingen eher nach Köln, wo die am Eisenbahnbau und der industriellen Entwicklung des Rheinlands engagierten Oppenheims zwei Geheimrats- und drei Ratstitel sammeln konnten, als nach Frankfurt. Außerhalb Preußens war die Titelvergabe freizügiger. Die Direktoren der ADCA in Sachsen, der Rheinischen CB in Baden und der Bayerische Hypo wurden häufiger ausgezeichnet als die Leiter der Deutschen Bank oder der Disconto-Gesellschaft, der größten Banken im Reich. Auch die Bayerische und die Württembergischen Vereinsbank gingen nicht leer aus. Auf diese Weise erhielt jeder zweite der untersuchten sächsischen Bankiers und jedes dritte Vorstandsmitglied der badischen und der beiden bayerischen Regionalbanken des Preußenkonsoritums einen Rats-Titel. Als Leiter der jeweils größten Institute in den einzelnen Staaten erfreuten sich diese Bankiers der außerordentlichem Wertschätzung ihrer Regierungen. Anders lagen die Verhältnisse in Hamburg. Kein einziger der hanseatischen Bankiers nahm einen Ratstitel an. Hier wirkte eine starke lokalpatriotische Tradition nach, die den Senatoren - der sozial, wirtschaftlich und politisch dominierenden Gruppe des Stadtstaates - verboten hatte, fremde, monarchische Auszeichnungen anzunehmen.66 Auch wenn sich diese Tradition nach 1870 abschwächte und einige Hamburger Notablen sich nobilitieren ließen wie Max (von) Schinckcl 1917, bewirkte sie doch eine starke Reserve der hanseatischen Großbourgeoisie und der ihnen nacheifernden Schichten gegenüber der Symbolik des bürokratisch-militärischen Preußen. Gerade die Assoziation der Rats-Titcl mit der Bürokratie minderte den symbolischen Wert dieser Auszeichnungen in der bis zur Reichsgründung praktisch ohne besoldete Beamtenschaft auskommenden Stadtrepublik. Eine Darstellung der symbolischen Praktiken wäre unvollständig, blieben die nicht-staatlichen Ehrungen unerwähnt. Sie gingen im Unterschied zu den monarchischen und staatlichen Auszeichnungen unmittelbar aus der bürgerli66 Evans, Family and Class, S.121; Angustine, Patricians, S. 41, S. 171.

77 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

chen Gesellschaft - den Sphären von Bildung und Kultur oder den Kommunen - hervor und geben damit Aufschluß darüber, inwieweit sich die soziale Positionierung der Großbankiers in deren symbolischen Ordnung ausdrücken ließ. Eine der heute verbreitetsten Würden, der ehrenhalber von einer Universität verliehene Doktortitel, fand erst in der Weimarer Republik nennenswerte Verbreitung, als mit dem Untergang der Monarchie die bis dahin üblichen Auszeichnungen nicht mehr verliehen werden konnten. Vermutlich kam der Ehrendoktor erst aus dieser Mangelsituation zu größerer Beliebtheit.67 Vor 1914 schätzten ihn vor allem dezidiert bürgerlich auftretende und nicht selten politisch bei den Liberalen engagierte Manager-Bankiers wie Johannes Kaempf oder Bernhard Dernburg.68 Den Doktortitel trugen zwar zahlreiche akademisch gebildete Bankiers, als unternehmerische Auszeichnung kam er jedoch nicht in Frage. Weite Teile der Finanzwelt mokierten sich eher über diesen Titel tragende Kollegen wie über Georg (von) Siemens, der das Rigorosum als aktiver Bankier ablegte, was ihm den Spitznamen »der Doktor« eintrug. Nur sehr wenigen Bankiers des Kaiserreiches, unter ihnen dem Leipziger Rudolph Wachsmuth, »erschien der Doktortitel immer als der ehrenvollste«. Wachsmuth, der es »als eine Unterlassungssünde empfunden [hatte], sich den Doktorgrad nicht erworben zu haben«, wurde 1877 die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig in »Anerkennung seiner persönlichen und bürgerlichen [sie!] Verdienste« verliehen.69 Mehr wirtschaftspolitische Einflußnahme als Streben nach sozialer Anerkennung lag in der Betätigung vieler Bankiers in Körperschaften wie den Handelskammern und Ältestenkollegien, auch wenn die Mitgliedschaft im Vorstand einer Handelskammer und erst recht die Präsidentschaft zweifellos ein hohes Ansehen verschaffte.70 Doch weil bekannt war, daß die Übernahme derartiger ehrenamtlich ausgeübter Tätigkeiten auch ein Kriterium für die Vergabe staatlicher Auszeichnungen bildete, ließ sich mancher Kaufmann in die Organe unternehmerischer Selbstverwaltung wählen, »um sich einen Orden oder Titel nicht zu verschlagen. [...] Statt eines inneren berechtigten Stolzes trat häufig die Sucht nach äußeren Ehren hervor.«71 Eine wenig beachtete und schwer zu untersuchende Form der Auszeichnung bestand in der Auswahl eines Festredners bei besonderen öffentlichen Anlässen, wobei hier nur diejenigen Fälle in Betracht zu ziehen sind, bei denen der 67 Der mangelnde Bildungsgrad der Großbankiers oder ein mangelndes Interesse ihrerseits an akademischen Curricula während des Kaiserreiches überzeugt als Erklärung für diese Entwicklung nicht. Schon seit den 1880er Jahren lag der Anteil akademisch gebildeter Manager-Bankiers, die neu ins »Feld der Hochfinanz« traten, kontinuierlich über 40 %. 68 Vgl. Thompson, S. 201. 69 Wachsmuth, S. 130f., S. 149. 70 Beispielsweise für Max (von) Schinckel (Lebenserinnerungen, S. 438). 71 Delbrück,S. 120.

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Redner nicht bereits durch sein Amt bestimmt war. Die Bedeutung dieser Auszeichnung lag darin, daß einzig einer Person, die ein hohes Ansehen genoß, die Aufgabe der Würdigung einer anderen Person übertragen werden konnte. Carl Eckhard, der einflußreiche badische Bankier und Politiker, wurde wiederholt damit betraut, Festreden zu halten (unter anderem zum 100. Geburtstag des Politikers Karl von Rotteck in Freiburg, zum Tode Bismarcks und zur Einweihung eines Denkmals für Wilhelm I. in Mannheim).72 Diese Veranstaltungen fanden sozusagen in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft statt, und an diesem gesellschaftlichen Ort erhielten die Redner auch ihr Prestige. Doch dieses Ansehen war flüchtig; es ließ sich nicht in einem sichtbaren Orden oder einem dem Namen hinzugefügten Titel institutionalisieren. Ebenfalls an der Grenze zwischen politischer Einflußnahme und sozialer Anerkennung bewegte sich das ehrenamtliche kommunalpolitische Engagement von Bankiers. Da die politischen Implikationen ihres unternehmerischen Handelns zu einem großen Teil auf nationaler oder internationaler Ebene lagen und die kommunalpolitische Ebene, etwa bei Terraingesellschaften, in der Regel getrost der mittleren Leitungsebene der Banken überlassen werden konnte, darf man dieses Engagement sehr wohl einem Bewußtsein von Bürgerpflicht und dem Streben nach Anerkennung zuschreiben, auch wenn Kommunalanleihen angesichts der wachsenden Aufgaben der Gemeinden zusehend an Bedeutung gewannen und die Bankiers sich vorzugsweise in die Finanzausschüsse ihrer Heimatstädte wählen ließen. Nicht umsonst wurden diese Funktionen als Ehrenämter bezeichnet: Positionen, die ihrem Inhaber Prestige verschafften, wie er bereits vorher ein gewisses Ansehen zu ihrer Erlangung besitzen mußte. Andererseits sind die Informationen über die Äbernahme kommunaler mter besonders spärlich, so daß hier eine recht schmale Datenbasis hochgerechnet werden muß.73 Die Neigung, ein derartiges Ehrenamt zu übernahmen, war in der Hochfinanz keineswegs überall verbreitet. Besonders stark war zeigte sie sich in den alten Handelsstädten Frankfurt und Leipzig sowie im patrizisch geprägten Stadtstaat Hamburg.74 In Frankfurt und Hamburg kann man dies durchaus der langen Tradition selbstverwalteter politischer Einheiten zuschreiben, in denen mit der Übernahme eines kommunalen Amtes tatsächliche politische Machtausübung verbunden war (in Frankfurt zumindest bis 1866). Der allgemeinen 72 Eckhard, Erinnerungen, S. 16, S. 84 u. S. 86. 73 Von 21 aktiven Bankiers ist die Annahme eines kommunalen Wahlamtes bekannt. Darin sind nicht diejenigen Personen eingerechnet, die (wie Johannes [von] Miquel, Richard Witting, Emil Rüssel, Wilhelm Farwick, Julius Plaeschke und andere) diese Tätigkeit beendeten, als sie Bankiers wurden. 74 Roth hat bei der Frankfurter Großunternehmerschaft eine deutlich nachlassende Bereitschaft zur Übernahme kommunaler Ämter beobachtet. Doch im Vergleich zu Bankiers in anderen Großstädten ist deren Engagement als relativ stark zu bezeichnen. Roth, S. 524-526, S. 589-599.

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Tendenz in der Großunternehmerschaft folgend, ging jedoch auch unter den Bankiers die Bereitschaft zur Annahme eines kommunales Wahlamtes zurück.75 Die starke Präsenz von Bankiers in der Leipziger Stadtverordnetenversammlung dürfte auf das ausgesprochen liberal-bürgerliche Profil der ADCA zurückgehen.76 Diese Männer konnten auch deshalb ein starkes lokalpolitisches Engagement entwickeln, weil ihr Geschäftskreis regional orientiert blieb. Jeder vierte Leipziger Bankier des Samples, jeder siebte Frankfurter und jeder zehnte in Hamburg, aber nur jeder dreiunddreißigste in Berlin nahm ein Mandat als Stadtverordneter an. Dagegen brachte die Übernahme eines kommunalen Ehrenamtes gerade in den altpreußischen Gebieten einschließlich der beiden westlichen Provinzen einem Bankier weniger Ansehen als in den bis 1866 unabhängigen, von einem selbstbewußten Stadtbürgertum regierten Städten, dem kein Hof und keine Bürokratie den sozialen Rang streitig machte. Hier war man stolz auf die kommunale Selbstverwaltung, und die großen Bankiers drängten sich danach, Teil zu haben am Glanz dieses klassischen liberal-bürgerlichen Engagements.77 Auch die Mannheimer Bankiers betätigten sich rege, während ihre Kollegen in den Residenzstädten Berlin, München oder Dresden der Lokalpolitik wenig Interesse entgegenbrachten und andere Formen öffentlicher Auszeichnung bevorzugten. In Preußen, wo die staatliche Bürokratie dagegen massiv in die Kommunen hineinregierte und die Macht der kommunalen Selbstverwaltung seit jeher stark eingeschränkt hatte, konnten solche Ehrenämter niemals einen Nimbus wie in Hamburg oder dem bis 1866 eigenständigen Frankfurt entwickeln und als Symbol hohen bürgerlichen Ansehens gelten.78 75 Hardtwig, S. 49. 76 Zu den Gründern der Bank hatten u. a. Karl Mathy, einer der führenden badischen Liberalen (seit 1866 Handelsminister) und Gustav Harkort, der Bruder des rheinischen Fortschrittlers Friedrich Harkort, gehört. Die Bank widmete sich in der Folgezeit weniger dem Staatsanleihe- als dem Eisenbahn- und Industriegeschäft (besonders dem Verkehr mit der sächsischen Textilindustrie) und war daher viel weniger mit den Staatsgeschäften verwoben als etwa die Disconto-Gesellschaft oder die großen Berliner Privatbanken. Die Aufsichtsratsmandate der ADCA-Vorstandsmitglieder blieben im Wesentlichen auf sächsische Unternehmen beschränkt. Ihre Herkunft und ihr Heiratsverhalten war ausgesprochen bürgerlichen Zuschnitts. Die meisten von ihnen arbeiteten sich innerhalb der ADCA zum Vorstandsmitglied empor, konnten ihre Karriere also mit Recht ihrer individuellen Leistung zuschreiben. Keiner von ihnen kam aus der Bürokratie oder einer Staatsbank oder wurde aus Dekorationsgründen und ob seines »sozialen Kapitals« berufen. 77 Fritz Auerbach, der im Bankhaus Jacob S.H. Stern keine allzu tiefen Spuren hinterließ, erhielt bei seinem Tod in der Frankfurter Presse emphatische Nachrufe für seine Arbeit als Stadtverordneter. FZ Nr. 272 (1.10.1909); Kleine Presse Nr. 230 (1.10.1909), Nr. 231 (2.10.1909), Nr. 232 (4.10.1909); Frankfurter Nachrichten Nr. 273 (2.10.1909); Frankfurter Leben 4:1909 Nr. 283; Allgemeine Zeitung des Judentums 73:1909 Nr. 45 (Gemeindebote). 78 Waldemar Mueller, der später in der Dresdner Bank reüssierte, wurde 1885 vom preußischen Innenminister als Oberbürgermeister der Stadt Posen eingesetzt, weil diesem der gewählte

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Die Schwäche der deutschen und speziell der preußischen Bürgergesellschaft lag mithin nicht zuletzt darin begründet, daß sie nicht in der Lage war, eine eigene symbolische Ordnung zu etablieren, welche die Hierarchie ihrer Mitglieder auszudrücken vermocht hätte. Die Akteure blieben statt dessen auf die Symbole des bürokratischen Obrigkeitsstaates angewiesen. Witt hat das beeindruckend vielfältige und wirksame Instrumentarium symbolischer Integration durch den (preußischen) Staat aufgezeigt, wenn auch m. E. das monarchische Element darin zu sehr in den Vordergrund gerückt ist.79 Das Verlangen nach Auszeichnungen in der Hochfinanz lief damit auf eine soziale Integration durch den Staat - nicht jedoch in die Welt der Aristokratie - hinaus.

OB nicht gefiel. Auch Adelhert Delbrikk, der 1861 Stadtverordneter in Berlin wurde, beklagte sich in seinen Memoiren bitterlich über die fortgesetzten Interventionen der Polizeipräsidenten Hinkeldey, Wurm und Madai.Delbrück.S. 87 u. S. 98f. 79 Witt, Monarchen und Bürger, passim.

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3. Privatbankiers und die Leiter der Aktienbanken Die zunehmende »Trennung zwischen Besitz und Kontrolle« ist vielleicht das hervorstechendste Merkmal der wirtschaftlichen Entwicklung während des Kaiserreiches.1 Hinter diesem Terminus verbirgt sich nicht allein das Aufkommen der Aktiengesellschaft als »anonyme Gesellschaft« im Gegensatz zur Personalgesellschaft, in der die Kapitaleigner oft nur noch einen zu vernachlässigenden Einfluß auf die Verwendung des Kapitals ausüben können, und das Entstehen des »Manager-Kapitalismus«. Die gesamte Struktur der ökonomischen und sozialen Beziehungen geriet dadurch in Bewegung.2 Das Bankwesen wurde von diesem Prozeß besonders stark geprägt.3 Hier verdrängten die Aktienbanken, vor allem die »Berliner Großbanken, die Privatbanken mehr und mehr aus den führenden Positionen, sei es in der Quotenverteilung bei der Begebung der Staatsanleihen, der Besetzung der Aufsichtsratsposten großer Industrieunternehmen oder dem Depositengeschäft. Einst waren die Aktienbanken auf Betreiben der Privatbankiers gegründet worden, die sich davon eine Verbreiterung der Kapitalbasis für ihre Geschäfte versprochen hatten, aber kaum damit rechneten, die Kontrolle über ihre Gründungen zu verlieren. In den meisten der neuen Aktienbanken, vor allem in den Großbanken, setzte sich jedoch nach kurzer Zeit der Vorstand als Entscheidungszentrum gegen den Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Aktionäre durch. Die Privatbankiers wurden also gewissermaßen doppelt entmachtet: erstens innerhalb der von ihnen gegründeten Aktienbanken und zweitens auf dem Geldund Kapitalmarkt. Für die Beteiligten war das in den 1850er bis 1870er Jahren sicherlich nicht absehbar. Im Gegenteil demonstrierte gerade das Beispiel der 1 Statt einer Fülle von Literatur sei hier nur hingewiesen auf einen Klassiker: Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. III. 1, S. 14. 2 Zum Begriff vgl. Kocka, Großunternehmen, S. 54-58, in dessen Typologie von Managerund Eigentümer-geführten Unternehmen sich die deutschen Aktienbanken sich allerdings nicht fügen. Zu den damit einhergehenden Veränderungen der »social assets« der Unternehmer vgl. Bonràieu u. a., Kapital und Bildungskapital, in: ders. u. a., Titel und Stelle, S. 23-44. 3 Alle 5222 deutschen Aktiengesellschaften vereinigten im Jahre 1909 ein Aktienkapital von insges. 14.7 Mrd. Mark. Davon entfielen auf die Kreditinstitute 3.8 Mrd. Mark (25,8 % ) , nachfolgend Maschinenindustrie (1.6 Mrd. Mark = 10,8%), Verkehrsgewerbe (1.5 Mrd. Mark = 10,2%), Bergbau-, Hütten- und Salmenwesen (1.3 Mrd. Mark = 8,8 % ) . Vgl. Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. III.2, S. 731.

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englischen Banken, an dem sie sich teilweise stark orientierten, daß die dortigen Privatbankiers bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Kontrolle über die von ihnen gegründeten Aktienbanken behielten und die angestellten für die »Alltagsarbeit« zuständigen managers eben nicht zu den city men Londons und damit zur beherrschenden Gruppe der Finanzwelt gehörten.4 Hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Binnenstruktur unterschied sich die deutsche Hochfinanz damit fundamental von derfinancial aristocraey Englands, denn durch das »Eindringen« der formal nur angestellten Vorstandsmitglieder der großen Aktienbanken in die oberste Schicht der deutschen Bankwelt wurde sie zu einer »gemischten Elite«, in der sich die Privatbankiers am Vorabend des Ersten Weltkrieges an Zahl und Einfluß überrundet sahen. Der Frage, welchen Einfluß diese Durchmischung auf die Hochfinanz hatte, worin sich Privatbankiers und Manager-Bankiers unterschieden und welche Gemeinsamkeiten bestanden, wird in diesem Kapitel nachgegangen. Die Form der Ausübung ökonomischer Macht, die sich in den personell eher kleinen und geschäftlich übersichtlichen Privatbanken von der Unternehmensführung in den während des Untersuchungszeitraumes entstehenden Filialgroßbanken und Bankkonzernen unterschied, dieser Übergang von der personalen Herrschaft der Eigentümer zur »strukturellen Herrschaft«5 der Konzernleiter hatte weitreichende Auswirkungen auf die sozialen Merkmale der Akteure. Zunächst ist es notwendig, die Beziehungen innerhalb der Firmen, die den Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen bildeten, zu beleuchten, um danach die Zwischenpositionen und fließende Übergänge zu untersuchen. Die Frage nach dem Ausmaß der »Bruchlinie« wird nach einer Analyse ihres »ökonomischen Kapitals«, ihrer Herkunft- und Laufbahnmuster sowie ihres Ansehens und Prestiges beantwortet. Dabei wird sich zeigen, daß die deutsche Hochfinanz nach einer Phase der sozialen Öffnung und verschärfter Rivalitäten am Ende des Kaiserreiches zu einer ausgesprochen homogenen Gruppe zusammengewachsen war, obwohl die Differenz zwischen den Privatunternehmern und den Angestellten-Unternehmern nach wie vor das wichtigste sozialökonomische und soziokulturelle Element ihrer Binnenstruktur darstellte.

4 Cassis, Management and Strategy, S. 309-311. 5 Zum Begriff der »strukturellen Herrschaft« vgl. Bouràieu u.a., Kapital und Bildungskapital, S. 38-42.

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a) Die Beziehungen zwischen Privat- und Aktienbanken Die Initiative zur Gründung von Aktienbanken ging im 19. Jahrhundert überwiegend von Privatbankiers aus. Doch spätestens seit den 1890er Jahren befanden sie sich in der Defensive. Noch die jüngste der Aktiengroßbanken im Kaiserreich, die Nationalbank für Deutschland, wurde 1881 von drei Berliner Privatbanken gegründet;6 nur zehn Jahre später begann mit dem Zusammenbruch mehrerer größerer Privatbanken ein Prozeß, über den Korach urteilte: »Von nun an ist die Geschichte des Berliner Bankgeschäfts eigentlich nur noch eine Geschichte der Aktienbanken.«7 Dieser Verdrängungungsprozeß der Privatbankiers durch die Leiter der Aktienbanken vollzog sich nicht nur in der Konkurrenz zwischen verschiedenen Unternehmen (wobei die Rechtsform eher gleichgültig ist), sondern auch und vor allem innerhalb der Aktienbanken, die zum »Feld« der Auseinandersetzung wurden, zwischen den Gründern beziehungsweise den (im Anfangsstadium einer Kapitalgesellschaft meist weitgehend mit den Gründern identischen) Vertretern der Kapitalbesitzer im Aufsichts- oder Verwaltungsrat einerseits und den Direktoren bezeihungsweise Vorstandsmitgliedern andererseits, die über diesen fremden Besitz exekutiv verfügten.8 Die Gründung von Aktienbanken vollzog sich in Deutschland in zwei größeren Schüben: zwischen 1853 und 1857 und zwischen 1869 und 1872.9 Dabei 6 J . Landau, J.E. Meyer sowie Cohn, Bürgers & Cie. Darüber hinaus waren noch einige Aktienbanken (Commerz DB und Breslauer DB, die sich eine Vertretung in Berlin schaffen wollten und m i t j . Landau eng verbunden waren) beteiligt sowie der französische Finanzmagnat Eugene Bontoux, aber sie waren dabei nicht federführend. Pohl, Nationalbank, S. 19f; Lewy, S. 14. 7 Korach, Bd. I, S. 66f; dies ist vermutlich (trotz des zitierten polemischen Urteils) die gründlichste und abgewogenste Darstellung des deutschen Privatbankwesens im Kaiserreich. Die wichtigsten Zusammenbrüche dieser Zeit waren (in chronologischer Reihenfolge) die von C.W. Schnöckcljr., Hirschfeld &Wolff (wo viele Aristokraten ihr Geld verloren), Berliner Wechslerbank H. Friedländer & Sommerfeld sowie Eduard Maaß. Daraufhin entstand ein run auf die Einlagen bei den meisten Privatbanken, der auch Firmen wie F.W. Krause & Co. nicht verschonte. Als am 9. November 1891 die Kunden die letztgenannte Bank stürmten und die Auszahlung ihrer Depots verlangten, mußte in der Leipziger Straße Polizei eingesetzt werden, »um die Ordnung aufrecht zu erhalten«. F.W. Krause & Co. hielten sich an die alte Bankier-Regel, in Krisen stets auszuzahlen, und überstanden den nm unversehrt. KrZ Nr. 526 (10.11.1891). 8 Die meisten Aktienbanken sahen in ihren Statuten vor, daß die Vorstandsmitglieder einen gewissen Betrag (etwa in der Höhe von 50.000 Mark) in Aktien ihrer Bank als Sicherheit zu hinterlegen hatten. Diese Beträge waren jedoch viel zu gering, um die Vorstandsmitglieder etwa als »Besitzer« des Unternehmens bezeichnen zu können, und die Erträge aus dieser Pflichteinlage machten nur einen Bruchteil ihrer gesamten Einkünfte aus. Andererseits war dieser Betrag hoch genug, um für unterbürgerlichen Schichten und selbst für Personen aus den unteren und mittleren Fraktionen des Bürgertums als unüberwindliche Barriere zu wirken. Auch für die Leitung der Aktienbanken war der Besitz eines gewissen Vermögens unbedingte Voraussetzung, auch wenn dieses Vermögen längst nicht so hoch sein mußte wie für den Betrieb einer Privatbank. 9 Dies betrifft drei Viertel, also 18 von 24 Aktienbanken der Untersuchung; zu den Gründungsdaten der Banken vgl. Anhang 1.

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ist aber zu bedenken, daß den jeweiligen Gründungen oft ein mitunter jahrelanges Tauziehen um die Konzessionierung voranging; sei es, daß jegliche Gründung von Aktiengesellschaften einer besonderen Konzession bedurfte wie in Preußen, sei es, daß die Gründer das Recht der Notenausgabe mitbeantragten und deshalb einer Konzession bedurften.10 Das Ende dieser beiden Phasen markierte beide Male eine schwere Wirtschaftskrise (1857 und 1873), in denen Neugründungen kaum mehr möglich waren. Die Gründe für den Beginn der beiden Phasen sind weniger eindeutig zu bestimmen. Der ersten gingen jedenfalls einige Jahre der wirtschaftlichen Prosperität voraus, die den Privatbankiers in den verschiedenen Regionen Deutschlands die Grenzen ihrer Kapitalkraft vor Augen führten. Sie waren es denn auch, die in den verschiedenen Projekten zur Gründung von Aktienbanken innerhalb wie außerhalb Preußens die Federführung hatten. Am bekanntesten ist wohl die Gründung der Darmstädter Bank durch Gustav (von) Mevissen und Simon und Abraham (von) Oppenheim sowie Moritz von Haber.11 Die Berliner Handelsgesellschaft »war ursprünglich als eine Gründung der preußischen >haute banque< [Mendelssohn & Co., R. Warschauer & Co., F.Mart. Magnus, Gebr. Schickler und S. Bleichröder, aber auch Sal. Oppenheim aus Köln, d.Vf ] anzusehen, sofern dieser Ausdruck auf die damaligen Verhältnisse Anwendung finden kann«.12 Auch unter den Gründern und ersten Aufsichtsräten der Norddeutschen Bank, der Vereinsbank in Hamburg, der Allgemeinen Deutschen Creditanstalt und der Mitteldeutschen Creditbank dominierten Privatbankiers, wobei in Hamburg - der lokalen Wirtschaftsstruktur entsprechen - auch Kaufleute stark vertreten waren.13 Auch die zweite Welle von Bankgründungen ging nicht zuletzt auf einen verbreiteten Kapitalmangel zurück, was besonders bei der Württembergischen Vereinsbank deutlich wird, die in Stuttgart geradezu in ein Vakuum stieß.14 Dies war auch die Ursache für die 1864 erfolgte Gründung der Deutschen Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co., die die spezifische Kapitalarmut ländlicher und kleinstädtischer Genossenschaften, besonders des handwcrkli10 Wie im Fall der Norddeutschen Bank in Hamburg; vgl. die Festschriften der Bank von 1881 und 1906. 11 Böhme, Gründung und Anfänge; Cameron. Mevissen war zu dieser Zeit Vorstandsmitglied des Schaafïhausen'schen BVs (also kein Privatbankier). Ebenfalls im VR der neuen Bank saßen zwei andere Direktorendes Bankvereins, Victor Wendelstadt, dessen Bruder Theodor nun in den Vorstand der BHI einzog, und Wilhelm Ludwig Deichmann, Mevissens Schwager. 12 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 121. 13 Ohnehin war in dieser Zeit zwischen Kaufleuten und merchant bankers wie den an der Gründung der Vereinsbank beteiligten L. Behrens & Söhne keine klare Trennung zu ziehen. Zur Norddeutschen Bank vgl. den Zeichnungsaufruf in: FS Norddeutsche Bank 1888; Wulff; Matthies. Die ADCA wurde gegründet von den Brüdern Harkort und anderen »ersten Finanzgrößen Leipzigs«, vgl. Wachsmuth, S. 6Of.; Krause, Geschichte S. 19-23. 14 Vgl. Steiner, besonders S. 95-108; ferner die FS der Bank, S. 9-10 und Kauila, S. 36-44.

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chen Mittelstands, überwinden helfen sollte, ein Motiv, das ursprünglich auch David Hansemanns Disconto-Gesellschaft (die er jedoch schnell in eine Großbank verwandelte) zu Grunde gelegen hatte.15 Jedenfalls dominierten auch in dieser Phase unter den Gründern die Privatbankiers, so wie bei der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Commerz- und Discontobank, der Bayerischen Vereinsbank, der Preußischen Central-Bodencredit-AG oder der Breslauer Diskontobank.16 Nachdem die ersten Aktienbanken gegründet waren, kristallisierte sich im deutschen Finanzwesen nur für eine sehr kurze Zeit, etwa bis zum »Gründerkrach« von 1873, eine Arbeitsteilung zwischen ihnen und den Privatbanken heraus. Bis dahin betrieben die Aktienbanken überwiegend das Gründungsund Emissionsgeschäft, aus dem sich die Privatbankiers eher fernhielten. Sie pflegten statt dessen das Diskont- und Börsengeschäft, arbeiteten mit Reportgeldern der Aktienbanken und brachten Wertpapiere beim Anlage suchenden Publikum unter. Die Wirtschaftskrise der 1870er Jahre, in denen große Finanztransaktionen selten wurden, zwang die Aktienbanken, sich auch dem »laufenden Geschäft« zuzuwenden. Beide Gruppen konkurrierten nun auf den gleichen Märkten und betrieben Eisenbahn- und langfristige wie kurzfristige Industriefinanzierung, Handelsfinanzierung, das Börsen- und das Privatkundengeschäft oder die Emission in- und ausländischer Staatsanleihen.17 Im Gegensatz zu den Verhältnissen in der Londonercitybeschränkten sich die deutschen Aktienbanken nicht darauf, einzig dem finanziellen Rückhalt für die Geschäfte der Privatbankiers zu dienen.18 Daß das englische Modell in 15 Thorwart, S. 1-18, zur Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Programm der Disconto-Ges. S. 15 u. S. 20. 16 Vgl. die Auflistungen derjeweiligen Gründer und ersten Aufsichts- bzw. Verwaltungsräte: Seidettzahl, 100Jahre Deutsche Bank, S. 8-24; FS Commerz- und Discontobank 1920, S. 3-4 und FS Commerzbank 1970, S. 39-45; Steffan, S. 6; die Preußische Central-Boden war die Gründung eines exklusiven Kreises von Banken, nämlich der Disconto-Gesellschaft, S. Bleichröders, Sal. Oppenheims und des Frankfurter Hauses Rothschild, die auch den Aufsichtsrat beherrschten, vgl. die FS der Bank 1920, S. 5-32 und 37-40; die Dresdner Bank entstand aus der Umwandlung des Dresdner Bankhauses M. Kaskel, erster Aufsuhtsratsvorsitzender wurde Felix Freiherr von Kaskel, die Breslauer Diskontobank aus den beiden Bankfirmen Friedenthal & Co. und Hugo Heimann & Co. 17 Die Bank 3 (1910), S. 111f; DWZ Nr. 6 (15.3.1913), S. 229. 18 Die englischen Aktienbanken wurden geleitet von einem board ofdirectors, der sowohl die Funktionen des Aufsichts- oder Verwaltungsrats als auch des Vorstands bzw. der Direktion der deutschen Institute wahrnahm und dem ein bis zwei angestellte managen zur Bewältigung des täglichen Geschäfts assistierten. Die Aktivitäten dieser Banken blieben auf die Vergabe kurzfristiger Anleihen, Wechseldiskontierung und Gewährung von Überziehungskrediten beschränkt. Sie engagierten sich nicht in der Übernahme langfristigen Anleihen oder im britischen Kapitalexport. Nahezu die Hälfte der Mitglieder in denboardsofdirectors der 11 wichtigsten Londoner Aktienbanken zwischen 1890 und 1914 waren Privatbankiers; rechnet man die Kaufleute hinzu, kommt man auf einen Anteil von 65 %. Sie nahmen ihre Aufgaben offenbar sehr intensiv wahr; in täglichen Treffen leiteten sie die Aktienbanken effektiv und beschränkten sich keineswegs auf eine Kon-

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Deutschland bekannt war, zeigt die Gründung der Vereinsbank in Hamburg 1856. »Die ersten Anregungen zur Gründung der Vereinsbank sind von London ausgegangen«,19 und aus London kam auch der erste Entwurf ihrer Statuten, der in seinen Grundsätzen übernommen wurde. Einige der Gründer wie Schröder Gebr. & Co., Edward A. Newman (in dessen Geschäftsräumen die Vereinsbank gegründet wurde) oder Edward Lewis Raphael hatten geschäftliche und verwandtschaftliche Beziehungen nach London.20 Wie bei den englischen Vorbildern wurde auch die Vereinsbank von den Gründern und Mehrheitsaktionären geleitet, die bei ihr »Direction« (1884 umbenannt in »Verwaltungsrat«, 1899 in »Aufsichtsrat«) hieß, und deren nur ausführendes Organ die »Geschäftsführende Direction« (seit 1884 »Vorstand«) war. Wie bei den englischen Vorbildern bildete auch der Aufsichtsrat der Vereinsbank für spezielle Fragen eigene Kommissionen zur Lenkung des Unternehmens, etwa für Korrespondenzen oder Personalfragen. Die Vedrängung der Privatbanken zeigte sich besonders deutlich im Staatsanleihegeschäft, obwohl sie sich in dieser Geschäftssparte noch vergleichsweise gut behaupten konnten. So war das Preußenkonsortium zwar einst auf Initiative des Leiters von Preußens damals größter Aktienbank ins Leben getreten, doch dominierten anfangs deutlich die Privatbanken. Im Lauf der Zeit veränderten sich dann die Quoten erheblich zu ihren Ungunsten. Bei der erwähnten Anleihe von 1867 in Höhe von 24 Mio Taler4½% preußischer Consols betrug der Anteil der Privatbanken zusammen noch 55 %, der der Aktienbanken 21 % (den Staatsbanken blieben 24 % vorbehalten). Bei der Anleihe des norddeutschen Bundes im Juli 1870 (22 Mio Taler) war ihr Anteil bereits auf 44,1 % gesunken, um bis zum Jahre 1912 auf 30 % zu fallen, bei gleichzeitigem Rückgang des Anteils der Staatsbanken.21 Jener der Aktienbanken war von 30,9 % auf erdrückende 64,2 % gestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der Aktienbanken im Konsortium bis auf 19 am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Insgesamt gehören dem Sample 24 Aktienbanken und 15 Privatbanken an. Der tiefgreifende Wandel der sozialen Zusammensetzung der Hochfinanz läßt sich an der Veränderung, vor allem der Ausweitung des Preußenkonsortiums ablesen. Während sich die Anzahl der Privatbankiers zwischen 1877 und 1912 kaum trollfunktion, wie es in den deutschen Aufsichtsräten der Fall war. Auf diese Weise waren sie in der Lage, die Aktienbanken für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren: »The prime funetion of the London Joint stock banks was to make possible the financial and commercial activities of the private firms and the overseas activities of their partners by providing the required cash credit.« Cassis, Management and Stratcgy, S. 302 Tab. II, S. 311; ders., City Bankers, S. 43-73. 19 FS Vereinsbank in Hamburg 1956, S. 27, S. 56f. (auch für das Folgende). 20 Newmans Familie war aus England nach Hamburg eingewandert, Raphael in England geboren; die Inhaber von Schröder Gebr. waren Verwandte der Londoner Bankiers J . Henry Schröder &: Co. 21 Stuebel, S. l2f; GStA Dahlem Rep.109 Nr. 3862; Nr. 5075.

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verdoppelte, versechfachte sich diejenige der Manager-Bankiers. Diese überproportionale Zunahme der Manager folgte der veränderten Machtverteilung im »Feld der Hochfinanz«: Während die Privatbankiers in den 1870er Jahren noch dominierten, hatten sie an dem enormen Aufschwung des Bankwesens in den folgenden Jahren nicht im selben Umfang teil wie die Aktienbanken und mußten sie sich spätestens seit der Jahrhundertwende mit der Position eines »Juniorpartners« begnügen. Tab. 6: Inhaber und Leiter der Banken des Preußenkonsortiums 1877 und 1912:22

Privatbankiers Manager-Bankiers ges.

1877

1912

18 15 33

30 98 128

Der Rückgang der Marktanteile der Privatbanken, nicht nur bei deutschen Staatsanleihen, ist nicht ausschließlich auf ihre schwächere Kapitalausstattung zurückzuführen. Selbst sehr große und etablierte Privatbanken wie Rothschild und Warschauer, die in dieser Hinsicht durchaus mit den Aktienbanken mithalten konnten, verschwanden während des Untersuchungszeitraumes. Das größte Problem für Privatbanken war der Tod oder das Ausscheiden des (bzw. eines) Eigentümers und die Frage der Erbregelung. Entweder wurde das Geschäftsvermögen aufgeteilt, oder es fehlten Erben, die willens und in der Lage waren, die Bank weiterzuführen. Ein Beispiel für die zweite Variante bietet der Fall des angesehenen Berliner Bankhauses F.Mart. Magnus. Nach dem Tode des kinderlos gebliebenen Viktor v. Magnus im Jahre 1872 geriet die von seinem Vater Friedrich Martin (von) Magnus23 gegründete Bank offenbar mangels eines geeigneten Nachfolgers in den Strudel der Gründerkrise und wurde liquidiert. Eine besondere Rolle wird dem 1875 erfolgten Zusammenbruch der Baufirma Plessner zugeschrieben, von dem jedoch anscheinend die beiden Bankhäuser Delbrück, Leo & Co. und Mendelssohn & Co. weitaus stärker betroffen waren,24 Immerhin blieb die Bank bis 1879 Mitglied 22 GStA Dahlem Rep.109 Nr. 4984 (Konsortialquoten der Anleihen 1876 und 1877); Nr. 5075. 23 Über Friedrich Martin v. Magnus (1796-1869), geadelt 1853, in den Freiherrenstand erhoben 1868, vgl. die Skizze in der NDB, Bd. 16 S. 672-677. 24 Vgl. NDB, Fürstettberg, Lebensgeschichte, S. 35f.; Delbrück, S. 191-193; Die Mendelssohns in Berlin. Ausstellugskatalog, S. 240-247 (dort auch die Geschäftsberichte der Bau-Gesellschaft für Eisenbahn-Unternehmungen KGaA F. Plessner & Co. Berlin für 1871 und 1873).

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des Preußenkonsortiums.25 Nachfolger Viktor v. Magnus' wurden seine Neffen Paul und Georg Magnus und Friedrich August Schüler, der anscheinend der einzige Bankkaufmann mit einiger Erfahrung war.26 Der Verbleib des Geschäftsvermögens ist unklar. 1894 wurde die Firma aus dem Handelsregister gestrichen.27 Ein ähnliches Beispiel bietet eine andere Berliner Privatbank, H.C. Plaut Ihr Inhaber, Moritz Plaut (1822 - 1910), hatte keinen Sohn, so daß der Ehemann seiner Tochter Franziska, der Brüsseler Bankier Julius Gustav Model, die Inhaberschaft übernahm. Plaut, ein unermüdlicher Arbeiter, zog sich jedoch nur scheinbar aus dem Geschäft zurück; »he did not leave his son-in-law very much freedom of action«.28 Tatsächlich war Models Sohn Paul designierter Nachfolger als Geschäftsinhaber. Nachdem dieser 1895 beim Bergsteigen tödlich verunglückt war, verkaufte Moritz Plaut die Firma ein Jahr später an die Breslauer Diskontobank, die auf diese Weise ihre Berliner Filiale etablierte.

25 GStA Dahlem Rep. 109 Nr. 3862, Offerte über 55 Mio M 4 % Preußische Consols (1879). 26 Paul Gustav (von) Magnus (1845 - 1930), 1915 geadelt, hatte zwar nach Gymnasialschulbildung eine Banklehre absolviert, leitete aber schon ein Jahr nach dem Tode Viktor v. Magnus' die Liquidation der Bank ein und verbrachte offenbar die meiste Zeit auf seinem Fideikommis in Rogowo oder auf Reisen. »Im öffentlichen Leben tritt er garnicht [sic! ] hervor«, sondern verbrachte »den größten Theil des Jahres auf seinem Gute und auf Reisen«. Sein einziger Sohn (Arthur Gustav Crowev. Magnus, Drjur.) wurde Legationsrat. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11903 (11.6. 1902).- Georg (George) Magnus (1839 - 1924), Geheimer und Oberregierungsrat, war Direktor der Hamburger Eisenbahn und später Mitglied der preußischen Staatsbahndirektion in Berlin. Er heiratete die Tochter eines Brüsseler Kunstverlegers. Qualifiziert zur Inhaberschaft der Bank war er wohl allein durch seinen Vater Albert Magnus (1809-1859), einem Bankier und späteren Gutsbesitzer und Arzt. Georg Magnus war von 1875 bis 1879 und von 1896 bis zu seinem Tode Mitglied des Verwaltungsrates der BHG, zeitweilig dessen Vorsitzender. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11918. - Friedrich August Schüler (geb. vermutl. 1818) war Prokurist der Firma gewesen und erhielt am 1.12.1871 aus Anlaß des 50 jährigen Firmenjubiläums den preußischen Kronen-Orden IV. Klasse, und zwar auf Antrag seines Chefs. Er war seit 1836 bei F.Mart. Magnus angestellt und vertrat sie im Zentralausschuß der Reichsbank bis 1884 und im Ausschusse der Aktionäre der Bank des Berliner Gassen-Vereins von 1875 bis 1879, nachdem er um 1870 die angebotene Direktorenstelle dieser Bank (trotz erheblicher finanzieller Vorteile im Vergleich zu seinem Prokuristengehalt) ausgeschlagen hatte. GStA Merseburg 2.2.1. Nr. 2064 (Jahresberichte der Bank des Berliner Cassenvereins und der Reichsbank). Die Tatsache, daß Schüler und nicht Paul Magnus die Bank innerhalb der Hochfinanz vertrat (sowie Magnus' nachmaliger Lebenstil als Rentier), läßt darauf schließen, daß letzterem unternehmerischer Wille wie Erfahrung abgingen, die Bank weiterzuführen. - Ohne Zeichnungsberechtigung blieben Viktors Brüder Martin Rudolph v. Magnus (1819 - 1879, sächsischer GFR und Gutsbesitzer) und Friedrich Carl v. Magnus (1836 - 1891, Gutsbesitzer in der Oberlausitz) sowie Christine v. Magnus (1842 - 1936), seine Cousine und Ehefrau. In welchem Verhältnis das Vermögen geteilt wurde, ist unbekannt. Auskunft des LA Berlin (-Ost). 27 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11903 (11.6.1902). Erste Gerüchte über die bevorstehende Liquidation der Bank waren schon 1874 aufgetaucht, jedoch dementiert worden. BBC Nr. 400 (28.8.1874) AA. 28 Schwarz, S. 306.

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Keine Privatbank der Hochfinanz verschwand, weil sie unter dem Druck schleppender Konjunkturen zusammengcbrochen wäre. Entweder schlossen sich Privatbanken zusammen (wie Dclbrück, Leo Sc Co. und Gebr. Schickler), oder sie wurden in eine Aktiengesellschaft umgewandelt (wie Köster & Co. zu Köstcr's Bank AG) beziehungsweise von einer Aktienbank übernommen (wie Robert Warschauer & Co. und H.C. Plaut), oder man entschloß sich zur stillschweigenden Liquidation, wie bei RMart. Magnus. Nicht der harte Konkurrenzkampf im Bankgeschäft, sondern das Problem des Generationenwechsels in den Bankierfamilien stellte die größte Bedrohung für das Bestehen erstrangiger Privatbanken dar. Der Schauplatz, auf dem die Interessen der Privatbankiers mit denen der Manager-Bankiers direkt aufcinandcrprallten, war die Aktienbank, genauer: er lag im Verhältnis zwischen dem Aufsichtsrat als Organ der Aktionäre und dem von diesem Gremium bestellten, die Geschäfte der Bank führenden Vorstand. Es ging dabei um die Ausrichtung der Geschäftspolitik und nicht zuletzt um die Verteilung der Unternehmensgewinne. Um ihre Dominanz in den neugegründeten Aktienbanken abzusichern, institutionalisierten die Gründer ihren Einfluß dergestalt, daß sie zunächst den Aufsichts- oder Verwaltungsratrat der neuen Bank majorisierten, so daß dieser meist nur ihre Interessen und gegebenenfalls die weiterer Großaktionäre vertrat. Auch übertrugen sie der Direktion lediglich die Erledigung alltäglich anfallenden Geschäfte, während die eigentliche Geschäftspolitik einem engeren Ausschuß des Aufsichts- oder Verwaltungsrates vorbehalten blieb.29 Besonders selbstherrlich und gründlich verfuhren dabei die Gründer der Darmstädter Bank. Hier leitete offiziell der 18-köpfige Verwaltungsrat alle Geschäfte der Bank;30 er bestimmte die Höhe der Dividende und des Reservefonds, er allein besaß das Recht, die Direktion einzusetzen, zu entlasten und die Bücher der Bank einzusehen. Die tatsächliche Macht lag in den Händen des fünfköpfigen, auf sechs Jahre gewählten »engeren Ausschusses«, in dem aber nur zwei Mitglieder - der Aufsichtsratsvorsitzende Gustav (von) Mevisscn und sein Stellvertreter und Abraham (von) Oppenheim - Macht ausüben konnten, 29 Der Begriff »Direktion« bedeutet liier: die Gruppe der obersten Exekutivleiter der jeweiligen Aktienbank, seien dies ordentliche Vorstandsmitglieder (bei der AG) oder Geschäftsinhaber (bei der KGaA). Mit dem Wachsen der Banken setzte auch eine Bürokratisierung der Institute ein, die zur Schaffung untergeordneter Führungsebenen, z. B. stellvertretende Vorstandsmitglieder, Direktoren unterhalb der Geschäftsinhaber und stellvertretende Direktoren, führte. Diese sind hier nicht gemeint. Die Bezeichnung »Direktor« wurde in der zeitgenössischen Literatur oft synonym für »Vorstandsmitglied« verwendet, war im übrigen nicht rechtlich definiert (etwa durch das Handelsgesetzbuch) und wurde als Kennzeichen einer prätendierten sozialen Stellung auch von Personen getragen, die als technische oder kaufmännische Leiter in einem Unternehmen keineswegs betugt waren, das Unternehmen nach außen zu vertreten, wie es das HGB § 227 allein dem Vorstand einer AG zuschrieb,FürstenbergErinnerungen., S. 215f.; Plutus (19.8.1911), S. 595-597. 30 Knips, S. 35-52, auch für das Folgende.

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da praktisch ihnen allein Einsicht in die Bücher und Protokolle der Bank gewährt wurde. Auch personell sicherten die Gründer ihren ausschlaggebenden Einfluß ab: zum einen durch die Einsetzung von Direktoren, »die keineswegs als Autoritäten gelten konnten« und so von ihren Meistern abhängig blieben;31 zum anderen durch familiäre Bande, indem mit Theodor Wendelstadt der Bruder des Verwaltungsratsmitgliedes Victor Wendelstadt Direktorder neuen Bank wurde.32 Aber nicht allein die Rechte der Direktion waren auf ausführende Tätigkeiten beschränkt (sie durfte beispielsweise ohne Zustimmung des engeren Verwaltungsrates kein jährliches Gehalt von mehr als 1.000 fl. bewilligen); die Gründer sicherten sich auch gegenüber den übrigen Aktionären ab, indem sie der Generalversammlung (an sich das höchste Entscheidungsorgan einer Kapitalgesellschaft) statuarisch kaum nennenswerten Einfluß einräumten. Zugelassen wurden nur Aktionäre mit einem Besitz von mindestens 20 Aktien; diese waren vier Wochen vor der Generalversammlung in das Gesellschaftsregister einzutragen - Besitzer von Inhaberaktien waren statuarisch von der Generalversammlung ausgeschlossen - obwohl die Einladungsfrist für die Versammlung nur 14 Tage betrug. Anträge von Aktionären außerhalb des Verwaltungsrates mußten nur dann behandelt werden, »wenn sie für zulässig erachtet werden«.33 Bis zur Aktienrechtsnovelle von 1884 blieb das entscheidende Machtzentum der Bank de jure der Verwaltungsrat (1862 umbenannt in Aufsichtsrat), de facto dessen engerer Ausschuß. »Die ganze Verfassung der Bank«, urteilte Paul Model, »ist eine durchaus aristokratische, man möchte beinahe sagen, diktatorische, indem wenige Mitglieder des Verwaltungsrates den

31 Model, S. 62f 32 Theodor und Victor Wendelstadt waren die Söhne eines Wegebaurats aus Hannover. Victor W. ( 1 8 1 9 - 1884) wurde Mitinhaber der Kölner Privatbank A. Schaafïhausen, heiratete 1852 die Tochter seines Partners W.L. Deichmann und war von 1848 bis 1874 Direktor, danach Mitglied des Aufsichtsrats und 1875 - 1876 in Nachfolge Mevissens ARV des Schaafïhausen'schen Bankvereins. Mit einem Vermögen von zwei Mio Taler und ausgezeichnet mit dem Kommerzienratstitel, galt er dem Reichsbankpräsidenten »bezüglich seines Charakters bis zum Jahre 1870 für untadelhaft. Seit jener Zeit jedoch macht man ihm den Vorwurf, daß er durch seinen Ehrgeiz in die Bahn des Gründerschwindels getrieben sei. Thatsachc ist, daß er allgemein für den intellectueilen Urheber der in Coeln vorgekommenen Gründungen gilt und den Vorwurf zu tragen hat, durch Beispiel und Zureden viele Leute in große Verlegenheiten und Verluste gestürzt zu haben.« GStA Merseburg Rep. 120 zu A IV 13 (3.12.1873). Nach Glagau (Deutschland, S. XX) wurde Wendelstadt wegen einer betrügerischen Gründung zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt. Theodor W. ( 1 8 2 0 - 1881), hatte wie sein Bruder im Schaafïhausen'schen BV gearbeitet, bevor er von 1853 bis 1880 als Direktor der BHI in Darmstadt tätig war. Seit l869Kommerzienrat, zwei Jahre später GKR, wurde er 1873 stellvertretender Präsident der Handelskammer Darmstadt und 1875 bis 1880 deren Präsident, ein Zeichen dafür, daß sich die Vorstandsmitglieder inzwischen ausreichend vom AR »emanzipiert« hatten, um höchste kaufmännische Auszeichnungen und Ehrenämter einzunehmen (schon 1870/71 war ein anderes Vorstandsmitglied der BHI, Heinrich Bopp, Präsident der HK Darmstadt gewesen). Sta Darmstadt, Akte Wendelstadt. 33 § 39 der Statuten der BHI, abgedruckt bei Knips, S. 50.

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durchaus maßgebenden Einfluß in allen wichtigeren Geschäften ausüben, die Direktion auch nicht im Stande ist, Übergriffe abzuwehren.«34 Eine Konstellation, in der seit 1862 der Vorstand nach außen die alleinige Verantwortung zu übernehmen hatte, aber vollständig von den Anordnungen des Aufsichtsrates abhängig blieb, mußte zwangsläufig zu Konflikten zwischen den Gremien führen. Jedoch sind keine Zeugnisse über Art und Verlauf der Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der Darmstädter Bank überliefert. Dabei waren Rhetorik und Handeln der Verwaltungsräte keineswegs widerspruchsfrei. Mevissen hatte die Kompetenzen der Direktion gerade deshalb so sehr zu Gunsten des Verwaltungsrates beschnitten, »weil er nur auf diese Weise sicher war, seine persönliche Auffassung in allen entscheidenden Fragen zur Geltung zu bringen«, da die Bank »gegen die Gefahren der nur auf den Moment basierenden und der soliden Unterlage entbehrenden Spekulation ... nur geschützt wird durch das Interesse, die Einsicht und Fähigkeit seiner Leiter«. Damit meinte Mevissen die Verwaltungsräte und nicht die Direktion. Tatsächlich hatte die BHI jedoch gerade in ihren ersten Jahren, als der Einfluß der Gründer bzw. des Verwaltungsrates besonders groß war, unter völliger Vernachlässigung des regulären Bankgeschäfts »den Charakter einer reinen Spekulationsbank«, wohingegen sie sich während der »Gründerzeit« der 1870er Jahre von spekulativen Geschäften deutlich fern hielt.35 Die Interessen der Bankgründer, also in erster Linie der Privatbankiers, lagen einerseits in der Herstellung der oben erwähnten »Arbeitsteilung« im Bankwesen, welche die spekulative, riskante (Industrie-) Gründungs- und Emissionstätigkeit den Aktienbanken überlassen und ihnen selbst das relativ risikoarme und lukrative »laufende« Bankgeschäft wie das Wertpapierkommissions- und das Kontokorrentgeschäft vorbehalten hätte. Eben deshalb stieß bei den Privatbankiers der Übergang der Aktienbanken zum »laufenden Geschäft«, also zum Prinzip der Universalbanken, auf heftigen Widerstand.36 Zum anderen waren die Gründer nicht zuletzt interessiert an den sog. »Gründerrechten«, das heißt den Privilegien gegenüber anderen Aktionären. Diese bestanden unter anderem in überhöhten Tantiemen (in der Darmstädter Bank bezogen der Präsident des Verwaltungsrats und sein Stellvertreter in den ersten Jahren zusammen üppige 3,33 % des Reingewinns der Bank nach Abzug von 4 % Dividende) oder darin, bei Erhöhungen des Aktienkapitals nach einem bestimmten Verhältnis junge Aktien zum Parikurse zu übernehmen, unabhängig vom Kurs der alten 34 Model, S. 48. 35 Hansen, Bd. I, S. 653; Bericht Mevissens auf der ersten Generalversammlung der BHI zu Darmstadt, 22.5.1854, zitiert nach: ders., Mevissen, Bd. II, S. 526; Knips, S. 193, S. 178. Model, S. 74, S. 81. Die Behauptung Böhmes (Deutschlands Weg zur Großmacht, S. 344, S. 345-353), die BHI habe 1877 infolge ihres überspannten Gründungsgeschäfts »am Rande des Konkurses« gestanden, ist, wie diverse andere seiner Angaben zum Bankwesen und den Bankiers, fehlerhaft. 36 Liebmann, S. 58—60.

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Aktien. Bei der Kapitalerhöhung 1856 konnten Mevissen, Oppenheim und die anderen Gründer daher Aktien der BHI zu pari erwerben und zum Börsenkurs, der in diesem Jahr bis auf 438 % stieg, wieder abstoßen.37 Diese Form der Gründerrechte war für die betreffende Gesellschaft doppelt schädlich: nicht allein, daß der massenhafte Verkauf der gerade übernommenen jungen Aktien den Börsenkurs ins Trudeln brachte, vor allem wurde dem Unternehmen wertvolles Betriebskapital durch den Verkauf der Aktien unter (Börsen-) Wert entzogen, Kapital, das sonst dem Reservefond zugeflossen wäre. Derartige Gründerrechte waren durchaus die Regel. Beispielsweise beanspruchten bei der Mitteldeutschen Creditbank, bei der von Anfang an die Geschäftsführung der Direktion oblag, die Gründer vor Verteilung der Tantieme an Aufsichtsrat und Direktion eine Tantieme von 10 % des Nettogewinns. Bei der Vereinsbank in Hamburg war bis 1914 der gesamte Reservefond aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet worden, weil die Gründer die jungen Aktien jeder Kapitalerhöhung zu pari erwerben konnten und dem Reservefond kein Agio zufloß.38 Tatsächlich hielten sich die Gründer der Aktienbanken, in erster Linie also die Privatbankiers, die ja als einzige Verwaltungsratsmitglieder etwas vom Geschäft verstanden für die wahren, berufenen Leiter dieser Unternehmen. Als solche, und als diejenigen, die die Mühe der Konzessionicrung und das Risiko der Gründung zu tragen hatten, hielten sie sich auch für berechtigt, persönliche Vorteile aus dieser Unternehmertätigkeit zu ziehen, wobei sie sich auf eine Art »Herr-im-Hause«-Standpunkt stellten.39 Über Adelbert Delbrück, Inhaber von Delbrück, Leo & Co. und erster Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, schrieb Helfferich, daß er »gewohnt war, im eigenen Hause unumschränkt zu herrschen, und daß er gegen alles, was er als Beeinträchtigung seiner Position und Autorität empfand, sich empfindlich zeigte.«40 Eine andere Richtung als in der Darmstädter Bank nahmen die Auseinandersetzungen innerhalb der Deutschen Bank während der 1870er Jahre. »Das Statut der Deutschen Bank bestimmte, daß der Verwaltungsrat »Träger aller Vollmachten seitens der Gesellschaft sei, und daß von ihm die >Erteilung aller Vollmachten ausgehe.« Doch der nur unregelmäßig zusammentretende Aufsichtsrat war mit 24 Mitgliedern offenbar gar nicht als entscheidendes Machtzentrum konzipiert. Wie bei der Darmstädter Bank versuchten die Gründer auch hier, durch einen kleineren Zirkel innerhalb desselben, den wöchentlich 37 Knips, S. 54f 38 Krause, Geschichte, S. 22; GB der Vereinsbank für 1906. 39 Im Gegensatz zu den (Schwer-) Industriellen, auf die das Wort geprägt wurde, bezieht es sich hier nicht auf Konflikte zwischen Kapital und Arbeit, sondern zwischen zwei leitenden Positionen im Prozeß der Unternehmens-Bürokratisierung. Zum »Herr-im-Hause«-Standpunkt der Industriellen vgl. Saul, S. 51-61; Dahrendorf, S. 63-67; Crew, S. 157-169. 40 Helfferich, Bd. I, S. 3l9f. (auch für das Folgende).

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zusammenkommenden Fünferausschuß, unter Ausschaltung der weiteren (nicht Berliner) Aufsichtsräte die Bank zu lenken. Dieser Ausschuß hatte der Direktion gegenüber alle dem Verwaltungsrat zukommenden Rechte; er konnte jederzeit von einem seiner fünf Mitglieder einberufen werden und sicherte sich die Hoheit über die Bewilligung von Krediten oberhalb einer vorsichtshalber schr niedrig gezogenen Grenze.41 Hermann Wallich stellte fest, daß gerade bei der Kreditvergabe durch die Bank die Sonderinteressen der Gründer eine erhebliche Rolle spielten,42 was nicht Wunder nimmt angesichts der Tatsache, daß die Aktienbanken nicht zuletzt zu dem Zweck gegründet worden waren, ihren Gründern die umfangreichen Mittel der Kapitalgesellschaft für ihre privaten Geschäfte zur Verfügung zu stellen. Das Statut »bestimmte weiter, daß die Direktion die Geschäfte mach Maßgabe der ihr vom Verwaltungsrat erteilten Instruktionen zu führen habe.« Das nahmen die ersten Vorstandsmitglieder dergestalt wahr, daß die Verwaltungsratsmitglieder »der Bank alle möglichen Hindernisse bereiteten und namentlich der Direktion jede Freiheit der Bewegung abschnitten. Ihr Bestreben war daraufgerichtet, die Direktoren zu einfachen Kommis herabzudrücken, die lediglich die Beschlüsse des Verwaltungsrats oder dessen Ausschusses zur Ausführung zu bringen hatten«, was sicher keine ganz falsche Annahme war.43 Georg (von) Siemens beklagte sich über den stellvertretenden Verwaltungsratsvorsitzenden: »... v.d. Heydt's Ansicht basiert augenscheinlich auf der englischen Anschauung [sie!], daß der >manager< nur ausführender Commis sei. [...] Dazu habe ich mich nicht verdingen wollen«.44 Wallich urteilte später, »die heutige Generation der Bankleiter würde es nicht verstehen, wie geknebelt ihre Vorgänger waren«.45 Denn im Gegensatz zur Darmstädter Bank kämpften die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank von Anfang an energisch um die Macht im Institut. »Siemens ergriffin der Sitzung, in der - wie gewöhnlich - viel geredet und nichts beschlossen wurde, zum erstenmal das Wort. [... ] >Wenn 24 Leute eine Bank leiten wollen, dann ist es wie mit einem Mädchen, das 24 Freier hat. Es heiratet sie keiner. Aber am Ende hat sie ein Kind.ewige Dreinreden< und die Bevormundung*«. Wallich, Aus meinem Leben, S. l23f; Helfferich, Bd. I, S. 320; die folgenden Zitate ebenda S. 319-321.

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unehelichen Kindes - zweier aus dem verantwortungslosen Handeln vorgeblich genuin weiblicher Entscheidungsschwäche erwachsener »bürgerlicher Katastrophen« -, scheint ihre Wirkung auf die Beteiligten aus Vorstand und Verwaltungsrat nicht verfehlt zu haben. »Die Rede war für mich eine Offenbarung«, erinnerte sich Wallich. »Aber auch auf den Verwaltungsrat machte die Rede Eindruck«. Ausschlaggebend war, daß Siemens in den Auseinandersetzungen mit dem Aufsichtsrat stets die Rückendeckung seiner Kollegen hatte. »In den entscheidenden Situationen... [hat] die Direktion stets zusammengehalten«. Vor allem die Androhung des kollektiven Rücktritts aller Vorstandsmitglieder half, sich gegen den Aufsichtsrat durchzusetzen. Schon Ende 1870 war Wilhelm August Platenius nach Konflikten mit dem Aufsichtsrat aus der Direktion ausgeschieden.46 In kurzer Folge kamen und gingen zwei weitere Vorstandsmitglieder, Friedrich Moelle und Hermann Kaiser.47 Daß die ersten Vorstandsmitglieder einer neugegründeten Aktienbank nur kurze Zeit auf ihrem Posten verblieben, war keine Seltenheit. Die Commerz- und Discontobank verschliß in den ersten 10 Jahren des Bestehens sechs Direktoren, von denen nur einer länger als fünf Jahre blieb, und ähnlich war die Situation bei der Nationalbank für Deutschland. Auch hier bestanden schwere Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Es war die Drohung, daß neben Siemens, der treibenden Kraft im Vorstand, auch Wallich, damals wohl Deutschlands bester Kenner des überseeischen, besonders des asiatischen Geschäfts (die Deutsche Bank eröffnete 1872 Filialen in Yokohama und Shanghai) zurücktreten werde, die den Aufsichtsrat ein ums andere Mal zum Nachgeben bewegte. Als Adelbert Delbrück während einer Sitzung im Dezember 1871 auf seine Autorität als Aufsichtsratsvorsitzender pochte, der Siemens zu folgen habe, bot dieser sofort seinen Rücktritt an. Als Wallich ebenfalls mit seiner Demission drohte, lenkte Delbrück ein. Solche Querelen hielten bis mindestens 1876 an; in jenem Jahr wollte Siemens ernsthaft abtreten, weil er die Unterstützung seiner Vorstandskollegen vermißte. Daraufhin gaben Wallich und Steinthal schriftlich Solidaritätserklärungen ab, und Siemens blieb.48 Die Solidarität unter den Vorstandsmitgliedern der Deutschen Bank und ihre unbestrittene fachliche Kompetenz waren wohl letztlich 46 Wallich, Aus meinem Leben, S. 124. 47 Friedrich Moelle (gest. 1878), ein pensionierter GOFR aus dem preußischen Finanzministerium, trat im Januar 1871 die Nachfolge von Platenius an, blieb aber nur ein Jahr. Er konnte sich als Beamter offenbar nicht ins Bankgeschäft einleben und -arbeiten, war aber 1877/78 Aufsichtsratsmitglied der Disconto-Gesellschaft und der Preußischen Centralboden. Über Kaiser ist nur bekannt, daß er für den Comptoir d'Escompte in Paris, danach für die Pester Bank und anschließend in Brüssel arbeitete, bevor er von Februar 1872 bis Mitte 1874 dem Vorstand der Deutschen Bank angehörte. HADB Akten Moelle. 48 Hetfferkh, Bd. I, S. 321; Wallkh, Frühgeschichte, S. 411.

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der Grund dafür, daß sich die Direktion relativ schnell gegenüber den Gründern im Aufsichtsrat durchsetzen konnte. Der Verlauf dieser Konflikte und die Tatsache, daß sie durch die Solidarität der Vorstandsmitglieder entschieden wurden, dürften auch maßgeblich dafür gewesen sein, daß sich im Vorstand der Deutschen Bank eine kollegiale Führungsstruktur herausbildete. Das stand in deutlichem Gegensatz zu der Autokratie, die Hansemann in der DiscontoGesellschaft oder Fürstenberg in der BHG ausübten. Anders als die Direktion der BHI war der Vorstand der Deutschen Bank bald in der Lage, eigene Kandidaten für die Besetzung weiterer Vorstandsposten durchzusetzen. Schon 1873 sorgte Hermann Wallich für die Aufnahme Max Steinthals, den er im Urlaub auf Sylt kennengelernt hatte.49 Auch die Kooptation des bisherigen Prokuristen Rudolph Koch fünfJahre später dürfte auf Initiative des Vorstandes zurückgegangen sein. Mit der Einsetzung seines Schwagers Paul Jonas im Jahre 1881 versuchte Adelbert Delbrück offenbar, noch einmal verlorenen Einfluß zurückzugewinnen. Doch Jonas, der tatsächlich im Vorstand gegenüber Siemens die Positionen des Verwaltungsrates vertrat, konnte sich nach einer Beamtenkarriere in seiner neuen Position und in die Zusammenarbeit mit Wallich, Koch und Steinthal nicht eingewöhnen und blieb nur wenig mehr als fünf Jahre in der Direktion.50 Die in der Folgezeit bestellten Vorstandsmitglieder wurden wieder von der bestehenden Direktion ausgesucht. Neben der Solidarität der Vorstandsmitglieder sorgte die zeitweilige Arbeitsüberlastung der »nebenamtlichen« Aufsichtsräte dafür, daß sie an einer wirksamen Kontrolle der Direktion gehindert wurden: »Unser erster Vorsitzender«, so Hermann Wallich, »dessen Bankgeschäft an den Gründerorgien teilgenommen hatte, war in einer äußert prekären Lage, und so hatten wir in der Bank vor seinen ewigen Plackereien Ruhe, da er so viel mit sich allein zu tun hatte.«51 Rund 15 Jahre später zog Adelbert Delbrück eine resignierte Bilanz seiner Pläne für die Deutschen Bank, in der er deren Scheitern außer seiner eigenen Arbeitsüberlastung vor allem der mangelnden Bereitschaft zur Unterordnung seitens Siemens' und Wallichs anlastete.52 Denn die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank hatten bald begonnen, ihren Geschäftskreis über die vorgesehene Ausrichtung auf die Außcnhandelsfinanzierung hinaus auch auf das inländische Bankgeschäft auszudehnen.53 49 Fuchs, Max Steinthal, S. 6. 50 Helfferich, Bd. II, S. 208f. Adelbert Delbrück, der ARV der Deutschen Bank, war verheiratet mit einer Schwester von Paul Jonas (1830- 1913), einem preußischen Eisenbahndirektionspräsidenten, der Ende 1881 in den Vorstand der Deutschen Bank eintrat, um dort Siemens abzulösen. 51 Wallich, Aus meinem Leben, S. 127. 52 Delbrück, Aufzeichnungen, S. l79f. 53 »Die Gründer unserer Bank waren zum großen Teil Bankiers, die sich nicht überlegt hatten, daß sich die neue Bank nicht auf das überseeische Geschäft beschränken, sondern im Gegen-

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Schließlich besiegelte die Aktienrechtsnovelle von 1884 die Niederlage der Privatbankiers in den Aufsichtsräten der meisten Aktienbanken. Die Novelle regelte in den Artikeln 224 bis 241 das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und wies letzterem dabei nur eine Überwachungsfunktion zu.54 Adclbert Delbrück, übrigens der einzige Privatbankier unter den Sachverständigen bei den Verhandlungen der Aktienrechtskommission, hatte sich bei den Kommissionssitzungen im März und April 1882 mit Händen und Füßen gegen die Einschränkung der Rechte des Aufsichtsrates gewehrt.55 Er argumentierte, »es genüge nicht, wenn der Aufsichtsrath ein bloßes Veto habe, er müsse auch in der Lage sein, positiv eingreifen zu können. [...] Der Entwurf [der Art. 225 a undb] habe jedoch die Stellung des Aufsichtsraths völlig verkannt; die wesentliche Funktion desselben sei, die richtigen Personen in den Vorstand zu wählen und hier jeder Zeit die notwendigen Aenderungen eintreten zu lassen ... Alles dies sei nur möglich, wenn der Aufsichtsrath sorgfältig die ganze Verwaltung beobachte und in eine ganze Reihe von Verwaltungsakten selbsttätig eingreife.« Delbrück konnte sich jedoch in der Kommission wie in der Bank nicht durchsetzen.56 Dennoch bedeutete die Aktienrechtsnovelle nicht zwingend das Ende der Einflußnahme des Aufsichtsrates auf die Geschäftsleitung. Aus der Geschichte der Beziehungen zwischen Banken und Industrie sind viele Beispiele dieser Einflußnahme durch den Aufsichtsrat bekannt, ohne daß hier die These von der Herrschaft der Banken über die Industrie erörtert werden müßte.57 Immerhin hatte der Vorstand keine »Richtlinienkompetenz« erhalten; Art. 227 beteil, solange die Resultate auf diesem Gebiet noch im weiten Felde lagen, den Erwerb im laufenden Bankgeschäft suchen mußte. Es war eine arge Enttäuschung für die Bankgründer, als sie erfahren mußten, daß die Bank in erster Linie gegen sie arbeitete, indem sie ihnen auf dem bisher von ihnen beherrschten Gebiet Konkurrenz machte.« Wallich, Aus meinem Leben, S. 123. 54 Zu diesem Urteil kam auch Wallich, Aus meinem Leben, S. 123. 55 Insgesamt wurden 10 Sachverständige zugezogen: Reichsbank-Direktor Koch, drei Professoren, je ein Rechtsanwalt und ein Kammergerichts rat, und vier Bankiers, davon drei Vertreter der Berliner Hochfinanz: Delbrück, der GI der Disconto-Gesellschaft Emil Russell, der Präsident der Preußischen Central-Bodencredit-AG Rudolf (von) Jacobi sowie der Direktor der Süddeutschen Bodencreditbank (München) Friedrich von Schauss. BA Abt. Potsdam, Rdl Nr.l, abgedruckt in: Schubert u. Hommelhoff, S. 288. 56 Russell und Jacobi unterstützten Delbrück, letzterer allerdings nur verhalten. Russell, dem als persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA in der Bank kein starker Aufsichtsrat gegenüberstand und der für die Disconto-Ges. selbst in diversen Aufsichtsräten saß (v.a. von Industriegesellschaften), hatte demzufolge ebenfalls ein großes Interesse an einem möglichst hohen Einfluß eben dieser Aufsichtsräte. Er kritisierte das Gesetz, v.a. die die Aufgaben des AR betreffenden Artikel, auch nach dessen Verabschiedung ausgesprochen scharf, und zwar auf den Verhandlungen des Deutschen Handelstages (dessen Vorsitzender seinerzeit wiederum Delbrück war!) vom 2. und 3.4.1884. Schubert u. Hommeîhqff, S.46-49, S. 350-353 (Zitat S. 352). 57 Jeidels, S. 143 ff.; Böhme, Bankenkonzentration und Schwerindustrie; Milkereit, Feldenkirchen, Banken und Stahlindustrie; ders., Eisen- und Stahlindustrie, S. 269-320; Edwards u. O$ilvie; zur Untersuchung von Hilferdings These des »Finanzkapitals« neuerdings Wellhöner, passim.

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stimmtc nach wie vor lediglich, daß die AG »durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten [wird]«. Neu war nur die Fassung des Art. 225 a, nach dem »die Mitglieder des Aufsichtsraths nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes oder dauernd Stellvertreter desselben sein [dürfen], auch nicht als Beamte die Geschäfte der Gesellschaft führen ...« - was vorher des öfteren der Fall gewesen war, so bei der Württembergischen Vereinsbank, die diese neue Regelung dann umging. Die Frage war, wie weit die in Art. 225 bestimmte »Überwachung« der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat gehen sollte. In dieser Hinsicht war der Regelung durch die Statuten der einzelnen Gesellschaften ziemlich freie Hand gelassen.58 Die Aktienrechtsnovelle von 1884 bildete also in erster Linie nur eine formal-juristische Zäsur im Kampf um die Beherrschung der Aktienbanken. Materiell war die Machtverteilung in dem »Feld«, das ein jedes Unternehmen darstellte, von einer Vielzahl von Faktoren abhängig; die Novelle verstärkte jedoch die bei den meisten Aktienbanken ohnehin bereits bestehende Tendenz zur Verselbständigung des Vorstandes. Insofern ist die These Pohls, daß »das Jahr 1884 bei den Bankiers als Geburtsstunde des Bankmanagers bezeichnet werden« könne, durchaus irrig.59 Noch 1928 hatte nach einer Untersuchung der Statuten von 689 Aktiengesellschaften der Aufsichtsrat in 517 Unternehmen das Recht zu umfangreichen Anweisungen an den Vorstand und in 103 Unternehmen sogar das Recht, andere als in der Satzung benannte Entscheidungen von seinem Votum abhängig zu machen.60 Daß die Herrschaft von Privatbankiers über Aktienbanken mit der Novelle von 1884 nicht enden mußte, zeigt sich am Beispiel einer anderen Großbank, des A. Schaaffhausen'schen Bankvereins. Der Bankverein war lange von starken Aufsichtsratsvorsitzenden dominiert worden. Von 1857 bis 1875 hatte Gustav (von) Mevissen dieses Amt inne, der bekanntlich die Geschicke des Instituts schon seit 1848 als Direktor geleitet hatte. Ebenfalls 18 Jahre lang, von 1877 bis 1895, folgte ihm der Zucker- und Eisenindustrielle Eugen Langen, der den Bankverein durch die schwierigen 1870er Jahre führte, nachdem 1876 ein 25 %iger Kapitalschnitt erforderlich gewesen war. Der verzweigten Kölner Familie Langen gelang es mehrfach, Angehörige auf Positionen in Vorstand und Aufsichtsrat der Bank zu entsenden. Bereits Eugen Langens Vater, der Zuckerindustrielle J J . Langen, war bis 1857 Aufsichtsratsvorsitzender gewesen, und von 1912 bis 1914 bekleidete Gottlich (von) Langen, ebenfalls Zuckerindustrieller und 1907 nobilitiert, den Posten. Walther Langen, ein Enkel Johann Jakobs, war von 1897 bis 1912 im Vorstand der Bank. Er sollte dort die nach Eugen Langens Tod 1895 »verwaisten« Familieninteressen wahrnehmen.61 58 59 60 61

Vgl. Staubs Kommentar zum Handelsgcsctzbuch (zitiert nachJeídels, S. 147). Pohl, Vom Bankier zum Manager, S. 151. Flcchthetm, S. 264-272. »Durch den vorzeitigen Tod Eugen Langens war dem Unternehmen im Herbst 1895 die

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Tatsächlich war der Schaaffhausen'sche Bankverein besonders zwischen 1873 und 1890 eine der am wenigsten profitablen deutschen Großbanken, da er offenbar mehrfach »die Entwicklung lokaler Interessen auf Kosten der eigenen Gewinn- und Dividendenhöhe« förderte, und unter den Kapitalbesitzern spielten wenige Großaktionäre die ausschlaggebende Rolle. Diese kamen überwiegend aus Köln oder dem weiteren Rheinland und Westfalen.62 Seit 1900 spielte dann der »König der Aufsichtsräte« Louis Hagen, Inhaber des Kölner Bankhauses A. Levy, die größte Rolle im Aufsichtsrat der Bank. Wie ein späteres Direktionsmitglied sich erinnerte, nutzte Hagen diese Position im Interesse seiner eigenen Bank, in dem er sich unter Verwendung der Aktienpakete, die der Bankverein und seine Kunden in ihren Depots an vielen Gesellschaften hielten, in die Aufsichtsräte dieser Unternehmen wählen ließ. Im Streitpunkt um die Frage, ob Schaafïhausen seine Zentrale nach Berlin, dem Zentrum des deutschen Kapitalmarktes, verlegen sollte, wo er seit 1891 mit einer Niederlassung vertreten war, votierte Hagen für seine eigenen Interessen und gegen die des Bankvereins für den Verbleib in Köln, da eine Verlegung des Geschäftssitzes ihn der Möglichkeit beraubt hätte, die fremden Aktienpakete für A. Levy zu nutzen.63 Trotz der Novellierung des Aktienrechts übte beim Schaaffhausen'schen Bankvereins ganz offensichtlich der Aufsichtsrat die Leitung der Bank aus, sowohl was die strategische Entscheidung über die mögliche Verlegung der Zentrale oder die 1904 geschlossene Interessengemeinschaft mit der Dresdner Bank als auch was das alltägliche Geschäft anging.64 Noch der Beschluß, das angeschlagene Institut nicht mühevoll zu reorganisieren, sondern einer Berliner Großbank zur Übernahme anzubieten, soll von einem Teil des Aufsichtsrats gegen den einmütigen Willen des Vorstands gefällt worden zu sein.65 Abgesichert wurde diese Hegemonie durch die Besetzung der Vorstandsposten, nicht nur in Gestalt der Delegation von Mitgliedern der Familie Langen. Die Vorstandsmitglieder des Bankvereins waren überwiegend Juristen, die keine weitsichtige Führung in sachlicher und vor allem in persönlicher Richtung verloren gegangen.« Langen, S. l4lf. (hervorgehoben vom Vf.)- Walther Langen trat 1897 »mit großem Bedenken« in den Vorstand des Bankvereins ein (ihm fehlte jede bankkaufmännische Ausbildung); eine Karriere in der preußischen Provinzialverwaltung hatte er drei Jahre zuvor auf Druck seines Onkels abgebrochen, um Direktor der neugegründeten Rheinisch-Westfälische Boden-Credit-Bank zu werden. 62 Tt7/y, Kapital und Kapitalisten, S. 508; ebd. Tab. 4: Bei der Generalversammlung 1899 kamen 73,7 % der Aktien aus Köln, weitere 26,2 % aus dem Rheinland und Westfalen (ohne Köln). Unter den Aktienzeichnern (die ja nicht alle auf der Generalversammlung erschienen) war das Kölner Übergewicht zwar weniger drückend; immerhin kamen nahezu 80 % der Zeichner aus dem Rheinland und Westfalen (einschl. Köln). 63 Hilgermann, S. 28, S. 43. Hilgermann war seit 1921 Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung des Bankvereins. 64 Die Bank 1 (1908), S. 996; Plutus (26.9.1908), S. 766. 65 Plutus (2.5.1914), S. 356.

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banktechnische Ausbildung besaßen, und wurden in ungewöhnlich starkem Ausmaß aus der höheren Beamtenschaft rekrutiert. Sie respektierten anscheinend Hierarchien weitaus stärker als die »Kaufleute« und betrachteten den Aufsichtsrat als vorgesetzte Instanz. So drängte der Bankkaufmann Karl Klönne auf die Verlegung der Zentrale, während sein Gegner, Oberregierungsrat a.D. Heinrich Schröder, im Vorstand die Position des Aufsichtsrates vertrat.66 Von den insgesamt 13 Mitgliedern des Kölner Vorstandes zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg waren nicht weniger als sechs Juristen gegenüber fünf Bankkaufleuten.67 Noch deutlicher wird diese Besetzungspolitik, betrachtet man die nach Hagens Eintritt in den Aufsichtsrat tätigen Vorstandsmitglieder: vier Juristen, darunter die erwähnten Heinrich Schröder und Walther Langen sowie der ehemalige Aachener Oberbürgermeister Farwick, standen nur zwei Kaufleuten gegenüber.68 Was Adelbert Delbrück bei der Deutschen Bank nicht gelang - die Einsetzung von dem Aufsichtsrat willfährige Vorstandsmitgliedern - glückte dagegen den Privatbankiers und Großaktionären beim Schaafïhausen'schen Bankverein. Zusammenfassend kann man von einer Verdrängung derPrivatbankenaus den einflußreichsten und lukrativsten Positionen des »Feldes der Hochfinanz« durch die Aktienbanken einerseits und einer Verdrängung der Privatbankiers aus eben diesen Aktienbanken andererseits sprechen (unabhängig davon, daß Privatbankiers weiterhin den Aufsichtsräten der großen Banken angehörten), indem der - mehrheitlich von Privatbankiers geführte - Aufsichtsrat als »Machtzentrum« des Unternehmens vom Vorstand verdrängt wurde. Dieser Prozeß vollzog sich nicht bei allen, aber bei den meisten großen Aktienbanken mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, war jedoch vor 1914 weitgehend abgeschlossen. In einigen Fällen konnten Privatbankiers allerdings erstaunlich starke Machtpositionen behaupten. Die Gründe für den Niedergang der Privatbanken lagen neben den oben diskutierten allgemeinen Problemen von Familienunternehmen in erster Linie darin, daß sich auf dem deutschen Finanzmarkt keine Arbeitsteilung zwischen den beiden Bankformen herausbildete, die es den Privatbanken erlaubt hätte, mehr oder weniger reservierte Bereiche dieses Marktes zu kontrollieren und so zu überleben. Eine solche Arbeitsteilung hätte letztlich die Kontrolle der Privatbankiers über die Aktienbanken vorausgesetzt. Statt dessen fielen sie bei der 66 Hilgermann, S. 27f 67 Über zwei Personen fehlt diese Information. 68 »Schließlich konnte sich ein >BeamtenAber lieber Kollege«, soll ihm Fürstenberg darauf geantwortet haben, >für Sie ist es doch viel leichter als für uns alle, eine gute Dividende herauszuwirtschaften. Machen Sie doch nur einmal den Versuch, ihre Bank auch an Ihren guten Geschäften zu beteiligen.« Bernhard, Meister und Dilettanten, S. 226f (Hervorhebung im Orig.). Diese Praxis wird auch bestätigt bei Boden heimer, S. 92f Vgl. zum Einkommen der Manager-Bankiers auch Plutus (26.3.1910), S. 238; Die Bank 3 (1910), S. 132f. 108 Diese Bemerkungen sollen nicht die Arbeitsleistung der Bankangestellten verleugnen! Gemeint ist in beiden Fällen die notwendige Arbeit der Geschäftsleitung. 109 Bei den Banken handelte es sich um die 4 D-Banken, die BMG, Nationalbank für Deutschland, Commerz DB, Schaaffhausen'scher BV, Mitteldeutsche CB; ausgezählt nach dem Adressbuch der Directoren und Aufsichtsräte Jg. 1909 (auch für das Folgende).

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gen nicht die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse als solche konstituierten, verschaffen sie doch einen Überblick über das Ausmaß dieser Beziehungen. Dabei ist nochmals darauf hinzuweisen, daß innerhalb des Bankgewerbes die Machtausübung über den Aufsichtsrat für Bankiers weitaus einfacher als in Industriegesellschaften war. Besonders stark waren die Manager in den Provinz- und den Hypothekeninstituten sowie in einigen Spezialbanken vertreten, während die Privatbankiers, ihre alte Domäne behauptend, noch immer in den Auslandsbanken überdurchschnittlich repräsentiert waren. Jedoch verschlechterte sich die Position der Privatbankiers auf dem Geldmarkt nicht so dramatisch wie im Industriegeschäft. Aufschluß über diese Position gibt die Zusammensetzung der Aktionärsvertreter der beiden wichtigsten »öffentlichen« Kreditinstitute, der Reichsbank als Zentralnotenbank und der Bank des Berliner Cassen-Vereins als Berliner Clearing-Stelle.110 Im achtköpfigen Verwaltungsrat der Bank des Berliner Cassen-Vereins saß 1879 noch kein einziger Vertreter der Aktienbanken, 1908 immerhin drei. Im minder wichtigenAusschußder Aktionäre der Bank waren es 1879 zwei von zehn, bis 1908 stieg ihr Anteil auf vier. Ähnlich sah es bei der Reichsbank aus. Unter den sechs Deputierten und Stellvertretern des Zentralausschusses der Zentralnotenbank befand sich 1879 noch kein Manager-Bankier, 1908 waren es dagegen vier. Und im fünfzehnköpfigen Zentralausschuß stieg der Anteil der Manager-Bankiers im gleichen Zeitraum von drei auf fünf In diesen wichtigen Institutionen des deutschen Bankwesens gaben zu Beginn des Untersuchungszeitraumes die Privatbankiers also noch ganz unangefochten den Ton an. Bis 1914 bestimmten die Aktienbanken hier noch nicht das Bild. Aufschlußreich ist auch die Zusammensetzung der Aufsichtsräte der untersuchten Banken. Von den 37 Mandaten in den Aufsichtsräten der neun Berliner Großbanken, die 1908 von Mitgliedern der Hochfinanz ausgeübt wurdenen, entfielen nicht weniger als 21 auf ehemalige Vorstandsmitglieder dieser Banken, die nun im Aufsichtsrat die Interessen und Geschäftspolitik des Vorstands vertraten, sieben auf Überkreuzverflechtungen zwischen zwei Großbanken (durch die 1904 bis 1908 bestehende Interessengemeinschaft zwischen der Dresdner Bank und dem Schaaffhausen'schen Bankverein), und nur fünf Mandate lagen in den Händen großer Privatbankiers. Ein ähnliches Verhältnis galt für die großen Regionalbanken wie die Breslauer Diskontobank oder die Rheinische Creditbank, nur daß hier die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, die von den Großbanken entsandt wurden, die der ehemaligen eigenen Direktoren noch überstieg: Von insgesamt 23 hier in Rede stehenden Mandaten entfielen sechs auf ehemalige Vorstandsmitglieder dieser Banken, nur zwei auf Privatbankiers des Samples, aber 11 auf Vertreter der neun Großbanken. Die mäch-

110 Zusammengestellt nach den Geschäftsberichten der beiden Institute.

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tigsten deutschen Kreditinstitute hatten sich zu diesem Zeitpunkt also vollständig aus dem Griff ihrer einstigen Gründer und Lenker befreit und übten nun ihrerseits großen Einfluß auf formell unabhängige Banken aus. Zweifellos hat durch diesen Prozeß die »ökonomische Macht« der Privatbankiers im Laufe des Untersuchungszeitraumes relativ zu dem der Manager-Bankiers stark abgenommen, da sich die Großbanken von ihren Gründern »emanzipierten« und die Regionalbanken zunehmend unter den Einfluß der Großbanken gerieten. Damit war »die Zeit, wo der Diskont und der Kurs der Staatspapiere nach dem Willen des Baron Anselm [von Rothschild] festgesetzt wurden« endgültig vorbei.111 Vor allem im immer wichtiger werdenden Industriegeschäft wird die sinkende Bedeutung der Privatbanken sichtbar. Die Macht der Banken in anderen Teilen der deutschen Wirtschaft bzw. ihr Einfluß auf Industrie, Handel und Versicherungswesen soll hier nicht diskutiert werden. Wie gesagt, beweist die Anzahl der Aufsichtsratsmandate nicht die Macht einer Bank über andere (Industrie-) Unternehmen, zumal sie einerseits nicht aus einem freiwilligen Engagement der betreffenden Bank hervorgegangen sein mußten, sondern aus einer mißlungenen Emission oder einer Sanierung stammen konnten, und andererseits ihre volle Wirkung erst in Verbindung mit Aktienbesitz, Depotstimmrecht und laufenden Kreditgeschäften entfalteten. Auch zeigten nicht alle Banken die gleiche Vorliebe für die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten. Aber ihre Zahl und Verteilung gibt doch Aufschluß über das Engagement einer Bank in bestimmten Industriezweigen oder -regionen, da in ihnen »oft die wertvollsten Geschäftsverbindungen der Bank verkörpert sind«,112 und vor allem gibt sie Hinweise auf den gesamten Umfang der industriellen Beziehungen einer Bank. Den Aufsichtsräten der 100 größten deutschen Industrieunternehmen gehörten 1907 51 Manager-Bankiers des Samples an, die 148 Mandate auf sich vereinigten. Ihnen standen nur neun Privatbankiers des Preußenkonsortiums mit 24 Mandaten gegenüber.113 Mit anderen Worten: Von den 60 untersuchten Personen in den Aufsichtsräten der industriellen Großkunden waren 85 % Manager-Bankiers. Unter den 22 Aufsiclitsratsvorsitzenden, welche die Hochfinanz in diesen Industrieunternehmen stellte, finden sich nur drei Privatbankiers, unter den 25 Stellvertretern kein einziger. Bestätigt werden dadurch auch die Ergebnisse Eulenburgs, der 1906 die Aufsichtsräte von über 1000 Aktiengesellschaften untersucht und dabei festgestellt hat, daß die Privatbankiers zwar mehr Aufsichtsratsmandate inne hatten als die 111 Korach, Bd. I, S. 39. 112 Wallich, Konzentration S. 103 (Hervorhebung d.Vf.; Wallich bezog diese Äußerungauf die Aufsichtsräte der Banken, was in diesem Zusammenhang jedoch ohne Bedeutung ist). 113 Kocka u. Siegrist, Saling's Börsen-Jahrbuch für l9O8f; eigene Berechnungen.

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Leiter der Aktienbanken (1180 im Vergleich zu 816), diese aber eher in den »kleinen und lokalen Gesellschaften« zu finden seien.114 In der Provinz konnten kleine Privatbankiers also durchaus mit den dortigen Lokalbanken konkurrieren. Dagegen waren die reichen Privatbankiers der Hochfinanz im immer wichtiger werdenden Industriegeschäft von den Großbanken längst überrundet und verdrängt worden. Noch mindestens bis zu den 1870er Jahren besaßen die Privatbanken hier eine dominierend Position, man denke nur an die Bedeutung von S. Bleichröder oder Sal. Oppenheim für die Finanzierung des deutschen Eisenbahnbaus115 und der rheinisch-westfälischen und schlesischen Grundstoffindustrie oder noch in den 1880er Jahren die Bedeutung von Privatbanken beim Aufbau der deutschen Elektrizitätsindustrie, besonders der AEG.116 Später konnten sie sich nurmehr im Bereich der großen Staatsanleihen behaupten.117 Bestätigt wird dadurch ebenfalls die Zwischenposition der Geschäftsinhaber der KGaA, die großen persönlichen Reichtum und ökonomischen Einfluß, ausgedrückt in Aufsichtsratsposten, vereinigten. Von den 123 Mandaten der Berliner Großbanken hielten die Leiter der Disconto-Gesellschaft (31) und der BHG (24) die größte Anzahl. Wie unter den Privatbankiers üblich, konzentrierten sich auch bei ihnen die Aufsichtsratsmandate auf vergleichsweise wenige Köpfe, während sich die Mandate der »reinen« Aktienbanken gleichmäßiger auf eine größere Zahl von Personen verteilten. Die »Könige der Aufsichtsräte« waren Privatbankiers wie Louis Hagen und Simon Alfred von Oppenheim oder Geschäftsinhaber wie Carl Fürstenberg. Soweit die Banken über »ökonomische Macht« in der Industrie verfügten, war diese in der wilhelminischen Zeit überwiegend in den Händen der Manager konzentriert. Die Hauptursache für die Verdrängung der Privatbanken aus den Schlüsselpositionen lag in ihrer geringeren Kapitalausstattung. Als Universalbanken benötigten die deutschen Kreditinstitute ein relativ hohes Eigenkapital. Im Gegensatz zum Eigenkapital der Aktienbanken, das sich aus den Ge114 Euleburg, S.7 und passim. Eulenburg stand allerdings damals keine Aufschlüsselung nach der Größe der Unternehmen zur Verfügung. 115 Ziegler, Eisenbahnen, S. 211-229, S. 288; Stern, Gold und Eisen, S. 300-321; Treue u. a., S. 304-307; Hoth, passim; Grunwald, S. 201-220. S. Bleichröder z. B. war »seit 1845 Gesellschaftsbanquier der Rheinischen und Köln-Mindener Eisenbahnen, lieferte ... beiden Eisenbahnen die nöthigen Geldmittel, brachte fast ihre sämtliche Prioritäten unter und zwar unter den günstigsten Bedingungen.« LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94, Nr. 8944 (8.12.1863). 116 Masse, Jews in the German Economy, S. 244-246; Riesser, Großbanken, S. 583f.Jeidels, S. 230. 117 Vgl. die erwähnten Übernahmequoten bei den preußischen und Reichsanleihen (Kap. 2a), wo einzelne Privatbanken den Großbanken bis 1913 und darüber hinaus ebenbürtig blieben, auch wenn sich ihr Gesamtanteil stark verringert hatte. Zwei der größten deutschen Privatbanken, M.A.v. Rothschild und Mendelssohn & Co., standen dem Industriegeschäft ohnehin grundsätzlich fern - Rothschild (wie die meisten Frankfurter Banken) seit jeher, Mendelssohn spätestens seit dem Debakel der Baugesellschaft Plessner in den 1870er Jahren. Beide Banken waren daher auch in keinem industriellen Aufsichtsrat vertreten.

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Schäftsberichten verhältnismäßig einfach ermitteln läßt, ist dasjenige der Privatbanken, für die keine Auskunftspflicht bestand, nicht zu beziffern. Auf jeden Fall arbeiteten die Privatbankiers mit einem im Vergleich zum Geschäftsumfang ihrer Unternehmen weitaus geringeren Eigenkapital, das ja aus ihrem Privatvermögen bestand.118 Bis zu einem gewissen Grad war es es den Privatbankiers möglich, ihr geringeres »ökonomisches Kapital« durch »soziales Kapital« zu kompensieren. Wixford und Ziegler haben gezeigt, daß große Privatbankiers erfolgreich die Nische der »Netzwerkspezialisten« in der Industriefinanzierung besetzen konnten.119 Gerade weil sie aufgrund ihrer geringeren Kapitalausstattung die Positionen als Hauptkreditoren der Großindustrie an die Großbanken verloren hatten, gelang es ihnen, sich in der Rolle unabhängiger und vertrauensvoller Berater und Koordinatoren bei größeren Transaktionen wie Fusionen zu etablieren. Damit kamen sie den Industriellen entgegen, die den Banken keine Positionen einräumen wollten, über welche die Kapitalgeber einen erheblichen Einfluß auf die Geschäftspolitik eines Industrieunternehmens ausüben oder erzwingen konnten. Es war ihre relativ geringe Kapitalkraft, die die Privatbankiers unverdächtig machte, Druck auszuüben, und ihnen nahelegte, einen besonderen Kundenkreis aufzubauen und diesen weniger mit Kapital als mit Informationen zu versorgen. Auch nach Ansicht von ManagerBankiers beruhte das »Geschäft« des Privatbankiers weniger auf seiner Kapitalkraft als auf seiner fachlichen Kompetenz und persönlichen Integrität sowie auf dem Glauben der Anleger in seine Diskretion.120 Umfang und Qualität der 118 Einen Anhaltspunkt mag immerhin die Tatsache geben, daß im Jahre 1902 die Giroguthaben von 1386 Privatbanken bei der Reichsbank rund 81.5 Mio M betrugen gegenüber 92.1 Mio M von 472 Aktienbanken einschließlich ihrer Zweigniederlassungen. Nach Wixord und Ziegler lag zu dieser Zeit (1902) die vereinigte Bilanzsumme aller deutschen Aktienbanken mit rund 7 Mrd. M doppelt so hoch wie die der Privatbanken. Das Eigenkapital machte bei vielen Aktienbanken bis in die 1880er Jahre hinein oft rund die Hälfte der Bilanzsumme aus, und bis in die 1890er Jahre noch ein Drittel (siehe Anhang 2). Seit den 1880er Jahren begannen sie mit der Aufnahme des Depositengeschäfts, also der Arbeit mit fremden Geldern, was den Eigenkapitalanteil an der Bilanzsumme senkte. Vorsichtig geleitete Banken arbeiteten dagegen in möglichst geringem Umfang mit fremden Geldern, deren plötzlicher Abzug die Liquidität der Bank bedrohen konnte. Einzig die nach englischem Vorbild zunächst als reine Depositenbank arbeitende Vereinsbank in Hamburg kam mit einem weitaus geringerem Eigenkapital aus. Emissionbanken wie die Norddeutsche Bank benötigten dagegen zur Absicherung ihrer weitaus höheren Risiken auch höherer eigener Mittel. Privatbanken wie M .M. Warburg & Co. (eines der wenigen Institute, deren Bilanzzahlen aus diesen Jahren zumindest teilweise zur Verfügung stehen) arbeiteten dagegen bereits in den 1870er Jahren mit weitaus geringerem Eigenkapital. Und um die Jahrhundertwende nahmen die Inhaber von R. Warschauer & Co. von der Umwandlung ihres Unternehmens in eine Aktienbank Abstand, denn »ein Kapital von etwa 50 Millionen Mark [das damalige Geschäftskapital der Inhaber, M.R.J hätte der Firma als Aktienbank nicht die Bedeutung geben können, die sie als Privatfirma genoß«. 4. Bankiertag, S. 50f; Wixord u. Ziegler, Privatbanken, Tab. 2. Rosenbaum u. Sherman, S. 94-97; BT (21.9.1904). 119 Wixford u. Ziegler, Niche, passim. 120 Arthur Salomonsohn (Disconto-Gcsellschaft), 3. Bankiertag, S. 117.

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Geschäftsbeziehungen, persönliche Kontakte und die Einheit von Person und Unternehmen machten daher in hohem Maße das »Kapital« des Privatbankiers aus.121 Das Ergebnis war ein ungebrochenes Wachstum der persönlichen Vermögen der großen Privatbankiers bei gleichzeitigem Sinken ihrer gesamtökonomischen Bedeutung und damit eine Veränderung ihrer Position im »Feld der Hochfinanz«, wo sie aus den dominierenden Positionen an den »exklusiven Rand« gedrängt wurden. Damit änderte sich auch die Zusammensetzung der Hochfinanz, ablesbar an den Instituten, die zum Preußenkonsortium gehörten: Den 15 Privatbanken mit insgesamt 82 Inhabern standen 24 Aktienbanken mit 236 Vorstandsmitgliedern und 58 persönlich haftenden Gesellschaftern gegenüber. d) Soziale Herkunft, Ausbildung und Karrierewege Am Beginn des Untersuchungszeitraums stand die vielleicht größte soziale Öffnung der Bankwelt während des »langen 19. Jahrhunderts« überhaupt. Die Welle von Bankgründungen nach der Aufhebung der Konzessionspflicht 1870 schuf eine bis dahin unerhörte Zahl von Leitungspositionen, die auch bei umgewandelten Privatbanken nicht mehr ausschließlich, nicht einmal überwiegend von den Abkömmlingen der Bankierfamilien besetzt werden konnten. Insgesamt verteilte sich die Besetzung von Manager-Posten in den Aktienbanken des Samples chronologisch wie folgt: Tab. 8: Eintritt von Manager-Bankiers in die Direktionen der Aktienbanken des Preußenkonsortiums 1840-49

1850-59

1860-69

1870-79

1880-89

1890-99

1900-09

1910-14

ges.

1

10

15

70

36

60

63

39

294

Allein in den 24 Aktienbanken des Samples zogen in der kurzen Spanne zwischen 1869 und 1875 nicht weniger als 57 Vorstandsmitglieder und haftende Gesellschafter in die Direktionen ein. Nie wieder zuvor oder danach waren derartig viele Leitungspositionen in den Banken zu besetzen wie in den 1870er 121 Den Bankiers der mittleren und kleineren Städte riet der Berliner Bankier KR Hermann Frenkel, gerade ihr »soziales Kapital« besonders zu pflegen, denn: »Von größtem Wert sind seine persönlichen Beziehungen, da in der Kleinstadt der Freund auch Geschäftsfreund zu sein pflegt.« 4. Bankiertag, S. 59.

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Jahren, die Mehrzahl davon in dem verhältnismäßig kurzen Zeitraum der »Gründerjahre« und kurz danach. Darüber hinaus benötigten nicht nur die neugegründeten bzw. expandierenden Kreditinstitute, sondern auch Unternehmen anderer Branchen kaufmännisch ausgebildetes Leitungspersonal, so daß »bei der Fülle neu entstehender Unternehmungen allerwärts auf qualificirte Persönlichkeiten Jagd gemacht wurde«.122 Leitende Positionen im Bankgewerbe waren damit in viel geringerem Maße als früher an eine bestimmte soziale Herkunft gebunden. Unter den Vätern der Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank findet sich bis nach der Jahrhundertwende kein Bankier, und bis zum Ersten Weltkrieg blieb hier die Herkunft aus einer großkaufmännischen oder industriellen Familie selten. Die Großbankiers rekrutierten sich aus einem breiten beruflichen Spektrum, das weit über den wirtschaftsbürgerlichen Bereich hinausging. Die Tatsache, daß für die Manager-Bankiers weder der Besitz oder das Erbe eines großen Vermögens noch die Heirat einer Erbtochter die hinreichende Voraussetzung für den Aufstieg in die Direktion einer großen Aktienbank bildete, machte die Erweiterung der Rekrutierungsbasis für die dominierenden Positionen im Bankwesen erst möglich. Gerade für selbständige Kaufleute boten die Aktienbanken gute Möglichkeiten, an die Spitze der Großunternehmerschaft aufzusteigen.123 Die Lücke zwischen »Angebot und Nachfrage« führte dazu, daß gerade in den neugegründeten Banken mit dementsprechend ungewisser Zukunft vorübergehend Männer auf die Direktorensessel berufen werden mußten, die sich ihrer neuen Aufgabe nicht gewachsen zeigten. Bei diesen Banken kam es in der Folge zu einem hektischen Wechsel unter den Vorstandsmitgliedern.124 Insofern war die Angst der Gründer und Aufsichtsräte, Kompetenzen an diese Vorstandsmitglieder abzugeben, nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Machterhaltung, sondern auch aus Interesse am Bestand des Unternehmens nicht ganz unberechtigt. Tab. 9 zeigt die signifikant unterschiedliche soziale Herkunft von Privatbankiers und Manager-Bankiers:

122 Koenigs, S. 65. 123 Die unscharfe Bezeichnung »Kaufmann« für den Beruf des Vaters ließ nicht immer eine genauere Spezifizierung der beruflichen und damit auch der sozialen Position zu, da dieser Begriff unterschiedslos für kleine Ladenbesitzer wie für international operierende Großhändler verwendet wurde. 124 Bei der Commerz DB lösten in den ersten drei Jahren ihres Bestehens fünf Direktoren einander ab, die Deutsche Bank verschliß in den ersten drei Jahren vier Direktoren, von denen keiner länger als zwei Jahre blieb. Noch bei der 1881 gegründeten Nationalbank mußten in den ersten fünf Jahren vier Vorstandsmitglieder ersetzt werden. Und selbst bei Banken mit von Anfang an vergleichsweise stabiler Entwicklung wie der Rheinischen CB oder der Bayerischen VB kam es in den ersten Jahren ihres Bestehens zu einem weitaus häufigeren Direktorenwechsel als später.

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Tab. 9: Soziale Herkunft von Privatbankiers und Manager-Bankiers Privatbankiers

Manager-Bankiers

gesamt

absolut

in v.H.

absolut

in v.H.

absolut

in v.H.

Bankiers Kaufleute Industrielle »staatsnahes Bürgertum« »freie Berufe« Gutsbesitzer, Offiziere Kleinbürgertum sonstige

49 2 4 3 2 1 4 1

74,3 3,0 6,1 4,5 3,0 1,5 6,1 1,5

28 25 11 29 16 6 29 12

17,9 16,0 7,1 18,6 10,3 3,8 18,6 7,7

77 27 15 32 18 7 33 13

34,7 12,2 6,7 14,4 8,1 3,1 14,9 5,9

gesamt

66

100,0

156

100,0

222

100,0

Drei Viertel der untersuchten Privatbankiers hatten einen Privatbankier zum Vater, bis auf zwei traten sie alle in die väterliche Bank ein. Die Privatbankiers rekrutierten sich also ganz überwiegend aus der eigenen Gruppe. Diese hohe Selbstrekrutierung ging in erster Linie auf das große Vermögen zurück, das zum Aufbau und Betrieb einer großen Privatbank erforderlich war. Das derart vererbte Geschäftskapital erklärt bis zu einem gewissen Grade auch die unterschiedliche Verteilung des privaten Vermögens innerhalb der Hochfinanz. Das korrespondiert mit den Ergebnissen von Dolores Augustine, nach deren Untersuchung nahezu zwei Drittel der deutschen Bankiers im Kaiserreich ihrerseits Bankiersöhne waren - Augustines Sample von 137 Bankiers besteht allerdings zu 70 % aus Privatbankiers.125 Nur etwa ein Viertel der Privatbankiers (22 von 82 Fällen) verdankte seine Aufnahme unter die Teilhaber nicht unmittelbar dem Erbfall, einer Heirat oder der Zugehörigkeit zum weiteren Verwandtenkreis. Soweit deren soziale Herkunft feststellbar war, stammten sie aus höheren sozialen Lagen als die Manager-Bankiers. Unter dem Gesichtspunkt sozialer Mobilität bedeutete das die Abschließung der Privatbankiers gegenüber der Aufnahme von möglichen Teilhabern aus klein- oder unterbürgerlichen Familien. Eine vergleichsweise »niedrige« Herkunft wiesen nur Eduard Constantin Hamberg (L. Behrens) und Heinrich Leo (Delbrück, Leo & Co.) auf, deren Väter kleine Kaufleute waren; Leos Vater arbeitete später als Angestellter bei Mendelssohn & Co.126 125 Augustine, The Banker in German Society, S. 161-185. Letzteres ist in ihrem Auswahlkriterium (Privatvermögen über 6 Mio M) begründet. 126 Heinrich Leo stellt insofern eine Ausnahme dar, als er zu den Bankgründern von vergleichsweise geringer Herkunft gehörte. Allerdings begann Delbrück, Leo & Co. als Berliner Vertretung der Kölner Lebensversicherung Concordia, die in den 1860er Jahren auch das Komman-

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Demgegenüber stammten nur 28 von 156 Manager-Bankiers (17,9 %), bei denen der Beruf des Vaters festgestellt werden konnte, aus einer Bankierfamilie; 13 dieser Väter waren übrigens bereits Leiter einer Bank des Preußenkonsortiums gewesen. Nur unter den Manager-Bankiers ist in nennenswertem Umfang ein sozialer Aufstieg aus kleinbürgerlichen Gruppen zu beobachten: Ein gutes Fünftel ihrer Väter waren kleine Kaufleute, Volksschullehrer, Beamte ohne akademische Bildung, subalterne Angestellte, Werkmeister oder kleine Gewerbetreibende. Darüber hinaus war die Herkunftsgruppe des »staatsnahen Bürgertums« der höheren Beamten im Verwaltungs- und Justizdienst, der Professoren, Gymnasiallehrer und evangelischen Theologen deutlich größer als die der »freien« oder »bürgerlichen« Berufe (Arzte und Rechtsanwälte).127 Die Aktienbanken boten also eine gute Möglichkeit für Personen, deren Väter nicht im Bankwesen tätig gewesen waren, an die Spitze der deutschen Finanzwelt zu gelangen. Gerade an den familienfremden Privatbankiers wird deutlich, daß in gewissem Sinne auch die Privatbanken auf dem Weg zum »Manager-Kapitalismus« waren. Bankiers wie Otto Braunfels, Lucien Picard erbten ihre Position nicht, sondern waren auf mehr oder weniger »meritokratischem«Wege zu ihr gelangt. Vor allem aber folgten sie in ihren sozialen Mustern (Herkunft, Vermögen, Konnubium, Karriereverlauf) mehr den Manager-Bankiers als den Privatbankiers. Kaum einer von ihnen entstammte einer Bankierfamilie, keiner heiratete die Tochter eines Bankiers; ihr durchschnittliches Vermögen lag mit 6.60 Mio Mark näher bei dem der Manager-Bankiers als bei den etablierten Privatbankiers; niemand von ihnen erreichte auch nur die oben genannte durchschnittliche Vermögensgröße von 14.6 Mio Mark. Sie waren in der Regel auch nicht in der Lage, ihre Position zu vererben.128 Insofern bildeten diese familienfremden Privatbankiers mit ihren den Manager-Bankiers verwandten sozialen Charakteristika durchaus ein Gegenstück zu den oben erwähnten Geschäftsinhabern der KGaA-Banken, die den Status eines Privatbankiers anstrebten. In diesen beiden Gruppen amalgamierte sich mithin das Sozialprofil der Angestelltenmit denen der Eigentümer-Unternehmer in der Hochfinanz. Diese Entwicklung kam in den Privatbanken trotz trüher Anfänge allerdings erst nach der Jahrhundertwende zum Durchbruch, als bei einigen Firmen (L. Speyer-Ellissen, Jacob S.H. Stern, Delbrück, Schickler & Co.) die Mehrzahl der Inhaber nicht mehr »aus der Familie« hervorgingen. ditkapital übernommen hatte - gerade in den Anfangsjahren arbeitete die Bank also mit fremden Kapital. 127 Zum Begriff des »staatsnahen Bürgertums« vgl. Kaelbte, Nachbarn, S. 85. 128 Nur sechs der 26 familienfremden Privatbankiers gelang es, die eigene Position als Sozius auf einen ihrer Söhne zu übertragen (wobei in einem der sechs Fälle die direkte Abstammung mangels anderer Nachweise aufgrund des Namens unterstellt wurde, und zwar bei Bernhard Schuster [L. Speyer-Ellissen]).

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Insgesamt stammte ein gutes Drittel der Bankiers des Preußenkonsortiums aus einer Bankierfamilie. Das gesamte unternehmerische Spektrum mit einem deutlichen Schwerpunkt in der Großkaufmannschaft machte rund 60 % aus. Der Anteil derjenigen Bankiers, deren Vater einen akademischen Beruf ausübte, betrug nicht weniger als ein Viertel. Die relativ große Anzahl von Großbankiers mit einer bildungsbürgerlichen Herkunft,129 die sich in nahezu allen Bankformen und an allen Bankplätzen wiederfinden, überrascht angesichts des bescheidenen Anteil derer, die aus einer Industriellenfamilie stammten. Für Industriellensöhne waren die Karriereaussichten in der Branche ihrer Familie offenbar viel verlockender als im Bankwesen.130 Aus den »alten (preußischen) Eliten« stammten nur wenige Großbankiers.131 Spätestens in den 1890er Jahren begann sich der Zugang zur Hochfinanz wieder zu schließen. Von den 70 Manager-Bankiers des Samples, die zwischen 1897 und 1914 in die Direktion einer der Banken der Preußenkonsortiums aufgenommen wurden und deren soziale Herkunft bekannt ist,132 hatten nicht weniger als 20 (28,5 %) einen Bankier zum Vater. Zu dieser Zeit begann die Hochfinanz wieder, sich in höherem Maße aus sich selbst heraus zu reproduzieren, denn in einigen Großbanken waren die Vorstandsmitglieder und haf129 Die Definition einzelner Berufsgruppen als Teile des Bildungsbürgertums folgt Vondung, S. 25-28. 130 Söhne von Großindustriellen fanden nur dann ins Bankwesen, wenn das väterliche Unternehmen bereits in engen Beziehungen mit der betreffenden Aktienbank stand und die Familieninteressen eine engere Verbindung mit der »Hausbank« geboten: Die Familien Koenigs (Textilindustrie) und Langen (Eisen- und Zuckerindustrielle), hatten im Schaafïhausen'schen BV wiederholt den Vorsitz oder dessen Stellvertretung des Aufsichtsrats gestellt, bevor sie ihre Abkömmlinge in die Direktion entsandten. Walther Rathenau wurde Geschäftsinhaber der BHG, weil »die Berliner Handels-Gesellschaft und die AEG seinerzeit ja so etwas wie Zwillinge« waren und Emil Rathenau »der quasi >gottgegebene< Vorsitzende« des Aufsichtsrats. Alle Genannten wurden übrigens sofort bei ihrem Übertritt in die Bankwelt zu Vorstandsmitgliedern resp. haftenden Gesellschaftern, ohne eine Banklehre o.ä. absolviert zu haben; ihr »Kapital«, das sie in die Bank mitbrachten und das sie für die Bank wertvoll machte, waren persönliche Beziehungen und Kenntnissse des Industriegeschäfts, aber kein banktechnisches Wissen. Fürstenberg, Erinnerungen, S. 36. 131 Die OfFizierssöhne (Bruno Edler von der Planitz und Maximilian von Klitzig) zeigten keineswegs von früh auf eine besondere Affinität zur unternehmerischen, erst recht bankkaufmännischen Arbeit. Klitzing durchlief eine Verwaltungskarriere, bis er vom Reichsbank-Direktorium in den Vorstand der BHI überwechselte; Planitz heiratete die Tochter eines bereits in der Vatergeneration geadelten nichtjüdischen Berliner Privatbankiers (F.W. von Krause). Die Biographien der Söhne adeliger Gutsbesitzer fügen sich in das gleiche Muster: Hans von Klitzing (ein entfernter Verwandter des obigen) wechselte aus der ostelbischen Provinzialverwaltung in die Direktion der Ostpreußischen Feuersocietät und von dort in den Vorstand einer Hypothekenbank. Joseph Graf von Hoverden, zweiter Sohn des Grafen Emanuel von Hoverden-Plenken und Gründungsmitglied des Schlesìschen Bankvereins, besaß zwar ebenfalls keine Bankausbildung, dafür hatte er sich aber wegen »seiner wertvollen Beziehungen in der Provinz große Verdienste erworben«, also wegen seines »sozialen Kapitals«, das ihn mit den schlesischen Magnaten - den wichtigsten Kunden des Bankvereins -verband. FS Schlesischer Bankvereins (1906), S. 11. 132 Über 57 Fälle liegen keine derartigen Informationen vor.

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tenden Gesellschafter in der Lage, ihre Position an einen ihrer Söhne zu vererben. Das galt vor allem für die den Privatbanken relativ nahestehenden KGaABanken wie die Disconto-Gesellschaft sowie für einige der älteren »reinen« Aktienbanken, also die Darmstädter Bank, der Schaafïhausen'schen Bankverein und die Bayerische Hypo.133 Die neueren Aktienbanken wie die Deutsche Bank und die Commerz- und Discontobank enthielten sich weitgehend derartiger Rekrutierungsformen, mit Ausnahme der Dresdner Bank, in der Eugen Gutmann sowohl seinen Sohn als auch seinen Schwiegersohn in den Vorstand berief und das Dresdener Vorstandsmitglied Gustav (von) Klemperer seinen Sohn Victor immerhin zum Direktor am dortigen Stammsitz der Bank machte.134 Auch als sich die Tendenzen zur sozialen Schließung des Zugangs zur Hochfinanz in den 1890er Jahren unverkennbar verstärkten, war es doch unmöglich, die Leitungspositionen im Bankwesen, wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, vorrangig auf dem Wege der Vererbung zu besetzen. Die Zeit, in der die Hochfinanz aus einem geschlossenen Kreis von Bankierfamilien gebildet wurde, war vorüber. Gleichzeitig wählten zahlreiche Bankiersöhne einen anderen Beruf als ihre Väter, oft außerhalb des Wìrtschaftsbürgertums. Die soziale Mobilität, die sich in diesen Bewegungen ausdrückte, war jedoch überweigend horizontaler Natur: Auf den gesamten Untersuchungszeitraum gerechnet, stammten die Inhaber der Schlüsselpositionen im Bankwesen zu etwa 90 % aus den durch »Besitz und Bildung« privilegierten Gruppen der Gesellschaft.135 Die soziale Herkunft der deutschen Großbankiers unterschied sich dabei im wesentlichen nicht von jener der übrigen deutschen Großunternehmer.136 Die akademischen Berufe waren häufiger, die nichtakademischen Berufe seltener vertreten als in anderen Teilen des oberen Wirtschaftsbürgertums; so finden sich unter den Vätern der westfälischen Schwerindustriellen kaum Vertreter der »freien Berufe«. Nicht-akademische Beamte, Gewerbetreibende und subalterne Ange133 In jedem der drei genannten Institute gelang es zwei Familien, über zwei Generationen im Vorstand vertreten zu sein. Bei der BMI waren es die Andreae und die Parcus, bei der Bayerischen Hypo die Stroell und die Pühn und bei Schaaffhausen die Schröder und die Koenigs. 134 Nach dem Ausscheiden Gustav (von) Klemperers aus dem Vorstand der Bank Ende 1913 war diese in Dresden nicht mehr durch ein ordentliches Vorstandsmitglied vertreten. 135 Will man einmal den methodisch waghalsigen Versuch unternehmen, diese »privilegierten Gruppen der Gesellschaft« mit einem Mindestjahrescinkommen von über 3.000 M zu identifizieren, was in etwa die Untergrenze des für einen »bürgerlichen Lebensstil« notwendigen Familieneinkommens bildete und um 1890 dem Anfangsgehalt der untersten Kategorie akademischer Beamter in Preußen entsprach - hier lag auch in der preußischen Einkommenssteuer die Grenze zwischen der untersten und der zweiten Steuerklasse - , so erhält man ein Spektrum der Bevölkerung, welches mitsamt seiner Angehörigen 1896 nicht mehr als 3,6 % ausmachte (und bis 1912 auf 6,3 % anwuchs). Aus diesem obersten Zwanzigstel der Bevölkerung rekrutierten sich also rund 90 % der Hochfinanz des Kaiserreiches. Hohorst u. a., S. 106. 136 Vgl. Kaelble, Soziale Mobilität, S. 102-110; Augustine, Die Wilhelminische Wirtschaftseilte, Tab. 3.1; Pierenkemper, Tab. 12; Berghoff u. Möller, Tired Pioneers, S. 266f.

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stellte, die weder über ein besonderes Vermögen noch über ein spezifisch kaufmännisch-unternehmerisches oder akademisches Bildungskapital verfügten, machten zusammen weniger als 10 % der Herkunfsfamilien aus, wobei allerdings der nicht zu beziffernde Anteil kleiner Kaufleute hinzuzurechnen ist. Nur ein einziger Sohn eines Bankangestellten ist unter den 376 Bankiers der Hochfinanz zu finden. Unterbürgerliche Schichten hatten keine in Prozentzahlen auszudrückende Chance, in die Hochfinanz aufzusteigen.137 Das durchschnittliche Bildungsniveau der Großbankiers stieg fast während des gesamten Untersuchungszeitraumes an, sofern man den Anteil der akademisch Gebildeten zum Ausgangspunkt einer solchen Berechnung wählt. Insgesamt absolvierten 111 Bankiers (29,2 %) ein Universitätsstudium. Ein Blick auf die chronologische Verteilung zeigt den Zusammenhang zwischen der Öffnung des Zugangs zum »Feld der Hochfinanz« und dem steigenden Anteil der Akademiker: Tab. 10: Eintritt von akademisch gebildeten Bankiers ins »Feld der Hochfinanz« 1850-59 1860-69 1870-79 1880-89 1890-99 1900-09 1910-14 Privatbankiers Manager-Bankiers absolut in v.H. aller neueingestellten Manager-Bankiers

1 3

— 5

1 17

2 14

4 23

4 24

3 10

30,0

33,3

24,3

38,8

38,3

38,0

26,0

137 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Karriere von Gustav Schröter, dessen Vater angeblich Droschkenkutscher gewesen war (LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13631 [2.6.1909]) und der 1906 im Alter von 54 Jahren Vorstandsmitglied der Deutschen Bank wurde. Ob sein Vater Besitzer der Droschke war oder Fahrer eines fremden Wagens, ist nicht bekannt, allerdings spricht schon die Tatsache, daß er für seinen Sohn überhaupt einen Kaufmann als Lehrherren fand, für die erste Variante und damit gegen die Herkunft Schröters aus einer unterbürgerlichcn Schicht. Schröter, der das höchste »Eintrittsalter« aller Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank hatte (also am längsten auf dieses Avancement hatte warten müssen), absolvierte eine kaufmännische Lehre in einer Berliner Eisenwarenhandlung, trat als Angestellter 1870 in den Berliner Bankverein ein und wurde bei dessen Liquidation von der Deutschen Bank übernommen. Der entscheidende Karrriereschritt ergab sich 1878, als Schröter zum »Dirigenten« (zunächst noch ohne Prokura) der damals noch recht kleinen Depositenabteilung der Bank ernannt wurde. Bis 1925 arbeitete er ununterbrochen und einzig im Bereich Organisation der Depositenkassen. Sein Aufstieg war untrennbar verbunden mit dem Aufstieg eines Geschäftszweiges, der in den 1870er und 1880er Jahren noch außerordentlich skeptisch beurteilt worden war und für dessen Leitung eben wegen des geringen Werts, den dieser Bereich für die Karriere seines Chefs versprach, nur jemand von geringer Herkunft mit entsprechend bescheidenen Karriereerwartungen gefunden werden konnte. Eine diametral entgegengesetzte Karriere in der gleichen Bank durchlief Max Steinthal, der aus einer Großkaufmannsfamilie stammte, das begehrte Börsenressort übernahm und mit 23 Jahren Vorstandsmitglied der Deutschen Bank wurde.

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Mit der Gründungswelle der Aktienbanken zu Beginn der 1870er Jahre explodierte förmlich die Zahl, wenn auch nicht der Anteil der akademisch gebildeten Bankiers. Juristen wie Johannes (von) Miquel, Friedrich Moelle oder Richard (von) Philipsborn, die zuvor in keiner Beziehung zum Bankwesen gestanden hatten, wurden in die Direktionen von Aktienbanken berufen. Der überwiegende Teil besaß allerdings gewisse unternehmerische Erfahrungen als Syndicus (Adoph Salomonsohn, Emil Russell), als Gründer in anderen Branchen, beim Verfertigen von Firmenstatuten (A.L. Parcus, Carl Eckhard, Kilian Steiner), hatte sich seine Sporen als geschickter Verhandlungsführer verdient wie Georg (von) Siemens oder war in benachbarten Branchen wie dem Versicherungswesen aktiv gewesen wie der Straßburger Rechtsanwalt Jean North. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen ist zu berücksichtigen, daß der Anteil der Akademiker unter den Großbankiers niedriger lag als bei den Großindustriellen, von denen 1907 fast zwei Drittel ein Studium absolviert hatten.138 Finanz- und Industriebürgertum unterschieden sich in ihren Ausbildungswegen also deutlich. Die Juristen, die über 90 % der akademisch gebildeten Bankiers ausmachten, verteilten sich begreiflicherweise nicht gleichmäßig über alle Banken und Bankformen und hatten auch signifikant unterschiedliche Karrierewege hinter sich. Sämtliche Direktoren der Preußischen Central-Bodencredit AG waren Juristen, die meisten von ihnen ehemalige Beamte. In den Vorständen der Hamburger Banken finden sich dagegen praktisch keine Akademiker. Vor allem unterschieden sich Privatbankiers und Manager-Bankiers deutlich im jeweiligen Anteil der Akademiker: 31,9% der Angestellten-, aber nur 18,0 % der Eigentümer-Unternehmer der Hochfinanz hatten ein Universitätsstudium absolviert. Darin ist zunächst einmal kein niedrigeres »Bildungsniveau« der Privatbankiers zu erblicken, sondern die Auswirkung unterschiedlicher Reproduktionsmodi. Privatbankierfamilien verfügten teilweise über ein außerordentlich hohes »kulturelles Kapital«; weil jedoch die Teilhaberschaft in den großen Privatbanken nach wie vor hauptsächlich durch Erbfolge übertragen wurde, spielten Bildungspatente für ihre Laufbahn eine geringere Rolle als bei Manager-Bankiers. Bis in die 1870er Jahre finden sich bei den Privatbankiers, die aus einer Bankierfamilie stammten, keine Akademiker. Ihnen genügte eine breit angelegte profunde kaufmännische Ausbildung, während der es bereits nach Möglichkeit das »soziale Kapital« der Bank zu mehren galt. Erst in den 1880er Jahren begann sich zunächst noch sehr zögerlich dieser Zusammenhang zwischen Herkunft und Ausbildung aufzulösen, indem auch Bankierfamilien ihre Söhne zur Universität schickten.139 Vor allem die Kölner und Ber138 Kaelble u. Spode, Tab. 2; Pieretikemper, Tab. 25. 139 Max Warburgs Ausbildungsgang ist für die Privatbankiers der Hochfinanz in der wilhelminischen Zeit durchaus typisch. Nach einer bankkaufmännische Lehre bei J . Dreyfus & Co.

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liner Privatbankiers genossen eine Hochschulbildung, und hier besonders die christlichen und die am weitesten assimilierten jüdischen Familien wie die Inhaber von Delbrück, Leo & Co., Sal. Oppenheim und S. Bleichröder. Die jüdischen Bankierfamilien in Frankfurt und Hamburg blieben wie in ihrer tieferen Verwurzelung im Judentum auch in ihren Ausbildungswegen der Tradition am stärksten verhaftet. Andererseits verfügten relativ viele Privatbankiers über größere Auslandserfahrung, die sie in längeren Aufenthalten sammelten, bevor sie Teilhaber der meist väterlichen Frima wurden. Unter den 50 Bankiers der Hochfinanz, bei denen ein längerer Auslandsaufenthalt nachzuweisen war, waren 14 Privatbankiers.140 Die Öffnung des Zugangs zur Hochfinanz zog zahlreiche Juristen in die Aktienbanken mit der Hoffnung, dort Karriere zu machen. Tatsächlich trat am Vorabend des Ersten Weltkriegs eine gewisse Sättigung der Nachfrage nach Juristen ein, die in ihrem sinkenden Anteil an den Neubesetzungen von Leitungspositionen im Bankwesen zum Ausdruck kommt, so daß man von einer »Rückkehr der Kaufleute« sprechen kann. Carl Michalowsky (Deutsche Bank) schrieb einem Bekannten, daß: »... g e g e n ü b e r d e m beinahe u n g e h e u e r l i c h e n Angebot von J u r i s t e n und d e r sehr g e r i n g e n Anzahl von geeigneten Stellen bei B a n k e n auf A n k o m m e n n u r bei g ü n s t i g e m Z u fall zu rechnen ist. Jedenfalls aber habe ich H e r r n Dr. S a l o m o n n über m a n c h e s aufklär e n können, u n d i h m dargetan, w i e die öffentliche M e i n u n g irrt, w e n n sie a n n i m m t , dass Juristen, die in den Bankdienst übertreten, n u n für ihr weiteres Leben a u f Rosen gebettet sind.« 141 (Frankfurt/M) arbeitete er ½ Jahr bei Wertheim & Gompertz (Amsterdam). Nach Absolvierung des Wehrdienstes und einem Schnuppersemester an der Universität München trat er 1890 in die Banque Impériale Ottomane (Paris) ein, besuchte einige Vorlesungen an der Sorbonne und wechselte schließlich für ein Jahr zu N.M. Rothschild & Sons (London), bevor er 1892 in die väterliche Firma eintrat. Schon in Amsterdam knüpfte er für M.M. Warburg & Co. Kontakte zur Niederländischen Bank (worauf er nicht wenig stolz war). Die Kosten dieser Ausbildung wurde von der Familie getragen, der eine gründliche Ausbildung ihres Sohnes später ja wieder zugute kam. 140 Manager-Bankiers wie Privatbankiers sammelten ihre Auslandserfahrung ganz überwiegend an den wichtigen Finanzzentren der Welt, in England, Frankreich und den USA. Unter den meistgenannten Orten überwogen eindeutig London (17 Nennungen), Paris (15) und New York (10 mit weiteren 6 Nennungen für die USA allgemein) bei weitem Abstand von Brüssel (3 Nennungen) oder Amsterdam (2). In dieser Hinsicht irrte Harold James, der annahm, die Mehrzahl der deutschen Bankiers habe ihre Auslandserfahrung im »informal empire« Südamerikas und der Türkei erworben. Dies habe sich in den 1920er Jahren gerächt, als Deutschland vom Gläubigerzum Schuldnerland wurde und die deutschen Bankiers den anglo-amerìkanischen Finanzmärkten mit Unkenntnis gegenüber gestanden hätten.Jaime, S. 149. 141 Brief von Michalowsky an den Landgerichtsrat Witte (6.6.1908), HADB, Akten Michalowsky. Im gleichen Tenor heißt es in einem Brief Michalowskys vom 13.7.1910 an den Direktor der Filiale Leipzig, Naumann: »Dabei werden wir mit Gesuchen von Juristen um Einstellung fortwährend bestürmt, und zwar auch von Herren, die nach ihrem Assessorexamen zunächst das Bankfach durch langandauernde Beschäftigung praktisch erlernt und sich im Auslande Sprachkenntnisse angeeignet haben. Selbst für solche Herren haben wir auf absehbare Zeit keine Verwendung«.

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Nachdem rund 20 Jahre lang der Anteil der Juristen an den neuen ManagerBankiers fast 40 % betragen hatte, beriefen gerade die Großbanken verstärkt Kaufleute in ihre Vorstände, darunter so prominent gewordene Bankiers wie Oscar Wassermann, Oscar Schlitter, Gustav Schlieper oder Siegmund Bodenheimer. Die Kaufmannschaft quittierte das mit Genugtuung.142 Da sich Manager-Bankiers und Privatbankiers so deutlich hinsichtlich ihrer Ausbildung voneinander unterschieden, drängt sich die Annahme auf, daß die Anforderungen an die Qualifikation von Angestellten- und Eigentümer-Unternehmern voneinander abwichen. Es ist dabei ziemlich sicher, daß die akademisch gebildeten Manager-Bankiers nicht allein wegen ihrer juristischen Spezialkenntnisse in den Kreis der Großbankiers berufen wurden. Jede Bank hatte ihre Syndici und später, als die Institute immer größer wurden, ihre Rechtsabteilungen. Ein bloßer Syndicus brauchte kein Vorstandsmitglied oder Geschäftsinhaber zu werden. Ein Blick auf die typischen Laufbahnen vor dem Eintritt ins Bankwesen zeigt jedoch den Wechsel der Anforderungsprofile, die an die akademisch gebildeten Manager-Bankiers gestellt wurden In den 1870er und 1880er Jahren waren dem Stand der Industrialisierung in Deutschland entsprechend Beamte aus der Eisenbahnverwaltung besonders prominent unter den neuen Bankiers vertreten, da das in- und ausländische Eisenbahnfinanzierungsgeschäft zu dieser Zeit für die Banken von besonderem Interesse war.143 Daneben waren Spezialkenntnisse der Gründungsvorgänge und gute Beziehungen zu Parlamenten und Regierungen für die Banken, die zu dieser Zeit zum ersten Mal einem breiten Anlegerpublikum gegenübertraten, von besonderem Wert, auch und vor allem angesichts der während der Reichsgründungszeit durchgeführten Liberalisierung der Wirtschaftsordnung in Deutschland.144 Mit der Bürokratisierung der Aktienbanken und dem Aufbau von Bankkonzernen kurz vor der Jahrhundertwende verlagerte sich die ökonomische Macht der Großbanken von der Durchführung noch so großer Einzelgeschäfte auf die Beherrschung von mehr oder minder hierarchischen Strukturen. Auch die großen Provinzbanken bildeten ja die regionale Spitze kleinerer Konzerne: »Je mehr die Konzentration im Bankwesen um sich greift, um so mehr greift in ihm ein bureaukratischer Zug Platz, und um so mehr bekommt auch die Geschäftsführung und die innere Organisation der Bank etwas Behör142 Plutus (13.1.1912), S. 33. 143 Aus der Eisenbahnverwaltung kamen damals unter anderem Alfred Lent (Disconto-Ges.); Franz Dülberg und C.F. Hedderich (BHI), Paul Jonas (Deutsche Bank) und Felix Guttmann (Breslauer DB). 144 Für die Projekte der Disconto-Gescllschaft und die Arbeit Miquels (Geschäftsinhaber 1869-1873, VRV 1873-1876) vgl. Herzfeld, Bd. I, S. 207-224 und S. 363-375. Bei diesen Transaktionen und Projekten agierte Miquel für die Bank als juristischer Fachmann und Verhandlungsführer, ohne ihr Initiator zu sein, und ohne engere Berührung mit derfinanztechnischenAbwicklung.

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den-Aehnliches, wie das bei den großen Banken zu beobachten ist. Der Beamte, der in einen solchen Betrieb eintritt, kommt durchaus nicht in eine ihm fremde Welt, sondern es tritt bei ihm nur die Wandlung ein, daß aus einem Staatsbeamten ein Privatbeamter wird.«145 Zumindest für einen Teil der Großbankleiter wurde es notwendig zu lernen, in Strukturen, die hier ohne weiteres als »bürokratisch« bezeichnet werden können, zu denken und zu lenken. Man denke nur an das Problem des Informationsflusses und seiner gleichzeitigen Kontrolle, an die Einführung festabgegrenzter Kompetenzbereiche und die aktenmäßige Durchführung aller Geschäfte.146 Die Juristen dürften somit gerade wegen ihrer formalen Schulung und des in ihr vermittelten »Habitus« so wertvoll für die Leitung der Bankkonzerne geworden sein. Die neuen Qualitäten eines Manager-Bankiers wurden geradezu exemplarisch beschrieben in einer Eloge auf Maximilian Kempner: die »praktische Verwertung seiner hervorragenden Rechts- und Gesetzeskenntnisse ... die Schnelligkeit seines Denkens und die Gewandtheit seiner Kombinationen [...] ein ganz besonderes Talent besitzt Kempner für die Leitung schwieriger Verhandlungen [...] seine Technik der Versammlungsleitung ist meisterhaft«.147 In den expandierenden Aktienbanken war es notwendig, zur möglichst reibungslosen Organisation des Betriebsablaufs, zur Kontrolle der Filialen und zur Überwachung des eigenen Betriebs wie desjenigen abhängiger Regionalbanken, besondere Leitungsposten zu schaffen. Angesichts der neuen Aufgaben der Konzernführer - dem Führen der Verhandlungen mit Industriekonzernen und Kartellen, der Pflege von Beziehungen zu Ministerien, der Vertretung in Wirtschaftsverbänden, dem Auftreten als Sachverständiger, etwa in Enquetekommissionen - und der fort145 Die Sparkasse, zitiert nach: Die Bank 4 (1911), S. 826. Ähnlich sah Walther Rathenau »in den Häuptern großer Geschäftsunternehmungen ... schon heute den gleichen Beamtenidealismus wie im Staatsbetriebe. Die leitenden Organe sorgen für Zeiten, in denen sie nach menschlichem Ermessen längst nicht mehr dem Unternehmen angehören werden. [...] Die Macht und Vorbildlichkeit des Instituts ist zum absoluten Zweck des äußeren Lebens geworden«. Schriften und Reden, S. 89. 146 So war die innere Organisation der Disconto-Gesellschaft orientiert an den »klassischen Verwaltungsmaximen« der Bürokratie, die nach einer Niederschrift des Geschäftsinhabers Dr.jur. Georg Solmssen überliefert sind (Müller-Jabusch, Franz Urbig [ 1954], S. 13-17). Zu den Mäglichkeiten und Grenzen der Bürokratisierung von Wirtschaftsunternehmen, allerdings mit Bezugnahme auf Industriegesellschaften, vgl. Kocka, Unternehmer, S. 110-115. 147 Plutus (13.6.1914), S. 478 (Hervorhebungen vom Vf.). Kempner gehörte keiner Großbankdirektion an (sein Sohn Paul wurde später Teilhaber bei Mendelssohn & Co.). Mit Bernhard Dernburg zusammen sanierte er die Deutsch-Luxembergische Bergwerks- und Hütten AG und die Kaligesellschaft Heldburg. Später wurde er Vorstandsmitglied des Kalisyndikats. Bezeichnenderweise war Kempner nie in einem einzigen Unternehmen oder Konzern allein tätig (und damit letztlich auch ein Beispiel für die »Austauschbarkeit« der modernen Manager), sondern aufgrund seiner vielen Aufsichtsratssitze (und -Vorsitze!) ein »big linker« im Organisierten Kapitalismus, ein »Kombinator, Vermittler und Verhandler... die formalejuristik aber, die ihm im Handgelenk sitzt, verleiht ihm die Möglichkeit, für seine Operationen nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch gleichzeitig den absolut sicheren juristischen >Dreh< zu finden« {Pinner, S. 324).

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schreitenden Verrechtlichung der Wirtschaftsbeziehungen waren die neuen juristisch geschulten Manager-Bankiers typischerweise Männer wie der ehemalige Rechtsanwalt und nachmalige Gründer des CVBB und des Hansa-Bundes, Jacob Riesser, der vormalige Richter und Stadtrat Carl Michalowsky, der im Vorstand der Deutschen Bank als Nachfolger Rudolph (von) Kochs zuständig war für die Bereiche Innere Verwaltung und Organisation, Sekretariat, Rechtsabteilung und Archiv, Karl Helfferich, Professor, Vortragender Rat der Kolonialabtcilung des Auswärtigen Amtes, später Direktor der Anatolischen Eisenbahngesellschaft und als Vorstandsmitglied der Deutschen Bank ebenfalls zuständig für deren kleinasiatischen Geschäfte, oder Eduard Mosler, der für die BHG den Abwehrkampf gegen die Verstaatlichung der Bergwerksgesellschaft Hibernia organisierte.148 Die »Organisationsspezialisten« fanden sich nur in den größeren Aktienbanken, denn das zunehmend komplexer werdende »Feld der Hochfinanz« mit seinen wachsenden Abhängigkeiten und Verflechtungen der Banken untereinander erforderte das Aufkommen dieses Typus. Hier war er notwendig; in den Privatbanken fehlte er dagegen völlig. Der Typus des »Organisationsspezialisten« besaß innerhalb der Hochfinanz kein besonders hohes Ansehen. So hieß es über Koch, er sei »mehr Organisator, aber kein Geschäftsmann [gewesen] und stand bei seinen Kollegen nicht sehr hoch im Kurs«.149 Auch das Ansehen Eduard Moslers innerhalb der Berliner Handelsgesellschaft war relativ gering.150 Gerade von »klassischen« Bankiers, die statt eines Jurastudiums eine Banklehre absolviert hatten und den Kern des Bankwesens im Börsen- und Konsortialgeschäft sahen, wurden sie eher milde belächelt als bewundert. »Fürstenberg hat ihn [Mosler] ... immer als Nur-Juristen hingestellt, dem jedes kaufmännische Denken fremd gewesen sei«, lautete eines der härteren Urteile. Moritz Warburg wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, mit Carl Melchior einen Juristen zum Teilhaber seiner Firma zu machen.151 Darüber hinaus folgten persönliche Freundschaften innerhalb der Hochfinanz nicht allein Faktoren wie der ethnischen Zugehörigkeit, sondern auch den unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen, die sich aus 148 Kochs 15 Aufsichtsratsmandate verteilten sich im Jahre 1909 auf acht Banken, drei Versicherungsgesellschaften, zwei Energieversorgimgsunternchmen, eine Kolonialgesellschaft und nur ein Industrieunternehmen. Zusätzlich vertrat er die Deutsche Bank im Zentralausschuß der Reichsbank. Auch die Aufsichtsratssitze Michalowskys konzentrierten sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs auf den Kreis »befreundeter« bzw. abhängiger Banken. 149 HADB Akten Roland-Lücke; Mitteilung von Herrn Schulze an Herrn Fitger (8.3.1965). 150 Vgl. die Urteile von Carl Fürstenberg und Paul Wallich in Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 390 (auch für das Folgende). Dagegen wurde. JR Max Winterfeld, Syndicus der BHG, 1883 von Fürstenberg als Geschäftsinhaber der Bank kooptiert, weil er über seine juristischen Fachkenntnisse hinaus »einer der wenigen Fachmänner [war], deren Rechtskenntnis sich mit einem Gefühl für kaufmännische Dinge vereinte«. Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. l3lf. 151 Warburg, S. 49f.; Melchior wurde 1911 (ein Jahr nach dem Tode Moritz Warburgs) Generalbevollmächtigter und 1917 Teilhaber von M.M. Warburg & Co.

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Bildungsniveau und Karriereweg ergaben. Während der ehemalige Professor und Ministerialbeamte Karl Helfferich »wie ein Geist aus einer anderen Welt« betrachtet wurde, der dem Vollblutbankier und »Kaufmann« Carl Fürstenberg »ziemlich wesensfremd« blieb (das gleiche gilt für sein Verhältnis zu Georg [von] Siemens), befreundete sich Fürstenberg mit rein kaufmännisch geschulten Finanzmännern wie Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy, Paul Mankiewitz oder Max Steinthal. Endlos sind die Klagen der Kaufleute unter den Bankiers über die geistige Unbeweglichkeit der ehemaligen Beamten.152 Georg (von) Siemens empfand seinen zeitweiligen Kollegen in der Direktion der Deutschen Bank, den Eisenbahnpräsidenten a.D. Paul Jonas, ob dessen Übervorsichtigkeit als »Mühlstein« an seinem Hals.153 Diese Unbeweglichkeit konnte geradezu groteske Formen anzunehmen, wenn ehemalige Beamte ihre Form der Entscheidungsfindung dem Vorstand eines Kreditinstituts aufzuzwingen vermochten. Dann konnte sehr schnell das in einer tendenziell ständisch geprägtenen Rangordnung (der preußischen Bürokratie) erworbene Hervorkehren der sozialen Abstände zwischen den einzelnen Hierarchieebenen das unternehmerische Leistungsprinzip einer kapitalistischen Erwerbsgesellschaft und den betriebswirtschaftlich notwendigen engen Austausch der Vorstandsmitglieder untereinander in den Hintergrund drücken, mit gelegentlich fatalen Folgen für die Bank. Über den Vorstand des Schaaffhausen'schen Bankvereins in den letzten Jahren vor 1914 wurde berichtet: »Es war eine Hierarchie. Und was das im kaiserlichen Deutschland bedeutete, kann man sich heute kaum ausmalen. Da gab es einen Geheimen Oberfinanzrat, einen Geheimen Regierungsrat, einen Oberregierungsrat, einen Landrat und einen Regierungsrat. Es war selbstverständlich, daß ein gewesener Regierungsrat gegen einen gewesenen Geheimrat nicht viel ausrichten konnte, es sei denn, er hatte eine Hausmacht hinter sich. Damit sind die internen personellen Schwierigkeiten gekennzeichnet. Sie gingen über das vielfach übliche Spannungsverhältnis hinaus. So erzählte mir ein engerer früherer Mitarbeiter des Vorstandes: In einem Raum, so groß wie ein Sitzungssaal, saßen 152 Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 407; Fürstenberg. Lebensgeschichte, S. 205-211, S. 542 u. S. 545; Diese Klagen waren international. Hilgermann zitiert einen Bankier aus Rotterdam mit den Worten: »Seitdem in den niederländischen Banken hauptsächlich Juristen sitzen, taugen sie nicht mehr viel.« Hilgermann, S. 42; 4. Bankiertag, S.49. 153 Siemens an seine Frau am 8.5.1884, zitiert nach Helfferich, Bd. II, S. 210. Über einen anderen ehemaligen Beamten im Vorstand der Deutschen Bank, den GOFR Friedrich Moelle, urteilten Rollen in ähnlicher Weise, etwa Ludwig Bamberger, einer der ersten Aufsichtsräte der Bank: »Der Mann war weder dumm noch unwissend, aber etwas Unfähigeres an solcher Stelle habe ich nie gesehen. Beamtenfach und kaufmännischer Beruf sind so himmelweit voneinander entfernt.« Und Hermann Wallich schrieb, daß Moelle nach einjähriger Tätigkeit zu der Erkenntnis kam, daß »die Qualifikation eines hohen Beamten nicht genügt, um die Leitung eines Erwerbsinstituts zu übernehmen«. - David Hansemann, der als Finanzminister und Leiter der Preußischen Bank seine Erfahrungen mit der hohen preußischen Bürokratie gemacht hatte, bezeichnete den Staatsdienst gegenüber dem späteren Geschäftsinhaber der Disconto-Gesellschaft als »Zwangsjacke«. Bamberger, S. 386 (Hervorhebungen vom Vf.); Wallich, Aus meinem Leben, S. 124; Solmssen, S. 9.

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zwei Vorstandsmitglieder an jedem Ende an einem Schreibtisch. Sie sprachen nicht miteinander. Die Briefe einer Bank müssen bekanntlich zwei Unterschriften tragen, die des Sachbearbeiters und die eines weiteren Risikoträgers. Um die Unterschriften einzuholen, ging der Direktionsdiener zu einer Tür herein und holte sich die Unterschrift. Dann ging er hinaus, den Korridor entlang und holte sich die zweite Unterschrift. Bedurfte es einer Erläuterung, gab dieser Herr ihm einen Zettel mit. Und das gleiche Spiel wiederholte sich, erforderlichenfalls mehrere Male. Alles wickelte sich ab, ohne ein Wort zu verlieren.«154 Diese groteske Prozedur kontrastiert aufs schärfste mit der stets engen Fühlung, die beispielsweise die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank trotz aller internen Gegensätze untereinander hielten. Auf der anderen Seite bestanden erhebliche Ressentiments bei den ehemaligen höheren Beamten gegenüber dem Bankierberuf. Walther Langen verließ, dem Ruf seiner Familie folgend, nur ungern die Beamtenlaufbahn, um in ein Kreditinstitut einzutreten: »Der Übergang zu dieser, mehr geschäftlichen als verwaltenden Tätigkeit ist Walther Langen seinerzeit durchaus nicht leicht gefallen. Der Kampf um den >schnöden Mammon«, wie er zu sagen pflegte, lag seiner liebenswürdigen Menschlichkeit weniger, als die vorsorglich vermittelnde und ausgleichende Tätigkeit an öffentlicher Stelle«.155 Neben den juristisch geschulten »Organisatoren« in den Bankleitungen entstand in den 1890er Jahren ein zweiter neuer Typus des Bankiers: der »Industriespezialist«. Auch er war praktisch ausschließlich in den Aktienbanken zu finden. Trotz der maßgeblichen Rolle, die Privatbanken für die Industriefinanzierung bis etwa in die 1880er Jahre hinein spielten, entstammte keiner ihrer Teilhaber einer Industriellenfamilie, heiratete eine Fabrikantentochter oder hatte eine gewerblich-technische Ausbildung. Selbst in Privatbanken wie Sal. Oppenheim, S. Bleichröder oder Delbrück, Leo & Co., die auch nach der Jahrhundertwende im Industriegeschäft stark engagiert waren, stammten die Teilhaber aus Kaufmanns- oder Bankierfamilien, heirateten innerhalb dieses Milieus und verfügten über eine (bank-) kaufmännische Ausbildung. Zwischen diesen Privatbankiers und den Großindustriellen, seien es Schwerindustrielle in Rheinland-Westfalen oder Schlesien, Maschinenbauer oder die Großunternehmer der Elektro- und Chemiebranche bestanden jenseits der geschäftlichen Kontakte keine so engen Beziehungen, daß es zu sozialen oder beruflichen Verflechtungen, etwa durch sich kreuzende Karrierewege, gekommen wäre. Darüber hinaus gab es unter den Privatbankiers des Preußenkonsortiums auch keine Industriespezialisten in dem Sinne, daß diese sich in ihrer Arbeit 154 Hilgennann, S. 43. 155 Langen, S. 141. Auch der Jurist Rudolph Wachsmuth gewöhnte sich anfangs nur langsam an seine Tätigkeit bei der Leipziger ADCA. »Nationalökonomische Studien hatte er wenig getrieben, für die Tagesinteressen der Course von Waaren oder Eisenbahnactien hatte er geringen Sinn. So empfand er die neue Thätigkeit als>einOpfer««. Wachsmuth, S. 62. 133 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

hauptsächlich um die industriellen Engagements der Bank gekümmert hätten. Es gab durchaus große Privatbankiers mit vielen industriellen Aufsichtsratsmandaten.156 Aber eine systematische Betreuung der Industriekunden, wie sie die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und die sich verändernden Beziehungen und Kräfte im »Feld der Hochfinanz« erforderten, war dadurch allein nicht zu bewältigen. Die Großbanken besaßen dazu weitaus eher die Möglichkeit, und das dauerhafte Engagement bei ihrer industriellen Kundschaft war die treibende Kraft bei der Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung in ihren Leitungsgremien. 157 Eine Reihe von Leitern verschiedener Aktienbanken wie Gustav Hartmann,158 Paul Wachler159 oder Walther Rathenau wurden eigens auf Grund ihrer Kenntnisse und Beziehungen zu Industrieunternehmen in diese Banken berufen, ohne daß sie vorher eine Banklehre absolviert oder je in einem Kreditinstitut gearbeitet hätten. Viel größer aber war die Anzahl derjenigen ManagerBankiers, die im Lauf einer »normalen« Banklaufbahn und ohne familiäre Beziehungen zu Industriellenfamilien in den Vorständen der Aktienbanken die Betreuung der industriellen Engagements übernahmen. Bei der Deutschen Bank, dem Institut mit der ausgeprägtesten Spezialisierung der Vorstandsmitglieder, waren das Karl Klönne,160 der speziell für diese Aufgabe als Vorstandsmitglied engagiert wurde, und später Oscar Schütter161 sowie Karl Helfferich für die Anatolischen Eisenbahnen und Elkan Heinemann162 für die übersee156 Simon Alfred von Oppenheim hatte 1909 insges. 40 Aufsichtsratsposten, Ludwig Delbrück 14 und Paul (von) Schwabach 20. 157 Jeidels sah 1905 »als die Tendenz des industriellen Bankgeschäfts: Die Banken müssen eine industrielle Unternehmung von ihrer Geburt bis zu ihrem Tod, von der Gründung bis zur Auflösung begleiten, ihr bei allen gewöhnlichen und außergewöhnlichen finanziellen Vorgängen des gewerblichen Lebens helfend und ihrerseits profitierend zur Seite stehen.«Jeidels, S. 50, S. 151 u.S. l56f. 158 Gustav Hartmann (1842- 1910) war der Sohn des sächsischen Maschinenbauindustriellen Richard Hartmann. Nach einem längeren Aufenthalt in England, wo er in einer Lokomotivfabrik tätig war, trat er 1867 in das väterliche Unternehmen, die Sächsischen Maschinenfabrik Richard Hartmann, ein und wandelte diese nach dem Tode des Vaters 1870 in eine AG um. Später befreundete er sich mit Alfred Krupp, dessen Testamentsvollstrecker er wurde; auf besonderen Wunsch der Witwe fand die Umwandlung der Firma Alfred Krupp in eine AG unter seiner Leitung statt, bis 1909 war er dort ARV, Dem Vorstand der Dresdner Bank gehörte er von 1887 bis 1895 an, nachdem er zwei Jahre vorher in deren AR eingetreten war. Nach seinem Ausscheiden aus ihrem Vorstand gehörte er wieder ihrem AR an, bis zu seinem Tode. 159 Paul Wachler (1834 - 1912) war Sohn eines Bergrats. Nach dem Jurastudium und der Tätigkeit als Staatsanwalt wurde er 1875 Generalbevollmächtigter des Grafen Henckel v. Donnersmarck. 1884 berief ihn der Schlesische Bankverein, der sich von seiner Aufnahme »Geschäftsverbindungen mit dem Oberschlesischen Industnebezirk« versprach, zum Geschäftsinhaber. (FS Schlesischer Bankverein 1906, S. 15). 160 Achterberg u. Müller-Jabusch, S. 241-252. 161 Müller-Jabusch, Oscar Schlitter. 162 Vgl. Kap. 1 Anm. 40; Williamson; Seidenzahl, Elkan Heinemann.

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ischen Elektrizitätsunternehmungen der Bank, bei der Disconto-Gesellschaft Emil Russell, der es als Bankier zum Vizepräsidenten des Centralverbandes deutscher Industrieller brachte, in der Kölner Direktion des Schaaffhausen'schen Bankvereins, ohnehin einer Industriebank, vor allem Albert Heimann, der einen Großteil der Beziehungen zur rheinisch-westfälischen Schwerindustrie in seinen Händen vereinigte. Nicht bei allen Großbanken war die interne Arbeitsteilung derart ausgeprägt. Bei der Dresdner Bank und der BHG hielten Eugen Gutmann und Carl Fürstenberg eine Vielzahl von Aufsichtsratsposten gerade in Industrieunternehmen, obgleich ihr persönlicher Arbeitsschwerpunkt eher an der Berliner Börse lag.163 Bei denjenigen Aktienbanken, deren Direktion sich auf mehrere Orte verteilte, wie der Dresdner Bank, der Mitteldeutschen Creditbank oder der BHI, war die Arbeitsteilung zudem regional, statt nach Branchen oder Funktionen gegliedert.164 Es läßt sich also eine durchaus abgestufte Typologie der mit der Betreuung industrieller Engagements betrauten Manager-Bankiers erkennen, von den »Industrie-Bankiers« mit persönlichem industriellen Hintergrund und besonderen technischen Kenntnissen, aber ohne Bankausbildung über die »Spezialisten«, die bei gewöhnlicher Banklaufbahn im Vorstand in erster Linie für die Beziehungen zu einem oder mehreren Industrieunternehmen bzw. einer Branche zuständig waren, bis zu den »Beratern«, die über ihre Aufsichtsratsmandate zwar häufig Kontakt zu Unternehmern außerhalb des Bankgewerbes hatten, deren Arbeitsschwerpunkt in der Bank aber auf anderen Gebieten, etwa dem Konsortial- oder dem Börsengeschäft lagen. Nur der letzte Typus war auch unter den Privatbankiers zu finden. Die typische Karriere eines Manager-Bankiers der Hochfinanz verlief über eine Reihe von Stationen, die keineswegs alle beim gleichen Institut lagen. Wie Tab. 11 zeigt, wurde jeder dritte Manager-Bankier direkt in die Direktion der Bank berufen, ohne diesem Institut zuvor angehört zu haben. Einschließlich derjenigen, die innerhalb der folgenden 23 Monate ernannt wurden - einigen war beim Übertritt diese Beförderung bei ausreichender Eignung in Aussicht gestellt worden, eine Praxis, die häufig auch beim Leitungspersonal übernommener Firmen geübt wurde165-, waren es sogar über 37 %. Sie wurden enga163 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 214. 164 Die 15 Aufsichtsratsmandate, die Jean Andreae sen. 1909 für die BHI wahrnahm, lagen (neben der Amsterdam'schen Bank) ausnahmslos in Südwestdeutschland, also nahe seines Dienstsitzes Frankfurt /M. 165 Der relativ unbekannt gebliebene Friedrich Grimsehl (gest. 1903), der zu Beginn der 1890er Jahre aus dem Vorstand der Bremerhavener Bank in den der Bremer Bank wechselte, wurde nach deren Übernahme durch die Dresdner Bank 1895 als stellvertretenders Vorstandsmitglied übernommen und blieb fünf Jahre lang auf dieser Position, bis er zum ordentlichen Vorstandsmitglied wurde. Grimsehl hatte direkt in den Vorstand einer kleineren Bank einziehen kön-

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giert, um der Bank besondere, auf anderem Wege nicht mobilisierbar Kompetenzen oder Beziehungen zuzuführen oder um angeschlagene Institute zu sanieren bzw. um ertragsschwache Banken auf einen neuen Kurs zu bringen. Von dieser Gruppe der von außerhalb des Unternehmens berufenen Manager sind alle diejenigen zu unterscheiden, die sich während eines mehr oder minder langen Zeitraums innerhalb der Bank für den Aufstieg in das oberste Leitungsgremium qualifizieren mußten. Insgesamt war der Anteil der »Hauskarrieren«, die innerhalb eines einzigen Instituts verliefen, verhältnismäßig gering. Sie finden sich vor allem bei den besonders schnell und den besonders langsam avancierten Managern. Erstere waren überwiegend Berufsanfänger aus den Familien der etablierten bildungs- und besitzbürgerlichen Oberklassen, die häufig bereits in verhältnismäßig jungen Jahren als Handlungsbevollmächtigte in die Bank einstiegen. Sie besaßen gegenüber ihren Konkurrenten vielfältige Startvorteile. In der zweiten Gruppe, die erst nach 20 und mehr Jahren Firmenzugehörigkeit in die Direktion aufgenommen wurden, finden sich dagegen verhältnismäßig viele soziale Aufsteiger, die sich ihren Weg in die Leitung der Bank langsam und Schritt für Schritt hatten erkämpfen müssen und deshalb ein höheres Eintrittsalter aufwiesen als ihre Kollegen. Insgesamt arbeiteten weniger als 30 % der Manager-Bankiers für ihre Bank länger als acht Jahre, bevor sie in die Direktion aufrückten. Noch bildeten die großen Aktienbanken in Berlin wie in der Provinz ihr Führungspersonal nicht selbst heran. Die Rekrutierungsebene der Großbankiers, soweit die ManagerBankiers aus dem privaten Bankwesen kamen, bestand vielmehr aus den Prokuristen, Inhabern und Vorstandsmitgliedern der kleineren und mittleren Privat- und Aktienbanken.166 Die Tatsache, daß gerade diese Institute im Prozeß der Bankenkonzentration verschwanden, führte Paul Wallich 1905 zu pessimistischen Voraussagen für die Rekrutierung gut ausgebildeten Führungsnachwuchses und damit für die kontinuierliche Ergänzung der Hochfinanz.167 Auch vertauschte nur ein einziger Sproß einer wirklich prominenten Privatbankierfamilie, wenn auch außerhalb der eigentlichen Hochfinanz, seine Position als Inhaber einer eigenen Bank mit dem Posten eines Vorstandsmitgliedes; das nen, ohne dort vorher Prokurist gewesen zu sein, und von dort wiederum direkt in den Vorstand einer mittelgroßen Bank, mußte sich vor Wechsel in die Direktion der Großbank jedoch noch einmal auf einer Ebene unterhalb des eigentlichen Machtzentrums der Bank bewähren. 166 Besonders zum Ausdruck kam dies bei der Hamburger Commerz- und Discontobank, deren wichtigste Station bei ihrer Ausdehnung die Übernahme der Frankfurter Privatbank J . Dreyfus & Co. (1897) war. Drei ihrer Inhaber (Carl Brettauer, Lucien Picard und Waldemar Risch) wurden sofort Vorstandsmitglieder der Commerz DB, vier Prokuristen der Privatbank (Carl Kolb, Hugo Rosenberger, Carl Harter und Julius Rosenberger) stiegen nach einigen Jahren - als die erstgenannten den Vorstand wieder verlassen hatten, um sich als Privatbankiers wieder selbständig zu machen - in die Direktion der Commerz DB auf. Kapitalmäßig wurde Dreyfus & Co. von der Aktienbank übernommen, personell war es geradezu umgekehrt. 167 Wallich, Konzentration, S. 166-168.

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Tab. 11: Laufbahnen und Eintrittsalter der Manager-Bankiers168

Wechsel aus einer übernommenen Bank Wechsel aus dem Aufsichtsrat in die Direktion Karriere im »Konzern« der Bank Erstbesetzungen einer Direktion Karriere innerhalb der Bank: Dauer zwischen Eintritt und Berufung in die Direktion bis 12 Monate 13 bis 35 Monate 3 bis 4 Jahre 5 bis 7 Jahre 8 bis 11 Jahre 12 bis l4 Jahre 15 bis 19 Jahre 20 bis 24 Jahre 25 und mehr Jahre ges.

absolut

in v.H.

durchschnittliches Alter beim Eintritt

23 8 6 30

8,9 3,1 2,3 11,7

38,1 45,6 36,5 39,9

79 7 16 21 20 14 14 9 10 257

30,7 2,7 6,2 8,2 7,8 5,5 5,5 3,5 3,9 100,0

40,3 39,2 35,5 36,9 39,2 41,7 40,3 46,1 49,7

heißt: Er vertauschte ererbtes soziales Ansehen und Reichtum mit größerer ökonomischer Macht und erweitertem Handlungsspielraum:169 Oscar Wassermann wechselte 1912 in den Vorstand der Deutschen Bank.170 Dieser Schritt erfolgte erst am Ende des Untersuchungszeitraumes, als die Aktienbanken längst die dominierenden Kreditinstitute waren, und sein Ziel galt der mittlerweile größten Aktienbank Deutschlands. Daß er eine Ausnahme blieb, scheint 168 Ohne Berücksichtigung derjenigen Fälle, in denen Bankiers zwischen den Leitungsgremien einzelner Banken des Samples wechselten. 169 Mangels persönlicher Zeugnisse Wassermanns sei hier ein jüngerer Fall zitiert. Hermann Joseph Abs, der spätere Ehrenvorsitzende det Deutschen Bank, begründete seinen Übertritt vom Privatbankierstand zum Manager-Bankier (mit erheblich geringeren Einkünfte) folgendermaßen: »Meine Tätigkeit als Privatbankier war ein Organistenspiel [Abs spielte selbst Klavier, Orgel und Cembalo, d.Vf.] an einer Zwei-Manual-Orgel mit 36 Registern. Nun wurde mir plötzlich eine wenn auch schlechter bezahlte Stelle als Domorganist geboten mit einer wundervollen Orgel mit fünf Manualen und 72 lebenden Registern. Ich nahm die Berufung an, weil mir das größere Instrument ein angemesseneres Instrument schien.« FAZ (8.2.1994). 170 Oscar Wassermann (1869- 1934) war einer der Söhne des Königlich-Bayerischen Hofbankiers Emil Wassermann, Inhaber der 1785 gegründeten Firma A.E. Wassermann in Bamberg. Für die väterliche Bank begann Oscar Wassermann Ende der 1880er Jahre mit dem Aufbau einer Niederlassung in Berlin. 1912 wurde W.. der öffentlich sein Judentum bekannte (er war u. a. Präsident des Keren Hajessod und 1929 Mitgründer der Jewish Agency for Palestine) vom (ebenfallsjüdischen) Paul Mankiewitz in den Vorstand der Deutschen Bank berufen. Wie Mankiewitz Börsenchef und seit 1923 Vorstandssprecher, mußte er 1933 ausscheiden.

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eher an der Zurückhaltung der großen Privatbankierfamilien als an mangelnden Angeboten der Großbanken gelegen zu haben.171 Neben Wassermann traten 18 weitere Privatbankiers in die Direktion einer Aktienbank der Hochfinanz; die meisten von ihnen (13) bei Übernahme ihres Geschäfts. Diese Privatbanken waren allerdings vorher nur von lokaler, bestenfalls regionaler Bedeutung gewesen. Die Inhaber der großen, rennomierten Privatbanken, die übernommen wurden (R. Warschauer & Co., H.C. Plaut), traten dagegen nicht in die Leitung der übernehmenden Bank ein. Daß sie sich statt dessen mit einem Sitz im Aufsichtsrat »begnügten«, ist weniger als ein Akt der Bescheidenheit anzusehen denn als Weigerung, den prestigereichen Status der »Etablierten«, der nicht zuletzt auf der Verbindung von Unabhängigkeit, Reichtum und Muße beruhte, für die Arbeitslast im Vorstand einer Großbank aufzugeben. Wassermann scheint dagegen eher die »Verantwortlichkeit für die Führung der gesamten Volkswirtschaft«, also die Macht der Manager-Bankiers, gereizt zu haben. Aber immerhin 11 Manager-Bankiers gingen den umgekehrten Weg: Sie zogen es vor, sich selbständig zu machen, und verließen ihren Vorstandsposten bei einer Aktienbank, um Privatbankier zu werden. Einige gründeten ihr eigenes Unternehmen, andere traten in bestehende Privatbanken ein.172 Sie scheint eher der Status als Privatbankier und die größere Verdienstmöglichkeit, aber auch eine stärkere Unabhängigkeit (von der Notwendigkeit, stets den Konsens eines größeren Vorstandskollegiums herstellen zu müssen) und die Entscheidungsfreiheit gereizt zu haben als die größere Macht der ManagerBankiers.173 Nur 26 der 376 untersuchten Bankiers (6,9 %) wechselten im Laufe ihrer Karriere von einer Gruppe zur anderen, eine bemerkenswerte Stabilität, die nochmals die Getrenntheit der beiden Fraktionen hervorhebt. Wie aus Tab. 11 hervorgeht, wurden die Manager-Bankiers im Alter von durchschnittlich rund 40 Jahren in die oberste Leitungsebene aufgenommen; die Privatbankiers waren mit 33.6 Jahren sogar noch deutlich jünger, Deutsche Großbankiers erreichten also eine herausragende soziale Position durch einen relativ raschen Aufstieg und erklommen die oberste Karrieresprosse in einem Alter, in dem ein preußischer Beamter des höheren Dienstes allenfalls Regierungsrat wurde.174 Ihre prägende Erfahrung bestand in diesen dynamischen 171 Zielenzinger, S. 249 (auch für das Folgende). 172 So z. B. Lucien Picard (1854 - 1935), der von der Commerz DB zu L. Speyer-Ellissen wechselte. Picard stammte aus Basel und kam mit 16 Jahren nach Frankfurt, wo er eine Lehre bei Lehre bei Dreyfus-Jeidels (später J. Dreyfus & Co.) begann. Als Neffe des Senior-Chefs Jacques Dreyfus-Jeidels machte er bald Karriere: 1877 wurde ihm die Prokura erteilt, 1888 wurde er Teilhaber. Nach Übernahme der Bank durch die Commerz DB (1898) trat er in deren Vorstand ein. 1904 wurde er Sozius bei Speyer und blieb bis 1923. Auch sein Sohn Ernst trat in die Speyer-Bank ein und wurde hier 1921 Teilhaber. 173 Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 22. 174 Süle, Tab. 28.

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Karrieren, die zu bestätigen schienen, daß Talent, Energie und Arbeitskraft hinreichende Voraussetzungen sozialen Erfolgs seien. Das Reservoir, aus dem der Zufluß zur Vorstandsmitglied- oder Teilhaberschaft gespeist wurde, bildeten hauptsächlich die Prokuristen. Erst die Akteure auf der mittleren Leitungsebene besaßen ausreichend Entscheidungsspielraum (sichtbar in ihrer Zeichnungsberechtigung), um von den Direktoren wahrgenommen und eventuell weiter gefördert zu werden. Von den Prokuristen aufwärts wurden auch die Aufsichtsratsstellen einer Bank vergeben, auch wenn die wichtigsten und lukrativsten dieser Mandate den Volldirektoren bzw. Geschäftsinhabern vorbehalten blieben. Hier also lag »die Linie, von der Karrieren gestartet werden«.175 Besonders begehrt waren die Prokuristen rennomierter Privatbanken.176 Sie besaßen aufgrund der dort geringer ausgeprägten Arbeitsteilung ein breiteres Fachwissen als ihre Kollegen in den Aktienbanken.177 Sie hatten den oder die Teilhaber bei deren Abwesenheit zu vertreten, und ihnen oblagen oft auch die weiten Reisen zur Abwicklung von Geschäften, wobei sie weitgehende Verhandlungsvollmachten erhielten.178 Einzelprokuristen einer Privatbank waren wie die Inhaber ermächtigt, allein, also ohne zweite Unterschrift, für die Bank rechtsverbindlich zu zeichnen. Wenn trotzdem nicht mehr Privatbank-Prokuristen in eine Aktienbank wechselten, lag das daran, daß sie sich in vielen Fällen berechtigte Hoffnung machen konnten, eines Tages die Teilhaberschaft angetragen zu bekommen.179 Ein entscheidender Karrieresprung bestand also darin, die Prokuristenebene 175 Vgl. Bodenheimer, S. 30, der auch beschrieb, wie derartige Karrieren weitergingen: »Im Jahre 1908 wurde Herr von Simson durch Krankheit mehrere Monate von der Leitung der Bank ferngehalten, und in dieser Zeit fiel mir eine erhöhte Tätigkeit und Mitwirkung in der Zentralleitung der Bank zu. Es war eine schwere Belastung meiner Kräfte, hatte aber für mich den großen Vorteil, daß, als im folgenden Jahre mein Dienstvertrag ablief, es mir nicht schwer wurde, in die erste Linie der Bank aufzurücken. So wurde ich mit Wirkung vom 1. Januar 1910 ordentliches Vorstandsmitglied« (ebd., S. 40). 176 Auf diesem Wege waren beispielsweise Carl Fürstenberg (S. Bleichröder), Julius Stern (L. Behrens), Berthold Naphtali (Mendelssohn & Co.) iind Ernstvon Simson (R.Warschauer) in die Direktionen der Großbanken berufen worden. 177 Plutus (9.8.1913), S. 635. 178 Eine so wichtige Operation wie die 1882 von S. Bleichröder geführte Rettungsaktion für die durch Devisenspekulationen gefährdete BHG wurde in Abwesenheit der Inhaber Bleichröder und Schwabach vorn Prokuristen Fürstenberg organisiert, der dabei mit den Geschäftsinhabern der BUG, den Inhabern von R. Warschauer & Co. und den Vorstandsmitgliedern der Deutschen Bank von gleich zu gleich verhandelte. 179 Dieser Faktor spielte z. B. in Carl Fürstenbergs Überlegungen eine Rolle, als er 1883 die Chance bekam, Geschäftsinhaber der BUG zu werden. Fürstenberg vollzog den Wechsel v.a. deshalb, weil die kurz vorher so nahe geglaubte Möglichkeit, noch im gleichen Jahr Teilhaber von S. Bleichröder zu werden (wo er damals Prokurist war), zunichte wurde, denn Gerson (von) Bleichröder, der Senoirchef, verlängerte den Teilhaber-Vertrag mit seinem Sozius Schwabach unvorhergesehenerweise. Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 117-119.

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zu erreichen. Die Chancen hierfür waren keineswegs gleich verteilt. Anwärter hatten ihre Qualifikation zu beweisen. Diese war abhängig von der Güte ihrer Ausbildung, und zwar nicht allein im Hinblick auf die Beherrschung der Technik des Bankgeschäfts. Angesichts der hohen Kosten einer guten Ausbildung blieb jene den Söhnen begüterter Eltern vorbehalten. Männer wie Franz Urbig oder Siegmund Bodenheimer, die aus eher bescheidenen Verhältnissen kamen, mußten sich mühsam weiterführende Kenntnisse wie die Beherrschung von Fremdsprachen neben ihrer Berufsarbeit aneignen.180 Gewöhnlich hatten sie 10 und mehr Jahre im Dienst einer Bank verbringen müssen, bevor ihnen die Prokura und damit die Zulassung für das Rennen um die oberen Leitungspositionen erteilt wurde. Bedeutend einfacher war der Weg für die bereits in die Hochfinanz Hineingeborenen. Paul Wallich schlug nach seiner Ausbildung das Angebot der Deutschen Bank aus, sofort als Prokurist einzutreten, weil ihm die bloße Prokura einer Großbank nicht genügte.181 Statt dessen trat er bei der Berliner Handelsgesellschaft ein; ebenfalls als Prokurist, doch mit der Zusage, nach nur einem Jahr zum Direktor befördert zu werden, mit der Übertragung eines eigenen Ressorts und guten Chancen, bald Geschäftsinhaber zu werden, was auch eintrat. Dieses schnelle Avancement war durchaus typisch für die »Erben« wie Herbert Gutmann, Hans Winterfeld oder Ernst Enno Russell.182 Allerdings hatten auch sie sich durch ihre Leistung zu qualifizieren. Es ist jedoch vollkommen auszuschließen, daß allein diejenigen, die später bis in die Leitung einer Bank aufstiegen, die dafür notwendigen Leistungsanforderungen erfüllten. Neben der Beherrschung aller Techniken des Bankgeschäfts war unbedingte Arbeitsbereitschaft und - zumindest bei all jenen, die nicht in die Hochfinanz 180 Urbig, der seine schulische Ausbildung aus Geldmangel hatte abbrechen müssen, nahm als subalterner Angestellter der Disconto-Gesellschaft Englisch- und Französisch-Stunden bei einer benachbarten Untermieterin in dem Gefühl, »daß mir ähnliches im Leben nie wieder geboten werden könne«, zumal »der Erwerb der Sprachkenntnisse entscheidend für meine Zukunft geworden ist«. Außerdem hörte er Abends Vortrage über Handelsrecht. Seinen Urlaub verbrachte Urbig in Westfalen, um dort die großen Industrieunternehmen (und Kunden der Disconto-Ges.) kennenzulernen. Oscar Schlitter, der aus dem gleichen Grund die Schule vorzeitig hatte verlassen müssen, verdankte seinen ebenfalls außerschulisch erworbenen Fremdsprachenkenntnissen, daß er überhaupt bei einer Bank eine Anstellung fand. Auch Siegmund Bodenheimer nahm während seiner Lehrzeit nebenher Französisch- und Stenographieunterricht. Müller-Jabusch, Franz Urbig, S. 18-22; ders., Oscar Schlitter, S. 5; Bodenheimer, Mein Leben, S. l0f. 181 Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 362f. 182 Herbert Gutmann war gerade 30 Jahre alt, als er zum Vorstandsmitglied der Dresdner Bank ernannt wurde, nachdem er die USA, Mexiko und Westindien bereist und einige Zeit als stellvertretender Leiter der Londoner Filiale der Bank gearbeitet hatte. Hans Winterfeld war bei seiner Ernennung zum Geschäftsinhaber der BHG erst 29 Jahre alt und besaß außer einem Jurastudium kaum praktische Bankkenntnisse. Ernst Enno Russell trat 1899 nach dem obligaten Jurastudium und einem längeren Auslandsaufenthalt in die Disconto-Gesellschaft ein, erhielt vier Jahre später Prokura, wurde kurz darauf stellvertretender Direktor und 1902, 33 Jahre alt, Geschäftsinhaber der Bank.

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»hineingeboren« wurden - ein zäher Aufstiegswille notwendig, um in die Direktion berufen zu werden.183 Auch die soziale Kompetenz der Bewerber zählte. Wie zahlreichen Würdigungen und Nekrologen zu entnehmen ist, waren »Persönlichkeit«, ein »einnehmendes Wesen«, eine »liebenswürdige Art« oder schlichte »Vornehmheit des Charakters« karriereförderlich. Solche Dispositionen konnten am leichtesten durch das sorgenfreie Aufwachsen in den Familien des Großbürgertums vermittelt werden. Gerade den Aufsteigern wurden diese Einstellungen nur in den seltensten Fällen nachgerühmt. Dennoch entschied nicht allein die Qualifikation der Bewerber über deren Avancement. Es war eine verbreitete Klage der Zeit, daß Erfolg oder Mißerfolg von Karrieren oftmals nicht von der erbrachten Leistung abhingen, sondern von der Verwandtschaft oder der Bekanntschaft mit hochgestellten Förderern, also von Protektion. »Die höchste Ungerechtigkeit und Torheit der heutigen Gesellschaft besteht darin, daß sie jährlich Tausende von Intelligenzen und Impulsen wissentlich verkümmern läßt«, klagte der Plutus im Januar 1908.184 Die Welt am Montag nannte die »Protektionswirtschaft«, der sie unter anderem den Ruin der Breslauer Diskontobank zuschrieb, den »Krebsschaden im Geschäftsleben« und überschrieb den Nachruf auf Theodor Winkler ausdrücklich: »Ein Bankdirektor ohne Protektion«, um das Außergewöhnliche seiner Karriere zu kennzeichnen.185 Tatsächlich handelte es sich bei der Protektion von Angestellten in gewissem Sinne um das Pendant der Aktienbanken zum Reproduktionsmodus der Privatbanken: der Übergabe unternehmerischer Macht direkt von Person zu Person. Wie in den Privatbanken schaltete die Bevorzugung von Verwandten bzw persönlich nahestehenden Personen dabei tendenziell die Bedeutung des Leistungsprinzips bei der Besetzung begehrter Positionen, um die mehrere Bewerber konkurrierten, aus. Das nahm nur selten die Form offener »Vetternwirtschaft« an, bei der Verwandtschaftsbeziehungen zum allein entscheidenden Kriterium für die Besetzung der Leitungspositionen wurde. Dennoch läßt sich ein gewisser Nepotismus feststellen, der Söhne und Neffen den Weg im Unternehmen bahnte, allerdings ohne daß diese unbedingt in das oberste Leitungsgremium aufstiegen. Die Anrüchigkeit des Nepotismus resultierte aus der Verletzung einer der zentralen ideologischen Säulen für die Rekrutierung von Funktionseliten in der bürgerlichen Gesellschaft. Die zeitgenössische Kritik, die gerade den oligarchischen Charakter der Großbankierschaft in den Vordergrund rückte, blieb allerdings ganz dem Glauben an das Leistungsprinzip verhaftet, ohne den Zusammenhang von »Leistung«, Bildungschancen und sozialer Herkunft zu diskutieren. 183 Diese Dispositionen waren allein schon deshalb notwendig, weil die Arbeitsbelastung auch für untere Chargen ausgesprochen hoch war. Müller-Jabusch, Franz Urbig, S. 18; Wallich, Aus meinem Leben, S. 54; Bodenheimer, S. 31. 184 Plutus (11.1.1908), S. 26. 185 Die Welt am Montag Nr. 36 (4.9.1905).

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Strikt vom Phänomen der »Protektion« zu trennen ist allerdings die mehrfach erwähnte Besetzung von Direktorenposten mit Vertrauenspersonen, mehrheitlich nahe Verwandte, zum Zwecke des Machterhalts von Aufsichtsratsmitgliedern und Gründern. In diesen Fällen handelte es sich weniger um die Versorgung von Familienangehörigen als um die strategische Besetzung von Leitungspositionen zum Zwecke der Unternehmenskontrolle mit dem Ziel, außerhalb der Bank liegende unternehmerische Aktivitäten zu stärken.186 Auch die Vererbung einer Leitungsposition vom Vater auf den Sohn stellt einen Sonderfall dar, weil die Eitelkeit des Vaters, der sein »Lebenswerk« fortgesetzt sehen wollte, eine relativ große Rolle spielte und im Gegensatz zur mehr oder minder verdeckten Begünstigung anderer Verwandter relativ offen vor sich ging. Über welches »soziale Kapital« mußten die Bankiers im Interesse einer erfolgreichen Karriere verfügen? Üblicherweise wurden mehr oder minder nahe Verwandte begünstigt,187 die es nicht immer bis zum ordentlichen Vorstandsmitglied bringen mußten.188 Nur ein Manager-Bankier gelangte durch die Hei-

186 Besondern der Einfluß des Bankhauses J . Landau beruhte auf dieser Praxis. Neben Eugen Landaus Stiefsohn Curt Sobernheim gehörte Ernst Magnus dabei zu den Schlüsselfiguren der Landau'schen Personalpolitik. Magnus (1850 - 1910) war der Sohn des Bankiers und Seidenfabrikanten Meyer Magnus (1805 - 1883, GKR, Ältester der Berliner Kaufmannschaft und Vorsteher der jüdischen Gemeinde). Er entstammte damit nicht der Berliner Privatbankierfamilie des Hauses F. Mart Magnus; die diesbezügliche Behauptung von Stein (S. 287) ist falsch. Magnus war Regierungsrat in der preußischen Eisenbahnverwaltung, bis er 1890 in den Vorstand der Nationalbank für Deutschland übertrat, deren Aufsichtsratsvorsìtzender Eugen Landau 1883 Magnus' verwitwete Schwester Anna - die Mutter des mehrfach erwähnten Curt Sobernheim - geheiratet hatte. 1903 mußte Magnus auf Druck seines Kollegen Julius Stern, der den Einfluß der Landaus auszuschalten suchte, in den Aufsichtsrat überwechseln, dessen Vorsitz er 1908 übernahm. 187 Beispielsweise wurde die Karriere von Elkan Heinemann gefördert von Hermann Wallich, der mit Heinemanns Ehefrau verwandt war (HADB Akten Elkan Heinemann, 27.7.1965). Bernhard Hahlo konnte das Fortkommen seines Neffen Hermann Gerson in der Vereinsbank Hamburg protegieren. Hahlo wie Wallich verfolgten den letzten Karriereschritt ihrer Schützlinge, die Erhebung zu ordentlichen Vorstandsmitgliedern, aus dem Aufsichtsrat. Die Protektion durch Aufsichtsratsmitglieder dürfte weit verbreitet gewesen sein; besonders eifrig wurde diese Praxis offenbar bei der im elsassischen Wirtschaftsbürgertum stark verwurzelten Straßburger AG für Boden- und Communal-Credit geübt. Von ihren sechs Vorstandsmitgliedern besaßen zwei (Gabriel A. Blum und Carl Gunzert, der 1898 seinen Rechtsanwaltsberuf aufgab und sofort als Direktor beim Communalcredit eintrat) Verwandte im Aufsichtsrat. 188 Einige Beispiele mögen hier genügen: Der Großneffe von Anton Gustav Wittekind (Mitteldeutsche CB), Eugen Wittekind (geb. 1869), trat 1890 in die Bank seines Großonkels ein und wurde 1899 Direktor der Filiale Nürnberg. Viktor Koch (1848 - 1911), ein Bruder des Vorstandsmitgliedes der Deutschen Bank Rudolf (von) Koch, wurde Direktor der Hamburger Filiale der Deutschen Bank; der Sohn Rudolfs, Friedrich (»Friedel«) von Koch (geb. 1882), wurde stellvertretender Direktor der zum Konzern der Bank gehörenden Bergisch-Märkischen Bank in Elberfeld und bei deren Umwandlung stv. Direktor der Elberfelder Filiale. Zwei Söhne von Paul Mankiewitz machten ebenfalls Karriere im Konzern der Deutschen Bank. Victor von Klemperer, der bereits erwähnte Sohn Gustav (von) KJemperers, wurde Direktor der Dresdner Bank an ihrem Heimatsitz.

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rat der Tochter eines Vorstandsmitgliedes in diese Position.189 Verbreitet waren auch Verwandtschaftsbeziehungen zu einflußreichen Aufsichtsratsmitgliedern wie bei Paul Jonas, Curt Sobernheim und Max (von) Schinckel, der bereits für seine St. Petersburger Lehrjahre die Verbindung zu seinem dort lebenden Onkel benutzte und seinen Aufenthalt in der Firma seines Vetters begann. Der Kontakt zur Norddeutschen Bank ging dann auf seinen Vater zurück, der mit einem Vorstandsmitglied (Louis Maaß) befreundet war und 1872 in den Aufsichtsrat der Bank einzog, wo ihm eine Direktorenstelle für seinen Sohn angeboten wurde, die dieser noch im gleichen Jahr annahm.190 Es mußten jedoch nicht immer Verwandtschaftsverhältnisse bestehen, wie die Förderung von Franz Urbig innerhalb des Konzerns der Disconto-Gesellschaft durch den Geschäftsinhaber Alfred Lent zeigt.191 Das Ausmaß, in dem der Zugang zu den leitenden Positionen in den Aktienbanken durch Protektion gesteuert wurde, ist nicht angebbar.192 Vermutlich bildete sie ein wesentliches Moment, das aus dem großen Kreis der Befähigten eine engere Auswahl zog. Denn durch die Protektion konnte das geschäftliche »Profil« der Bank über mehrere »Vorstandsgenerationen« hinweg weitergegeben werden. Gerade die subtile Begünstigung193 einzelner in der Auslese unter mehreren Bewerbern, und zwar über das formale Kriterium der technisch zu messenden »Leistung« hinweg, bildete die Voraussetzung dafür, daß das Leitungspersonal des Instituts stets in gewünschtem Umfang bestimmte unternehmerische Dispositionen trug wie ein bestimmtes Ausmaß an Risikofreudig189 Johann Jacob Schuster (1868- 1914), der zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Vater (einem Baseler Bankier, Inhaber von Speyr & Co. und VRV des Baseler, seit 1897 Schweizerischen Bankvereins) Schuster-Gutmann genannt wurde, nachdem er eine Tochter Eugen Gutmanns geheiratet hatte. Auch Schuster-Gutmann war Inhaber von Speyr & Co. bis zu dessen Umwandlung in eine AG, an der sich die Dresdner Bank mit 50 % des Aktienkapitals beteiligte, und wie sein Vater VR des Schweizerischen BV. 1904 - 1909 war er Vorstandsmitglied, danach im Aufsichtsrat der Dresdner Bank bis zu seinem Tode. 190 Schinckel, S. 74, S. 94f.; Rohrmann, S. 47. 191 Müller-Jabusch, Franz Urbig, S. 23. Hjalmar Schacht schrieb später in seinen reichlich apologetischen Memoiren. Urbig sei »ohne jede Protektion aufgestiegen«, was ganz offensichtlich falsch ist. Möglicherweise wollte Schacht den ;Uis kleinen Verhältnissen aufgestiegenen Urbig damit vom Makel befreien, seine Karriere nicht eigener Leistung, sondern fremder Begünstigung zu verdanken. Schacht, S. 131. 192 Siegmund Bodcnheimer fand seine Ernennung zum Vorstandsmitglied der BHI »ganz außerordentlich« - »bei einem Mann von 35 Jahren, dem niemals Protektion oder außerordentliche Beziehungen zur Verfügung standen und der sich ganz von unten emporzuarbeiten hatte« (Bodenheimer, S. 40). 193 Diese Begünstigung mußte dem Förderer nicht einmal bewußt sein: »Oft liegt es an ganz geringfügigen Kleinigkeiten: Dem Direktor gefallt vielleicht die Art nicht, wie der andere spricht oder wie er auftritt, oder er kommt mit ihm nur in Geschäften zusammen, die ihm unangenehm sind, und das Unangenehme der Sache überträgt sich auf die Person. Ein anderer ist ihm körperlich sympathischer oder steht ihm gesellschaftlich näher, oder kommt mit ihm unter angenehmeren Umständen, in Augenblicken besserer Stimmung zusammen, kurz, Momente, die keiner bewußt beachtet, hemmen hier oder fördern dort«. Plutus (1908), S. 26.

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keit oder -scheu.194 Der Prokurist Carl Fürstenberg wurde von S. Bleichröder zur Handelsgesellschaft »weggelobt«, weil er den Inhabern zu wagemutig operierte. Anderen wurde mangels derartiger Eigenschaften der Aufstieg verbaut wie im Falle des vorsichtigen Elkan Heinemann, den der risikofreudige Georg (von) Siemens nicht für vorstandstauglich hielt, denn der sei »nur für die untere Etage, nicht aber für die oberste Leitung geeignet«. Heinemann wurde jedoch nach Siemens' Tod mit der Protektion des ebenfalls eher bedächtigen Hermann Wallich in den Vorstand der Deutschen Bank aufgenommen.195 Das »Profil« einer Bank hing nicht zuletzt vom unternehmerischen »Habitus« ihrer Leiter ab, und das System der Protektion bei der Besetzung der Leitungspositionen sorgte dafür, daß aus der mittleren Leitungsebene einzig Personen mit den erwünschten Dispositionen kooptiert wurden.196 Die Reichtümer, die im Bankwesen und ganz besonders in seinen leitenden Positionen zu erringen waren, lockten auch Männer an, die ursprünglich eine ganz andere Laufbahn eingeschlagen hatten. In der Folge kam es zu einem erheblichen Austausch zwischen der Hochfinanz und den anderen Fraktionen der Oberklassen. 62 der 294 Manager-Bankiers (21,1 %) waren aus einer Tätigkeit außerhalb des privaten Bankgewerbes in die Direktion einer Bank des Preußenkonsortiums berufen worden. Bei den meisten handelte es sich um Beamte, die etwa je zu einem Drittel aus der Ministerial- oder Provinzialverwaltung, aus staatlichen Banken und aus den Eisenbahnverwaltungen stamm194 Adolph (von) Hansemann engagierte den Seehandlungsrat Alexander Schoeller als Geschäftsinhaber der Disconto-Gesellschaft, weil ihn dessen geschäftliche Unverfrorenheit beeindruckt hatte: »Den Mann lasse ich mir nicht entgehen«, soll Hansemann gesagt haben, als er feststellen mußte, daß Schoeller die Consols, die er der Disconto »exklusiv« zu liefern versprochen hatte, der halben Berliner Börse angeboten haben mußte. Auch bei der Berufung Max Winterfeldts zum Geschäftsinhaber der BHG spielte dessen unternehmerischer Habitus die entscheidende Rolle. Fürstenberg, Lebenserinnerungen, S. 213, S. l32f. 195 HADB Akten E. Heinemann (5.3.1965). 196 In dieser Hinsicht bestand ein interessanter Unterschied zwischen den »dynamischen« Instituten wie der Deutschen Bank und der Disconto-Gesellschaft einerseits und der eher behäbigen Darmstädter Bank oder dem Schaafïhausen'schen BV andererseits. Während erstere bereits seit der Jahrhundertwende eine überdurchschnittliche Tendenz zur Rekrutierung ihrer Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsinhaber aus der eigenen Bank zeigten, neigten letztere dazu, bei der Besetzung ihrer Leitungspositionen auf »Seiteneinsteìger« oder Prokuristen und Vorstandsmitglieder übernommener Banken zurückzugreifen. Durchschnittlich erfolgreiche Institute wie die Dresdner Bank, die Nationalbank oder die BHG lagen zwischen diesen Extremen. Betrachtet man die Entwicklung der Bilanzziffern (v.a. der Dividendenhöhe), so bestand zumindest ein statistischer Zusammenhang zwischen dem geschäftlichen Erfolg und den Rekrutierungsmodi dieser Institute. Offenbar gelang es den erfolgreicheren Instituten, durch eine stärkere Selbstrekrutierung auch den gewünschten »unternehmerischen Habitus« und damit Dispositionen wie ein bestimmtes Ausmaß von Risikofreudigkeit und Innovationsbereitschaft unter ihren Leitern zu gewährleisten, während Schaafïhausen und die BHI nicht in der Lage waren, unter ihrer leitenden Angestelltenschaft den gewünschten Habitus zu generieren, und immer wieder Außenstehende in die Vorstände beriefen.

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ten und direkt in die Direktionen der Banken übertraten.197 Minister, Staatsund Unterstaatssekretäre wechselten dagegen nicht in die Direktion einer Aktienbank, allenfalls zierten sie ihren Aufsichtsrat wie der glücklose preußische Handelsminister Möller, der nach seinem Rücktritt 1908 ein entsprechendes Mandat der Commerz- und Discontobank erhielt.198 Die Arbeit als aktiver Bankier kam für einen ehemaligen Inhaber höchster staatlicher Ämter also nicht in Frage, ein Zeichen für das geringe Ansehen selbst der Spitzenpositionen der Bankwelt und auch für den geringen Zusammenhalt der deutschen Oberklassen. Jede zweite Aktienbank ergänzte ihre Direktion aus ehemaligen Beamten der Staatsbanken, deren Spitze - die Mitglieder des Reichsbank-Direktoriums wie Waldemar Mueller, Max von Klitzing und Hugo Hartung - nur in die Großbanken überwechselte. Einige dieser ehemaligen Staatsbank-Direktoren stiegen sogar zu Vorstandssprechern in den Aktienbanken auf, deren Geschäftspolitik dabei nicht unbedingt dynamischer wurde.199 Besonders den 1870er und frühen 1880er Jahren wurden außerdem Eisenbahndirektoren in die Vorstände der Aktienbanken berufen, die zu dieser Zeit der Eisenbahnfinanzierung besonderes Augenmerk schenkten und zur Abschätzung der technischen und organisatorischen Probleme dieser Geschäfte qualifiziertes Leitungspersonal zu benötigen glaubten.200 Mit dem zunehmenden deutschen Kapitalexport der ja vornehmlich ausländische Eisenbahnen finanzierte - zeigte sich die Fragwürdigkeit dieses Konzeptes,201 so daß um die Jahrhundertwende Eisenbahndirektoren in den Vorständen der Aktienbanken entweder Gallionsfiguren bildeten wie Paul Schubart in der Breslauer Diskontobank oder ganz allgemein verschiedene Industriegeschäfte bearbeiteten wie Joseph Hoeter bei der Disconto-Gesellschaft und Siegfried Samuel bei Schaafïhausen. 197 Ausweislich verschiedener Ausgaben des Deutschen Banquierbuches finden sich in den Ebenen unterhalb der ordentlichen Vorstandsmitglieder, also bei deren Stellvertreten, bei den Direktoren, stellvertretenden Direktoren und Prokuristen keine Finanzräte, Regierungsräte usw. 198 In der Darmstädter Bank wurde 1910 der frühere Staatssekr. des Reichsschatzamtes, von Stengel, Aufsichtsratsmitghed, in der Preußischen Central-Boden der ehemalige preußische Landwirtschaftsminister Lucius von Hallhausen, und auch der Vorsitz des AR der Disconto-Gesellschaft wurde zweimal von ausgeschiedenen Unterstaatssekretären bekleidet. 199 Es wäre übertrieben, die Gründe für die zurückhaltendere Geschäftspolitik einer Bank allein in der Karriere ihres Vorstandssprechers zu suchen. Es ist jedoch unverkennbar, daß die Berufungen Alexander Schoellers zum Seniorchef der Disconto-Gescllschaft und Max von Klitzings als Vorstandssprecher der BMI Phasen der Stagnation einleiteten. 200 Für die Deutsche Bank diesbezüglich. Helfferich, Bd. II, S. 208-211. 201 Daß die Disconto-Ges. mit Alfred Lent einen ausgewiesenen Eisenbahn-Techniker zu ihren Geschäftsinhabern zählte, schützte sie mitnichten vor dem finanziellen Fiasko bei der Großen Venezuela-Eisenbahn (»Mit solch einem schmalspurigen Bähnchen kann man über jeden Berg hinwegkommen«, soll Lent vor Baubeginn geurteilt haben), ebensowenig bei der Finanzierung des an mangelndem technischen Sachverstand gescheiterten Luftdruck-Projekts des Ingenieurs Popp. Schlucke!, S. 234-239.

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Der Endpunkt dieser »gemischten« Karrieren lag mehrheitlich im Bankwesen, denn der großen Zahl von Beamten, die den Staatsdienst verließen und in ein Kreditinstitut überwechselten, stand nur eine geringe Zahl von Bankiers gegenüber, die ihre Laufbahn im Feld der politischen Macht fortsetzten oder beendeten. Nur fünf Bankiers der Hochfinanz wählten diesen Weg oder besser: nur fünf Bankiers stand dieser Weg offen. Drei von ihnen waren bereits vor ihrer Tätigkeit als Bankier - die sie nur vier bis sechs Jahre, also eine verhältnismäßig kurze Zeit ausübten - hohe Beamte oder Politiker gewesen und kehrten dann, ihre Bankiertätigkeit als materielles Sprungbrett für die weitere Karriere nutzend, in ihre vertraute Sphäre zurück. Dieser »Seiteneinstieg« spielte bei den Privatbanken wegen ihres Rekrutierungsmodus und ihres geringeren Organisationsaufwands und der stärker kaufmännischen Orientierung der Privatbankiers, von denen einige studiert, aber alle eine kaufmännische Ausbildung hinter sich gebracht hatten, keine Rolle.202 Im Vergleich zu den vielen höheren Beamten, die ins Bankwesen wechselten, war die Anzahl von Industriellen, die diesen Schritt taten, mit neun Fällen außerordentlich gering. Dafür verlief innerhalb dieser sehr kleinen Gruppe die »Karriererichtung« nicht so einseitig wie bei den Beamten. Drei Industrielle, darunter die beiden Prominenten Walther Rathenau und Gustav Hartmann, kehrten nach einigen Jahren als Bankier wieder in die Industrie zurück, sechs blieben im Bankwesen. Umgekehrt wechselte ein Bankier in die Industrie.203 Industriemanager wie Eigentümer-Unternehmer versuchten sich als Bankdirektor. »Gemischte Karrieren« zwischen Bankwesen und Industrie blieben trotz ihrer zahlreichen Berührungspunkte selten, aber sie verliefen vielseitiger als diejenigen zwischen Bankwesen und Staatsapparat. Gemeinsam war den Beamten und Industriellen, daß sie stets direkt in die Direktion einer Aktienbank berufen wurden, ohne »Bewährungsfrist« in der mittleren Leitungsebene. Da sie sämtlich bereits in Führungspositionen gearbeitet hatten, und zwar in angeseheneren Institutionen als im privaten Bankgewerbe, ließen sie sich nur durch die sofortige Besetzung eines Vorstandssessels zum Übertritt zu bewegen. Die zahlreichen Wechsel zwischen höherem Staatsdienst und Hochfinanz, die teilweise heftige Kritik von Sozialdemokraten wie von Konservativen und 202 Der einzige Privatbankier, der von außerhalb des Bankgewerbes stammte, war der ehemalige Direktor der Hamburger Eisenbahn George Magnus, der Teilhaber von F.Mart. Magnus wurde, als nach dem Tode Viktor von Magnus' kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung stand. 203 Carl Chrambach (1853 - 1929) gehörte zu den zahlreichen Juden, die eine Kleinstadt in Posen verließen, um in Berlin Karriere zu machen. Chrambach wurde nach Lehrjahren in Breslau und Dresden für kurze Zeit Privatbankier in Berlin und trat 1897 in den Vorstand der Berliner Bank über, wo er bald zum Vorstandssprecher avancierte. Nach deren Übernahme durch die Commerz DB (in deren Vorstand Chrambach - im Gegensatz zu seinem Kollegen Ernst Simon nicht übertrat) wurde er ARV der Linke-Gesellschaft (später: Linke-Hofmann-Busch-Werke AG Breslau), deren Expansion er organisierte, und weiterer Industriegesellschaften in Schlesien.

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Antisemiten hervorriefen,204 führten jedoch keineswegs zu einer Art von Verschmelzung von Großkapital und Staatsapparat. Dazu wechselten viel zu wenige Bankiers in die Politik und gelangten nicht bis zu den »Korridoren der Macht«. Umgekehrt wird man kaum von einer »Verstaatlichung« der Hochfinanz sprechen können. Den betreffenden Banken kam es darauf an, das Prestige der hohen Bürokratie durch entsprechende Berufungen für sich auszunutzen und die Beziehungen in die Ministerien, über welche die ehemaligen Beamten verfügten, für sich arbeiten zu lassen, mit anderen Worten: ihr »symbolisches« wie »soziales Kapital« zu mehren und in neuen Geschäften arbeiten zu lassen.205 Die weitgehende Trennung zwischen finanzwirtschaftlicher und staatlicher Sphäre wurde damit nicht aufgehoben. e) Nobilitierungen und das Prestige der Privatbankiers Privatbankiers und Manager unterschieden sich nicht allein in ihrer sozialen Herkunft, ihren Karriereverläufen und ihrem »ökonomischen Kapital«, sondern auch im Ansehen, der sozialen Wertschätzung, die sie genossen. Bereits die oben erörterten Prätentionen von Geschäftsinhabern der KGaABanken verweisen auf das große Prestige der Privatbankiers. Letztere sahen sich selbst auch als »Bankherren« und setzten so durch die Betonung ihrer Unabhängigkeit einen Kontrapunkt gegen die (von Aufsichtsräten, Aktionären usw.) abhängigen Manager-Bankiers.206 Noch für Wilhelm Treue war der >»Bankherr< ein Individualist, der Unabhängigkeit und Freiheit symbolisiert und vertritt«, und für Erich Achterberg »eine Persönlichkeit, die auch außerhalb des Berufes ein >Herr< ist, eine Figur der Repräsentation, [...] Sinn für Kultur, für das Gemeinwohl, für das öffentliche Amt, die Bereitschaft, auch auf diesem Felde seinen Mann zu stehen, ein Herr zu sein, das sind einige Zutaten, welche man von der Figur des Bankherren erwartet«.207 Tatsächlich litt das Ansehen einer Privatbank außerordentlich, sobald auch nur der Verdacht aufkam, ihre Inhaber hätten die Unabhängigkeit ihres unternehmerischen Handelns an die Entscheidungsgewalt anonymer Direktoren einer Aktienbank abgeben müssen.208 204 Vorwärts (13.3.1910); Deutsche Tageszeitung (16.3.1912); Die Bank 2 (1909), S. 79; BT (31.3.1908); BT (10.3.1910); Hamburger Nachrichten (18.9.1908). 205 Eine gute Diskussionen der Vorzüge und Grenzen dieser Bankiers ohne Bankausbildung findet sich im Plutus (26.12.1908), als der ob seines diplomatischen Geschicks gerühmte bisherige Staatskommissar an der Berliner Börse, Theodor Heniptenmacher, in den Vorstand der Commerz DB überwechselte. 206 Treue, Bankhaus Mendelssohn, S. 56. 207 ders., Normale Zeiten, S. 76; Achterberg, Frankfurter Bankherren, S. 7. 208 Der Berliner Polizeipräsident berichtete über die Kommanditierungdes Privatbankhau-

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Die Grundlage des hohen Ansehens der Privatbankiers waren ihre großen Privatvermögen. Wie gezeigt, überstiegen diese noch am Ende des Untersuchungszeitraumes, als die Konkurrenz der Aktienbanken immer drückender geworden war, bei weitem diejenigen der Manager-Bankiers. Diese Reichtümer ermöglichten ihren Besitzern einen luxuriösen Lebensstil und damit die Chance, einen Teil ihres »ökonomischen Kapitals« in »soziales« und »symbolisches Kapital« zu konvertieren: »Der Bankherr ist... der Bankier, der seinen Beruf mindestens so ausfüllt, daß sein Unternehmen floriert und der gleichzeitig doch auch Auge und Herz, aber auch eine offene Hand und Zeit für anderes als für seine Bank hat. Man verlangt freilich, daß dieses andere ethische Werte oder ästhetische Werte einschließt.«209 Ihnen bot sich in gewissem Ausmaß die Möglichkeit, durch Häuser, Landsitze, opulente Feste, Hobbies, Mode, Spenden und Mäzenatentum Teil der »guten Gesellschaft« zu werden. Damit gehörten sie zur kulturell hegemonialen Gruppe, die den jeweils angesehensten und begehrtesten Gütern, sozialen Attributen und Praktiken bereits durch ihren Besitz oder Handhabung Legitimation verschafft, so wie ihre Mitglieder ihrerseits durch diesen Besitz als Teil dieser Gesellschaft gekennzeichnet waren. Tatsächlich gelang es Privatbankiers wie Gerson (von) Bleichröder, mit seinem aufwendigen Lebensstil die Oberklassengesellschaft - Aristokraten wie Bildungsbürger - nachhaltig zu beeindrucken.210 Das spezifische Ansehen der Manager-Bankiers beruhte demgegenüber auf ihrer ökonomischen Macht: »Das große Beamtenheer, über das er herrscht, die Fülle des Einflusses, den er auf die wichtigsten geschäftlichen Beziehungen des Landes, auf Industrie und Handel, Landwirtschaft und Gewerbe auszuüben vermag, haben ihn im Volksansehen mit einem Nimbus umgeben, wie ihn kaum der reichste Bankier genoß«.211 Besonders die Großbanken warben mit ses Robert Warschauer & Co. durch die BHI im Jahre 1898: »Diese Umwandlung der Firma erfuhr eine getheilte Beurtheilung in Börsenkreisen. Während von einer Seite zugestanden wird, daß die Aufnahme von Kapitalien nothwendig war und bestritten wird, daß die Kommanditierung durch die Darmstädter Bank dem Ruf der Firma Abbruch gethan hätte, behaupten andere, daß der Verkauf der hochrennomierten Firma das Ansehen der Inhaber geschädigt und Oppenheim sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zur BHI gebracht habe. Indessen kennt man den Vertrag natürlich nicht genau, da er für seine Person abgeschlossen hat und weiß nicht, welche Freiheiten ihm geblieben sind, immerhin wird er heute in weiten Kreisen als abhängig von der Meinung der dortigen zum Theil jüngeren Direktoren angesehen. Andererseits weiß man, daß Oppenheim ein kaufmännisch stark egoistischer Charakter ist, der sich seine Rechte nicht verkümmern läßt und der Ansicht, daß er gewissermaßen Angestellter der Darmstädter Bank geworden sei, mit peinlicher Energie entgegentreten werde.« LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 12081 (20.11.1902). Übrigens hatten die Inhaber von Warschauer & Co. mit der Kommanditierung durch die BHI in Höhe von 20 Mio M kein schlechtes Geschäft gemacht, da die Einlage in Form von 20 Mio M Aktien der »Darmstädterin« zum Parikurse getätigt wurde, während der Börsenkurs ultimo 1898 154,75 % betrug; das Agio fiel den Inhabern von Warschauer zu. 209 Achterberg, Frankfurter Bankherren, S. 8. 210 Spitzemberg, S. 88; Weber-Kellermann, S. 41 f. 211 Bernhard, Berliner Banken, S. 26.

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der schieren Summe ihres Geschäftskapitals. Institute wie die Deutsche Bank gaben im Briefkopf ihrer Schreiben die Höhe ihres Aktienkapitals und der Reserven an. Sie konnten darauf vertrauen, daß ihnen die Gelder der Anleger vor allem deshalb zuflossen, weil bereits ihr enormes Grundkapital eine ausreichende Garantie für die Sicherheit der Depots im Falle einer Krise bilden würde. Dieser Nimbus war allerdings durchaus ambivalent. Gerade die wirtschaftliche Macht der Großbanken wurde um die Jahrhundertwende außerordentlich scharf angegriffen, da sie weithin als illegitim angesehen wurde. Der wichtigste Faktor für das besondere »symbolische Kapital« der Privatbankiers lag in der Identität von Person bzw. Familie und Unternehmen. Schließlich waren sie Eigentümer der Firmen, was ihnen durch den unmittelbaren Zugriff auf das Geschäftsvermögen und die Gewinne höhere Einnahmen sicherte, als sie die Manager-Bankiers hatten. Immerhin riskierte der Privatbankier sein eigenes Vermögen und seinen Ruf als Kaufmann, wie ihm umgekehrt die Erfolge der Firma als (materielle und symbolische) persönliche Erfolge angerechnet werden konnten. Außerdem kumulierten die Familienvermögen im Laufe der Generationenfolge auf dem Wege der Vererbung, jedenfalls wenn das Erbe nicht zu sehr aufgesplittert wurde. Die Identität von Person und Unternehmen kam auf vielfältige Weise zum Ausdruck. Da war einmal der Firmenname: Gerson (von) Bleichröder war S. Bleichröder.212 Kapitalgesellschaften annoncierten in den Finanzblättern, ihre Kupons seien einzulösen (um ein willkürliches Beispiel zu wählen) »bei den Herren Deichmann & Co.«,213 als stünden die Teilhaber persönlich am Kuponschalter. Ein moderner Autor, Nachfahre einer Familie von Privatbankiers, urteilt über die Verdrängung der Privatbanken durch die Aktiengroßbanken:214 »Der persönliche Name, der mit der Bank untrennbar verbunden war, wurde aufgegeben und irgendein auswechselbares Wort des Tätigkeitsbereiches dafür eingesetzt. Das Vertrauen des einzelnen, der Wert derPersontraten in den Hintergrund; eine die Masse ansprechende, auf Wirkung beruhende Bezeichnung drängte sich auf Der Kredit war nicht mehr an den Menschen gebunden, der ihn verkörperte, sondern an das ausgewiesene Kapital. Der Vertrag von Verkäufer und Käufer, Darlehensnehmer und Darlehensgeber wickelte sich nicht mehr zwischen den sich vom Ansehen bekannten Freunden ab, sondern spielte sich häufig über die Theke ein, wobei die Kontrahenten sich gleichgültig blieben, da sie als ausivechselbare Vertreter ihrer Auftraggeber, der Aktionäre, handelten« 212 Die Festschrift von Sal. Oppenheim jr. & Cie.zum200 jährigen Bestehen tragt den Titel: »Die Geschichte einer Bank und einer Familie« (seit Bestehen der Bank waren immer wieder Familienfremde Teilhaber der Bank). Als die Bank 1989 in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wurde - bezeichnenderweise in eine KGaA -, versandte die Firma einen Rundbrief, indem es u. a. hieß: »The Bank... will continue to be guided by the principles of a private banking firm, and thus maintain its present business policy«. 213 Anzeige der Deutschen Bank im BBC Nr. 32 (20.1.1873, III. Beilage) bezüglich der Kapitalerhöhung auf 15 Mio Taler; Hervorhebung vom Vf. 214 Kirchholtes, S. 48f.; Hervorhebungen vom Vf. 149 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Das Ansehen wie die geschäftlichen Möglichkeiten des Privatbankiers beruhten also auf dem »Wert seiner Person«. Dies schlug sich auf vielerlei Weise in ihren symbolischen und sozialen Praktiken nieder. Die Inhaber von Mendelssohn & Co. verwendeten um die Jahrhundertwende Briefbogen ohne Angabe des Absenders und zwangen damit den Adressaten, ihre Person und Position (ihren »Wert«) allein durch die Unterschrift zu kennen und anzuerkennen.215 Paul (von) Schwabachs Sorge um das Ansehen seiner Bank charakterisierte Carl Fürstenberg mit den Worten: »Wenn S. Bleichröder mit anderen Häusern zusammen einen Prospekt zu unterzeichnen hat und glaubt, daß ihm die Führung des Geschäfts zusteht, so schreibt er seinen Namen so weit nach vorn, daß das S. noch links auf das Löschpapier zu stehen kommt!«216 Aus der Bedeutung des unmittelbaren, personengebundenen und intimen Kontakts zum Kunden rührte auch das Hervorheben persönlichen Vertrauens und der sprichwörtlichen Diskretion, der unbedingten Verschwiegenheit in der Behandlung der Kundengeschäfte, ja, über die unmittelbaren Geschäfte hinaus.217 Schließlich drückte sich die Einheit von Familie und Bank sprachlich in einer Analogie zur Aristokratie aus. In Anlehnung an die Wortwahl bei fürstlichen Familien »Häusern« (etwa dem »Haus Habsburg«) - und im Bewußtsein der Tatsache, daß die Privaträume des Inhabers oder der Inhaber häufg im gleichen Gebäude untergebracht waren wie die Geschäftsräume des Unternehmens sprach man vom »Bankhaus Mendelssohn« oder vom »Haus Rothschild«.218 Hinter diesem Ausdruck verbarg sich auch die Tatsache, daß einige Bankierfamilien tatsächlich »Dynastien« etablierten, die den Familien der Aristokratie ähnelten. Die Nobilitierung war für die Privatbankiers ein hervorragendes Mittel, die Ehrbarkeit ihrer Person, die familiäre Kontinuität (sichtbar im Stammbaum) mit dem Geschäft zu verbinden und dieser geglückten Verbindung Ausdruck zu verleihen. Umgekehrt erfolgte die Nobilitierung als Honorierung dieses Verhaltens, nicht nur weil es in der Anerkennung der gesellschaftlichen Ordnung zu deren Aufrechterhaltung beitrug, sondern auch weil es dem dynastischen Verhalten der Aristokratie ähnelte: Über mehrere Generationen heirateten etwa die Speyers in Frankfurt immer wieder innerhalb der eigenen weitläufigen Familie oder in die der Ellissens. Wilhelm II. bekannte gegenüber 215 Treue, Bankhaus Mendelssohn, S. 56. 216 Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 410. Zur Erklärung: Auf einem Konsortialvertrag unterschrieb der Konsortialführer, also in der Regel die wichtigste Bank, oben links auf dem Unterschriftenfeld. 217 »Es gehört zu den beruflichen Pflichten des Privatbankiers, mit vielen Menschen zu sprechen, über die Zukunft, die Kinder, die Ehe und das Erbe, und wie in allem Wandel die Kontinuität zu sichern sei - und darüber zu schweigen.« Treue u. a., S. 3l7f. 218 Diese Metapher findet sich nicht allein bei den Apologeten oder den erklärten Feinden der Hochfinanz; der Berliner Börsen-Courier sprach in seinen lakonischen Meldungen wie selbstverständlich vom »Haus Rothschild«, das diese oder jene Transaktion durchgeführt habe (z. B. BBC Nr. 23 AA 13.1.1873).

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James Speyer (New York): »Es muß immer einen Speyer in Frankfurt geben«, und belohnte diese Heiratspolitik, indem er 1911 Eduard Beit, der Lucie Speyer (die Erbtochter des Firmeninhabers Gustav Speyer) geheiratet hatte, den Adelstitel »Beit von Speyer« verlieh, nachden sich kein männlicher Erbe für die Fortführung der Frankfurter Niederlassung gefunden hatte.219 Ein zweiter Faktor für das Prestige der Privatbankiers lag in ihrem persönlichen Verhältnis zum Kunden im Vergleich zur Anonymität der Geschäfte bei den Großbanken. Das erhält seinen vollen Sinn erst, wenn man berücksichtigt, daß es sich bei den Kunden der hier untersuchten großen Privatbanken um eine sehr exklusive Gruppe handelte.220 Ludwig Delbrück etwa verdankte sein Ansehen (er war einer der wenigen Bankiers im preußischen Herrenhaus) seine Position im »Feld der Hochfinanz« trotz des »mäßigen Umfangs seiner Firma« diesem »symbolischen Kapital«: Er war Bankier des Kaisers, der ihn jährlich zur Jagd auf seinem Gut besuchte, und »verkehrt(e) in den besten Kreisen«.221 Gerson (von) Bleichröder war nicht allein der Bankier Bismarcks, sondern auch der Grafen von Hatzfeld und von Lehndorff, Wilhelm von Kardorffs und anderer preußischer Aristokraten. Über den 1888 geadelten Franz v. Mendelssohn hieß 219 Die beiden Söhne Gustav Speyers, James und Edgar, etablierten selbständige Niederlassungen in New York und London; Georg Speyer, der Neffe Gustavs und ebenfalls Inhaber von Speyer-Ellissen, hinterließ nur einen geisteskranken Sohn, Alfred; Nachkommen von Jaques Robert Speyer, dem Bruder Georgs, sind nicht bekannt. Auch die bekannte Tatsache, daß Wilhelm II. sich nach dem Tode des letzten Frankfurter Rothschilds, Wilhelm Karl, im Jahre 1901 und später persönlich (und vergeblich) für ein Fortbestehen der Frankfurter Dynastie der Freiherren von Rothschild einsetzte, zeigt die allerhöchste Wertschätzung der Dynastiebildung. Schließlich gab es seit 1901 in Frankfurt nicht einmal mehr die Rothschilds. »Frankfurt ohne Rothschild ... wenn man diese Möglichkeit etwa dem verstorbenen Baron Maier Carl gegenüber einmal geäußert haben würde, so hätte er sicherlich geglaubt, einen seiner sämtlichen Sinne Beraubten vor sich zu haben.« Zitate bei Arnsberg, Bd. III, S. 449 Anm. 351 und Korach, Bd. I, S. 41(Der Aktionär 21.4.1901); Cottte Corti, Blüte, S. 460; Sta Ffm S 2 / 6052 Familie Speyer. 220 Bis zum Tode Ludwig Delbrücks (1912) verwalteten Gebr. Schickler das Vermögen des jeweiligen preußischen Königs (was dann von der Sechandlung übernommen wurde). Auch danach blieb die Bank eine erste Adresse für die Verwaltung aristokratischer Vermögen (sie hatte u. a. die der Kaisenn Friedrich und Prinz Albrechts von Preußen verwaltet), so daß sich die Liste der Kontoinhaber wie ein Auszug aus dein Gotlu liest: »Aus den Seitenlinien der Hohenzollern: die Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und von I lohenzollern-Siegmanngen, von andern deutschen Fürsten Herzog Heinrich von Anhalt-Cöthen, der Hechinger Konferenzrat von Siegling und Breymann, der Präsident in Bernburg. Danach versteht es sich von selbst, daß die ersten Diener der Krone und des Staats in großer Zahl bis auf unsre Tage dem Hause treu geblieben sind. Der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident v. Bethmann-FIollweg - bekanntlich ein begüterter Mann - tritt uns hier entgegen, der Staatsminister v. Klewitz, der Kammerherr v. Kamptz und Nagler, der Geheime Obertribunalrat v. Eichmann, die Gattinen der Minister v. Witzleben und v. Schuckmann, dann die Bimsen, Sydow, Armin. Auch hohe Offiziere fehlen nicht, und schier unersehöpgflich ist die Zahl der Standesherren; I îerzog und Herzogin von Sagan, Herzog und Herzogin von Dino, Fürst Lieven, Fürst Anton Radziwill, die Königsmarck, die Manteuffel, die Gräfinnen Bülow von Dennewitz, die Harrach.« Friedegg, S. l34f. 221 Wallich Lehr- und Wanderjahre, S. 411; LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9650 (87.1905).

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es, er habe »Zutritt zu den ersten Kreisen der Residenz«, und in der Begründung des Antrages aufVerleihung des Kommerzienrats-Titels an seinen ältesten Sohn Robert v. Mendelssohn steht über die Firma Mendelssohn & Co., daß »ihr von hohen und höchsten Persönlichkeiten umfangreiche Geldbeträge und Vermögen zur Aufbewahrung, Verwaltung und Verzinsung anvertraut worden sind«.222 Paul (von) Schwabach fand »seinen Verkehr in den seiner Stellung als Mitinhaber des ersten Privatbankhauses entsprechenden höheren Kreisen«.223 Die Exklusivität des Kundenkreises - oder besser: die Größe der anlagesuchenden Vermögen - war aber auch die Voraussetzung dafür, daß die Geschäfte mit einem zahlenmäßig relativ kleinen Kundenstamm ausreichende Gewinne für die Bank abwarfen. Denn nur ein überschaubares Privatkundengeschäft machte das persönliche Kennen und die Betreuung der Transaktionen durch die Inhaber möglich. Die Erhebung von Unternehmern in den Adelsstand ist vielfach als der vollendete Ausdruck der »Feudalisierung« des deutschen (Wirtschafts-) Bürgertums interpretiert worden. Ralf Dahrendorf sprach von einer »Nobilitierung des Kapitals«, die eine »Bourgeoisie, die keine war und die mit Recht zum Gespött ... wurde«, hervorgebracht habe. Der insgesamt doch recht geringen Anzahl vorgenommener Nobilitierungen wegen kann ihre Praxis jedoch allenfalls als - wenn auch weithin sichtbare und hoch symbolische - »Spitze des Eisberges« der Feudalisierung (oder »Aristokratisierung«) von Teilen des Großbürgertums gelten.224 Die soziale Relevanz der Nobilitierungen läge demzufolge stärker in dem das Verhalten der Großbürger prägenden Streben nach der Erhebung als in der geringen Zahl der Nobilitierungen selbst. Während der gesamten Dauer des Kaiserreiches erhielten genau 30 Bankiers den preußischen Adel - das waren 2,28 % aller 1315 in Preußen geadelten Personen.225 Diese an sich schon geringe Anzahl wird noch niedriger, weil von diesen 30 nur 12 solchen Banken vorstanden, die dem Preußenkonsortium angehörten.226 Daß weniger als die Hälfte der nobilitierten Bankiers dem Sample angehören, erklärt sich aus der strukturellen Begünstigung der Privatbankies bei dieser besonderen Auszeichnung. So sind sämtliche geadelten Leiter von Aktienbanken im Sample vertreten, aber nur ein kleiner Teil der Privat222 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11791 (28.3.1879); Nr. 9408 (19.11.1900). 223 GStA Merseburg Rep. 176 S 859 (5.4.1907). 224 Dahrendorf, S. 59; Stein, S. 5 (eine im Übrigen recht plakative und wenig überzeugende Darstellung der »Feudalisierungsthese«). Wehler, Wie >bürgerlichs S. 258. 225 Cecil, Creation of Nobles, Tab. V. 226 Es handelte sich dabei um folgende Personen (in [ ] das Jahr der Nobilitierung): Gerson Bleichröder (1872], Adolph Hansemann [1872], Franz Mendelssohn sen. [ 1888], Ernst Mendelssohn-Bartholdy [1896], Georg Siemens [ 1899|, Paul Schwabach [1907], Otto Mendelssohn Bartholdy[ 1907], Rudolph Koch [1908], Arthur Gwinner [ 1908], Eduard Beit 11910], Albert Blaschke [1913], Max Schinckel [1917]. Dazu muß freilich noch Abraham Oppenheim gerechnet werden, der 1868 in den preußischen Adelsstand erhoben wurde.

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bankiers. Zwei der untersuchten Bankiers erhielten übrigens einen österreichischen Adelstitel.227 Damit wurden von den hier berücksichtigten 252 in Preußen tätigen Großbankiers fastjeder zwanzigste (4,76 %) nobilitiert.228 Unterscheidet man jedoch zwischen den Privatbankiers und den Leitern der Aktienbanken, erhält man ganz andere Ergebnisse. Von den in Frage kommenden 12 Nobilitierungen fielen acht an Privatbankiers, obwohl diese Gruppe nur 68 der genannten 252 Bankiers umfaßte, 11,7 % der Eigentümer-, aber nur 2,17 % der Angestellten-Unternehmer wurden also in den erblichen Adelstand erhoben.229 Interessanterweise gingen von den vier Nobilitierungen von ManagerBankiers allein drei an die dienstältesten Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank: Georg Siemens, Arthur Gwinner und Rudolph Koch.230 Daran wird deutlich, wie sehr sich die Deutsche Bank auch in der Wahrnehmung von Hof und Reichsleitung um die Jahrhundertwende an den ersten Platz in der deutschen Bankwelt geschoben hatte. Der erste geadelte Manager-Bankier war jedoch Adolph Hansemann, persönlich haftender Gesellschafter und Seniorchef der lange Zeit größten deutschen Bank, der Disconto-Gesellschaft. Kein Leiter einer anderen Aktien- (Groß-) Bank wurde mit einer solchen Auszeichnung bedacht.231 Auch die an Privatbankiers ergangenen Nobilitierungen verteilen sich auf nur wenige Firmen: Allein fünf Standeserhöhungen entfielen auf die beiden bedeutendsten Berliner Privatbanken, S. Bleichröder (wo 1913 sämtliche Inhaber adelig waren) und Mendelssohn & Co. Ausgezeichnet wurden weiterhin 227 Simon Oppenheim [1867] und Gustav Klemperer [1910]. 228 Einschließlich Abraham Oppenheims, doch ohne den in Hamburg tätigen Max von Schinckel. Unter den in Preußen tätigen Großbankiers stehen also zwölf Erhebungen in den (preußischen) Adelsstand zur Diskussion. 229 Augustine ist in ihrer Untersuchung über Die Wilhelminische Wirtschaftselite (Tab. 2.39) zu entgegengesetzten Ergebnissen gekommen: Demnach wurden nur 16,1 % der EigentümerUnternehmer gegenüber 23,1 % der Angestellten-Unternehmer nobilitiert. Da sie für die Nobilitierung die einzelnen Branchen nicht gesondert ausgezählt hat, kann man nur vermuten, daß in anderen Wirtschaftszweigen, in denen die Bedeutung der Privatunternehmen gegenüber den Kapitalgesellschaften geringer war, entsprechend mehr Leiter nobilitiert wurden. Daraus ließe sich schließen, daß das Prestige der Eigentümer-Unternehmer im Bankgewerbe höher war als in anderen Branchen und trotz ihrer abnehmenden ökonomischen Bedeutung zu einer Bevorzugung bei der Nobilitierung führte. 230 Außerdem wurde kurz vor Ende des Kaiserreiches (1918) der nicht mehr zur Untersuchungseinheit gehörende Emil Georg (von) Stauß geadelt, seit 1915 im Vorstand der Deutschen Bank. 231 Laut eines Enkels von Eugen Gutmann (Goodman, S. 3), dem Kopf der Dresdner Bank, soll Wilhelm II. diesem den Titels eines »Barons« angeboten haben, was Gutmann jedoch abgelehnt habe. Ob es sich bei dieser Geschichte um eine liebevoll gepflegte Familien-Legende handelt (immerhin war Gutmann nicht gerade für die Verachtung von Äußerlichkeiten bekannt) oder um eine historische Tatsache, ist nicht mehr auszumachen. Sollte sie der Wahrheit entsprechen, so bliebe der Kreis der nobilitierungswürdigen Manager noch immer auf die Leiter der D-Banken beschränkt.

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Inhaber der nächst größten Privatbanken Preußens: Sal. Oppenheim jr. & Cie. in Köln und Robert Warschauer & Co. in Berlin sowie L. Speyer-Ellissen in Frankfurt. Die Bevorzugung der Privatbankiers bei den Standeserhöhungen ist um so erstaunlicher, als sie, der allgemeinen Chronologie dieser Auszeichnungen in Preußen folgend, sich überwiegend in der wilhelminischen Zeit abspielten, als die Privatbanken sich von den Aktiengroßbanken aus dem Zentrum des »Feldes der Hochfinanz« verdrängt sahen. Von den acht nobilitierten Privatbankiers der Untersuchung erhielten fünf den Adel nach 1895; 14 weitere Privatbankiers (von insgesamt 30 geadelten Bankiers) außerhalb des Samples wurden in diesem Zeitraum gleichermaßen ausgezeichnet. Keiner dieser Neuadeligen war in Berlin tätig (die meisten lebten in Frankfurt), obwohl sich das finanzielle Zentrum Deutschlands zu dieser Zeit zweifellos und unangefochten in der Reichshauptstadt befand. Die meisten Nobilitierungen honorierten also gerade nicht die unternehmerische Leistung (oder Bedeutung) als solche.232 Schwerlich ist bei den geadelten Bankiers der Hochfinanz ein durchschlagendes »aristokratisches« Modell auszumachen, weder in ihrer Herkunft, ihrem Lebensstil noch in den Laufbahnen ihrer Kinder. Ihre Väter hatten ausnahmslos »bürgerliche« Berufe, die meisten waren ihrerseits Bankiers gewesen; elf der zwölf Mütter kamen aus bürgerlichen Familien. Nur einer von ihnen, Adolph (von) Hansemann, hatte eine Adelige geheiratet.233 Immerhin besaßen mindestens acht von ihnen ein Rittergutes, Hansemann war sogar der größte Gutsbesitzer der Haute Finance.234 Ihr Verhältnis zum Landbesitz folgte jedoch nicht unbedingt aristokratischen Vorbildern. Gerson (von) Bleichröder freute sich bei seinem Gut Gütergotz in der Nähe Berlins, das er 1873 Feldmarschall Roon abgekauft hatte, am meisten über die Blumen, mit denen er auch das Monarchenehepaar beschenkte, und nicht über die Roggenernte.235 Arthur (von) Gwinner kaufte das Gut Krumbke in der Nähe Berlins, als seine Familie »der Ferienreisen und des Aufenthalts in überfüllten Gasthöfen überdrüssig« geworden war und nach einem eigenen Feriendomizil verlangte. Mehrere Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank hatten sich ihre Güter oder Landhäuser 232 Das wird schon daran deutlich, daß häufig nacheinander verschiedene Zweige ein und derselben Bankierfamilie geadelt wurden: dies war nicht allein bei den Mendelssohn (-Bartholdys) der Fall, sondern auch bei den Schröders in Hamburg (drei Nobilitierungen), den Metzlers in Frankfurt (vier Nobilitierungen) sowie den Deichmanns in Köln und den Grunelius' in Frankfurt (je zwei Nobilitierungen). 233 Cecil, Creation of Nobles, S. 782f Tabelle X, hat für die Eltern und Ehefrauen der mit dem einfachen Adel ausgezeichneten (ohne Freiherren, Grafen, Fürsten usw.) ähnliche Werte errechnet; 12,82 % von diesen hatten eine adelige Mutter, immerhin 23,43 % eine adelige Ehefrau. In ihrer Herkunft waren die geadelten Bankiers also etwas bürgerlicher als der Durchschnitt der Nobilitierten. 234 MIM Preußen, Bd. II, S. 301. 235 Stern, Gold und Eisen, S. 252f

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als Sommerdomizile und nicht zuletzt als Kapitalanlage gekauft.236 Dabei dürfte weniger die verhältnismäßig niedrige Verzinsung dieses Kapitals eine Rolle gespielt haben als die Sicherheit der Anlage. Schließlich hatten die Älteren unter ihnen gesehen, wie in der Gründerkrise auch beste Effekten »über Nacht« immens an Wert verloren hatten, und nach der Jahrhundertwende sank der Kurs der preußischen Consols und Rcichsanleihen. Nicht wenige Bankiers scheinen überdies zuerst auf dem Wege der Subhastation notleidender Schuldner in Berührung mit größerem Landbesitz gekommen zu sein und nicht durch zielstrebigen Erwerb.237 Manchmal waren direkt industrielle Interessen beim Erwerb von Großgrundbesitz im Spiel wie beim Kauf des Gutes Schlenderhan, das Simon (von) Oppenheim 1870 für 170.000 Taler erwarb, um in den Besitz der dort zu recht vermuteten Braunkohlevorkommen inklusive der dazugehörigen Förderlizenz zu kommmen. Ende 1879 konnte er dann den Wert des Gutes mit 1.8 Mio M bewerten. Der Besitz eines Rittergutes war auch keine zwingende Voraussetzung für die Nobilitierung. Gerson (von) Bleichröder erwarb Gütergotz erst ein Jahr nach seiner Erhebung in den Adelstand, und Otto (von) Mendelssohn-Bartholdy scheint überhaupt keinen »Landsitz« besessen zu haben. Aber meistens wurde doch erwartet, daß der Auszuzeichnende ein solches erwarb oder einen Fideikommiß stiftete; bei Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy etwa war dies der Fall.238 Die wenigsten Söhne der Nobilitierten wählten die Laufbahn eines Rittergutsbesitzers; auch eine Offiziers- oder Beamtenkarriere scheint kaum einen von ihnen gelockt zu haben. Die meisten wählten eine unternehmerische Laufbahn, überwiegend dem väterlichen Vorbild folgend im Bankgewerbe. Das bürgerlich-adelige Konnubium war bei den Kindern der Geadelten viel stärker ausgeprägt als bei ihnen selbst, aber es blieb immer noch auf eine Minderheit beschränkt. Etwa jede dritte Tochter heiratete einen Adeligen, jeder fünfte Sohn eine Adelige. Es waren in erster Linie die Töchter, die durch eine Einheirat in den Adel das Ansehen und die Beziehungen der Bankiersfamilien und durch die Mitgift das Vermögen der Adelsfamilicn vermehrten. Die politische Betätigung der Nobilitierten, die durchweg zu den reichsten Bankiers der Hochfinanz gehörten,239 scheint übrigens nur eine geringe Rolle bei der Verleihung des Adels gespielt zu haben, vermutlich weil diese Auszeich236 Gwinner, Lebenserinnerungen, S. 109; Wallich, Erinnerungen, S. 111. 237 Münch, S. 333. 238 So schrieb der Chef des Geheimen Civil-Cabmetts von Lucanus am 25.11.1895 an den Minister des Königlichen Hauses von Wedel und an das Heroldsamt, »daß Seine Majestät der Kaiser und König zu bestimmen geruht haben, es möge dem p. Mendelssohn-Bartholdy in geeigneter Weise zu erkennen gegeben werden, daß es erwünscht sei, wenn er einen Fideikommiß errichte.« GStA Merseburg Rep. 176 Nr. 221. 239 Generell waren die Multimillionäre unter den nobilitierten Unternehmern überrepräsentiert. Augµstine, Patricians, S. 43.

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nung eine solche Ausnahme war, daß über eine »falsche« linksliberale Gesinnung hinweggegangen werden konnte, weil die besonderen Gründe, die für eine Nobilitierung sprachen, schwerer ins Gewicht fielen als bei anderen Auszeichnungen. Einzig bei dem aktiven Parlamentarier Siemens wurden aufgrund seiner parteipolitischen Aktivitäten Bedenken gegen die Nobilitierung angemeldet, und es war Wilhelm II. persönlich, der sich über die konservativen Bedenkenträger im Heroldsamt, die ausgesprochen verschnupft reagierten, hinwegsetzte.240 Siemens rückte nach der Erhebung in den Adelstand auch nicht ins konservative Lager: Georg Bernhard, der bereits mehrfach zitierte Publizist, äußerte sich trotz Siemens' Nobilitierung hoffhungsfroh über dessen weiteren politischen Weg, denn dieser sei eben »kein Parvenü«. Im November 1900 wurde Siemens Vorsitzender des liberalen Handelsvertragsvereins .241 Welche Rolle spielte die soziale Nähe zur aristokratischen Gesellschaft, etwa in Form gemeinsamer Geselligkeiten, für das Streben nach der Nobilitierung? Otto (von) Mendelssohn Bartholdy rechtfertigte seine in der Familie sehr ambivalent aufgenommene Nobilitierung gegenüber seinem Vetter und Schwager Albrecht mit folgenden Zeilen: »Die Eigenart des Potsdamer Lebens, von welchem, da wir uns nun einmal hier heimisch fühlen, sich ganz zurückzuziehen, ich im Interesse meiner Frau und der Zukunft meiner Kinder nicht für richtig halten kann, bringt es mit sich, daß sich unser Verkehr fast ausschließlich mit Officieren und Beamten abspielt; diese haben mehr oder weniger Vorurteile, welche mir für meine nicht mehr vorhandenen Ambitionen stets gleichgültig sind, deren Beseitigung aber Jemandem, welcher, wie z. B. auch meine Frau, hierüber anders denkt, wünschenswerth erscheinen kann. Jedenfalls ist, m. E. gewiß zu Unrecht, Thatsache, daß wie die Verhältnisse in Deutschland und speciell bei uns liegen, gewisse Kreise und Berufszweige, welche ich persönlich nun allerdings nicht ergreifen würde, für Bürgerliche nur mit großen Schwierigkeiten zugänglich sind.«242 Auch Gwinner schrieb, er habe die Nobilitierung »aus keinem anderen Grunde als im Interesse meiner Kinder« angenommen.243 Das heißt nicht, daß alle Bankiers bei der Standeserhöhung nur an das Fortkommen ihrer Kinder dachten. Gerson (von) Bleichröder sonnte sich nach seiner Nobilitierung in der Umgebung preußischer Aristokraten, für die er opulente Feste gab.244 Ihm diente der Adelsbrief als Dokument seines sozialen Aufstiegs, den er durch Distanz zu gewöhnlichen Sterblichen deutlich machen zu müssen glaubte: »Der Herr Gerson von Bleichröder, welcher seit seiner Erhebung in den Adelstand vor Stolz sich kaum zu lassen weiß und auch mit fast allen seinen früheren Bekann240 GStA Merseburg Rep. 176 VI S Nr. 579 (30.11.1899). 241 Berliner Morgenpost (19.12.1899). 242 Zitiert nach Gantzel-Kress, S. 177. 243 Gwinner, S. 106. 244 Angeblich bat Bleichröder zur Feier seiner Nobilitierung einen Hofbeamten um die Zusammenstellung einer Liste für die einzuladenden Offiziere und wies diesen an: »Lassen sie aber die bürgerlichen Herren weg, wir wollen ganz unter uns sein.« Stern, Gold und Eisen, S. 656. 156 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

ten und Geschäftsfreunden öffentlich nicht mehr verkehrt, sondert sich auch bei seinen Spaziergängen von diesen ab«, berichtete die politische Polizei zwei Jahre nach seiner Ehrung.245 Auch Otto (von) Mendelssohn Bartholdy bezweckte mit der Nobilitierung nicht zuletzt die äußerliche Gleichstellung mit dem »anderen« Berliner Bankier gleichen Namens, dem Dänischen Generalkonsul, Wirklichem Geheimem Rat Exzellenz Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy246 Ingesamt dürfte die Neigung, das eigene Ansehen durch gewisse den Formen der Aristokratie ähnliche Praktiken zu mehren, unter den in Preußen ansässigen Bankiers und innerhalb Preußens unter den in Berlin lebenden am weitesten verbreitet gewesen sein. Hier waren auch die sozialen Kontakte der Wirtschaftselite zur aristokratischen Gesellschaft am engsten.247 Mit zunehmender Entfernung von Berlin nahm - abgesehen von Köln, das seit 1866 schon fast zu »Altpreußen« zu rechnen war - die Empfänglichkeit für derartige Formen der Umwandlung von »ökonomischem« in »symbolisches Kapital« ab. Dies zeigt sich besonders an den Großbankiers der alten Handelsstädte Frankfurt und Hamburg mit ihrer mehr »bürgerlich« (oder »patrizisch«) als aristokratisch geprägten Kultur. Unter den Nachkommen Frankfurter Privatbankiers der Hochfinanz (Rothschild, Speyer, Stern) finden sich auch kaum Beamte, Offiziere oder Latifundienbesitzen Auch die Inhaber von merchant banks wie L. Behrens & Söhne oder M.M. Warburg & Co. in Hamburg, die weniger das Privatkundengeschäft, sondern vor allem kurzfristige Außenhandelsfinanzierung und Wechselarbitrage betrieben, wählten diese Praktiken zur Steigerung ihres Ansehens eher selten. Ihre Kunden waren auch keine reichen Adligen, sondern Handelsfirmen und (häufig ausländische) Banken. Die entscheidende Frage bei dem Versuch der nach der Nobilitierung Strebenden, durch die Erlangung des Titels das eigene Ansehen zu mehren, war, ob die unternehmerische Macht der Großbankiers durch die Aufnahme in den Adel gesellschaftlich als »symbolisches Kapital« anerkannt wurde oder nicht. Große Teile der preußischen Aristokratie verweigerten diese Anerkennung. So hieß es beispielsweise über die rauschenden Feste, auf denen Gerson (von) Bleichröder die »gute Gesellschaft« Berlins zu versammeln suchte: »Fast das gesamte aristokratisch-offizielle Berlin ging hin, entschuldigte sich aber nachher«.248 Der Adel beantwortete die Tatsache, daß er gegenüber dem Wirtschafts245 Zitiert nach Stern, Gold und Eisen, S. 657. 246 »Ernst von Mendelssohn-Bartholdy ... ist ein richtiger Vetter des Vaters des jetzigen Antragstellers, der mit seinem Gesuch die äußere Gleichstellung mit dem Verwandten zu erstreben scheint.« GStA Merseburg Rep. 176 M 422 (28.2.1907); Zielenziger, S. 58; Gantzel-Kress, S. 168. 247 Augustine, Hamburg and Berlin, passmi; dies., Patricians, S. 191-226. 248 Bimsen, S. 49. Ein anderes Urteil lautete: »Die Berliner Gesellschaft ist in zwei Lager gespalten; in jene, die zu Bleichröder gehen und sich über ihn lustig machen, und in die anderen, die sich über ihn lustig machen, aber nicht hingehen.« Zitiert nach Stern, Gold und Eisen, S. 255, S. 660.

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bürgertum materiell ins Hintertreffen geriet, damit, daß er diesem Geldadel die Anerkennung als »seinesgleichen« versagte. Eben diese Abwehrhaltung des alten Adels verhinderte ein Aufgehen des »Geldadels« in der aristokratischen Welt. Zweitens blockierte die zumindest latente Judenfeindschaft der aristokratischen Gesellschaft ihre echte Integration. Stern bringt eine Fülle von Beispielen für das Scheitern der Bemühungen Bleichröders, als geadelter Jude im Berlin der Bismarckzeit von den preußischen Aristokraten als ebenbürtig anerkannt zu werden.249 Dabei überlagerten sich eine judenfeindliche und eine banken- und börsenfeindliche Stimmung.250 Als Paul (von) Schwabach 1899 dem exklusiven Union-Club, dessen Mitgliedschaft sich hauptsächlich aus dem alten preußischen Adel zusammensetzte, beitreten wollte, wurde seine Kooptation abgelehnt, obwohl Schwabach für seine Aufnahme zwei so angesehene Befürworter wie den Herzog von Ratibor und den Grafen Lehndorff zu mobilisieren vermochte.251 Zur Begründung vermerkte der Berliner Polizeipräsident damals, Schwabachs Aufnahme wäre »nicht aus persönlichen Gründen, sondern lediglich deshalb widersprochen, weil S. Jude sei«. Drei Jahre später jedoch resümierte er: »Der Grund für seine 1899 erfolgte Nichtaufnahme in den Unionclub ist in weiten Kreisen nicht bekannt geworden, doch ist man nun der Ansicht, daß die Ablehnung nicht eine persönliche Schärfe gehabt habe, mit derselben vielmehr eine bestimmte Richtung, und zwar nicht so sehr die jüdische Abstammung, als die Zugehörigkeit zur Börse getroffen werden sollte, deren Mitglieder man ausgeschlossen wissen möchte.«252 Aus der Sicht zahlreicher Aristokraten bestand ohnehin ein Unterschied zwischen dem Akt der Nobilitierung und dem wirklichen Eintreten in den Adel. In dieser Perspektive verhinderte gerade das Verbleiben der Nobilitierten in der Berufssphäre und ihre Weigerung, in die Existenz eines Rentiers oder Grundbesitzers zu wechseln, ein Verschmelzen mit dem alten Adel. Mit anderen Worten: Ein spezifisch bürgerliches Berufs- und Arbeitsethos trennte dauerhaft auch die nobilitierten Bankiers von der Welt des Adels. Alle diese Faktoren finden sich in einer grundsätzlichen Ausführung des preußischen Heroldsamts anläßlich der vorgeschlagenen Nobilitierung von Ernst Mendelssohn-Bartholdy. »Was die Sache selbst betrifft, so ist die schon aus dem Namen des Antragstellers abzuleitende Vermuthung, die Familie sei semitischen Ursprungs, eine begründete. [...] Die Zahl der geadelten Familien jüdischer Abstammung ist durch die fast durchgehend außerhalb Preußens geübte Nobilitierung solcher Geschlechter bereits eine sehr be249 Stern, Gold und Eisen, S. 680-732; desgleichen Mosse, German-Jewish Economic Elite, passim. 250Cecil,Jew and Junker (passim). 251 Berliner Morgenpost (7.3.1899); Berliner Zeitung Nr. 116 (9.3.1899). 252 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13431 (73.1899; 11.12.1902). 158 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

deutende. Wir können auch feststellen, daß einige dieser Familien durch Verschwägerung, Erwerbung von Grundbesitz und hieran sich schließende Aufgabe der früheren geschäftlichen Thätigkeit äußerlich in dem Adel aufgegangen zu sein scheint. Bcmerkenswerth ist aber der Umstand, daß dies nur dort der Fall, wo das Erfassen unserer Standes-Interessen den Weg zur Verschmelzung mit dem Adel ebnete, während im Geschäftsleben der Väter verharrende Familien trotz Nobilitierung kaum in den Adel eintraten. Ein

nahcliegendes Beispiel ist dasjenige der geadelten Bankier-Familie Bleichroeder. Obgleich seit ihrer Adelung ein Vierteljahrhundert verflossen und bereits die zweite Generation an Stelle der ersten steht, ist in diesem Falle nicht einmal eine Annäherung an den Adel

zu bemerken. Aus obiger Beobachtung ziehen wir die Folge, daß großartige Vermögensverhältnisse allein die Nobilitierung eines Geschäftsmannes nicht empfehlen. Wenn auch der hier in Betracht kommende p. Mendelssohn-Bartholdy einer besseren, als der oben genannten Familie entstammt, nachdem die Familie Mendelssohn bereits eine Überlieferung von mehreren, zu den besseren [gestrichen: h ö h e r e n ] Gesellschaftskreisen zäh-

lenden Generationen zur Seite steht, dieses historische Moment dem geadelten p. Bleichroeder aber fehlte, so sind wir ... verpflichtet, ... die grundsätzlichen Bedenken gegen Schaffung bzw. Erweiterung eines Börsen-Adels allerunterthänigst vorzutragen. [...] Die geschichtliche Entwicklung des preußischen Adels kennt einen Börsen-Adel, die neueste Adels-Species des letzten Jahrhunderts, so wenig, daß die Nobilitierung einer Bankiersfamilie, und sei sie die bedeutendste, immer noch Aufsehen erregt. Nun ist vorliegend die Begründung der erbetenen Nobilitierung nach außen hin nicht erkennbar, eine unseres ehrerbietigsten Dafürhaltens bei der Verleihung des Adels gerade an Familien der in Rede stehenden Kategorie unerläßliche Bedingung, weil sonst ein weiteres Publikum oder beschränkte Adelskreise zu der falschen Schlußfolgerung gelangen, als sei das Geld der Börsenfürsten für Nobilitierungen ausschlaggebend, oder als würde durch Aufnahme solcher Familien in den Adel Allerhöchsten Orts auch die engere verwandschaftliche Verbindung dieser Familien mit dem Adel gutgeheißen. U n s e r christlicher Adel deutscher

Nation nimmt aber seit dem letzten Vierteljahrhundert schon derartig viel fremdes Blut in sich auf, daß es sehr dahinsteht, ob diese Blutmischung nicht merklich sein Wesen wird verändern müssen.«253 Es ist bezeichnend für diese alt-aristokratische Sichtweise, daß selbst die Familie (von) Bleichröder, von Historikern gern als Beleg für die Aristokratisierung des Großbürgertums angeführt, ausdrücklich nicht als »in den Adel eingetreten» angesehen wird. Doch nicht nur vom alten Adel blieb den nobilitierten Großbankiers häufig die Anerkennung versagt. Auch manche Bildungsbürger reagierten mit Abwehr auf die »Oberflächlichkeit« und den »Talmi-Glanz« im parvenühaften Wilhelminismus, ein Verhalten, das auch Historiker teilweise übernommen haben, wenn sie eine absteigende Linie persönlicher Integrität »vom Geistesadel eines Moses Mendelssohn zum plutokratischen Salonadel eines Otto Mendelssohn Bartholdy« ziehen.254 Unterschiedlich war die Form der Abgrenzung: Während die Aristokratie den nobilitierten Unternehmern 253 GStA Merseburg Rep. 176 Nr. 221 (22.10.1895), Hervorhebungen vom Vf. 254 Gilbert, Bankiers, S. XLV; Gantzel-Krcss. S. 176. 159 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

die Bestätigung der Zugehörigkeit zu den ständisch definierten Oberklassen verweigerte, bemängelten Bildungsbürger deren charakterliche Unreife sowie ihr geringes Feingefühl und die fehltende persönliche Authentizität, kurz: Sie sahen in den geadelten Wirtschaftsbürgern Personen von geringem Wert und sprachen ihnen das Recht ab, soziale Macht auszuüben. Der Obertribunalrat Otto Georg Oppenheim weigerte sich monatelang, seinen Enkel Otto (von) Mendelssohn Bartholdy zu empfangen.255 Sein Schwager Albrecht antwortete auf die zitierte Rechtfertigung Ottos: »Für Menschen, die einen wirklich kennen und nahe stehen, für Menschen, die auf den wirklichen Werth der Persönlichkeit gehen, für die macht man ja überhaupt so eine Titeìoder Rangänderung nicht. Und die andern sind gegen einen wirklich tüchtigen und feinfühligen Menschen womöglich noch gemeiner im hinten herum lachen und im verleumden, als gegenüber einem gewöhnlichen Streber sans phrase.«256

Schließlich lassen sich in der Praxis der preußischen Nobilitierungen durchaus Ansätze eines »Funktionswandels« dieser Auszeichnung feststellen. Bis in die Wilhelminische Zeit hinein erfolgte die Erhebung in den Adelstand als Anerkennung für der Monarchie (verstanden als hierarchische Spitze der aristokratischen Gesellschaft) geleistete Dienste oder eine besondere »Nähe« zum bzw. Freundschaft des Monarchen. Sie setzte ein persönliches Verhältnis zwischen dem Auszuzeichnenden und dem Monarchen voraus. So zu verstehen sind die Nobilitierungen Abraham Oppenheims,257 Hansemanns und Bleichröders, die einige mit Wilhelm I. eng befreundete und finanziell in Bedrängnis geratene Aristokraten retteten, und des mit Friedrich III. befreundeten Franz Mendelssohn sen.258 Auch die Nobilitierung Eduard Beits gehört in diesen Zusammenhang, handelte es sich doch darum, den Namen einer Dynastie zu erhalten. Im Jahre 1912, als diese Prinzipien bereits weitgehend überholt waren, brachte sie der Landrat des Kreises Osthavelland noch einmal zum Ausdruck:259 »Ich bin der Ansicht, daß Seine Majestät der König nur hervorragende Verdienste um die Allerhöchste Person und das Haus Hohenzollem, sowie um das Vaterland oder die sonstige Allgemeinheit mit Gnadenerweisen anzuerkennen wünschen. Dabei wird die Verleihung des erblichen Adels aber auch nur dann in Betracht kommen sollen, wenn 255 Gilbert, Lehrjahre, S. 17. 256 Gantzel-Kress, S. 179 (Hervorhebungen vom Vf.). Der Juraprofessor und (sächsisches) Herrenhausmitglied Adolf Wach, Albrechts Schwiegervater und Onkel, schrieb »zu Ottos dummer Adelsgeschichte«: »Es ist eine Albernheit, eine Schwäche, ein kindisches Wesen, sich so etwas zu wünschen.« (ebd., S. 176 Anm. 31). 257 Treue, Simon und Abraham Oppenheim, S. 57. 258 Stem, Gold und Eisen, S. 248: Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 57; Gilbert, Bankiers, S. XLIVf In der gleichen Manier wurde dem Hamburger Bankier Moritz Warburg ein preußischer Adelstitel angeboten worden um den Preis, eine altpreußische Adelsfamilie mit 3 Mio M zu sanieren - Warburg lehnte allerdings ab. Vagts, Warburg & Co., S. 294. 259 GStA Merseburg Rep. 176 B 939; der Landrat des Kreises Osthavelland (Nauen) am 27.3.1912 an den Regierungspräsidenten in Potsdam (alle Hervorhebungen vom Verf.).

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Seine Majestät überzeugt sein dürfen, daß der Auszuzeichnende und seine Familie der Allerhöchsten Person und dem ganzen Königlichen Hause nach seiner Gesinnung und seinem ganzen Tun und Treiben in Treue fest ergeben ist und sein wird. Es muß also bei der auszuzeichnenden Person und seiner Familie bestimmt zu erwarten sein, daß der erbliche Adel für ihn nicht nur eine Dekoration sein wird, sondern das äußere Zeichen eines dauernden inneren Treueverhältnisses zum Könighause, welches mit allen Kräften auf Kind und Kindeskinder übertragen werden soll.« In der wilhelminischen Zeit änderte sich die Funktion der Nobilitierung. Zeitweise waren die Adelspatente quasi-käuflich, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie in England.260 Einige Privatbankiers nahmen die Möglichkeit wahr, die »Gunst« Wilhelms II. durch finanzielle Unterstützung von ihm favourisierter Projekte zu erwerben. So schenkte Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy dem Kaiser die Villa Falconiere in Frascati, finanzierte das Mendelssohn-Stipendium und die Ausstattung eines Mendelssohn-Zimmers in der Staatsbibliothek mit Musikmanuskripten. Otto Mendelssohn Bartholdy erkaufte sich die Nobilitierung mit einer ansehnlichen Spende für den Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche; Paul (von) Schwabach war dem Kaiser beim Ankauf des Achilleion-Schlosses auf Korfu behilflich.261 Demgegenüber waren diejenigen Nobilitierungen, die tatsächlich die Anerkennung besonderer Leistungen und nicht geleisteter Zahlungen bedeuteten - und hierbei handelte es sich besonders um Manager-Bankiers - bezogen auf Verdienste, die nicht mehr der Person des Monarchen galten als vielmehr dem Staat. Alle drei geadelten Leiter der Deutschen Bank erhielten die Auszeichnung für ihre Erfolge beim Bau der Bagdad-Bahn beziehungsweise der Abtretung der spanischen Karolinen, also der Expansion des imperialen Deutschland.262 Das gilt auch für den noch 1918 geadelten Emil Georg (von) Stauß, ebenfalls Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Der Ort, an dem Verdienste zu leisten und Anerkennung zu gewinnen war, entfernte sich also einerseits teilweise von der Person des Monarchen hin zum Staat, und andererseits verschob er sich weg von der Spitze der aristokratischen Pyramide hin zu der sozusagen profanen Person Wilhelms II. Es ist einsichtig, daß unter solchen Umständen der Wert der Nobilitierung sank; nicht nur wegen der Zunahme der Standeserhöhungen, sondern wegen der Quasi-Käuflichkeit wie des Verschwindens der persönlichen Beziehung zum Monarchen. Resümierend läßt sich festhalten, daß der Kern der deutschen Hochfinanz, der auch über das größte »ökonomische Kapital« verfügte, seit der wilhelminischen Zeit überwiegend aus Angestellten-Unternehmern bestand, nachdem sich die Manager innerhalb der meisten Aktienbanken weitgehend vom Ein260 Berghoff, S. 184. 261 Gilbert, Bankiers, S. XLV; ders., Lehrjahre, S. 17; Stern, Gold und Eisen, S. 749 262 GStA Merseburg Rep. 176 G 423 (14.10.1908); Rep. 120 A IV. 5 b Bd.7/8 (16.10.1899); LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13230 (15.11.1899).

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fluß der Gründer freigemacht hatten und selbständig die Geschäftspolitik bestimmten. Die Vermögen der Privatbankiers wuchsen auch in dieser Zeit weiter, obwohl der Abstand zwischen beiden Gruppen seit der Bismarckzeit erheblich abgenommen haben dürfte. Überhaupt glichen sich beide Teile der Hochfinanz nach Zusammensetzung und Umfang ihres »ökonomischen Kapitals« während des Untersuchungszeitraumes an. Sowohl durch die äußerlichen Merkmale, etwa die Aufsichtsratsverflechtungen, als auch durch ihren beruflichen Alltag und die dort einheitlich strukturierten Erfahrungen sowie durch ihr weniger sichtbares berufliches Handeln im Spiel der Kapitalmärkte konstituierten sich beide Teile als eine von außen gesehen relativ homogene Elite. Auch wenn erhebliche Binnendifferenzierungen bestanden, handelte es sich doch bei beiden um zwei auf weitgehend identischer Basis vergesellschaftete Fraktionen der deutschen Wirtschaftselite, die sich deutlich von anderen sozialen Gruppen unterschied, ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte und die auch als eine Gruppe - eben als die Hochfinanz - wahrgenommen wurde. Andererseits bestanden zwischen beiden Gruppen trotz vieler Gemeinsamkeiten und zahlreicher Zwischenpositionen starke Unterschiede, und es entwickelten sich zwischen ihnen auch vor 1914 keine Heiratsverflechtungen. Obwohl die Manager-Bankiers an Zahl, Einfluß und Vermögen zunahmen, wurde ihr Ansehen von dem der Privatbankiers deutlich überragt, wie das Beispiel der Standeserhebungen deutlich zeigt. Diese wurden zwar aus den Schlüsselpositionen des »Feldes der Hochfinanz« gedrängt, doch eine Reihe von Faktoren - die Einheit von Person und Unternehmen, die Kontinuität des Familienbesitzes und die persönlichen Beziehungen zu einem exklusiven Kundenkreis - sicherte ihnen eine mehr als auskömmliche Position am »exklusiven Rand« des »Feldes«. Die soziale »Öffnung« der Hochfinanz durch das Aufkommen der Aktienbanken und die Ausdifferenzierung der Anforderungsprofile führte zu einer erheblichen sozialen Mobilität und zur Pluralisierung der Karrierewege, da persönliche Leistung zur entscheidenden Bedingung für den Aufstieg im Bankgewerbe wurde. Ausbildung und Bewährung verdrängten die Erbfolge als Zugangsmechanismus. Doch diese Mobilität war überwiegend horizontaler, nicht vertikaler Natur. Sombarts Postulat der »Demokratisierung des Führertums« erfüllte sich nur halb: »die leitenden Männer des Wirtschaftslebens steigen aus immer breiteren und somit immer tieferen Schichten der Bevölkerung auf«.263 Letzteres trat im Bankwesen nicht ein. Tatsächlich öffneten sich hier die dominierenden Positionen fast nur für andere Fraktionen der Oberklassen. 263 Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. III. 1, S. 19 ff. Die antisemitischen Implikationen in Sombarts Vorstellungen müssen hier nicht diskutiert werden. Des weiteren Kocka, Unternehmer, S. 120.

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»Braunfels, ich hab' gehört, Sie wollde mit dem Herrn von Siemens e christlich Bank grinde. E christlich Bank, das kemmt mer vor wie ejiddisch Armee!«1

4. Die jüdischen Großbankiers Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes war das Bankwesen in Deutschland noch außerordentlich stark von Juden geprägt. Lange Zeit waren es jüdische Bankiers, die den Kapitalmarkt, besonders in der Unterbringung von Staatsanleihen, beherrschten, seit den Napoleonischen Kriegen mit dem Frankfurter Haus M.A. von Rothschild & Söhne an der Spitze. Noch in den 1870er Jahren existierte in Berlin nur eine einzige nichtjüdische Privatbank von Rang, die auch Zutritt zum Preußen-Konsortium fand, nämlich Gebr. Schickler. Die Aktienbanken waren noch nicht sehr alt, und sie wurden zu diesem Zeitpunkt noch häufigvon (wiederum oftjüdischen) Privatbankiers gelenkt. Kurzum, die »Zeit der Privatbankiers« war in Deutschland das Zeitalter der jüdischen Bankiers und umgekehrt. Nicht alle Inhaber der Privatbanken, die als »jüdisch« galten, waren jüdischer Konfession. Die Abgrenzung zwischen Juden und NichtJuden war jahrhundertelang an Hand der Scheidelinie zwischen den Konfessionen erfolgt; nun bedienten sich nicht nur die Antisemiten »völkischer« Kriterien wie Abstammung, Tradition, Kultur. Obwohl beispielsweise die Teilhaber von Mendelssohn & Co. oder Sal. Oppenheim jr. & Cie. seit Generationen christlichen Glaubens waren, galten beide Firmen als »jüdisch« und wurden 1938 »arisiert«, oder mußten ihren Namen ändern. Das preußische Heroldsamt hatte sich bereits 1895 in einem Votum gegen die Nobilitierung Ernst Mendelssohn-Bartholdys ausgesprochen, weil seine Familie »semitischen Ursprungs« sei und die Gefahr bestehe, daß der »christliche Adel deutscher Nation« durch »Blutmischung« seine Eigenart verliere.2 Walther Rathenau, von 1902 bis 1907 Geschäftsinhaber der BHG, definierte dasjudentum in einem seiner umstrittenen Aufsätze als Rasse und verlangte die Aufgabe seiner »Stammeseigenschaften«, denn: »ein Ende der Judenfrage ist die Taufe nicht«.3 1 Bemerkung eines Rechtsanwaltskollegen gegenüber Ludwig Braunfels, dem Adoptiwater des Bankiers Otto Braunfels, zitiert nach Arnsberg, Bd. III, S. 59. 2 GStA Merseburg Rep. 176 M 221 (22.10.1895). 3 Rathenau, Impressionen, S. 9. Der gleichen Ansicht waren ausgewiesene Antisemiten wie Otto Glagau schon in den 1870erJahren: »Das Bischen Wasser thut's nicht: es handelt sich weniger um den Glauben als um die Race, die sich durch Generationen nicht verwischt, die oft noch bei den Urenkeln frappant hervorbricht.« Glagau, Berlin, S. 343.

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Da die Konfessionszugehörigkeit offensichtlich nicht allein das geeignete Kriterium zur Untersuchung der Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Trennlinien des sozialen Handels zwischen Juden und Nichtjuden im Kaiserreich bildet, hat Arnold Paucker schon 1976 gefordert, »daß die Historiographie heute alle, die von der Umwelt als Juden gesehen wurden, ungeachtet der Einstellung des Einzelnen zu seinem - oder seines etwaigen Austritt aus dem -Judentum, in ihre Untersuchungen einzubeziehen hat«.4 Eine mögliche Antwort auf diese methodische Herausforderung liegt im Konzept der »ethnischen Gruppe« bzw. der »Ethnizität«, das von Sozialhistorikern bereits in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet worden ist.5 Werner Mosse verwendete diesen Ansatz für seine Untersuchung der deutsch-jüdischen Wirtschaftselite von der Frühindustrialisierung bis 1935; dabei definierte er die ethnische Gruppe der deutschen Juden nach folgenden vier Kriterien: Sie besaß eine gemeinsame Herkunft, verstärkt durch und ausgedrückt in Endogamie und Verwandtschaftsbeziehungen, ferner gemeinsame Traditionen und Gebräuche; sie bewahrte distinktive Namen, und ihre Religion war nur eines unter mehreren Attributen.6 Diese Definition der Juden als »ethnische Gruppe«, die vielleicht um das Kriterium eines abgrenzbaren sozioökonomischen und demographischen Profils erweitert werden sollte, fand weitgehende Zustimmung und liegt auch den folgenden Ausführungen zugrunde.7 In Anlehnung an Max Weber wird dabei »Ethnizität« und das Vorhandensein »ethnischer« Grenzen und Unterscheidungen stets als soziale Konstruktion und »Gemeinschaftsglauben« verstanden.8 Im folgenden soll nicht der »jüdische Beitrag zum deutschen Bankwesen« diskutiert werden, wie es häufig mit der apologetischen Zielsetzung geschehen ist, den »Beitrag hervorragender jüdischer Wirtschaftsführer am Aufbau der deutschen Wirtschaft und ihre Verdienste um das Wohl des Vaterlandes« herauszustellen.9 Statt dessen soll gezeigt werden, wie die ethnische Zusammensetzung zu einem der wichtigsten Strukturmerkmale der Hochfinanz wurde, wie sich diese Struktur trotz des großen Wandels im »Feld« reproduzierte und welche Auswirkungen sie zeitigte. Schließlich werden die Auswirkungen des Antisemitismus auf das Verhalten der Großbankiers erörtert. 4 Paucker, S. 495. 5 Beispielsweise von Kaplan (Women, S. 58-61, S. 72) zur Untersuchung des Beitrags der Frauen zum Entstehen einer bürgerlich-jüdischen Identität, und von Volkov (Jüdische Assimilation, S. 335, S. 343) zu demographischen Prozessen. Allerdings hat Volkov (Tradition, S. 607-609) im Rekurs auf Geertz späterhin das Konzept der »Ethnizität« zu Gunsten desjenigen des »kulturellen Systems« aufgegeben. 6 Mosse, Jews in the German Economy, S. 1-3. 7 Vgl. Kocka, Einführung, S. 9. 8 Weber, WG, S. 237. 9 Eine gute Zusammenfassung zur Auseinandersetzung mit dieser Art von Historiographie bietet Barkai, Wirtschaftsgeschichte der Juden, S. 195-214; die bekanntesten Beispiele sind wohl die Bücher von Zielenziger und Kaznelson.

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a) Juden und Nichtjuden im »Feld der Hochfinanz« Im Zeitalter der Hochindustrialisierung expandierte das Bankwesen gewaltig; die »ethnische Struktur« der deutschen Hochfinanz blieb davon nicht unberührt. Im folgenden soll diese Struktur untersucht werden, wobei nicht nur die quantitativen Veränderungen, sondern auch die Verbindungen unterschiedlicher Prozesse und Probleme, wie die Ausdifferenzierung der Aufgaben von Großbankleitern und ihre Auswirkung auf die ethnische Zusammensetzung der Hochfinanz und die Überlagerung von ethnischen, geographischen und funktionalen Elementen in Betracht gezogen werden. Mit dem Aufkommen der Aktienbanken und der Verdrängung der Privatbankiers änderte sich auch die Bedeutung der Juden im deutschen Geld- und Kreditwesen. Waren jüdische Finanziers bis dahin als fürstliche Hoffaktoren und später als Organisatoren staatlicher Anleihen unentbehrlich, wie die Rothschild bis 1848, machte die Möglichkeit der Kapitalassoziation den Aufbau leistungsfähiger Banken jenseits der Tradition von Familienunternehmen und der ökonomischen Außenseiterposition einer Minorität möglich. Noch im Kaiserreich kontrollierten Familien jüdischer Herkunft die meisten Privatbanken der Hochfinanz; unter den 15 Privatbanken des Preußenkonsortiums waren nur vier eindeutig »nichtjüdisch«.10 Legt man das oben erläuterte Konzept der »Ethnizität« zu Grunde, lassen sich elf Privatbanken als »jüdisch« bezeichnen, darunter die vier kapitalstärksten: Rothschild, Bleichröder, Mendelssohn und Warschauer. Mit einer Ausnahme11 waren ihre Inhaber sämtlich jüdischer Herkunft: Die jüdischen Privatbankiers blieben weit über die Jahrhundertwende hinaus eine ethnisch (ab-) geschlossene Gruppe. Mit dem Aufkommen der Aktienbanken strömten vermehrt Personen nichtjüdischer Herkunft ins Bankgewerbe. »Früher herrschten die jüdischen Kommerzienräte, und heute sind es die deutschen Regierungsräte, die ihre Ministerien und Magistrate verlassen und >auf der Börse< gehen«, erinnerte sich 1906 ein »alter Bankier« und spielte damit zugleich auf die unterschiedlichen Karriereverläufejüdischer und nichtjüdischer Bankiers an.12 Konsequenterweise sank nicht nur der Anteil jüdischer Bankiers in- und außerhalb der Hochfinanz, sondern auch der im Bankgewerbe Beschäftigten insgesamt geradezu dramatisch.13 10 Gebr. Schickler, Delbrück, Leo & Co., F.W. Krause & Co., Köster & Co. 11 Albert (von) Blaschke, von 1901 bis zu seinem erzwungenen Austritt 1916 einer der Inhaber bei S. Bleichröder, war katholisch und hatte offenbar keine jüdischen Vorfahren. 12 Plutus (28.4.1906), S.306f. 13 Im Jahre 1882 waren von den 2733 Bankiers in Deutschland 1182 (43,25 %) Juden; 1895 war ihr Anteil schon auf 37,63 % (1122 von 2982) zurückgegangen. Waren 1882 von insgesamt 13234 im Bankgewerbe Beschäftigten 21,9 % (2908 Personen) Juden, so fiel ihr Anteil bis 1895 auf 15,9 % (3045 von 19108 Personen) und bis 1925 auf 3,84%. Lange vor 1933 hatten die deutschen Juden also ihre herausragende Position im Bankgewerbe verloren. Prinz, S. l33f

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Damit veränderte sich die »ethnische Struktur« der Hochfinanz entscheidend. Das Sinken des jüdischen Anteils ist nicht auf einen Rückgang an der Besetzung von Leitungspositionen, sondern auf einen relativ langsameren Anstieg-und zwar zwischen 1877 und 1912 »nur« um rund 100%-zurückzuführen; im Vergleich dazu stieg der nichtjüdische Anteil auf das Vierfache. Auffallend ist dabei das fortdauernde Übergewicht jüdischer Privatbankiers, deren Zahl allerdings nur leicht zunahm. Daß 1912 die Hochfinanz je zur Hälfte aus jüdischen und nichtjüdischen Bankiers bestand, ist praktisch ausschließlich der Zunahme der Manager-Bankiers zuzuschreiben. Schon in den 1870er Jahren betrug der jüdische Anteil bei ihnen nur ein gutes Viertel, ein Zeichen dafür, wie rapide mit den Aktienbanken Nichtjuden ins Bankwesen und in dessen Führungspositionen strömten.14 So waren von den Manager-Bankiers, die am Ende des Untersuchungszeitraumes - zwischen 1900 und 1914 - in die Hochfinanz rückten, nur ein gutes Drittel jüdisch oder jüdischer Herkunft.15 Tab. 12: Jüdische und nicht-jüdische Bankiers des Preußenkonsortiums 1877 und 191216

Privatbankiers Manager-Bankiers ges.

1877 17 4 21

ges.

nicht-jüdisch

jüdisch 1912 23 24 47

1877 2 11 13

1912 6 52 58

1877 19 15 34

1912 29 76 105

Obwohl einige Aktienbanken wie die Dresdner Bank oder die BHG von Anfang an einen stark »jüdischen Charakter« besaßen oder im Laufe ihres Beste14 Prinz (S. l33f.) nennt als Grund für das Sinken des jüdischen Anteils die mangelnden Aufstiegsmöglichkeiten in den relativ bürokratisierten Großbanken - doch warum sollte dies nur Juden abgeschreckt haben? - sowie den wachsenden Antisemitismus der unteren und mittleren Angestellten. Dies ist fraglich, nahm doch mit der Bankenexpansion (auch bei den Privatbanken) auch die Zahl der erstrebenswerten, gut dotierten Positionen im oberen und mittleren »Management« zu. Vgl. dagegen Mosse (Jews in the German Economy, S. 382): »Banking, as numerous examples showed, was for aspiring young Jews from modest backgrounds a most promising avenue of upward social mobility. From a humble Station lt would remain possible, to the end, to become a Hermann Wallich, an Eugen Gutmann, a Jacob Goldschmidt, or, at least, a Siegmund Bodenheimer. Banking, for a number of young Jews, must therefore have possessed a magnetic attraction.« 15 Von 106 Bankiers, die in dieser Zeit ihre Position in der Hochfinanz einnahmen, waren 26 nach ethnischer Zugehörigkeit jüdisch, 42 waren nichtjüdisch; über 38 Personen liegen keine Daten vor. 16 Im Konsortium von 1877 ist die ethnische Zugehörigkeit von vier Bankiers unbekannt, im Konsortium von 1912 die von 24 Bankiers.

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hens erhielten, dominierten in der jüdischen Hochfinanz also die Familienunternehmen, während jüdische Manager bis weit in die 1890er Jahre hinein ebenso eine Minorität blieben wie umgekehrt die nichtjüdischen Privatbankiers.17 Noch 1890 überstieg die Zahl der jüdischen Privatbankiers in der Hochfinanz diejenige der jüdischen Manager-Bankiers.18 Eine Untersuchung des gesamten Samples zeigt deutlich die »ethnische Struktur« der Hochfinanz. Der jüdische Anteil an der deutschen Hochfinanz lag während des Kaiserreiches bei rund der Hälfte und übertraf damit den jüdischen Anteil im deutschen Bankwesen insgesamt. Er war auch deutlich höher als der jüdische Anteil unter den englischen Bankiers, den Cassis, allerdings für den erheblich längeren Zeitraum von 1860 bis 1980 auf 7,2 % beziffert; aber wohl deutlich niedriger als etwa in der Habsburger-Monarchie.19 Bedauerlicherweise fehlen derartige Berechnungen für Frankreich; man wird jedoch davon ausgehen können, daß die Zahl jüdischer Großbankiers gerade in denjenigen Ländern besondern hoch war, in denen die »Paria-Stellung« (Max Weber) die Juden beruflich besonders in den Handel und den Finanzsektor verwies, und sich dadurch in Europa ein Ost-West-Gefälle ergab. Tab. 13: Jüdische und nichtjüdische Bankiers: (gesamtes Sample) jüdisch Privatbankiers Manager-Bankiers Geschäftsinhaber KGaA Vorstandsmitglieder ges. Anteil der Privatbankiers Anteil der Manager-Bankiers ges.

58 65 19 46 123

79,2 % 33,7 % 47,5 % 30,0 % 46,2 % 47,2 % 52,8 % 100,0%

nichtjüdisch 15 128 21 107 143

20,8 66,3 52,5 70,0 53,8

ges. % % % % %

11,3% 88,7 % 100,0 %

73 193 40 153 266

100,0% 100,0 % 100,0% 100,0 % 100,0 % 27,4 % 72,6 % 100,0 %

Interessant sind im deutschen Fall besonders die Unterschiede zwischen den Vorstandsmitgliedern der »reinen« Aktienbanken, von denen zwei Drittel 17 Die Vorstandsmitglieder der Dresdner Bank waren seit Gründung der Bank zumeist Juden oderjüdischer Herkunft; auf mindestens 9 von 13 von ihnen traf dies zu. Die Geschäftsinhaber der BMG waren seit der Reorganisation der Bank 1883, als die Direktion komplett ausgewechselt wurde, ebenfalls zumeist jüdischer Herkunft. 18 Von den insges. 44 Leitern und Inhabern der 14 Banken des Konsortiums für die Übernahme von 65 Mio M 3 % Preuß. Consols im September 1890 waren 22 jüdisch (darunter allein 13 Privatbankiers) und 16 nichtjüdisch; die ethnische Zugehörigkeit von 6 Personen ist unbekannt. 19 Cassis, Jewish Entreprcneurs, S. 24—35 (bes. Tab. II) und Karady, S. 36-53.

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nichtjüdisch waren, und den Geschäftsinhabern der Kommanditgesellschaften auf Aktien. In dieser älteren Gattung der Aktienbanken lag der Anteil der jüdischen Geschäftsinhaber weit über dem Durchschnitt der Manager-Bankiers. In ihrer Mischform aus Kapitalgesellschaft und Personalunternehmen bewahrten sie einen Rest der jüdischen Dominanz unter den Privatbankiers. Die Gründe dafür sind vor allem in der besonderen Bedeutung zu finden, die »soziales Kapital« für die Besetzung ihrer Führungspositionen spielte. In den Privatbanken war dieses »soziale Kapital« nahezu allein entscheidend. In den KGaA gab es, erstens, stärker als in den »reinen« Aktienbanken, die Möglichkeit zur Bildung von Dynastien, also zur Vererbung der Führungsposition innerhalb der Bank. Zweitens ersetzte in den KGaA das »soziale Kapital« der Geschäftsinhaber - das Netz ihrer sozialen Beziehungen aus Herkunft, Ausbildung, bisheriger Karriere und »privaten« Kontakten - bis zu einem gewissen Grade die nur eingeschränkte Möglichkeit der räumlichen Expansion. Da der Besitz solchen Kapitals teilweise geradezu Voraussetzung für die Berufung zum Geschäftsinhaber war, hatte die Rekrutierungsspraxis der KGaA besonders bei der Berliner Handelsgesellschaft20 die Tendenz, die einmal bestehende ethnische Zusammensetzung fortlaufend zu reproduzieren.21 Hinsichtlich der sozialen Herkunft jüdischer Manager-Bankiers fällt besonders der hohe Anteil von Männern aus Kaufmannsfamilien auf: Hier lag ihr Anteil bei rund 48 %. Während Juden unter den übrigen Herkunftsgruppen so gut wie keine Rolle spielten, behaupteten sie unter den Managern mit kommerzieller Herkunft den einstmals so hohen Anteil von Juden in Handel und Bankwesen. Weil sich erst um die Jahrhundertwende der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Ausbildung aufzulösen begann, setzte sich auch unter den Bedingungen des neuen »Manager-Kapitalismus« in den bürokratisierten Universalbanken mit ihren vielfältigen neuen Geschäftsformen die Tradition der starken jüdischen Repräsentanz in diesen Branchen fort, indem jüdische Bankiers mit einer kaufmännischen Herkunft und einer bankkaufmännischen Ausbildung auch eher die im engeren Sinne kaufmännischen (und börsenorientierten) Positionen besetzten gegenüber den mehr organisatorischen Positionen, die von tendenziell juristisch ausgebildeten Nichtjuden bevorzugt wur20 In der BHG wurden nach 1900 eine ganze Reihe von Söhne prominenter Großunternehmer für kurze Zeit Geschäftsinhaber (keiner von ihnen blieb länger als fünf Jahre in der Bank): Hans Winterfeld (1902), Sohn eines früheren Geschäftsinhabers; Walther Rathenau (1902); Walter Merton (1911), Sohn des Gründers der Metallgesellschaft Wilhelm Merton; Paul Wallich (1913). Fürstenberg wollte diese jungen Quereinsteiger engagieren (keiner von ihnen war in der Handelsgesellschaft groß geworden; Rathenau hatte nicht einmal eine Bankausbildung), damit die Bank »eine Sammelstelle für die Söhne der deutschen Haute-Fìnance werden sollte, die allmählich der Berliner Handels-Gesellschaft die väterlichen Beziehungen und damit immer neuen Geschäftsfundus« zuführen sollten. Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 394. 21 Vgl. Mosse, Jews in the German Economy, S. 382: »The jewish banking èlite, to the end, remained largely seif perpetuating, increasingly through co-option as much as dynasty formation«.

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den. Umgekehrt ist die Öffnung des Bankwesens für Männer ohne unternehmerische Herkunft nicht zu trennen vom Einzug der NichtJuden in die Aktienbanken. Vor allem an der Herkunft aus zwei Fraktionen des Bildungsbürgertums wird das Strukturelement der Ethnizität in der Rekrutierung der Hochfinanz deutlich: Söhne von Klerikern und von akademischen Beamten bzw. hochrangigen, akademisch geschulten Kommunalpolitikern sucht man unter den jüdischen Manager-Bankiers praktisch vergebens. Überraschender als die Tatsache, daß keine jüdischen Bankiers aus Beamtenfamilien stammten (die ohnehin sehr selten jüdisch oder jüdischer Herkunft waren), ist die Tatsache, daß auch die Abkömmlinge des »freien« Bildungsbürgertums relativ selten waren. Das jüdische Bildungsbürgertum verweigerte sich im großen und ganzen der Öffnung der Hochfinanz, ein merkwürdiger Kontrast zum antisemitischen Stereotyp, alle Juden seien »Schacherjuden« und »Wucherer«.22 In Fortsetzung dieses Herkunftsmusters hatten nur 11 jüdische Manager-Bankiers ein Universitätsstudium absolviert. Währendjuden ihren Eintritt in die Bankwelt nach wie vor über eine kaufmännische Ausbildung fanden, vollzog sich der Zugang von NichtJuden zur Hochfinanz überwiegend durch ein Hochschulstudium, wie sie ja auch zu einem erheblichen Teil aus Akademikerfamilien stammten. Schließlich ist die ethnische Zusammensetzung der kleinen Gruppe derjenigen überaus bemerkenswert, die von den bescheidenen Chancen sozialer Mobilität profitierten, denn während die jüdischen Aufsteiger überwiegend Söhne kleineïKaufleute waren, stammte der nichtjüdische Teil vor allem von nichtakademischen Beamten, Gewerbetreibenden oder Werkmeistern ab. Der auffallend geringe jüdische Anteil an den Vorstandsmitgliedern der »reinen« Aktienbanken lag nicht zuletzt darin begründet, daß einige Banken des Preußenkonsortiums keine oder fast keine jüdischen Direktoren besaßen wie die beiden sog. »reinen Hypothekenbanken« und die meisten der »gemischten Hypothekenbanken«.23 Diese betrieben neben der Gewährung hypothekarischer Darlehen noch andere Formen des Bankgeschäftes.24 Die Mehrzahl der 22 Die wenigen jüdischen Manager-Bankiers bildungsbürgerlicher Herkunft wie Paul Mankiewitz oder Alfred (von) Kaulla, beide Arztsöhne, stammten aus Familien mit starken Beziehungen zum Bankwesen. Das gleiche gilt für Privatbankiers wie I íugo Oppenheim oder Paul Magnus. 23 »Reine Hypothekenbanken« waren die AG für Boden- und Communal-Credit in Straßburg und die Preußische Central-Boden-Crcdit AG in Berlin (beide waren nur vereinzelt an der Übernahme von Staatsanleihen beteiligt); »gernischc Hypothekenbanken« waren die ADCA (Leipzig), die Bayerische I lypotheken- und Wecliselbank und die Bayerische VB (beide in München) und die Württembergische VB (Stuttgart). Die ADCA wurde allerdings wegen ihres nie besonders großen und seit Beginn der lH9Ocr Jahre rücklaufigen Pfandbriefumlaufes teilweise gar nicht mehr zu den Hypothekenbanken gerechnet, z. B. von Latidsbur$h, Das deutsche Bankwesen, Tafel III; vgl. auch die Bilanzübersichten im Anhang der Arbeit. 24 Die Unterscheidung erfolgte aufgrund des Reichshypothekenbankgesetzes vom 13.7. 1899, das in § 5 den Betrieb der »reinen Hypothekenbanken« auf wenige eng umfaßte Geschäftszweige beschränkte, u. a. verbot es ihnen Termingeschäfte. Die Ausgabe von Hypothekenpfand-

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»gemischten Hypothekenbanken« war in Süddeutschland ansässig; in Preußen bestanden nur zwei kleine Institute dieser Art. In den Vorständen dieser Banken dominierten die Juristen, und unter ihnen besonders die ehemaligen Beamten. Bankkaufleute finden sich dagegen nur wenige. Die insgesamt zwölf Direktoren der Preußischen Central-Boden-Credit AG waren ausnahmslos Juristen; acht von ihnen hatten eine Beamtenlaufbahn im höheren Verwaltungsdienst hinter sich, ein weiterer kam aus der Justizverwaltung. Nur ein einziger von ihnen, Richard von Philipsborn, war jüdischer Herkunft. Ähnliches gilt für die Bayerische Vereinsbank und die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, in deren Vorständen sich nur ein einziges jüdisches Mitglied findet, bezeichnenderweise einer der wenigen ausgebildeten Bankkaufleute. Die jüdische Präsenz im Bankwesen Süd- und Südwestdeutschlands war eher schwach, trotz prominenter Ausnahmen wie des Privatbankhauses A.& E. Wassermann in Bamberg. Auch die nächstgrößten bayerischen Aktienbanken, die nicht ins Preußenkonsortium aufgenommen wurden25, waren »gemische Hypothekenbanken«, deren Vorständen offenbar keine Juden angehörten.26 Das gilt in unterschiedlicher Ausprägung ebenfalls für Stuttgart (Württembergische Vereinsbank), Mannheim (Rheinische Creditbank), Straßburg (AG für Boden- und Communal-Credit) und Darmstadt (Darmstädter Bank). Eine ganze Reihe von Ursachen kommt dafür in Betracht. Juden wurden seit jeher in Süddeutschland besonders stark diskriminiert; von hier aus hatten auch die antisemitischen Hepp-Hepp-Ausschreitungen ihren Ausgang genommen.27 Die Schwäche des süddeutschen Kapitalmarktes, der lange Zeit vollkommen von Frankfurt abhängig war,28 verhinderte das Entstehen großer jüdischer Privatbanken, wie es sie in Frankfurt, Köln, Hamburg oder Berlin gab. Diese Schwäche und die spezifische Bedeutung des Hypothekarkredits führten zu der Ausprägung der »gemischten Hypothekenbanken«, die das kurzfristige briefen war ihnen bis zum l5fachen Betrag des Grundkapitals plus Reservefond erlaubt. Denjenigen Hypothekenbanken, die gemäß den Bestimmung ihrer Satzungen vordem 1.5. 1898 weitere Geschäfte als die im Gesetz festgelegten betrieben hatten, also den »gemischten Hypothekenbanken«, war die Ausgabe dieser Papiere nur bis zum lOfachen Betrag ihrer Eigenmittel, bei einigen von ihnen sogar nur bis zum doppelten Betrag erlaubt. Insgesamt bestanden im Deutschen Reich im Jahre 1910 zehn »gemischte« und 29 »reine Hypothekenbanken«. Frankenberç, S. 5-22. 25 Die Bayerische Handelsbank in München mit einem Aktienkapital von 20.4 Mio M und die Vereinsbank Nürnberg mit 15 Mio M Aktienkapital (beide Angaben für das Jahr 1900). 26 Schumann, Bayerns Unternehmer, S. 169 Tab. 20, hat für das Kaiserreich den Anteil der Juden an den bayerischen Bankiers auf 22,7 % errechnet; weniger als die Hälfte des jüdischen Anteils der gesamten deutschen Hochfinanz. Daß dieser Wert überhaupt erreicht wurde, liegt vermutlich an der Anzahl mittelgroßer Privatbankiers, die in Bayern einen großen Teil des regionalen Kaptalbedarfs befriedigten. 27 Meyer (Hg.); Bd. II, S. 37, S. 45. 28 So geht die Gründung der Württembergischen VB u. a. auf den Versuch württembergischer Kaufleute und Bankiers zurück, sich aus der Abhängigkeit vom Frankfurter Kapitalmarkt zu lösen. Vgl. Steiner, S. 95-108; FS Württembergische VB, S. 7-12.

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Bankgeschäft und die Emission von Anleihen mit dem langfristigen Hypothekengeschäft verbanden. In den Vorständen dieser Institute dominierten die nichtjüdischen Juristen statt der jüdischen Kaufleute. Kaufmännische Talente wie Oscar Wassermann, Bernhard Dernburg, Elkan Heinemann oder Siegmund Bodenheimer verließen ihre süddeutsche Heimat und wanderten nach Berlin. Bekannt ist der große jüdische Anteil an der Frankfurter Hochfinanz, war es doch das alte Finanzzentrum Mitteleuropas und die Stadt lang etablierter jüdischer Privatbankierfamilien, der Rothschild, Speyer und Stern. In Berlin, dem neuen Zentrum des deutschen Bankwesens, war der jüdische Anteil nur wenig geringer als in Frankfurt. Von 122 Berliner Bankiers des Samples, über die Informationen verfügbar sind, waren 65 jüdischer Konfession oder Herkunft gegenüber 57 NichtJuden. Interessant ist, daß die Anzahl der jüdischen wie der nichtjüdischen Manager-Bankiers hier kaum voneinander abwich (43 bzw. 44), der jüdische Anteil hier also erheblich höher lag als im Durchschnitt; das gilt auch für die Leitungspositionen der fünf größten Berliner Banken. Gerade im geographischen und funktionalen Zentrum des Bankwesens, in Berlin und hier in den Direktionen der Großbanken, waren alsojüdische Bankiers überproportional stark vertreten. Innerhalb dieser Direktionen bestand eine mehr oder minder stark ausgeprägte Arbeitsteilung, wobei auch in Banken, in denen NichtJuden im Vorstand dominierten, gewissen Funktionen wie die des Börsenchefs häufig von Juden wahrgenommen wurden, während umgekehrt Aufgaben wie die Pflege des Industriegeschäfts - besonders der Kontakt zu den Schwerindustriellen - oder die Organisation des Filialbetriebs auch in jüdisch dominierten Banken häufiger von NichtJuden bearbeitet wurden, nicht zuletzt wegen des unter den rheinisch-westfälischen Industriellen verbreiteten Antisemitismus.29Jüdische Bankiers wie Eugen Gutmann begriffen das Bankgeschäft offenbar eher aus einer traditionellen Perspektive als kurzfristiges Kaufen und Verkaufen, arbeiteten stark börsenorientiert und pflegten typischerweise »wirtschaftliche Vorgänge unter dem Gesichtspunkt der Hausse oder der Baisse anzusehen«.30 Den Aufbau längerfristig angelegter Geschäftsbereiche überließen sie »systematische [n] Mitarbeitern] ...,diein ruhiger Arbeit das Filialwesen« bearbeiteten. Selbst bei jüdischen Bankiers mit engen Kontakten zur Schwerindustrie wie Carl Fürstenberg scheint die Art und Weise dieser Beziehungen eher börsenorientiert gewesen zu sein.31 Diese Konzentration auf die traditionellen Banktechniken 29 BodenIwinier, S. 15. Allerdings war die Judenfeindschaft der Schwenndustriellen weniger radikal als der Rassenantisemitismus des Alldeutschen Claß, dessen Kaiserbuch diesbezüglich nur auf verhaltene Zustimmung traf Vgl. Stc$tìnum, Erben, S. 298f. 30 Fürstettberg, Lebensgeschichte, S. 214. 31 Diese unterschiedliche Konzentration jüdischer und nichtjüdischer Bankiers auf verschiedene Geschäftsbereiche führte beispielsweise dazu, daß die BMG und S. Bleichröder ihre domi-

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führte dazu, daß Innovationen wie die Ausbreitung des Filialsystems oder der Übergang zum Bankkonzern häufiger von nichtjüdischen Bankiers vorangetrieben wurden: Bezeichnenderweise verzichteten zwei der drei jüdisch dominierten Berliner Großbanken - die Nationalbank und die BHG - vollständig darauf, dieser Unternehmensentwicklung zu folgen, während die dritte (die Dresdner Bank) diesen Weg erst beschritt, nachdem er von anderen vorgezeichnet worden war; auch ihr Filialgeschäft wurde von nichtjüdischen Direktoren betreut. Die Ausprägung dieser spezifischen, kommerziell ausgerichteten Form eines unternehmerischen Habitus unter den jüdischen Großbankiers v/ar die Folge charakteristischer Traditionen und in den mehrheitlich kaufmännischen Herkunftsfamilien überlieferten Kenntnissen, Ausbildungsmustern, Laufbahnen jüdische Großbankiers hatten ihre Ausbildung und die folgenden Karriereabschnitte überwiegend in (jüdischen) Privatbanken absolviert - und sozialen Beziehungen und vollzog sich gewissermaßen analog zur allgemeinen Berufswahl der deutschen Juden.32 Die jüdische Unternehmerschaft besaß eine alte und erfolgreiche kaufmännische Tradition, was sie in der Regel bewährte konservative Banktechniken bevorzugen ließ. Nichtjüdische Bankiers waren dagegen selten durch Herkunft und Ausbildung in der etablierten Kaufmannschaft verwurzelt. Mißtrauisch beäugt von den Praktikern der alten Schule, mußten sie sich ihre Position in der Bankwelt erst erarbeiten, und wo die besten Plätze bereits belegt waren, wurden sie gezwungen, neue Wege zu gehen, was ihnen nahelegte, auch neue Banktechniken zu entwicklen. Die resultierende »funktionale Arbeitsteilung« zwischen Juden und Nichtjuden findet sich in erster Linie bei den Aktienbanken, da eine wirkliche Arbeitsteilung unter den Teilhabern von Privatbanken unbekannt war.33 Die jüdische Präsenz unter den Börsenchefs der Berliner Hochfinanz ist beeindruckend. Von 15 Ressortleitern acht großer Berliner Aktienbanken war nur einer nichtjüdisch. Erfolgreiche Chefs konnten ihren »Nachwuchs« gezielt auswählen und protegieren, und gerade die Börsenabteilung bot besonders gute Aufstiegsmöglichkeiten, weshalb »die Versetzung an die Börse für jeden Bankbeamten das >große Loskleinen< Leute in die Führerschaft gelangt«.34 Protektion setzt mobilisierbare verwandtschaftliche oder bekanntschaftliche Verbindungen voraus, also den Besitz »sozialen Kapitals«, bei dem es sich ja um Ressourcen handelt, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen. Protegiert werden Angehörige der eigenen Gruppe. Diese Verbindungen waren überwiegend auf die je eigene ethnische Gruppe konzentriert, was sich bei verwandtschaftlichen Beziehungen von selbst versteht, aber auch für weitere soziale Kontakte galt. Die Besitzverteilung des »sozialen Kapitals« war also gewissermaßen »ethnisch strukturiert«. Gut dokumentiert ist diese Protektion innerhalb einer ethnischen Gruppe bei der Deutschen Bank, bei der alle Börsenchefs Juden waren: Hermann Wallich übergab dieses Ressort an Max Steinthal, den er während eines Urlaubs kennen gelernt hatte und in den Vorstand der Bank holte: »Das einzige Fach, in dem ich nicht glänzte, war das Börsenfach, und es blieb Herrn Steinthal und den von ihm herangebildeten Kräften vorbehalten, auch auf diesem Gebiet unsere Bank zu einer maßgeblichen Stellung zu bringen.«35 Steinthal übergab das Amt an Paul Mankiewitz, mit dessen Familie er bekannt war, und dieser holte nach dem überraschenden Tode Berthold Naphtalis Oscar Wassermann zu Deutschen Bank. Über 40 Jahre und 5 »Stationen« hinweg reproduzierte sich hier die ethnische Struktur der Bankleitung, indem jüdische Bankleiter dem jüdischem Nachwuchs zum Aufstieg verhalfen.36 Umgekehrt waren die Industriespezialisten überwiegend nichtjüdisch und begünstigten ihrerseits Nichtjuden, so Karl Klönne, dem es gelang, seine zahlreichen Kontakte im rheinisch-westfälischen Industriegebiet von Schaaffhausen zur Deutschen Bank mitzunehmen, bei der er sich mit Oscar Schlitter einen ebenbürtigen Nachfolger heranzog, Gustav Hartmann (Dresdner Bank), Albert Heimann und Heinrich Schröder (Schaaffhausen'scher BV) oder Emil Russell und Waldemar Mueller, die einzigen Großbankiers, die in Leitungsfunktionen des schwerindustriell dominierten Centralverbandes deutscher Industrieller gewählt wurden, waren ebenfalls Nichtjuden; desgleichen die meisten Organisatoren der Depositenkassen, Filialen und Konzernbanken, wie Rudolph (von) Koch, Carl Michalowsky und Gustav Schröter bei der Deutschen Bank, Carl Harter bei der Commerz- und Discontobank oder Eduard Mosler 34 Pinner, S. 209. 35 Wallìch, Aus meinem Leben, S. 127 (Hervorhebung vom Vf.). 36 Obwohl keine Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Familien Wallich und Mankiewitz bestanden, nahm Paul Mankiewitz »aus alter Anhänglichkeit« gegenüber Paul Wallich »einen entgegenkommenden Standpunkt« ein, als dieser bei der Deutschen Bank eintreten wollte. Hier zeigt sich gleichzeitig die Reziprozität des Protektionssystems: Hermann Wallich dürfte die Karriere Mankiewitz' »unterstützt« haben, der nun seinerseits dem Sohn seines Förderers Karrierehilfe zuteil werden lassen wollte.

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bei der Berliner Handelsgesellschaft (später wechselte er zur Disconto-Gesellschaft). Ebenfalls ganz überwiegend nichtjüdísch waren die Eisenbahnspezialisten sowie die ehemaligen Beamten und die mehrheitlich juristisch vorgebildeten Leiter staatlicher Kreditinstitute (Reichsbank und Seehandlung), die in das private Bankwesen übertraten. Besonders anschaulich wird die Verbindung von ethnischem und unternehmerischem Profil einer Bankleitung am Vorstand der Darmstädter Bank.37 Bis zur Jahrhundertwende war ihre Leitung unter der Federführung von Johannes Kaempf geschäftlich »außerordentlich konservativ« und »ihrem Wesen nach noch älter als nach Jahren«, weil sie lieber auf neue Geschäfte verzichtete, als ihre traditionell hohe Liquidität anzuspannen.38 Juden spielten in ihrem Vorstand bis dahin keine Rolle. Als die Bank 1901 ihre Dividende auf 4 % kürzen mußte, erhielt ein Mann jüdischer Herkunft mit einem ausgesprochenen Börsentalent, Bernhard Dernburg, im Rahmen eines die Direktion deutlich verjüngenden Vorstandsrevirements den Auftrag, die Bank wieder auf Expansionskurs zu bringen.39 Tatsächlich zeigte die Bank eine neue Dynamik. Die BHI übernahm unter Dernburgs Leitung die noch immer hochangesehene Privatbank R. Warschauer & Co. und band die angeschlagene Breslauer Discontobank an sich, wobei sich allerdings auch die Liquidität der Bank bedeutend verschlechterte. »In Bankkreisen sagte man damals: >Die Darmstädter Bank fällt von einem Extrem ins andere. Stadtrat Kaempf war fast zu ängstlich, auf preußische Konsols zu leihen, und jetzt tritt die Darmstädter Bank in die Gruppe ein, die zu den waghalsigsten Führern der Spekulation gehört^«40 Das grobe Verhalten des arbeitswütigen Aufsteigers Dernburg entzündete zunehmend Widerstand, wo immer er auf distinguierte Zauderer stieß, die sich seinem Drängen in den Weg stellten.41 Die einstigen Protagonisten der risiko37 Unter den 21 untersuchten ordentlichen Vorstandsmitgliedern der BHI befanden sich nicht mehr als fünf Männer jüdischer Herkunft; keiner von ihnen arbeitete in der Darmstädter Zentrale. Zu den allenfalls mittelmäßigen Geschäftsergebnissen der Bank im Vergleich mit den anderen Großbanken vgl. Anhang 2. 38 Loeb, S. 162; Friedegg, S. 297. Eine außerordentlich negative Bewertung der BHI unter der Leitung Kaempfs gibt Bernhard, Meister und Dilettanten, S. 227-229; Model, S. 86. 39 Pinner, S. 166. Das Durchschnittsalter in der Berliner Direktion sank dabei von 54 Jahren im Jahre 1899, dem letzten Jahre des stagnierenden »System Kaempf«, auf 45 Jahre für 1903. Der 1865 geborene Dernburg war bei seiner Berufung 1901 übrigens der jüngste Leiter einer der Berliner Großbanken. - Im Geschäftsbericht der BHI für 1901 - dem ersten von Dernburg geschriebenen - findet sich unverhüllte Kritik an der Geschäftsleitung seiner Vorgänger: »Das ungünstige Ergebnis des Jahres 1901 findet seine Erklärung im wesentlichen in der Verteilung der Einnahmequellen unserer Bank, welche, ihren früheren Traditionen folgend, bisher den Effekten-und Kommissionsgeschäften größere Aufmerksamkeit zugewandt und verhältnismäßig große Kapitalien zur Verfügung gestellt hatte, während das Kontokorrentgeschäft seine Pflege durch ein Netz von Kommanditen fand, deren Zahl sich aus verschiedenen Gründen stark vermindert hat«. 40 Loeb, S. 290; vgl. auch den Artikel über Dernburg bei Pinner, S. 163-169. 41 Vgl. Plutus (8.9.1906), S. 639.

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scheuen Geschäftspolitik - Kaempf, Riesser und Michelet - sorgten später über den Aufsichtsrat, wo Kaempf seit 1906 den Vorsitz führte, für eine Personalpolitik, die mehr wägende als wagende Männer in den Vorstand aufrücken ließ. Dernburg schied 1906 aus dem Vorstand aus, und die Bank verfiel unter der Leitung von Klitzings endgültig der Stagnation. »Die Seniorkollegen von Klitzing und von Simson verfochten mit Zähigkeit einen hyperkonservativen Standpunkt«, erinnerte sich Siegmund Bodenheimer,42 der 1910 in den Vorstand der Darmstäder Bank eintrat. »Bei dem Senior des Vorstandes von Klitzing kam, wie schon angedeutet, ein mangelnder Geschäftssinn zu den ihn beherrschenden Gesinnungen, welche den von Juden abstammenden, aber schon in der dritten Generation getauften Kollegen von Simson gelegentlich zu der netten Bemerkung veranlaßte: Was Ihnen, Herr Geheimrat, fehlt, ist ein Tropfen jüdischen Bluts.« Für alle Beteiligten existierte also durchaus ein Zusammenhang zwischen der ethnischen Zusammensetzung einer Bankleitung und der kaufmännischen Expansions- und Risikofreudigkeit des Unternehmens. Jüdisch, das hieß für sie: dynamisch und börsenorientiert. Starkjüdisch geprägt und mit einem ganz anderen geschäftlichen »Profil« als dasjenige der BHÏ waren drei andere Berliner Großbanken, die Berliner Handelsgesellschaft, die Dresdner Bank und die Nationalbank für Deutschland.43 In allen drei Banken nahmen Juden die zentrale Position in der Leitung der Institute ein: In der Handelsgesellschaft wurden 1883 in der Krise der Bank sämtliche Geschäftsinhaber ausgewechselt, so daß sich auch die ethnische Zusammensetzung der vormals nichtjüdisch dominierten Bankleitung veränderte, denn Carl Fürstenbergs Befugnisse gingen so weit, sich von Anfang an seine Mitarbeiter allein auswählen zu können.44 In der Dresdner Bank war es Eugen Gutman, der seinen Sohn Herbert und seinen Schwiegersohn Johann Jacob Schuster in den ansonsten personell recht stabilen Vorstand brachte. Gutmann stand obendrein in dem Ruf, jüdische Prokuristen, die seinem eigenen Beispiel folgten und zum Christentum konvertierten, beim Aufstieg in den Vorstand gegenüber talentierten Kollegen, die der jüdischen Konfession die Treue hielten, zu bevorzugen.45 In der Nationalbank prägte Eugen Landau als Aufsichtsratsvorsitzender in den ersten20Jahren des Bestehens der Bank ihre Geschäftspolitik. Alle drei Banken waren außerordentlich expansionsfreudig, risikobereit 42 Bodenheimer, Mein Leben, S. 44. Klitzing selbst wurde von Bodenheimer als »eine sympatische Repräsentationsfigur, geschickt als Verhandler, aber kaufmännisch nicht allzu begabt« bezeichnet (ebd., S. 38). 43 Bei der Nationalbank konnten sieben von 11 Vorstandsmitglieder als jüdisch oder jüdischer Herkunft identifiziert werden; zur Dresdner Bank und zur BHG vgl. Anm. 16. 44 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. l29f Die bis 1883 maßgeblichen, nicht-jüdischen Familien Gelpcke und Conrad beispielsweise waren beide seit Gründung der Bank 1856 mit je zwei Mitgliedern (Johann F. Gelpcke, Friedrich Gelpcke, Eduard Conrad und Wilhelm Conrad) in der Leitung der Bank vertreten. 45 Münchner Post Nr. 225 (27.9.1913).

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(teilweise mit einer Neigung zu großen spekulativen Engagements, so besonders die Nationalbank, was seinen Ausdruck in den starken Schwankungen ihrer Dividenden findet) und arbeiteten stark börsenorientiert. Das sog. »laufende Geschäft« dagegen gewann bei der BHG erst nach dem Ersten Weltkrieg an Bedeutung. In den beiden größten Aktienbanken, der Disconto-Gesellschaft und der Deutsche Bank, bestand eine austarierte und offenbar sehr erfolgreiche ethnische Zusammensetzung der Direktion. »Es wurde nämlich bei der Deutschen Bank darauf geachtet, den jüdischen Einfluß nicht unter ein gewisses Verhältnis absinken zu lassen«.46 In beiden Instituten lag der Anteil jüdischer Geschäftsinhaber resp. Vorstandsmitglieder kaum höher als ein Viertel, diese aber waren für die jeweilige Bank außerordentlich wichtig. Bei der Disconto-Gesellschaft handelte es sich unter anderem um den langjährigen Seniorchef und späteren Vorsitzenden des Centralverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, Arthur Salomonsohn, sowie dessen Onkel Adolph Salomonsohn, dem es gelang, auch seinen Sohn, Georg Solmssen, zum Geschäftsinhaber aufsteigen zu lassen, bei ihrer jüngeren Konkurrentin neben Hermann Wallich, der das Überseegeschäft der Bank aufbaute, und dem späteren Vorstandssprecher Oscar Wassermann die beiden Börsenchefs Max Steinthal und Paul Mankiewitz. Keiner der Genannten übte seine Tätigkeit als Leiter der Bank weniger als 20 Jahre aus; einige bedeutend länger. Diese Kontinuität und Balance scheint in beiden Banken zu stetiger Dynamik in der Geschäftspolitik beigetragen zu haben und wäre demnach als eine der wichtigsten Bedingungen ihres Erfolgs anzusehen. Nach all dem Gesagten ist klar, daß trotz der weitgehenden Öffnung des »Feldes der Hochfinanz«, die besonders von NichtJuden genutzt wurde j ü d i sche Großbankiers weiterhin bestimmte Geschäftsbereiche dominierten (was das unternehmerische Profil ganzer Institute prägen konnte), und daß die Verteilungjüdischer wie nichtjüdischer Akteure im »Feld« von Faktoren wie Herkunft oder Laufbahn bedingt wurde, die zusammengefaßt die ethnische Zugehörigkeit als wesentliches Strukturelement des »Feldes« erkennbar werden lassen. b) Die Hochfinanz und der Antisemitismus Wie kein zweiter Wirtschaftszweig war das Bankwesen im deutschen Kaiserreich gerade wegen seiner spezifischen ethnischen Struktur durch den Antisemitismus mit einer vorwiegend außerökonomischen Bewegung47 konfrontiert. 46 HADB Akten Elkan Heinemann (5.3.1965). 47 Damit sollen keineswegs die materiellen Bedingungen für das Entstehen und die Ausbreitung des Antisemitismus geleugnet werden. Dennoch ist leicht einsichtig, daß der Antisemitismus

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Wegen des außerordentlich starken Anteils von Juden und vor allem in den Führungspositionen war das Bild des Bankgewerbes in der öffentlichen Diskussion und damit die soziale Wertschätzung der Hochfinanz mit dem Ansehen der Juden verknüpft. Aus diesem Grund konnten judenfeindliche Propagandisten auch antisemitische und anti- (finanz-) kapitalistische Stereotypen miteinander verbinden. Diese Stereotypen und die Reaktionen der Hochfinanz auf den Antisemitismus sind Gegenstand dieses Kapitels. Der Antisemitismus war vor 1914 keine kohärente Ideologie und setzte speziell den Bankiers auch keine irgendwie geschlossene Analyse des Finanzwesens entgegen. Es handelte sich vielmehr um eine Vielzahl stereotyp wiederholter Schein- und Halbwahrheiten, vermischt mit interessenpolitischen Forderungen.48 Judenfeindschaft gehörte zum Kernbestand des politischen Habitus der vorindustriellen Eliten wie des Militärs und Teilen des Bildungsbürgertums.49 Sie trat dabei in unterschiedlichen Formen au£ wobei die jüdischen Großbankiers sich besonders mit zweien ihrer Spielarten konfrontiert sahen: erstens dem »sozialen« Antisemitismus, der besonders in den verschiedenen Fraktionen der Oberklassen verbreitet war und dessen Funktion darin bestand, die Integration der Juden als Aufsteiger zu verhindern und durch diese Exklusion das gesellschaftliche Prestige dieser Gruppen zu wahren; und zweitens dem »ökonomischen« Antisemitismus, der die Juden mit bestimmten, als Bedrohung empfundenen Wirtschaftszweigen und -praktiken identifizierte und dessen Judenfeinschaft aus dem vermeintlichen Abwehrkampf gegen diese Bedrohungen resultierte.50 Seinen Erfahrungsgrund fand der »gesellschaftliche« Antisemitismus in der starken, »aufwärts« gerichteten sozialen Mobilität eines großen Teils der Judenschaft seit Beginn der Industrialisierung. Daß jüdische Mitbürger niedriger sozialer Herkunft mit ihrem neuerworbenen Reichtum zu »protzen« begannen und so die Anerkennung ihres Aufstiegs forderten, mußte diejenigen irritierten, die ihre ständisch definierte soziale Position durch diese Zurschaustellung bedroht sahen.*1 Andererseits rührte der Antisemitismus praktisch nie am industriellen Kapitalismus als solchem, sondern griff stets eine Variante, den Finanzkapitalismus, an. Auf diese Weise stellte der »gesellschaftliche« die Verbindung mit dem »ökonomischen« Antisemitismus her. Ausgangspunkt antisemitischer Propagandisten war oft, wie nicht anders zu erwarten, der hohe Anteil von Juden im Finanzwesen. Hier mußte sich die neue Unübersichtlichkeit, die mit der durchgreifenden Modernisierung des eine politische Bewegung, eine Ideologie, eine Massenpsychose oder ein »soziales Leiden«, aber keine ökonomische Bewegung war und ist. Sitnntcl, S. 58-100. 48 Vgl Rosenberg, S. 88-117. 49 John, Reservcoffìzierskorps, S. ÌSO-22O-Jarattsch, Students, S. 264-274. 50 Zum ökonomisch motivierten Antisemitismus vgl. Rosenberg, S. 96 ff. 51 Zur zeitgenössischen Unterscheidung zwischen den sog. »bescheidenen« und den »unbescheidenen Juden« vgl. Stem, Gold und Eisen, S. 721.

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Wirtschaftsgeschehens entstanden war und der gerade Bauern und Kleingewerbetreibende hilflos gegenüberstanden, in besonderer Weise auswirken. Diese Klein- und Kleinstunternehmer, die ihre Kunden bislang auf allenfalls lokal strukturierten Märkten gefunden hatten, waren von dem Einbruch weltwirtschaftlich organisierter Konkurrenz und des für sie völlig undurchsichtigen Marktgeschehens heillos überfordert und suchten nach neuen Erklärungsmustern für eine sich rasend verändernde Welt. Solche Muster bot der Antisemitismus an.52 Unter den Erfahrungen des »Gründerkrachs«, in dem viele Anleger ihr Geld verloren, lag es nahe, den in der Finanzbranche so prominent vertretenen Juden die Schuld zu geben. Otto Glagau schrieb darüber eine Reihe von Artikeln in der populären Gartenlaube und kam zu dem Ergebnis: »Meine ... Behauptung: 90 Procent der Gründerund Börsianer sind Juden - kann wohl nicht im Ernst bestritten, braucht nicht noch besonders bewiesen werden ... von den Gründungen der Schwindelperiode in Deutschland fallen gut 90 Prozent auf die Juden«.53 Tatsächlich blieb diese Behauptung unbewiesen und war auch offenkundig falsch.54 Im Zweifelsfalle erklärten antisemitische Banken-Gegner einfach nichtjüdische Bankiers für jüdisch.55 Ganz auf dieser Linie behauptete die Kreuz-Zeitung 35 Jahre später, als der jüdische Anteil im Bankwesens weitaus geringer war als zu Glagaus Zeiten: »Der Schwerpunkt des jüdischen Einflusses auf Handel und Industrie, auf unser Wirtschafts- und Volksleben, liegt unstreitig in dem Geldhandel, in der Anhäufung des Kapitals und der durch dieses ausgeübten Macht auf Geschäftsbetriebe. Und diese Macht und dieser Einfluß können keineswegs immer oder vorwiegend förderlich für unser Volk betrachtet werden. Das Börsen- und Aktienwesen liegt vorwiegend in jüdischen Händen und damit beherrschen sie das öffentliche Leben in einer fast ausschließlichen Weise.«56

Auch die Zäsuren im deutschen Währungssystem, die Einführung der Goldwährung und die Gründung der Reichsbank (»eine privilegierte Actien-Gesellschaft von und für Juden«57), auch die wirtschaftliche Liberalisierung der frü52 Adorno, S. l98f. 53 Glagau, Berlin, S. XXV (I íervorhebung im Orig.). 54 Zwei der skrupellosesten »Gründer«, Heinrich Quistorp und Heinrich Schuster, waren keine Juden. Die wichtigsten jüdischen Bankhäuser, S. Bleichröder, Mendelssohn & Co., R. Warschauer & Co., F.Mart. Magnus, waren in keine betrügerischen Gründungen verwickelt. Tatsächlich fallen in Glagaus materialreicher Aufzählung der Gründungen und Umwandlungen von Aktiengesellschaften zwei ganz andere Namen der Hochfinanz sehr oft: H.C. Plaut und Delbrück, Leo & Co., die eher der »Peripherie« als dem »Kern« der Hochfinanz zuzurechnen waren und von denen die zweite nicht von jüdischen Bankiers geleitet wurde. 55 Schon 1877 sprach Rudolph Meyer im Zusammenhang von bekanntermaßen nichtjüdische Bankiers wie Adolph (von) Hansemann und Johannes (von) Miquel vom »deutschen Bankjudenthum«. KrZ (9.9.1912); Meyer, Politische Gründer, S. 46; Sigilla Veri, Bd. II, S. 930. 56 KrZ Nr. 72(12.2 1911). 57 Vgl. die Schrift von Hilanus Bankberger (Pseud. für Franz Perrot), Die sogenannte »Deutsche Rcichsbank«, eine privilegierte Actien-Gesellschaft von und für Juden (Berlin 1876). Für

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hen 1870er Jahre und die freihändlerische Zollpolitik des Reiches waren nach Ansicht der Antisemiten das Werk von Juden.58 Ohne hier in extenso die sozialen Ursprünge des modernen Antisemitismus diskutieren zu wollen, sei doch bemerkt, daß Gruppen wie Kleingewerbetreibende und Bauern zumindest teilweise auf eigene Erfahrungen ökonomischer Art mit jüdischen Bankiers und Kaufleuten verweisen konnten. Dabei handelte es sich allerdings nicht um Mitglieder der Hochfinanz, sondern um jüdische »Wucherer«, kleine und mehr oder weniger am Rande der Legalität operierende Händler und Kreditgeber.59 Dennoch gab es einen Berührungspunkt zwischen jenen vorindustriellen Berufsgruppen und den Mitgliedern der Hochfinanz, der zu Aversionen gegen den modernen Finanzkapitalismus führen mußte: der mangelnde Zugang zu zinsgünstigen Darlehen. Obwohl die meisten Hypothekenbanken bei ihrer Gründung ausdrücklich die Verbesserung des landwirtschaftlichen Immobiliarkredits als Ziel angaben, wandten sie sich in der Praxis sehr schnell dem einfacheren wie lukrativeren Geschäft mit dem städtischen Grundbesitz bzw dem Wohnungsbau zu.60 Bauern sahen sich auf die öffentlich-rechtlichen Hypothekarinstitute und Sparkassen verwiesen, was aber erst in den 1890er Jahren zu einer spürbaren Entlastung führte.61 Die großen Kapitalien der Aktienbanken kamen der Landwirtschaft nicht zu Gute. Ähnliches galt für städtische Kleingewerbetreibende. Nicht weniger als drei der 24 Aktienbanken des Preußenkonsortiums waren explizit zur Vergabe von Krediten an diese Gruppe gegründet worden, zuletzt die Berliner Bank (1889). Alle drei Banken entfernten sich aber mehr oder weniger schnell und in unterRudolph Meyer war die Reichsbank schlicht die »Reichsjudenbank«. Glagau, Deutschland, S. 215; Meyer, Politische Gründer, S. 24. 58 Glagau, Deutschland, S. XXXV; KrZ Nr. 148 (29.6.1875). 59 Gerade den Bankiers der Hochfinanz wie Julius Schwabach oder Franz Mendelssohn sen., auch dem Vater Gerson (von) Bleichröders (dem Begründer von S. Bleichröder) wurde demgegenüber »notorisch strenge Rechtlichkeit« bescheinigt. LHA Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13006 (12.5.1897), Nr. 11791 (4.8.1881), Nr. 8944 (14.12.1863). 60 Um die Jahrhundertwende betrug der Anteil der ländlichen Hypotheken bei den I Iypothekenaktienbanken nur noch 11 %, um Ende 1908 auf weniger als 6,5 % gefallen zu sein - ein Wert, der dem der 1970er Jahre entsprach. Frankvnberg, S. 38; Treue, Hypothekenbanken, S. 57; Born, Geld und Banken, S. 197. 61 Auch bei den Sparkassen zeigt sicli der Trend, den städtischen Immobiliarkredit zu Ungunsten des ländlichen auszubauen: Während bis 1874 die Summe der Sparkassen-Hypotheken auf ländliche Grundstücke die derjenigen auf'städtische Grundstücke noch überstieg und sich beide bis etwa 1890 die Waage hielten (1874: 261.19 Mio M zu 259.38 Mio M; 1890: 895.09 Mio M zu 957.50 Mio M), stiegen in der Folgezeit die städtischen Hypotheken überproportional an (1900: 1486.73 Mio M zu 2000.20 Mio M; 1913: 2339.48 zu 5907.20 Mio M). Allerdings gab es nicht wenige Bauern, die sich aus Furcht vor Bekanntwerden der Verschuldung, überhaupt scheuten, bei ordentlichen Kreditinstituten I ïypotheken aufzunehmen, und die statt dessen den »verschwiegenen Handelsmann« um Kredit baten - und prompt dem Wucher in dtc Hände fielen. Puhle,S. 127.

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schiedlichem Ausmaß von ihrem ursprünglichen Programm, und ihre potentiellen Kleinkunden mußten feststellen, daß die Mittel der Großbanken vor allem den Großkunden in Handel und Industrie zuflössen.62 So war es die ständige und durchaus nicht unberechtigte Klage des gewerblichen Mittelstands, durch den Konzentrationsprozeß im Bankwesen seine Geldgeber zu verlieren, bis nur noch Sparkassen (die Kredite ausgesprochen restriktiv gewährten) und eher schwächliche Kreditgenossenschaften übrigblieben. Für Unmut sorgte auch die Benachteiligung bei der Kreditvergabe durch die großen Banken, die nicht ganz unberechtigt in dem Ruf standen, den Großbetrieben die Kredite aufzudrängen, während Handwerker und Gewerbetreibende unter finanzieller Unterversorgung litten.63 Kleingewerbetreibende wie Bauern hatten also durchaus Grund, dem sich immer stärker ausprägenden Finanzkapitalismus mißtrauisch gegenüberzustehen, und der war ihrer Wahrnehmung nach eine jüdische Angelegenheit. Beide Gruppen konnten so zu den hauptsächlichen sozialen Trägern des Antisemitismus werden. Die Ideologie des Antisemitismus vermochte, die Kluft, welche die sozialen Welten der Kleinhändler von der Hochfinanz trennte, zu überbrücken. Zum Zusammenbruch der Leipziger Bank schrieb der Reichsbote: »Es ist dasselbe bewährte Verfahren, wie wenn der jüdische Güterschlächter den Bauer sich stillschweigend tiefer sich hineinreiten läßt, bis er an den letzten Gant [Konkurs] ist und jetzt der Wucherer die Schlinge zuzieht und die Frucht erntet. Dadurch ist das faktische Resultat erzielt, daßgerade die soliden, christlichen Vermögen, selbst öffentliche Gelder, die sonst der Spekulation unerreichbar sind, und sich von ihr namentlich in ihrer jüdischen Gestalt zurückziehen, in denkbar weitestem Umfange getroffen wurden.«64 War diese Judenfeindschaft, die doch so vehement gegen das »jüdische Großkapital« wetterte, tatsächlich antikapitalistisch? Tatsächlich griff diese Agitation nie das kapitalistische System als solches an, sondern stets nur dessen »Auswüchse«, also das »Bank- und Geldkapital«. Die Kreuz-Zeitung schrieb 1892: »Da die wirtschaftliche Ausbeutung des Volkes durch den Kapitalismus, insbesondere durch die Vermittlung der Börsen, ihren Hauptrepräsentanten - abgesehen von seinem schädlichen Einfluß in sittlicher Beziehung - in dem modernen Judentum findet, dessen Einfluß die zulässige Grenze weit überschritten hat, 62 An der unglücklichen Entwicklung der Deutschen Genossenschaftsbank waren die Genossenschaften selbst allerdings nicht ganz schuldlos. Einerseits klagten sie, von ihrer »Zentralbank« nicht ausreichend mit Krediten versorgt zu werden, was v.a. für die wirtschaftlich schwachen Genossenschaften zutraf; andererseits machten viele potente Genossenschaften Geschäfte mit anderen Banken. BBC Nr. 450 (28.9.1874); Faust, S. 540. 63 Derart äußerte sich z. B. der Papier-Industrie-Verein in seinem Jahresbericht für 1913 (Kölnische Volkszeitung25.5.1914). Pohl, Deutsche Bankengeschichte, Bd. II, S. 327;Hentschel, S. 133-135; Die Bank 1 (1908), S. 443^50. 64 Zitiert nach der Presseschau in der FZ Nr. 191 (12.7.1901).

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muß diesem Einfluß die erforderliche Schranke gesetzt werden.«65 Schon die sich besonders an das Kleinbürgertum wendende »Berliner Bewegung« des Hofpredigers Stoecker hatte 1878/79 »die Beseitigung des Hypothekenwesens im Grundbesitz« und die »Änderung des Börsen- und Aktienwesens« gefordert.66 Und Heinrich Claß, der große protofaschistische Organisator und Ideologe, verlangte kurz vor dem Ersten Weltkrieg zwar eine Begrenzung des »Kapitals« der Großbanken und ein Verbot von Bankfusionen sowie die staatliche Überwachung größerer Banken, wandte sich jedoch gegen jedwede Beschränkung der industriellen Konzentration.67 Antikapitalistisch war die antisemitische Propaganda nicht, allenfalls »antifinanzkapitalistisch«, wobei dem Industriekapitalismus die »aufbauenden«, dem Finanzkapitalismus die »zerstörerischen« Elemente der modernen Wirtschaft zugeschrieben wurden.68 Wohl gab es weitverbreitete antikapitalistische Sehnsüchte nach einer vormodernen Welt, doch war es nicht möglich, diese Sehnsüchte anders als antifinanzkapitalistisch zu artikulieren. Ein weiterer Topos, mit dem jüdische Bankiers von antisemitischen Agitatoren identifiziert wurden war deren angebliche »nationale Unzuverlässigkeit«: >»Das Kapital hat kein Vaterland!< - Dies ist die wahre Gesinnung, ja der offene Wahlspruch der Börse«, schrieb Otto Glagau schon 1876. In diesem Jahr tauchte auch zum ersten Mal das Schlagwort von der »goldenen Internationale« auf69 »International« aber bedeutete: »vaterlandslos«. In diesem Sinne hieß es um die Jahrhundertwende: »Das Großkapital kennt kein Vaterland, es ist international. Es sucht nur den eigenen Vorteil, Vaterland und Patriotismus sind ihm fremde 65 KrZ Nr. 491 (20.10.1892), Hervorhebung vom Vf. Ganz ähnlich hieß es in einem späteren Artikel: »Das Schlimmste im Aktienwesen ist die Möglichkeit, durch einen verhältnismäßig kleinen eigenen Besitz von Aktien die Leitung der Gesellschaften, die ihr Kapital beliebig vergrößern können, in die Hand zu bekommen. [...] Gewiß haben die eigentlichen Leiter solcher Unternehmungen [der Aktienbanken] auch mächtige Aufgaben zu erfüllen, aber der Einfluß, den sie vermöge der ihnen zu Gebote stehenden Macht fremden Kapitals auf unser öffentliches Leben ausüben, ist ein unberechtigt großer und deshalb nachteilig für unser Volkstum. [...] Kurz zusammengefaßt muß das Urteil über das Aktienwesen in den Händen unserer jüdischen Mitbürger dahin gehen, daß es diese unangemessen bereichert und die weitesten Kreise des Volkes, namentlich aber des Wirtschaftslebens in eine unserem Volkstum höchst nachteilige Abhängigkeit von den Börsen- und Bankkreisen bringt.« KrZ Nr. 72 (12.2 1911). 66 Stoecker, S. 368 ff. 67 Frymann (d.i. Claß),S. 60-(ü. 68 Neumann, S. 379. 69 Nachdem er in seiner Schmähschrift »Der Bankerott des Nationalliberalismus und die Reaction« (Berlin 1878) auch noch behauptet hatte, der Attentäter Nobílmg sei Jude und in der »jüdisch-liberalen Presse« bereits zum Patrioten mutiert, mochte der stets Banken-freundliche Berliner Börsen-Courier Glagaus Schrift nur noch »einem ärztlichen Mitarbeiter zur Kritik« übersenden. BBC Nr. 322 (13.7.1878 MA). Glagau, Berlin, S. 15-17; Puhie, S. 117; nach der Schrift von C. Wilmanils, Die goldene Internationale und die Notwendigkeit einer sozialen Reformpartei, Berlin 1876. Die Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer setzte von dieser Schrift binnen kurzem 25.000 Exemplare ab. Meier, S. 40.

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Begriffe. Als der deutsch-französische Krieg ausbrach, hatten unsere jüdischdeutschen Kapitalisten kein Geld. Erst als das Kriegsglück sich unwandelbar an die deutschen Waffen heftete und kein Risiko mehr bestand, wurde das deutsch-jüdische Kapital >patriotischHaben Sie schon bemerkt, meine Herrschaften, welches Malheur diesem Antisemitenhäuptling passieren mußte, daß gerade er verurteilt worden ist, sich stundenlang mit Frau Sara Salomonsohn auszusprechen.gerade das ist ja die Erkenntnis, die ich Ihnen beibringen will und gegen die Sie täglich mit Ihren demagogischen Verallgemeinerungen verstoßen«^102 Eine differenzierte Haltung zu diesem Problem nahm Hermann Wallich in seinen 1882 geschriebenen Bemerkungen »über das Judentum« ein. Einerseits war er der Auffassung, das Judentum als Konfession habe sich »überlebt«, und »Märtyrer einer Sache zu sein, für die man nicht mehr das volle Gefühl hatte«, gedachte er nicht; andererseits hatte er erkannt, daß »der Antisemitismus seine religiöse Färbung längst verloren« hatte. Für ihn war an dessen Stelle seit langem der »ökonomische« Antisemitismus getreten: »Bei dem sozialistischen Zug unserer Zeit ist es klar zu erkennen, was, bewußt oder unbewußt, das Endziel dieser Bewegung ist: die Feindschaft gegen das Kapital.« Das deutschjüdische Verhältnis sah er allerdings auch durch das Verhalten vieler Juden bedroht: »Ich sah klar vor Augen, daß der jüdischen Überheblichkeit, die sich überall breit machte, eine fürchterliche Reaktion folgen mußte. Eine Reaktion, die leider die besseren jüdischen Elemente unverdientermaßen am empfindlichsten treffen sollte.«103 Auch Wallich teilte also die Unterscheidung zwischen »bescheidenen« und »unbescheidenen« Juden, doch hatte er festgestellt, daß es sich beim »sozialen« Antisemitismus um ein in den herrschenden Klassen verbreitetes Phänomen handelte: Der Antisemitismus hat »bedeutende Fortschritte in den Gemütern gemacht. Die Abschlicßungsmethode nimmt gerade in den besseren Ständen zu«. Für die jüdischen Großbankiers, die teilweise einen recht engen Umgang mit Angehörigen anderer Oberklassenfraktionen pflegten und kaum begierig gewesen sein dürften, hier ewig die Außcnsciterrolle spielen zu müssen, lag es offenbar nahe, sich in der Auseinandersetzung mit dem hier vorherrschenden 101 Zitiert nach: Stern, Kulturpessimismus, S. 92. 102 Solmssen, S. 18. 103 Waììich, Aus meinem Leben, S. 132-134; auch für das Folgende. 191 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

»sozialen« Antisemitismus durch die Übernahme des Stereotyps der Unterscheidung zwischen »bescheidenen« und »anmaßenden« Juden vom Rest ihrer Glaubensgenossen zu distanzieren, zumal in einer Zeit starker Wanderungsbewegungen von armen polnischen und russischen Juden nach und durch Deutschland. In der Praxis fungierte der »soziale Antisemitismus« durch seine Unterscheidung zwischen akzeptierten (»bescheidenen«) und abgelehnten (»parvenühaften«) Juden als Abschließung einer kleinen Zahl von reichen und etablierten, also privilegierten und in die Oberklassengesellschaft kooptierten Juden gegenüber ihren materiell weniger gut gestellten und gesellschaftlich weniger akzeptierten Glaubensgenossen. Mit diesem Distinktionsverhalten dokumentierte die jüdische Hochfinanz zugleich ihren Anspruch auf die Zugehörigkeit zu den Oberklassen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die »ethnische Struktur« in praktisch allen Bereichen der Hochfinanz erkennbar und wirksam war. Ihre besondere Bedeutung erhielt sie durch die Verdrängung der Privatbankiers durch die Manager-Bankiers. In den für das Bankwesen »goldenen Jahren« des Kaiserreiches drückte sich diese Entwicklung allerdings nicht im Verschwinden jüdischer Bankiers, sondern in einer Zunahme der Leitungspositionen aus, von der Juden relativ weniger profitierten als NichtJuden. Die »ethnische Struktur« der Hochfinanz zeichnete sich aus durch dauerhafte Muster im Verhältnis der Eigentümer- zu den Angestellten-Unternehmern wie in der Besetzung der Leitungsgremien der (Aktien-) Banken, in deren interner Arbeitsteilung und der daraus folgenden Geschäftspolitik. Aufgrund der Weitergabe einer spezifisch kaufmännischen Tradition waren jüdische Bankiers eher börsenorientiert als nichtjüdische, die ihrerseits tendenziell in den Ressorts der Industriebeziehungen und der Konzernorganisation zu finden waren. Das unternehmerische Profil der Banken hing also von der Konstellation innerhalb der Leitungsgremien ab. Wegen der Dauerhaftigkeit dieser Muster - und nicht wegen einer spezifischen Affinität des jüdischen Volkes zum Finanzkapitalismus, die stärker entwickelt wäre als die anderer Völker, und auch nicht, weil jüdische Bankiers durch Zahl oder Einfluß den Bankensektor in eine bestimmte »jüdische« Richtung gelenkt hätten - war das gesamte deutsche Bankwesen von dieser »ethnischen Struktur« geprägt. Obwohl Juden in der wilhelminischen Zeit nicht einmal mehr die Mehrheit der Großbankiers stellten, konnte im Bewußtsein der weiteren Öffentlichkeit nicht nur, aber besonders von Antisemiten das Bankwesen als von Juden dominiert identifiziert werden. Die verschiedenen Formen des Antisemitismus berührten die Hochfinanz unterschiedlich. Die stärkste Auswirkung hatte vor 1914 wohl seine »gefahrloseste« Form, der in den Oberklassen verbreitete »soziale« Antisemitismus, der dazu führte, daß gerade der reichste und im übrigen angesehenste Teil der Hochfinanz, die großen jüdischen Privatbankierfamilien, sich nicht mit den vorindustriellen Eliten vermischen konnte, um den durchaus vorhandenen, 192 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

aber nahezu vollständig blockierten kohäsiven Kräften zum Durchbruch zu verhelfen und eine einigermaßen homogene herrschende Klasse von politischer Macht, Reichtum, Ansehen und Bildung zu formen. Demgegenüber dürfte die Wirkung des »ökonomischen« Antisemitismus in der Bankwelt eher schwach gewesen sein, da er hauptsächlich bei den Bauern und dem »alten Mittelstand« verbreitet war, deren einzige Einflußnahme auf das Bankwesen in der Gesetzgebungskompetenz des Reichstages lag und damit auf vielfältige Weise, vor allem durch direkte Kontakte zum Staatsapparat, abgeschwächt werden konnte. Bei diesen Gruppen konnte der Antisemitismus jedoch eine ohnehin verbreitete Bankenfeindlichkeit verstärken. Zu einer gemeinsamen Abwehr der Bedrohung, die um 1880 durchaus noch spürbar war, kam es nach dem Ende der »liberalen Ära«, als nichtjüdische Berliner Notabein unter Einschluß bedeutender Bankiers gegen den Antisemitismus ihre Stimme erhoben, nicht mehr. Gegenüber der »leisen« Judenfeindschaft der Oberklassen reagierten die privilegiertenjuden vielmehr mit einer Unterscheidung, die sie von den Judenfeinden selbst übernommen hatten: der Unterscheidung zwischen »besseren« und »schlechteren«Juden. Innerhalb der Hochfinanz war die Judenfeindschaft erklärlicherweise verhältnismäßig wenig verbreitet, am ehesten noch bei denjenigen nichtjüdischen Manager-Bankiers, die aus Beamtenfamilien stammten beziehungsweise aus der Beamtenlaufbahn in die Spitze einer Großbank übertraten, welche die Ressentiments ihrer Herkunftmilieus mitbrachten und nur wenig beruflichen Umgang mit Juden hatten.

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5. Etablierte und Aufsteiger Den Zeitgenossen der Reichsgründung galten die reichen Bankiers noch nicht als »Hochfinanz«. Dafür fehlte eine ausreichende überregionale Vernetzung im Bankwesen und eine ausreichend große Gruppe von Bankiers, die deren Knotenpunkte kontrolliert hätte. Es fehlte aber auch der Begriff. Das Wort »Hochfinanz« oder »haute finance« findet sich während der 1870er und 80er Jahre weder in den Dossiers, welche die politische Polizei über viele Bankiers anlegte, noch in den einschlägigen Publikationen über das Finanzwesen.1 Über Gerson Bleichröder berichtete 1865 der Berliner Polizeipräsident anläßlich der geplanten Verleihung des Titels eines Geheimen Kommerzienrats, dieser habe eine große Bedeutung »in der Banquier Welt«.2 Die Begriffe »Hochfinanz« oder »haute finance« - der französische Ausdruck erfreute sich größerer Beliebtheit, ein Zeichen dafür, daß es sich bei dieser Gruppe im Bewußtsein der Zeitgenossen eigentlich um einen »Fremdkörper« handelte3 - bürgerte sich erst um die Jahrhundertwende ein, und zwar zuerst für die Inhaber großer, etablierter Privatbanken wie Mendelssohn & Co. Im letzten Jahrzehnt vor 1914 setzte sich der Begriff »Hochfinanz« dann allerdings immer mehr als Bezeichnung für die Großbanken und ihre Leiter durch.4 Über den Begriff schrieb der bereits mehrfach zitierte Georg Bernhard: »Die Hautefinance stellt gewissermaßen den Börsenadel dar Und merkwürdig ist, daß gerade im Mittelpunkt des Kapitalismus das Adelsprädikat durch Geld nicht erworben werden kann. Man kann aber auch hier den Unterschied - sit venia verbo - zwischen Schwertadel und Briefadel machen. Voraussetzung für beide aber ist eine gewisse Tradition«.5 1 Eint- seltene Ausnahme bildete der antisemitische Autor Rudolph Meyer, der, dem französischen Sprachgebrauch folgend, bereits Ende der 1870er Jahre für die Berliner Bankwelt den Begriff »haute finance« verwendete. Meyer, Politische Gründer, S. 14 und S. 50. 2 LMA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 8944 (18.12.1865). 3 In Frankreich wurde der Begriff»haute banque« seit der Restauration - also rund 80Jahre früher als in Deutschland - verwendet; Plessis, S. 149. 4 Leicht erkennbar wird das schon an den Überschriften der Zeitungsartikel, die sich mit diesem Phänomen befaßten, etwa »Staatsbeamte und Hochfinanz« (Hamburger Nachrichten, 18.9.1908), oder: »Charakterköpfe der deutschen Hochfinanz« (Neues Wiener Journal, 25.4.1926); mit dem BegrifFkonnten dann auch explizit polare soziale Positionen bezeichnet werden, z.B »Hochfinanz und Mittelstand« (Die Bank, 1 [1908], S. 443^50). Die Tägliche Rundschau (Nr. 295 [21.12.1910]) verwendete dann den französischen Begnfï»haute banque« für die Aktienbanken und explizit als Gegensatz zur »Hochfinanz« der Pnvatbankiers. 5 Bernhard, Berliner Banken, S. 23f

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Der Schwertadel - das waren für Bernhard Privatbankiers wie Mendelssohn, Warschauer und Bleichröder, welche die Machtstellung der Berliner Börse über ganz Deutschland erkämpft hatten. Briefadelig waren in diesem Sinne die Leiter der großen Aktienbanken, Emporkömmlinge zweifelhafter Herkunft, emporgespült auf den Wogen der Riesenkapitalien ihrer Institute. Tatsächlich stand die Welt der Großbankiers unter der Spannung zwischen einer etablierten und einer neuen Fraktion, denn das »Feld der Hochfinanz« verdankte seine Struktur auch der Dimension des »sozialen Alters« der einzelnen Banken und Bankiers. Das »soziale Alter« bezeichnet die Dauer, über die eine bestimmte (herausgehobene) soziale Position eingenommen, anerkannt und verteidigt wird. »Soziales Alter« kann als »Kapital« wirken, indem die Anerkennung der Position es dem Inhaber ermöglicht, Profite zu akkumulieren, so zum Beispiel wenn einer etablierten Bank »die meisten besseren Geschäfte ... zuerst angeboten [werden], die Kunden gehen zu ihr, ehe sie konkurrierende Institute ins Auge fassen. Diese hervorragende Stellung ermöglicht es ihr, sowohl unter den Geschäften als auch unter den Kunden zu wählen«/1 Die Bedeutung dieses Faktors wird unmittelbar sinnfällig wenn man daran denkt, daß die Standesvertretungen der Unternehmer vor der Einführung der halbstaatlichen Handelskammern häufig »Älteste der Kaufmannschaft« betitelt waren, auch wenn in diesen Korporationen in der Regel die größten Firmen den Ton angaben. Im »Feld der Hochfinanz« lassen sich die Akteure eines verhältnismäßig hohen »sozialen Alters«, also die aus alten Großunternehmerfamilien stammenden »Etablierten«, von denjenigen mit einem geringen »sozialen Alter«, also den »Aufsteigern«, die erst seit kurzem eine Position im Raum der Oberklassen einnahmen, in ihrem Habitus deutlich unterscheiden. Letztere hatten die Dispositionen, denen sie ihren mühevollen sozialen Aufstieg verdankten, tief verinnerlicht, vor allem eine besondere Hochschätzung von Arbeit und Leistung und die Vernachlässigung außerberuflicher Interessen, und bewahrten diese, auch wenn sie gelegentlich nicht mehr recht zu ihrer neuen Position zu passen schienen. Demgegenüber hatten die »Etablierten«, bei denen es sich aus naheliegenden Gründen hauptsächlich, aber nicht nur um Privatbankiers handelte, niemals die Notwendigkeit kennengelernt, das eigene »ökonomische Kapital« unbedingt maximieren zu müssen; wollten sie ihren Kapitalbesitz bzw. den der Familie mehren, bevorzugten sie statt dessen Investitionen in »soziale«, »kulturelle« und »symbolische« Güter und Praktiken.

6 Modd.S.4l.

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a) Das »soziale Alter« Gerade weil die Reichsgründungszeit, in der das »Feld der Hochfinanz« entstand, eine Welle von Bankgründungen hervorbrachte, wurde die Struktur des »Feldes« so stark von den Beziehungen zwischen dem alten, etablierten und dem neuen Teil der Bankwelt geprägt. Nicht weniger als 12 der 39 Banken des Preußenkonsortiums wurden 1869 oder später gegründet.7 In bisher nicht gekanntem Maße wurde die Machtstellung der etablierten Banken damit vor neue Herausforderungen gestellt. Es ist vergleichsweise einfach, das »soziale Alter« einer großen Bank im kaiserlichen Deutschland zu bestimmen, und zwar außer anhand des Gründungsdatums anhand der Mitgliedschaft in bestimmten Gremien bzw. Institutionen des Bankwesens, deren Zugangsqualifikation nicht allein von einem besonders hohem »ökonomischem Kapital« abhing, wie es beim Preußenkonsortium der Fall war, sondern auch von der Zeitspanne, über die ein Institut eine dominierende Position in der Bankwelt einnahm. In Berlin waren das die Kontrollgremien der Bank des Berliner Cassen-Vereins, in der Provinz die Bezirksausschüsse der Reichsbank, die nach und nach an allen bedeutenderen Bank- und Börsenplätzen eingerichtet wurden.8 Alle Berliner Banken von einiger Bedeutung benutzten die 1850 gegründete Bank des Berliner Cassen-Vereins als dearing-house ihrer Finanzoperationen. Die Inhaber von F.Mart. Magnus und von Mendelssohn &c Co. gehörten dem Verwaltungsrat des Cassen-Vereins seit dessen Gründung an; gemeinsam mit Breest & Gelpcke/BHG und dem Bankier Louis Riess bildeten sie dessen erste Mitglieder.9 Das Ansehen des Bankhauses Mendelssohn & Co. zeigt sich daran, daß es von 1850 bis 1871 gleichzeitig durch zwei seiner Inhaber, Alexander Mendelssohn und Paul Mendelssohn-Bartholdy sen., vertreten war. R. Warschauer & Co. und Gebr. Schickler (die älteste Berliner Privatbank) kamen immerhin schon kurz vor Beginn des Untersuchungszeitraumes hinzu. Diese Banken waren während der Bismarckzeit die renommiertesten in Berlin, auch wenn sie ökonomisch immer weiter in den Hintergrund gedrängt wurden wie 7 Die beiden jüngsten Banken des Preußenkonsortiums waren die Berliner Bank, die 1889 aus der Berliner Handelsbank hervorgegangen war, und die Ostbank für Handel und Gewerbe, die 1898 durch Umgründung der Provinzíal-Actien-Gesellschaft des Großherzogtums Posen (gegründet 1857 mit einem Kapital von 1 Mio Taler) entstand. GStA Merseburg 2.2.1. Nr. 28214 (7.10.1907). 8 Die Zusammensetzung des Zentralausschusses der Reichsbank ist für eine derartige Fragestellung wenig geeignet: er umfaßte nur 12, später 15 Mitglieder aus ganz Deutschland (die 15 Stellvertreter kamen überwiegend nicht aus dem Bankgewerbe), also eine zu geringe Anzahl angesichts des Umfanges der Hochfinanz. Zudem war hier ebenfalls die ökonomische Bedeutung des Unternehmens und nicht sein »soziales Alter« von ausschlaggebender Bedeutung, was unschwer an der wechselnden Zusammensetzung deutlich wird. 9 Für das Folgende die Geschäftsberichte (1871-1914) und die Festschrift der Bank (1900).

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Gebr. Schickler. Für Magnus, die Anfang der 1880er Jahre aus der Bankwelt verschwanden, kam Adelbert Delbrück, der dem Ausschuß der Aktionäre seit 1869 angehört hatte, im Jahre 1874 hinzu. Das Ansehen von Warschauer und Delbrück wird daran deutlich, daß beide Banken bei Aufnahme ihrer Inhaber in den Verwaltungsrat jünger als 20 Jahre waren. Erst 1885 wurde ein ManagerBankier in den damals zehnköpfigen Verwaltungsrat gewählt, und bis 1914 gehörten ihm nur drei Vertreter der Großbanken an. Durch das starke Übergewicht der Privatbanken beim Cassen-Verein waren hier mehrere Institute vertreten, deren wirtschaftliche Bedeutung nicht mehr ausschlaggebend war, bei denen es sich aber um einige der ältesten Berliner Bankhäuser handelte, etwa N. Helfft & Co. (gegründet 1793), Gebr. Berend & Co. (1812), Helfft Gebrüder (1816) und E.J.Meyer (1812). Das Kriterium für die Wahl der Mitglieder der beiden Aufsichtsgremien dieser Bank, dem Verwaltungsrat und dem Ausschuß der Aktionäre, war nicht die unmittelbare wirtschaftliche Macht des jeweiligen Bankiers, sondern eine möglichst lange Zugehörigkeit zur Berliner Bankwelt, eben sein »soziales Alter«.10 Das Traditionsbewußtsein der Berliner Bankweltzeigt sich daran, daß die Leiter der Berliner Handelsgesellschaft, die in Personalunion Teilhaber des 1827 gegründeten Privatbankhauses Breest & Gelpcke (dessen Geschäftskapital sich vollständig im Besitz der BHG befand) waren, in ihrer Eigenschaft als Privatbankiers in den Verwaltungsrat des Cassen-Vereins gewählt wurden, obwohl die Privatbank nur noch ein Aushängeschild der Aktienbank war. Noch 1883 wurde Friedrich Gelpcke jr. für Breest & Gelpcke in dieses Gremium gewählt und nicht als Verwaltungsratsmitglied der Handelsgesellschaft.11 Zu diesem Zeitpunkt war Gelpcke weder ein Privatnoch ein Manager-Bankier, sondern ein eider businessman der Berliner Hochfinanz. Wie Gelpcke waren auch die Vertreter anderer Banken keine aktiven Bankiers, die noch vom Alltagsgeschäft belastet waren, sondern ausgeschiedene Privatbankiers oder Manager-Bankiers, die sich ganz oder teilweise aus der Arbeit in ihrer Bank zurückgezogen hatten. Diese Männer verbanden eine gewisse Distanz zum täglichen Betrieb und den unmittelbaren Interessen ihrer Bank mit dem hohen Ansehen und dem »sozialen Kapital«, das sie sich in einer langen Berufslaufbahn erworben hatten. In der Regel blieben sie bis zu ihrem Tode in einem der Gremien des Cassen-Vereins. Emil Hecker hatte sich 1883 aus der aktiven Arbeit in der Direktion der Disconto-Gesellschaft zurückgezogen und war in den Verwaltungsrat übergetreten, bevor er zwei Jahre später als 10 Achterberg, Berliner Banken, S. 23. 11 FS Bank des Berliner Cassen-Vereins. Friedrich Gelpcke (1825 - 1894) war, wie sein Vater Johann Friedrich Ludwig Gelpcke, gleichzeitig Inhaber des (nichtjüdischen) Bankhauses Breest & Gelpcke und haftender Gesellschafter der BHG, beides von 1860 bis 1880, danach bis zu seinem Tod Mitglied des Verwaltungsrates. Im August 1873 wurde er Kommerzienrat, fünf Jahre später GKR.

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erster Manager-Bankier in den Verwaltungsrat des Cassen-Vereins gewählt wurde. Auch im Zentralausschuß der Reichsbank vertrat er die Disconto erst seit 1884.12 Der zweite Manager-Bankier, Hermann Wallich, wurde 1894, ebenfalls erst nach seinem Rückzug aus der aktiven Berufslaufbahn (im Vorstand der Deutschen Bank) in den VR des Cassen-Vereins gewählt. Auch sein Nachfolger von der Deutschen Bank, Paul Mankiewitz, folgte erst nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand in die BBCV Max Winterfeld, der die Berliner Handelsgesellschaft repräsentierte und nicht mehr Breest & Gelpcke vorschieben mußte, wurde mit 60 Jahren gewählt, fünf Jahre bevor er als Geschäftsinhaber der BHG ausschied und in deren Verwaltungsrat übertrat. Doch nicht nur die Manager-Bankiers wie Hecker, Winterfeld und Wallich traten erst am Ende ihrer Laufbahn in dieses Gremium ein. Unter den Privatbankiers waren Männer wie Robert Warschauer jr., der 1914, zehn Jahre nach Übernahme des Bankhauses Robert Warschauer & Co. durch die BHI und 16 Jahre nach seinem Rück2ug aus dem Bankhaus, in den Cassen-Verein delegiert wurde. Der Vergleich zwischen den Privatbankiers und den Manager-Bankiers zeigt übrigens, daß das höhere »soziale« Alter von Privatbankiers der zweiten oder dritten Generation, die der Hochfinanz sozusagen schon seit ihrer Geburt angehörten, auch ihr geringeres biologisches Alter auszureichen in der Lage war. Bei ihnen ging mit der Einheit von physischer Person und Bank das »soziale Alter« des Instituts auf seine Inhaber über. So war Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy, der vierte Mendelssohn im Verwaltungsrat der Bank des Berliner Cassen-Vereins, bei seiner Wahl erst 35 Jahre alt, Hans von Bleichröder zählte 41 Jahre, gegenüber Hermann Wallich (61 Jahre), und Max Winterfeld (60 Jahre). Im Großen und Ganzen galten die im Cassen-Verein wirksamen Mechanismen auch für die Besetzung der Bezirksausschüsse der Reichsbank. Hier be12 Hecker (1837 - 1915) war einer der wenigen nichtjüdischen Börsenchefs der Berliner Hochfinanz. Seit 1858 in der Disconto-Ges., wurde er 1865 Prokurist und 1869 Geschäftsinhaher. Im Zentralausschuß der Reichsbank wurde er 1886 stellvertretender Deputierter und 1894 Deputierter. Darüber hinaus war er Ältester der Berliner Kaufmannschaft, Mitglied der Sachverständigen Kommission der Fonds-Börse und des Börsenkommissariats. Heckers Laufbahn endete also keineswegs mit dem Ausscheiden als Geschäftsinhaber der Disconto-Ges; vielmehr vertrat er nun ihre Interessen in wichtigen Gremien der Bankwelt, deren relative Unabhängigkeit vor einseitiger Interessennahme nicht zuletzt dadurch gewährleistet wurde, daß neben aktiven Bankiers eine Reihe von Männern aufgenommen wurden, die der Welt der Hochfinanz angehörten, ohne ein Partikularinteresse vertreten zu müssen. Auch seine höchsten staatlichen Auszeichnungen erhielt er erst z\s eider businessman: seit März 1893 war er Kommerzienrat, seit Februar 1908 GKR. In den Begründungen für diese Auszeichnungen heißt es denn auch u. a.: »Er nimmt demnach in der kaufmännischen Welt eine sehr hervorragende Stellung ein, genießt hohe Achtung bei seinen Berufsgenossen und erfreut sich in den besseren Gesellschaftskreisen des besten Rufs.« - »Seine Tätigkeit [als Mitglied des Zentralausschusses der Reichsbank] in dieser Stellung wird wegen seiner reichen kaufmännischen Erfahrung als eine besonders verdienstvolle geschätzt.« LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 9408 (4.4.1891), Nr, 10620 (18.2.1908).

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stand ebenfalls die Prädominanz der Privatbanken, hier war in gleicher Weise das »soziale Alter« einer Bank ausschlaggebend. Im Frankfurter Bezirksausschuß waren von den Banken des Preußenkonsortiums ausschließlich die Privatfirmen vertreten; Rothschild und Stern seit Gründung der Reichsbank auch im Zentralausschuß, L. Speyer-Ellissen, die 1836 durch Zusammenschluß aus zwei älteren Unternehmen dieser Familien entstanden, und die bis in die 1780er Jahre an Bedeutung die Rothschild noch weit überragt hatten (noch um 1800 soll die größte Bank der Stadt das Bankhaus Isaak Michael Speyer gewesen sein, und das zweitreichste Haus das der Ellissen), erst seit der Jahrhundertwende.13 Auch ms Preußenkonsortium wurde die Bank erst 1901 aufgenommen, was dafür spricht, daß ihre Zugehörigkeit zu den dominierenden Frankfurter Instituten längere Zeit zumindest fraglich gewesen sein rnuß. Diejenigen »dezentral geleiteten Aktienbanken«, die auch in Frankfurt mit einem oder mehreren ordentlichen Vorstandsmitgliedern präsent waren, fanden keine Aufnahme in den Bezirksausschuß. Frankfurt blieb auch nach der Jahrhundertwende die Stadt der alteingesessenen Privatbankiers. Das gleiche gilt für Köln, wo zwar die 1789 gegründete Privatbank Sal. Oppenheim jr. & Cie. seit Einrichtung eines Bezirksausschusses 1879 durchgehend bis zum Ersten Weltkrieg vertreten war, nicht aber der Schaaffhausen'sche Bankverein, die große Industriebank des Rheinlands und Westfalens und älteste Aktien-Kreditbank Deutschlands. In den alten Handelszentren bildete mithin das »soziale Alter« das entscheidende Kriterium für die Aufnahme in die die Bankwelt repräsentierenden Institutionen, und über dieses »Kapital« verfügten vor allem die etablierten Privatbankiers. Auch in Mannheim war zwar die mittelgroße, seit 1856 bestehende Privatbank Köster & Co. im Bezirksausschuß vertreten, jedoch kein Vorstandsmitglied der bedeutendsten Aktienbank der Region, der 1870 gegründeten Rheinischen Creditbank, einer der größten Provinzialbanken Deutschlands. An den weniger traditionsreichen Plätzen fiel es den Manager-Bankiers dagegen leichter, in der lokalen Finanzelite Fuß zu fassen. Im 1883 eingerichteten Münchener Bezirksausschuß war die Bayerische Hypo, die wenig später bereits ihren 50. Geburtstag feiern konnte, von Anbeginn an vertreten, ihre große, aber fast 35 Jahre jüngere Konkurrentin, die Bayerische Vereinsbank, fand sich seit 1905 in diesem Gremium repräsentiert. Über eine besonders gute Vertretung im Bezirksausschuß Straßburg verfügte die 1872 gegründete AG für Boden- und Communal-Credit. Sie war hier nicht 13 Kirchholtes, S. 35; Achterberg, Bankplatz Frankfurt, S. 91. Wohl über keine deutsche Bank von Bedeutung in diesem Zeitraum ist die Quellen- und Literaturlage derartig mangelhaft wie im Falle von L. Speyer-Ellisen; daher können hier nur Vermutungen angestellt werden. Möglicherweise geriet die Bank in der ohnehin trüben Konjunktur der 1870er Jahre in eine Krise, nachdem 1876 gleich drei prominente Mitglieder der Familie verstarben: Lazarus Joseph Speyer (geb. 1819), sein Sohnjaques Robert Speyer (geb. 1837) und sein Bruder, der »New Yorker« Philipp Speyer (geb. 1815). Im folgenden Jahr wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bank ein »Famìlienfremder«, Ignatz Schuster, als Teilhaber aufgenommen.

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allein durch ihre Vorstandsmitglieder seit der Einrichtung des Ausschusses bis zum Ersten Weltkrieg vertreten, sondern gleichzeitig durch mehrere Aufsichtsratsmitglieder, unter denen sich zwei langjährige Präsidenten der Straßburger Handelskammer befanden. Das an Jahren geringe Alter der Bank wurde im Reichsland, dessen Finanzstrukturen sich nach der Annexion 1871 völlig veränderten, durch die regionale Prominenz ihrer Gründer - wohl keine andere Bank des Preußenkonsortiums war derartig stark in der lokalen und regionalen Unternehmerbourgeoisie verwurzelt wie der Communal-Credit14 -, vor allem aber durch das Vakuum, in das die Neugründung stieß, und durch die Privilegierung seitens der Verwaltung des Reichslandes ausgeglichen.15 Beispielhaft zeigt sich die Bedeutung des Strukturelements des »sozialen Alters« für die Hochfinanz besonders in den Banken der alten Handelsstadt Hamburg. In der 1856 gegründeten Vereinsbank in Hamburg manifestierte sich die Machtverteilung zwischen Aufsichtsräten und Direktoren, die mindestens bis zur Aktienrechtsnovelle von 1884 nur ausführende Organe für die Beschlüsse des Aufsichtsrats blieben, in unterschiedlichen, ja, gegensätzlichen Sozialprofilen. Während letztere aus Familien von geringer sozialer Herkunft stammten, erst im Laufe ihrer Karriere nach Hamburg zugezogen waren und die Berufung in die Direktion als einen deutlichen sozialen Aufstieg erlebten, gehörten erstere größtenteils zum exklusiven, eingesessenen Patriziat der Großkaufleute und merchant-banker und überragten die Direktoren an »ökonomischem Kapital« in jeder Hinsicht.16 Eine Stärkung des Vorstandes blieb funktional solange über14 Diese tiefe Verwurzelung in der elsaß-lothringischen Unternehmerbourgeoisie führte in den 1880er und 90er Jahren allerdings zu einer derartigen Verfilzung zwischen Aufsichtsrat und Direktion, daß elementare Kontrollaufgaben nicht mehr wahrgenommen wurden. So war ein Bruder des Vorstandsmitgliedes Gabriel A. Blum Mitglied des Aufsichtsrates. Zusammen mit weiteren Aufsichtsräten der Bank und einigen anderen Straßburger Honoratioren spekulierten die Brüder Blum mit dem Geld der Bank. Die Konten dieser Spekulations-Syndikate wurden weder ordnungsgemäß geführt noch bei des jährlichen Revisionen vom Aufsichtsrat geprüft. Eingeweiht in diese illegalen Operationen waren Prokuristen, Buchhalter und Kassierer der Bank, nicht jedoch Blums Kollege Jean North, Mitgründer des Communal-Credit und Leiter der Hypothekenabteilung (der bezeichnenderweise über keinerlei bankkaufmännische Ausbildung verfügte). North und Blum wurden auf der Generalversammlung der Bank 1892 entlassen und zu Sündenböcken für entstandene Verluste in Höhe von rund 2 Mio M erklärt, ohne daß sie sich dort für ihr Verhalten rechtfertigen konnten, da ihnen der Aufsichtsrat den Zutritt verwehrt hatte. Der in die Syndikatsgeschäfte verwickelte bisherige ARV Rudolph Sengenwald wechselte in die Direktion der Bank. Diese Abgründe der Straßburger Bourgeoisie wurden nie vollkommen aufgeklärt, da Blum sich der Justiz durch die Flucht ins Ausland entzog und North vor Beginn der gerichtlichen Untersuchung verstarb. Die Oligarchien von Strassburg, passim; GB der Bank für 1892. 15 Lumm, S. VII und passim. 16 Im Jahre 1910 überstieg das Privatvermögen der drei Inhaber von L. Behrens & Söhne mit rund 60 Mio M das Aktienkapital sowohl der Vereinsbank als auch das der Norddeutschen Bank; das der Commerz DB (die zu diesem Zeitpunkt schon zu den Bertiner Großbanken gezählt wurde) war erst 1905 bei der Übernahme der Berliner Bank von 50 auf 85 Mio M erhöht worden. Ungefähr zur gleichen Zeit hatten die Inhaber von L. Behrens 6 ARV, 4stcllvertr. ARV und 13 AR inne, die Gesellschafter der Norddeutschen Bank nicht viel mehr, nämlich 5 ARV, 3 stellvertr.

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flüssig, wie die Bank bei ihrem Programm -Annahme von Depositen, Vergabe von kurzfristigen Krediten an Hamburger Großhandelsfirmen, kein eigenständiges Engagement auf dem Kapitalmarkt - und damit das Werkzeug ihrer Gründer blieb. Die etablierten merchant-banker behandelten dabei ihre Aufsichtsratsposten, die ihnen einen exklusiven Zugang zum Kapital der Vereinsbank gaben, wie Erbhöfe.17 Erst um die Jahrhundertwende, als die dritte »Generation« von Vorstandsmitgliedern berufen wurde, rekrutierte sich die Direktion aus der gehobenen Unternehmerschaft, auch wenn die Direktoren den merchant-bankers im Aufsichtsrat immer noch nicht als sozial ebenbürtig galten.18 Immerhin waren diese Vorstandsmitglieder bereits prominent genug, um von der Vereinsbank nicht zuletzt wegen ihres »sozialen Kapitals« berufen zu werden.19 Auch die dritte »Vorstandsgeneration« durchlief eine starke aufwärtsgerichtete soziale Mobilität, nun allerdings von einem wesentlich höheren Niveau aus als bei ihren Vorgängern. Parallel zur wachsenden Bedeutung des Vorstandes - also zur wachsenden Autonomie des Bank-Apparates gegenüber seinen Gründern und damit auch parallel zum höheren »sozialen Alter« der Bank - stiegen auch die soziale Herkunft und das »soziale Alter« der Vorstandsmitglieder. Bis zum Ersten Weltkrieg gelang es ihnen allerdings nicht, sozial bis zu den im Aufsichtsrat vertretenen etablierten Großkaufleuten aufzuschließen, was sich einerseits darin zeigt, daß niemand aus diesen Kreisen in den Vorstand ARV und 18 AR; die Hamburger Vorstandsmitglieder der Commerz DB hatten 14 AR ìnne, die Vorstandsmitglieder der Vereinsbank - und das bestätigt die These von der relativ schwachen Position des Vorstands gegen über dem Aufsichtsrat der Bank - saßen in nur zwei Aufsichtsräten! ADA Jg. 1909. 17 Die Inhaber der Bankhäuser L. Behrens & Söhne und Joh. Berenberg, Gossler & Co. vererbten ihre Aufsichtsratsposten über drei Generationen, so daß erstere seit Gründung der Bank 80 Jahre lang, letztere immerhin fast 60 Jahre im Aufsichtsrat repräsentiert waren. 18 Auch die dritte »Vorstandsgeneration« gehörte nicht zur etablierten Hamburger Großkaufmannschaft, aber im Vergleich zu ihren Vorgängen entstammte sie weitaus höheren sozialen Lagen. Mit Christian E. Frege trat 1898 zum ersten Mal ein aktiver Privatbankier in den Vorstand der Vereinsbank über, die seine Firma in jenem Jahr übernommen hatte (schon 1880 war mit F.A. Schwarz ein Prokurist von Eduard Frege & Co. Vorstandsmitglied geworden, der auch die Übernahmcverhandlungen seitens der Bank leitete). Eduard Frege & Co. war zwar keine in Hamburg lang etablierte Firma (gegründet worden war sie 1866), aber Eduard Frege war immerhin angesehen genug gewesen, das Amt eines sächsischen Generalkonsuls zu erhalten - er entstammte einer Linie der Leipziger Privatbankiers gleichen Namens. Auch Wilhelm Muus, Sohn eines Kieler Gastwirts, war Sozius dieser Privatbank gewesen; nach der Übernahme wurde er vier Jahre lang stellvertretendes Vorstandsmitglied, bevor er 1902 zum ordentlichen Vorstandsmitglied ernannt wurde. Sein Sohn Ludwig Muus wurde später ebenfalls Bankdirektor. Hermann Gerson schließlich war der Sohn eines Oldenburger Bürstenfabrikanten und Neffe des vormaligen Direktors Bernhard Hahlo. 19 Der Vater Friedrich Heinemanns war ein Korn-Importeur, Bäckerei-, Mühlen- und Schiffsbesitzer aus Rendsburg, dessen Taufpate immerhin König Friedrich VII. von Dänemark war. Er machte wegen seiner Dänisch-Kenntnisse und seiner Beziehungen, die auch nach 1864 in Schleswig-Holstein von großem Wert waren, in der Altonaer Filiale der Vereinsbank Karriere. Matthies, S. 54f.

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der Bank eintrat, und andererseits darin, daß - von einer Ausnahme abgesehen - ausscheidende Direktoren nicht in den Aufsichtsrat berufen wurden. Während des gesamten Untersuchungszeitraumes besaß die Berufung in den Vorstand der Vereinsbank ein geringeres Ansehen als in die Direktion einer der beiden andern großen Hamburger Aktienbanken. Die gleichaltrige Norddeutsche Bank war dagegen schon gegen Ende der 1870 derart angesehen und attraktiv, daß ihre Direktoren Rudolph Petersen und Johann B. Schroeder aus den Familien der Senatoren und Bürgermeister stammten.20 Allerdings hatte die Norddeutsche Bank in ihrer Geschäftspolitik einen anderen Weg eingeschlagen. Sie wurde schon in den 1860er Jahren zur »Eflfektenbank« und beteiligte sich unter anderem an der Gründung der Norddeutschen Affinerie (1866), der Vereinigten Königs- und Laurahütte (1871) und der Gelsenkirchener Bergwerks AG (1873). Diese Geschäfte kamen zwar durch die Vermittlung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank, Gustav Godeffroy, zustande; die längerfristige Betreuung derartiger Engagments verlangte jedoch einen selbständig handelnden Vorstand, der durch seine wachsenden Kompetenzen auch sozial aufgewertet wurde. Die Commerz- und Discontobank, die bereits im ersten Subskriptionsaufruf für ihre Aktien »die Emission von Anleihen und die Kapitalbeschaffung für Eisenbahnen und sonstige Aktienunternehmungen« als Betätigungsfeld genannt hatte (ein Passus, der in den Statuten der Vereinsbank bezeichnenderweise fehlte), machte sich mit der Aggressivität des Herausforderers daran, im Feld der großen Anleihegeschäfte selbständig zu werden und die etablierte Finanzoligarchie zu bedrängen.21 Durch die Aufnahme des arbeitsintensiven, vom Aufsichtsrat nur schwer zu kontrollierenden Emissionsgeschäfts wurde es dem Vorstand möglich, die faktische Leitung der Bank zu ergreifen und »die ihm 20 Für den einige Jahre früher berufenen Max (von) Schinckel »erfolgte der eigentliche Durchbruch zu den »ersten Kreisen* der Hansestadt dann durch seine Verbindung mit einer Tochter einer alteingesessenen Familie«. Rohrmami, S. 76f 21 Vgl. Krause, Anfange, bes. S. 26-28. Bis Mitte der 1890er Jahre unterschieden sich die Commerz DB und die Vereinsbank in ihrer Geschäftstätigkeit überdeutlich, hinsichtlich der Höhre ihrer Bilanzsummen hingegen nur unwesentlich, wohl aber hinsichtlich deren Zusammensetzung. Die Vereinsbank wies (bei einem weitaus kleineren eingezahlten Aktienkapital) viel höhere Summen bei Wechseln und in laufender Rechnung aus als die Commerz DB, wie es einer Handelsbank auch zukam. Konsortialgeschäftc und dauernde Beteiligungen fehlten bei ihr dagegen lange Zeit. Die Commerz DB erkaufte ihren Status als »Effektenbank« dagegen mit relativ niedrigeren Dividenden und Kursständen bei einem weitaus höheren Grundkapital. Bereits 1872 beteiligte sie sich erstmals ander Umwandlung einer Personalgesellschaft in eine AG; 1881 nahm sie dann an der Gründung der Nationalbank für Deutschland teil. Zwei Jahre vorher hatte sie in Gemeinschaft mit J . Landau und ohne Rücksicht auf die Marktverhältnisse, die einen viel niedrigeren Übernahmekurs verlangt hätten, eine Hamburger Staatsanleihe übernommen und dabei das etablierte, diesen Markt bisher beherrschende Konsortium (Norddeutschen Bank, L. Behrens, M.A.v. Rothschild und Disconto-Ges.) aus dem Felde geschlagen. Der hohe Übernahmekurs war der »Eintrittspreis«, den der »Neuling« für die Teilnahme an diesem Spiel zu zahlen hatte.

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anvertrauten Interessen während der schwierigen Jahre nach der Krisis von 1873 und der ihr folgenden, langdauernden wirtschaftlichen Depression in sehr umsichtiger und außerordentlich energischer Weise« zu vertreten.22 Auf diesem Wege führte das deutsche Prinzip der Universalbank zu einer weitgehenden Autonomie des Vorstandes, also der Manager-Bankiers, während in den englischen Aktienbanken (und in der nach englischem Vorbild konzipierten Vereinsbank) gerade wegen deren weitgehender Beschränkung auf das Depositengeschäft die Privatbankiers und übrigen Großaktionäre sich den ausschlaggebenden Einfluß auf die Geschäftspolitik der Institute bewahrten. Aus den etablierten Hamburger Kaufmannsfamilien entstammten die Direktoren der Commerzbank allerdings zu keiner Zeit, auch nicht aus unmittelbar darunter befindlichen Lagen, aus denen sich die Leiter der Norddeutschen Bank bereits zur Reichsgründungszeit rekrutierten. Die Norddeutsche Bank blieb denn auch bis zu ihrer Übernahme durch die Disconto-Gesellschaft 1895 die bei weitem bedeutendste Hamburger Aktienbank. Sie allein war im Bezirksausschuß wie im Zentralausschuß der Reichsbank durch Direktoren vertreten, und dem Preußenkonsortium gehörte sie schon rund 30 Jahre früher an als die Commerz- und Discontobank. Noch in den 1890er Jahren waren ihr Aktienkapital und ihre Bilanzsumme doppelt so hoch wie die der Konkurrenzbanken.23 Während die Vorstandsmitglieder der Norddeutschen Bank also aus Familien von hohem »sozialen Alter« stammten, waren sie andererseits zum Zeitpunkt ihres Eintretens in die Direktion an Jahren weitaus jünger als ihre Kollegen in den beiden anderen Hamburger Aktienbanken.24 Der jüngste unter 22 FS Commerz DB 1920, S. 6. 23 Auch bei den privaten Vermögensverhältnissen der Hamburger Manager-Bankiers werden diese Unterschiede sichtbar. Während die beiden in Hamburg lebenden Leiter der Norddeutschen Bank Max (von) Schinckel und Rudolph Petersen 1910 ein Vermögen von 4.7 Mio M bzw. 3.3 Mio M und ein Jahreseinkommen von 450.000 M bzw. 250.000 M versteuerten, waren die Verhältnisse der Direktoren der Vercinsbank etwas bescheidener: nur zwei von ihnen waren Millionäre; der ehemalige Privatbankier Christian Frege (2.3 Mio M Vermögen, 150.000 Einkommen) und Hermann Gerson (1 Mio M Vermögen, 50.000 M Einkommen). Der zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Jahre als Vorstandsmitglied tätige Friedrich Schwarz war gar nicht verzeichnet. Wilhelm Heintze von der Commerz DB versteuerte immerhin ein Vermögen von 3.9 Mio M und ein Einkommen von 300.000 M, was eher in der Größenordnung seiner Kollegen in der Norddeutschen Bank lag. Die Vermögen der in den Aufsitsräten vertretenen alten Hamburger Kaufmannsfamilien bewegten sich demgegenüber in ganz anderen Dimensionen, z. B.John von Berenberg-Goßler 40 Mio M (Einkommen 2.9 Mio M), Eduard Behrens jr. 31 Mio M, sein Bruder Theodor Behrens 26 Mio M (Einkommen 1.6 Mio M), Richard Henry Donner 28 Mio M (Einkommen 2.0 Mio), Rudolph von Schröder 27 Mio M (Einkommen 1.8 Mio M) usw. Der Unterschied in den Vermögensverhältnissen der Privatbankiers und der Manager-Bankiers war in Hamburg also offensichtlich auch viel größer als in Berlin. Alle Angaben nach MJM. 24 Das Durchschnittsalter beim Eintritt in die Direktion lag bei der Norddeutschen Bank bei 30,7 Jahren, bei der Commerzbank bei 42,6 Jahren und bei der Vereinsbank bei 41,3 Jahren (bei den beiden erstgenannten Banken nur für die Hamburger Direktion).

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ihnen war Max (von) Schinckel, mit 23 Jahren zu diesem Zeitpunkt einer der jüngsten Manager-Bankier überhaupt, der bei seinem Antrittsbesuch ob seiner Jugend aufeinige Verwunderung stieß. »Jedem der Herren schien mein jugendliches Aussehen aufzufallen und jeder fragte mich: >Wie alt sind sie eigentlich?«25 Die Leiter der Norddeutschen Bank verbanden also eine weitergehende und früher erkämpfte Unabhängigkeit vom Aufsichtsrat mit einer höheren sozialen Herkunft und einem niedrigeren Eintrittsalter. Seine Erklärung findet diese Verbindung von niedrigem biologischem und hohem »sozialem Alter« einerseits darin, daß die etablierte Großunternehmerschaft über die Möglichkeit verfügte, ihre Söhne in die Leitung der großen Aktienbanken zu entsenden und sich dergestalt die hier anfallenden Profite anzueignen, andererseits in dem unternehmerischen »Habitus«, den lang etablierte Unternehmerfamilien mit einer entsprechenden familiären Unternehmertradition ihren Söhnen vermitteln konnten. Dieser Habitus, der sich in einem ausgeprägten »Kaufmannsgeist« verkörpern sollte, sorgte zuverlässig dafür, daß auch die an Jahren jungen Abkömmlinge dieser Familien über die erforderlichen Dispositionen wie hinreichende Redlichkeit, Verantwortungsbewußtsein, Risikokalkulation und Entschlußkraft, aber auch über das durch die Familie vermittelte notwendige »kulturelle Kapital«, also betriebstechnische Kenntnisse, verfügten. Sowohl der Erwerb dieser Kenntnisse als auch jener Dispositionen verlangte bei Akteuren, die beides nicht in der Familie erwerben konnten, eine viele Jahre dauernde Aneignung, was dazu führte, daß sie ein vergleichsweise höheres Eintrittsalter als ihre Kollegen aufwiesen. Das Vorstandsmitglied der Norddeutschen Bank mit der »geringsten« sozialen Herkunft und dem niedrigsten »sozialen Alter«, A.J. Buchheister, wies das bei weitem höchste (biologische) Eintrittsalter der Direktion aus: Es lag mit 42 Jahren 12 Jahre über dem Durchschnitt. Die übrigen Direktoren wurden dagegen ungefähr in dem Alter zu Vorstandsmitgliedern ernannt, in dem die Söhne von Privatbankiers als Inhaber in die Familienfirma eintraten.

25 Schitukel, S. 209. Etwa zur gleichen Zeit (1873) wurde der mit Schinckel gleichaltrige Max Steinthal Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Auch er war durch sein Alter für einen derartigen Leitungsposten noch nicht qualifiziert. Siemens als leitender Direktor fragte, »als er diesen jungen Mann sah: >Also Sie wollen Prokurist der Deutschen Bank werden?< >Neinnicht das, sondern ihr Direktor*«. (Fuchs, Steinthal, S. 6.) Wie Schinckel, so stammte auch Steinthal aus einer Familie, die zwar nicht zur etablierten Großunternehmerschaft gehörte, deren soziale Distanz zu dieser Gruppe aber nicht unüberbrückbar schien.

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b) Berufliche Wertvorstellungen, Leistungsethos und der Habitus der Etablierten Das Selbstverständnis der Großbankiers resultierte in erster Linie aus ihrer ökonomischen Funktion, genauer: aus ihrer Sicht dieser Funktion. Auf dem vom gerade gegründeten Centralverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes organisierten ersten Deutschen Bankiertag am 19. und 20. September 1902 in Frankfurt hielt Hugo Hartung, Vorstandsmitglied des A. Schaaffhausen'schen Bankvereins, vor über 700 Vertretern des Kreditgewerbes ein Referat über »die wirtschaftliche Stellung und die Aufgaben des Bankier-Standes«.26 Dieses Grundsatz-Referat über »die Thätigkeit, die Moral, die Standesanschauungen in den Kreisen, welche Bankgeschäfte treiben«, das in zwei der folgenden Nummern des Bank-Archivs und später auch in fachfremden Zeitungen abgedruckt wurde, verdient besonderes Interesse, weil hier eine Reihe von »Selbstverständlichkeiten« der Eigenwahrnehmung von Bankiers zur Sprache kamen, die in der Regel nicht expliziert wurden.27 Das Ziel von Hartungs Rede war, die »Grundsätze und Anschauungen ... von denen sich der deutsche Bankierstand im Betriebe seiner Geschäfte leiten läßt«, darzustellen und zu rechtfertigen. Der Ausgangspunkt von Hartungs Betrachtungen war die Feststellung, daß »die Wurzel der wirtschaftlichen Aufgabe des Bankiers, ... diejenige ökonomische Funktion, welche er in erster Linie auszuüben berufen ist, die Vermittelung des Austausches von Geldkapitalien« sei.28 Dieser Austausch vollziehe sich zwischen denjenigen, die zumindest zeitweise Geld übrig hätten und es dem Bankier (gegen Zinsen) zur Aufbewahrung gäben, und denjenigen, die Geld benötigten, das ihnen der Bankier leihe. Als Formen der Vermittlung bezeichnete Hartung unter anderem das Bardepositengeschäft, die Kreditgewährung, den Scheckverkehr und die Vermittlung von Wertpapieren, womit er die bekanntesten Geschäftszweige des Bankwesens erwähnt hatte. Aus dieser ökonomischen Funktion leitete Hartung die Aufgaben der Bankiers ab, indem er fortwährend die an die Bankwelt gerichteten Vorwürfe zu entkräften suchte. 26 BA 2 (1902) Nr. 1, S.14. Hugo Hartung (1852 - 1929) trat 1876 nach Absolvierung einer kaufmännischen Lehre in den Dienst der Reichsbank, wo er schnell Karriere machte: bereits mit 33 Jahren wurde er Mitglied des Reichsbank-Direktoriums und GOFR. 1894 nahm er die mit einem »ungewöhnlich hohen Einkommen dotierte Stelle« im Berliner Vorstand von Schaaffhausen »mit Rücksicht auf seine Familie« an (GStA Merseburg 2.2.1. Nr. 26915 [8.9.1894]), wo er bis Ende 1906 verblieb, um in den Aufsichtsrat überzutreten. 27 »Aus dem Thema, über das ich zu sprechen habe, werden Sie ersehen, daß ich Ihnen nichts neues sagen will und kann, daß vielmehr mein Vortrag Dinge behandelt, die Ihnen allen durch tägliche Übung bekannt und vertraut sind. Nicht zur Fahrt in ein unbekanntes Land fordere ich Sie auf, sondern zu einer bescheidenen >Reise um unser Zimmer«. Bank-Archiv 2 (1902) Nr. 1, S. 7-10; Nr. 2, S. 23-26; Hannoverscher Courier (23.9.1902). 28 Hervorhebung im Orig. Ähnlich Warschauer, Physiologie, S. 5f, der in diesem Zusammenhang auf die »trefflichen Ausführungen« Hartungs hinwies, sovie Jeidels, S, 230; Thorwart, S. 49f.

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Besonderes Gewicht legte er dabei auf die Verantwortung des Bankiers für seine eigenen Geschäfte, da ihm fremdes Geld anvertraut werde. Tatsächlich hatten in den zurückliegenden Jahren Anleger ihre Einlagen bzw. Depots teilweise durch betrügerische Spekulationen von Bankiers mit diesen Geldern und Wertpapieren verloren. Aber weniger mit dem schlechten Vorbild einiger schwarzen Schafe unter den Bankiers begründete Hartung die große Verantwortung der Bankiers, als vielmehr mit der Tatsache, daß er es mit einem überwiegend geschäftsunkundigen und zu Spekulationen geneigten Publikum zu tun habe. Diesem müsse er mit »Lauterkeit der Gesinnung« ein »aufrichtiger, treuer und guter Berater« sein: »Es mußjedenfalls offen zugegeben werden, daß der Bankier durch subjektive Beeinflussung seines Kunden zu spekulativen Geschäften einen Verstoß gegen seine Standespflichten begeht«. Vielmehr seien »Takt und Charakterfestigkeit« erforderlich, von spekulativen Engagements abzuraten, wenn »der dem Menschen im allgemeinen anhaftende Trieb, Gewinne zu erzielen« die Klienten dazu verführe, über Geschäfte zu denken wie »jenes Mädchen, das sich verloben wollte und sagte: >Ratet mir gut, aber ratet mir nicht abGeschäft< betreiben«.29 Das war angesichts ihres Strebens nach Macht und Reichtum selbstverständlich reine Ideologie. Doch es zeigt zum einen das wirtschaftsliberale Credo der Bankiers hinter ihren Bemühungen um eine positive Außendarstellung: Die unsichtbare Hand des Marktes führe dazu, daß sich individuell vernünftig handelnde Wirtschaftssubjekte auch gesamtwirtschaftlich nützlich verhielten. Zum anderen zeigen diese Äuße29 Roland-Lücke antwortete damit auf den Vorwurf Heiligenstadts, des Präsidenten der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse, die Großbankiers könnten aus betriebswirtschaftlichen Gründen gar nicht anders, als sich volkswirtschaftlich gefährlich zu verhalten. Bankenquête I-V, S. 42.; ebd. S. 25, S. 49.

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rungen die Bemühungen um eine Selbstdarstellung als verantwortungsbewußt und uneigennützig Handelnde. Auch Hartungs Äußerungen über die häufig attackierte Macht der Bankiers sind bemerkenswert. Seinen Ausgangspunkt bildete dabei nicht etwa deren großer persönlicher Reichtum, sondern die in den Banken zusammenlaufenden Informationen. Aus dem Bewußtsein heraus, daß sich auch bei größter Vorsicht Verluste niemals vermeiden lassen, sei der Bankier gezwungen, sich ständig einen eingehenden Überblick über die Wirtschaftslage zu verschaffen: »Insbesondere aber wird die gerade bei dem zu Ansehen gelangten Bankier naturgemäß stärker hervortretende Sorge um die Erhaltung seiner Solvenz hier regulierend wirden. [...] Mit niemals ruhender Sorge muß er täglich das weite Feld der wechselvollen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse überblicken, sich über den Gang der einzelnen Industrien informieren, die Geld- und Warenbewegung zwischen den Verkehrsmittelpunkten verfolgen, die Ernteaussichten, die Entwicklung der Gütererzeugung, die Börsenbewegungen studieren. Er muß, wie schon hervorgehoben, ein Stück Techniker, Eisenbahnbauer, Industrieller sein. Mit Recht fordert man vom Bankier auf denjenigen Gebieten des gewerblichen Lebens, denen er nahe steht, eine über den Dilettantismus hinausgehende Sach- und Fachkunde.« Aus dieser Verpflichtung, eine alles übersehende Position einzunehmen, ließ sich aber auch der ökonomische Führungsanspruch ableiten, sozusagen »auf der Kommandobrücke der Wirtschaft« zu stehen. Gustav (von) Mevissen postulierte schon 1854, die Darmstädter Bank sei »berufen, [...] durch die auf einem hohen Standpunkte sich darbietende Einsicht in die Gesamtlage der deutschen Industrie dazu mitzuwirken, daß Unternehmungsgeist und Kapital in die richtigen [...] Bahnen geleitet werden.«30 Denn »wenn jemand Einblick in das gesamte wirtschaftliche Getriebe in Industrie und Gewerbe nicht minder, wie in Handel und Verkehr, wie in alle Wirtschaftsgebiete erhält, so ist es der Bankier«, so Jacob Riesser, der Vorsitzende des Centralverband des deutschen Bankund Bankiergewerbes. Und knapp 40 Jahre nach Mevissens Diktum erklärte Georg (von) Siemens: »Was sind denn die sogenannten Banken? Wir stehen nicht auf dem Standpunkt, den die konservative Partei uns zuweist, daß wir kleine Effektenhändler und Börsenjobber wären. Wir haben den Standpunkt immer für uns in Anspruch genommen und nehmen ihn weiter in Anspruch, daß wir eine Art Führer des Unternehmungsgeistes der Nation sein wollen.«31 August Weber dehnte schließlich den Führungsanspruch der Hochfinanz auch Bereiche außerhalb des Wirtschaftslebens aus: »Einen Leiter einer großen Weltbank 30 Zitiert nach Hansen, Bd. II, S. 528 (Hervorhebungen vom Vf.). 31 Zitiert nach Berdrow, S. 345. Ein anderer Referent des Bankiertages, der Direktor der Westdeutschen Bank vorm. Jon. Cahn in Bonn, Julius Steinberg, verglich das Verhältnis des Bankgewerbes zu Handel und Industrie mit dem der Philosophie zu den empirischen Wissenschaften, woraus sich in der Tradition des deutschen Idealismus der Machtanspruch des Geistes gegenüber der Materie ableiten ließ. 1. Bankiertag, S. 48. 208 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

... stelle ich ... sowohl was seine nationalökonomische wie volkswirtschaftliche, fìnanztcchnische und selbst auch politische Vorbildung und Schulung anbetrifft, zum mindesten mit den Leitern unserer Reichsämter auf gleiche Stufe.«32 Hartung entwickelte in seinem Referat also aus der ökonomischen Vermittlerstellung des Bankgewerbes spezifisch bürgerliche Tugenden der Verantwortung, des Maßhaltens und der Zurückhaltung, eine spezifischen Ehrbarkeit und eine Sekurität inmitten eines unvorhersehbaren wirtschaftlichen Auf-undAb. Dagegen artikulierte er den Führungsanspruch, den andere Bankiers offen aussprachen, nur verklausuliert als große Verantwortung des Bankiers. Das bedeutete jedoch nichts anderes als den vernünftigen Umgang mit Macht: »In der vernünftigen Ausübung der in seiner Bank ruhenden Geldmacht, darin lag für ihn der höhere Reiz seiner Stellung«, hatte schon Theodor Barth über Georg (von) Siemens geschrieben.33 Glaubt man den Selbstzeugnissen der Großbankiers, war für viele der Wunsch, reich zu werden, keineswegs das Hauptmotiv ihrer Arbeit, und das ist nicht einmal ganz falsch. Zumindest für einige von ihnen mag auch zugetroffen haben, was Däbritz über Hansemann schrieb: »Hier, in der Wirtschaft, fand er Aufgaben vor, die seinen Schaffensdrang und seinen schöpferischen Geist lockten und seinen Willen zur Macht zu befriedigen vermochten«.34 Das gleiche Motiv findet sich in einem Brief Georg (von) Siemens' an seine Braut, in dem er ihr auseinandersetzte, daß nicht Streben nach Reichtum, sondern »Selbsterfüllung« durch die Möglichkeit, etwas zum Wohle der Allgemeinheit zu gestalten, seine Motivation für die Arbeit als Bankier bildete. »Ich ging vor zwei Jahren aus dem Staatsdienst, wo ich gewiß Geheimer Rat geworden wäre, weil das Programm der Bank, in die ich eintrat, mir eine große Wirksamkeit zu eröffnen schien. Geld habe ich damals von den Leuten nicht bekommen; im Gegenteil, ich verschlechterte damals meine Einnahmen. Aber ich hatte die Idee, daß ich es zvingen kännte, und ich glaube, ich habe einiges vor mich gebracht. [...] Ich denke, mit jedem Jahre meinem Ziele, den deutschen Export- und Importhandel von England unabhängig zu machen, näherzukommen, und ich denke, daß die Durchführung dieser Idee eine ebenso große nationale Tat sein wird, wie die Eroberung irgendeiner Provinz.«35 Was Siemens anstrebte, war, eine »Form autonomen Schaltens über die von den eigenen Anordnungen abhängigen Menschen, über kultur- oder lebensnotwendige Versorgungschancen einer unbestimmten Vielheit«, mit einem Wort: Macht auszuüben.36 Arthur (von) Gwinner, Patenkind Arthur Schopenhauers, hat diesen Antrieb bildungsbürgerlich überhöht als »das hohe Glücksgefühl 32 33 34 35 36

Bankenquete VI, S. 114. Zitiert nach Berdrow, S. 349. Däbritz, Hansemann, S. 66; Ähnlich Rathenau, Reflexionen, S. 81; Delbrück, S. 189. Hetffcrich. Bd. III, S. 272 (Hervorhebungen vom Vf.). Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 60. 209 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

freien Schaffens, jener faustische >höchste Augenblick« bezeichnet.37 Dabei scheint der Schwerpunkt der Motivation insgesamt stärker auf der »Wirksamkeit«, weniger auf dem »Programm« gelegen zu haben. In den Worten Adelbert Delbrücks: »Das Schwelgen in allgemeinen Ideen, der allgemeine Humanitätsdusel, ist gerade so verwerflich wie jene Selbstbespiegelung. Nicht auf die Auffassung, sondern auf die Durchführung kommt es an.«38 Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, daß alle hier zitierten Bankiers tatsächlich so etwas wie ein »Programm« durchzuführen versuchten; sei es Siemens, der mit der Außenhandelsfinanzierung und der vermehrten Heranziehung fremder Gelder das deutsche Banksystem revolutionierte, und sein Nachfolger als Vorstandssprecher Arthur (von) Gwinner, der die Deutsche Bank zur größten Universalbank Mitteleuropas machte; sei es Adelbert Delbrück, mit seinem großangelegten Plan, Deutschland mit einem Netz von »Vereinsbanken« zu überziehen, oder eben Adolph von Hansemann, der in den 1860er und 70er Jahren die DiscontoGesellschaft zur unangefochtenen Nummer Eins im deutschen Bankwesen gemacht hatte. Für diese Männer war die Verlockung der Machtausübung mindestens genauso stark wie die großen Reichtums. Der andere, wenn nicht wichtigere Antrieb war der Gelderwerb, auch wenn dieses Motiv häufig verleugnet wurde: »Gelderwerb war mir nie Endzweck des Lebens gewesen. Ohne gerade reich zu sein, hatte ich genug gesammelt, um die Existenz meiner Angehörigen zu sichern. Auch war ich überzeugt, mit Geld allein das Lebensglück meiner Kinder nicht sichern zu können«, so Hermann Wallich. Zur Sicherung der Existenz seiner Angehörigen stand Wallich ungefähr zum Zeitpunkt der Niederschrift (1904) seiner Memoiren ein versteuertes Vermögen von fünf bis sechs Millionen Mark zur Verfügung, das bis 1912 auf mindestens 9 - 1 0 Millionen anwuchs, obwohl Wallich dem Vorstand der Deutschen Bank seit 1894 nicht mehr angehörte.39 Bei dieser Verleugnung des Gelderwerbs handelte es sich keineswegs um eine Anlehnung an adelige Wertmaßstäbe. Gerade in der Begründung für die Geringschätzung bloßen Reichtums scheinen ausgesprochen »bürgerliche« Argumente auf: die Weiterung des persönlichen Horizontes, die Vita activa für das Wohl der Gesellschaft: »Ich habe niemals die in vielen, besonders kaufmännischen Kreisen herrschende Meinung geteilt, daß großer Reichtum ein erstrebenswertes Ziel sei, weil er Einfluß schaffe. Dieser Satz ist ebensowenig richtig wie der andere, daß Wissen Macht sei. Die Fülle, in welcher der Mensch lebt, bestehe dieselbe in äußeren Mitteln oder im Wissen, hat nur insoweit eine wirkliche Bedeutung, als sie geeignet ist, den einzelnen über die engen Grenzen hinwegzuheben, in denen er lebt, seinen Gesichtskreis und den Kreis seiner Wirksamkeit zu erweitern und als ein tätiges Mitglied der Gesellschaft, für deren Wohl 37 Gwinner, S. 85. 38 Delbrück,S. 233. 39 Wallich, Aus meinem Leben, S. 136; LHAPotsdam Rep. 30c Tit. 94 Nr. 14107(8.11.1904); MJM. Auch Wallich hat das Geld nicht völlig verachtet, vgl. Hclfferich, Bd. III, S. 240. 210 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

und Entwicklungjeder in seiner Art mitzusorgen hat, sich zu bewähren. Diese Bewährung, das einzige Kriterium für die Bedeutung des Menschen, wird an sich durch den Umfang weder der äußeren Mittel, über die er verfügt, noch seines Wissens bewirkt. Geld schafft gewiß nicht Unabhängigkeit, Einfluß und Ansehen, wenn es zuweilen auch so scheinen mag; [... ] Ich war nicht zum Kaufmann erzogen. Weder für mich noch für meine Frau hatte Erwerb und Geld einen Wert. Wir hatten die Freuden nicht kennengelernt, die Besitz schaffen kann, niemals daran gedacht, uns Vermögen zu erwerben, auch nicht von dem Gesichtspunkt aus, uns dadurch unabhängig zu machen. Auch als ich kaufmännische Geschäfte betrieb, interessierte mich weit mehr die Gestaltung der Geschäfte als der Gewinn, den sie uns brachten. Durch die mit der Zeit wachsenden Einnahmen ließen wir uns nicht verleiten unsere Lebensgewohnheiten zu ändern, aber wir lebten bequemer, und sie erfreuten uns, weil wir nun besser und leichter auch für andere sorgen und für öffentliche Zwecke Beiträge, ohne uns einzuschränken, geben konnte.«40 Es gibt keinen Grund für die Annahme, daß unter den Großbankiers eine wirkliche Geringschätzung materieller Güter, wie sie in den zitierten Äußerungen zum Vorschein kommt, verbreitet war. Die Kräfte des »Feldes der Hochfinanz« als einem Ort der Produktion und Distribution ökonomischer Güter erzeugten und erforderten eine starke materialistische Einstellung, ohne die kein Bankier, kein kapitalistischer Unternehmer zu arbeiten vermochte. Wie Delbrück feststellte, betrieben die Kaufleute ihre Geschäfte nicht, um »die Menschen zu beglücken«, sondern um ihres Vorteils willen. Delbrück selbst gab zu, daß in kaufmännischen Kreisen die Meinung herrsche, »großer Reichtum [sei] ein erstrebenswertes Ziel«, erwähnte allerdings diese Tatsache, um sich selbst von solchen Auffassungen abzuheben. Doch gleichzeitig rechnete Delbrück sein eigenes privates Glück in Geld um, indem er den Ausgaben für das Familiendomizil die hier mit nahen und fernen Verwandten verbrachte Zeit und die dabei erlebte Befriedigung gegenüberstellte. Im übrigen kam die »Gegenleistung«, zu der er sich nach seinem unternehmerischen Erfolg und dem Erwerb eines großen Vermögens verpflichtet sah, in ganz überwältigendem Ausmaß einzig dem erweiterten Familienkreis zu Gute. Delbrücks Reichtum verbesserte die Lebenschancen weniger bemittelter Familienmitglieder und sicherte durch die Subvcntionicrung ihrer Ausbildung direkt die soziale Position der Familie; das stärkte auch den Zusammenhalt der Familie und ermöglichte es, deren gesamten Besitz jedweden »Kapitals« konzentriert und effektiv zum Einsatz bringen. Uneigennützig war sein distanziertes Verhältnis zum Vermögenserwerb also keineswegs. Ein weiteres Element der Wertcwelt der Hochfinanz, das in den Memoiren der Bankiers wie in apologetischen Biographien sehr stark herausgestellt wird, ist die Bedeutung, die in der Finanzwelt der Arbeit und der persönlichen Lei40 Delbrück, S. 231-234 (auch für das Folgende). 211 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

stung beziehungsweise Leistungsfähigkeit beigemessen wurde.41 Zweifellos handelte es sich hierbei um Akte der (Selbst-) Stilisierung: Die Bankiers sahen sich als Arbeits- und Leistungselite und wollten auch so gesehen werden. Dennoch läßt sich aus den Quellen schließen, daß diese Sichtweise nicht ganz unbegründet war. Das ging so weit, daß Georg Siemens (»Leistungsfähigkeit verlangte Siemens in jeder Beziehung«, schrieb sein Schwiegersohn) einen Abteilungsleiter, dem ein Fehler unterlaufen war, anfuhr: »Ein Mensch, der nicht mehr arbeiten kann, hat keine Existenzberechtigung!« und dem neu in den Vorstand der Deutschen Bank berufenen Arthur Gwinner erklärte: »Bankdirektoren sollte man im fünfzigsten Jahre [wenn die körperliche Leistungsfähigkeit nachgelassen hat] totschlagen!«42 Für die Bankiers der Hochfinanz galt eben, daß sie die »Ökonomie der Zeiteinteilung« beherrschen mußten, was oft auf Kosten des »Familienlebens«, bei einigen auch auf Kosten der eigenen Gesundheit ging.43 So erlitt Arthur Gwinner 1905 einen Zusammenbruch in Folge von Arbeitsüberlastung, der ihn monatelang zur Ruhe in einem Sanatorium zwang. An James Speyer schrieb er aus Meran am 20.5.1905: »Es hat sich herausgestellt, daß mein Influenza-Anfall nur die zufällige Veranlassung gegeben hat, ein Leiden meiner Kopf- und Magennerven zum Vorschein zu bringen, das ich mir durch jahrelange Überarbeitung zugezogen habe. [...] Du hast so recht gehabt, als Du mir empfahlst, einmal vier Monate auszuspannen. Ich habe damals nichts davon wissen wollen, muss es nun aber doch unfreiwillig thun.« 44

Auch Gwinners Kollege Paul Mankiewitz erlitt infolge seiner Arbeitsüberlastung einen Zusammenbruch und überlebte seinen Rückzug aus der Bank nur um wenige Monate.45 Pinner nannte die Deutsche Bank »eine der größten Tretmühlen Deutschlands. Ihre Direktoren haben weder Tag noch Nacht Ruhe. Ein paar der besten sind in den Sielen zusammengebrochen, andere haben dieses Schicksal nur dadurch vermieden, daß sie sich frühzeitig pensionieren ließen«.46 Tatsächlich sind die Stimmen über das hohe Arbeitspensum der Großbankiers Legion. »Ein Grundzug muß allen gemein sein, die an der Spitze unserer 41 Fuchs, Steinthal; ders., Gwinner; Müller-Jabusch, Schütter; ders., Urbig. 42 Über Siemens' eigene Arbeitsweise vgl. Helfferkh, Bd. III, S. 241-243. 43 Fuchs, Gwinner, S. 101. 44 HADB Akten Gwinner Bd.l; ähnlich Stern, Gold und Eisen, S. 35f; Däbritz, Hansemann, S. 153. Nicht wenige Bankiers, auch und gerade die Vorstandsmitglieder der Aktienbanken, starben als aktive Unternehmer oder wenige Monate nach Aufgabe ihres Amtes: Johann F.L. Gelpcke, Carl Fürstenberg, Adolph (von) Hansemann, Theodor Hemptenmacher, Friedrich Klee, Gottfried Klingemann, Karl Klönne, Karl Mommsen, Henry Nathan, August Ludwig Parcus, Peter Rauers, Georg (von) Siemens, Alwin Soergel, Julius Stern, um nur einige Akteure aus verschiedenen Banken zu nennen. 45 Fürstenberç, Lebensgeschichte, S. 545. 46 Pinner, S. 222.

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Geldinstitute wirklich etwas leisten wollen«, schrieb Bernhard, »sie müssen eine weit über das Durchschnittsmaß hinausragende Arbeitskraft besitzen.«47 So berichtete Fürstenberg etwa über Arthur Fischel, Teilhaber bei Mendelssohn & Co., er sei »ein fanatischer Arbeiter. [...] Fischel arbeitete bei den Mendelssohns häufig bis in die Nacht hinein, und Frau Fischel mußte sich oft mit der Gesellschaft von vier Hunden begnügen, mit denen sie in Berlin spazierenzugehen pflegte.«48 Über Fürstenberg berichtet Paul Wallich, dieser habe, als es um Wallichs Einstellung als Prokurist mit der Zusage eines Bewährungsaufstiegs ging, »das Hauptgewicht in seiner ersten Unterhaltung mit mir auf die Frage [gelegt], ob ich arbeiten könnte, wirklich ernsthaft und anhaltend arbeiten könnte«.49 Von Rudolf Wachsmuth hieß es: »Es war ganz Regel, daß er von 6 - 1 2 und V2Ò - 10 Uhr arbeitete; der achtstündige Arbeitstag war für ihn nie erfunden.« Und über Max Steinthal kolportierte der Plutus, er sei »vor einiger Zeit aus der Direktion in den Aufsichtsrat übergetreten, um -wie man in Beamtenkreisen der Bank erzählt - wenigstens einmal in der Woche zu Tisch nach Hause gehen zu können.« Adolph (von) Hansemanns Arbeitstag begann um 6 Uhr morgens und endete nach Mitternacht.50 Allerdings beziehen sich diese Stimmen vorwiegend auf Manager-Bankiers und die Aufsteiger unter den Privatbankiers, also diejenigen, die durch eigene Arbeit die Bank in die Riege der Hochfinanz aufsteigen ließen wie Gerson (von) Bleichröder, und den familienfremden Teilhabern, die sich selbst emporgearbeitet hatten wie Arthur Fischel oder Otto Braunfels. Diese Bankiers verstanden sich selbst als eine Art »Leistungselite«, die ihre berufliche und soziale Position nicht ihrer Herkunft, sondern ihren Meriten verdankte. Besonders bei »Aufsteigern« wie Karl Klönne, Carl Fürstenberg, Hermann Wallich oder Siegmund Bodenheimer war diese Auffassung verbreitet, weil sie ihren Aufstieg 47 Bernhard, Berliner Banken, S. 29. 48 Arthur Fischel (1857 - 1913) war der erste Teilhaber bei Mendelssohn & Co., der nicht aus der weitläufigen Familie Mendelssohn (-Bartholdy) stammte. Fischel, der aus einer österreichisch-englischen Familie stammte (er war englischer Staatsbürger und mit einer Österreicherin verheiratet), hatte schon als Prokurist bei Mendelssohn & Co. ein stattliches Jahreseinkommen von fast 100.000 Mark (LHA Potsdam Rcp. 30 c Tit. 94 Nr. 11792, Aktenvermerk vom 26.9.1895). Er war vorher Direktor der Österreichischen Credit-Anstalt gewesen, vertauschte also den Direktorenposten bei einer Aktienbank mit der Prokuristenstelle bei einer Privatbank. Als die CreditAnstalt ihm 1902 ihre Oberleitung anbot, machten Mendelssohn & Co., um ihn zu halten, zu ihrem Teilhaber. Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 258. 49 Ebenfalls laut Wallich hat sich Fürstenberg später über die unfallbedingte eingeschränkte Arbeitsfähigkeit eines anderen Geschäftsinhabers der BHG, Walter Merton, bitter beklagt. Wallichs eigene Einstellung zur Arbeit charakterisierte seine Witwe wie folgt: »Paul war ein fanatischer Arbeiter und verbrachte viel mehr Zeit in der Bank arbeitenderweise als die meisten anderen. Er sagte, daß man immer etwas mehr arbeiten müsse, als die Anderen, dann würde man mit Sicherheit weiter kommen als diese.« Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 367, S. 393; Wallich, Erinnerungen, S. 146. 50 Wachsmuth, S. 64; Plutus (13.1.1912), S. 33; M/mr/ï, S. 384f.

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tatsächlich ihrer Arbeitskraft und ihren Fähigkeiten verdankten.51 Für sie bildete die Prosperität ihres Instituts das sichtbare Zeichen und den Maßstab ihrer Verdienste. Daher konnten sie den meritokratisehen Leitsatz: »Bei uns hatjeder tüchtige junge Mann seinen Marschallstab im Tornister« unumschränkt bejahen.52 Daß auch in ihrem Aufstieg der im Elternhaus vermittelte Tugendkanon - die Hochschätzung kontinuierlicher Arbeit, Pflichtbewußtsein,53 der Glaube an den unternehmerischen Erfolg und die Fähigkeit, in kaufmännischen Kategorien zu denken - eine erhebliche Rolle gespielt hatte, ganz zu schweigen von den materiellen Voraussetzungen der Eltern, ihren Kindern eine möglichst gute berufliche Ausbildung zu verschaffen, und daß der Aufstieg in die Hochfinanz nur einem schmalen Segment der Gesellschaft vorbehalten blieb, in dem Angehörige der Unterklassen nicht vertreten waren, fand in diesem Weltbild keinen Platz. Im Gegenteil: Die in Wahrheit sehr wenigen Fälle steiler Aufstiegsmobilität dürften unter der Mehrzahl der Großbankiers die Selbstwahrnehmung als »Leistungselite« eher verfestigt haben. Interessanterweise wurde der hohen Arbeitsmoral in der Hochfinanz ein eher laxer Umgang mit der Arbeit bei der hohen Beamtenschaft gegenübergestellt. Als der spätere Geschäftsinhaber der Disconto-Gesellschaft Alexander Schoeller noch bei der Seehandlung arbeitete und eines Herbstnachmittages um eine Schreibtischlampe bat, erhielt er, so wurde in der Kaufmannschaft kolportiert, die Antwort, in der Seehandlung gäbe es keine Lampen, »wenn es dunkel wird, gehen die Herren nach Hause.«54 Die Anekdote mag als Illustrati51 Siegmund Bodenheìmer sah den Grund für seine Karriere in seiner Arbeit und seinem Talent: »Ich darf ohne Unbescheidenheit sagen, daß bei einem Mann von 35 Jahren, dem niemals Protektion oder außerordentliche Beziehungen zur Verfugung standen und der sich ganz von unten emporzuarbeiten hatte, diese Karriere als außerordentlich betrachtet wurde. Es ist nicht zu leugnen, daß mir mancher glückliche Umstand zu Hilfe kam, aber im Ganzen war der Erfolg das Produkt unermüdlicher Arbeit, zähen Vorwärtsstrebens und - vielleicht leidlich gesunden Menschenverstands.« Ähnlich äußerte sich auch Hermann Wallich, der mit Stolz vermerkte, »wenn schließlich die Bank doch vorwärtskam, so war es dank unserer rastlosen Arbeit«. Bodenheìmer, S. 40f.; Wallich, Aus meinem Leben, S. 122-128, S. 130-132. 52 Carl Fürstenberg verlangte bei seiner Einstellung als Angestellter mehrfach von seinem Arbeitgeber, daß sein Gehalt erst einige Zeit nach Aufnahme der Arbeit festgesetzt werden solle, »unter Berücksichtigung meiner bis dahin wohl richtig einzuschätzenden Leistung«. Fürstenber$, Lebensgeschichte, S. 20, S. 42f 53 Carl Klönne weigerte sich, aus gesundheitlichen Gründen regelmäßige Spaziergänge zu machen. Man würde ja denken, so seine Begründung, er habe nichts zu tun. Klönne ist ein dabei gutes Beispiel für den Habitus der Aufsteiger: »Aus einfachen Verhältnissen stammend, ist er für sich immer einfach und bedürfnislos geblieben, ohne Liebhabereien, nur mit der Leidenschaft für das Geschäft.« Achterberg u. Müller-Jabusch,S. 244. 54 Schìtukel, S. 251. Der gelegentlich zur Selbstgefälligkeit neigende Walther Rathenau äußerte sich in der gleichen Richtung: »Ein junger Mann aus guter Familie lobte mir seine Begabung und fragte mich, was er im kaufmännischen Beruf verdienen könne unter der Bedingung, daß er täglich nur fünf Stunden arbeite. Ich antwortete ihm, daß in Geschäften die Arbeitszeit nur von der siebenten Stunde aufwärts bezahlt werde und veranlaßte ihn, in den Staatsdienst zu treten.« Zitiert nach Kessler, Rathenau, S. 46.

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on der Fremdheit dienen, mit der sich Hochfinanz und hohe Beamtenschaft oft gegenüberstanden.55 Vor allem aber zeigt sie den Anpruch der Großbankiers auf soziale Gleichrangigkeit mit der hochangesehenen deutschen Beamtenschaft, der sich auf Leistung und Kompetenz gründete. Offensichtlich kann man die »Berufsethik der Arbeitspflicht« als ein allen bürgerlichen Gruppen gemeinsames Merkmal ansehen.56 So schrieb Wilhelm Weber, der spätere Syndikus bei S. Bleichröder, an seine Braut: »Mein Leben hat noch andere Aufgaben: es gilt zu wirken, solange es Tag ist, es gilt Arbeit. Diese Arbeit kann Liebe nicht ersetzen«.57 Die hohe Wertschätzung der Arbeit verband die Großbankiers daher mit den anderen bürgerlichen Gruppen über die Unternehmerbourgeoisie hinaus, denn »mentalitätsgeschichtlich ging von genuin bürgerlichen Normen und Werten wie dem Leistungsprinzip, der Arbeitsethik, der innerweltlichen Pflichterfüllung, dem Aufgehen im >Beruf< ... eine vereinheitlichende Kraft aus«.58 Die bankenfeindliche Agitation zeichnete dagegen ein Bild von Bankiers, die »nur von der Tagesspeculation leben und sich damit begnügen, das, was Andere durch lange, schwere Arbeit erwerben, in wenigen Stunden durch Börsenspiel zu gewinnen, im Übrigen sich aber in Cafes und Schankhäusern herumtreiben«.59 Die Betonung der Mühe und Plage durch die hohe Arbeitsbelastung war offenbar eine Verteidigung gegen derartige Behauptungen, die sich nicht selten aus Vorstellungen von einer eher statischen Gesellschaft speisten, in der Vermögensanhäufungen in kurzer Zeit auf rechtschaffende Weise als unmöglich galten. Dem versuchten die Bankiers durch Betonung der Berufsarbeit als langwierige Mühe ein Element von kontinuierlicher Anstrengung entgegenzusetzen: »Ich habe nie mit dem Geschäft Spiel getrieben, nie spekuliert; was ich erreichte, verdanke ich nächst Gott meiner Arbeit und meinem Fleiß«, denn »dem Bankier ist es freilich niemals vergönnt, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. «60 Nicht in allen Teilen der Hochfinanz war diese Arbeitsethik gleich ausgeprägt; vor allem die Aufsteiger hatten sie verinnerlicht. Bereits dieser Umstand 55 Distanz und Selbstbewußtsein der Großbankiers gegenüber der Bürokratie kamen deutlich zum Ausdruck, als August Weber während einer Sitzung der Bankenquete-Komrníssion unter dem großen Beifall seiner Berufskollegen ausrief: »Glaubt man vielleicht, daß ein mit 12.000 oder 15.000 oder 20.000 Mark angestellter Verwaltungsbeamter mehr Pflichtgefühl hat als der Vertreter einer großen Bank, der ... gewiß in seinen ganzen Beziehungen zum politischen Leben und zur auswärtigen Politik zum mindesten den Männern in dieser Beziehung gleich zu achten ist, die in der Leitung unserer großen Reichsämter sitzen?« Bankenquete VI, S. 114. 56 Lepsius, S. 96. 57 Zitiert nach: Weber-Keltemiatm, S. 78. 58 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. II, S. 238. 59 Schlesische Morgenzcitung (29.10.1890). 60 Für Otto Fischer, S. 21; Fürstmherg, Lebensgeschichte, S. 259; ähnlich Wallich, Aus meinem Leben, S. 131: »Man darf sich nicht ausruhen auf seinen Lorbeeren!«

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verweist auf die Bedeutung des »sozialen Alters« für das Handeln der Akteure und ihre Lebensstile. Bei zahlreichen Phänomenen, die als »Verlust bürgerlicher Werte«, als »Feudalisierung« oder »Aristokratisierung« beschrieben worden sind, handelt es sich tatsächlich um Folgen (teilweise intergenerationeller) sozialer Mobilität, ebenso, wenn Aufsteiger mit den Regeln und Werten der etablierten Oberschicht in Konflikt gerieten, weil sie mit den kulturellen und symbolischen Praktiken der »Etablierten« nicht vertraut waren, sondern weiterhin den Dispositionen nachhingen, denen sie ihren Aufstieg verdankten (was ihnen häufig das Stigma des »Parvenü« eintrug). Der Erbengeneration fiel es dagegen häufig leichter, sich mit den Attributen der etablierten Oberklasse zu umgeben. im Zwei-Generationen-Vergleich wird die Veränderung von Einstellungen und Praktiken, wie sie sich aus einem veränderten »sozialen Alter« ergaben, besonders augenfällig. So galt beispielsweise Adelbert Delbrück unter den arrivierten Berliner Bankiers als Neuling, der sich zwar durch seine weitgehenden Pläne für den Aufbau eines überregionalen Netzes von neu zu gründenden Aktienbanken und speziell durch seine Beteiligung an der Gründung der Deutschen Bank um das deutschen Bankensystem verdient gemacht hatte, durch seine Beteiligung an vielen wenig seriösen Gründungen und Umgründungen während der Hochkonjunktur von 1871 bis 1873 jedoch zeitweilig viel von seinem Ansehen einbüßte.61 Linksliberaler Bismarckkritiker war er neben seiner Tätigkeit als Bankier politisch und wirtschaftspolitisch sehr aktiv, namentlich als Berliner Stadtverordneter und als Vorsitzender des Deutschen Handelstages (1870 bis 1885). Besonders Bismarcks Rechtsschwenk Ende der 1870er Jahre und der Übergang zum Schutzzoll fanden Delbrücks Mißbilligung .62 Sein Sohn Ludwig nahm bereits die Position eines etablierten Privatbankiers ein, erst recht nach der Vereinigung der Firma Delbrück, Leo & Co. mit Berlins ältester Privatbank Gebr. Schickler im Jahre 1910. Die Position der Bank im »Feld der Hochfinanz« veränderte sich hinsichtlich ihres »ökonomischen Kapitals« kaum, doch gehörte sie nun zu den etablierten Berliner Häusern.63 Die 61 Insgesamt soll Delbrück an 154 Gründungen beteiligt gewesen sein. Er beteiligte sich allerdings auch an der Errichtung wirklich wegweisender Unternehmen wie der Deutschen Bank und der AEG. Böhme, Deutschlands Weg, S. 323; Gtagau, Berlin, passim; GStA Merseburg, 2.2.1. Nr. 1584 (16.11.1878). 62 Delbrück, S. 132f. 63 Angesichts der starken Verwerfungen, die der Aufstieg der Aktienbanken und der relative Abstieg der Privatbanken mit sich brachte, ist darauf hinzuweisen, daß Delbrück, Leo & Co. während der Bismarckzeit weder zu den etablierten noch zu den erstrangigen Privatbanken Berlins gehörte. Im Preußenkonsortium war die Bank erst seit 1898 regelmäßig vertreten. In der Wilhelminischen Ära wuchs zwar das Geschäftskapital der Bank (ihre Kommanditeinlagen) von 3 Mio M im Jahre 1873 auf 11.150.000 M im Jahre 1898. Die Zeiten, in denen eine Privatbank zu den avancierten industriellen Gründern zählen konnte, waren jedoch vorbei. Der ökonomische Aufstieg der Firma Delbrück, Leo & Co. vollzog sich gewissermaßen parallel zu dem der Aktien-

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sozialen Dispositionen und Praktiken ihrer Seniorchefs unterschieden sich erheblich. Auf den linksliberalen Adelbert Delbrück folgte mit Ludwig ein ausgewiesener Konservativer als Chef der Firma (Delbrück verließ 1911 zusammen mit den reaktionärsten Schwerindustriellen den liberalen Hansabund),64 mit engem Kontakt zu Wilhelm II., der ihn zum »kaiserlichen Schatullenverwalter« ernannte und alljährlich auf Delbrücks Gut Alt-Madlitz zur Jagd erschien. Delbrück wurde Mitglied des Herrenhauses und Vizepräsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Während sich Adelbert Delbrück als Neuerer und Gründer diverser Aktienbanken betätigt hatte, spielte sein Sohn »die Rolle Catos, des sittenstrengen Tadlers« der Usancen der Großbanken und galt als »Feind der Banken« und »Gegner des Depositenkassenwesens«, sicher auch aus der Erfahrung seines Vaters heraus, daß diese Institute letztlich von den Privatbankiers nicht zu kontrollieren waren.65 Der gesellschaftlich wie geschäftlich arrivierte Privatbankier vermochte in der fortwährenden Dynamik der Aktienbanken nichts mehr zu sehen als eine Bedrohung seiner etablierten Position. In dieser »Erbengenerationen«, die der Familie und den Unternehmen nichts mehr erkämpfen mußte, sondern bereits zum »Establishment« gehörte - was aus naheliegenden Gründen Privatbankiers leichter fiel als Managern - entstand eine relative Distanz zur Erwerbsarbeit, eine Haltung, die sich ganz und gar von jener der Aufsteiger unterschied. Das zeigt sich sofort an der zurückhaltenden, »vornehmen und soliden Auffassung« vom Bankgeschäft, die sich deutlich vom unbedingten Profitstreben der Aufsteiger unterschied: Adolph (von) Hansemann, der keinen Vorteil und Gewinn ausließ, soll bei Verhandlungen mit dem seit langem etablierten Haus Mendelssohn über eine Transaktion erklärt haben: »Wenn mir einer für etwas, das mir gehört, mehr bietet, als ich dafür gezahlt habe, so verkaufe ich es ihm. Gibt mir jemand für meine Weste mehr, als sie gekostet hat, so ziehe ich die Weste eben aus und gehe ohne Weste nach Hausen Ernst von Mendelssohn-Bartholdy hörte zu und sagte dann nur ganz kühl: >Ich verkaufe meine Weste nicht.Ein Gentleman ist nicht vor elf im Bureau und bleibt nicht länger als bis vier Uhn«.66 Mit anderen Worten: Ein im obersten Stratum der Gesellschaft bereits fest etablierter Akteur - ein »Gentleman« -, empfand es als unwürdig, länger als unbedingt notwendig zu arbeiten. Etablierte Bankiers waren zumindest teilweise davon befreit, sich der Ökonomie des knappsten Gutes menschlicher Existenz, der Zeit, zu beugen. Über den letzten der Frankfurter Rothschilds, Wilhelm Carl, schrieb die Zukunft zu seinem Tode: »Willy von Rothschild, der stille Talmudgelehrte, überließ sich mehr der beschaulichen Tätigkeit, sein Kapital zu verwalten; ihm blieb die Sucht, es hastig zu vermehren, fremd.«67 Ein wesentlicher Grund dafür, daß sich die Einstellungen und Praktiken der »Erbengeneration« von denen ihrer Väter unterschieden, die den Aufstieg der Familie mühsam hatten erarbeiten müssen, lag darin, daß erstere in der Regel eine weitaus längere Ausbildung erhielten und damit über ein deutlich höheres »kulturelles Kapital« verfügten als ihre Väter. Um ihren Söhnen eine Leitungsposition im Bankgewerbe oder ganz allgemein in einem Unternehmen zu sichern, verschafften etablierte Familien des Wirtschaftsbürgertums diesen eine besonders aufwendige Ausbildung. Das galt auch für Privatbankierfamilien. Bei Max Warburgs Ausbildung spielte Geld »keine Rolle«, und Paul Wallich genoß eine exquisite Lehrzeit, welche die Kleinigkeit von 250.000 M verschlang, eine Summe, mit der man damals außerhalb Berlins ein mittelgroßes Bankgeschäft hätte eröffnen können.68 In den Schilderungen, die Paul Wallich und Hans Fürstenberg von ihrer Jugend und Ausbildungszeit gaben, finden sich Bemerkungen über Geld nur im Zusammenhang mit Ausgaben, die oft der Befriedigung gewisser luxuriöser Neigungen (eine »amüsante Wohnung«, ein Kammerdiener, die Herausgabe eines Buches im Eigenverlag69) dienten. Demgegenüber verzeichnete der fast gleichaltrige Siegmund Bodenheimcr, der die Banklaufbahn als Brotberuf ergreifen mußte (er hatte ursprünglich Mediziner werden wollen, doch sein Vater hatte das Schulgeld nicht aufbringen können), 66 Dresdner Nachrichten (8.12.1907); Warburg, S. 12. 67 Zitiert nach Korach, Bd. I, S. 4Of 68 »Der Vater hatte das Prinzip, uns in Bezug auf Ausgaben nicht zu limitieren. Das hat ihn gewiß viel Geld gekostet, wird aber wahrscheinlich unserer Erziehung zugute gekommen sein.« Als Paul Wallich das Kapital, von dessen Zinsen er hatte leben sollen, durch aufwendigen Ausgaben und mißglückte Spekulationen aufgebracht hatte, ersetzte es der Vater ohne Kritik. Warburg, S. 12. Wallich, Zwei Generationen, S. 24f. 69 Fürstenberg, Erinnerungen, S. 45; Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 271; die Beschränkung auf 100 Francs für die Gestaltung des Titelbildes seines Gedichtbandes nannte Wallich »Sparsamkeit am falschen Orte«.

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in seinen Memoiren penibel jede Gehaltserhöhung und auch jene, auf die er ein Anrecht zu haben meinte, aber nicht bekommen hatte.70 Auslandsaufenthalte bei möglichst exklusiven Banken, zu denen nur durch Empfehlungen, also die Mobilisierung eines besonderen »sozialen Kapitals« Aufnahme zu erlangen war, vervollkommneten eine solche Ausbildung, zu der auch ein Hochschulstudium gehörte, bezeichnenderweise häufig aber nicht der Jurisprudenz, sondern der Nationalökonomie.71 Diese Bewegung korrespondierte mit der Entwicklung auf dem gesamten Stellenmarkt für Akademiker, auf dem die »Juristenschwemme« seit etwa 1910 zu einem dramatischen Sinken der Immatrikulationen an den juristischen Fakultäten geführt hatte.72 Da die angehenden jungen Bankiers nicht daraufrechnen konnten, eine Leitungsposition im Bankwesen einfach zu erben und sich auch nach Einnahme einer solchen Position durch Leistung zu legitimieren hatten, erhielten sie bereits in jungen Jahren eine derartig gute Ausbildung, daß sie sich auch in dem scharfen Konkurrenzkampf zwischen den Akademikern im Zugang zum »Feld der Hochfinanz« relativ leicht durchzusetzen vermochten. Sie besaßen mit einer qualifizierten bankkaufmännischen Ausbildung, wissenschaftlichem Überfutter, Auslandserfahrung73 und international vernetztem »soziales Kapital« einen von ihren Konkurrenten nicht einzuholenden Startvorteil. Praktisch handelte es sich bei dieser kostenintensiven Ausbildung um nichts anderes als um eine vorgezogene Auszahlung des Familienerbes unter den veränderten Reproduktionsbedingungen der Hochfinanz, da die Vererbung von »ökonomischem Kapital« allein den Zugang zu einer Position im »Feld« nach dessen relativer Öffnung nicht mehr zu garantieren vermochte. Im übrigen verhalfen die von den Eltern zur Verfügung gestellten materiellen Mittel und sozialen Beziehungen auch denjenigen Söhnen, die keine Bankkarriere einschlagen mochten, zu erheblichen Startvorteilen, so daß viele Söhne erfolgreicher Bankiers auch in der Industrie Leitungspositionen besetzen konnten.74 70 Bodenheittier, Mein Leben, passim. 71 Es ist bezeichnend für die Akkumulation »sozialen Kapitals« während der Volontärszeit in rennomierten Privatbanken, in der ein einmal erworbener Umfang an Beziehungen mit etwas Geschick stetig weitere Verbindungen hervorbringen kann, daß Wallich seine Aufnahme bei dem New Yorker Haus Goldman Sachs & Co. - der »eigentliche[n] hohen] Schule für den jungen Bankier« - nicht einmal den Beziehungen seines Vaters verdankte, sondern der Tatsache, daß er in London den Sohn eines der Inhaber kennengelernt hatte. (Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 278). Die Bankiers mit einem abgeschlossenen Studium der Nationalökonomie (Herbert Gutmann, Karl Helfferich, Eduard von Oppenheim, Carl Parcus, Paul Wallich) entstammten praktisch ausschließlich Unternehmerfamilien, die ihre Söhne gezielt auf eine Bankiertätigkeit vorbereiteten und daher den »Umweg«, den das Jurastudium mit seiner notwendig zeitraubenden Aneignung wirtschaftsferner Inhalte darstellte, nicht gehen mußten. 72 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. III, S. 1212. 73 Von den 35 Manager-Bankiers, bei denen ein längerer Auslandsaufenthalt festgestellt werden konnte, stammten nicht weniger als 13 aus etablierten Bankierfamilien. 74 Von den drei Söhnen Gustav (von) Klemperers folgte ihm einer, Victor, nach einem Jurastudium in der Dresdner Bank. Sein älterer Bruder Herbert studierte an der TH Dresden und

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In diesen Familien folgte auf den ökonomischen Aufstieg der Väter eine Generation, die auf die eine oder andere Weise in ihrem Habitus über den reinen Erwerbstrieb ihrer ökonomisch hochdynamischen Vorgänger hinausging. Ein großer Umfang an »kulturellem Kapital«, und bei den Privatbankiers auch ein höheres Maß an freier Zeit ermöglichte es ihr, kulturellen und gesellschaftlichen Neigungen, etwa als großzügiger Spender, Mäzen und Sammler oder als »Mitglied der guten Gesellschaft«, nachzugehen.75 Als Berliner Vertreter dieser Gattung wurde Paul (von) Schwabach beschrieben, »dieser liebenswürdige, feine Mensch und Nobleman im Bankierstand«. Er und seinesgleichen »besaßen genug, um nicht geschäftlichen Konjunkturerfolgen nachzulaufen«.76 Auf sie traf zu, was Max Weber über den »Großrentner« schrieb: »seine weit größere Distanz zum Alltag des Betriebs setzt äußerlich und innerlich seine Kräfte für politische - Staats- und kulturpolitische - Interessen, für >weltmännische< Lebensführung, Mäzenatentum und Erwerb von Weltkenntnis großen Stils frei«.77 Ein exemplarischer Fall ist Walther Rathenau, der unter der schöngeistigen Öde seines Vaters Emil (des Begründers der AEG) litt und sich »die Vereinigung von Seele und Wirtschaft« jenseits des »Zweckmenschen« zum Lebensziel machte. Ähnliches gilt für Hans Fürstenberg: Der Sohn Carl Fürstenbergs, seit 1919 Geschäftsinhaber der BHG, war Autor eines Buches über Dasfranzösische Buch im XVIIL Jahrhundert und in der Empire-Zeit und »sammelte Kunst und Bücher, die ihn [seinen Vater] nicht interessierten, schrieb Aufsätze und ganze Bände, was ihm vielleicht am wenigsten zusagte, denn in seine alten Vorstellungen von einem Bankier paßten derartige Betätigungen nicht hinein. Bibliophilie war ihm ein Rätsel, und Volkswirtschaft hielt er, offen gesagt, vom Standpunkt des Berufes aus für eine Verirrung«.78 Paul (von) Schwabach wollte ursprünglich den Lebensweg eines Gelehrten gehen, bevor er die Nachfolge seines Vaters Julius bei S. Bleichröder antreten mußte, weil es sowohl bei den Schwabachs als auch bei den Bleichröders an geeigneten Alternativen fehlte.79 vervollkommnete seine Ausbildung durch juristische und nationalökonomische Studien sowie eine Amerikareise, bevor er 1928 Vorstandsvorsitzender der Berliner Maschinenbau AG vorm. L. SchwartzkopfTund Teilhaber der Zucker-Spiritus- und Bicrindustrie KufTner in Österreich (der Firma seines Schwiegervaters) wurde. Klemperer war ausßerdem Vorstandsmitglied des RDI und Mitglied des engeren Vorstandes des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten. Derjüngste Bruder, Ralph Leopold, studierte Chemie und wurde Vorstandsmitglied der AG für Cartonnageindustrie Dresden; außerdem war er Mitglied des Hauptausschusses des RDI und des engeren Vorstands des Rekhsbunàes derMetaliwaren-Industrie. Der einzige Sohn Arthur (von) Gwinners studierte ebenfalls Chemie und wurde Vorstandsmitglied der J.D. Riedel AG. 75 Zu ganz ähnlichen Ergebnissen in der Kölner Unternehmerschaft vgl. Mergel, Klasse, S. 218. 76 Liebermann von Wahlendorf, S. 47f. 77 Weber, Wahlrecht und Demokratie in Deutschland, in: GPS, S. 274. 78 Musil, S. 108, S. 192; Kessler, S. 24f.; Fürstenberg, Erinnerungen, S. 204. 79 Schwabachs Bruder hatte entmündigt werden müssen, und Gerson (von) Bleichröders Söhne waren nicht in der Lage, die Leitung der Bank zu übernehmen. Paul (von) Schwabach hatte

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Herbert Gutmann, der Sohn des allgewaltigen Beherrschers der Dresdner Bank Eugen Gutmann (der jeglichen theoretischen Erwägungen abhold und dem beruflichen Gewinnstreben so sehr verhaftet war, daß er noch in den Ferien seine Enkel beim Kartenspiel bemogelte80), war nach Absolvierung eines humanistischen Gymnasiums und dem Studium der Nationalökonomie kulturell interessiert, pflegte aufwenige Hobbies und führte einen Lebensstil, der ihm die Kritik eintrug, seine Distanz zum Beruf sei etwas zu groß: »Herbert Gutmann sollte über den Vater hinauswachsen. Er wurde jahrelang auf Reisen geschickt ... Die englischen Jahre haben auf Einstellung und Lebensweise Herbert Gutmanns starken Einfluß ausgeübt. Er versuchte in Berlin, das Gesellschaftsleben nach englischem Vorbild zu pflegen. Das große Haus, das Herbert Gutmann geführt hat, erlangte als Treffpunkt politischer, wirtschaftlicher und künstlerischer Kreise der ganzen Welt eine Berühmtheit, die dem Hausherrn zuletzt vielleicht mehr geschadet als genützt hat. [... ] Wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät, verzeiht man das; wenn aber ein Bankdirektor Vorsitzender des Golf- und Landclubs ist und überhaupt einige aristokratische Allüren hat, dann ist man der Empörung voll. Herbert Gutmann Fähigkeit, durch seine ausgedehnten Beziehungen und persönlichen Charme große Bankkunden zu acquirieren, ist in guten Jahren zweifellos von Wert für sein Institut gewesen.« 81

Auch diese kulturellen Interessen erforderten die Aufwendung von Zeit und Mühe, mithin von Arbeit zur Erzielung eines hohen Ertrags an »kulturellem«, »sozialem« oder »symbolischem Kapital«. Im Gegensatz zur Erwerbsarbeit fanden diese Formen der Arbeit (die »Beziehungsarbeit«, die in der Mitgliedschaft eines Klubs geleistet wird, wo sich Menschen »zwanglos« kennenlernen und dabei ihr »soziales Kapital« in Form von später zu verwertenden Bekanntschaften akkumulieren, oder die Orientierung auf den Märkten für Kunst und Literatur) jedoch unter dem Schleier der materiellen Interesselosigkeit und Uneigennützigkeit statt und wurden daher nicht als Arbeit betrachtet. Mangelte es in der Familie an einer starken kulturellen Tradition, so wählten die Erben eher sein Lieblingsfach Geschichte studiert und eine Dissertation über die französische Steuerverwaltung im 17. Jahrhundert geschrieben. 80 Das berichtet einer dieser Enkel: Goodman, S. 2f; vgl. auch NDB, Bd. 7 S. 347. 81 Neue Berliner Zeitung (15.10.1931,12 Uhr Blatt). Herbert Gutmann war u. a. Vorsitzender der Deutsch-Persischen Gesellschaft, Sachverständiger der Islamischen Abteilung des KaiserFriedrich-Museums Berlin, Mitglied des Kuratoriums und Schatzmeister der Hochschule für Politik, Begründer und Präsident des Golf- und Landklubs in Berlin, Präsident des deutschen Golf-Verbandes, Präsidialmitglied des Reichsverbandes für Zucht und Prüfung deutschen Warmbluts und Prästdialmitglied des Berliner Poloklubs. Bezeichnenderweise rechtfertigte der Artikel Gutmanns Lebensstil, indem er auf die materiellen Vorteile verwies, die sich aus einem hohen »sozialen Alter« ziehen ließen: Die Aquisition von Geschäftskunden durch ausgedehnte Beziehungen, d.h. ein während eines langen Zeitraumes erworbenes und teilweise auch auf die Erben übertragbares »soziales Kapital«, und der persönliche Charme, also die soziale Kompetenz der den Umgang angenehm machenden »natürlichen Vorzüge« der »geborenen Herrscher«, die in Wahrheit nur schon privilegiert geboren waren.

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den Weg der Bohemiens, der mit einem ähnlich geringen Zeitaufwand für die Berufsarbeit verbunden war wie bei der schöngeistigen Variante des »Habitus der Etablierten«, dabei allerdings geringere symbolische Profite abwarf Die Bleichröder-Söhne ernteten eher Spott und Verachtung (auch von Historikern) für ihre geringe Arbeitsmoral, ihre Frauengeschichten und für ihr Übertreten der herrschenden Anstandsregeln als Bewunderung dafür, daß sie nicht zu Sklaven ihrer Arbeit wurden.82 Dafür versprach diese Richtung die Freiheit von mühevoller Arbeit und ein angenehmes Leben im Luxus. Beide hier idealtypisch einander gegenübergestellten Lebensstile setzten ein gewisses »soziales Alter« voraus, nämlich ein großes (Geld-) Vermögen, das ohne eigenes Zutun entstanden war und in der Regel ererbt wurde, so daß der Ansporn, den Besitz an »ökonomischem Kapital« weiter zu mehren, an Wirksamkeit verlor. Über die weitere Richtung entschieden dann andere Faktoren, in erster Linie der Besitz an »kulturellem Kapital«. An dieser Stelle wird deutlich, daß die gegensätzlichen Einstellungen und Praktiken, die sich aus dem unterschiedlichen »sozialen Alter« der Akteure ergeben, teilweise überlagert wurden von einem anderen Strukturprinzip des »Feldes der Hochfinanz«, dem Gegensatz zwischen Privatbankiers und Manager-Bankiers. Während die Privatbankiers den größeren Teil der »etablierten« Fraktion bildeten, boten die Aktienbanken den Raum für soziale Mobilität, so daß die meisten Manager-Bankiers der »jungen« Fraktion der Hochfinanz angehörten. Diejenigen von ihnen, die einer bereits etablierten Familie entstammten und damit ein relativ hohes »soziales Alter« besaßen, bildeten einen Lebensstil aus, der zwar dem Arbeitsethos der Gruppe verpflichtet blieb und aufgrund des fortwährenden Bewährungsdrucks auch bleiben mußte und doch eine gewisse Distanz zur Erwerbsarbeit verriet, auch wenn sie den Habitus der Etablierten nicht in dem Maße ausprägen konnten wie ein Teil der Privatbankiers. Die Aufsteiger gerieten ihrerseits nicht selten innerhalb und außerhalb der Berufswelt in Konflikt mit den Etablierten, von denen sie als »Eindringlinge« betrachtet wurden. Das betrifft nicht nur die üble Nachrede der aristokratischen Cliquen gegenüber Männern wie Gerson (von) Bleichröder; auch innerhalb der Hochfinanz war diese Trennungslinie wirksam, wie die Gegensätze zwischen Vätern und Söhnen zeigen. Die Aufsteiger besaßen nicht nur ein relativ geringes »kulturelles Kapital« (abgesehen von den notwendigen technischen Berufskenntnissen), ihnen fehlte auch die »Verfeinerung der Lebensweise«, geschliffene Manieren und die »Liebenswürdigkeit« der »Arrivierten«, durch die das harte Geschäft den Anschein der Mühelosigkeit annahm. Sie 82 Bei seinem 25. Geschäftsjubiläum am 1.1.1921 mokierte sich Paul (von) Schwabach über sie: »Meine anderen Sozien, Hans und Georg von Bleichröder, vielfach anderweitig in Anspruch genommen, hatten das Zutrauen, daß [der Prokurist] Imelmann und ich gemeinsam das Schiff lenken können.« Schwabach, S. 387.

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wurden vielmehr charakterisiert durch Grob- und Ungeschliffenheit, Plumpheit der Sitten und der Rede. Über Bernhard Dernburg, der sich seine Sporen in harten Firmensanierungen erworben hatte, schrieb Georg Bernhard, er sei »ein Mann mit den Allüren eines Yankee«, der »auch die verwöhnten Kinder des Tiergartens mit seiner Grobheit nicht verschonte«.83 Die Roheit des ebenfalls aus kleinen Verhältnissen stammenden Karl Klönne war legendär. Bei dem Versuch, das Warenhausunternehmen Hertie (Hermann Tietz) durch Kündigung eines Großkredits zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zu zwingen, soll er den Juniorchef Georg Tietz angeschrieben haben: »Entweder parieren Sie, Sie junger Dachs, oder Sie zahlen mir den Kredit innerhalb von acht Tagen zurück... Ihre dummen Phrasen von >nìcht befugt< ziehen bei mir nicht!«84 Wie Dernburg hatte auch Klönne seine Karriere als Sanierer begonnen, eine harte Arbeit, die offenbar prägend wirkte, denn beide verdankten ihren Erfolg als Bankier und damit ihren sozialen Aufstieg den »Grausamkeiten« solcher »Roßkuren«. Auf diese Weise führte das »soziale Alter« der Akteure zu Unterschieden in der Art und Weise, wie die Etablierten und die Aufsteiger unter den Bankiers ihren Beruf ausübten. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Faktor des »sozialen Alters« die Einstellungen und Lebensweise der Großbankiers in vielfältigster Weise beeinflußte, von den Laufbahnen der Bankiers und der Besetzung der Leitungsgremien der Banken, in denen die dominierenden Positionen den »Etablierten« vorbehalten blieben, über die Haltung der Akteure zur beruflichen Arbeit, wobei die Höhe des »sozialen Alters« mit dem Umfang an Zeit korrespondierte, den die Bankiers der Erwerbsarbeit zu widmen bereit waren, bis hin zu ihrer Bereitschaft, sich kulturell oder anderweitig außerberuflich zu engagieren. Daneben ist festzuhalten, daß die Großbankiers aus ihrer Funktion im Wirtschaftssystem für sich eine Führungsrolle nicht nur in der Bankwelt, sondern in der gesamten Ökonomie ableiteten. Der »Habitus der Etablierten« bezeichnet in erster Linie eine relative Distanz zur Erwerbsarbeit. Ein erheblicher Teil so gewonnener disponibler Zeit konnte der Pflege des »nicht-ökonomischen Kapitalbesitzes« der Person und der Familie gewidmet werden. Dagegen waren die Aufsteiger eher geneigt, ein spezifisches Arbeits- und Leistungsethos zu kultivieren, das sich ausschließlich auf die Erwerbsarbeit in der Leitung einer Großbank bezog, denn sie hatten praktisch ihre gesamte Zeit und Kraft der Arbeit widmen müssen und entwickelten daher - im Gegensatz zu ihren Söhnen, die von diesen Mühen befreit waren - nur geringe kulturelle Interessen. Bei vielem, was im luxoriösen und »pseudo-aristokratischen« Lebensstil von Großbankiers und dem Besitzbürgertum allge83 Plutus (8.9. 1906), S. 638f. 84 Georg Tietz, zitiert nach: Deutsche Sparkassenzeitung Nr. 46 (16.6.1966), S. 2; Vgl. auch Achterbergu. Müller-Jabt4sch, S. 241, S. 244.

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mein als »Aristokratisierung« bezeichnet worden ist, handelt es sich tatsächlich um einen Prozeß des »Sich-Etablierens« im Raum der Oberklassen. Entscheidend ist dabei, daß die betreffenden Bankiers nicht etwa ihren Beruf aufgaben, um Landadliger oder Rentier zu werden. Sie bleiben Bankiers, doch die Einstellung zur Berufswelt änderte sich: Die »Etablierten« waren nicht mehr ausschließlich Bankiers.

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6. Familienleben und soziale Verflechtungen Die Art und Weise, wie die Bankiers ihre Ehepartner auswählten, die Arbeitsteilung und Konflikte zwischen den Geschlechtern und Generationen und die Kontakte, die sie zur eigenen und zu anderen sozialen Gruppen unterhielten, geben Aufschluß über den Grad ihrer Binnenintegration und ihre Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung und damit über ihre potentielle soziale Macht. Besonders von ihrem »sozialen Kapital«, also den Bündnissen, die sie mit anderen (ihrerseits möglichst mächtigen) Gruppen schließen konnte, hing es ab, wie weit sie in der Lage war, ihre Ziele - sei es in politischen, ökonomischen oder ideologischen Konflikten - durchzusetzten.1 Dabei stehen mehrere Problemkreise im Vordergrund. Zunächst geht es um die Verflechtung der Hochfinanz mit anderen Gruppen. Die neuere Forschung hat sich (angesichts der spezifischen Ausformung der Machtteilung zwischen Aristokratie und Bürgertum in Deutschland mit Recht) auf die Kontakte zwischen Wirtschaftsbürgertum und Adel konzentriert und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß diese weniger eng waren als bisher angenommen. Die Großbankiers bildeten in dieser Hinsicht keine Ausnahme, obwohl sie aufgrund ihrer Tradition, gewisser Ähnlichkeiten in der Dynastiebildung und aufgrund ihres Reichtums nach englischem Vorbild von allen Unternehmergruppen vielleicht am ehesten dazu prädestiniert gewesen wären. Im Gegenteil, ihre Verbindungen nicht nur mit den »alten Eliten«, sondern auch mit den bürgerlichen Oberklassenfraktionen waren relativ schwach ausgeprägt. Das gilt nicht nur für ihre Heiratsbeziehungen und die übrigen gesellschaftlichen Kontakte, sondern auch für die ihrer Kinder. Weder in in ihren sozialen Verflechtungen noch in ihrer Lebensweise läßt sich ein starkes »aristokratisches Modell« finden. Im Raum der Oberklassen des kaiserlichen Deutschland finden wir die Hochfinanz also auf einer sehr privilegierten, aber auch sehr isolierten Position. Ihre Fähigkeit, gesellschaftliche und damit auch politische Allianzen zu schließen, wurde durch diese Position gcwiß nicht verbessert. Der zentrale Ort dieser sozialen Praktiken lag im Herzstück der bürgerlichen Gesellschaft: der Familie.2 Schon in der Familiengründung, das heißt der Partnerwahl, kam ein spezifisches Muster von Wertvorstellungen zum Tragen. Die 1 Lepsius, S. 86-88. 2 Über die Bedeutung der Familie in der bürgerlichen Gesellschaft vgl. Nipperdey, S. 43-73; Perrot; Budáe; Galt, Bürgertum; Kocka, Familie.

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Hochfinanz war sehr status-bewußt. Anhand der Art und Weise, wie die Bankiers ihren eigenen Status und den anderer sozialer Gruppen, aus der die Partner stammen mochten, definierten, lassen sich Aussagen über ihre Wertvorstellungen treffen. Schließlich ist die Position der Frauen in der patriarchalisch organisierten Bankierfamilie zu untersuchen, einerseits hinsichtlich der Frage, wie diese Position vom Wandel der oben beschriebenen Reproduktionsmodi der Hochfinanz berührt wurde, andererseits hinsichtlich ihrer Rolle für das Entstehen einer großbürgerlichen Familienkultur. a) Die Wahl des Ehepartners In der aristokratisch geprägten Gesellschaft Berlins bildete die Großunternehmerschaft und im besonderen die Hochfinanz noch in der wilhelminischen Zeit ein verhältnismäßig neues soziales Phänomen, und die Großbankiers galten allgemein als homines novi? Nichts zeigt dies besser als die Einkommensrelation zwischen dem Wirtschaftsbürgertum und der höheren Beamtenschaft in Preußen, wo es 1855 nur 537 Personen mit einem höheren steuerpflichtigen Einkommen gab, als es ein Minister besaß, 1910 aber 14237. Für einen Regierungsrat stieg das Verhältnis von 25000 auf 200000 Höherveranlagte.4 Auch weil die Großbankierschaft zur Hälfte aus Juden bestand, war die junge Hochfinanz bei aller ökonomischen Macht nur in geringem Maße in die »gute Gesellschaft« integriert.5 Über das Heiratsverhalten von Großunternehmern während des Kaiserreiches liegen mittlerweile - neben manchen qualitativ angelegten oder bloß impressionistisch gehaltenen Darstellungen - auch mehrere quantitative Untersuchungen vor. Dolores Augustine hat die Multimillionäre des letzten Vorkriegsjahrzehnt untersucht, Hansjoachim Henning die sozialen Verflechtungen der westfälischen Kommerzienräte über das gesamte Kaiserreich hinweg und Hans-Konrad Stein die nobilitierten Unternehmer zwischen 1800 und 1918. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind widersprüchlich: Die westfälischen Großunternehmer heirateten mit überwältigender Mehrheit innerhalb des 3 Vgl. Spitzemberç, S. 488. 4 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. III, S. 1030. 5 »Für jeden, der zur Berliner Gesellschaft zählte, und namentlich für den jungen Offizier, war es selbstverständlich, regelmäßig die Rennen zu besuchen und danach in irgendeinem bestimmten Restaurant, wo man sich, des Andranges wegen, den Platz vorher sicherte, zu dinieren [...] Hier dominierte unbestritten die >GesellschaftGesellschaft(, mit so mannigfachen Faden beide auch miteinander verbunden sein mochten.« Adolf von Wilke, Alt-Berliner Erinnerungen, zitiert nach Ritter u. Kocka, S. 366.

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Wirtschaftsbürgertums. Hier blieben - der Wirtschaftsstruktur Westfalens folgend, in welcher der Dienstleistungssektor eine untergeordnete Rolle spielte die Großindustriellen überwiegend unter sich; nicht einmal jeder Zehnte hatte dagegen einen Grundbesitzer oder einen akademischen Beamten zum Schwiegervater. Die wirtschaftsbürgerlichen Multimillionäre des späten Kaiserreiches heirateten dagegen in geringerem Umfang innerhalb der eigenen Gruppe, doch auch hier verbanden sich nur wenig mehr als 12 % mit den »alten Eliten« aus Großgrundbesitzern und Offizieren sowie der hohen Bürokratie. Die nobilitierten Unternehmer folgten schließlich ganz anderen Heiratsmustern, denn rund 30 % der zwischen 1870 und 1918 in den Adel erhobenen deutschen Unternehmer heirateten innerhalb der Aristokratie, überwiegend in eine neuadelige Familie.6 Die Bankiers der Hochfinanz und zwar besonders die großen Berliner Privatbankiers standen in relativ engem ökonomischen und teilweise auch sozialen Kontakt zum preußischen Adel. Ein Teil der Manager-Bankiers verfügte über engere Kontakte zu den Großindustriellen. Schlugen sich diese Beziehungen auch in ihren Heiratsbeziehungen nieder? Zunächst zeigt sich, daß die Heiratsverflechtungen gerade mit dem industriellen Großbürgertum ausgesprochen dünn waren (Tab. 14). Zwischen den untersuchten Privatbankiers und Industriellenfamilien existierten sie überhaupt nicht. Industrie- und Bankkapital, die schon zu Beginn ihrer Laufbahnen, nähmlich während der Ausbildungszeit, kaum in Berührung miteinander gekommen waren, verschmolzen auch durch ihre Heiratsbeziehungen nicht zu einer homogenen Großunternehmerschaft. Nur mit Unternehmern des Großhandels entspannen sich enge konnubiale Verbindungen. Vor allem aber war die Binnenintegration der Hochfinanz nicht sehr stark ausgeprägt. Die wichtigste Rolle spielte dabei der Gegensatz zwischen den Privat- und den Manager-Bankiers: Nur fünf der untersuchten Vorstandsmitglieder hatten einen Privatbankier zum Schwiegervater, einer davon war Stiefsohn eines bedeutenden Privatbankiers.7 Demgegenüber heirateten 23 der 54 Privatbankiers, deren Schwiegervater festgestellt werden konnte, innerhalb der eigenen Gruppe. Ein gemeinsamer Lebensstil, die Aufnahme von Schwiegersöhnen als Teilhaber und Überkreuzverflechtungen zwischen (jüdischen) 6 Henning, Soziale Verflechtung, S. 12-15; Augustine, Wirtschaftselite, Tab. 3.26. Stein, S. 424f. 7 Curt Sobernheim (1871-1940) war der Sohn von Adolph Sobemheim und Stiefsohn Eugen Landaus; er heiratete eine Tochter des Bankiers Eduard Rosenfeld. Soberheim machte danach Karriere in Banken, bei denen sein Stiefvater im Aufsichtsrat saß bzw. dessen Vorsitz führte. Bis 1896 Mitinhaber von J . Landau & Co. in Breslau, dann bis 1901 Vorstandsmitglied in der Berliner Niederlassung der Breslauer DB, die in jenem Jahr Opfer der Wirtschaftskrise wurde und daraufhin Anschluß an die BHI suchen mußte, trat er zur Nationalbank für Deutschland über, zunächst als Prokurist, seit 1905 als stellvertretender Direktor. 1911-1932 war er Vorstandsmitglied der Commerz DB; 1940 wurde er in Paris von der Gestapo ermordet.

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Bankierfamilien wie zwischen den Familien Mendelssohn-Bartholdy und den Warschauer führte zu dieser starken Endogamie.8 Zählt man die Großkaufleute hinzu, deren Berufsfeld sich besonders in Hamburgvondemder merchantbankers kaum unterschied (sieben Fälle), verschwägerten sich fast zwei Drittel der Privatbankiers innerhalb der Welt der selbständigen großen Bank- und Handelsunternehmer. In ihrem Konnubium bildeten die Privatbankiers der Hochfinanz also ausgesprochen exklusive Heiratsmuster, welche die AngestelltenUnternehmer der eigenen Berufsgruppe ausschloß. Demgegenüber spielte bei den Manager-Bankiers das Konnubium innerhalb der eigenen Berufsgruppe keine große Rolle. Die beiden Fraktionen unterschieden sich also grundsätzlich in den Mustern ihrer sozialen Verflechtungen und waren weder durch Herkunft noch durch Heirat miteinander verbunden. Ordnet man das Konnubium weiteren sozialen Charakteristika zu, kontierten eine hohe Selbstrekrutierung in der Berufsgruppe, Endogamie, der Sitz der Tab. Í4: Berufe der Schwiegerväter9 Privatbankiers Bankiers Kaufleute10 Industrielle »staatsnahes Bürgertum« »freie Berufe« Gutsbesitzer, Offiziere Kleinbürgertum sonstige

23 11

gesamt

54

6 6 4 1 3

42,6 % 20,4 % 11,1 % 11,1 % 7,4 % 1,85% 5,55 % 100,0 %

Manager-Bankiers

gesamt

8 28 4 17 11 8 7 2

9,4 % 32,9 % 4,7 % 20,0 % 12,9% 9,4 % 8,2 % 2,4 %

31 39 4 23 17 12 8 5

22,3 % 28,1 % 2,9 % 16,6% 12,2 % 8,6 % 5,7 % 3,6%

85

99,9 %

139

100,0%

8 In Bezug auf den Beruf der Schwiegerväter kommt Augustine, Banker, S. 169, zu vollkommen anderen Ergebnissen. Ihr zufolge heirateten nur 13,4 % der wilhelminischen Bankiers eine Bankiertochter. Dieses Resultat wirkt um so erstaunlicher, als es sich bei Augustines Untersuchungseinheit zu drei Vierteln um Privatbankiers handelt. Außerdem scheint die Endogamie der Bankiers des Preußenkonsortiums während des Kaiserreiches allenfalls geringfügig zurückgegangen zu sein. Auch ist in Augustines Sample der Anteil der Offiziere, Gutsbesitzer und akademischen Beamten unter den Schwiegervätern höher (15,9 % gegenüber 9,2 %) als bei den Bankiers des Preußenkonsortiums. Diese Unterschiede dürften darauf zurückzuführen sein, daß ein großer Teil der Multimillionäre, die in Augustines Untersuchung als Privatbankiers auftauchen, in Wirklichkeit den Beruf längst aufgegeben hatten und als de-facto-Rentiers in die Welt des Adels eingetreten waren. 9 15 Bankiers, davon 3 Privatbankiers, waren ledig. Über 222 Personen des Samples liegen aufgrund der Schwierigkeiten der Datenerhebung keine Angaben über den Beruf des Schwiegervaters vor. Dennoch zeichnen sich einige Trends des Heiratsverhaltens deutlich ab. 10 Einschließlich von Handelsunternehmern wie Reeder, Makler, Versicherungsdirektoren usw.

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Bank in einer Stadt mit starker kaufmännischer Tradition (wie Frankfurt oder Hamburg, nicht Berlin!) und das Bekenntnis zum Judentum ausgesprochen stark: Gerade die Söhne derjenigen jüdischen Bankierfamilien, die der Versuchung der Assimilation am längsten widerstanden, etwa die Rothschild und Speyer oder die Warburg, in mancher Hinsicht auch die Mendelssohn und die Behrens, traten in das Familienunternehmen ein und heirateten ihresgleichen. Weitere Unterschiede zwischen Privatbankiers und Managern beim Heiratsverhalten blieben bestehen: So stand die hohe Endogamie bei ersteren der Tatsache, daß sich praktisch nur Manager-Bankiers mit Beamtenfamilien verbanden, gegenüber. Die Heiratskreise der Manager-Bankiers waren exklusiv, die der Privatbankiers noch exklusiver. Allerdings mußten sich die Großbankiers in der Auswahl ihrer Ehepartnerinnen bei aller Exklusivität doch auf bestimmte Segmente des Bildungs- und Besitzbürgertums beschänken. Denn zu den »alten Eliten« der Offiziers- und Gutsbesitzerfamilien waren die Konnubialkontakte ausgesprochen dünn. Nur rund jeder elfte Schwiegervater eines Bankiers des Samples kam aus dieser Gruppe. Überdies waren diese Familien bürgerlich; nur neun Ehen zwischen einem Bankier der Hochfinanz und einer Adeligen ließen sich feststellen (ohne Berücksichtigung der Ehen mit Frauen aus geadelten Bankierfamilien, bei denen es sich ja um Heiraten innerhalb der Hochfinanz handelte). Im Vergleich zu der Seltenheit des Konnubiums zwischen Adel und Hochfinanz waren ihre internationalen Heiratskontakte mit 24 Ehen weitaus enger. Die Ehepartnerinnen stammten dabei zumeist einer Handelsunternehmerfamilie. Mit ausländischen Großunternehmern war die deutsche Hochfinanz also enger verbunden als mit den »alten Eliten« ihrer Heimat. Die Kluft besonders zwischen dem preußischen Adel und der Bankwelt blieb während des gesamten Kaiserreiches nahezu unüberbrückbar. Diejenigen Bankiers, welche die Tochter eines Offiziers oder Gutsbesitzers heirateten, waren meist selbst adelig wie Adolph (von) Hansemann, Joseph Graf von Hoverden, Hans von Klitzing oder Wilhelm von Krause. Zumindest aber stammten sie aus den preußischen Kernprovinzen östlich der Elbe: Kein Rheinländer (außer Hansemann), Hamburger und süddeutscher Bankier des Samples heiratete in eine Offiziers- oder Gutsbesitzerfamilie ein; übrigens auch kein weiterer Bankier aus dem Zentrum des »Feldes«. Unter den Privatbankiers, die nach Reichtum und sozialem Alter als erste für die Verbindung mit den »alten Eliten« in Frage kamen, wählten nicht die Inhaber der erstrangigen Firmen, sondern eher mittelgroßer Institute wie F.W. Krause&Co., einer der wenigen nichtjüdischen Privatbanken ihre Partnerin aus diesen Gruppen. Deutlich ausgeprägter waren dagegen die Verflechtungen mit dem Bildungsbürgertum, und zwar mit einem leichten Überwiegen des »staatsnahen Bürgertums« gegenüber den »freien Berufen«. Fast jeder dritte Bankier des Preußenkonsortiums heiratete in eine dieser Familien ein. Alles in allem zeigt sich die soziale Integration der Hochfinanz in den Raum der Oberklassen also ausge229 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

sprochen asymmetrisch: Während enge Beziehungen zu den bildungsbürgerlichen Fraktionen bestanden, waren diejenigen zu den mächtigen Gruppen der industriellen Großunternehmerschaft wie zur Aristokratie relativ schwach, besonders im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich. In England heirateten in den letzten zwei bis drei Friedensjahrzehnten rund ein Drittel der city banker$ in den adligen Großgrundbesitz, doch nur 1 % heiratete die Tochter eines Industriellen. Diese Fusion aus Bankiers- und Adelsfamilien brachte mit der Zeit eine neue, relativ homogene Oberklasse hervor, allerdings unter weitgehendem Ausschluß des Industriekapitals. Ein Zeichen für die »gelungene« Fusion dieser Gruppen in Großbritannien ist eine Sozialstatistik aus dem Jahre 1911, die nicht mehr zwischen Adel (upperdass) und middle dass - also dem, was man ins Deutsche mit aller Vorsicht als »Bürgertum« übersetzen könnte - trennte. Wenn also die Hochfinanz eines Landes »feudalisiert« in dem Sinne war, daß sie unter Abschließung anderer »bürgerlicher« Gruppen mit dem Adel weitgehend verschmolz, dann die englische.11 Frankreich, wo der Adel seit 1789 eine geringere Rolle spielte, zeigt ebenfalls ein anderes Bild. Die Pariser haute banque war sozial äußerst exklusiv, verband sich jedoch zunehmend mit der Machtelite aus Politik und Verwaltung. Um die Jahrhundertwende heirateten 54,5 % der französischen Großunternehmer innerhalb ihrer eigenen Gruppe, 21,8 % Beamtentöchter und 10,9% Töchter von Freiberuflern. Jenseits des Rheins war die Großunternehmerschaft weitaus besser in die Oberklassen integriert als ihre deutschen Kollegen und besonders als die deutsche Hochfinanz.12 Die ausschlaggebende Stimme bei der Partnerwahl besaßen während des gesamten 19. Jahrhunderts in bürgerlichen Familien die Eltern von Braut und Bräutigam. Das war bei den Bankiers nicht anders. Lange Zeit schlossen die Eltern oder Verwandte Ehen praktisch über die Köpfe der Brautleute hinweg. Siegmund Warburg, der 1862 die Russin Theophile Rosenberg heiratete, lernte seine Braut erst kennen, nachdem die Eltern sich schriftlich über Mitgift und Beteiligung Siegmunds am väterlichen Unternehmen geeinigt hatten.13 Entsprechend dem allgemeinen Trend nahm jedoch auch in der Bankwelt die Bedeutung der von den Eltern unmittelbar vermittelten Ehen ab, wobei der Stellenwert der Übertragung von Vermögenswerten zur Mehrung des Geschäftskapitals infolge des Aufstiegs der Aktienbanken für die Familien der Hochfinanz zurückging.14 Die Folge war eine größere Freiheit zumindest der 11 Cassis, City Bankers, S. 203-208; Thane u. Harris, passim; Hobsbawm, Die englische middleclass, S. 79-106, besonders S. 93, S. 102. Als Gründe nennt Hobsbawm die Tatsache, daß seit 1880 der Reichtum in bürgerlicher Hand größer war als der des Adels, zunehmende Nobihtierungen, gemeinsam verbrachte Jugend in public schools und Oxbndge sowie die politische Verschmelzung der beiden Gruppen in der Konservativen Partei. 12 Cassis, Wírtschaftselite und Bürgertum, S. 27; Plessis, passim. 13 Chernow, S. 30-32. 14 Vgl. zum jüdischen Bürgertum Kaplan, For Love or Money, passim.

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jungen Männer bei der Auswahl ihrer Lebenspartnerin. Es wäre absurd anzunehmen, daß Liebe dabei keine Rolle gespielt hätte. Vermutlich waren Liebesheiraten nach der Jahrhundertwende sogar recht zahlreich. Aber die Liebe durchbrach selten größere soziale Schranken, und nur bei der Gefahr massiver Sanktionen. Ausschlaggebend bei der Beurteilung von Vorzügen und Nachteilen von Braut und Bräutigam war ihr sozialer Status. Paul Wallich diskutierte anläßlich seiner eigenen Heiratspläne ausführlich die Merkmale, die diesen Status ausmachten, als er seine eigenen sozialen Vorzüge und Nachteile bilanzierte: »Ich wollte heiraten - aber ich kannte meinen Wert, und eines stand fest, nämlich, daß ich mich nur um den höchsten Preis verkaufen würde. [...] Eigentlich mein einziger Nachteil in den Augen der Betrachter war meine jüdische Herkunft. Dem standen entgegen: das ansehnliche Vermögen meines Vaters, das von Fernerstehenden fast durchweg überschätzt wurde, die - wie allgemein bekannt - ehrenhafte, von allen spekulativen Mitteln ferne Weise, wie dies Vermögen erworben, und damit zusammenhängend die angesehene Stellung, die mein Vater über geschäftliche Kreise hinaus in Berlin einnahm, mein Titel als Dr. der Staatswissenschaft und Leutnant der Reserve-Kavallerie, schließlich der Ruf als solider, gescheiter und fleißiger junger Mann, der voraussichtlich einmal eine leitende Stellung im deutschen Bankwesen einnehmen würde.«15 Der soziale Status eines Heiratskandidaten bemaß sich also keineswegs allein nach der Höhe des Familienvermögens, sondern auch nach der Art seines Erwerbs und seines Alters, denn ein langsames Wachstum verlieh ihm und seinem Besitzer höheres Ansehen und höhere soziale Legitimation. Der zweite wichtige Faktor war die Ethnizität. Diese beiden Merkmale entschieden im wesentlichen über den Status des Kandidaten und seiner Familie. Wallich bekam das zu spüren, als er sich um die Hand der Cousine des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Adolf vom Rath, bemühte. Seine jüdische Herkunft versetzte ihn auf eine Position jenseits der sozialen »Scheidelinie«, die mögliche von unmöglichen Bräutigame trennte: »you must draw the line somewhere«, hatte sich Frau vom Rath gesagt. Von geringerer Bedeutung als die für die gesamte Familie bestimmenden Merkmale waren diejenigen unmittelbar mit der Person des Bewerbers verbundenen. Das betraf zum einen seinen Besitz an allen möglichen Titeln (Bildungszertifikate ebenso wie das Patent eines Reserveleutnants), zum anderen das Ausmaß, in dem er dem Kanon bürgerlicher Werte entsprach, wie ein einigermaßen tugendhafter Lebenswandel, Fleiß und Intelligenz. Vermögen, Status und Ethnizität als wichtigste Faktoren der Partnerwahl sorgten für die stete Zusammenführungjunger Menschen aus ähnlichen sozialen Lagen und führte zur Aufrechterhaltung relativ hoher sozialer Schranken. Diese Barrieren entstanden und blieben bestehen, weil selbst diejenigen Grup15 Wallich, Lehr- und Wanderjahre, S. 339, S. 242, S. 221 (auch für das Folgende). 231 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

pen, deren Position im »sozialen Raum« nahe beieinander lagen, einander nicht als gleichrangig ansahen, sondern deutlich voneinander abweichende Vorstellungen sozialer Wertschätzungen und Lebensweisen entwickelten und tradierten. Das ausgesprochen seltene Konnubium zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Oberklassenfraktionen deutet daher auf hohe soziale Distanzen selbst zwischen »benachbarten« Gruppen hin. Diese Tatsache belastete vor allem die Verbindung zwischen den »alten Eliten« und weiten Teilen des Wirtschaftsbürgertums. Aus der Perspektive der ökonomisch stagnierenden Teile des Adels war der soziale Status der Bankiers mit ihrem hohen jüdischen Anteil besonders niedrig mit der Folge, daß sie für das von ihnen eingebrachte »Kapital« einen besonders ungünstigen »Kurs« erhielten. Paul Wallich berichtet von einem invaliden adeligen Kavallierieoffizier, der seinen Unterhalt durch die Arbeit eines Lotteriekollekteurs in der Berliner Burgstaße verdiente. Dieser standesbewußte Aristokrat hatte zwei physisch wenig attraktive und vollkommen vermögenlose Nichten unter die Haube zu bringen. Doch für einen bürgerlichen Bewerber wie Wallich waren sie seiner Meinung nach hochbegehrte Partien: »Allerdings denke ich mir, daß für einen Herrn Ihrer Kreise die Verbindung mit dem unseren einen ganz besonderen und vieles andere aufwiegenden Wert haben muß« Daß Wallich Bankier war, bezeichnete er als »Schönheitsfehler, der sich bei Ihrer Wohlhabenheit aber gelegentlich durch einen Gutskauf reparieren« ließe.16 Nichts dürfte das Zusammenwachsen der disparaten Gruppen im Raum der Oberklassen Deutschlands so behindert haben wie dieser Standesdünkel, bei dem es sich um nichts anderes handelte als um den weitgehend erfolgreichen Versuch einer ökonomisch absteigenden Gruppe, das ihr verbliebene »Kapital« - ihr Prestige - durch ständische Abgeschlossenheit im Wert zu steigern und zum einzig legitimen Grund sozialer Herrschaft zu machen. Doch auch die Hochfinanz achtete darauf, bei einer Heirat Statusgrenzen einzuhalten. Im Gegensatz zum Adel, aber auch zu weiten Teilen des Bürgertums, definierte sie diese Grenzen allerdings vorzugsweise ökonomisch. Ein Paradebeispiel dafür sind die Briefe Eugen Gutmanns an seinen Sohn Fritz anläßlich dessen Verlobung mit Luise von Landau, einer Nichte des Bankiers Jacob Landau. Der schwerreiche Beherrscher der Dresdner Bank war unzufrieden mit den Heiratsplänen seines Sohnes, der damals als stellvertretender Direktor der Londoner Filiale arbeitete, weil er die materielle Basis von dessen Ehe nicht gesichert sah. Gutmanns einzige Sorge scheint dem Vermögen von Braut und Bräutigam gegolten zu haben, an das er allerdings überaus hohe Anforderungen stellte: »Allerdings müsstest Du daraufsehen, dass Du ein Mädchen heiratest, das Vermögen hat, denn in Deiner heutigen Stellung bist Du noch nicht in der Lage, eine Familie 16 Ebd., S. 356.

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gründen zu können ... Ein junger Mann sollte eigentlich nur heiraten, wenn er sich schon ein Vermögen erworben und mindestens in einer sicheren Stellung ist, die ihm die Gewissheit gibt, dass er ein hinreichendes Einkommen hat, um standesgemäß und, was die Hauptsache ist, sorgenlos leben zu können. Also die materielle Seite bei einer Verheiratung darfst Du nicht ausser acht lassen. Dass sich Herbert verheiratet ist mir ja in gewisser Richtung lieb, namentlich dass er infolge seiner Verlobung sein Verhältnis aufgegeben hat. Aber ich bin über die Partie auch nicht sehr entzückt, weil ich, nachdem ich Herbert in jungen Jahren in solch eine bedeutende Stellung gebracht habe, erwartet hätte, dass er ein sehr reiches Mädchen wählen und in eine große Familie hineinheiraten würde. Die Liebe ist ja sehr schön, und ich höre über Herberts Braut, die ich selbst nicht kenne, nur Gutes; immerhin werde ich ein Gefühl der Unzufriedenheit nicht los. [...] Ich kann nur wiederholen, dass Du vorsichtig sein musst, da das Materielle bei Dir noch eine grössere Rolle spielt wie bei Herbert. Die Liebe allein tut es nicht, man muss auch das nötige Kleingeld dazu haben. Ich glaube ja, dass die Mutter sehr vermögend sein muß, aber etwas gewisses weiss ich nicht, und es wird sich deshalb auch empfehlen, dass Du Dich mit der Mutter ganz offen aussprichst und ihr sagst: >ich habe heute das und das Einkommen und glaube bestimmt, dass ich im nächsten Jahr wirklicher Direktor werde, wodurch mein Einkommen wesentlich steigen wirdBankier< war, wurde uns Kindern von der Mutter nie erwähnt. Er war einfach >KaufmannCarpe diem!< Nütze den Tag!«30 Die intensive Beschäftigung der Mutter mit den (männlichen) Kindern war daher oft der wichtigste Faktor bei der Vermittlung eines unternehmerischen Habitus', denn es waren »die Frauen, die soziale und kulturelle Werte an die nächste Generation weitergaben«.31 Tatsächlich dürften Prägungen während der Kindheit den Ausschlag für so manche Bankierlaufbahn gegeben haben. Hans Fürstenberg erinnerte sich: »Frage ich mich, wann eigentlich mein berufliches Leben angefangen hat, dann neige ich fast zu der Antwort: in der ersten Kindheit, denn diese verlief, wie ich schon berichtet hate, in einem Elternhaus, in das der Vater oft Geschäftsfreunde mitbrachte. Außerdem unterhielt er sich fast täglich in Gegenwart der Kinder mit der klugen Mutter über geschäftliche Dinge.«32 Zwar hatte die Ehefrau keine Möglichkeit, in die unternehmerischen Entscheidungen ihres Mannes einzugreifen, doch der innerfamiliäre Austausch über die Arbeit des Mannes sorgte für eine frühe Beschäftigung der 29 Wallich, Aus meinem Leben, S. 33. Fürstenberg, Erinnerungen, S. 7; Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 312. 30 Warbarg, S. lf. Ähnliches über Charlotte Oppenheim, die Ehefrau Moritz Warburgs, bei Rosenbaum u. Sherman, S. 67. 31 Kaplan, Jüdisches Bürgertum, S. 17, S. 76-86. 32 Fürstenberg, Erinnerungen, S. 15; desgl. Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 231. 238 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Knaben mit dieser Arbeit und schuf so die Voraussetzung für den Antrieb, dem Vorbild des Vaters beruflich nacheifern zu wollen. Auch die Weitergabe »kulturellen Kapitals« innerhalb der Familie lag überwiegend in den Händen der Mutter wie bei Hans Fürstenberg, dessen Vater Carl »kein sehr lebhaftes Interesse für die unzähligen Kunstwerke« während einer Italienreise besaß. »Es war meine Mutter, die mich auf Grundlegendes, wie die Sixtinische Kapelle oder die vatikanischen Kunstsammlungen hinwies«.33 Scheiterte die Weitergabe unternehmerischer und bildungsorientierter Tugenden an der mangelnden kulturellen Kompetenz der Mutter oder der fehlenden Präsenz des arbeitenden Vaters, waren geringer unternehmerischer Elan und kulturelle Indifferenz die Folge, wie es die Geschichte der Familie Bleichröder bezeugt. Die Kehrseite dieser Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern bestand darin, daß es zwischen kulturell ambitionierten Ehefrauen und aus Berufsgründen häufig abwesenden und kulturell wenig interessierten Ehemännern zu Spannungen kommen konnte, die sich in Seitensprüngen der Partner bis hin zur Scheidung der Ehe entladen konnten.34 Der - neben der biologischen und sozialen Reproduktion der Familie - zweite Aufgabenschwerpunkt der (groß-) bürgerlichen Ehefrau lag in der Funktion eines »Haushaltsmanagers«.35 Aniela Fürstenberg perfektionierte die Organisation des »Unternehmens Haushalt« durch besondere Inventarisierungen und die Erfindung privater Schecks und beschäftigte für die Abwicklung organisatorischer Arbeiten eine eigene Sekretärin.36 Dazu traten in den großbürgerlichen Familien mehr oder minder ausgeprägt die Verpflichtungen als Gesellschafterin. Eine Freundin von Anna Wallich bekannte, von dieser »alles« gemeint war: alles für eine bürgerliche Frau Wichtige - gelernt zu haben: »Die Kunst, einen großen Haushalt zu führen, Geselligkeit zu pflegen und sich an der Wohltätigkeit 2u beteiligen.«37 Es ist nicht notwendig, das in der Geschlechtergeschichte scharf angegriffene Konzept des Gegensatzes zwischen »Privatheit« und »Öffentlichkeit« zu bemühen, um zu erkennen, daß die beiden letztgenannten Aufgaben den Ehefrauen Betätigungsfelder jenseits von Haushalt 33 Fürstenberg, Erinnerungen, S. 1 lf. 34 So hatte die Frau von Eugen Gutmann, Sophie, eine Affaire mit dem Hauslehrer der Kinder, also mit jemandem, der mit der Ehefrau die Position materieller Unterordnung bei gleichzeitiger kultureller Superioritàt gegenüber dem Patriarchen teilte - eine Figuration, die seit der Beziehung Susette Gontards zu Hölderlin geradezu klassisch geworden ist. Im Gegensatz zum demütigenden Abschied des Dichters suchte Gutmanns Hauslehrer sein Heil in einer langjährigen Erpressung, zu der ihm einige Briefe Sophie Gutmanns die Möglichkeit gaben. Dies brachte ihm zwar insgesamt eine Summe von 18.000 M, aber imjahre 1902 eine Verurteilung zu neun Monaten Gefängnis und fünfJahren Ehrverlust ein. Wenige Monate später kam es wegen dieser Affaire zur Scheidung. 35 Nipperdey, S. 48. 36 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 5O5f. 37 Wallkh, Erinnerungen, S. 116.

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und Verwandtenkreis eröffneten.38 Alle bedeutenderen Privatbankiers und die Vorstandssprecher oder Seniorchefs der großen Aktienbanken waren Ausrichter regelmäßiger größerer Festivitäten, Empfänge, Bälle und dergleichen, auf denen die »gute Gesellschaft« Berlins zusammentraf In etwas kleinerem Maßstab arrangierten auch die übrigen Manager-Bankiers derartige Partys und Zusammentreffen. Die eigentlichen Veranstalter aller dieser Geselligkeiten waren die Ehefrauen der Großbankiers, und auf ihren Schultern lastete die meiste Arbeit. Ludwig Bamberger, zeitweilig Bankier, schrieb, ein solcher Abend »legt den Gastgebern und namentlich dem aktivsten Teil, der Hausfrau, eine große Anstrengung auf. Sie muß von der ersten Stunde bis nach Mitternacht unter den Waffen bleiben. Aber ohne Anstrengung wird nichts gut gemacht, am wenigsten die Gesellschaft, und unter Anstrengung ist hier nicht bloß die Mühe, sondern die geschickt angebrachte Mühe zu verstehen. Die verantwortliche Herrin eines Salons muß stets auf dem Qui vive bleiben, wie ein Schlachtenlenker, und dabei dürfen die Gäste von der Aktion nicht die Arbeit, sondern nur den wohltuenden Effekt merken. Bekanntlich hängt vom Terrain, auf dem man sich begegnet, gesellschaftlich Alles ab. Dieselben Personen werden sich in dem einen Salon vortrefflich amüsieren, die sich in dem andern tödlich langweilen. Der Geist des Hauses ist das Entscheidende, und dieser Geist geht von der Herrin aus. Zum ganzen dieser sozialen Institution gehört eben darum eine gewisse Herrschaft des Weiblichen.«39 Oft waren die Ehefrauen überhaupt die treibende Kraft hinter dem gesellschaftlichen Leben der Hochfinanz. Georg (von) Siemens mußte »zum geselligen Verkehr ... durch seine Frau erst erzogen werden«. Aniela Fürstenberg, »eine Frau mit so ausgesprochen gesellschaftlichen Talenten«, verwandelte das Haus in einen Treffpunkt für Gebildete, Aristokraten und Diplomaten. Ihr Bestreben »ging stets dahin, ihre Geselligkeiten richtig zu mischen. Neben die offiziellen Persönlichkeiten setzte sie gerne Gelehrte, Künstler, Journalisten und interessante Fremde. Sie veranstaltete wissenschaftliche Vorträge, ließ den einen oder anderen Dichter in ihrem Salon eine Vorlesung halten, legte Wert auf Freundschaften mit Frauen, die geistige Interessen besaßen und die Kunst der Konversation beherrschten.«M) Obwohl Carl Fürstenberg lieber »die ruhige und schöne Atmosphäre« seines Hauses genießen wollte und die Eheleutc »jeder zu weit gehenden gesellschaftlichen Betätigung abgeschworen« hatten, konnte er sich bald vor gesellschaftlichen Verpflichtungen kaum retten. Für Albert Ballin und Maximilian Harden, zwei seiner engeren Freunde, war es

38 Für die deutsche Diskussion vgl. Hausen, in: Hausen u. Wunder, S. 81-88. 39 Zitiert nach Wallkh, Aus meinem Leben, S. 45f. (Hervorhebungen vom Vf.). 40 Hetfferich, Bd. III, S. 245; Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 315, S. 398; auch für das Folgende. Über seine erste Ehefrau, Jeanette Degen, die kurz nach seiner Ernennung zum Geschäftsinhaber der BHG geheiratet hatte, erfährt man in Fürstenbergs Memoiren nichts. 240 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

»der starke Wille seiner Frau«, der ihm »diese öde Geselligkeit« aufzwang.41 Der Motor der großen, über die beruflichen Kontakte des Bankiers hinausgehenden Geselligkeiten war die Ehefrau, nicht der Ehemann. Mit dem Tode Anielas erlosch das gesellschaftliche Leben im Hause Fürstenberg denn auch sofort. Das gleiche gilt für Gerson (von) Bleichröder, der nach dem Tode seiner Frau Emma seine großen und teuren Feste radikal einschränkte.42 Ute Frevert hat argumentiert, daß die zahlreichen Begegnungen mit Angehörigen unterschiedlicher sozialer Gruppen, welche die Ehefrauen der Wirtschaftsbürger in ihren Salons, auf den von ihnen veranstalteten Bällen und durch den engen Kontakt mit den häuslichen Bediensteten machten, zu einer schwächeren Ausprägung ihrer bürgerlichen Klassenidentität geführt habe, als es bei ihren vor allem von der Berufssphäre geprägten Ehemännern der Fall gewesen sei.43 Die »Feudalisierungdes Bürgertums« habe sozusagen nur dessen weibliche Hälfte erfaßt. Gegen diese These spricht jedoch nicht allein der Umstand, daß auch innerhalb der wirtschaftsbürgerlichen Spitzen nur ein kleiner, relativ gesehen vermutlich sinkender Teil der Frauen mit Angehörigen des Adels verkehrte und alle Spitzenunternehmer in ihrer Berufswelt tagtäglich mit Beschäftigten, die nicht dem Großbürgertum angehörten, mehr oder minder eng in Berührung kamen. Auch in denjenigen großbürgerlichen Haushalten, in denen auf Drängen der Ehefrauen »Minister, Diplomaten und andere Würdenträger sozusagen an den Haaren herbeigeschleppt« wurden und in denen »man ... sich in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens zu drängen« versuchte, wie Albert Ballin über die Fürstenbergs schrieb,44 blieb nicht allein die Zusammensetzung der Geselligkeit im wesentlichen bürgerlich, auch deren Formen orientierten sich nicht an performativen Funktionen und einem feinabgestuften hierarchischen Zeremoniell, sondern an der (Hoch-) Kultur, »geistigen Interessen« und der zwanglosen Kommunikation. Im übrigen folgte die Zusammensetzung dieser Festivitäten auch hier weitestgehend dem Geschäftskreis und den Interessen der Ehemänner.45 Vor allem aber zeigen sowohl die oben erörterte Bedeutung, die den Frauen für die Vermittlung »bürgerlicher« Erziehungswerte wie Bildung, Arbeitseifer und Pflichterfüllung zukam, als auch die Organisation des Haushalts nach Effizienzkriterien die tiefe Verankerung der untersuchten Ehefrauen in der bürgerlichen Wertewelt.46

41 Ballin fand nicht den Mut, seinen Freund Fürstenberg zu überreden, die ihm selbst unangenehmen, aber von seiner Frau forcierten gesellschaftlichen Verpflichtungen einzuschränken. Ballin an Harden am 11.4. 1911; zitiert nach Messe, German-Jewish Ecomomic Elite, S. 113. 42 Fürstenberg, Erinnerungen, S. 86f.; Stern, Gold und Eisen, S. 680. 43 Frevert, Kulturfrauen und Geschäftsmänner, passim, bes. S. 142-144. 44 Zitiert nach Mosse, German-Jewish Economic Elite, S. 123. 45 Vgl. Fürstenberg, Lebensgeschichte. S. 337. 46 Ähnlich Btidde, S. 333-353.

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Gelegentlich konnte das »gesellschaftliche Talent« der Ehefrauen für die Karriere des Mannes von unmittelbarem Nutzen sein, etwa im Fall des Teilhabers von S. Bleichröder, Julius Schwabach, und seiner in Amsterdam aufgewachsenen Frau Leonie Keyzer. Schwabach verdankte seine Stellung in der Berliner Gesellschaft - er »erfreut sich in allen Ständen des besten Rufes und Ansehens« - in nicht unerheblichem Maße dem Charme und der glänzenden Gesellschaftertätigkeit seiner Frau, die als »gesellschaftlich außerordentlich versiert« galt: »Sie ist stets eine >grande dame< gewesen. Ihr Salon wurde mit den Jahren zu einem der elegantesten und interessantesten von Berlin.«47 Dabei ist zu berücksichtigen, daß die ökonomische Position der Privatbankiers in höherem Maße als die der Manager von ihrem Ansehen und ihren persönlichen Kontakten abhing, weshalb das gesellschaftliche Engagement der Ehefrauen für Privatbankiers eine viel größere Rolle spielte als für die Leiter der Aktienbanken. Damit hatte die Ehefrau eines Privatbankiers durchaus eine öffentliche gesellschaftliche Funktion. Mehr noch, ihre »Freizeit-Arbeit« (Kaplan) als Gesellschafterin mehrte das »Kapital« (im weiteren Sinne) der Bank.48 Die Ehefrauen der Privatbankiers leisteten damit nicht nur reproduktive, sondern auch produktive Arbeit, selbst wenn es sich dabei nicht unmittelbar um »Erwerbsarbeit« handelte. Trotz dieses außergewöhnlichen Beitrags der Ehefrauen zum beruflichen Erfolg ihrer Männer blieben die Aneignung der für die Familien anfallenden Profite wie die Nutzung der daraus erwachsenden Chancen zwischen den Geschlechtern äußerst ungleich verteilt. Eine berufliche Karriere im Bankwesen, erst recht das Bekleiden einer Schlüsselposition war den Frauen unmöglich. Spätestens um 1850 war die Zeit, in der verwitwete Bankiergattinen das Geschäft bis zum Heranwachsen der Söhne weiterführten, abgelaufen; weibliche Manager-Bankiers gab es nicht.49 Auch über die familiären Vermögensverhältnisse wurden die Frauen im Unklaren gelassen. Bei den Rothschilds verwehrte das »Familiengesetz« den Frauen die Einsicht in die Geschäftsbücher. Und die Witwe Julius Sterns stürzte sich zwei Monate nach dem Tode ihres Ehemannes aus Verzweiflung in die Havel, weil sie jetzt erst erfuhr, daß ihr Gatte statt eines Millionenerbes nur Schulden hinterlassen hatte.50

47 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13006 (I25A$97); Augustine, Business Elites of Hamburg and Berlin, S. 143; Liebermann von Wahlendorf, S. 47; Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 55f 48 Zur Problematisierung des Begriffs und zur Arbeit bürgerlicher Frauen vgl. Kaplan, Freizeit-Arbeit, passim. 49 Noch zwischen 1828 und 1842 war Therese Oppenheim, die Witwe des Firmengründers Salomon Oppenheim, Inhaberin und Seniorchefin (!) des Bankhauses Sal. Oppenheim jr., obwohl die Söhne Simon und Abraham beim Tod des Vaters bereits volljährig waren. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert scheint es in jüdischen Privatbanken Süddeutschlands aktive Geschäftsinhaberinnen gegeben zu haben (wie die legendäre »Madame Kauila« in Stuttgart), deren Geschichte noch nicht geschrieben ist. 50 Die Wahrheit (30.5.1914).

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Für alle Aufgaben bürgerlicher Ehefrauen, der Erziehung der Kinder wie der Fähigkeit zum Führen eines »offenen Hauses« als interessantem Treffpunkt der »guten Gesellschaft«, benötigen diese ein ausgesprochen hohes »kulturelles Kapital«. Die Ehefrau Robert von Mendelssohns, Guiletta Gordigiani, eine ausgebildete Sängerin und Pianistin und Tochter eines italienischen Malers, veranstaltete musikalische Abende, auf denen sie mit ihrem Mann, der Cello spielte, gemeinsam mit zeitgenössischen Virtuosen wie Joseph Joachim brillierten1 Aber nicht alle Ehefrauen der Großbankiers besaßen diese Möglichkeiten. Wie Marion Kaplan gezeigt hat, war es der religiöse und kulturelle Einfluß der Frauen, der das religiöse Empfinden der Kinder entscheidend prägte, und Gerson (von) Bleichröders Nachkommen konvertierten sämtlich zur protestantischen Konfession.52 Die Frau Bleichröders, Emma, erhielt in ihrer Jugend wenig Gelegenheit, ihren kulturellen Horizont zu erweitern, versagte (zusammen mit ihrem Mann) bei der Erziehungsaufgabe, ihren Söhnen den großbürgerlichen Bildungsanspruch der Zeit sowie eine auf Pflichtbewußtsein, Arbeits- und Leistungsorientierung gegründete unternehmerische und eine jüdische Identität zu vermitteln, und forderte ob ihrer geistigen Anspruchlosigkeit den Spott vieler Zeitgenossen heraus.53 Benjamin Disraeli schilderte eine Begegnung mit ihr, wobei er besonders auf ihre mangelde Fähigkeit zur Konversation abhob und auf das Mißverhältnis zwischen dem Reichtum des Mannes und der Unfähigkeit der Frau, dessen »ökonomische Kapital« in »soziales« und »symbolisches Kapital« zu konvertieren und dadurch einen dem Vermögen der Familie ensprechenden sozialen Status zu erlangen.54 Die vollkommen unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Einstellungen und Praktiken führten zu Spannungen und Rivalitäten zwischen der »mit allen Talenten einer Hausfrau ausgestattete Frau Lconie« Schwabach55 und der gesellschaftlich wenig gewandten Emma (von) Bleichröder und übertrug sich auf die beiden Sozien, so daß sich Carl Fürstenberg, damals Prokurist der Bank, zeitweise Hoffnungen machte, Schwabachs Nachfolger bei S. Bleichröder zu werden. Auch wenn derartige Mißstimmungen nicht die Regel waren, zeigt diese Episode doch zum einen, welchen Einfluß die kulturelle, soziale und symbolische Praxis der Frauen auf die Berufswclt der Männer haben konnte, zum anderen läßt sie die große Bedeutung des »kulturellen Kapitals« für das Handeln der Frauen im Großbürgertum deutlich werden. Eine andere Möglichkeit, sich außerhalb der häuslichen Sphäre zu betätigen, boten den großbürgerlichen Frauen die »patriotischen« Verbände wie der Vater51 Treue, Bankhaus Mendelssohn, S. 54f. 52 Kaplan, Woinen, passim. 53 Landes, Bleichröders and Rothschilds, S. 102; Stern, Gold und Eisen, S. 653f., S. 671; Fiirstenberg, Lebensgeschichte, S. 55. 54 Vgl. Stern, Gold und Eisen, S. 661. Stern selbst kommt zu einem ähnlichen Urteil. 55 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 91.

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ländische Frauen-Verein, karitative Vereine oder die Unterstützung kirchlicher Projekte. Anna Wallich war Mitgründerin des Vereins Berliner Hauspflege, dessen Zweck in der Unterstützung von Arbeiterfamilien und Bedürftigen bestand, wenn deren Frauen krank waren oder Kinder bekamen. Sie organisierte Besuche von »Pflegefrauen«, zumeist Witwen und »ältere Fräuleins«, die ihre Einkünfte durch derartige Arbeiten aufbessern wollten. Die Gelder dafür wurden teilweise durch die Mitgliedsbeiträge, teilweise durch Spenden aufgebracht. In diesen Vereinen reproduzierte sich die Klassengesellschaft auf der Ebene der Sozialfürsorge, indem Frauen dejf Großbürgertums in ihrem Bekanntenkreis »fund-raising« betrieben und dann die auf diese Gelder angewiesenen Frauen der unteren Klassen zur Arbeit einteilten.56 Auch hier waren die Bankierfrauen jedoch stets männlicher Kontrolle unterworfen. Zudem wurden die entscheidenden Positionen in diesen Vereinen von Männern, darunter auch zahlreiche Bankiers, besetzt. So war Friedrich Wilhelm von Krause Schatzmeister des Vaterländischen Frauen-Vereins, Paul Magnus Vorstandsmitglied des Frauenvereins für verschämte Arme, Arthur Zwicker Mitglied in beiden Vereinen, Max Warburg Mitgründer und Mitglied des Kuratoriums der Sozialen Frauenschaft. In welchem Umfange sich die Ehefrauen der Großbankiers in derartigen Organisationen engagierten, ist nicht zu erfassen. So muß auch unklar bleiben, ob derartige Betätigungen den Ehefrauen der weniger im Rampelicht stehenden Manager-Bankiers eine Alternative zu den repräsentativen Veranstaltungen der Familien von Privatbankiers und Vorstandssprechern mit Kontakt zur Aristokratie bildete. Erst als Witwen verfügten sie über das Familienvermögen und konnten selbständig größere Summen für karitative Zwecke ausgeben wie Elise (von) Siemens, die 1908 sogar für die Verleihung des Verdienstkreuzes für Frauen und Jungfrauen wegen ihrer »Verdienste um die Wiedereinrichtung der Kirche in Ahlsdorf Kreis Schweinitz sowie ihre Betätigung auf dem Gebiete der Wohltätigkeitsbestrebungen« vorgeschlagen wurde.57 Die für ein Familienunternehmen bestehende Notwendigkeit, in jeder Generation mindestens einen Geschäftsmann hervorzubringen, belastete die Privatbankierfamilien mit einer Reihe von strukturellen Konflikten, die in dieser Schärfe bei den Manager-Bankiers nicht auftauchten. Einerseits waren die Patriarchen oft nicht in der Lage, den fälligen Generationswechsel zu vollziehen und abzutreten oder ihre Nachfolger zumindest frühzeitig als gleichberechtigte Teilhaber anzuerkennen, ein Phänomen, das auch in KGaA-Banken auftre56 Waükh, Erinnerungen, S. 111. 57 Unter anderem hatte sie »bei dem im Jahre 1901 erfolgten Zusammenbruch des Spar- und Vorschußvereins in Herzberg a. Elster ... ungefähr 80.CKX) M geopfert, um viele kleine Leute vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren«; für die Restaurierung einer Kirche hatte sie rund 20.000 M gespendet. LHA Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 13230 (16.10.1908).

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ten konnte.58 Simon und Abraham (von) Oppenheim verschleppten fast ein Jahrzehnt die Übergabe der Bank an die dritte Generation der Oppenheims. Möglicherweise waren sie dabei durch die Erfahrungen ihrer Jugend geprägt. Immerhin mußten beide 14 Jahre lang nach dem Tode ihres Vaters mit einer bescheidenen Beteiligung von je 10 % unter der Gewalt der Mutter in der Bank arbeiten. Letztlich wiederholten sie damit gegenüber den Söhnen nur den auf die Spitze getriebenen Generationenkonflikt, den sie selbst hatten erleben müssen. Bereits 1873 bei der geplanten Umwandlung des Bankhauses in eine Aktiengesellschaft fertigte Simon seine Söhne mit der Bemerkung ab, sie vergäßen wohl, »daß das Geschäft auch ohne euer Zutun liquidiert werden kann«.59 Vor allem die Entscheidung über eine eventuelle Liquidation der Bank beim Ausscheiden der Seniorchefs, also über das Fortbestehen der Bank überhaupt, und die ausschlaggebende Stimme bei allen wichtigen Geschäften behielten sich die beiden Patriarchen vor.60 Wie stark der »Kronprinzenkomplex«, den Albert und Eduard von Oppenheim entwickelten, ausgeprägt war, ist kaum zu sagen. Immerhin kehrten beide der Familientradition den Rücken, heirateten keine jüdischen Frauen, konvertierten zu einer christlichen Konfession und verließen damit demonstrativ die Glaubensgemeinschaft, in der ihr Vater und ihr Onkel tief verwurzelt waren. Ahnlich war die Situation in der Familie Rathenau, mindestens bis zum Tode von Emil Rathenaus Lieblingssohn Erich 1903, weshalb sich Carl Fürstenberg entschloß, Walther Rathenau zur BHG zu holen.61 Die andere Belastung der Privatbankierfamilien lag in dem Druck, den Väter gegebenenfalls auf ihre Söhne ausübten, wenn diese wenig Neigung verspürten, in das väterliche Geschäft einzutreten. Die Angst der Privatbankiers vor dem Verschwinden des Familienunternehmens war durchaus real. Bei jeder dritten Privatbank der Hochfinanz mißlang während des Untersuchungszeitraumes der Generationswechsel, so daß diese Institute liquidiert oder von anderen Banken übernommen wurden. Die daraus resultierenden Probleme wa58 Adolph (von) Hansemann stellte in den letzten Jahren vor seinem Tode - zum Rücktritt fand er sich nicht bereit - mehr eine Belastung als ein Aktivum für die Bank dar. Carl Fürstenberg war 80 Jahre alt, als er aus dem Kreis der Geschäftsinhaber der BHG austrat. In den 1920er Jahren hatte es die Bank hohe Verluste gekostet, daß er »das Wesen dieser Inflation nicht verstehen wollte«, d.h. auf neue Herausforderungen unflexibel reagierte, ja sich mit dem Starrsinn des Alters sogar weigerte, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Die Bank 7 (1914), S. 423f; Fürstenberg, Erinnerungen, S. 113. 59 Treue u. a., Wägen und Wagen, S. 207 fT. (auch für das Folgende). 60 Ein Gescllschaftsvertrag aus dem Januar 1876 hielt ausdrücklich fest: »Die Herren Simon und Abraham von Oppenheim bleiben die Chefs der Gesellschaft und behalten als solche die obere Leitung des ganzen Geschäfts.« Nur wenn die beiden Seniorchefs abwesend sein sollten, war es den beiden Juniorchefs erlaubt, Kredite bis 30.000 M zu gewähren; Spekulationsgeschäfte waren »ohne Zustimmung der beiden Chefs verboten«. Die Juniorchefs waren zu diesem Zeitpunkt bereits 45 bzw. 42 Jahre alt! 61 Fürstetiberg, Lebensgeschichte, S. 378.

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ren keineswegs auf das Bankwesen beschränkt; Hans Dieter Hellige hat für die jüdische Unternehmerschaft eine Reihe möglicher Konsequenzen dieses Generationenkonfliktes herausgearbeitet.62 Unter den Großbankiers ist diese Form des Generationengegensatzes offenbar weniger scharf ausgetragen worden. Zwar übten einzelne Privatbankiers massive Pressionen auf ihre Söhne aus, wenn sie befürchteten, keinen Nachfolger zu finden, doch scheint dieser Druck im allgemeinen keinen Selbsthaß oder eine bildungsbürgerlich überhöhnte Ablehnung des Unternehmerberufs ausgelöst zu haben. Nachdem Aby M. Warburg sich geweigert hatte, Bankier zu werden, und seine Brüder Felix und Paul nach New York gegangen waren, um anläßlich ihrer Eheschließungen als Teilhaber bei Kuhn, Loeb & Co. einzutreten, brachte Moritz Warburg seinen Sohn Max davon ab, den Beruf des Chemiker zu ergreifen, um statt dessen in der väterlichen Firma Karriere zu machen.63 Auch Paul (von) Schwabach mußte seinen ursprünglichen Berufswunsch aufgeben, Historiker zu werden, und folgte seinem Vaters nach dessen Tode 1898 als Teilhaber von S. Bleichröden Allerdings hatte ihn nicht sein Vater, sondern der Senior, Gerson (von) Bleichröder, gedrängt, Bankier zu werden - vermutlich aus Skepsis gegenüber den Fähigkeiten seiner eigenen Söhne.64 In den Familien der Manager-Bankiers war dieser Konflikt weniger virulent, auch wenn sich Geschäftsinhaber der KGaA Banken wie Carl Fürstenberg oder Adolph (von) Hansemann wünschten, daß ihre Söhne in ihren Fußstapfen treten würden. Ferdinand von Hansemann beispielsweise widersetzte sich solchem väterlichen Ansinnen erfolgreich. Der Übergang von den Personal- zu den Kapitalgesellschaften entschärfte in den Bankierfamilien den Vater-Sohn-Konflikte also zumindest partiell und bescherte den Söhnen einen zusätzlichen Freiraum. Somit bleibt festzuhalten, daß der Wandel im Unternehmensbereich auch zu Umstellungen in den Bankierfamilien führte. Für die Ehefrauen bedeutete das zuvörderst, nicht um jeden Preis einen Erben gebären zu müssen und damit einen Rückgang der Geburtenzahl. Gleichzeitig erforderten der veränderte Reproduktionsmodus der Großunternchmerschaft und das Erreichen und Erhalten eines großbürgerlichen Status verstärkte Anstrengungen, bereits in der Familie für die Übertragung eines unternehmerischen Habitus und vermehrte Bildungsinvestitionen zu sorgen, eine Aufgabe, die in der gängigen Rollenverteilung die Ehefrau zu übernehmen hatte. Der Wandel in der Bankierfamilic führte jedoch nicht zu einer geringeren Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Die Möglichkeit, selbst als Bankier tätig zu werden, hatten die Frauen bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für rund 150 Jahre verloren.63 62 Heilige, Generationskonflikt, passim. 63 Warburg, S. 10. 64 Thimme, S.29l. 65 Zwischen 1988 und 1997 gehörte dem Vorstand der Deutsche Bank als ordentliches Mitglied eine Frau an, m.W. die erste im Vorstand eines der großen deutschen Kreditinstitute.

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Betrachtet man die Art und Weise, in der die Bankierfrauen diese neuen Anforderungen ausfüllten, und die Formen und Zusammensetzung der daneben entstehenden neuen großbürgerlichen Geselligkeit, welche die Frauen wesentlich prägten, wird man feststellen, daß es ihnen keineswegs an einer bürgerlicher »Klassenidentität« gemangelt hat. c) Der Lebensstil der Hochfinanz und ihre Kontakte mit anderen sozialen Gruppen Ein bekanntes Bild des deutschen und speziell des Berliner Großbürgertums zeigt eine reichgewordene, parvenühafte Wirtschaftselite, die nichts besseres zu tun hatte, als sich bei einem antisemitischen, wirtschaftsfeindlichen und ständisch abgeschlossenen Adel anzubiedern, seine Werte und seinen Lebensstil zu adaptieren und ihre jungen Vermögen damit verschleuderte, adelige Schwiegersöhne zu finanzieren und so das ökonomische Überleben derjenigen Klasse zu sichern, die sie doch von der Macht verdrängen sollte. Fritz Stern und Lamar Cecil, aber auch Norbert Elias haben uns dieses Bild nahegebracht, in dem Bankiers im Vordergrund stehen.66 Im folgenden werden einige Teile dieser Deutung überprüft. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, welche Form die Kontakte der Hochfinanz mit anderen Oberklassenfraktionen und mit dem Monarchen annahmen und wie eng sie waren. Wie die Heiratsverflechtungen geben die Häufigkeit und Intensität dieser Kontakte Aufschluß über die Binnenkohäsion der Hochfinanz, ihre Integration in die »gute Gesellschaft« des Kaiserreiches und über die Wertschätzung, welche die Großbankiers diesen Gruppen entgegenbrachten. Darüber hinaus kann eine Darstellung und Analyse des Lebensstils der Hochfinanz zeigen, inwieweit die Großbankiers aristokratische Lebensweisen übernahmen oder ob sie nicht eigene Lebensstile entwickelten beziehungsweise diejenigen der »alten Eliten« ihren Bedürfnissen anpaßten und damit letztlich diese Gruppen auch aus ihrer soziokulturell dominierenden Position verdrängten. Wie in der Analyse des Konnubiums bereits festgestellt wurde, konzentrierten sich die sozialen Verflechtungen der Hochfinanz als Folge ihrer stark von der Berufsarbeit geprägten Vergemeinschaftung im wesentlichen auf Kontakte innerhalb der kommerziellen Großunternehmerschaft. Das gilt auch für die »gute Gesellschaft« Berlins, die zumindest während der Bismarckzeit noch stark von der Hofgesellschaft geprägt war: Zwar lag der Anteil der Eheschließungen mit Töchtern von Kaufleuten, sonstigen Handelsunternehmern und Bankiers hier unter dem Durchschnitt des gesamten Samples (43,6 % gegen66 Stem, Gold und Eisen; Cecil, ]ev/ and Junker; Elias, Die satisfaktionsfáhige Gesellschaft, in: ders., Studien.

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über 50,4 % ) , doch war dies nicht auf einen größeren Anteil von Verbindungen mit Gutsbesitzer- oder Offiziersfamilien zurückzuführen, sondern auf engere Kontakte ins bildungsbürgerliche Milieu. Das Berlin der Kaiserzeit förderte also keineswegs enge Beziehungen zwischen der Hochfinanz und den »alten Eliten«. Heiratsverbindungen mit Gutsbesitzer- und Offiziersfamilien waren mit 13,9 % zwar geringfügig häufiger als im Durchschnitt der Hochfinanz (8,6 %). Noch öfter hatten die Schwiegerväter dagegen einen bildungsbürgerlichen Beruf, wobei der Anteil der »staatsnahen« wie der »freien« Gruppen in der Reichshauptstadt mit 36,5 % deutlich über dem Durchschnitt lag. Besonders eng waren die Verflechtungen mit dem »staatsnahen Bürgertum« (22,5 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich, betrachtet man die Nachkommenschaft der Großbankiers. Aus der Berufswahl ihrer Söhne geht hervor, daß die recht dünnen Verflechtungen mit den ostelbischen Offiziers- und Gutsbesitzerfamilien keineswegs auf einer unerwiderte Leidenschaft für den preußischen Adel beruhten. Mit der Unterstützung der Eltern wäre es für die Söhne ein Leichtes gewesen, ein respektabler Gutsbesitzer zu werden oder eine Offizierskarriere einzuschlagen (letzteres zumindest für NichtJuden). Doch nicht einmal jeder Zehnte von ihnen, und zwar mit abnehmender Tendenz, wählte einen Beruf der ostelbischen Herrenschicht.67 Die überwältigende Mehrheit blieb dagegen der väterlichen Welt des Wirtschaftsbürgertums treu. Rund die Hälfte der Söhne ergriff ziemlich konstant über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg eine Banklaufbahn; zusammen mit denjenigen, die Kaufleute wurden, waren es 60 %. Analog zu den Mustern der Konnubialkontaktè der Väter war bei der Berufswahl der Söhne das Interesse an einer leitenden Tätigkeit in der Industrie relativ schwach ausgeprägt, allerdings mit einer deutlich ansteigenden Tendenz.68 Zusammen machten die Unternehmerkarrieren zwei Drittel aller Fälle aus; auch bei den Söhnen der Großbankiers war also kein »decline of the commercial spirit« bemerkbar.69 Deutlich geringer, als es nach dem Konnubium der Väter zu erwarten gewesen wäre, war übrigens bei den Söhnen die Wahl eines bildungsbürgerlichen Berufes wie Rechtsanwalt, Arzt oder eine Universitätslaufbahn: Derartige Karrieren schlugen 12,6 % der Söhne ein. Alles in allem war die Berufswahl der Söhne sogar noch um einiges exklusiver als das 67 Auszählung der beruflichen Laufbahn von 152 Söhnen von Bankiers des Preußenkonsortiums (auch für das Folgende). Bei den bis 1850 geborenen Bankiers schlugen 10,5 % der Söhne, bei den nach 1850 geborenen nur 6,5 %, eine derartige Laufbahn ein. 68 79 der 152 Söhne schlugen eine Bankkarriere ein. Die Attraktivität dieser Laufbahn nahm nur geringfügig ab; unter den Söhnen der bis 1850 geborenen Bankiers waren es 56,5 %, bei den Söhnen der nach 1850 geborenen Bankiers 50,0 %. Letztere wählten weitaus öfter als die vorherige Generation eine Industriekarriere (15,2 % gegenüber 3,8 % der älteren Generation). Etwa zwei Drittel der Söhne von Großbankiers ergriff also nach wie vor eine Unternehmerlaufbahn. 69 Zu ähnlichen Ergebnissen ist auch Augustine gekommen, Die Wilhelminische Wirtschaftselite, Tab. 3.66.

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Konnubium der Väter, genauer: Der Zusammenhang zwischen Herkunft und Laufbahn verstärkte sich in mancherlei Hinsicht. Das Konnubium der Söhne war dagegen weitaus breiter gestreut. Quantitative Angaben sind kaum möglich, doch scheint in den Folgegenerationen die Verflechtung mit Offiziers-, Gutsbesitzer- oder höheren Beamtenfamilien größer gewesen zu sein als bei den aktiven Bankiers. Dennoch legte nur ein vergleichsweise schmales Segment der Hochfinanz Wert auf engere Kontakte mit den »alten Eliten«. Einzig für dieses Segment kommt zur Erklärung die These von der »Aristokratisierung« des Bürgertums in Betracht. Übrigens heirateten auch die männlichen Nachkommen der Hochfinanz ausgesprochen selten ins deutsche Industriebürgertum ein. Bemerkenswert lose war die Bindung der Hochfinanz an die hohe Beamtenschaft. Nur sehr wenige Söhne (6,6 %) schlugen eine Karriere in der staatlichen Bürokratie ein. Umgekehrt rekrutierte sich die akademisch gebildete Beamtenschaft zwischen 1860 und 1914 zu weniger als 2 % aus dem Großunternehmertum.70 Und obwohl das Konnubium mit der politisch-administrativen Elite im Laufe der Generationen von den Bankiers zu ihren Nachkommen deutlich zunahm, blieb die Verbindung zwischen Bankwelt und hoher Bürokratie insgesamt sehr schwach. Nur bei 2,1 % der Schwiegerväter von Großbankiers handelte es sich um höhere Ministerialbeamte. Ermöglichte die elterliche Unterstützung - vor allem die materielle - den Söhnen sowohl eine Unternehmerkarriere als auch das beschauliche Leben eines Gutsbesitzers, eines Künstlers, Wissenschaftlers oder bloßen Rentiers und Bohemiens, lag es entweder außer ihrer Macht, eine Laufbahn im hohen Staatsdienst zu fördern oder außerhalb des Interesses des Söhne, eine solche Laufbahn zu beginnen. Weitaus häufiger als ihre Brüder verheirateten sich die Töchter der Großbankiers mit Sprößlingen aus Gutsbesitzer- und Offiziersfamilien. Es war diese Entwicklung, die nach der Jahrhundertwende Georg Bernhard zu den pessimistischen Orakeln über Deutschlands Zukunft veranlaßten: »Inzwischen haben sich diese Heiraten zwischen den Töchtern von millionenschweren Bankdirektoren und Bankiers beinahe zu einer ständigen Gewohnheit herausgebildete. [...] Es findet hier eine Stärkung der Gegner aller freiheitlichen Wirtschaftsund Kulturentwicklung statt. [...] Wo ist die reiche Erbin, die den Kommis des Vaters, dem Beamten der vom Vater geführten Bank die Hand zum Ehebunde reichte? Die sind nicht ebenbürtig, unter ihnen wählt man erst gar nicht.«71 Tatsächlich kam in dieser Seite der Partnerwahl eher die Tatsache zum Ausdruck, daß sich die Mitglieder der Hochfinanz mittlerweile als Teil der deutschen Oberklassen begriffen und als solche - wenn auch mit Vorbehalten anerkannt wurden, als eine spezifische Schwächung ihres »bürgerlichen« Cha70 Henning, Die deutsche Beamtenschaft, S. 54. 71 Bernhard, Berliner Banken, S. 33-36.

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rakters. Als Teil der Oberklassen tat die Hochfinanz das, was alle derartigen Fraktionen im Prozeß ihres Entstehens zu tun pflegen: Sie schloß sich sozial nach »unten« ab. Betrachtet man die Veränderungen der sozialen Zusammensetzung der Väter, Schwiegerväter und der Berufswahl und des Konnubiums der Söhne und Töchter, zeigt sich die zunehmnde Distanz der Großbankiers gegenüber dem kleinen und mittleren bürgerlichen Schichten, nicht zu sprechen von dem ohnehin äußerst geringen Anteil unterbürgerlicher Gruppen.72 Eine solche Praxis beleidigte sicherlich Bernhards und anderer Vorstellungen von einem Bürgertum ohne interne soziale Ungleichheiten und von der bürgerlichen Gesellschaft als einer Arena allgemeiner Chancengleichheit, in der in jeder Generation die Karten für das berufliche und soziale Avancement neu verteilt werden; mit der Wirklichkeit dieser Gesellschaft hatte das nichts zu tun. Einen einfachen Bankangestellten zu heiraten, war für die Tochter eines Manager- wie eines Privatbankiers undenkbar; nicht allein, weil sich die beiden praktisch nie begegnen würden, sondern vor allem deswegen, weil es in jeder Hinsicht eine Mesalliance gewesen wäre. Er hatte ihr buchstäblich nichts zu bieten. Nicht der bürgerliche Stand des Kommis war es, der eine solche Ehe verbot (denn die meisten Schwiegersöhne waren ja tatsächlich nicht adelig), sondern die Tatsache, daß ein solcher Schwiegersohn das »Kapital« der Familie nur verringern konnte. Eine Assimilation an den Adel fand jedoch nicht statt. Möglicherweise hat die Mitgift der Töchter die eine oder andere zur Mittellosigkeit herabgesunkene Landadelsfamilie eine Generation lang finanziell über Wasser gehalten. Ob diese Spielart des großbürgerlich-adeligen Konnubiums tatsächlich einen nennenswerten materiellen Beitrag zum ökonomischen Überleben der Rittergutsbesitzerklasse geleistet hat, ist zumindest fraglich. Jedenfalls war dieses Muster in den sozialen Verflechtungen und der Berufswahl der Großbankiers und ihrer Sprößlinge nicht dominant. Hier trat vielmehr ein elitäres Modell wirtschaftsbürgerlicher Kontinuität hervor, in dem die Verbindung mit anderen Teilen der Oberklassen - abgesehen von Teilen des Bildungsbürgertums - die Ausnahme, nicht die Regel war. Auch die freundschaftlichen Beziehungen der Großbankiers geben wenig Grund zu der Annahme, sie hätten engeren Umgang mit Angehörigen der »alten Eliten« gepflegt. Zum Schließen von Freundschaften bedarf es in der Regel eines häufigen Kontaktes sowie gewisser »geistiger Übereinstimmungen« oder gemeinsamer Interessen. Derartige affektive Bindungen bestanden seitens der 72 So verschwinden aus dieser Berufsstatistik nach und nach die Rubriken der unteren Angestellten und Werkmeister, der Gewerbetreibenden, der nicht-akademischen Beamten und Volksschullehrer und schließlich auch der Gymnasiallehrer. Die nicht weiter aufgeschlüsselte Rubrik der Kaufleute verwandelte sich in ihrer Zusammensetzung von einer Gruppe, die durchaus noch eine kleine - wenn auch nicht exakt bestimmbare - Anzahl Kleinhändler und Ladenbesitzer beherbergte, zu einer Zusammenfassung von Großhändlern.

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Bankiers fast ausschließlich innerhalb der eigenen Berufsgruppe und mit Angehörigen des Bildungsbürgertums. Die engsten Freunde Georg (von) Siemens' waren akademisch gebildete, linksliberale, politisch engagierte Bürger wie Otto Büsing, Karl Braun, der Verlagsbuchhändler Friedrich Springer (sein Schwager), die liberalen Politiker Friedrich Kapp und Theodor Barth sowie der Philosoph und Professor Heinrich Rickert.73 Hier entwickelten sich enge Freundschaften weniger aus der beruflichen als aus der parlamentarischen Tätigkeit: »So bildete sich allmählich um das Siemenssche Haus ein ausgedehnter Kreis, der hier einen geselligen und geistigen Mittelpunkt fand. Die große Berliner Kaufmannschaft, angesehene Juristen und Staatsbeamte, die industrielle und gelehrte Welt um Werner Siemens, vor allem aber Georg Siemens' parlamentarische Freunde fanden sich hier in bunter Mischung zusammen.«74 Die Hofgesellschaft, Offiziere und Landadelige zählten nicht zu diesem Kreis. Je weniger sich die Großbankiers in Feldern außerhalb ihres eigenen Berufs bewegten, dem der Politik, der Wissenschaft (wie Karl HelfFerich oder Jacob Riesser) oder der schönen Künste, und je stärker und damit einseitiger sich ihre Laufbahn von der Ausbildung bis zum Gipfelpunkt der Karriere im Bankwesen bewegte, desto seltener schlossen sie Freundschaften außerhalb ihrer Berufswelt. Die besten Freunde der Familie Hermann Wallichs waren die Steinthals, die wiederum eng mit dem Berliner Textilgroßhändler James Simon und Carl Fürstenberg befreundet waren.75 Zu den »ersten und nicht zahlreichen Intimen« Fürstenbergs gehörte der oberschlesische, freilich in Berlin lebende Kohlenmogul Fritz (von) Friedländer-Fuld.76 Das Dreigespann Carl Fürstenberg-Albert Ballin-Maximilian Harden, seinerseits ein Vertrauter Walther Rathenaus, wurde bereits erwähnt.77 Viele dieser Freundschaftsnetze waren deut73 Büsing war Direktor der MeckJenburg-Schwerin'schen Bodencredit AG und nationalliberaler Reichstagsabgeordneter. Siemens und Büsing hatten sich als Studenten in Heidelberg kennengelernt, wo beide derselben losen studentischen Vereinigung (keiner Verbindung) angehört hatten. Auch mit Kilian Steiner, einem der Gründer der Württembergischen Vereinsbank, war Siemens auf diese Weise bekannt geworden. Die gemeinsame Studienzeit und Mitgliedschaft in studentischen Assoziationen konnte zu engen Freundschaften auch zwischen Juden und Nichtjuden führen, trennte andererseits jedoch die Akademiker von den Bankiers ohne Studium. Braun war ebenfalls Reichstagsabgeordneter und Schriftsteller. Barth, der 1901 den Nachruf auf Siemens im Biographischenjahrbuch schrieb, war neben seinem politischen Engagement für die Liberalen im Reichstag auch Publizist, Gründer und Herausgeber der Wochenschrift Die Nation sowie Syndikus der Bremer Handelskammer. Über Friedrich Kapp vgl. Wehler, Krisenherde, S. 249-269. 74 Helfferich, Bd. III, S. 246f 75 Wallkh, Erinnerungen, S. 112. 76 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 255. 77 Dabei waren die Beziehungen zu dem eigenwilligen Harden, der der Unternehmerelite nicht angehörte, am schwächsten. Zwei weitere enge Freunde Fürstenbergs waren ebenfalls Bankiers: Waldemar Mueller von der Dresdner Bank und Phillip Weisz von der Pester Ungarischen Commerzialbank. Fürstenbergs Freundschaften überschritten eher geographische als soziale Grenzen; zusammen mit Ballin trafen sich die drei regelmäßig zu Kuraufenthalten in Kissingen. Fürstettberg, Lebensgeschichte, S. 356f., S. 404.

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lieh ethnisch gefärbt, wie bei Siemens oder Fürstenberg ersichtlich; Ausnahmen waren eher selten und umso stärker auf die Sphäre der Großunternehmerschaft beschränkt. Adolph von Hansemann wechselte täglich Briefe geschäftlichen wie privaten Inhalts mit Mayer Carl v. Rothschild und traf sich ebenso oft mit Gerson (von) Bleichröder, weshalb aus ihrer Beziehung fast keine Briefe erhalten sind, eben weil sie alles mündlich erledigen konnten.78 Die engsten Freunde Adolph Salomonsohns waren seine Kollegen in der Direktion der Disconto-Gesellschaft und Emil Kirdorf79 Der freundschaftliche Verkehr der Hochfinanz beschränkte sich also ganz überwiegend auf die Spitzen des Wirtschaftsbürgertums. In ihrem sozialen Verkehr schlossen sich die Großbankiers deutlich nach »unten« ab. Über Robert von Mendelssohn, den Seniorchef von Mendelssohn & Co., berichtete der Polizeipräsident von Berlin um die Jahrhundertwende: »Wenn er auch abgegrenzt in seinem Verkehr ist und sich nicht verbrüdert, so ist er doch nicht stolz und steif, sondern aufmerksam und gefällig für Niederstehende.«00 Gerade gegenüber »Niederstehenden« wahrten die Großbankiers Distanz. So will die Fama, daß Carl Fürstenberg nach der Revolution von 1918/19, als auch die Kassenboten der BHG die Anrede »Herr« reklamierten, diese aufforderte, ihn einfach »Carl« zu nennen, »denn ein Unterschied müsse schließlich zwischen ihm und seinen Kassenboten bestehen«.81 Im Konnubium der Hochfinanz wie in weniger formalisierten Bereichen wie den Freundschaftsbindungen lassen sich also keineswegs eine besondere soziale Nähe zu den »alten Eliten« und auch nur schwache Beziehungen zu anderen großbürgerlichen Gruppen erkennen. Ihre Position im sozialen Raum war daher besonders gekennzeichnet durch ihre geringen sozialen Verflechtung mit »benachbarten« Formationen. Als Carl Fürstenberg auf das Berliner Leben der späten Bismarckzeit zurückblickte, legte er besonderen Wert auf die Feststellung, daß die »Subskriptionsbälle, die damals in der Oper stattfanden ... eine der wenigen Gelegenheiten bildeten, bei denen sich die bürgerliche Gesellschaft mit der Hofgesellschaft mischen konnte«.82 Für Großbürger bestanden zu dieser Zeit also nur wenige Möglichkeiten, mit dem Hof, also der Spitze der aristokratischen Gesellschaft in Kontakt zu treten. Zu dieser Zeit konnten die Oberklassen des Kaiserreiches noch wirklich als durch die Aristokratie geprägt angesehen werden, und das Zentrum der »guten Gesellschaft« bildete der Berliner Hofstaat - eine Beschreibung, die in dieser

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Stern, Gold und Eisen, S. 512. Solmssen, S. 10-12. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11791 (undatiert). BT Nr. 398(24.8.1930). Fürstenberg, Lebenserinnerungen, S. 222f.

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Eindeutigkeit für das wilhelminische Zeitalter nicht mehr zutrifft.83 Diese Einheitlichkeit der herrschenden Klassen, die zumindest noch in der allseitigen Anerkennung der sozialen und symbolischen Suprematie des Adels bestanden hatte, begann sich spätestens in den 1880er Jahren aufzulösen. Im Gefolge der Hochindustrialisierung entstand eine Schicht schwerreicher bürgerlicher Großunternehmer, und die Hochfinanz war ein Teil von ihn Der Aristokratie fiel es Zusehens schwerer, diese Schicht bürgerlicher Aufsteiger zu integrieren: Selbst wenn die Mehrzahl dieser Großkapitalisten nobilitiert und damit formal in den Adel aufgenommen worden wäre, hätten sie kaum die Lebensweise des Adels angenommen. Die nachlassende Integrationskraft des Adels verstärkte nur die Spannungen zwischen den einzelnen Fraktionen der Oberklassen, die nun mehr und mehr auseinanderstrebten. In Berlin standen sich Adel und Hochfinanz recht distanziert gegenüber. Zum einen lag das daran, daß die hiesigen Bankiers ein hohes Arbeitspensum zu absolvieren und vergleichsweise wenig Zeit für Kontakte mit den »alten Eliten« hatten. Viele blieben in ihrer knapp bemessenen Freizeit lieber unter sich, machten Spaziergänge und -fahrten oder besuchten dann und wann eine Theateraufführung.84 Das schränkte nicht nur den möglichen Kontakt zur Hofgesellschaft, sondern zu allen übrigen sozialen Gruppen ein. Allerdings konnte diese Praxis, die sich vor allem aus dem wachsenden Umfang des »kulturellen Kapitals« der Großbankiers und der Anerkennung der Bildung als eines universalen Wertes speiste, Verbindungen zum Bildungsbürgertum herstellen oder vertiefen. Die Frage, ob die Spannungen zwischen Wirtschafts- und Bildungsbürgertum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab- oder zunahmen, wird von der Literatur keineswegs einheitlich beantwortet. Während Wolfgang Mommsen die »Dekomposition der bürgerlichen Klassen in scharf voneinander geschiedene Sozialgruppen« hervorhebt, betonen Kaelble und Kocka eher die Abschwächung der vertikalen Trennlinien zwischen den einzelnen bürgerlichen Teilgruppen und ihrer Überlagerung durch eine horizontale Schichtung, also von einer zunehmenden Binnenhomogenität der bürgerlichen Teilgruppen innerhalb der Oberklassen.85 Zumindest ist davon auszugehen, daß Teile 83 Vgl. die Darstellung der konzentrischen Kreise der Hofgesellschaft duch Vierhaus, in: Spitzemberg, S. 15. 84 Siegmund Bodenheimer, dem in seinen Memoiren nichts zum gesellschaftlichen Leben Berlins einfiel, fand hingegen beredte Worte für »die ungewöhnlich umfangreiche Fluß- und Seenkette, die Berlin umgibt und das Landschaftsbild reizvoll macht«, die »schöne[n] Laubbäume im Herzen der Stadt, dem prächtigen und ausgedehnten Tiergarten« und die »Fülle großartiger Museen, der Überfluß an Theatern, das erstklassige Conzertleben«; Bodenheimer, S. 24. 85 Mommsen, Bürgerliche Kultur, S. 9f, S. 30, S. 71; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. III, S. 713; Kaelble, Nachbarn, S. 73f; Kocka, Unternehmer, S. 39; Zunkel, Verhältnis, S. 101; Henning, Bürgertum, S. 486; ders.y Verflechtungen, S. 14, 30.

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des Bildungsbürgertums auf den Macht- und Ansehensgewinn der Großunternehmerschaft und das relative Verblassen bildungsbürgerlichen Sozialprestiges, die als Überhandnehmen materialistischer Einstellungen im Bürgertum und als kultureller Verlust wahrgenommen wurden, mit Abwehr reagierten; darauf deuten beispielsweise Äußerungen wie die des überaus einflußreichen Heinrich (von) Treitschke hin, der die »gebildeten Mittelklassen« als größte Leidtragende der wirtschaftlichen Entwicklung ansah, denn »die neugebildeten großen Vermögen stechen grell ab von den bescheidenen Gewohnheiten des gestrigen Tages [...] die auf ein festes Einkommen Angewiesenen sehen sich plötzlich auf eine niedere Sprosse der socialen Leiter herabgestoßen.« Auch bei Friedrich Meinecke zeigten sich antimaterialistische Ressentiments, die zahlreiche Bildungsbürger als Reaktion auf ihr ökonomisches Zurückfallen entwickelten. Und Theodor Fontane beobachtete: »Bankierssöhne (z. B. der junge Bleichröder) sind in Offiziers- und Professorenkreisen der größten Nichtachtung ausgesetzt.«86 Die soziale Distanz zwischen der Finanzwelt und dem Bildungsbürgertum und die Vorstellungen, die standesbewußte Akademiker gegenüber dem Geldgewerbe hegten, fanden einen dramatischen Ausdruck in den familiären Konflikten, wenn Söhne aus dem Bildungsbürgertum ins Bankfach wechseln wollten. Dem Vater von Georg Siemens erschien »der Dienst am Staate, sei es als Beamter, sei es als Abgeordneter, als der höchste Beruf. [...] Der Kaufmannsstand war für den alten Herrn ungefähr das Gegenteil dessen, was er für seinen Sohn wünschte«: die »Niederung privater Geldinteressen, auf deren Boden der Sinn für das öffentliche Wohl nicht gedeihen kann«.87 Auch Karl Mommsen, der Sohn Theodor Mommsens, wählte nicht den Traumberuf seines Vaters. Anders als in der Familie Siemens, wo der durch die Berufswahl aufgerissene Gegensatz zwischen Vater und Sohn nie überbrückt werden konnte, gelang es Mommsen allerdings später, sich mit seinem Vater zu versöhnen.88 Hans Fürstenberg schließlich erntete die Verwunderung seines Klassenlehrers, als er nach dem Abitur als Berufswunsch angab, Bankier werden zu wollen.89 Adelbert Delbrück, der aus einer Akademikerfamilie stammte (sein Vater war Geheimer Oberregierungsrat und Kurator der Universität Halle), schilderte die Vorurteile, die in diesen Elternhäusern gegenüber dem Unternehmerberuf herrschten und mit denen die Kinder dieser Eltern aufwuchsen:

86 Treitschke, S.3f, S. 69; Meinecke, S. 19; Fontane an Georg Friedländer (3.10.1893), in: Briefe, Bd. ÍV. Vgl. auch Ringer, S. 234-243 ;>eger. 87 Helfferich, Bd. III, S. 153, Bd. I, S. 76f. 88 Bei einem guten, d.h. teuren Glas Wein, das sich ein kinderreicher Professor wohl nur selten leisten konnte, vertraute der große Gelehrte seinem Sohn später an: »Es ist doch gut, daß Du Bankdirektor geworden bist!« DBJ 1922, S. 193. 89 Fürstenberg, Erinnerungen, S. 105.

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»Waren wir doch, meine Frau und ich, in der beschränkten Auffassung aufgewachsen, daß wahre Bildung nur in studierten Kreisen erreicht und fortgepflanzt werde, daß der Kaufmannsstand nur untergeordneten Ranges sei, nur für die äußeren Dinge des Lebens zu sorgen habe und seine Tätigkeit schon um deswillen sehr gering angeschlagen werden müsse, weil sie nicht um der Sache, sondern um des persönlichen Erwerbs und Gewinnes willen angestrengt werde.« 90

Delbrücks Kindheitserinnerungen zeigen sehr gut die geistesaristokratischen Ressentiments, mit denen standesbewußte Bildungsbürger der Welt der materiellen Reproduktion gegenübertraten. »Wahre Bildung«, das heißt Authentizität und Entwicklung der Persönlichkeit,91 stand da gegen die »äußeren Dinge des Lebens«, also materielle »Werte« ohne »echten Wert«. Egoistische Interessen wurden da vom Kaufmann verfolgt, wo der Bildungsbürger meinte, der Allgemeinheit zu dienen. Wo die Gegensätze zwischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgern weniger schroff ausgeprägt waren, sorgten unterschiedliche Geschmacks- und Wertvorstellungen für Vorurteile und Mißverständnisse. Paul Wallichs spätere Frau, die aus einer bildungsbürgerlichen, aber kaum begütert zu nennenden Familie stammte, »sagte der Berlin W Ton nicht zu, und ich ging nicht gern hin«. Die reichen Bewohner des Berliner Westens erschienen ihr als oberflächliche Materialisten. Als sie ihren Ehemann kennenlernte, bevorzugte sie Treffen mit »netten und kultivierten Menschen«, wo »nur das Menschliche galt, und es ergab sich dadurch eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Das stand ganz im Gegensatz zu den >Berlin W.< Kreisen, wo eigentlich nur über andere Leute geredet wurde - also Klatsch - was das Hauptinteresse der meisten dieser Leute war«. Die Verlobungsfeier wurde für sie »eine Art Spießrutenlauf vor dem kritischen Berlin W« Doch wie so häufig in den Beziehungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher sozialer Gruppen beruhte ihre anfängliche Abneigung weniger auf konkreten Erfahrungen als vielmehr auf vorgefaßten Meinungen. Diese Vorbehalte aus Geschmacks- und Wertvorstellungen bildete eine unsichtbare Schranke, die in der Regel nur schwer zu überschreiten war.92 Selbst innerhalb der weltoffenen und für die Integration von Bankier-, Künstler- und

90 Delbrikk, S. 49 (Hervorhebungen vom Vf.). 91 Delbrück selbst verwendete, dem Sprachgebrauch der Klassik folgend, den Terminus »Bildung« keineswegs im Sinne eines Ausbildungszertifikats, sondern verknüpfte ihn stets mit der Bedeutung von »Entwicklung« (z. B. S. 142). 92 Paul Wallich, der Gewitzte, nahm sie dann für sich ein, indem er einen Briefwechsel mit ihr anbahnte, und zwar über Französische Romane, die er ihr Band für Band auslieh: »Es war eine wunderbar ausgedachte Methode ... zum kennenlernen«. Es war also die Ähnlichkeit ihrer Geschmacksvorstellungen (hier: das besondere Interesse für eine bestimmte Richtung der Literatur), die die beiden über Klassengrenzen und räumliche Trennung (nämlich das Bewohnen unterschiedlicher Stadtteile) zusammenbrachte - was beide zu Recht als ziemlich außergewöhnlich empfanden. Wallich, Erinnerungen, S. 104-109.

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Gelehrtenkreisen berühmten Familie Mendelssohn-Bartholdy bestand ein Gegensatz zwischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum: Die Kinder von Paul Mendelssohn Bartholdy sen. (1813 - 1874), dem Bruder Felix Mendelssohn Bartholdys, »haben zur Unterscheidung ihrer Linie den Bindestrich eingeführt, der - nicht lupenrein, doch der Tendenz nach - einen stärker künstlerisch-wissenschaftlich-liberalen Zweig (ohne Bindestrich) von einem eher geschäftsorientierten, preußenloyalen und konservativen Zweig (mit Bindestrich) absetzen zu wollen scheint.«93 Allerdings waren diese Gräben leichter zu überwinden als gegenüber den »alten Eliten«. Darauf deuten der Zustrom von Männern bildungsbürgerlicher Herkunft in die Hochfinanz, aber auch das steigende Bildungsniveau und die Formen kultureller Praxis hin. Aufjeden Fall verkehrte die Hochfinanz intensiver mit den »kulturellen« als mit den aristokratischen Eliten. Die Salons der Großbankiers bzw. ihrer Ehefrauen konnte ein Treffpunkt sein für Unternehmer, Künstler und Gelehrte, wie es bei den Fürstenbergs und besonders ausgeprägt bei den Inhabern von Mendelssohn & Co. der Fall war. Walther Rathenau versuchte sich selbst als Schriftsteller und Philosoph und verkehrte mit Gerhard Hauptmann, Frank Wedekind, Max Reinhard und Edvard Munch. Nicht wenige Bankiers besaßen zudem durch Herkunft und Heirat nahe Verwandte, die von der Verwertung ihres »kulturellen Kapitals« lebten, also Akademiker in den »freien Berufen«, Professoren oder Künstler. Stammten sie aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus, verkehrten sie später in der Regel häufig mit Künstlern und Gelehrten. Rudolph Wachsmuth, dessen Vater Universitätsprofessor und bei dessen Eltern Robert Schumann ein oft gesehener Gast war, hatte wohl mehr Bildungs- als Wirtschaftsbürger unter seinen Freunden.94 Arthur (von) Gwinner, Sohn eines Konsistorialrates und Patenkind Arthur Schopenhauers, entwickelte umfangreiche Interessen als Kunstliebhaber und Botaniker, was ihn in enge Berührung mit Archäologen, Numismatikern und Museumsleitern brachte und ihn schließlich auch in die »Mittwochsgesellschaft« führte. Schließlich betätigten sich zahlreiche Bankiers als Sammler und Mäzene, was ebenfalls zu engen Kontakten zwischen Bankiers und Kulturproduzenten führte. Einen abschließenden Höhepunkt fand das beispielsweise bei Julius Stern, dessen Grabrede von Max Liebermann, der seinerseits aus der Familie eines Textilfabrikanten stammte und der mit den Rathenaus verwandt war, gehalten wurde.95

93 Schon Abraham Mendelssohn Bartholdys hatte mit der Einführung des Beinamens »Bartholdy« die Familie für die Distinktionskraft der Namensgebung sensibilisiert. Zielenziger, S. 58; Gantzel-Kress, S. 168. 94 Wachsmuth, passim. 95 Liebermann hob besonders Sterns Verdienste um die Berliner Sezession hervor. BT Nr. 154 (5.3.1914). Vgl. Reitmayer, Bankiers als Bildungsbürger, passim.

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Doch daneben bestanden geradezu unverrückbare, tief in den unterschiedlichen Dispositionen der Akteure verankerte Gegensätze. Besonders zu Künstlern, also den »freien« Kulturproduzenten, fanden viele Bankiers kein rechtes Verhältnis.96 Carl Eckhard, der aus Neugierde 1871 dem städtischen Komitee des Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters in Mannheim beigetreten war, hatte dabei das Empfinden, daß er »einen schlüpfrigen Boden betrat«.97 Nach sieben Jahren beendete er seine Mitgliedschaft und hatte die Erfahrung gewonnen: »Die Theaterwelt ist eben eine ganz andere Welt als die wirkliche [sie!] und muß, wenn man mit ihr auskommen will, auch anders behandelt werden.« Auch Max (von) Schinckel war der Ansicht, daß »mit Gelehrten und Künstlern nicht immer leicht umzugehen ist«.98 Vor allem aber blieben die sozialen Trennlinien zwischen Hochfinanz und »alten Eliten« bestehen. Die wichtigste Ursache dafür lag in den tiefen Ressentiments gegenüber der Bankwelt, die seitens der Hofgesellschaft keineswegs als gleichrangiger Teil der Oberklassen angesehen wurden.99 Bogdan von HuttenCzapski beschrieb in seinen Erinnerungen, wie er selbst mehrfach bei aristokratischen Offizierskameraden wegen seines Verkehrs mit Bankiers »aneckte«, 96 Die Tiefe dieser Gegensätze wird deutlich in einem Bericht des Finanzblattes Plutus über eine Versammlung von Künstlern und Kunstfreunden in Berlin, die über die Verbesserung der oft recht prekären sozialen Lage vieler Künstler beriet. In der Versammlung äußerte dann jedoch eine Stimme unter breiter Zustimmung: »Der Künstler müsse hungern, auch er habe gehungert, und wer nicht hungern wolle, solle eben nicht Künstler sein.« Und aus einer Zusammenkunft von Schauspielern kolportierte der Berichterstatter die geäußerte Befürchtung, »daß mit der Verbannung des Hungers aus dem Requisitenschatz der modernen Bühne auch das Künstlertum zum Teufel gehen müsse. Die Kritische Wochenschrift für Volkswirtschaft und Finanzwesen (so der Untertitel des Plutus) kam angesichts dieser damals wie heute in den Feldern der Kult Urproduktion herrschenden demonstrativen Verachtung für materielle Zwänge nur zu dem Schluß, daß »diese Lobpreisungen des Hungers ... auch zweifellos den wirren Gedankengängen perverser Gehirne« entstammen mußten, und bescheinigte den Künstlern ein »masochistisches Vergnügen«. Diese Schlüsse hätte der durchschnittliche Großbankier (für den der Plutus eine Pflichtlektüre war) zweifellos geteilt. Einem berufsmäßigen Geldhändler mußte die Verachtung des Geldes krankhaftes und pervers anmuten. Und so empfahl der Autor des Artikels, bei dem es sich vermutlich um den Herausgeber der Zeitschrift Georg Bernhard handelte, den Künstlern denn auch, »sich der kaufmännischen Methode insofern anzubequemen, als er die Erzeugnisse seines Pinsels gewissermaßen auf den Markt wirft. Er muß dadurch ein Bedürfnis schaffen, daß er dem Beschauer, der an dem Bild Gefallen findet, einen Reiz zum Erwerb in Gestalt billiger Preise bietet.« Der Verachtung des Geldes durch die Künstler (und im weiteren Sinne vieler von der Verwertung ihres »kulturellen Kapitals« Lebender, also auch großer Teile des Bildungsbürgertums) entsprach seinerseits eine vollkommene Ignoranz der Wirtschaftsmenschen gegenüber den Eigenarten der Kulturproduktíon. Diese Haltung findet sich besonders bei denjenigen Bankiers, deren Ausbildungs- und Karriereweg sie wenig über die kaufmännische Sphäre hatten hinausblicken lassen und denen ihre Arbeitsüberlastung wenig Zeit ließ, sich mit außerberuflichen Dingen zu beschäftigen und den Verkehr mit Angehörigen jener Gruppen zu suchen. Plutus (29.10.1910). 97 Eckhard, S. 93f (auch für das Folgende). 98 Schinckel, S. 446f 99 Cecìl, Jew and Junker, passim; Stern, Gold und Eisen, S. 657-661, S. 694-700; Röhl, Hof und Hofgesellschaft, passim; Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. III, S. 805-825.

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und daß der kommandierende General des exklusiven Gardekorps sogar per Erlaß den jügeren Offzieren vom Verkehr mit reichen, aber nicht zur Hofgesellschaft gehörenden Familien »abriet«. Hutten-Czapski hob besonders den Einfluß der »Vertreter schroffer Exklusivität« hervor, die er für die »Engherzigkeit ... auf gesellschaftlichem und konfessionellem Gebiet« - mit »ganz unmöglichen Folgen« - verantwortlich machte.100 Damit zählte er selbst zur Minderheit des Kreises um den damaligen Kronprinzen und späteren Kaiser Friedrich III., der die Standesschranken überwinden wollte und den Kreis seiner sozialen Kontakte allein nach dem Interesse wählte, was mehr oder minder bewußt auf die Integration der verschiedenen Oberklassenfraktionen hinauslaufen sollte.101 Dazu gehörte übrigens auch, die jüdische Minderheit konfessionell zu definieren - er war befreundet mit Bernhard Dernburg, Walther Rathenau und Paul (von) Schwabach -, denn Konfessionsgrenzen waren einfacher zu überwinden als »völkische« oder »rassische« Grenzen. Die Mehrzahl der Hofgesellschaft und zahlreiche Offiziere und Beamte standen jedoch auf der Seite der Vertreter »schroffster Exklusivität« und propagierten die ständische Abschottung der Adelsgesellschaft gegenüber bürgerlichen Aufsteigern. Besonders im Offizierskorps war diese Haltung verbreitet, was insofern keine Überraschung ist, als die Offiziere vermutlich den materiell am schlechtesten gestellten Teil der »alten Eliten« bildeten und daher besonders scheel auf die aufsteigende, reiche Großbourgeoisie herabsahen.102 Sie bemühten sich sogar, ihre Exklusivität und damit die soziale Segregation der einzelnen Elitenfraktionen untereinander zu institutionalisieren, etwa durch den Erlaß eines Verbotes für jüngere Offiziere, mit den reichen Großbürgern zu verkehren. Wie ernst das Offizierskorps die gelegentliche »Übertretung der Standesgrenzen« nahm, wird deutlich daran, daß Hutten-Czapsky von seinem unmittelbaren Vorgesetzten dienstlich aufjenen Erlaß aufmerksam gemacht wurde, um den Verbotscharakter des Fraternisierungsbefehls zu unterstreichen. Der Grund hierfür war ausdrücklich das Bewußtsein, die materielle Ebenbürtigkeit mit dem aufsteigenden Bürgertum verloren zu haben. Was war die adlige Herkunft für einen Offizier noch wert, wenn die Spitzen der Adelspyramide mit neureichen Bürgerlichen von gleich zu gleich verkehrten, mochten sie sich 100 Hutten-Czapsky, Bd. I, S. 63f. 101 Bezeichnenderweise wurde Franz (von) Mendelssohn bereits am 5.5. 1888 aus Anlaß des Regierungsantritts Friedrichs III. geadelt. Bei dieser Nobilitierung handelte es sich also um eine der ersten Amtshandlungen des neuen Monarchen überhaupt, was dessen Integrationswillen gegenüber den »neuen« Elitefraktionen deutlich unterstreicht. Unter Friedrich III. lag der Anteil nobilitierter Unternehmer mehr als doppelt so hoch wie bei seinem Vater. Ceri/, Creation of nobles, Tab. V. 102 Auch die Baronin Spitzemberg berichtete über andauernde Spannungen zwischen Bleichroder und Offizieren verschiedener Regimenter, die sich durch die gesellschaftlichen Aspirationen des gerade nobilitierten jüdischen Bankiers - seinem demonstrativen Insistieren auf der Zugehörigkeit zur Ho^esellschaft-offenbar permanent in ihrer Ehre herausgefordert fühlten. Spitzemberg, S. 138.

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fragen. Hans Fürstenberg berichtete über eine Begegnung Walther Rathenaus mit diesen Gruppen: »Für die Oberkaste der Adligen, Offiziere und Höflinge, zu der er nun einmal nicht gehörte, war er ein Koofmich.«103 Seine Erklärung findet dieses Bemühen um soziale Exklusivität in dem Versuch, den eigenen Besitz an »Kapital« - das Ansehen und die engen Verkehrskreise der »alten Eliten« - vor dem rapiden Wertverlust zu schützen, dem es durch die wachsende Bedeutung des »ökonomischen Kapitals« des Wirtschaftsbürgertums ausgesetzt war. Damit standen sich Hochfinanz einerseits und ostelbische Grundbesitzer und Offiziere andererseits im Raum der Oberklassen diametral gegenüber. In der Gestalt des jüdischen, urbanen Bankier mit internationalen Familienverbindungen, der die unsichtbare Macht des Geldes kommandiert und nun, gerade nobilitiert, Zutritt zur aristokratischen Spitze der Gesellschaft begehrt, dürften sich so ziemlich sämtliche Ressentiments einer ländlichen, militärischen, auf ihre ständisch definierte soziale Position pochenden und teilweise ausgesprochen antikommerziellen Elite vereint haben. Beide Seiten gaben sich nichts: »Offiziere werden in Bankierkreisen wie Hungerleider behandelt«, notierte Theodor Fontane.104 Die tiefe Kluft zwischen »alten« und »neuen« Fraktionen der Oberklassen schloß sich auch in der wilhelminischen Ära nicht. Immer mehr Großunternehmer erwarben bis dahin für unglaublich gehaltene Vermögen und meldeten ihren Anspruch auf politische Mitsprache und Anerkennung ihres Erfolges an. Es erwies sich für die auf ihre Exklusivität pochenden »alten Eliten« aus Hof und Bürokratie, Landadel und Offizierskorps als unmöglich, diese Aufsteigergruppe in die von ihnen dominierte »gute Gesellschaft« zu integrieren und ihr dort eine beherrschte Position zuzuweisen. Die Aristokratie mochte ihre Frontstellung gegen die Unternehmerschaft und deren Welt nicht aufgeben. Das Deutsche Adelsblatt befand 1905, es sei außer allem Zweifel, daß der Handel »nicht nur jeden Aristokraten von echtem Schrot und Korn, sondern auch jeden anständigen Menschen zurückstoße«.105 In gleicherweise unterschied der Polizeipräsident von Berlin strikt zwischen den »kaufmännischen« und den »besseren Gesellschaftskreisen«.106 In der Folge blieb das gesellschaftliche Leben gerade in Berlin außerordentlich segmentiert. »Zwar gibt es in Berlin eine Reihe von festen Tafelrunden, sogenannte Kränzchen, von Gelehrten, Künstlern usw.«, schrieb Ludwig Bamberger 1895, »aber der Sammelpunkt vereinigt immer nur Vertreter bestimmter Berufszweige oder Interessen«.107 Auch die angesehensten Clubs bildeten für 103 104 105 106 107

Fürstettberg, Erinnerungen, S. 105. Fontane an Georg Friedländer (3.10.1893), Briefe Bd. IV. Zitiert nach Bernhard, Berliner Banken, S. 35. LHA Potsdam, Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 12674 (18.2.1898). Zitiert nach Wallich, Aus meinein Leben, S. 46.

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die Mitglieder der unterschiedlichen Oberklassenfraktionen keinen Ort der Begegnung, im Gegenteil, jede Gruppe hatte ihren eigenen geselligen Verein. Der Union-Club bildete den Treffpunkt der Aristokratie. Im Jahre 1899 verweigerten seine Mitglieder Paul (von) Schwabach wegen seiner Zugehörigkeit »zur Börse ... deren Mitglieder man ausgeschlossen wissen möchte«, die Aufnahme, obwohl er hervorragende Fürsprecher besaß. Der Turf-Club repräsentierte, seinem Namen entsprechend, das Zentrum der Pferdesportnarren, allerdings mit einem stark jüdischen Einschlag. Der Club von Berlin und die Ressource von Í794 waren dagegen die Treffpunkte der »business dass«. Bankiers, Großkaufleute und -industrielle machten während des gesamten Kaiserreiches nie weniger als 60 % der Mitglieder aus. »Der ländliche Grundbesitz hat unter der Mitgliedschaft niemals zahlenmäßig eine bedeutende Rolle gespielt... Aktive Offiziere haben dem Club stets nur sporadisch angehört.« Arzte, Professoren und Künstler waren ebenfalls selten; die steigende Zahl von Rechtsanwälten »erklärt sich daraus, daß zahlreiche Juristen der Bankwelt und der Großindustrie nahestehen oder gar ihren Aufsichtsräten angehören«. Der Club bildete in seiner Zusammensetzung wie im Selbstverständnis der Mitglieder einen Kontrapunkt zur höfischen Gesellschaft.108 So waren aus der einen »guten Gesellschaft« der Bismarck-Zeit, deren Spitze die Berliner Hofgesellschaft gebildet hatte, im Laufe der Zeit mehrere »gute Gesellschaften« geworden, die nicht mehr deckungsgleich waren, unterschiedlichen Lebensstilen und Werten folgten und deren Mitglieder nur wenig miteinander verkehrten. Die sozialen Konflikt- und Trennlinien zwischen den einzelnen Oberklassenfraktionen verliefen nicht allein horizontal, zwischen »oben« und »unten«, sondern auch vertikal, zwischen hochgradig privilegierten Gruppen, die einander im sozialen Raum nur sporadisch berührten, sondern sich statt dessen gegenseitig in ihrer Entwicklung und Prosperität blockierten. Die deutschen Oberklassen wuchsen während des Kaiserreiches gerade nicht zu einem herrschenden »Establishment« zusammen. In der politischen Arena schlossen sie bestenfalls taktische Bündnisse miteinander; oft genug bekämpften sie sich. Ein Teil der Berliner Hochfinanz, und zwar derjenige Personenkreis, der vorrangig die großen internationalen Finanztransaktionen bearbeitete, also vor allem die Seniorchefs der großen Privatbanken und die Vorstandssprecher der größten Aktienbanken, verkehrte in der wilhelminischen Zeit in den Salons ihrer Ehefrauen und nach individueller Vorliebe mehr oder weniger regelmäßig mit Aristokraten, Diplomaten, Ministern und hohen Beamtenjedoch ohne daß es dabei zu engeren sozialen Verflechtungen gekommen wäre. Nur dieses Segment der Hochfinanz, Franz und Robert von Mendelssohn, Carl Fürsten108 LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94, Nr. 13431 (11.12. 1902); Liebermann, S. 122; Wolf, Club von Berlin, S. 24-34.

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berg, Paul (von) Schwabach,m Eugen Gutmann trat in den Konkurrenzkampf ein, den die »Spitzen der Gesellschaft« um Formen und Inhalte des dominierenden Oberklassen-Lebensstils austrugen, und verkehrte auch mit Teilen der Hofgesellschaft. Zusammen mit anderen Berliner Großkapitalisten wie Fritz [von] Friedländer-Fuld, James Simon, Emil Rathenau und anderen unternahmen sie gewissermaßen den Versuch, die Hofgesellschaft auf deren eigenem Feld zu schlagen. Die winterliche Ballsaison der »guten Gesellschaft« war äußerst luxuriös und für die Veranstalter dementsprechend teuer. Aniela Fürstenberg empfing auf ihren Gesellschaften oft hunderte von Gästen. »Der Zuschnitt des Lebens begann ... erheblich anspruchsvoller zu werden. Große Bälle, Empfange und Diners fingen an, die früheren gutbürgerlichen Sitten des Zusammenseins abzulösen.« Die Soireen bei Privatbankiers wie Bleichröder oder Schwabach wurden zu Haupt- und Staatsaktionen. Speisen und Genußmittel hatten von auserlesener Güte zu sein; Musik begleitete die Vergnügungen.110 Die Profite, die diese Bankiers aus ihrem Umgang mit der Hofgesellschaft zogen, waren vielfältiger Art. Ganz unmittelbar war der Nutzen, wenn sich aus den sozialen Kontakten Geschäftsbeziehungen ergaben wie bei Bleichröder, Mendelssohn oder Warschauer.111 Diese Privatbankiers wurden die Vermögensverwalter vieler Adelsfamilien und konnten mit dem Geld dieser vermögenden Kunden arbeiten. Ebenso groß war der Wert, den die Beziehungen zu Diplomaten, Politikern und Beamten für die »großen Geschäfte« der Banken besaßen. Bleichröder, Mendelssohn und die Disconto-Gesellschaft waren immer die Häuser großer in- und ausländischer Staatsanleihen sowie der staatlich abgesicherten Eisenbahnfinanzierung gewesen und blieben es auch; hierfür waren derartige Kontakte unentbehrlich. Aus diesem Grund mußten Bankiers Präsenz in der »guten Gesellschaft« zeigen und deren Aufmerksamkeit erregen, um so das Standing ihrer Bank zu verbessern. Der Schweizer Alfred Escher bemerkte 1871 anläßlich der Finanzplanungen zum Bau der Gotthard-Bahn, der 109 Schwabach »ist eine vornehme, zurückhaltend distinguierte Persönlichkeit, und unterhält den allerbesten Verkehr mit den ersten Familien. Seiner Majestät ist Dr. Schwabach wohl bekannt, mehrfach bereits zu Informationen nach dem Neuen Palais beordert und letzthin auch durch besondere Weisung Sr. Majestät zu einem Diner im engsten Kreise bei Excellenz v. Hollmann befohlen worden.« LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94, Nr. 13431 (12.6. 1903). 110 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S: 90, S. 504; Stern, Gold und Eisen, S. 661; Weber-Kellermann, S. 4lf; Spitzemberg, S. 88. 111 S. Bleichröder profitierte von den Kontakten zur Regierung und wurde zur Depotbank vieler reicher Aristokraten, daher konnte die Bank auch früh mit großen fremden Geldern arbeiten. Über Mendelssohn & Co. berichtete der Polizeipräsident von Berlin, die Bank »besitzt ein sehr großes Vertrauen in den meisten europäischen Staaten, welches dahin geführt hat, daß ihr von hohen und höchsten Persönlichkeiten umfangreiche Geldbeträge und Vermögen zur Aufbewahrung, Verwaltung und Verzinsung anvertraut worden sind«, und über R. Warschauer & Co., die Bank verfüge über »eine außerordentlich zahlreiche Privatkundschaft feinsten Ranges«. Korach, Bd. II, S. 3; LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94, Nr. 9408 (19.11.1900), Nr. 12081 (20.11.1902).

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auch von Bismarck unterstützt wurde, über die Gruppe Hansemann-Bleichröder-Oppenheim: »Jeder Name eine Reklame. Diese Männer stehen an erster Stelle, ganz abgesehen von ihrer Verbindung zum Reichskanzleramt«.112 Die Mehrzahl der Großbankiers kam dagegen in ihrer Freizeit kaum in Berührung mit den »alten Eliten«. In den Tagebüchern der Baronin Spitzemberg, die seit den frühen 1870er Jahren mit Bleichröder und Hansemann verkehrte, erscheinen die Manager-Bankiers der »reinen« Aktienbanken wie Richard Witting, Bernhard Dernburg oder Johannes Kaempf nicht vor der Jahrhundertwende, und auch danach nicht als Bankiers, sondern als Bruder Maximilian Hardens, als Staatssekretär des RKA oder als Reichstagspräsident. Manager im Zentrum der Hochfinanz wie Gwinner, Eugen Gutmann oder Arthur Salomonsohn tauchen selbst in ihrem feineren Bekanntenkreis nicht auf. Als Reichskanzler Bernhard von Bülow auf die Idee kam, Bernhard Dernburg (damals immerhin leitender Direktor der BHI) zum Leiter der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes zu machen, war er diesem noch nie zuvor begegnet.113 Einige von ihnen, wie Georg (von) Siemens, pflegten trotz großen persönlichen Reichtums einen betont rustikalen statt luxuriösen Lebensstil. Nicht allein die Verkehrskreise, auch die Formen der Geselligkeit unterschieden sich von denen der Hofgesellschaft. So erscheinen in den Schilderungen der Feste und Feiern dieser Bankiers vor allem in den 1870er und 1880er Jahren Begriffe wie »Kränzchen«, Landpartien am Sonntage, Diners und Abendgesellschaften, aber kein Ball, also ein stark formalisiertes Tanzfest (und wenn, dann nur ironisch). Auch hier gab es große Geselligkeiten, die in ihrer Zusammensetzung allerdings bürgerlichen Zuschnitts waren.114 Denjenigen, die auch nach der Jahrhundertwende kaum in Berührung mit der aristokratischen Gesellschaft kamen wie Siegmund Bodenheimer oder Hermann Wallich, waren diese »bürgerlichen« Festivitäten selbstverständlich und nicht einmal wichtig genug, um sie in ihren Erinnerungen zu erwähnen. Daneben verzichteten sie keineswegs auf Komfort, Reisen und Genuß, jedoch ohne diese Annehmlichkeiten vor den »alten Eliten« zu demonstrieren. Andere wie Julius Stern entflohen dem Berliner Gesellschaftsleben überhaupt, etwa nach Hamburg, wo sie in einer nicht von aristokratischen, bürokratischen oder bildungsaristokratischen Ressentiments, sondern von einem kaufmännischen Patriziat geprägten »guten Gesellschaft« reüssieren konnten.m Damit verwei-

112 Zitiert nach Treue et al., S. 173. 113 Bülow, Bd. II, S. 266. 114 Helfferich, Bd. III, S. 238, S. 248 u. 284; Waüich, Aus meinem Leben, S. 130; Wallich, Erinnerungen, S. 109. 115 »Neben seinem radikalen politischen Standpunkt«, über den aber nichts weiter bekannt ist, fand der Plutus die Gründe für dieses Verhalten in Sterns »außerordentlich stark ausgeprägte(m) Selbstbewußtsein des auf sein Judentum stolzen Hamburgers, das ihn veranlaßte, seinen

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gerten sie sich den überkommenen Formen der von den »alten Eliten« geprägten Geselligkeit. Angesichts ihrer geringen Integration in die Oberklassen der wilhelminischen Gesellschaft hatten die Bankiers der Hochfinanz begonnen, ihre eigene Lebensweise zu entwickeln. Diese läßt sich als »plutokratisch« in dem Sinne bezeichnen, daß sie vom Besitz großen »mobilen« Reichtums statt der Tradition einer Grundbesitzer- oder Offizierskaste, einer um einen prächtigen Hof zentrierten Adelsgesellschaft oder den Werten einer Bildungselite geprägt war, und unter ästhetischen Gesichtspunkten vielleicht als wenig ansprechend -jedenfalls orientierte sie sich nicht mehr oder nur noch in geringem Maße an den »alten Eliten«. In der wilhelminischen Ära begannen die Spitzen des Wirtschaftsbürgertums mehr und mehr die gesellschaftlichen Verkehrsformen selbst zu bestimmen. Ihnen mangelte es nicht an den materiellen Ressourcen für einen bis dahin ungeahnt aufwendigen Lebensstil. Eine Dame der Berliner Gesellschaft versicherte dem französischen Jounalisten Jules Huret um die Jahrhundertwende, daß sich zwischen 1885 und 1900 die Ausgaben in den deutschen Oberklassen für Reisen, Komfort, Vergnügen und Kleidung etwa verdreifacht hätten. Leonie Schwabach gab jährlich rund 70.000 M für Mode aus, ohne dies immer für ausreichend zu halten.116 Derartige Aufwendungen fanden nicht nur Bewunderung. 1909 beklagte der Berliner Professor Adolph Wagner in den Verhandlungen der Bankenquete-Kommission den um sich greifenden Luxus der Lebenshaltung und besonders den »Frauenluxus, der... etwas ostentativ Widerwärtiges hat« und nur dazu angetan sei, die Arbeiter aufzuwiegeln.117 Vor dieser »plutokratischen Entwicklung«, die er besonders den phantastischen Einkünften der Bankiers anlastete, meinte Wagner warnen zu müssen, zumal »die Mitgesellschaftlichen Verkehr dort zu suchen, wo gewisse Vorurteile der Religion und Partei fehlen«. Plutus (28.3.1914), S. 277. 116 Huret, Bd. III, S. 116. 117 Bankenquetc VI, S. 122. Wagner erregte sich besonders über eine Frau, die sich in der Tram damit gebrüstet hatte, einen Hut »spottbillig« - für 500 M - erstanden zu haben. Der ARV der BHI, Johannes Kaempf, antwortete mit einer Anekdote, die ebenfalls die Damenhutmode zum Inhalt hatte, doch war sein Bonmot voll wohlwollend-patriarchaler Herablassung: In dieser Herrenrunde bestand zwar durchaus Einigkeit über gewisse Vorstellungen vom weiblichen Geschlecht, z. B. dessen »Putzsucht«, also seiner Betonung von Äußerlichkeiten und, daraus abgeleitet, seiner Unfähigkeit, soziale Verantwortung zu tragen, was die untergeordnete Stellung von Frauen rechtfertigte. Doch während die reichen Bankiers die Gelassenheit und die Mittel besaßen, die Rechnungen ihrer Frauen zu bezahlen und ihnen zumindest die Freiheiten der Mode zu gewähren, konnten andere darin nur die Auflösung der traditionellen Ordnung - auch der Geschlechterordnung - erkennen. Es war die Personifikation des Lasters in Gestalt einer ungezügelt dem Luxus frönenden Frau, die den im Vergleich zu den meisten der übrigen Mitglieder der Enquete-Kommission geradezu ärmlichen und deshalb um so mehr auf immaterielle Werte insistierenden Professor in Rage brachte. Die Freiheiten, die sich die Frauen der »Plutokratie« in den Augen des vom ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland wenig profitierenden verbeamteten Bildungsbürgertums leisteten (oder umgekehrt: die der Reichtum diesen Frauen gab), müssen jenen Männern wahrlich bedrohlich erschienen sein.

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telschichten immer weiter herabkommen«. Tatsächlich war es eine steigende Zahl von Frauen der Großbourgeoisie, deren Mode-Vorlieben bestimmend für die Haute Couture der Berliner Gesellschaft wurde, auch wenn es sich ausnahmslos um Pariser Modelle handelte.118 Die Reichtümer ihrer Männer ermöglichten es ihnen, in die den Geschmack bestimmenden Positionen der »guten Gesellschaft« Berlins aufzurücken. Ein anderes Beispiel für den neuen aufwendigen Lebensstil ist das Wohnen. In der wilhelminischen Zeit gaben Berliner Großbankiers, die sich eine Wohnung mieteten (sei es, daß sie sich über die Villa im Tiergarten hinaus eine Zweitwohnung in der Stadt leisteten, sei es, daß sie kein eigenes Haus erworben hatten), Summen für Mietzahlungen aus, die mit Leichtigkeit das Jahreseinkommen eines vortragenden Rats (1890 zwischen 7.500 und 9.900 M119) erreichten. Paul Mankiewitz leistete sich 1903 in der Bellevuestraße eine 14Zimmer-Wohnung für 11.000 M Jahresmiete, bevor er kurz darauf in eine eigene Villa umzog.120 Sein Kollege von der Nationalbank, Julius Stern, bewohnte des Sommers eine Villa in Potsdam, des Winters eine Wohnung ebenfalls in der Bellevuestraße, die ihn 14.000 M pro Jahr kostete. Gegenüber der Bismarckzeit waren die Beträge, welche die Hochfinanz für ihre Wohnungen auszugeben nun bereit und in der Lage war, geradezu explodiert. Hermann Rosenberg von der BHG hatte noch 1887 für seine Wohnung in der Französischen Straße 3.000 M Miete gezahlt, elfJahre danach ließ er sich sein Domizil in der Tiergartenstraße, »eine große, herrschaftlich eingerichtete Wohnung«, in der er »einen großen Haushalt führt«, 20.000 M Miete kosten. An der Spitze stand Paul (von) Schwabach, der 1902 für die frühere von Liegnitz'sche Wohnung, »etwa 30 Zimmer«, 30.000 M Jahresmiete zahlte.121 Erst recht die Villen der Bankiers im Tiergarten, in Potsdam und im Grunewald, Viertel, in denen fast nur reiche Geschäftsleute wohnten, bezeugten ihren Reichtum. Diejenigen, die einen engeren Kontakt zu den »alten Eliten« pflegten, ließen ihre Häuser für das Ausrichten von Gala-Gesellschaften konzipieren. Diese Bauten wurden mehr und mehr zu Palästen, wie Benjamin Disraeli von einem Gang durch die Wohnung Gerson (von) Bleichröders berichtete: 118 Huret, Bd. III, S. H6f. 119 Hohorst u. a., S. 109. Ein preußischer Unterstaatssekretär wurde demnach mit 15.000 M (1910 mit 20.000 M), ein Minister mit 36.000 M besoldet. 120 LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94; auch für das Folgende. Die Bellevuestraße, die sich quer durch den Tiergarten zieht und eine idyllische Lage im Grünen mit der Nähe zum Bankenviertel verband, war als Domizil unter Bankiers sehr beliebt: Zur gleichen Zeit wie Stern und Mankiewitz hatte Carl Fürstenberg hier eine Wohnung für 16.000 M Jahresmiete, und eine ganze Reihe anderer Berliner Bankiers wohnten hier, darunter Wilhelm Conrad, Ernst Friedländer, Waldemar Mueller, Arthur Salomonsohn, Curt Sobernheim, Hermann Waller, Max Winterfeld und Emil Wittenberg. 121 LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94, Nr. 12674(18.2. 1898); Nr. 13431 (11.12. 1902).

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»Er hat sich ein veritables Palais gebaut, und seine großartige Banketthalle erlaubte es ihm, alle Bevollmächtigten, die Botschaftssekretäre und führenden Minister Deutschlands einzuladen ... Die Banketthalle, sehr weit und sehr hoch, wie überhaupt das ganze Haus ist aus allen Spezies seltenen Marmors erbaut, und wo kein Marmor ist, wurde Gold verwendet. [... ] Nach dem Diner wurden wir durch die herrlichen Salons geleitet - und durch die Bildergalerien und einen Ballsaal, wie er im Märchen vorkommt«. 122

Auch der damalige Oberbürgermeister von Gera und spätere Syndicus von S. Bleichröder, Wilhelm Weber, konnte diesem Haus seine Bewunderung nicht versagen.123 Die unter erheblichem Aufwand errichtete Doppelvilla, die sich Adolph (von) Hansemann in der Tiergartenstraße bauen ließ, »wurde zu einer der Sehenswürdigkeiten Berlins ... Man wanderte geradezu nach der Tiergartenstraße, um die ... schloßliche Baulichkeit zu bewundern«. Selbst Wilhelm I. nahm den Bau der Villa in Augenschein. Diese Bewunderung dürfte dem Hausherren mehr als geschmeichelt haben. Als relativ »junge« Fraktion der Oberklassen scheint die Hochfinanz ihren Reichtum bewußt öffentlich zur Schau gestellt zu haben und erheischte Anerkennung - in der gleichen Art, mit der der Adel stolz auf seinen langen Stammbaum war. In dieser Hinsicht waren die Villen der Großbankiers teilweise »öffentliche« Bauten, die darauf zielten, dem Gast und Betrachter die soziale Macht des Besitzers zu demonstrieren. Dolores Augustine bezeichnet die Funktion dieser auf Wirkung bedachten Bauweise treffend als »architecture of domination«.124 In diesem Zusammenhang greift es zu kurz, den in neoklassizistischen, neobarocken und anderen eklektizistischen Stilen erbauten »falschen Schlössern des Bürgertums« den Traum vom schönen Schein des Adels und ihren Erbauern »falsches Bewußtsein« vorzuwerfen.125 Die Villen und Häuser demonstrierten den Anspruch der Besitzer auf Anerkennung ihrer Macht und auf Zugehö122 Zitiert nach Stern, Gold und Eisen, S. 66Of; ähnlich die Beschreibung, die die Baronin Spitzemberg (S. 88) von Bleichröders Haus gab. 123 Weber-Kellermann,S.41f. 124 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 30; Münch, S. 378f.; Augustine, Arriving in the Upper Class, S. 52. Augustine verweist in diesem Zusammenhang auf die interessante Tatsache, daß etwa nach 1905 die Neubauten reicher Berliner Unternehmer starker auf die »private« als die »öffentliche« oder »performative« Nutzung der Häuser konzipiert waren: Ihre Hauptfront richtete sich nicht mehr zur Straße, d.h. zum fremden Betrachter, sondern zum Garten, und die Innenarchitektur war weniger für die Ausrichtung großer Feste gerichtet als für die Nutzung durch die Familie - die Räume waren z. B. nicht mehr miteinander zu großen Sälen verbunden. Auch wurde weniger Wert auf eine prächtige Fassade gelegt. All dies laßt darauf schließen, daß seit der Jahrhundertwende ein wachsender Teil der Großunternehmerschaft darauf verzichtete, durch große festliche Veranstaltungen ein »Haus« (in aristokratischem Sinne) zu etablieren und mit einem möglichst weiten und gemischten Kreis zu verkehren, um auf diese Weise in Konkurrenz mit adeligen oder etablierten großbürgerlichen »Häusern« oder »Salons« zu treten, sondern sich absichtlich auf einen kleineren und intimeren Freundeskreis beschränkte, der einzig ihren persönlichen Neigungen entsprach und in der Regel aus Kollegen der business class bestanden haben dürfte. 125 Richter u. Zänker, S. 87f, S. 149 (auch für das Folgende).

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rigkeit zu den Spitzen der Gesellschaft, aber nicht auf Zugehörigkeit zu deren aristokratischer Fraktion. Ihre Erbauer bedienten sich dem Stil der Zeit entsprechend einer historisierenden Formensprache, nicht zuletzt weil die Großunterneherschaft in Deutschland eine sehr junge Formation war, die auf diese Weise die Legitimation ihrer Privilegien in einer Gesellschaft zu dokumentieren suchte, in der das »soziale Alter« eine große Rolle spielte. Darin ästhetisch mißglückte »Stilblüten« des bürgerlichen Historismus und einen Ausdruck von »Aristokratisierung« zu sehen, unterstellt, bürgerliche Architektur habe stets »progressive Bauleistungen« hervorzubringen, »typologisch, technologisch und funktional neue Bauweisen und Formen«, eine Argumentationsfigur, die dem Bürgertum die historischen Mission einer umfassenden gesellschaftlichen Modernisierung zuweist und abweichende Verhaltensformen nur als »unbürgerlich« zu qualifizieren vermag. Derartige Wohnformen waren nur für das reiche Wirtschaftsbürgertum erschwinglich und trennten es durch die räumliche Segregation ebensosehr von den bürgerlichen wie den nicht-bürgerlichen Oberklassen.126 Auf diese Weise entfernte sich die Hochfinanz in ihrem Lebensstil und ihrem Konsumverhalten immer weiter von der breiten bürgerlichen Mittelschicht und selbst von deren oberen Strata wie erfolgreichen Freiberuflern oder hohen Verwaltungsbeamten. Die preußische Hauptstadt war den Luxus einer reichen Aristokratie nicht gewöhnt. Doch die Einkünfte ihres Berufes erlaubten den Berliner Großbankiers eine Lebensführung, die alle bisher gekannten Vorstellungen in den Schatten stellte. Daß die Hochfinanz damit auch soziokulturell dominierend wurde, erhellen gerade die Warnungen vor dieser Entwicklung. Allenthalben wurde beklagt, »daß durch die Zahl der ständig zunehmenden Plutokratie die Begriffe über standesgemäßes Dasein sich ständig nach oben verschieben«. Wenn persönlicher Reichtum und damit das individuelle Erwerbsstreben zum bestimmenden Faktor der sozialen Entwicklung wurde, was sollte dann aus dem Gemeinwohl werden, fragten sich alle diejenigen, die Deutschlands beste gesellschaftliche Traditionen in der preußischen Bürokratie verkörpert sahen und nun die Korrumpierung der Beamtenschaft durch die vom Lebensstil der Großbourgeoisie ausgehenden Verlockungen befürchteten.127 Die schon von Otto Glagau, Rudolph Meyer und anderen artikulierte Furcht, daß schwerreiche Großfinanziers ihr »ökonomisches Kapital« in politischen Einfluß umzumünzen versuchen könnten, begleitete das Kaiserreich seit den Gründerjahren. Daß jedoch der Lebensstil einer Wirtschaftsklasse die gesamte Bürokratie korrumpieren könnte, war um die Jahrhundertwende eine neue Vorstellung. In dieser Hinsicht hatten Warner wie Adolph Wagner durchaus recht, als sie in der 126 Zu bürgerlichen und aristokratischen Wohnformen vgl. Saldern, S. 173-191, S. 298-324. 127 Die Bank 4 (1911) S. 824, S. 829. Die Übertritte von Beamten in die Wirtschaft waren ein ständiges Monitum der Zeitschrift; vgl. ebd. 2 (1909), S. 79.

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»plutokratischen Entwicklung« der Gesellschaft das Signum der Zeit sahen. Die Hochfinanz stand an der Spitze dieser Bewegung. Eine ganze Reihe von Bankiers der Hochfinanz kam in der wilhelminischen Ära in direkte Berührung mit dem Kaiser. Hinter diesen Begegnungen verbarg sich die Neigung Wilhelms II., auch ein moderner Monarch sein zu wollen und sich von Zeit zu Zeit mit den Spitzen der neuen Großunternehmerschaft, den (im Sprachgebrauch der Zeit) captains ofindustry zu umgeben. Derartige Kontakte seines Großvaters konnten sich mit gewissem Recht noch auf den Verwalter seiner Privatschatulle, Moritz Cohn aus Dessau, und wenige andere Privatbankiers beschränken wie den Kölner Oppenheims, die er während seiner Kronprinzenzeit in Koblenz kennengelernt hatte.128 Auch war es zu jener Zeit noch möglich, diese happyfew in die Hofgesellschaft zu integrieren, etwa Viktor von Magnus, der »persona gratissima bei König Wilhelm war«.129 Die erst entstehende Hochfinanz hatte zu jener Zeit die Eierschalen der Hoffinanz, von der sie in weiten Teilen Deutschlands abstammte, noch nicht abgeschüttelt, und zu den wenigen bei Hofe gern gesehenen Finanziers besaß der Monarch tatsächlich ein persönliches Verhältnis wie die Königin zu den Brüden i Oppenheim. Zwar entstand in der Reichsgründungszeit eine breitere Schicht von Großfinanziers, aber diese war noch nicht etabliert und anerkannt genug, um für den tief in der adlig-militärischen Tradition Preußens verwurzelten Monarchen als Gesellschaft in Frage zu kommen. Dagegen scheint Wilhelm II. zumindest zeitweise mit dem hybriden Gedanken gepielt zu haben, aus Adel und Wirtschaftsbürgertum eine neue, kohäsive Oberklasse zu schaffen. So erklärte er im Dezember 1903, er wolle »wirkliche Beziehungen« zwischen der Großunternehmerschaft und »seinem Adel« herstellen, was seine aristokratische Umgebung erschrecken ließ.130 Dennoch integrierte er sie nicht in die Hofgesellschaft. In Isabell Hulls Darstellung seines Hofstaats finden nur eine Handvoll Bankiers beiläufig Erwähnung; zur Hofgesellschaft gehörten sie nicht. Carl Fürstenbergs nicht sehr häufige Begegnungen mit dem Kaiser fanden »fast stets im engen Kreise statt«; zu offiziellen Veranstaltungen wie den Ordensfesten begab sich Fürstenberg »stets recht ungcrne«: Einem Mann wie ihm, der zu den ganz Großen im internationalen Finanzgeschäft gehörte, konnte es nicht behagen, sich auf einem Ordensfest mit der Verleihung des Roten Adler-Ordens III. Klasse am Ende der Hierarchie des höfischen Zeremoniells wiederzufindcn. Max Warburg, der wie Fürstenberg und andere mit dem unglücklichen Etikett »Kaiserjuden« versehen wurde, traf den Kaiser seit 1903 »alljährlich« nach den Regatten in Cuxhaven und wurde einmal ins Schloß eingeladen. Walther Rathenau begegnete ihm nach eigenem Bekunden seit der Jahrhundertwende »durchschnittlich ein bis zweimal im 128 Treueu.,a., S. l97f, S.233. 129 LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 11903 (11.6.1902). 130 Röhl, Hof und Hofgesellschaft, S. 114.

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Jahr [...] manchmal freilich einige Stunden lang«, also nicht wesentlich öfter. Der Begriff »Kaiserjuden« ist insofern irreführend, als er unterstellt, die Betreffenden hätten in einem besonderen Verhältnis zum Monarchen gestanden und seien Teil seiner alltäglichen Umgebung gewesen; dem war jedoch nicht so. Im Gegenteil, der Reiz, den Wilhelm aus den gelegentlichen Begegnungen mit Bankiers zog, bestand gerade darin, daß diese nicht der Hofgesellschaft angehörten. Das bedeutet, daß es sich um relativ seltene Treffen handelte.131 Vielen Zeitgenossen war dieser insgesamt eher spärliche Kontakt schon zuviel. In einem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel Die wirtschaftliche Bedeutung des Byzantinismus warnte Alfred Landsburgh, Herausgeber der Finanzzeitschrift Die Bank, daß sich die Hochfinanz durch den engen Kontakt mit dem Kaiser und durch materielle Zuwendungen an dessen Lieblingsprojekte auf Kosten des »Volksinteresses« materielle Vorteile verschaffe.132 Doch bei aller Macht, die die Großbankiers sonst besaßen, gerade auf die Entschlüsse des Kaisers dürften sie kaum Einfluß gehabt haben. Zwar sind seine Bekanntschaften mit Fürstenberg und Warburg ausdrücklich zustandegekommen, um Einfluß auf Wilhelm II. zu nehmen. Beide Male war es Albert Ballin, der diese Kontakte hergestellt hatte. Warburg sollte dem Kaiser auf Ballins Geheiß einen zehnminütigen Vortrag über die Notwendigkeit einer Reichsfinanzreform halten; Warburg lehnte der knapp bemessenen Zeit wegen ab und »erhielt« 32 Minuten. Fürstenberg war zum Kaiser geladen worden, nachdem dieser gegenüber Ballin den Wunsch geäußert hatte, »endlich einmal einen amüsanten und gescheiten Menschen zu sprechen, der ganz außerhalb der üblichen Cliquenwirtschaft des Hofes und der politischen Parteien stehe«.133 Doch für eine kontinuierliche Einflußnahme waren diese Kontakte zu schwach. Auch gab es kein Mitglied der Hochfinanz, das so etwas wie der informelle Wirtschaftsberater Wilhelms II. gewesen wäre. Ludwig Delbrück spielte in dieser Hinsicht für den Kaiser niemals die Rolle, die Bleichröder bei Bismarck eingenommen hatte.134 Die Einstellung der Großbankiers gegenüber Wilhelm II. war alles andere als einheitlich. Für Max (von) Schinckel war der Kaiser wirklich »von Gottes Gna131 Hull, S. 146-174. Fürstenberg erhielt 1906 den Roten Adler-Orden III. Klasse mit dem Stern, angeblich, weil der preußische Staat nach dem verlorenen Hiberniakampf (in dem sich Fürstenberg als Hauptgegner der Verstaatlichungspläne gezeigt hatte) »gute Miene zum Bösen Spiel« machte. Schacht, S. 142; Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 441; Warburg, S. 30f.; Kessler, Rathenau, S. 55; Toury, S. 239-241. 132 Die Bank 2 (1909), S. 301-309. Als Beispiele für den »stillen Einfluß der Plutokraten« nannte Landsburgh u. a. das Aufbauschen deutscher Handelsinteressen in Marokko, die Unterstützung für die Bagdadbahn und die Abneigung von Kaiser und Regierung gegen Kartellgesetze und Depositenbankvorlagen. 133 Warburg, S. 30; Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 439. 134 Zwar hatte sich »über den Aufenthalt des Kaisers auf den Jagdgründen des Bankiers ein ganzes Netz von Legenden und Anekdoten gesponnen«, doch findet sich in den nur vier Jahren von 1909 bis 1913, in denen Delbrück das Privatvermögen Wilhelms II. verwaltete, kein Hinweis

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den«, und ihm ging die »Treue« zu seinem Monarchen über alles. Nach der Revolution sollte er ein trotziges »Wenn alle untreu werden, so bleibe ich doch meinem Kaiser treu, und solange er im Unglück ist, erst recht!« ausrufen. Adolph Salomonsohn, Schinckels Kollege aus der Disconto-Gesellschaft, war am Vorabend des Ersten Weltkriegs dagegen in der rechtsradikalen Kaiserfronde zu suchen.135 Die Mehrheit der Hochfinanz lag mit ihrer Einstellung zum letzten Hohenzollern zwischen diesen Extremen. Sie begegnete Wilhelm II. mit Respekt ob seiner Macht und seiner unbestreitbaren Geistesgaben - vor allem sein rednerisches Talent lobten die Bankiers -, doch ohne Ehrfurcht vor der monarchischen Spitze von Staat und aristokratischer Gesellschaft und zuweilen sogar mit Bürgerstolz.136 Zweifellos waren die Bankiers loyale Anhänger der Monarchie. Doch hatte sich seit dem Dreikaiserjahr ihre Beziehung zum Kaisertum verändert. Hielten sie Wilhelm I. edle Einfalt und stille Größe zugute und ermöglichte es ihnen die starke Position Bismarcks, zwischen kritisierbarer Tagespolitik- für die gegebenenfalls der Kanzler, Minister oder Staatssekretäre verantwortlich zu machen waren - und der Monarchie als solcher zu trennen, geriet mit dem »persönlichen Regiment« Wilhelms II., auch wenn es sich dabei mehr um Wunsch als Wirklichkeit gehandelt haben mag, die Person des Kaisers selbst in die Schußlinie.137 Und es sollte nicht vergessen werden, daß gerade die Berliner Hochfinanz mit ihren teilweise exzellenten Kontakten zu darauf, daß Delbrück einen nennenswerten wirtschaftspolitischen oder sonstigen Einfluß auf den Kaiser auszuüben vermocht hätte. Der Tag Nr. 530 (30.1.1908); Berliner Lokal-Anzeiger Nr. 131 (13.3.1913); BBC Nr. 122 (13.3.1913); Röhl, Hof und Hofgesellschaft, S. 83. 135 Schinckel, S. 455; Solmssen, S. l3f. Walther Rathenau, der Wilhelm II. immerhin einen 40 seitigen Essay widmete, schrieb später über die Unterhaltungen unter Großindustriellen: »Man sprach vom Kaiser, wie es damals üblich wurde: maßlos, verbittert«. Demnach wäre Salomonsohns und Kirdorfs Haltung gegenüber Wilhelm II. gerade in der Großunternehmerschaft keine Seltenheit gewesen. Rathenau, Schriften und Reden, S. 247. Í36 Georg (von) Siemens berichtete 1898 über eine Begegnung mit Wilhelm II.: »Immerhin ist er ganz nett gewesen, und ein gewöhnlicherer Sterblicher als ich würde noch immer von großer Gnade< usw. sprechen können und dürfen.« Siemens begegnete dem Kaiser zwar mit Respekt, doch ohne Ehrfurcht und im Bewußtsein des hohen »bürgerlichen« Ranges, den er nach eigener Meinung als Großbankicr einnahm. Als Siemens im Januar des folgenden Jahres zum Kaiser geladen wurde, um über das Bagdadbahn-Projekt zu berichten, weigerte er sich, für diese Einladung große Toilette zu machen. Helffèrich, Bd. III, S. 240, S. 359, S. 367 (Hervorhebung vom Vf.). 137 Unisono lobten die Bankiers die Fähigkeit Wilhelms I. — »selbst nicht übermäßig begabt« - »sich mit ungewöhnlich befähigten Ministern zu umgeben und auf ihren Rat zu hören«. Der Enkel dagegen war »jung und geschwellt von mächtigem Tatendrang. Er hatte, da er sein eigener Kanzler sein wollte, den alten Bismarck weggeschickt und umgab sich - im Gegensatz zu seinem Großvater - mehr und mehr mit schwachen Figuren als Mitarbeitern. [...] In Deutschlands Außenpolitik kam allmählich ein unruhiger, oft unkonsequenter Zug, und auch die Innenpolitik hatte unter dem unberechenbaren Temperament und der mangelnden Erfahrung dieses sich selbst weit überschätzenden Fürsten mehr und mehr zu leiden. [...] Inder Innenpolitik blieb die unstete und unweise Führung des Staatsoberhaupts, der dauernd schwächliche Reichskabinette kein Korrektiv Moment entgegenzusetzen wußten, nicht ohne ungünstige Rückwirkung.« Bodenheimer, S. 7, S. 13, S. 37.

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höchsten Stellen auch eine »Informationselite« war, der die Mißgriffe Wilhelms II. nicht lange verborgen bleiben konnten. In anderen Bundesstaaten scheint es für Bankiers einfacher als in Preußen gewesen zu sein, Zutritt zum Hof zu erhalten, auch wenn es nur vereinzelte Beispiele gibt. Carl Eckhard war mit dem populären Großherzog Friedrich I. von Baden durch seine Arbeit als Landtagsabgeordneter bekannt; der Großherzog genoß ganz offensichtlich das Vertrauen der liberalen Bourgeoisie Badens. In Sachsen ließ sich König Albert I. in wirtschaftlichen Fragen wie dem Übergang zum Schutzzoll von Rudolph Wachsmuth, dem vielleicht einflußreichsten Bankier Leipzigs, beraten. Der König beriefWachsmuth in die Erste Kammer und hätte ihn auch gern zum Finanzminister ernannt, was dieser jedoch ablehnte.138 Das Verhältnis zwischen Hochfinanz und Kaiser fügt sich damit in das Bild, das wir von ihren Verflechtungen mit den »alten Eliten« besitzen. In der Bismarckzeit waren Kontakte zum Monarchen die Ausnahme, aber es handelte sich bei ihnen tatsächlich um persönlich-affektive Beziehungen zwischen Bankier und Kaiser oder Kaiserin. Da Wilhelm L sich von der Tagespolitik fernhielt, blieb die monarchische Spitze für die Bankiers noch in mystisch-legitimationsstìftende Ferne entrückt. In die vom Monarchen repräsentierten Gesellschaft waren die Bankiers durchaus integriert, wenn auch in einer dominierten Position. Diese Integration zerbrach in der wilhelminischen Ära. Wilhelm II. verkehrte weitaus häufiger mit Großbankiers als sein Großvater, doch mit dem Wandel des Monarchenbildes, das sein Anspruch auf Gottesgnadentum und »persönlichem Regiment« mit sich gebracht hatte, veränderte sich auch die Begegnung mit ihm tendenziell von einer persönlichen Beziehung zwischen Herrscher und Untertan, die ein inneres Treueverhältnisses zum Könighaus zu stiften in der Lage war, zu einer bloßen gesellschaftlichen Pflichtveranstaltung neben anderen. Insgesamt zeigt sich, daß die Großbankiers nur relativ schwach mit den anderen Fraktionen der Oberklassen verbunden waren. Das gilt in erster Linie für die adeligen altpreußischen Führungsgruppen, also der Großgrundbesitzerschaft und den Offiziersfamilien, aber auch, wenngleich nicht ganz so deutlich, für andere großbürgerliche Gruppen. Gerade von den Großindustriellen blieb die Hochfinanz deutlich geschieden. Dagegen entstand im Laufe der Zeit eine kaufmännisch-bildungsbürgerliche Großbourgeoisie von außerordentlich hoher sozialer Kohäsion, in der sich die vielseitigen Trennlinien innerhalb der Hochfinanz aufzulösen begannen. Davon zeugen nicht allein das Heiratsverhalten, sondern auch die vielfältigen Bereiche des »geselligen Verkehrs«. Hier sind zwei Entwicklungen festzuhalten: Erstens wurde nach der Jahrhundertwende in Berlin die Lebensweise schwerreicher Großunternehmer, unter de138 Eckhard, S. 112-114; Wachsmuth, S. 175-182.

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ncn sich naturgemäß viele Bankiers befanden, stilprägend für weite Teile der Oberklassen. Deren gesellschaftliches Leben nahm »]plutokratische« Züge an; eine Entwicklung, bei der viele soziokulturell einstmals führende Adelsfamilien, die materiell weitaus schlechter gestellt waren, nicht mehr »mithalten« können. Zweitens etablierte sich neben der noch immer weitgehend höfischaristokratisch bestimmten »guten Gesellschaft« der Rcichshauptstadt, die während der Bismarckzeit noch unbestritten den Lebensstil aller Oberklassenfraktionen bestimmt hatte, eine zweite, großbürgerliche »gute Gesellschaft« von Unternehmerfamilien. Diese zwei Gesellschaftskreise besaßen relativ wenig Berührung miteinander, was einen weiteren Hinweis auf die verhältnismäßig schwache soziale Integration der einzelnen Oberklassenfraktionen bildet. Auch die Unternehmerfamilie selbst wandelte sich während des Untersuchungszeitraumes. Während die Vererbung eines großen Vermögens nicht mehr den einzigen Zugang zu den Wirtschaftseliten bildete, kam der Weitergabc »kulturellen Kapitals« eine immer stärkere Bedeutung zu. Dieser Prozeß und die Tatsache, daß in den als Kapitalgesellschaft organisierten Firmen die Kontinuität der Unternehmensleitung nicht mehr von der Erbfolge in der Besitzerfamilie abhängig war und auch der persönliche Lebensstil des Unternehmers für die Prosperität des Unternehmens an Einfluß verlor, berührte tiefgreifend die Ordnung zwischen den Geschlechtern und den Generationen. Während die nachfolgenden Generationen von dem Zwang, in eine väterliche Firma einzutreten, entlastet wurden, sich für sie dieser Prozeß mithin teilweise als eine Emanzipation darstellte, war die neue Geschlechterordnung für die Frauen der Großbankiers durchaus ambivalent: Das Gebären eines oder mehrerer Erben trat an Bedeutung zurück gegenüber der Aufgabe der Erziehung der Kinder, und die Führung eines großen, auf Repräsentation angelegten Haushalts, die den Unternehmerfrauen eine »öffentliche Position« verschafft hatte, spielte eine zusehends geringere Rolle.

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7. Die Hochfinanz in der Politik Das Thema »Hochfinanz und Politik« läßt an die geheime Macht des Kapitals denken, an die sagenhafte Macht der Rothschilds, gegen deren Willen in Europa angeblich kein Krieg geführt werden konnte,1 an Gerson (von) Bleichröder als »regierender Bankier« Preußen-Deutschlands und an die Großbanken als Finanziers des Imperialismus. Im Vordergrund der Untersuchung steht allerdings weniger die Bedeutung der Großbankiers für die außenpolitischen und außenwirtschaftspolitischen Entscheidungsfindungen;2 vielmehr wird der Versuch unternommen, ihre politischen Vorstellungen und ihr Handeln in die Konstellation der innenpolitischen Machtfaktoren einzubetten. Zweifellos hing das Schicksal der Hohenzollernmonarchie nicht vom Willen der deutschen Finanzwelt ab. Die Bankiers hatten sich in ein von Bismarck geschaffenes und von ihnen begrüßtes konstitutionelles System einzufügen, dessen politische Machtverteilung sie keineswegs an die Schalthebel geführt hatte. Doch bis etwa 1890 scheint das für die Mehrzahl von ihnen kein Problem dargestellt zu haben. Solange die Bankwelt nicht in die innenpolitischen Konflikte zwischen Kanzler und Reichstag gezogen wurde, konnten sich die Bankiers mit gelegentlichen Protesten gegen die ihrer Meinung nach ungerechtfertigt hohen, in Wahrheit aber ziemlich unbedeutenden Steuern begnügen. Das änderte sich erst, als Antisemiten, Agrarier und Mittelstandsideologen zu Beginn der 1890er Jahre versuchten, durch eine massive Behinderung der Bankgeschäfte den Industrialisierungsprozeß in Deutschland zu verlangsamen, wenn nicht gar zu stoppen, und auf diese Weise das gesellschaftliche Gleichgewicht zwischen industriellen und nichtindustriellen Klassen wieder herzustellen. Die Unzuträglichkeiten des Börsengesetzes von 1896 waren der Initialzünder für eine Umfassende Politisierung der Bankwelt und führten zur Gründung des Centralverbands des deutschen Bank- und Bankiergewerbes. Der Konjunkturcinbruch von 1907/08 und die Maßnahmen, die in seinem Gefolge auf währungs- und bankpoiitischem Gebiet diskutiert und von der Reichsbank durchzusetzen versucht wurden, zogen die Hochfinanz erneut in die Auseinandersetzungen der politischen Arena hinein. 1 »Kann irgendjemand ernsthaft glauben, daß ein großer Krieg von einem der europäischen Staaten unternommen oder eine Staatsanleihe begeben werden könnte, wenn das Haus Rothschild und seine Verbindungsmänner dagegen sind?«J.A. Hobson, zitiert nach Arendt, Elemente, S. 61; KrZ Nr. 148-152 (29.6.1875 ff.). 2 Vgl. Thimme; Fischer, Krieg; Vagts, Bankhaus; ßtm/i, Hochfinanz und Imperialismen; Scharfer.

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a) Das Bild der Hochfinanz in der öffentlichen Diskussion Das Bankwesen besaß keinen besonders guten Ruf im kaiserlichen Deutschland, und die Gründungeines nationalen Bankenverbandes im Jahre 1901 war nicht zuletzt ein Versuch, diesen Ruf zu verbessern.3 In großen Teilen der Bevölkerung existierten Ressentiments und Vorurteile gegenüber Börsen und Bankiers. Die öffentlichen Auseinandersetzungen über die Hochfinanz werden im folgenden unter drei Gesichtspunkten untersucht. Erstens sind die wichtigsten Themen und Topoi der Kontroversen zu identifizieren. In einem zv/eiten Schritt müssen diese Zuschreibungen mit ihren wichtigsten sozialen Trägern in Beziehung gesetzt werden. Abschließend wird der Gang der Diskussion in seiner Schwerpunktverlagerung vom Börsenv/esen zu den Großbanken nachgezeichnet. Wie die Selbstwahrnehmung, basierte auch die Fremdwahrnehmung der Großbankiers auf ihrer spezifischen Verfügungsgewalt über »ökonomisches Kapital«. Das Ansehen, das die Bankiers sich damit erwarben, war keineswegs besonders hoch. »Es gehört wohl nicht viel Vorstellungskraft dazu, um zu verstehen, daß derjenige, der sein Geld ausschließlich dazu benutzt, mehr Geld zu machen, bitterer und nachhaltiger gehaßt wird als derjenige, der seine Profite auf einem langen und komplizierten Umwege des Produktionsprozesses erwirbt.«4 Entscheidende Bedeutung kam daher der aus der wirtschaftlichen Funktion und deren sozialen Wirkungen abgeleiteten moralischen Bewertung des Finanzwesens zu. Den Ausgangspunkt zahlreicher Stellungnahmen zum Bank- und Börsenwesen bildete der angeblich unproduktive Charakter dieses Wirtschaftszweiges. Einzig durch die Unterstützung anderer Branchen könne er Legitimation gewinnen. »Der Bankierstand ist nur insoweit nützlich und notwendig, als der der produktiven Arbeit dient«. Die angebliche »Unproduktivität« des Bankgewerbes wurde schnell verbunden mit einem zweiten wichtigen Topos: der angeblichen Immoralität des Börsengeschäfts. Unmoralisch war das gesamte Finanzgewerbe, weil das Nehmen von Zinsen ebenso wie das Ausnutzen eines Kursgewinnes keine sinnlich faßbaren Güter mit echtem Wert hervorbrachte und daher als unrechtmäßig galt. In dieser Sichtweise stand der Börsenhandel auf einer Stufe mit dem Glückspiel. Verbreitet war die Auffassung, bei der Börse handle es sich um eine Veranstaltung notorischer Spieler. »Spielbank«, »Spielsalon«, »-casino« oder »-hölle« wurde sie genannt; »Monte Carlo ohne 3 Vgl. die Bemerkung bei Bernhard, Meister und Dilettanten, S. 55, daß im Vorkriegsdeutschland von allen »kapitalistischen Institutionen ... an erster Stelle die Banken« für die individuellen Nöte der Zeitgenossen verantwortlich gemacht worden seien. Zu den die Verbesserung des Ansehens der Bankwelt betreffenden Zielen des CVBB vgl. den programmatischen Aufsatz »Was wir wollen« im Bank-Archiv 1 (1901) Nr. 1, S. 1. 4 Arendt, S. 80.

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Musik« war noch das freundlichste. Die Folge des Börsenspiels konnte nur »eine gefährliche moralische Verwilderung des Volks-Charakters« sein.5 Die Kreuz-Zeitung brachte diese Auffassung 1891 anläßlich des Zusammenbruchs mehrerer Berliner Privatbanken auf den Punkt: »Da mögen sich nun die Professoren Cohn und Fuchs und wie sie alle heißen in dialektischen Künsten erschöpfen, um den wirthschaftlichen Werth der Börse zu beweisen; niemals schaffen sie die Thatsache aus der Welt, daß es unsittlich ist und gegen die zehn Gebote verstößt, die schon Moses als das Gesetz Gottes verkündigte, wenn der Erwerb aus Arbeit durch das Börsenspiel in die Taschen der Spekulanten geleitet wird. Alles Geld hat seinen rechtmäßigen Besitzer; zu diesen gehören diejenigen nun einmal nicht, welche an der Werthbildung keinen Antheil hatten.« 6

Ein Gewerbe, das scheinbar keine Werte schuf und nichts produzierte, dafür aber »Verheerungen ... im Privatbesitz angestiftet [hat, die ärger sind], als wenn Feuers- und Wassersnoth, Misswachs, Erdbeben, Krieg und feindliche Occupation sich verschworen hätten, den Nationalwohlstand zu ruinieren«,7 war nicht zum »schaffenden«, sondern zum »raffenden Kapital« zu rechnen. Die Deutsche Tages-Zeitung befand: »Der Börsenverkehr ist eine Welt für sich, ein Verkehr >ohne Wareohne wirkliche Werte\dieser Vorstellungen handelte es sich in erster Linie um Akteure aus Adel, Bildungs- und Kleinbürgertum. Sie waren von der Entwertung des Effektenbesitzes im »Gründerkrach« besonders stark betroffen und mußen mit ansehen, wie sich im sozialen Raum die Distanzen zwischen ihnen und den »commerzicllen Klassen« zu Gunsten letzterer veränderten. Das Bewußtsein sozialer Deklassierung bildete den idealen Nährboden für antifinanzkapitalistische Ressentiments: der Perhorreszierung der »Macht des Goldes«. Der sagenhafte Reichtum, den Finanzkapitalisten vom Schlage eines Strousberg, Bleichröder oder Hansemann in vergleichsweise kurzer Zeit anhäuften, konnte aus der Sicht traditionell eingestellter Menschen nicht auf ehrliche Weise erworben sein. Folglich haftete in ihren Augen dem Bankwesen immer etwas anrüchiges an, und das Börsenwesen galt schlicht und einfach als unmoralisch. Die Finanzskandalc der Gründerzeit nährten diese Auffassung. Einige Zeit nach Ausbruch der Depression prägte der preußische Eisenbahnminister Maybach für die Börse das Wort vom »Giftbaum ..., der auf das Leben der Nation seinen verderblichen Schatten wirft«.16 Dem standen Einstellungen gegenüber, die eine weitaus positivere Bewertung der Börse und ihrer Funktion hervortreten ließen. Sie bezeichneten die 16 Stenographische Berichte des Preußischen Abgeordnetenhauses, Session 1879/80, S. 109. Eduard Lasker, dessen Reichstagsreden 1873 zur Aufdeckung illegaler Machenschaften beim Eisenbahnbau in Preußen führte, nannte die Börse »eine Akademie für die Übertretung der Gesetze«. RT, 1. Leg.-Per., VI. Session, 1873, S. 221.

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Börse als »Markt aller Märkte«, als »Herz«, »Zcntralsonnc« und »Barometer unseres gesamten Wirtschaftslebens«, sogar als »Gehirn der Volkswirtschaft«. Allerdings war das die Auffassung einer Minderheit, zu der liberale Nationalökonomen wie Gustav Schmoller, der Bruder eines BHI-Direktors, oder der junge Sombart, gehörten. Die großen bürgerlich-liberale Zeitungen teilten diese Auffassung. Was sie mit dem Bankwesen verband war eine Reihe gemeinsamer Grundanschauungen und Frontstellungen. Beide waren beseelt vom Fortschrittsoptimismus der Mitte des 19. Jahrhunderts, der in weiten Teilen des wilhelminischen Bürgertums einem Fortschrittspessimismus Platz gemacht hatte. Doch für die Wirtschaftsredakteure der Frankfurter Zeitung,des Bertiner Tageblatts oder der Vossischen Zeitung stand fest, daß mit der materiellen Prosperität Deutschlands auch sein gesellschaftlicher (und politischer) Fortschritt untrennbar verbunden sei. Der ökonomische Fortschritt sollte sich dabei möglichst ungehindert ausbreiten: Das war das wirtschaftsliberale Credo, zu dem sich liberale Presse wie Großbankiers ziemlich einmütig bekannten. Staatliche Interventionen in den Wirtschaftsablauf lehnten sie strikt ab. Diese Grundeinstellungen verfestigten sich in vielen politischen Konflikten zu gemeinsamen politischen Frontstellungen gegenüber den Agrarkonservativen, später auch den Mittelständlern und Antisemitenparteien. Die Auseinandersetzungen, in denen sich diese Sicht verfestigte, waren unter anderem die Steuer- und Zollgesetzgebung, in der Liberale und Banken einem dynamischen Kapitalismus das Wort redeten und die expandierenden Branchen nicht durch Belastungen schädigen wollten, während sozialprotektionistische Agrarkonservative und Mittelständler eine massive Begünstigung durch den Staat forderten mit der Begründung, daß sie schließlich die tragenden Schichten der bestehenden Ordnung seien. Dagegen betrachteten die Vertreter von Handel und Bankwesen und besonders die liberalen Imperialisten wie Georg (von) Siemens oder Max Warburg eine gut funktionierende Börse und ganz allgemein eine starke Kreditorganisation zum einen als »unentbehrliches Machtmittel. Sie vertritt im Frieden die Stelle der Armee im Kriege«.17 Max Weber, der seit 1894 die Börsengesetzgebung kommentierte, plädierte mit der ihm eigenen Scharfe und aus der Perspektive des nationalen Machtstaates für eine strenge Trennung zwischen notwendigen Regelungen der Börsenorganisation und ethischen Forderungen nach einer Einschränkung des »unmoralischen Börsenspiels«.18 Zum anderen verbanden die liberalen Imperialisten die Betonung des Machtmittels, das die Börse und das mobile Kapital in der Konkurrenz der imperialistischen Mächte darstellte, mit der Perspektive der Emanzipation Preußen/Deutschlands von den politisch rückständigen Kräften vor allem aus der Landwirtschaft: 17 Siemens, S. 7; vgl. die Ausführungen von Max Warburg (2. Bankiertag, S. 68). 18 IVeber, Die Börse, in: SSP, S. 32lf (Hervorhebungen im Original).

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»Es erscheint ihnen [den Gegnern der Börse] im Interesse der Aufrechterhaltung ihres politischen und sozialen Einflusses unerwünscht, daß Klassen, welche bisher unter ihrer Vorherrschaft standen, durch die Entwicklung der Neuzeit in die Lage gebracht sind, der Allgemeinheit Dienste zu leisten, für welche ihre eigenen wirthschaftlichen Kräfte nie ausgereicht haben und nie ausreichen werden. [...] Somit handelt es sich auch auf diesem Gebiet um den alten Gegensatz zwischen gefesseltem und freiem Willen, zwischen Vormundschaft und freier Initiative.«19 Den Liberalen war klar, daß »dieses hohe ethische Pathos den Börsenfeinden einen so weiten Resonanzboden im deutschen Volke verschafft hat und bei ihren gesetzgeberischen Erfolgen hervorragend in Rechnung zu ziehen ist«.20 Tatsächlich dürfte der Griff in die Mottenkiste einer vorkapitalistischen Wìrtschaftsethik erheblich zu den Wahlerfolgen von Antisemiten und Agrarkonservativen zwischen 1893 und 1907 beigetragen haben.2' Der Frankfurter Zeitung galt dies als ein Beleg für die wirtschaftliche Unreife der Deutschen, die nicht in der Lage seien, ihr eigenes Interesse an einem funktionierenden Geldmarkt zu erkennen.22 Für sie handelte es sich bei den Auseinandersetzungen um das deutsche Bank- und Börsenwesen um einen Machtkampf zwischen Fortschritt und Reaktion: »Agrarier und Klerikale ... haben es sehr gut gewußt, daß nichts der Reaktion größere Gefahr droht [sie] als der wirtschaftliche Fortschritt und die Emanzipation der Arbeiterschaft, daß sie umgekehrt nirgends eines sicherere Stütze finden als in dem Schildbürgertum des biederen Philisters. Und sie haben Recht gehabt«. In den die Fremdwahrnehmung der Finanzwelt bestimmenden Auseinandersetzungen ist während des Untersuchungszeitraums eine deutliche Verschiebung zu bemerken. Ungefähr bis zur Jahrhundertwende standen die Funktion und die moralische Beurteilung der Börse im Vordergrund. Hierfür kann die Bedeutung des »Gründerkrachs« nicht hoch genug veranschlagt werden. Es ist kein Zufall, daß die für ein Vierteljahrhundert einflußreichsten Publikationen zur Bedeutung des Bank- und Börsenwesens in Deutschland Glagaus Bücher über den Börsen- und Gründungsschwindel, Meyers Schrift über Politische Gründer und die Corruptioti und die »Aera-Artikel« in der Kreuzzeitung in der unmittelbaren Folge des »Gründerkrachs« entstanden. Sie attackierten vor allem das Börsenwesen und prägten auf diese Weise für lange Zeit die Fremdwahrnehmung der deutschen Hochfinanz. Außerdem diskreditierte der »Gründerkrach« für lange Zeit den wirtschaftlichen Liberalismus und damit auch das Finanzgewerbe, das sich mit den liberalen Reformen der frühen Bismarekzeit besonders identifiziert und auch großen Nutzen aus ihnen gezogen hatte. Seit dieser Zeit war der Vorwurf des »Manchcstertums«, das angeblich in 19 20 21 22

Siemens, S. 8. Plutus (7.1.1905). S. 4. Eley, Antisemitismus, in: Wilhelminismus, S. 186-208. FZ Nr. 197 (18.7.1909), auch für das Folgende. 279 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

den 1870er Jahren abgewirtschaftet hatte, eine beliebte rhetorische Figur wirtschaftlicher und politischer Reaktionäre gegen liberale Vorstellungen jeglicher Art. Die Diskreditierung des Begriffs ging so weit, daß selbst liberale Wirtschaftspolitiker sich von ihm abzugrenzen suchten.Zì Als sich um die Jahrhundertwende ein immer größerer Teil des Bankgeschäfts bei wenigen Berliner Instituten konzentrierte, verlagerten sich die Debatten weg von der moralischen Qualität der Börse und hin zur Macht der Großbanken und ihrer Leiter. Die Frage, »wer heute die tatsächliche Herrschaft in Deutschland führt«, wurde nun wie folgt beantwortet: »Wenn es eine unverantwortliche, aber um so mächtigere Nebenregierung in Deutschland gibt, dann ist es der kleine, eng zusammenhaltende Kreis von Kapitalsmagnaten, der den größten Teil des mobilen Vermögens im deutschen Volk beherrscht oder kontrolliert und damit ungezählte Existenzen von seinen Dispositionen abhängig gemacht hat.«24 Diejenigen, die sich von der Macht der Hochfinanz und einem dynamischen Kapitalismus bedroht fühlten, riefen nach einer Verlangsamung des wirtschaftlichen Entwicklungstempos, und fanden ihren Ansatzpunkt nicht mehr an den Börsen, sondern den großen Kreditinstituten. Adolph Wagner, der bekannte »kathedersozialistische« Nationalökonom, von dem Georg Bernhard schrieb, er würde am liebsten »die Kapitalisten in sozialpolitischen Landerziehungheimen ethischen Zielen zugänglich machen«,25 war der Meinung, die industrielle Entwicklung in Deutschland verlaufe viel zu schnell, und die Kreditvergabe der Großbanken sei der Grund dafür.26 Wagner, der in der »rastlose[n] Erwerbsgier des modernen Menschen« den »Hauptübelstand« erblickte, schwebte eine Ökonomie ohne »Regellosigkeit der Produktion« vor: »Da müssen retardierende Gewichte angehängt werden, und da handelt es sich gerade um das Eingreifen der Banken«.27 Ihm schwebte eine »Kontrollinstanz über die Effekten- und Depositenbanken«28 vor, die letztlich die Vergabe von Einzelkrediten hätte nachprüfen müssen, um die ihr zugedachte Aufgabe der eingehenden Bilanzprüfung einer jeden Aktienbank ausfüllen zu können. Diese Argumentationsmuster schlugen sich beispielhaft nieder in den Diskussionen über die Beteiligung der Bevölkerung an Börsengeschäften und am Erwerb von Wertpapieren. Die Vorstellung, es sei wünschenswert, die Anleger hiervon abzuhalten, entsprang sicherlich den Erfahrungen des »Gründerkrachs«, der viele bürgerliche Existenzen zerstörte, die in der Hoffnung auf schnelle Spekulationsgewinne ihre Vermögen verloren hatten. Das Akticngc23 Beispielsweise Riesser, Großbanken, S. 487. 24 Deutsche Tageszeitung Nr. 518 (12.10.1912), »Die Herrschaft des Großkapitals«; der Artikel enthielt bezeichnender Weise keinen einzigen Angriff mehr auf die Börse. Desgleichen der MdR Raab, Bankenquête VI, S. 67. 25 Plutus (15.4.1911), S. 269. Bernhard war akademischer Schüler Wagners. 26 Bankenquête VT, S. 43-50 (auch für das Folgende). 27 Ähnlich äußerte sich der antisemitische MdR Friedrich Raab in: Bankenquête VI, S. 65-68. 28 Ebd, S. 182.

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setz von 1884 setzte in § 173a den Nennbetrag einer Aktie von 150 M auf mindestens 1.000 M herauf, um »das kleine Publikum« fernzuhalten.29 Hinsichtlich der Streuung des Produktiwermögens zeichnete sich seit den 1870er Jahren eine konservative und eine liberal-progressive Strömung ab. Konservative versuchten, die Verteilung des Produktiwermögens auf dem gegenwärtigen Stand einzufrieren; die Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer forderte zu diesem Zweck 1877, den Mindestnennbetrag von Aktien auf 15.000 M heraufzusetzen. Ein Schüler Adolph Wagners30 verlangte 1890 »eine Eindämmung des Aktienwesens«: »Man sollte die Bildung neuer Aktiengesellschaften überhaupt erschweren«: »Das Ziel muß sein, einmal den Effektenbesitz zu stabilisieren«. Wie andere Sozialkonservativc argwöhnte auch er, »die sog. soziale Gefahr wird durch die Aktiengesellschaften noch vergrößert«, weil sie die »persönlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern« durch die umfassende Rationalisierung der Arbeitsbeziehungen zerstörten: »Es weht aus den Aktiengesellschaften ein eisiger Hauch kühlster Geschäftshandhabung; eine juristische Person hat kein menschliches Empfinden«. Eine bloß zweckrational organisierte Gesellschaft mußte Sozialkonservativen als Untergang der sozialen Ordnung erscheinen. Eine ständische Beschränkung der Verteilung des Produktiwermögens unter Ausschluß der »Unrechten Käufer« hatte daher das Ziel, die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu konservieren. Die liberal-progessive Richtung, darunter der Herausgeber der Frankfurter Zeitung, Leopold Sonnemann, forderte dagegen gerade eine breite Streuung des Produktiwermögens unter Beteiligung der Arbeiterschaft und empfahl in der Börsenenquête die englischen Verhältnisse als Vorbild, wo der Mindestbetrag einer Aktie nur 1 £ (20.84 M) betrug.31 Der Privatbankier Hermann Frenkel sah in der Kapitalassoziation eine »Demokratisierung des Bankgeschäfts, an dem jeder mit einer Tausend-Mark-Aktie Anteil erwerben kann«.12 Doch selbst Jacob Riesser sprach sich 1908 für das Fernhalten von Kleinanlegern vom Aktienmarkt aus, wenn auch mit der Begründung, diese seien sowohl auf die Rendite wie den gleichbleibenden Wiederverkaufswert ihrer Wertpapiere angewiesen und eigneten sich wegen der Dividenden- und Kursschwankungen von Aktien nicht als deren Käufer.33 Übrig blieb von der liberal-progressiven Richtung wenig mehr als eine liberal-imperialistische Variante, die in einer breiten Streuung des Produktivkapitals die Voraussetzung für Deutschlands Weltmachtstellung erblickte. Waldemar Mueller (Dresdner Bank) erklärte 1904: »Eine Nation kann nur dann vorwärts kommen, und in dem harten Wettbewerb mit anderen industriellen und handeltreibendcn Nationen bestehen, wenn das Gros ihrer Kapi29 So Adolph Wagner in der Aktienrechtskonimission; Schubert u. Hommelhoff, S. 294. 30 Sattler, S. 127-133 (auch für das Folgende). 31 Meier, S. 55. 32 DWZ (15.3.1913), S. 232.

33 Bankenquête VI, S. 163.

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talisten, nicht blos der grossen, sondern auch der kleinen -jeder natürlich im Verhältnis zu seinen Kräften - sich auch an den gewagten, d.h. auch mit Verlustrisiko verknüpften Unternehmungen ihrer Industrie und ihres Handels beteiligt. Darauf beruht zum nicht geringsten Teile die wirtschaftliche Stärke Nordamerikas und Englands«.34 Die Tatsache, daß sich der Schwerpunkt der bankenfeindlichen Agitation von der korrumpierenden Wirkung der Börse auf die wachsende Macht der Großbanken verlegte, reflektierte die langsame, aber in der wilhelminischen Zeit immer deutlicher spürbare Veränderung im Bankwesen. Nolens volens wurde auch den Trägern der Macht der Banken eine höhere Anerkennung gezollt. Einigkeit, dies zeigen die stets wiederkehrenden Topoi der zeitgenössischen Publizistik, bestand zwischen Gegnern wie Verteidigern des Bank- und Börsenwesens über dessen wirtschaftliche Dynamik und die hier stattfindende Akkumulation sozialer Macht. Während die Hüter einer vorkapitalistischen Gesellschaftsordnung diese Faktoren als unmoralisch und unproduktiv brandmarkten, wurden sie von den Verteidigern nicht nur ökonomisch uneingeschränkt begrüßt, sondern auch im Interesse der imperialisitschen Expansion wie des gesellschaftlich-politischen Fortschritts willkommen geheißen. b) Die politischen Orientierungen der Hochfinanz Geld macht konservativ. Wer Geld verleiht, hat wenig Interesse daran, daß sich die Bedingungen ändern, unter denen er das Geld verliehen hat. Doch ist der Konservatismus von Bankiers meist eigener Art. Grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen und eine in der Regel ungestörte Akkumulation von Reichtum geben ihm eine gewisse Weitläufigkeit und Gelassenheit. »Wir bleiben auch Bewahrer, Garanten für die, die uns vertrauen, Hüter eines alten Erbes und in diesem Sinne Konservative, Bewahrer, aber allem Neuen, Zeitgemäßen aufgeschlossen, mit dem Blick nach vorn«35 - diesem Postulat hätte sich auch die Hochfinanz im deutschen Kaiserreich anschließen können. Über die besondere Ausprägung ihrer politischen Einstellungen und die Formen, in denen diese Dispositionen ihre Wirkungsmacht erhielten, ist allerdings wenig bekannt. Die Untersuchung der politischen Praxisformen der Hochfinanz beginnt mit einer Orientierung darüber, welchen politischen Lagern die Finanzwelt zuneigte und welches Sozialprofil die Anhänger der einzelnen Richtungen voneinander unterschied. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei ihrer wirtschaftspolitischen Interessenlage zu. Danach ist das parlamentarische Engage34 2. Bankiertag, S. 26. 35 So ein Teilhaber von Gebrüder Bethmann im Jahre 1965; zitiert nach Bethmann, S. 76.

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ment der Bankiers und die Besetzung politischer Schlüsselstellungen durch Mitglieder der Hochfinanz zu untersuchen. Schließlich sollen der parlamentarischen Tätigkeit die weniger öffentlichen Formen politischer Praxis - zunächst die Arbeit in Gremien und Verbänden, dann die persönlichen beziehungsweise informellen Kontakte der Bankiers zu hochrangigen Politikern gegenübergestellt werden. Auf diese Weise wird es möglich sein, die Spielräume, die das politische System des Kaiserreiches dem Handeln der Hochfinanz gab, genauer zu bestimmen. Über die politische Haltung der deutschen Bankiers des Kaiserreiches existieren zwei Bilder. Das erste stammt von Helmut Böhme, der eine ehemals »liberal-demokratische«, durch Nobilitierungen, Ordensauszeichnungen und Heiraten in Adclsfamilien zum politischen Konservatismus bekehrte Hochfinanz gezeichnet hat.36 Das andere stammt von Dirk Stegmann, der die linksliberalen Manager-Bankiers der mit der verarbeitenden und exportorientierten Industrie und dem Großhandel verbundenen Institute (zu denen er die Deutsche Bank, die Darmstädter Bank, die Mitteldeutsche Creditbank und die Nationalbank rechnet) den Leitern der »alten traditionellen Industrie-Banken wie die Disconto-Gesellschaft oder die Dresdner Bank« gegenüberstellt. Letztere seien »ökonomisch mit der Schwerindustrie eng verbunden [gewesen, hätten] auch gesellschaftspolitisch mit dem CdI an einer Leine [gezogen] und sich gegen jedwede Liberalisierung des politischen und wirtschaftlichen Systems« gestemmt.37 Jenseits dieser Bilder ist über die politische Haltung der deutschen Bankiers nichts bekannt. Obwohl Böhme und Stegmann den Versuch unternahmen, Licht in das Dunkel zu bringen, sind beide Bilder empirisch nicht abgesichert (was nicht zuletzt der mangelhaften Literaturlage zuzuschreiben ist) und bedürfen der Revision. Zunächst ist festzuhalten, daß die deutschen Bankiers zu keiner Zeit »demokratisch« eingestellt waren; ein parlamentarisches und demokratisches Regierungssystem hätte ihre Unterstützung kaum gefunden. Andererseits »assimilierten« sie sich gesellschaftlich keineswegs an die »alten Eliten«, und das gleiche gilt für ihre politischen Einstellungen. Die politischen Ziele und Haltungen jener Gruppen machten es auch dem konservativsten Bankier unmöglich, sich für den politischen Konservatismus zu engagieren. Auch Stegmanns Versuch, politische Einstellungen direkt aus ökonomischen Interessen zu deduzieren, muß scheitern. Die Dresdner Bank war trotz der 1893 angeknüpften Verbindungen mit Krupp bis zum letzten Friedensjahrzehnt keineswegs eng mit der Schwerindustrie verbunden. Das Fehlen dieses Kundenkreises führte bekanntlich 1904 zur Interessengemeinschaft mit dem Schaafïhausen'schen Bankver36 Böhme, Deutschlands Weg zur Großmacht, S. 579-582. 37 Stegmann, Linksliberale Bankiers, S. 17f.; ders,, Die Erben Bismarcks, S. 185-187; desgl. Mielke, S.80 u. S. 266.

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ein.38 Waldemar Mueller, der einzige politisch aktive ihrer Direktoren, war freikonservativer Reichstagsabgeordneter lange vor seiner Zeit als Bankier.39 Unter den Leitern der wirklichen Industrie-Banken (Schaaffhausen, Berliner Handelsgesellschaft) läßt sich eine besondere Nähe zum Konservatismus nicht feststellen. Hermann Fischer, Vorstandsmitglied des Bankvereins und später Geschäftsinhaber der Disconto-Gesellschaft, war ein prononcierter Linksliberaler. Die meisten Geschäftsinhaber der Handelsgesellschaft wählten nationalliberal, doch engagierte sich offenbar niemand aus der Hochfinanz bei den von Teilen dieser Partei (und der Schwerindustrie) unterstützten antisozialistischen Kampforganisationen wie dem 1904 gegründeten Reichsverband gegen die Sozialdemokratie. Offensichtlich führt es nicht weiter, die politische Haltung der Akteure direkt aus ihrer ökonomischen Situation abzuleiten. Die Mehrheit der Hochfinanz fand ihre Heimat in einer der liberalen Parteien. In der Regel waren sie »linke« Nationalliberale oder »rechte« Freisinnige. Carl Fürstenberg verortete sich in »der Liberalen Partei... der Freisinn tendierte damals noch nicht allzuweit nach links, während die Nationalliberalen reaktionären Bestrebungen durchaus fernstanden.«40 Insgesamt überwogen die Sympathien für die Nationalliberalen, die von etwa 40 % der Großbankiers unterstützt wurden. Auf dem rechten und dem linken Flügel lagen etwa gleichauf mit je rund einem Viertel die Konservativen und die Linksliberalen, wobei erstere etwas stärker waren. Konservative und Freikonservative machten zusammen etwa ein Drittel der Bankiers aus. Eine kleine Anzahl unterstützte das Zentrum oder wie in Bayern und dem Elsaß eine der Regionalparteien. In den politischen Einstellungen zeigt sich die außerordentliche Wirksamkeit der Strukturelemente des »Feldes der Hochfinanz«; einzig das ökonomischen Machtgefälle innerhalb des »Feldes« trat als Faktor, der diese Einstellungen prägte, kaum hervor. Der größte Unterschied bestand hinsichtlich der politischen Präferenzen zwischen Privatbankiers und Manager-Bankiers, wobei die übrigen Elemente jedoch ebenfalls erkennbar sind. Während der Bismarckzeit bildete der »Besitzindividualismus« der (Privat-) Bankiers die typische Haltung der die Bankwelt in diesem Zeitraum dominie38 Model, S. 129-139; vgl. die Übersicht über die Verteilung von Aufsichtsratsmandaten in der Montanindustrie bei Riesser, Großbanken, Beilage IV. 39 Waldemar Mueller (1851 - 1924) begann nach einem Jurastudium seine Karriere 1878 in der preußischen Provinzialverwaltung als Landrat in Marienwerder und wurde 1885 als Oberbürgermeister von Posen eingesetzt. Ein Jahr zuvor war er in den Reichstag gewählt worden, dem er bis 1891 angehörte. 1890 wechselte er ins Reichsbank-Direktorium und von hier aus 1896 in den Vorstand der Dresdner Bank, wo zuletzt die Verbindungen zur rheinisch-westfälischen Industrie in seinen Zuständigkeitsbereich fielen (M. war als einer der wenigen Bankiers Ausschußmitglied des Cdï). 1914 wurde er ARV der Bank; daneben gehörte er dem Direktorium des Hansa-Bundes und dem Vorstand des CVBB an. 40 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 470.

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rcnden Gruppe: Der in ihren unternehmerischen Entscheidungen weitgehend unabhängigen Privatbankiers, die ihre ökonomische Macht vor allem der Größe ihres persönlichen Vermögens verdankten, die in ihren vergleichsweise überschaubaren Firmen nahezu unumschränkte »patriarchalische« Befehlsgewalt ausübten und nur zu einem verhältnismäßig geringen Grad in ein System firmenübergreifender, institutionalisierter und interdependenter Machtbeziehungen eingebunden waren, was sie jedes kollektive Handeln mit Mißtrauen betrachten ließ. Ihre spezifischen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Einílußchancen, Laufbahnen und Erfahrungen hatten diese Dispositionen hervorgebracht. Das weitverbreitete Beharren von Juden - die einen Großteil gerade der Privatbankiers stellten - auf ihre unternehmerische Selbständigkeit dürfte diese Einstellung noch verstärkt haben.41 Die Mehrzahl der politisch konservativen Großbankiers waren Inhaber etablierter Privatbanken in Berlin und Köln. Nahezu ausnahmslos stammten sie aus nichtjüdischen oder konvertierten Familien.42 Ihr Konservatismus war im wesentlichen gouvernemental, etwa die »streng conservative« Haltung, die der Berliner Polizeipräsident Mitte der 1860er Jahre einigen Privatbankiers bescheinigte.43 Der Verfassungskonflikt der frühen Bismarckzeit dürfte die Mehrzahl der großen Berliner Privatbankiers auf der Seite der Regierung, die »Ordnung« und Stabilität versprach, gesehen haben. In diese Zeit fällt beispielsweise der Wechsel der Inhaber von Mendelssohn & Co. vom liberalen ins konservative Lager.44 In der wilhelminischen Zeit war dagegen dem liberal-konservativen Paul (von) Schwabach »die gewohnheitsmäßig kanzlerstürzende ultra-konservative Clique«, zu der er auch den Berliner Polizeipräsidenten v. Jagow rechnete, ein steter Dorn im Auge.45 Auch in den Verbänden der »nationalen Opposition« (etwa dem Alldeutschen Verband) findet sich kein Mitglied der Hochfinanz.46 Die Privatbankiers außer-

41 Prinz, S. l33f; Meyer (Hg.), Deutsch-jüdische Geschichte, Bd. III, S. 43. 42 Unter den Konservativen finden sich Ludwig Delbrück, James von Blcichröder und mehrere Mitglieder der Familien Mendelssohn (-Bartholdy) und Magnus sowie Simon Alfred von Oppenheim. Der einzige Privatbankier, der nicht aus einer etablierten Familie stammte und gleichwohl die Konservativen unterstützte, war Gerson (von) Bleichröder, der als Liberaler wohl kaum jenen engen Kontakt zu Bismarck hätte aufrechterhalten können. 43 Gerson (von) Bleichröder, Franz (von) Mendelssohn sen., Paul Mendelssohn-Bartholdy. LHA Potsdam Rep. 30 c Tit. 94 Nr. 8944(18.12. 1865), Nr. 11791 (13.12. 1865). 44 Gilbert, Bankiers, S. XLIV. 45 Schwabach, S. 265. 46 Robert von Mendelssohn war Schatzmeister des gouvcrnementalsten aller »nationalen« Agitationsverbände, des Deutschen Flottenvereins, dem auch Ludwig Delbrück, Siegmund Hinrichscn. Rudolph Petersen und Max (von) Schinckel angehörten. Es waren hanseatische Bankiers jeder politischen Couleur und konservative Berliner, die mit dem Flottenverein sympathisierten, keineswegs jedoch die gesamte Hochfinanz. Paul (von) Schwabach erklärte »jedem ..., der es hören will, und vielen, die es nicht hören wollen«, daß er den Eintritt in den Verein abgelehnt habe, weil er »sein bloßes Dasein für verderblich« hielt. Chkkering, S. 253-262; Schwabach, S. 249.

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halb Alt-Preußens standen dagegen dem politischen Konservatismus, der viel zu sehr mit der Kultur der preußischen Junker verbunden war, fern. Auch Mayer Carl von Rothschild, der politisch mit den Freikonservativen sympathisierte, schloß sich nicht deren Reichstagsfraktion an, sondern blieb fraktionslos.47 Die übrigen freikonservativen Bankiers waren in der Mehrzahl Geschäftsinhaber etablierter KGaA-Banken, stammten aus höheren Beamtenfamilien der ostelbischen Provinzen Preußens und hatten nach einem Jurastudium zumeist eine mehr oder lange Karriere in der Bürokratie absolviert. Die Bankiers der »Partei Bismarck sans phrase« hatten auch die engsten biographischen Verbindungen zum preußischen Staatsapparat. Das Sozialprofil der linksliberalen Bankiers unterschied sich deutlich von dem der konservativen. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um Vorstandsmitglieder der Berliner Großbanken. Stammten sie aus Familien des Bildungsbürgertums, waren ihre Väter Rechtsanwälte und Ärzte oder Gymnasial- bzw. Hochschullehrer, aber keine Verwaltungsbeamten. Stammten sie aus dem Wirtschaftsbürgertum, hatten ihre Väter kaum mehr als eine mittlere Stellung erreicht. Ihre Position in der deutschen Unternehmerelite bedeutete für sie also eine erheblichen sozialen Aufstieg. Für sie war die liberal-bürgerliche Versprechung, daß Leistung belohnt werde und dem Tüchtigen die Welt offen stehe, ihr »Glauben an eine Hierarchie der Leistungen« zur Erfüllung geworden.48 Alle diese Merkmale treffen übrigens auch für die nationalliberalen Bankiers zu, die in der Weimarer Republik zur DDP wechselten. Eines jedoch hatten die linksliberalen und die freikonservativen Bankiers gemeinsam: Sie engagierten sich in weitaus höherem Maße durch Partei- oder Verbandsarbeit aktiv in der Politik als der Durchschnitt der Hochfinanz. Ausgesprochen unscharf war das Sozialprofil der mit dem Nationalliberalismus sympathisierenden Bankiers, derja die politische Heimat des größten Teils der Hochfinanz bildete. Hier fanden sich Privatbankiers und Managerjüdische und nichtjüdische Bankiers in Berlin und der Provinz, mit hohem und mit 47 Rothschild war der einzige Großbankier, der bereits im Norddeutschen Reichstag saß. Ebenfalls seit 1867 war er Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Möglicherweise war Rothschild der irrigen Auffassung gewesen, in Deutschland bringe die Annahme eines Reichstagsmandates ein besonders hohes Ansehen ein, wie es z. B. in England (wo sein Schwiegervater Nathan Mayer de Rothschild lebte, dessen Sohn und Nachfolger Lionel in den 1840er und 50er Jahren vier Mal für die city ins Unterhaus gewählt wurde, als Jude sein Mandat jedoch dreimal nicht annehmen konnte) wirklich der Fall war: Nicht wenige Bankiers der city nahmen ein Parlamentsmandat v.a. deshalb an, weil es die Chance vergrößerte, nobilitiert zu werden; wie sich später zeigte, ein im Deutschen Reich gänzlich undenkbares Verhalten. Nach der Reichsgründling gehörte Rothschild, der in der Reichs tagswähl 1871 unterlag, denn auch keinem Parlament mehr an. 48 Nipperdey, Bd. I, S. 394. Zur Bedeutung meritokratischer Vorstellungen im liberal-bürgerlichen Wertekanon Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. II, S. 238-241 (»Gemeinbürgerliche Integrationskräfte«); Kocka, Bürgertum und Bürgerlichkeit, S. 28-43; ders., Bürgertum und bürgerliche Gesellschaft, S. 26-47.

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geringem »sozialem Alter«. Überhaupt nicht feststellbar ist bis 1914 eine Verbindung zwischen katholischen Großbankiers und dem Zentrum. Die Rolle Bismarcks als Einiger der Nation und der Kulturkampf entfremdeten in der Reichsgründungszeit viele katholische Großbürger der Partei; bezeichnenderweise konvertierte Carl Eckhard, Nationalliberaler und einziger katholischer Reichstagsabgeordneter der Hochfinanz vor 1918, zum Altkatholizismus. In der wilhelminischen Ära unterstützte das Zentrum das Börsengesetz von 1896 und stimmte auch gegen dessen Novellierung im Jahre 1908. Rethorik und Praxis der Partei, der einst auch Otto Glagau nahe gestanden hatte, machte sie für Bankiers vollkommen unattraktiv. Gemeinsam war allen Großbankiers eine Reihe von Einstellungen, die vor allem aus der Stellung des »Feldes der Hochfinanz« zu anderen »Feldern«, besonders dem der politischen Macht, und aus der Position seiner Angehörigen im sozialen Raum der Gesellschaft resultierten. Zunächst ist daran zu erinnern, daß es dem Bankgewerbe zumindest von den mittelgroßen Firmen aufwärts trotz Gründerkrise, Börsengesetzgebung und Konzentrationsbewegung während des gesamten Kaiserreiches glänzend ging. Die meisten Bankiers konnten optimistisch in die Zukunft blicken.49 Keine einzige große Bank ging vor 1914 aus wirtschaftlichen Gründen bankrott.50 Angeschlagene Institute wurden wie die Breslauer Diskontobank, die Berliner Bank oder die Deutsche Genossenschaftsbank meist ohne größere Verluste für Anleger und Gläubiger von größeren Banken übernommen. Staatliche Stützungsaktionen für einzelne Institute waren in diesem Rahmen ebenso überflüssig wie Interventionen, die der gesamten Branche zu Gute gekommen wären. Bezeichnenderweise wurde der Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes nicht gegründet, um Subventionen oder andere Unterstützungen für das Bankwesen zu fordern, sondern um eine Deregulierung des Kapitalmarktes durchzusetzen beziehungsweise einen minder regulierten Zustand wiederherzustellen. Auch als Vorbild effizienter Großorganisation taugte die Staatsmaschinerie nur bedingt. Die Organisationsproblemc der großen Filialbanken resultierten weniger aus dem Schlendrian der subalterner Angestellten oder aus der Gefahr, daß den Anweisungen der Direktion auf den unteren Ebenen keine Folge geleistet wurde, als vielmehr aus den Schwierigkeiten, einerseits die unternehmerische Flexibilität der mittleren und oberen Leitungsebene und andererseits deren notwendige Kontrolle auszubalancieren. Trotz der Bürokratisierung der Bankkonzerne

49 Vgl. das Referat von HelfFerich 1912, 4. Bankiertag, bes. S. 74. 50 Der Zusammenbruch der Leipziger Bank 1901 war vor allem auf die kriminelle Natur ihrer Leiter zurückzuführen, und ebenso die Zusammenbrüche einiger Privatbanken zu Beginn der 1890er Jahre oder das Fallissement der Niederdeutschen Bank 1910 und den sogenannten Sanden-Skandal, dem die Preußische Hypotheken-Actien-Bank und die Pommersche Hypothekenbank zum Opfer fielen.

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unterschieden sich die Großbankleiter daher vom »spezifisch obrigkeitlichen, bürokratischen Herrschaftsbewußtsein« der Montanindustriellen.51 Schließlich fehlte es im Bankwesen bis zur Jahrhundertwende an Arbeitskonflikten, und auch später waren diese niemals von der Schärfe wie in der Industrie. Die Bankiers mußten sich daher nicht mit den Advokaten illiberaler arbeitsrepressiver Maßnahmen verbünden.52 Diese Faktoren bewirkten das Entstehen und Andauern wirtschaftsliberaler Einstellungen praktisch in der gesamten Hochfinanz. Adelbert Delbrück brachte die Axiome dieser Haltung in einer grundsätzlichen Erörterung der Funktion des Kaufmanns in marktformig verfaßten Gesellschaften zum Ausdruck.53 Er ging davon aus, daß Marktmechanismen ethisch indifferent seien und nicht der »Beglückung« oder »Belehrung« der Kunden dienten. Diese prinzipielle Feststellung verband er dem Hinweis, daß die individuellen Egoismen der Unternehmer unter Wettbewerbsbedingungen zum Wohle aller Marktteilnehmer und damit der Allgemeinheit ausschlügen. Notwendig dafür sei jedoch ein freies Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Abschließend erfolgte ein klares Bekenntnis zur wirtschaftlichen Dynamik einer solchen Marktwirtschaft. Dem Wirtschaftsliberalismus folgend, waren die meisten Bankiers der Auffassung, daß der Staat sich aus der ökonomischen Sphäre möglichst fernzuhalten habe. »Das Beste, was eine Regierung mit dem Geldmarkt tun kann, ist: ihn sich selbst zu überlassen«, brachte Paul Damme, Inhaber von R. Damme in Danzig, auf dem Bankiertag 1907 diese Ansicht zum Ausdruck.54 Carl Fürstenberg veredelte seine Abwehrschlacht gegen den Versuch des Fiskus, das Bergwerksunternehmen Hibernia (zu dem die BHG exklusive Verbindungen besaß) zu übernehmen, mit grundsätzlichen Ausführungen über die Gefahr »staatlicher Monopolbildung«.55 Max (von) Schinckel sah im Interventionsstaat letztlich das Ende der liberalen Wirtschaftsverfassung heraufdämmern: »Monopolisierung des Verkehrs und Verstaatlichung aller Betriebe würde die letzte Konsequenz dieser Entwicklung nach rückwärts sein. Jede weitere Verstaatlichung aber tötet die Betätigung des einzelnen Unternehmers und bringt uns dem wirtschaftlichen Niedergang näher.« Schinckel verlangte daher »willensstarke Widerstandskraft gegen reaktionäre, verkehrsfeindliche Sondergesetze«, für die er durchaus zutreffend die politisch organisierte Großlandwirtschaft verantwortlich machte.56 51 Zitiert nach Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. III, S. 723. 52 Den Zusammenhang zwischen politischer Haltung und Arbeitsbeziehungen, der bei der Schwerindustrie zu der Forderung nach der staatlichen Repression der Arbeiterbewegung führte, bei den Bankiers dagegen liberale Einstellungen hervorbrachte, hob bereits August Weber (Mitteldeutsche CB) hervor, Rückblick und Ausblick, S. 85f 53 Delbrück, S. l93f 54 3. Bankiertag, S. 103 55 Fürstenberg, Lebensgeschichte, S. 400-416, bes. S. 401. 56 2. Bankiertag, S. 13, S. l7f.

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Trotz der Intensität des Wirtschaftsliberalismus und der Tatsache, daß die politisch engagiertesten Großbankiers den (Links-) Liberalen zuneigten, blieb die gesamte Hochfinanz im wesentlichen gouvernementaL Gute Kontakte zu Regierungsstellen waren für die Bankwelt zu essentiell, um sich mit oppositionellen Strömungen zu verbünden. Bezeichnenderweise scheiterte der Versuch des 1896 unter maßgeblicher Beteiligung der Großbankiers gegründeten Schutzverbande$ gegen agrarische Übergriffe, ein Bündnis zwischen den beiden linksliberalen Parteien und dem linken Rand der Nationalliberalen herzustellen, an der Weigerung des Schutzverbandes, der Aufforderung Eugen Richters Folge zu leisten und eine Frontstellung gegen die Regierung Hohenlohe einzunehmen.57 Noch 1915 fanden sich prominente Bankiers, darunter Arthur (von) Gwinner, Robert von Mendelssohn, Jacob Riesser, Paul (von) Schwabach und Georg Solmssen in der Freien Vaterländischen Vereinigung zusammen, um für die Dauer des Krieges revisionististische Sozialdemokraten und linke Nationalliberale in der Kriegszielfrage mit gemäßigten Konservativen zusammenzubringen und dabei Bethmann Hollweg den Rücken zu stärken.58 Schließlich gingen die Bankiers niemals so weit, den autoritären Machtstaat als solchen in Frage zu stellen, besonders in seiner Militärorganisation, wie sich 1893 im Konflikt um Caprivis Militärvorlage zeigte, als Georg (von) Siemens, einer der am stärksten im Linksliberalismus verwurzelten Bankiers, »von der Notwendigkeit überzeugt, die deutschen Machtmittel mit denjenigen seiner möglichen Kriegsgegner in Einklang zu halten«, sich von seinen politischen Freunden trennte und auf die Seite der Regierung wechselte.59 Auf der anderen Seite machte es der politische Konservatismus den Bankiers unmöglich, in sein Lager zu schwenken. Bis 1914 hinderten die beschriebenen Ressentimens, die bankenfeindliche Politik und der Antisemitismus der Großagrarier selbst den sozialkonservativsten Bankier, in engeren politischen Kontakt zu den Konservativen zu treten. Besonders die immer wieder auftauchenden Pläne einer Verstaatlichung der Rcichsbank stießen auf schärfste Opposition der Bankwclt.“' Agrarier und Mittclständler ventilierten die Forderung nach Verstaatlichung der Reichsbank schon seit Ende der 1880er Jahre, als das Auslaufen ihres Notenprivilegs erstmals bevorstand.6' Der Vorsitzende der 57 Stegmann, Linksliberale Bankiers, S. 19. 58 Stegmann, Die Erben Bismarcks, S. 464. 59 Hetfferichy Bd. III, S. 191. Die Systemkonformität des Linksliberalismus, dem es allenfalls um eine »Verbreiterung der sozialen Basis des I Icrrschaftssystems« gegangen sei, unterstreicht auch Witt, Innenpolitik und Imperialismus, 15f, S. 31. 60 »Der í Iimmel bewahre uns vor agrarischen Experimenten auf dem Gebiete der Bank- und Währungsgesetzgebung!« warnte der Hamburger Bankier Friedrich Bendixen. Bank-Archiv 8 (1908) Nr. 5, S. 67f. 61 Das Aktienkapital der Reichsbank war in privater Hand; das ihr vom Reich gewährte Notenprivileg war zunächst bis 1890 begrenzt. Es mußte entweder alle lOJahre verlängert werden was auch regelmäßig geschah -, oder die Anteilseigner hätten ihre Anteile zu pari zurückerstattet

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Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer, Graf von Mirbach, propagierte die Verstaatlichung seit Ende der 1880er Jahre, und die im Februar 1888 tagende Generalversammlung der Vereinigung forderte diese Maßnahme ebenso wie die Einführung der Doppelwährung. Auf der Generalversammlung im Februar 1906 wurde der Antrag von Otto Arendt angenommen, die Reichsbank 1911, beim Auslaufen des Notenprivilegs, zu verstaatlichen. Dieser Antrag wurde auf der folgenden Generalversammlung bekräftigt und im Mai 1907 dem Reichstag zugesandt. Von der Verstaatlichung der Zentralnotenbank versprachen sich die Agrarier zweierlei: erstens die Möglichkeit für Landwirte, eigene (sogenannte »trockene«) Wechsel bei ihr diskontieren lassen zu können; und zweitens den entscheidenden Einfluß auf die Währungspolitik des Reiches und damit die Erfüllung ihrer bimetallistisch-inflationistischen Träume. Derartige Vorstellungen fanden bei Bauern und Grundbesitzern der ganzen Welt damals große Verbreitung. In Anlehnung an das bankenfeindliche Schlagwort von der »Goldenen Internationale« prägte Karl Helfferich das Wort von der »Silbernen Internationale«. Bei dem Einfluß, den die Agrarkonservativen in Preußen/ Deutschland besaßen, wäre das auf einen politisch induzierten inflationären Schub zugunsten der Großlandwirtschaft hinausgelaufen.62 Auf diese Weise wurde die soziale Segregation der einzelnen Oberklassenfraktionen noch verstärkt, denn die Art und Weise, mit der sie ihre unterschiedlichen Interessen in der politischen Arena durchzusetzen versuchten, bestand nur zu oft in einem unerbittlichen Kampf gegeneinander, der Kompromisse selten zuließ und längerfristige Allianzen ausschloß. Die tiefen politischen Gräben, die in diesen Konflikten aufgeworfen wurden, machten es auch außerhalb der unmittelbaren Interessenwahrnehmung unmöglich, eine gemeinsame Politik der besitzenden Klassen zu entwickeln. Die Intensität des politischen Engagements der Großbankiers unterlag starken Schwankungen, unterschied sich insgesamt jedoch kaum von derjenigen anderer Unternehmergruppen.63 Betrachtet man die Mitgliedschaft im Reichstag, war dieses Engagement ausgesprochen schwach. Nur zwölf Bankiers des Preußenkonsortiums, nicht mehr als rund 3 %, gehörten ihm zwischen 1871 und 1918 an,64 und es gibt keinen Hinweis darauf, daß weitere Kollegen in den bekommen zuzüglich der Hälfte des Reservefonds der Bank, was 1910 einem Kurs von ca. 118 entsprochen hätte (gegenüber dem Kurs der Anteile, der zu dieser Zeit zwischen 150 und 160 schwankte, ein erheblicher Verlust zu Lasten der Aktionäre). 62 Nationalzeitung (3.4.1906); DRT, 12. Leg.-Per. I. Session 1907/08, Nr. 916; Bank-Archiv 6 (1907) Nr. 26, S. 3O9f.; Markwalds, passim; Warschauer, Physiologie, S. 89-110; Kiesewetter, S. 297f; Hobsbawm, Zeitalter, S. 56. 63 Vgl. Berghoff u. Möller, Unternehmer, S. 379-386. Ein stetig abnehmendes Ansehen des Reichstags (S. 382) läßt sich seitens der Großbankiers allerdings nicht feststellten. 64 Carl Eckhard, Wilhelm Kircher, Ludwig Roland-Lücke, Johannes (von) Miquel, Jakob Riesser und August Weber (alle nationalliberal), Emil Petri (elsässischer Autonomist, nat.-lib),

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Wahlkämpfcn scheiterten, nicht einmal darauf, daß eine nennenswerte Anzahl eine Kandidatur überhaupt erwog. Im Vergleich zur Londoner City blieb das geradezu marginal; nicht weniger als 84 der von Youssef Cassis untersuchten 460 Londoner Großbankiers (18 %) waren zwischen 1890 und 1914 members of parliament.65 Für einige der politisch Aktiven spielte der Bankierberuf nur eine passagere Rolle in ihrer Laufbahn. Johannes (von) Miquel zog sich 1873 aus der Direktion der Disconto-Gesellschaft zurück und 1876 aus ihrem Verwaltungsrat, war aber niemals ein »aktiver Bankier«; in der Bank arbeitete er als Justiziar und politischer Verbindungsmann. Für ihn bildeten die Zeit in der Disconto-Gesellschaft und die Einnahmen, die sie ihm verschafft hatte, das Sprungbrett für eine weitere politische Karriere in materieller Unabhängigkeit. Ähnlich dürften die Motive Richard Wittings gewesen sein, als er 1910 den Vorstand der Nationalbank für Deutschland verließ, in den er nach einer Mutmaßung des Bertiner Tageblatts acht Jahre zuvor nur eingetreten war, um ihn als »Uebergangsstadium« zu nutzen, das ihm »nach berühmten Mustern den Zugang zu höheren Staatsstellen erschließt«.66 Wie Miquel hatte auch er keine Banklehre, sondern ein Jurastudium absolviert, nahm nur für kurze Zeit eine Position im »Feld der Hochfinanz« ein und widmete sich dann seiner eigentlichen Berufung, der Politik. Im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen hielten sich in Deutschland besonders die Privatbankiers von der parlamentarischen Arena fern. Kein Privatbankier des Samples war nach 1871 Mitglied des Reichstages oder des Abgeordnetenhauses einer der Bundesstaaten, obwohl ihre Arbeitsbelastung geringer war als diejenige der Manager-Bankiers, die nur selten außerberuflichen Betätigungen nachgingen, was Provinzbankiers von einem in Berlin auszuübenden Reichstagsmandat Abstand nehmen ließ.67 Entschloß sich ein Bankier dennoch, ein Mandat anzunehmen, konnte das zu ernsten Konflikten mit seinen Kollegen oder dem Aufsichtsrat führen. Max (von) Schinckel gab der Aufforderung seines vorgesetzten Direktors, seine politische Arbeit in der Hamburgischen Bürgerschaft aufzugeben, sofort nach; Georg (von) Siemens, der stets den Ehrgeiz besessen hatte, seine »praktisch-kaufmännische Betätigung« ins öffentliche Leben zu tragen und die Politik nicht den »Gesellschaftsrettern« zu überlassen, wurde obendrein mit der von Privatbankiers im Aufsichtsrat vertretenen Ansicht konfrontiert, daß ein »manager nur ausführender Commis sei« und sich grundsätzlich eines parlamentarischen Mandates zu enthalten habe.60 VerhaltGeorg (von) Siemens (nat.-lib., später FVg), Johannes Kaempf und Karl Mommsen (FV^FVp), Jean North (elsässischer Autonomist), Waldemar Mueller (freikonservativ). 65 Cassis, City Bankers, S. 270, S. 267. 66 BT(6.9. 1902).

67 Eckhard, S. 80. 68 Schitukel, S. 434f; Helfferich, Bd. III, S. 154-179.

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nismäßig selten, aber nicht ausgeschlossen, waren auch direkte Pressionen der Bankkundschaft, wenn sich Mitglieder der Direktion in einer ihr politisch nicht genehmen Weise betätigten. Im Mai 1911 drohten konservative Einleger der Löbauer Bank mit dem Abzug ihrer Depositen - es kam zu Kündigungen von bis zu 300.000 M pro Tag -, bis August Weber sein nationallibcrales Reichstagsmandat aufgab.69 Ein weiterer Grund, der viele Bankiers in Distanz zur parlamentarischen Arbeit trieb, war die abgrundtiefe Ignoranz, mit der im Reichstag über das Bank- und Börsenwesen verhandelt wurde. »Das ist ja überhaupt so merkwürdig an der Gesetzgebung über bank- und börsentechnische Fragen: alles redet mit, und niemand versteht etwas«, urteilte Georg Bernhard.70 In den Debatten über das Börsengesetz 1896, die angebliche Überschwemmung des deutschen Kapitalmarktes durch ausländische Wertpapiere und die Verlängerung des Notenprivilegs der Reichsbank überboten sich die konservativen, antisemitischen und Zentrumsabgeordneten an groben Irrtümern, Vorurteilen und unlogischen Schlußfolgerungen bis hin zur völligen »Dekonstruktion« jeglicher empirisch überprüfbarer Tatsachen.71 Wer über einiges Verständnis von der Materie verfügte, war als Interessent verdächtig, und wie der freisinnige Abgeordnete Alexander Meyer feststellte, konnte man im Reichstag alle Interessen vertreten, nicht aber diejenigen der Börse.72 Folglich galt Expertenwissen auf diesem Gebiet als überflüssig. Es ist bezeichnend für die Einstellung der Parlamentarier zum Bank- und Börsenwesen, daß die antisemitische Wirtschaftliche Vereinigung bei diesen Debatten den Porzellanmaler Friedrich Raab ins Rennen schickte. Raab vertrat seine Partei auch in der Bankenquête 1908/09.73 Es gehört zur Ironie der Geschichte des deutschen Bankwesens, daß auf der politischen Bühne die sachlichsten Erörterungen - sieht man einmal von einigen banktechnisch vorgebildeten Liberalen ab - aus der Feder von Sozialdemokraten stammten. Dieses gemeinsame Anerkenntnis der Rationalität einer kapitalistischen Verkehrswirtschaft führte denn auch zu jener atmosphärischen Nähe 69 Die Bank 4 (1911), S. 571 und S. 587. 70 Plutus (2.3. 1907), S. 153. Bernhard fuhr fort: »Klingt es denn z. B. nicht geradezu wie ein Hohn auf den Deutschen Reichstag, wenn ein alter Parlamentarier, wie Herr v. Kardortï, selbst zugibt, gegen den Terminhandel gestimmt, aber die Sache eigentlich nicht recht verstanden zu haben. Und solche Reformer gibt es noch mehr.« 71 Erschütternde Beispiele für diese Inkompetenz boten der antisemitische Abgeordnete Friedrich Raab bei seinen Berechnungen über die Verteilung des Gewinns der Reichsbank zwischen Anteilseignern und Reich und der freikonservative Arendt über die anfallenden Kosten für das Reich bei einer eventuellen Verstaatlichung der Reichsbank; RT, 12. Leg.-Per. I. Session 1907/ 08, S. 7080-83 (Antwort Mommsen), S. 7O53f. und S. 7074 (Antwort Havenstein). 72 RT, 9. Leg.-Per., IV. Session, 1895/97, S. 210. 73 Raab bekannte dort freimütig, nichts vom Bankwesen zu verstehen, und erklärte, er wolle »das allgemeine Volksempfinden«, den »Standpunkt des einfachen Mannes« zu Gehör bringen. Bankenquête VI, S. 65.

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zwischen linkslibcralen Bankiers und Sozialdemokraten, die in den Reichstagsdebatten über das Bankwesen aufschien und alle Vorurteile der Bankengegner über die Sozialdemokratie als »Schutztruppe der Börse« bestätigte.74 Es mußte die Bankiers verbittern, daß sie sich mehr als jede andere Unternehmergruppe im parlamentarischen Willensbildungsprozeß dieser fachlichen Inkompetenz der Entscheidungsträger und deren Verachtung für Sachverständige ausgeliefert sahen. Das politische Engagement der Großbankiers verlief während des Untersuchungszeitraumes nicht kontinuierlich. Im Jahrzehnt nach der Reichsgründung gehörten dem Reichstag und den bundesstaatlichen Parlamenten verhältnismäßig viele Bankiers an. Die politischen Einstellungen in der Mehrheit der Finanzwelt während dieser Periode waren jedoch vor allem durch ein sehr geringes Engagement, ja eine gewisse »konservative Gleichgültigkeit« gekennzeichnet. Die Reformgesetzgebung war überwiegend von liberalen Berufspolitikern wie Eduard Lasker und Ludwig Bamberger durchgesetzt worden, die zwar über lose Beziehungen zum Bankwesen verfügten, die aber keine Interessenvertretcr waren (und die sich bespielsweise hinsichtlich der von ihnen befürworteten Einführung der Goldwährung mühelos gegen die bimetallistischen Forderungen Bleichröders durchsetzten).75 Die Bankiers, die zwischen 1871 und der Jahrhundertwende dem Reichstag angehörten, waren Berufspolitiker wie Johannes Miquel, elsässische Autonomisten wie Jean North und Emil Petri, waren vom nationalliberalem Elan der Reichsgründungsära angetriebene südwestdeutsche Bismarck-Verehrer wie Carl Eckhard, oder sie besaßen familiäre Bindungen zum liberalen Establishment, wie Georg Siemens. Der große legislatorische Regelungsbedarf und nicht zuletzt das nationale Hochgefühl jener Jahre machte das Wahrnehmen eines Abgeordnetenmandates auch für Bankiers außerordentlich reizvoll. Zwischen 1880 und der Jahrhundertwende nahm die Zahl der Großbankiers im Reichstag deutlich ab. An aktiven Bankiers des Preußenkonsortiums saßen in diesen zwei Dekaden außer Georg (von) Siemens nur zwei Direktoren des Straßburger CommunalCrcdits im Reichstag, Jean North und Emil Petri.76 In diese Zeit fiel zwar unter 74 Karl Mommsen (Freisinnige Vereinigung, Mitteldeutsche Creditbank) in Antwort auf Frank (SPD) und Raab (Antisemit) in der ersten Lesung des Bankgesetzes im Februar 1909 (RT 12. Leg.-Per. I. Sess. 1907/09, S. 7O83f). Pfälzischen Zeitung (11.6.1900), »Die Sozialdemokratie als Schutztruppe der Börse«; Agrarische Wochenschrift (8.2.1912), »Der >Großblock< als Bund zwischen Sozialdemokratie und Börsen kapital«. 75 Stern, Gold und Eisen, S. 262-264. 76 Jean North (1828-1894) war MdR von 1877-1881 und 1890-1893 für die deutsch-freundliche Autonomistenpartci, ein Honoratiorenverband, der die Einführung des preußischen Dreiklassen-Wahlrechts in Elsaß-Lothringen forderte. Außerdem war er Mitglied des Landesausschusses von Elsaß-Lothringen. Nach einem Jurastudium in Straßburg war er Notar in Brumath geworden und hatte danach die Hauptvertretung der Union Versicherungsgesellschaft (Compagnie d'Assurance I'Union) ebenda übernommen. Nach der Annexion wurde er Direktor der AG

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anderem die Aktienrechtsnovelle von 1884 und das Börsensteuergesetz ein Jahr später, dennoch gab es für Bankiers wenig Anlaß, in die politische Arena zu steigen. Wie Hans-Ulrich Wehler gezeigt hat, waren für die Hochfinanz etwa bei der Errichtung von Überseebanken in den 1880er Jahren zur Umgehung der lästigen Vorschriften des Aktienrechts direkte Kontakte zur hohen Ministerialbürokratie weitaus wertvoller als ein parlamentarisches Engagement.77 Die Schwäche dieser Form der Interessenvertretung unter den Rahmenbedingungen des Interventionsstaates offenbarte sich bei der Verabschiedung des Börsengesetzes von 1896 und den Auseinandersetzungen um die Erneuerung der Caprivischen Handelsverträge. Das mobilisierte weite Teile der Bankwelt, so daß seit den Reichstagswahlen von 1903 eine neue Generation von Bankiers die parlamentarische Bühne betrat. Die mißglückte Reichsfinanzreform von 1908 verstärkte diesen Trend. Im Gegensatz zu den meisten politisch aktiven Bankiers der 1870er Jahre, die mehrheitlich in Provinzbanken arbeiteten und ganz allgemein an der bürgerlich-liberalen Ausgestaltung des Nationalstaates teilnehmen wollten, waren es nun ausschließlich Berliner Großbankleiter, die in den Reichstag einzogen und hier sowie in den Wirtschaftsverbänden, in denen sie namhafte Positionen einnahmen, handfeste Interessenpolitik betrieben. Die politische Mobilisierung der Bankwelt mündete 1909 in den HansaBundfür Gewerbe, Handel und Industrie, dem ungewöhnlich viele Großbankiers beitraten. Geboren aus Enttäuschung über die Ergebnisse der Reichsfinanzreform und gegründet vom Präsidenten des CVBB, Jacob Riesser, gehörten seinem 65-köpfigen konstituierenden Präsidium nicht weniger als 17 Bankiers des Samples an. Um die Nähe der Bankwelt zum Hansa-Bundes nicht allzu auffällig zu gestalten, wurde der CVBB kein korporatives Mitglied; rund die Hälfte der deutschen Handelskammern schlossen sich ihm dagegen an.78 Dennoch nannte der dem BdL nahestehende Gustav Ruhland den Hansa-Bund bald eine »Schutztruppe unserer Großbanken«.79 Was Zielsetzung des HB anging, die Fiskal- und Zollpolitik des Reiches im Interesse von Handel und Industrie und gegen den Agrar-Protektionismus zu beeinflussen und der Schlagkraft des Bundes der Landwirte ein bürgerlich-liberales Gegengewicht entgegenzustellen, lag er damit nicht einmal falsch. Dennoch sollte der Wert des Hansa-Bundes, der keineswegs bezweckte, die bestehende Form bürokratischer Herrschaft herauszufordern, für die Bankwelt nicht überschätzt werden.81 In keinem zentralen Politikbereich konnte er bis 1914 seine Vorstellungen durchsetzen. Die

für Boden- und Communal-Credìt, wo er die Hypothekenabteilung leitete. 1892 wurde er zum Rücktritt gezwungen. Über Petri vgl. BJ Jg. 1917-1920, S. 298-307. 77 Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 235-238. 78 Mielke, passim, bes. S. 48, S. 79-83, S. 187-191. 79 Deutsche Tageszeitung Nr. 187(11.4.1911). 80 Riesser, Bürger heraus!, passim, bes. S.13-28; Mielke, S. 181-186.

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vitalen Angelegenheiten der Bankwelt wurden vom CVBB und der »Stempelvereinigung« allcmal wirkungsvoller vertreten. Schließlich muß eine dritte Form des politischen Einflusses der Hochfinanz diskutiert werden, die Aufschluß gibt über einen besonderen Aspekt sozialer Mobilität und über das Ausmaß spezifischer sozialer Macht: die Besetzung politischer Schlüsselpositionen durch Mitglieder der Hochfinanz oder ihre Abkömmlinge. Drei Bankiers der Hochfinanz sind als Politiker bekannt geworden: Johannes (von) Miquel, Preußischer Finanzminister von 1890 bis 1901; Karl Helfferich, Staatssekretär des Reichsschatzamtes von 1915 bis 1917, daneben seit 1916 Staatssekretär des Rdl und Vizekanzler; und Bernhard Dernburg, von 1906 bis 1910 Direktor der Kolonialabteilung beziehungsweise Staatssekretär des Reichskolonialamtes. Ins Zentrum der politischen Macht gelangten nur die beiden ersteren: Miquel als »Manager des Staatsministeriums« während der Amtszeit des blassen Reichskanzlers Hohenlohe und als Inaugurator der »Sammlungspolitik«, Helfferich als Organisator der deutschen Kriegsfinanzierung.81 Weder Miquel noch HelfFerich hatten eine Bankierkarriere im engeren Sinne durchlaufen. Beide wechselten vorübergehend aus der Politik in die Bankwelt, wo sie als Verbindungsleute zwischen diesen beiden Feldern arbeiteten, um nach wenigen Jahren ihre politische Laufbahn fortzusetzen. Bankiers im strengen Sinne waren sie also nicht, ebensowenig der weniger prominente Rudolph (von) Jacobi, der aus dem preußischen Handelsministerium in die Direktion der Central-Bodencredit AG wechselte, um nach nur fünf Jahren als Staatssekretär des Reichsschatzamtes in die Politik zurückzukehren.82 Erwähnt sei schließlich Emil Petri, der 1892 im Gefolge der Führungskrise im Straßburger Communalcredit als Außenstehender in die Direktion der Bank berufen worden war, diese Position jedoch im Januar 1898 wieder verließ, um Unterstaatssekretär für Justiz und Kultus in Elsaß-Lothringen zu werden. Keiner der

81 Etey, Die Sicht vom Thron, in: Wilhelminismus, S. 63; Wiltiamson, S. 111-150. 82 Die Laufbahn Jacobis (1828 - 1903) war von ungewöhnlich vielen Positionswechseln geprägt. Der Sohn eines Pastors in Landsberg trat nach einem Jurastudium 1850 in den preußischen Justizdienst und wurde 1857 Hilfsarbeiter im Handelsministerium. Bald darauf wechselte er ins Innenministerium, kehrte aber 1864 in das Handelsministerium zurück. 1873 wurde er Vortragender Rat im preuß. Staatsministerium, tratjedoch 1874 erneut ins Handelsministerium ein, wo er die Stellung eines Ministerialdirektors und fünfjahre später eines Unterstaatssekretärs bekleidete. 1881 wurde er Präsident, d.h. gleichzeitig Vorstandsvorsitzender und ARVder Preußischen Central-Bodencredit AG. 1886 wurde Jacobi, das »Muster eines preußischen Verwaltungsbeamten konservativer Prägung« von Bismarck zurück ins Handelsministerium geholt, und noch im gleichen Jahr wurde erzürn Staatssekretär des RSA berufen. Auf diesem »höchst ungemütlichen Posten«, dessen institutionell mangelhaft abgesicherte Stellung zwischen 1879 und 1914 zehn Amtsinhaber verschliß, verblieb er nur zwei Jahre (1888 wurde er bei seinem Ausscheiden wunschgemäß »mit Rücksicht auf seine Söhne« nobilitiert), um seit 1890 Aufsichtsratsstellen im Konzern der Disconto-Gesellschaft (Norddeutsche Bank, Centralboden) einzunehmen. Morsey, S. 2O8f, S. 272; Witt, Finanzpolitik, S. 28.

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Genannten außer Dernburg verbrachte jedoch den überwiegenden Teil der Karriere im Finanzgewerbe. Auf der anderen Seite schlugen mehrere Großbankiers einen angebotenen Ministerposten (zumeist das Finanzressort) aus. Georg (von) Siemens war seit Ende 1899 als Nachfolger Johannes (von) Miquels im Gespräch, Gerüchte, die sich bis in den Herbst 1900 hielten.83 Siemens selbst bezeichnete sie als »blödsinnige Redensart« und lehnte ab. Genauso handelten zwei Vorstandsmitglieder der ADCA, F.J.A. List in den 1870er Jahren und Rudolph Wachsmuth 1890, denen das Amt eines sächsischen Finanzministers angetragen worden war. Bemerkenswerterweise versprach sich Wachsmuth von der Übernahme des Ministeramtes in erster Linie ein geringeres Arbeitspensum denn als Großbankleiter. Als 1906 die Stellung eines Kolonialdirektors im Auswärtigen Amt vakant wurde und Bülow zum Zeichen seiner Modernität und als Konzession an die Freisinnigen einen captain of industry berufen wollte, lehnten sowohl Arthur (von) Gwinner als auch Waldemar Mueller ab.84 Erst Bernhard Dernburg, dessen Position im Vorstand der BHI immer schwieriger geworden war und der deshalb einen Absprung suchte, griff zu.85 Der wichtigste Ablehnungsgrund dürfte in den geringen politischen Gestaltungsmöglichkeiten gelegen haben, welche die Bankiers angesichts der zu erwartenden Widerstände der Ministerialbürokratie gegen »Seiteneinsteiger« ohne bürokratische Meriten zu erwarten hatten -Widerstände, die Bernhard Dernburg später kennenlernen sollte und bemerkenswerterweise durch seinen Arbeitseifer zu überwinden suchte.86 »Kein Siemens hätte als Minister das System zu ändern vermocht und kein Ballin könnte es, wenn er morgen Exzellenz werden würde, das System wäre stärker als sie und zwänge sie, ihm zu dienen. Der Bankdirektor aber ist ein freier Mann. Er beschließt, wo und wann es ihm paßt ... Er, nicht der Kanzler, treibt Weltpolitik«.87 Das geringe Interesse, das die Bankiers für eine Ministerkarriere aufbrachten, dürfte aber auch in den finanziellen Einbußen, die sie im Staatsdienst zu gewärtigen hatten, zu suchen sein. Dernburg soll seine Frau vor der Annahme des Postens gefragt haben, »Emma, bist Du bereit, arm zu werden?«, und schrieb an seinen Bekannten Hutten-Czapski: »Ihnen brauche ich wohl nicht zu sagen, daß mir der Entschluß, meine verhältnismäßig bequeme, ungemein interessante und ungewöhnlich dotierte Stellung aufzugeben, nicht leicht geworden ist«.88 83 84 85 86 87 88

Berliner Morgenpost (19.12.1899); Hefferich, Bd. III, S. 371-376 (auch für das Folgende). Schiefel, S.37,S.43. Plutus (8.9.1906), S. 639; Die Zukunft Nr. 50 (15.9.1906), Schiefel, Dernburg, S. 41-46. Berdrow, S. 350 (Hervorhebungen vom Vf.). Schiefel, S. 195; Hutten-Czapski, Bd. I, S. 487 (auch für das Folgende).

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Diese Ablehnungen hoher politischer Ämter dürfen jedoch nicht den Blick dafür verstellen, daß die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Bankier, irgendwann während seiner Laufbahn einen Ministerposten angeboten zu bekommen, ausgesprochen gering war Die Rekrutierung der preußischen Minister und Staatssekretäre der Reichsämter vollzog sich aus der Wirtschaft sowenig wie aus den Parlamenten, sondern aus der hohen Ministerialbürokratie. Nicht einmal im Direktorium der Reichsbank findet sich ein Großbankier. Das System der bürokratischen Herrschaft ließ für »Nichtmandarine« (HuttenCzapski) im politischen Entscheidungszentrum des Reichs und Preußens wenig Platz. Spätestens seit der konservativen Wende in Bismarcks Politik und dem Beginn der Personalpolitik des reaktionären preußischen Innenministers Robert von Puttkamer war für Liberale - und der politisch aktive Teil der Hochfinanz war eben nationalliberal oder freisinnig eingestellt - der Weg an die Schalthebel der Macht versperrt.89 »Diese Leute haben seit 25 Jahren alle Beamtenstellungen besetzt und sich vermittelst der Bureaukratie die Herrschaft in den Parlamenten gesichert«, schrieb Georg (von) Siemens kurz vor seinem Tode resigniert.90 Überdies war angesichts des faktischen Juristenmonopols dem größten Teil der Hochfinanz die Bekleidung einer Schlüsselposition in der Exekutive verwehrt. Schließlich waren die jüdischen (auch die christianisierten) Mitglieder der Hochfinanz durch die auch in der hohen Beamtenschaft verbreitete Judenfeindschaft von einem Wechsel in eine jener Positionen ausgeschlossen. »Ich könnte nicht politischer Beamter werden, nicht einmal in Friedenszeiten Leutnant«, bekannte Walter Rathenau noch 1917 gegenüber der Frau von Hindenburg.91 Im gleichen Jahr wurde Max Warburg als Jude die Aufnahme in den Hamburger Senat verweigert.92 Wenige Monate später, kurz vor dem Zusammenbruch der Monarchie, lehnte Warburg dann das Angebot ab, ins Kabinett Max von Badens einzutreten, weil »die Deutschen ... nie und nimmer einen jüdischen Finanzminister hinnehmen würden«.93 Ideologie und Praxis der bürokratischen Herrschaft, Karricrcwegc, politische Haltung und ethnische Zugehörigkeit der Aktcure erwiesen sich als zuverlässige Barrieren, die Übertritte aus der Bankwclt in die hohe Politik nahezu unmöglich machten und der Richtung und dem Ausmaß »gemischter Karrieren« enge Grenzen zogen. Diese Filter waren auch in der zweiten Generation der Großbankiers noch wirksam. Kein Sohn eines Mitgliedes der Hochfinanz schlug eine Laufbahn 89 Wehler, Gesellschaftsgcschichte, Bd. III, S. 817, S. 161-163; Kehr, Das soziale System der Reaktion, in: Primat der Innenpolitik, S. 64-86. 90 Helfferich, Bd. III. S. 379. 91 Kessler, Walther Rathenau. S. 56. 92 In der I lamburger Bürgerschaft waren Juden, darunter auch Bankiers wie Siegmund Hinrichsen und Warburg, allerdings prominent vertreten. Puher, S. 190. 93 Warburg. S. 64.

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ein, die ihn in eines der Zentren der politischen Macht geführt hätte. In der obersten Reichsverwaltung und im preußschen Staatsministcrium blieben die Söhne von Beamten, Offizieren und Rittergutsbesitzern bis 1918 weitgehend unter sich.94 Erst in der Weimarer Republik verbreiterte sich mit dem Übergang zum parlamentarischen System die Rekrutierung der Reichsleitung in größerem Umfang. Bis dahin waren die Möglichkeiten der Großbankiers, selbst oder durch unmittelbare Nachkommen eine Position im Zentrum der politischen Macht zu gelangen, außerordentlich begrenzt. Die Mehrheit der Großbankiers war zwar nicht gewillt, für politischer Wahlämter zu kandidieren, zeigte sich jedoch mehr als bereit, Funktionen innerhalb der Wirtschaftswelt zu übernehmen. Damit sind sowohl die Organe der Börsenverwaltung, die halbstaatlichen Handelskammern als die als Pressure-groups auftretenden Interessenverbände gemeint. In keinen Gremien finden sich derart viele Bankiers der Hochfinanz wie in den Verwaltungsorganen der großen Wertpapierbörsen. Obwohl diesbezügliche Informationen eher auf Zufallsfunden basieren, konnte fast jeder zehnte Angehörige des Samples als Mitglied des Börsenvorstandes, der Zulassungsstelle, des Ehrengerichtes oder eines ähnlichen Gremiums identifiziert werden. Tatsächlich dürfte der Anteil weitaus höher gelegen haben. Die Börsengremien wählten auch die Hälfte der Mitglieder des im Juni 1897 (nach Maßgabe des ein Jahr zuvor verabschiedeten Börsengesetzes) ins Leben gerufenen »Börsenausschuß im Reichsamt des Inneren«. Dieses vierzigköpfige Gremium, dessen übrige Mitglieder vom Bundesrat berufen wurden, hatte die Aufgabe, als Sachverständigenorgan die Durchführung des Gesetzes zu begutachten;95 Vertreter der betreffenden Ressorts des Reiches und der Bundesstaaten waren kommissarisch vertreten. Es handelte sich hier um die einzige kontinuierliche, institutionell abgesicherte Verbindung zwischen Bankwelt und Exekutive. Die Hochfinanz stellte um die Jahrhundertwende sieben Mitglieder und drei Stellvertreter des Börsenausschusses. Die Arbeit des Ausschusses, der nur etwa alle zwei Jahre zusammentrat, beschränkte sich dabei auf technische Fragen des Börsenverkehrs. Bis 1908 standen Einzelheiten einer möglichen Novellierung des Börsengesetzes im Vordergrund.96 Die Abstimmungen im Ausschuß folgten dabei stets dem Gegensatz zwischen Bankwelt und Agrariern - die von Preußen ausgewählten Mitglieder des Ausschusses waren überwiegend Rittergutsbesitzer (Gamp, Kanitz, Oldenburg-Januschau, Rösicke) und 94 Vgl. Morsey, S. 244-251; Preradovich, S. 105-123; Witt, Konservatismus, S. 271-280 (Morsey und Preradovich geben allerdings Aufschluß nur über den Stand der hohen Beamten). 95 Nach § 3 des Börsengesetzes hatte der Börsenausschuß aus mindestens 30 Mitgliedern zu bestehen (in der Praxis waren es stets um die 40), die für eine Dauer von fünf Jahren berufen wurden. Der Ausschuß war befugt, Sachverständige zu vernehmen und Anträge an den Reichskanzler zu richten. 96 Vgl. die Protokolle der Sitzungen des Börsenausschusses vom 11. und 12.6.1901 und vom 21.5.1906; BA Potsdam, RSA Nr. 1660 und 1661 (auch für das Folgende).

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sonstige konservative Agrarpolitiker (von Arnim, von Buch). Der mangelnde Sachverstand machte sie allerdings in den Verhandlungen des Ausschusses den Bankiers wie Kacmpf und Andreae, später auch Max Warburg, die eindeutig die Diskussionen beherrschten, hoffnungslos unterlegen. Dennoch folgte das Rdl nicht notwendigerweise den Mehrheits-Empfehlungen des Ausschusses, etwa in der Frage der Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel.97 Es ist bezeichnend für die Kräfteverhältnisse zwischen Finanzwelt und Agrarkonservativen, daß die Reichsleitung auch in börsentechnischen Fragen weitgehend Rücksicht auf die Interessen der Konservativen zu nehmen geneigt war. Jedenfalls stellte der Börsenausschuß im Reichsamt des Inneren keinesfalls einen entscheidenen Kanal für die Einflußnahme der Hochfinanz auf die Reichsleitung dar. Prominent vertreten waren die Bankiers der Hochfinanz auch in den Handelskammern der großen Finanzzentren. Gerade an den großen Bank- und Börsenplätzen Berlin, Hamburg und Frankfurt bekleideten Mitglieder der Hochfinanz häufig das Amt des Präsidenten.98 Diese Präsenz war deutlich geringer an denjenigen Orten, die weniger stark durch Handel und Bankwesen geprägt waren, wie die Plätze östlich von Berlin, aber auch München. Im beschaulichen Darmstadt dagegen, wo die BHI praktisch konkurrenzlos dastand, stellte ihre Direktion gleich drei Präsidenten der Handelskammer, darunter Carl Parcus, der sie 20 Jahre lang, länger als jeder andere, führte. Die Handelskammern gaben den Bankiers hervorragende Möglichkeiten der Interessenvertretung, da sie durch ihre Jahresberichte, Petitionen und Gutachten sowie ihren Dachverband, den Deutschen Handelstag (dessen Vorsitzender von 1870 bis 1885 ein weiterer Großbankier, Adelbert Delbrück, gewesen war) stets im Namen der gesamten Unternehmerschaft auftreten konnten. Der preußische Handelsminister ließ sich jährlich von der Berliner Ältestenkorporation Bericht über die Lage am Wertpapiermarkt erstatten; ein Bericht, der üblicherweise von einem der großen Bankiers erstellt wurde.99 Alles in allem waren die Möglichkeiten politischer Einflußnahme für die Hochfinanz im konstitutionellen System des kaiserlichen Deutschland also recht begrenzt. Nach einer liberalen Aufbruchphase in der Reichsgründungszeit gab sich die Hochfinanz bis zur Jahrhundertwende politisch gouvernemental, aber wenig aktiv Erst die interventionsstaatlichen Eingriffe der 1890er Jahre führten zu einer Politisierung der Bankwclt und besonders ihrer Spitze, der Hochfinanz. 97 Reichs-Gesetzblatt Jg. 1910 Nr. 41 S. 917-924; BA Potsdam, RSA Nr. 1663 (14.1.1910, 4.7.1910). 98 In Berlin Johannes Kaempf (Ältestenkorporation) und Franz von Mendelssohn jr. (Handelskammer); in Hamburg: Siegmund Hinrichsen, später Max (von) Schinckel; in Frankfurt:Jean Andreae sen. (Stellvertreter: Friedrich Thorwart). 99 LHA Potsdam Rep. 30 c, Tit. 94, Nr. 11431 (23.1.1893).

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c) Das Börsengesetz von 1896 und der Centralverband des deutschen Bank- and Bankiergewerbes Es erstaunt nicht wenig, daß ein so alter Berufszweig wie das Bankgewerbe sich so spät in einem Verband zusammenschloßt wie die deutschen Bankiers es taten. Der Anlaß für den Übergang zur verbandlichen Interessenpolitik bestand in der Hilflosigkeit gegenüber dem interventionsstaatlichen Eingriff in die Sphäre der Finanzwelt durch das Börsengesetz von 1896. Im Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes, von Anfang an zur Interessenvertretung gedacht und konzipiert, gaben die Großbankiers seit ihrer Gründung den Ton an. Sie kontrollierten nicht nur die Organe des Centralverbands, es gelang ihnen auch, durch eine geschickte innerverbandliche Regie stets diejenigen Themen in den Vordergrund zu rücken, welche die Einheit des Bankierstandes unterstrichen, und trotz aller Kritik und Gegensätze eine Spaltung des Verbandes zu vermeiden. Hier kamen weniger Interessengegensätze innerhalb der Hochfinanz zum Ausdruck, als vielmehr Gegensätze, die zwischen den großen Instituten und den kleineren Banken und Bankiers bestanden. Diese Interessengegensätze zogen sich bis zum Ersten Weltkrieg und darüber hinaus durch die Geschichte des Verbandes.100 Am 10. März 1901 wurde in Berlin der Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes gegründet. Nichts illustriert die Stimmung unter den deutschen Bankiers um die Jahrhundertwende so sehr wie ein Vorschlag zur Namensgebung, der fünf Monate vor der Gründung des CVBB bei einem Treffen Berliner Bankiers gemacht wurde: »Centralverband zum Schutze des Detrtschen Bank- und Bankiergewerbes«.m Die Klage der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank in ihrem Geschäftsbericht für 1893 hatte der Wahrnehmungvieler Bankiers Ausdruck verliehen: »Capital und Börse [...] sind jetzt die Prügelknaben für die Unzufriedenen aller Wirthschaftskreise.«102 Nun wollten die Bankiers in die Offensive gehen: »Was bringt zu Ehren? Sich wehren!« erklärte Hugo Härtung auf dem ersten Deutschen Bankiertag 1902 unter lebhaftem Beifall.103 Der Aufbau eines Intcrcssenverbands des deutschen Bankgewerbes war eine direkte Folge des Börsengesetzes vom 22.8.1896, obwohl es trotz der Aufre100 Es existiert bislang keine brauchbare Monographie über den CVBB. Auch in den einschlägigen Handbüchern, z. B. dem Lexikon zur Parteiengeschichte, sucht man vergebens. Eine kurze Darstellung apologetischer Natur findet sich bei Wagner, S. 9-38. 101 Wagner, Stationen, S. 9. 102 »Darüber darf man sich nicht täuschen, dass diese Missgunst in der Bevölkerung vielfach geteilt wird, dass sie weiteste Kreise gegenüber dem mobilen Kapital und der Börse beseelt«, erklärte der Stuttgarter Bankier und GKR Alexander von Pflaum auf dem Bankiertag 1902. 1. Bankiertag, S. 57. 103 1. Bankiertag, S. 101.

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gung und Verbitterung in der Bankwelt noch fünfJahre bis zur Gründung des Centralverbands dauerte. Der Gründer und erste Vorsitzende des CVBB, Jacob Rießer, formulierte die Reserviertheit, mit der die deutschen Bankiers bisher dem Zusammenschluß zu einer modernen pressure-group gegenübergestanden hatten: »Was Kaufleute und Industrielle anderer Zweige, was vor allem die Landwirte [sie!] gethan, eine Vereinigung zur Wahrnehmung ihrer Interessen zu begründen und in großen Versammlungen des ganzen Standes für dieselben einzutreten, haben die deutschen Bankiers bisher unterlassen - unterlassen, teils vielleicht aus Mangel an innerer Zusammengehörigkeit und Einigkeit im ganzen Stande, teils in Rücksicht auf Tagesströmungen, welche immer wieder und wieder Börsen und Banken zum Gegenstand ihrer oft recht niederen Angriffe machten, Strömungen und Agitationen, gegen die zu kämpfen ein vornehm denkender Stand unter seiner Würde halten mußte.«104

Riessers Worte waren prophetisch für die künftigen Probleme des Centralverbandes: Besitzindividualismus, mangelnde Interessenidentität innerhalb der Bankwelt und die Scheu der traditionell an Werten wie Diskretion und Distinktion orientierten Bankiers, sich in einem Interessenverband zu organisieren, Massenpropaganda einzusetzen und öffentlich ihre Interessen zu formulieren und durchzusetzen.105 Drei Arbeitsschwerpunkte setzte sich der neue Verband: erstens »alle deutschen Bankiers und die bisher bestehenden Vereinigungen von Banken und Bankiers untereinander in Beziehung zu bringen«; zweitens »das Publikum über den Beruf und die Funktionen des Bankierstandes, sowie über die wirtschaftliche Natur der damit in Zusammenhang stehenden Einrichtungen, in erster Linie der Börse, zu belehren« und drittens »alles statistische, juristische und wirthschaftliche Material zu sammeln, welches zur Vorbereitung von Veröffentlichungen oder sonstigen Schriften des Zentralverbandes nothwendig oder wünschenswert erscheint«.m Im Oktober erschien die erste Ausgabe des Bank-Archiv, der Zeitschrift des Verbandes, im September 1902 fand der erste Allgemeine Deutsche Bankiertag in der alten Bankenmetropole Frankfurt statt. Der Centraìverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes war keine Massenorganisation. Im Jahr seiner Gründung traten ihm 407 Mitglieder bei, ein Jahr 104 Bank-Archiv 1 (1902), S. 191. -Jacob Riesscr, ein wenig agiler Bankier, aber einer der umtriebigsten Verbandspolitiker des Kaiserreichs, hat bis heute keinen Biographen gefunden. Brauchbare Angaben finden sich bei Wenzel, im ELGBB und bei Am$ber$, Bd. III, S. 373f. 105 Wie ein roter Faden zog sich durch die Referate des ersten Bankiertages 1902 die Aufforderung, neue Formen der Interessenpolitik zu finden. Damit einher ging ein rühmendes Angedenken Georg (von) Siemens1, der die Arbeit in einer der größten deutschen Aktienbanken über Jahre hinweg mit seiner parlamentarischen Tätigkeit verbunden hatte und noch in seinen letzten Lebensmonaten Gründer und Vorsitzender des Hatidehvenra^suereitis geworden war. 1. Bankiertag, S. 39, S. 100, S. 57. 106 Berliner Neueste Nachrichten (12.3.1901).

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später waren es 607. Der Verband wuchs seitdem kontinuierlich um rund 80 Mitglieder pro Jahr, bis ihm 1910 mehr als 1200 Einzelpersonen und Firmen angehörten.107 Die geringe zahlenmäßige Größe der Organisation präformierte auch die Formen ihres politisches Vorgehens, denn »eine kleine Minderheit, wie wir sie im wirtschaftlichen Leben bilden, kann nicht durch wüstes Schreien, welches man uns vielfach angeraten hat, kann nicht durch die Kraft ihrer Lungen, sondern kann nur durch die überzeugende Macht ihrer Gründe hoffen, Erfolge zu erzielen«.108 In der Folge wurde denn auch immer wieder darauf hingewiesen, daß sich die Artikulation der Bankiers durch »Sachkunde und Vornehmheit der Form wie des Inhalts« auszeichnete. Die wichtigsten Organe des Verbandes waren die Generalversammlung, der Ausschuß, der Vorstand und die Geschäftsführung. Schon der hierarchische Aufbau der Gremien verbürgte den dominierenden Einfluß der in Berlin ansässigen Banken, wo der Verband seinen Sitz hatte: Der über dreißigköpfige Ausschuß wurde von der Generalversammlung gewählt und wählte seinerseits den fünf-, später achtköpfigen Vorstand, der wiederum die Geschäftsführung einsetzte. Schon im Ausschuß, mehr Repräsentationsorgan als Machtzentrum, war die Hochfinanz überaus zahlreich vertreten: Unter den 33 Bankiers, die ihm Ende 1913 angehörten, waren neun Bankiers des Preußenkonsortiums. Vollends dominierten diese im Vorstand, wo neben Riesser Arthur Salomonsohn und Waldemar Mueller als seine beiden Stellvertreter fungierten.109 Der 1911 eingesetzte Geschäftsführer, der Rechtsanwalt Otto Bernstein, war gleichzeitig Geschäftsführer der in der »Stempelvereinigung« zusammengeschlossenen großen Berliner Banken. Die Manager der großen Aktienbanken waren in den Leitungsgremien des Centralverbands deutlich überrepräsentiert. Sie verdankten nicht nur ihre soziale Position in besonderem Maße der Verwertung eines spezifischen Sozial- und Bildungskapitals, das sie befähigte, in der politischen Arena aufzutreten und sich zu artikulieren, wobei sich zeigt, daß Herkunft und Bildungsgang die politisch aktiven Bankiers deutlich von der großen Mehrheit ihrer Berufskollegen abhob: Sie kamen signifikant häufiger aus bildungsbürgerlichen Familien mit starken politischen Interessen, hatten ein Jurastudium absolviert (was sie mit 107 Wagner.S. 10; Geschäftsberichte des CVBB pro 1910, in: Bank-Archiv 10 (1911). S. 110. Dem CVBB gehörten vor dem Ersten Weltkrieg also keinesfalls mehr als die Leiter bzw. Inhaber von 20 % aller Kreditinstitute an. Die Banken von einiger Bedeutung waren aber wohl sämtlich vertreten; dies zeigt sich sowohl an der Zusammensetzung seiner Organe als auch anhand der Teilnehmerlisten der Bankiertage. 108 So Jacob Riesser auf dem Frankfurter Bankiertag; 1. Bankiertag, S. 3 109 Dem sechsköpfigen Vorstand von 1901 gehörte außerdem Paul M Warburg, der schon ein Jahr später seinem Bruder Max Platz machte, an. Seine weiteren Mitglieder waren bis 1914 Privatbankiers aus Stuttgart, Berlin, München, Breslau und Nürnberg, abgesehen vom Vorstandsmitglied der Bayerischen Vereinsbank Adolf Pöhlmann, der 1909 in den Vorstand des CVBB gewählt wurde.

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ihren Ansprechpartnern in Parlamenten und Verwaltung stärker verband) und ihre parlamentarischen und verbandspolitischen Erfahrungen teilweise schon früher gesammelt. Sie waren auch durch ihre beruflichen Arbeitsumstände gewöhnt an die Formen des politischen Interessenausgleichs durch Stile der kollegialen Führung und der institutionalisierten Konsultation zwischen sich Zusehens bürokratisierenden Großunternehmen, also vor allem in den Vorständen und Aufsichtsräten der eigenen Banken wie fremder Firmen. Unter den Privatbankiers war es überwiegend eine jüngere Generation, die Leitungsfunktionen übernahm. Unmittelbar nach der Gründung des Verbandes gehörten seinem Ausschuß im März 1901 elf Privatbankiers an, von denen sieben erst im Verlauf der 1890er Jahre die Teilhaberschaft erlangt hatten - angesichts der Bedeutung, die das Moment der Anciennität in der Bankwelt besaß, ein außerordentlich hoher Anteil jüngerer Akteure. Gerade die etablierten großen Häuser entsandten die jüngeren Teilhaber statt der angeseheneren Seniorchefs. Ihnen fiel der Abschied vom traditionellen Besitzindividualismus, der bei den Managern niemals so tief ausgeprägt gewesen war, offenbar leichter als ihrer Vorgänger- oder Vätergeneration. Die Ziele des Centralverbandes drehten sich um drei Komplexe: erstens die Erlangung der Autonomie der Bankwelt in der Normung und Kontrolle der ihr Berufsfeld betreffenden Regelungen, zweitens die Monopolisierung des Berufsfeldes gegen als illegitime Außenseiter begriffene Konkurrenten (»Winkelbankiers«) und drittens die mehr oder minder wissenschaftliche Beobachtung und Analyse der Bewegungen auf den Finanzmärkten und die Qualifizierung von Bankiers und Bankangestellten. Vor allem um die beiden erstgenannten Ziele zu erreichen war es unerläßlich, schnell und erfolgreich eine wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit und die Vernetzung der Bankiers untereinander aufzubauen. Die Themen, mit denen sich der Verband beschäftigte, und die Ausgestaltung seiner Forderungen hatte dabei stets zwei tendenziell gegensätzliche Ziele unter einen Hut zu bringen: Sowohl die Interessen der Großbanken als auch die Einheit des Verbandes mußten gewahrt werden. Bis 1908 stand ein Thema eindeutig im Vordergrund der Arbeit des CVBB: Der Kampf um die Revision des Börsengesetzes von 1896 war ein Kampf um die Autonomie gegenüber staatlichen Eingriffen und um die Wiederherstelllung von Rahmenbedingungen im Börsengeschäft nach den Vorstellungen der Bankiers - das oberste strategische Ziel des Verbandes.110 Obwohl in dieser 110 Riesscr erklärte 1907, der Grundfehler des Börsengesetzes liege dann, daß es Probleme zu steuern versuche, die »überhaupt nicht mit gesetzlichen Mitteln, sondern nur im Wege der Autonomie der Beteiligten« zu regeln seien. 3. Bankjertag, S. 13 (Hervorhebung im Orig.). 11 Jahre zuvor, als das Börsengesetz im Reichstag diskutiert wurde, hatte Johannes Kaempf, damals Vizepräsident des Ältesten-Kollegiums der Berliner Kaufmannschaft, in ihm einen durchgehenden »Zug des Mißtrauens gegen den Handelsstand überhaupt und gegen seine Fähigkeit, seine Angelegenheiten und folglich auch die Angelegenheiten der Börsen durch seine Vertreter selbst zu verwalten«, erkannt.

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Auseinandersetzung große wie kleine Bankiers gleichermaßen für eine Novellierung stritten, waren die Interessen beider Gruppen keineswegs identisch. Ausgangspunkt des Börsengesetzes war eine weit verbreitete MißStimmung gegen das gesamte Börsenwesen. Dieses Mißtrauen, das sich im Gefolge des »Gründerkrachs« mit antimodernen und judenfeindlichen Strömungen gemischt hatte, formte sich zu einer politisch wirkungsvollen Bewegung, als in der ersten Hälfte der 1890er Jahre mehrere Probleme im deutschen Bankwesen kumulierten. Wie 20 Jahre zuvor war der Enttäuschung über das Sinken der Wertpapiernotierungen eine anhaltende Börsenhausse vorangegangen, die viele Anleger und Spekulanten erst angelockt hatte.111 Unter dem Eindruck der hohen Verluste, die Anleger nicht nur an ausländischen, sogenannte »exotischen« Anleihen aus Portugal und Argentinien, sondern durch einen dramatischen Kursverfall an den deutschen Wertpapierbörsen erlitten hatten, von Depotunterschlagungen, Schlußscheinfálschungen112 und Klagen über den Terminhandel in Getreide, Kaffee und Kammzug konnte die Reichsregierung das an sie gestellte Verlangen nicht länger ignorieren, eine Initiative zur Abstellung dieser Unzuträglichkeiten zu ergreifen.'13 Im November 1891 stellten Abgeordnete des Zentrums und der beiden konservativen Parteien einen Antrag, der von nicht weniger als 189 Mitgliedern des Reichstags unterschrieben war, und in dem die Regierung aufgefordert wurde, den Mißbrauch des Termingeschäfts unter Strafe und die Börsen unter staatliche Aufsicht zu stellen.114 Selbst die Nationalliberalen forderten in einem Antrag, der allerdings nur 19 Unterschriften trug, staatliche Eingriffe ins Börsenwesen und Maßnahmen gegen Depotunterschlagungen.115 Im Gegensatz zu den 1870er Jahren, als an den Börsen zweifellos größere Mißstände bestanden hatten, die Hegemonie wirtschaftsliberaler Vorstellungen aber gesetzgeberische Eingriffe weitgehend ausschloß, war nun durchaus die Bereitschaft für staatliche Interventionen in ökonomische Abläufe vorhanden. Ähnlich äußerten sich die Ältesten im Februar 1896 in einem Schreiben an alle deutschen Handelskammern. ,4pf, S. 118-121. 111 Vgl. die Aufstellung der Jahresultimokurse der Aktienbanken im Anhang 2. Die Schwankungen derjahrcsultimokurse waren bei den Berliner Banken deutlich größer als bei den Provinzbanken. Dies lag zum einen an dem stärker spekulativen Berliner Markt, zum anderen daran, daß sich die Berliner Banken in höherem Maße spekulativ engagierten, nicht zuletzt durch die Vergabe von Börsenkrediten. 112 Übcrjedes Börsengeschäft mußte eine Schlußnote ausgestellt werden. Im Juli 1891 wurde bekannt, daß ein freier Makler an der Berliner Börse zusammen mit einem Komplizen bei mißglückten Devisenspekulationen die Deutsche Bank um über 1 Mio. M betrogen hatte. Bei dem Makler handelte es sich um keinen anderen als um Hermann Schwieger, der bereits neun Jahre zuvor als Geschäftsinhaber der BHG durch fehlgeschlagene Haussespekulationen in Rubeln die Handelsgesellschaft an den Rand des Ruins gebracht hatte. 113 Eine gute Darstellung dieser Vorgänge findet sich jetzt bei Meier, S. 89-116. 114 DRT, 8. Leg.-Per., I. Session, 1890/92, Nr. 528. 115 DRT, 8. Leg.-Per., I. Session, 1890/92, Nr. 531.

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Das Preußischen Staatsministerium diskutierte seit 1891 über die Einberufung einer Börsenenquêtekommission, und im Januar 1892 legte der Staatssekredär des Rdl eine Vorschlagliste für die Besetzung der Kommission vor.“6 Unter den insgesamt 28 Mitgliedern befand sich nur ein Bankier der Hochfinanz (Ernst [von] Mendelssohn-Bartholdy), und nur ein weiteres Mitglied entstammte dem privaten Bankwesen (Adolph Frentzel, Präsident der Ältesten der Kaufmanschaft Berlin). Sogar die Staatsbanken waren mit je einem Vertreter der Reichsbank, der Seehandlung und der Sächsischen Bank besser vertreten. Überragend wirkte sich dagegen der Einfluß der Agrar-Konservativen aus.117 Ihre Interessen wurden vertreten von zwei Vortragenden Räten aus dem Preußischen Landwirtschaftsministerium, drei Konservativen und einem Zentrums-Reichstagsabgeordneten mit agrarischem Hintergrund (alle vier waren Rittergutsbesitzer), zwei auf Druck des Landwirtschaftsrats berufenen Rittergutsbesitzern und schließlich dem stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission, dem Geheimen Oberregierungsrat, freikonservativen Reichstagsabgeordneten und Vortragenden Rat im Handelsministerium Karl Gamp, dem es während der Sitzungen der Kommission immer wieder gelang, ihrem Vorsitzenden, dem Reichsbank-Präsidenten Koch, das Heft aus der Hand zu nehmen.118 Die Besetzung der Enquêtekommission zeigte überdeutlich, daß es den deutschen Bankiers an einer schlagkrärtigen Interessenorganisation fehlte und die bisherige Form der Einflußnahme, das diskrete Ausnutzen besonderer persönlicher Kontakte, nicht mehr ausreichte.“9 »In einer Zeit, die auf >Schreien< mehr gibt als auf Vernunftgründe, haben die Geschäftskreise bisher sich allzusehr darauf verlassen, daß ihr Interesse durch die sachlichen Darlegungen der Handelsorgane und durch das Verständnis der Regierung hinreichend gewahrt sei [...] Wären die Handelskrise Agrarier, sie verstünden besser, bei der Regierung Gehör und Beachtung zu finden«, kommentierte die Frankfurter Zeitung ganz richtig.120 In gewisser Weise hatte der Organisationsgrad weiter Teile der 116 Bis in die 1890er Jahre war es üblich, Reichsgesetze in den preußischen Ministerien vorzubereiten. Born, Reichsgründung, S. 16t“. 117 Das hinderte diese freilich nicht, über ihre mangelhafte Vertretung und den angeblich »einseitigen Charakter« ihrer Zusammensetzung zu klagen. Der Rcuhsbote (5.5.1892) fragte in einem Artikel, in dem fünf Mal das Wort »Volksinteressen« vorkam: »Wofür machen wir denn eine Börsenreform? Hoch nicht der Bankiers wegen«, und forderte eine stärkere Berücksichtigung der »produzierenden und konsumierenden Interessen«. 118 So Gwinner, der als Sachverständiger in der Enquete vernommen worden war, in einem Schreiben vom 11.12.1907 an Reichskanzler Bülow. Siemens, der ebenfalls von der Kommission befragt worden war, bekannte gegenüber Gwinner; »In die Mausefalle geh* ich nicht wieder«. BA Potsdam, Reichskanzlei. Die Banken, Nr. 350 a, S. 356 (I lervorhebung im Orig.). 119 Die Freisinnige Zeitung (13.4.1892) hielt die gesamte Enquete denn auch für »Im Zuschnitt verfehlt« (so der Titel eines Kommentars), und monierte neben der Zusammensetzung und Größe der Kommission auch den Fragebogen, der den Sachverständigen vorgelegt worden war. 120 FZ (18.11.1894).

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deutschen Wirtschaft das kostbare »soziale Kapital«, über das manche große Bankiers verfügten (und das sie sich viel Geld hatten kosten lassen), entwertet. Die Börsenenquête von 1892/93 hatte sich um »die Lösung eines socialpolitischen Problems, um den Schutz der wirtschaftlich schwachen und unerfahrenen Personen gegen Ausbeutung durch ökonomische Überlegenheit und größere Geschäftsgewandtheit« bemüht.121 Das im Juni 1896 verabschiedete Börsengesetz verfolgte jedoch andere Ziele. Die Mehrheit aus beiden konservativen Parteien, Zentrum und Nationalliberalen, die nach Caprivis Sturz im Zeichen der Sammlungspolitik die Wirtschaftsgesetzgebung bestimmte, konzentrierte sich nicht auf einen verbesserten Schutz für die Bankkunden, sondern darauf, der Masse der Bürger den Zugang zur Börse als unmoralischer Anstalt zu verwehren. Seine Kernpunkte waren neben dem Verbot des Terminhandels in Getreide und Mühlenprodukten, das die Produktenbörse betraf,122 erstens das Verbot des Terminhandels in den Anteilen von Bergwerks- und Industrieunternehmen - in diesen Werten fand das Gros des Terminhandels statt -, und zweitens die Einfuhrung des Börsenregisters.123 Vom Terminhandelsverbot versprach man sich zum einen das Verschwinden unerwünschter Kursschwankungen, die angeblich die betroffenen Firmen (besonders die Großunternehmen der Schwerindustrie) schädigten,124 zum anderen das Fernhalten des Privatpublikums von der Börse, das dort ob seiner unzureichenden Kenntnisse teilweise hohe Verluste erlitten hatte.125 121 Knipper,$. 1. 122 Die Diskussionen um die Stellung der Produktenbörsen spielten für das Bankwesen lediglich eine marginale Rolle und werden hier nicht weiter verfolgt. Im Übrigen waren die Interessen der Produktenhändler die ersten, die von CVBB fallengelassen wurden. Riesser machte auf dem zweiten Bankiertag deutlich, daß der Bankenverband Fragen des Warenterminhandels nicht behandeln werde. 2. Bankiertag, S. 5 123 Bis dahin wurden von den über 1200 an der Berliner Börse notierten Wertpapieren 73 auf Termin gehandelt, darunter 12 in- und ausländische Bankaktien und 11 in- und ausländische Industrieaktien. Erst die Einschreibung beider Seiten eines Börsengeschäfts ins Börsenregister machte von nun an die verbleibenden Termingeschäfte (z. B. in Bankaktien) rechtsgültig, allerdings ohne daß bei Unterlassung eine Strafandrohung gestellt wurde. Fehlte die Eintragung einer Seite ins Register, war es möglich, Registereinwand zu erheben und das Geschäft nachträglich für ungültig zu erklären. Schon vor 1896 war es bei Termingeschäften möglich gewesen, gem. § 764 HGB nachträglich DirTerenzeinwand zu erheben, d.h. geltend zu machen, daß es sich bei einem Geschäft nicht um einen ernstgemeinten Kaufvertrag gehandelt habe, sondern um ein reines Differenzgeschäft und damit um Spiel bzw. Wette, denen die Rechtskräftigkeit fehlte. 124 Vgl. Ernst Koenigs (Schaafïhausen'scher BV) in den Sachverständigenvernchmungen der Börsenenquête, S. 1929. Die Industriellen waren über das Verbot des Terminhandels übrigens keineswegs einer Meinung: Während sich der Langnam-Verein gegen ein Verbot aussprach, wurde ein solches vom Verein für die bergbaulichen Interessen des Oberbergamtsbezirks Dortmund (dem die meisten der betroffenen Unternehmen angehörten) befürwortet. Knipper, S. 7-9 und S. 78. 125 Der Terminhandel eignete sich neben der hohen Standardisierung der Geschäftsabläufe v.a. wegen der geringen Kapitaleinschüsse zur Spekulation. Schon Otto Glagau hatte wegen der Gefahren für das Publikum ein Verbot des »Differenz- oder Spielgeschäfts« gefordert; und auch die Börsenenquêtekommission machte in ihrem Bericht den »moralische]n] und finanzielle[n]

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Die tatsächlichen Folgen des Terminhandclsverbots waren vielfältig, aber keineswegs beabsichtigt - außer von denen, die ohnehin der Meinung waren, »daß die Börse bluten müsse«.126 Die Spekulation von Privatleuten verlegte sich auf ausländische Börsen und vor allem auf in Deutschland nicht gehandelte Goldshares, mit dem Effekt, daß diese Anleger viel Geld verloren. Die Spekulation in Industrie- und Montanwerten wandte sich vom Termin- zum Kassageschäft. Da hier die Bezahlung der Stücke täglich zu erfolgen hatte, waren erheblich höhere Kapitalien notwendig als beim Terminhandel, wo die meisten Geschäfte zu Ultimo kompensiert und nur die Differenzen bezahlt werden. Die Konsequenz steigenden Kapitalbedarfs waren höhere Zinsen am Geldund am Kapitalmarkt.127 Außerdem führte die Verdrängung des Terminhandels durch das Kassageschäft zu weitaus größeren Kursausschlägen als vor Inkrafttreten des Gesetzes, erstens weil die berufsmäßige (von kleinen Privatbankiers ausgeübte) Tagesspekulation, die sogenannte »Kulisse« entfiel, die bislang durch ihr Bestreben, noch kleineste Kursschwankungen auszunutzen, eine Nivellierung der Kurse bewirkt hatte, und zweitens weil die üblichen Sicherungskontrakte, die der Terminhandel ermöglicht hatte, nicht mehr abgeschlossen werden konnten und der Kassahandel sich zwar für Hausse-, nicht aber für Baisseengagements eignet, so daß schon ein kleines Überangebot zu hohen Kursstürzen führte.128 Auch für die Privatspekulanten wurden die Risiken größer und nicht, wie angenommen, kleiner, denn wirklich existenzgefáhrdende Verluste erwuchsen ihnen aus dem Kassa- und nicht aus dem Termingeschäft.129 Die Verdrängung des Terminhandels durch das Kassageschäft war das große Problem der mittleren und kleinen Privatbankiers, deren Kapital bei dem nun auftretenden enormen Geldbedarf weder für das Eigengeschäft noch für Vorschüsse an ihre Kundschaft ausreichte. Viele hundert kleine Bankiers in Provinzstädten und -Städtchen hatten bislang davon gelebt, die Vermögen von Offizieren, Grundbesitzern, Beamten und des akademischen Mittelstandes zu Ruin, in den zahllose Familien durch Betheiligung an Spielgeschäften jährlich gebracht würden«, als zu beseitigenden Mißstand aus. Glagau, Berlin, S. 310; Bericht der Börsenenquêtekommission, S. 109. 126 Zitiert nach: 1. Bankiertag, S. 57. Führende Bankiers wie Schinckel, Riesser oder Mueller lagen nicht falsch, als sie den Bankenkritikern und Befürwortern des Börsengesetzes unterstellten, sie zielten auf die Verlangsamung der wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands durch die Abschnürung der Börse. Der Zentrumsabgeordnete Wilhelm Schwarze hatte gefordert, die Börse »zum Verbluten, zum Absterben zu bringen«. 2. Bankiertages, S. 13, S. 25f; RT, 9. Leg.-Per., II. Session, 1893/94, S. 2278. 127 Bank-Archiv 6 (1907) Nr. 23, S. 296; 2. Bankiertag, S. 25 (W. Mueller). 128 Zum entgegengesetzten Ergebnis kommt Wetzel, S. 270-290, der selbst für eine Untersuchung der Kursausschläge die Verwendung täglicher Zeitreihen fordert, dannjedoch die Schwankungen im Kursverlauf nur auf der Basis von Monatsdaten verfolgt. Die zeitgenössische Kritik an den Auswirkungen des Börsengesetzes läßt sich auf diese Weise nicht entkräften. 129 Die Bank 1 (1908) S. 15.

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verwalten, ihnen Wertpapiere zu verkaufen und diese zu verwahren und für sie Börsengeschäfte abzuschließen. Für sie »bildete das Kommissionsgeschäft, die kommissionsweise Vermittlung des An- und Verkaufs von Wertpapieren und die mit der Effektenverwaltung zusammenhängenden weiteren Transaktionen die eigentliche Grundlage«.130 Diese geschäftliche Basis verloren sie nun. Die Aktienbanken dagegen begannen bereits im Vorfeld der Rcichstagsverhandlungen, als ein Verbot des Terminhandels absehbar war, mit umfangreichen Kapitalerhöhungen.131 Als Kreditgeber der Börse konnten sie durch ihre Kapitalkraft ihre Position sogar noch stärken und profitierten damit von diesen Auswirkungen der Börsengesetzgebung.132 Prohibitiven Charakter besaß auch die Einführung des Börsenregisters. Es sollte nach den Worten des freikonservativen Abgeordneten Arendt »den Charakter einer schwarzen Liste« haben und durch allerlei Unzuträglichkeiten für den Inskribenten der Abschreckung von potentiellen Börsenkunden dienen.133 Das Privatpublikum konnte daher auch nicht dazu bewegt werden, sich in das Register eintragen zu lassen, da es »mit den gesellschaftlichen Ansichten [sie!] im allgemeinen nicht vereinbar sei, ... eine Person, welche in ihrem Berufe nichts mit der Börse zu thun hat, durch ein derartiges öffentliches Register als ein Börsenspekulant« zu bezeichnen.134 Außerdem ermöglichte es die Nichteintragungdem Privatspekulanten, ein verlustbringendes Spekulationsgeschäft im nachhinein als ungesetzlich anzufechten, nachdem das Reichsgericht in zwei Urteilen festgestellt hatte, daß auch diejenigen Surrogatgeschäfte des Terminhandels, die an der Börse zwischenzeitlich kreiert worden waren, aber nicht in der in § 48 des Börsengesetzes enthaltenen Definition ausgeführt wurden, »nach ihrer wirtschaftlichen Natur« als Termingeschäfte zu gelten hätten und der Registerpflicht unterlägen, denn »der Gesetzgeber würde auch diese Geschäfte ausdrücklich getroffen haben, wenn er ihre Einkleidung in die jetzi-

130 Robert Franz, Stellung und Aufgaben des Privatbankiers im heutigen Wirtschaftsleben, in: Deutscher Oekonomist Nr. 1549 (7.9.1912); Loeb, Wirkungen des Börsengesetzes, S. 726, S. 736. 131 Die 11 im Jahre 1896 in Berlin vertretenen Aktienkreditbanken des Samples erhöhten in nur drei Jahren (1896, 1897 und 1898) ihr Grundkapital von 597 Mio. M um nicht weniger als 271 Mio. M auf 868 Mio. M. Diese Kapitalerhöhungen wurden überwiegend mit dem aus dem Börsengesetz folgenden erhöhten Kapitalbedarf begründet. (GB Deutsche Bank für 1896; GB Mitteldeutsche CB für 1897). 132 Plutus (21.9.1912), S. 720. 133 »Die Privatleute, die sich in das Börsenregister haben eintragen lassen, werden sich nicht darüber beklagen können, wenn ihnen z. B. der Kredit nicht gegeben wird, den sie sonst als vertrauetisxinirdige Leute haben würden. Also dem Privatpublikum gegenüber hat diese Liste einen abschrekkenden Charakter, und das gerade ist ihr Werth«. RT, 9. Leg.-Per., Session, S. 2l8f. (Hervorhebungen vom Vf.). 134 Knipper, S. 6. Zwischen 1896 und 1904 hatten niemals mehr als 36 Privatpersonen im Deutschen Reich in die Börsenregister eintragen lassen. Bank-Archiv 3 (1910), S. 38.

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ge Rechtsform vorausgesehen hätte«.135 Die Folge war, daß wiederholt Privatspekluanten gleichzeitig in einem Papier à la hausse und à la baisse spekulierten und im nachhinein dasjenige Geschäft, bei dem die Verluste angefallen waren, durch Geltendmachen des Registereinwandes für ungesetzlich erklären ließen, was darauf hinauslief, »eine Prämie auf die Verletzung von Treu und Glauben« auszusetzen.136 Weil außerdem keine Einspruchsfrist für das Geltendmachen des Register- wie des Differenzeinwands fixiert worden war, galt nur die 30 jährige zivilrechtliche Verjährungsfrist. Die folgende Rechtsunsicherheit über abgeschlossene Geschäfte machte es möglich, daß noch Liquidatoren, Erbengemeinschaften und Testamentsvollstrecker die mißglückten Terminspekulationen der längst Verstorbenen vor Gericht erfolgreich als ungültig anfechten konnten. Der Anteil der wirklich angefochtenen Termingeschäfte ist nicht mehr zu beziffern. Entscheidend ist jedoch, daß für einen vitalen Sektor des Bankgeschäfts keine Rechtssicherheit mehr bestand.137 Unter den berufsmäßigen Börsenhändlern waren weder die kleinen Bankiers der großen Börsenplätze noch die Provinzbankiers, welche die Aufträge des Privatpublikums entgegennahmen, bereit, sich ins Börsenregister eintragen zu lassen, »weil der wesentlichste Teil ihrer Kundschaft, die Privatpersonen, sich nicht eintragen Hess, das Börsenregister aber nur im Falle des Eintragens beider Teile einigermaßen rechtlichen Schutz gewährt«.138 Die kleineren Berufshändlcr setzten dem Eintrag ins Börsenregister daher erbitterten Widerstand entgegen.139 So verwundert es nicht, daß die Zahl der Registereintragungen (vor allem in Süddeutschland) verschwindend niedrig blieb. 14° Eingeklemmt zwischen Skylla - der Tatsache, daß durch »die Eventualitäten der Reichsgerichtsjudikatur, von der man nachgerade sich gewöhnt hat, auch das Unerwartetste Ereignis werden zu sehen«,141 die weitaus meisten Terminge135 Es handelte sich um die Urteile vom 12.10.1898 und vom 25.10.1899. Abgedruckt in den DRT, 11. Leg.-Per., I. Session 1903/04, Nr. 244 S. 1061-1070; vgl. auch Knipper, S. 65f Zur Kritik an der Rechtsprechung des Reichsgerichts vgl. das Urteil des großen Rechtspositivisten Paul Laband: »Es gilt nicht, was der Gesetzgeber gesagt hat, sondern was er hätte sagen sollen, was er gesagt haben würde - wenn er nämlich der Ansicht des Reichsgerichts gewesen wäre«; in: Deutsche Juristen-Zeitung (1904), S. 275. 136 Bank-Archiv 6 (1907) Nr. 23, S. 295. 137 Vgl. die Klagen in den Geschäftsberichten pro 1899 folgender Banken: Nationalbank für Deutschland, ADCA, Disconto-Ges., BHG und Mitteldeutsche CB. 138 Resolution zur Revision des Börsengesetzes; 1. Bankiertag, S. 102. 139 Adolph Frenzel und Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy, die in der Enquêtekommission für die Einführung des Börsenregisters gestimmt hatten, wurden deshalb beide im Dezember 1894 aus ihren Ämtern als Alteste der Berliner Kaufmannschaft abgewählt. Kaufmannschaft von Berlin, S. 323f. 140 In München hatte nach dem Geschäftsbericht der Bayerischen Hypo für 1897 »Das Börsengesetz ... sich keine Freunde erwerben können, es sind ihm nur Gegner erwachsen und hier ist in das Börsenregister keine einzige Firma eingetragen.« 141 Bank-Archiv 6 (1907) Nr. 23, S. 302; 2. Bankiertag, S. 19.

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schäfte rechtlich ungültig waren - und Charybdis (dargestellt von der Unmöglichkeit, Kassageschäfte zu betreiben), nahmen sie die Terminordres ihrer Kundschaft an und schlossen selbst Zeitgeschäfte mit den Banken an den großen Börsenplätzen ab.142 Diese Strategie versetzte sie in die Lage, für den Fall, daß der Privatkunde den DirTerenzeinwand geltend machen sollte, diesen Einwand selbst gegenüber der Großbank zu erheben. Tab. 15: Eintragungen in das Börsenregister für den Handel in Wertpapieren (jeweils 1.Januar):

Im gesamten Reichsgebiet In Berlin In Frankfurt In Hamburg

1897

1898

1899

1900

94 18 6 63

195 40 3 138

175 34 2 127

175 41 2 118

Quelle: Knipper, S. 69.

Als im Jahre 1900 der Zenit der Hochkonjunktur überschritten war und die Anleger, die sich an der seit 1897 ununterbrochenen Haussebewegung stark beteiligt hatten, bei sinkenden Kursen vermehrt Einwand wegen Nichtregistrierung erhoben, wurden erstmals auch die großen Berliner Banken, die bislang zumindest teilweise von den Folgen des Börsengesetzes noch profitiert hatten, massiv von der mangelnden Rechtssicherheit ihrer Geschäfte berührt. Da zahlreiche kleinere Firmen das Risiko des Differenzeinwandes an die Großbanken abwälzten, beschlossen am 8. September die Banken der Berliner Stempelvereinigung, mit »bindender Kraft für alle ihre Mitglieder, daß dieselben sich, soweit das nicht bereits geschehen, in das Börsenregister für Wertpapiere eintragen lassen, und mit solchen Bankiers oder Börsenbesuchern, die nicht in das Börsenregister eingetragen sind, keine Zeitgeschäfte in Wertpapieren eingehen oder bestehende Zeitgeschäfte prolongieren sollten«.143 In Berlin mußten sich daraufhin viele kleine Bankiers, die abhängig waren von den Krediten der großen Banken, zähneknirschend in das Börsenregister eintragen lassen, so daß die Zahl der Registrierungen in ganz Deutschland von 175 am 1. Januar 1900 auf 390 ein Jahr später anstieg.144 Die großen Berliner Banken waren zwar in der l42Sr/wefer.S.82.

143 Zitiert nach Knipper, S. 70. 144 DRT, 11. Leg.-Per., I. Session 1903/04, Nr. 244 S. 1050. Die Stempclvereinigung hatte bereits Ende 1896 erstmals Gespräche mit dem Verein der Berliner Fondsbörse aufgenommen, um dessen Mitglieder zur Registereintragung zu bewegen, doch der Verein stimmte geschlossen gegen die Eintragung. Wie weit die Verbitterung unter den kleineren Börsenfirmen über diesen

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Lage, vorübergehend weiten Teilen des deutschen Bankwesens ihre Bedingungen aufzuzwingen, und sie konnten ihre Interessen gegen die kleinerer Banken durchsetzten, weil ein großer Teil ihrer Kundschaft aus Provinzbanken bestand, die ihrerseits zur Erfüllung der Orders ihrer Kundschaft auf kapitalkräftige Partner in Berlin angewiesen waren. Doch schon zwei Monate später brach die Front zusammen. Zahlreiche Provinzbanken hatten ihre Geschäftsverbindungen gekündigt, und die Stempelvereinigung hob ihren Beschluß auf145 Die ökonomische Macht der großen Berliner Banken hatte nicht ausgereicht, um die Folgen des Börsengesetzes einseitig auf die kleineren beziehungsweise die Provinzinstitute abzuwälzen. Diese Konflikte schieden die großen Berliner Institute der Stempelvereinigung, die kapitalkräftig genug waren, den Übergang vom Termin- zum Kassahandel zu verkraften, und die von der Ausschaltung der Konkurrenz profitierten, von den kleineren hauptstädtischen und den Provinzfirmen.146 Während letztere unter dem Wegfall des wenig kapitalintensiven Terminhandels litten und gezwungen waren, gegenüber ihrer schrumpfenden Kundschaft nicht auf deren Eintrag ins Börsenregister zu bestehen, um überhaupt Geschäfte machen zu können, stellte sich den großen Berliner Banken vordringlich das Problem der Rechtssicherheit im Verkehr mit ihren nicht ins Börsenregister eingetragenen Kunden. Angesichts dieser Gegensätze drängt sich die Frage auf, welche Richtung der sechs Monate später gegründete Centraherband einschlagen würde. Nachdem der Versuch eines ökonomischen Alleingangs der Stempelvereinigung offensichtlich gescheitert war, setzte die Hochfinanz auf die vollständige Zusammenfassung der Bankwelt zu einem von ihr dominierten Verband, der gleichwohl als Intcressenvertreter des »gesamten Bankierstandes« öffentlich auftreten konnte, um so auf politischem Wege zu einer Befreiung von den ihr mit dem Börsengesetz auferlegten Lasten zu gelangen. Die Hochfinanz tat in der Folge alles, um die Einheit des Berufsstandes zu unterstreichen. Johannes Kacmpfvon der Darmstädter Bank beteuerte: »Unter den Fehlgriffen der Gesetzgebung, unter denen Sie so sehr gelitten haben, hat Schritt der »Stempelvereinigung« ging, zeigt die Tatsache, daß Max Winterfeld, Geschäftsinhaber der BMG und einer der prominentesten Vertreter der Hochfinanz, 1898 als Ältester der Berliner Kaufmannschaft nicht wiedergewählt wurde, weil er die Eintragung aller Börsianer ins Börsenregister gefordert hatte. BT (27.11.1898). 145 In Frankfurt, Bremen, Dresden, Elberfeld und anderen Orten war es sogar zu förmlichen Zusammenschlüssen gegen die Banken der Stempeh'ereimgtmg gekommen. V.a. der Druck der großen Provinzbanken dürfte zu diesr Entscheidung heigetragen haben. BA Potsdam, RSA Nr. 1660 (14.11.1900); GB der ADCA pro 1900. 146 Der Direktor der Hamburger Maklerbank, Friedländer, behauptete, daß »durch das Börsengesetz nicht die grossen Banken und unsere ersten Bankierfirmen geschädigt worden sind, sondern ganz allein der Mittelstand unseres Cìewerbes und die sogenannte kleine Börse«. 2. Bankiertag, S. 32.

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dergesamte deutsche Handelsstand gelitten«.147 Gleichzeitig wurde die Marktaggressivität der Großbanken und ihr Profitieren von den Auswirkungen des Gesetzes teils als »naturnotwendig«, teils als bedauerlich verharmlost. »Den grossen Banken ... ist gewiss kein Vorwurf zu machen«, meinte Schinckel. »Die grossen Banken haben nur ihre wirtschaftliche Aufgabe erfüllt, als sie mehr der Not gehorchend sich ausdehnten, um den von der Börse vertriebenen Verkehr bei sich aufzunehmen«.148 Eineinhalbjahre nach der Gründung des Centralverbands fand in Frankfurt der Erste Allgemeine Deutsche Bankiertag statt, der ganz im Zeichen einer Demonstration der Einigkeit des Bankierstandes stand. Zu dieser Zeit hatte der CVBB erst rund 600 Mitglieder, und noch zeigte sich ein großer Teil der Privatbankiers nicht bereit, dem Verband beizutreten.149 Der Bankiertag verabschiedete einstimmig eine Resolution zur Novellierung des Börsengesetzes, die durch ihre Maximalforderungen sämtliche Interessen der Bankwelt zu befriedigen suchte.150 Doch war den meisten Bankiers klar, daß der Reichstag der »Kardorff-Mehrheit« dieses Maximalprogramm kaum erfüllen würde. Deshalb entwarf die Resolution zugleich ein Minimalprogramm, dessen Umsetzung den kleinen Bankiers nur wenig geholfen, die Probleme der Großbanken - die mangelnde Rechtssicherheit im Verkehr mit ihrer Privatkundschaft - dagegen weitgehend gelöst hätte.151 Riesser plädierte gegenüber dem nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Otto Büsing, der die Reform des Börscngesetzwesens unterstützte, bereits im März 1902 angesichts der ablehnenden Haltung der Reichstagsmehrheit für ein Verschieben des Novellierungsversuchs.152 Tatsächlich wurde dem Reichstag erst im April 1904 ein Entwurf zur Novellierung des Börsengesetzes vorgelegt. Er ähnelte weit mehr dem Minimal- als 147 3. Bankiertag, S. 7 (im Orig. gesperrt). 148 2. Bankiertag, S. 17. Ähnlich Mueller (S. 21) und Riesser (3. Bankiertag, S. 22). 149 In einem Leserbrief an das Bank-Archiv (1 1902, S 69.) setzte sich der Berliner Privatbankier Alfred Neumann mit der weitverbreiteten I laltung auseinander, »dass ein Privatbankier keinen Anlaß haben kann, für einen Verband einzutreten, der augenscheinlich nur den Interessen der Grossbanken diene«. Die Kritiker des CVBB könnten sich jedoch nicht dem Zug der Zeit entgegenstellen: »Dasjenige Gewerbe, derjenige Berufsstand, der sich heute nicht korporativ zusammenschließt, um mit Wucht und Nachdruck den gesetzgebenden Faktoren seine Wünsche und Forderungen da zuzurufen, wo die Stimme des Einzelnen ungehört verhallt, wird an die Wand gedrückt«. 150 Die Resolution forderte u. a. die Abschaffung des Börsenregisters, die Streichung des Terminhandelsverbots in Bergwerks- und Industriepapieren sowie in Getreide- und Mühlenfabrikaten und die Streichung des § 764 BGB (DífYerenzeinwand bei Spiel und Wette). 1. Bankiertag, S. 102. 151 Das Minimalprogramm enthielt die Forderung nach einer Definition des Termingeschäfts in § 48 BG, Aufhebung des Registerzwangs zur Sicherstellung der Rechtsgültigkeit abgeschlossener Geschäfte für ins Handelsregister eingetragene Kaufleute und gewohnheitsmäßige Börsenbesucher, zivilrechtliche Gültigkeit abgeschlossener Geschäfte unabhängig vorn Börsenterminhandelsverbot und Beschränkung der Einspruchsfrist. 1. Bankiertag, S. 102. 152 A/cicr, S. 35Of.

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dem Maximalprogramm des ersten Bankiertages und entsprach am ehesten den Interessen der großen Berliner Institute.!:>3 Das Bank-Archiv als offizielles Organ des CVBB empfahl in drei Leitartikeln, den Entwurf trotz seiner Mängel nicht a priori zu verwerfen, sondern darauf zu hoffen, daß die Mehrheit im Reichstag über die Regierungsvorlage zur Börsenreform hinausgehen werde.154 Hals über Kopf berief der Centraluerband einen neuen Bankiertag ein, um zum Regierungsentwurf Stellung zu nehmen. Die Referate hielten Schinckel (Norddeutsche Bank), Wilhelm Kopetzky155 und Waldemar Mueller (Dresdner Bank). Kein einziger kleiner oder mittlerer Bankier kam zu Wort. Schinckel und Kopetzky sprachen sich deutlich für eine Unterstützung des Regierungsentwurfs aus.156 Bei dieser massiven Fürsprache und einer exzellenten Konferenzregie1;>7 nimmt es nicht wunder, daß der Bankiertag einstimmig eine Resolution annahm, die einmal mehr zweigeteilt war in Maximal- und Minimalforderungen. Der interessantere zweite Teil konstatierte, »dass die dem Reichstag vorgelegte Novelle zum Börsengesetz geeignet ist, wenigstens den unerträglichsten Missständen, zu denen das Börsengesetz und seine Auslegung Anlass gegeben hat, ein Ende zu machen«, sofern noch einige Änderungen erfolgten. Diese bestanden wesentlich nur in einer schärferen Fassung der Vorschläge der Regierungsvorlage.158 Als die Kommissionsverhandlungen im Reichstagjedoch hinter den Regierungsentwurf zurückzufallen drohten, weil Zentrum und Konservative mit Rücksicht auf ihre ländlichen Wähler, denen sie das Börsengesetz von 1896 als großen Erfolg präsentiert hatten, jede substantielle Reform verweigerten, brach hinter den Kulissen der Gegensatz zwischen den großen Berliner und den kleinen und Provinzbanken erneut auf Arthur Salomonsohn (Disconto-Gesellschaft) drängte namens des CVBB gegenüber dem preußischen Handelsminister auf die Annahme der Regierungsvorlage. Auf der anderen Seite vertrat Max Warburg gegenüber dem Reichstagsmitglied Otto Büsing die Ansicht, daß es besser sei, die Reform vorerst ganz 153 Die entscheidenden Änderungen befanden sich nun in den §§ 67a und 68a, die es ins Handeslregister eingetragenen Kaufleuten unmöglich machten, die Erfüllung eines Börsengeschäfts zu verweigern, auch wenn sie nicht ins Börsenregister eingetragen waren, und eine Einspruchsfrist von sechs Monaten festlegten. 154 Bank-Archiv 3 (1903/04), S. 37-40, S. 85-87 u. S. 105-107. 155 Inhaber des Bankhauses Kopetzky & Cie., einer der größten Berliner Banken außerhalb des Preußenkonsortiums. Einer seiner Sozien war Carl Brettauer, der 1897 seine Teilhaberschaft bei J . Drcyfus & Co. mit einem Vorstandssessel der Commerz DB vertauscht, diese aber bereits ein Jahr darauf wieder verlassen hatte. 156 2. Bankiertag, S. 18. 157 Ohne daß Riesser alsVersammlungsleiter inhaltlich in die Debatte eingegritTen hätte, steuerte er über die Auswahl der Redner deutlich die Richtung der Diskussion. 2. Bankiertag, S. 32-37. 158 U.a. forderte die Resolution eine kürzere Einspruchsfrist, die Ausdehnung von § 67a auch auf Personen, die »gewohnheitsmäßig Börsengeschäfte abschließen« und eine Verbesserung der Position des Gläubigers bei Geltendmachen des Registereinwands seitens des Schuldners.

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scheitern zu lassen, als noch hinter die Regierungsvorlage zurückzufallen. Der nächste Konjunkturrückschlag komme bestimmt und werde jedermann die Notwendigkeit einer umfassenden Novelle vor Augenfuhren; »wenn ... nur einige Giftzähne des alten Gesetzes ausgezogen werden, wird uns auf sehr lange Zeit der hauptsächlichste Agitationsstoff genommen, um eine gründliche Änderung des Börsengesetzes zu erreichen; wenn die Regierung anfängt, sich auf Kompromißverhandlungen einzulassen, werden wir schließlich ein solches Gesetz bekommen, mit welchem sich unmöglich arbeiten läßt.« Warbug wies daraufhin, daß es »außerordentlich kurzsichtig [sei] ..., wenn die Großbanken, weil durch eine weitere Schwächung der Kulisse ihr Geschäft in gewisser Beziehung vergrößert wird, einen anderen Standpunkt einnehmen als den oben skizzierten, und es würde auch dem einstimmigen Beschluß der Banken und Bankiers auf dem letzten Bankiertage in Berlin widersprechen, wenn von irgend einem der Fachgenossen ein anderer Standpunkt eingenommen werden würde.«159 Den großen Banken waren die Bestimmungen des Börsengesetzes zwar äußerst lästig, aber sie profitierten auch von ihren Wirkungen.160 Dagegen bedrohte der Wegfall des Terminhandels und die Abwanderung ihrer Kundschaft die Existenz der kleinen Banken. Nicht umsonst gaben zahllose kleinere Bankiers in dieser Zeit ihr Geschäft auf, worüber die Leiter der Großbanken auch regelmäßig Krokodilstränen vergossen. Es sollten noch vier Jahre und ein weiterer Bankiertag vergehen, bis das Börsengesetz endlich mit dem Gesetz vom 8. Mai 1908, dem die liberalen und konservativen Parteien des Bülow-Blocks und selbst die antisemitische Wirtschaftliche Vereinigung zustimmten, novelliert wurde. Zum guten Ende wurde es, wie ein unabhängiger Beobachter feststellte, »entsprechend den Wünschen 159 GSTA Dahlem Rep. 120 C XI 1 Nr. 28 Bd. 10, Salomonsohn an Moeller (20.4.1905); Warburg an Büsing (16.3.1905). - Büsing war Direktor, Moritz Warburg AR der Mecklenburgischen Hypotheken- und Wechselbank. - In gleicher Weise hatte sich MdR Semler (natlib) gegenüber Büsing ausgesprochen: »Es ist ja Tatsache, daß die großen Bankhäuser, speziell die Deutsche Bank, mit dem heutigen gesetzlichen Zustand sich abfinden können und daß sie jede kleine Erleichterung als eine Verbesserung hinnehmen möchten, aber ich würde es doch außerordentlich beklagen, wenn im Gegensatz zu der vornehmen Übereinstimmung aller Bankierkreise auf dem Bankiertagjetzt der Gegensatz zwischen Großbanken und Provinzbankiers beziehungsweise zwischen den Großbanken und der Kulisse in den Vordergrund treten müßte. Das ist ja aber unvermeidlich, wenn jetzt Nebenbestimmungen getroffen werden, die zwar den Großbanken willkommen sind, aber absolut nicht dazu ausreichen, um die Kulisse und damit den Effektenmarkt an den kleinen Börsen oder in den Handelsstädten wieder herzustellen.« Ebd. (15.3.1905, Abschrift MM Warburg & Co.). 160 Ein Punkt, der fast gar keine Beachtung erfuhr, war der § 39 des Börsengesetzes, der bestimmte, daß Banken Aktien neu gegründeter Gesellschaften mindestens 1 Jahr in ihrem Portefeuille halten mußten, bevor sie sie an die Börse bringen konnten. Nur sehr kapitalkräftige Institute waren dazu in der Lage, was die die kleineren Institute und bei den großen, besonders lukrativen Umwandlungen auch die Mittelbanken mehr und mehr aus dem Emissionsgeschäft verdrängte. Auf keinem der Bankiertage wurde dieses Problem auch nur erwähnt. Die Dresdner Bank gewann dieser Entwicklung dagegen Vorteile ab. GB Dresdner Bank 1898.

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des gesamten Standes abgeändert«.161 Der Gesetzentwurf war im preußischen Handelsministerium unter Hinzuziehung des Börsenkommisars und des Reichstagsmitgliedes August Weber, damals Direktor der Löbauer Bank und später Vorstandsmitglied der Mitteldeutschen Crcditbank, ausgearbeitet worden.162 Daß Konservative und Antisemiten der Novelle zustimmten, obwohl es sich wirklich um eine durchgreifende Reform zu Gunsten der Bankwelt handelte, hatte verschiedene Gründe. Vor allem hatte sich die politische Großwetterlage durch das Zusammenkommen des Bülow-Blocks geändert, dessen Geschäftsgrundlage darin bestand, die Handelspolitik nicht gegen die Interessen der Agrarkonservativen zu ändern, dafür aber den Liberalen auf dem Gebiet des Reichsvereinsgesetzes und der Börscngesetznovellierung entgegenzukommen.163 Bülow selbst hatte im Februar 1907, als er dem neugewählten Reichstag sein politisches Programm vorstellte, eine Reform des Börsenwesens »im Interesse des Staatskredits« angekündigt.164 In der Tat dürfte dieses Argument die stärkste Zugkraft bei den einzelnen der Börse keineswegs wohlgesonnenen Interessengruppen gehabt haben. Bereits auf dem Berliner Bankiertag hatte Waldemar Mueller, Vorstandsmitglied der Dresdner Bank und ehemaliges Mitglied des Reichsbank-Direktoriums, eine direkte Verbindung zwischen den Auswirkungen des Börsengesetzes und dem nachlassenden Interesse des Publikums am Kauf von Staatsanleihen gesehen.165 Gerade diese technischsachverständige Argumentationsweise, unterfüttert mit reichlich statistischem Material, dürfte dem CVBB am Ende zum Erfolg verholfen haben, und gab so auch seinem Vorsitzenden Riesser Recht, der die Interessenvertretung des Verbandes nicht durch »Schreien«, sondern durch die Verbreitung von Expertenwissen betreiben wollte. Dazu gehörte auch die Mobilisierung der Handelskammern, die den preußischen Handelsminister mit Eingaben zur Revision des Börsengesetzes förmlich bombardierten.1Wl Sie gehörten in großer Zahl korporativ dem CVBB an, und die Großbankiers zählten zu ihren prominentesten Mitgliedern. Im Kern brachte die Novelle die Aufhebung des Terminhandelsverbots in Fabrik- und Bergwerkspapieren und des Börsenregisters und verbesserte die rechtliche Gültigkeit abgeschlossener Börsengeschäfte.167 Au161 Plutus (21.9.1912), S. 720. 162 Weber, Rückblick und Ausblick, S. 71. 163 Witt, Finanzpolitik, S. 161; Stegmann, Erben Bismarcks, S. 26f; Eschenburg, S. 101. Vgl. auch die Rede des MdR Frank (SPD) RT, 12. Lee.-Per., II. Session 1909/11, S. 4566. 164 RT, 12. Leg.-Per., I. Session, 1907/08, S. 38. 165 Nach Muellers Angaben hatten die vielen Privatspekulanten Staatsanleihen als Unterpfand für ihre Terminspekulationen in Industriepapieren in ihren Depots liegen. Nach dem Übergang zum Kassageschäft wurden größere Kapitalien zur Spekulation notwendig, und die Anleger verkauften ihre Staatspapiere. 2. Bankiertag, S. 24f 166 GStA Dahlem Rep. 120 C X I 1 Nr. 28 Bd. 10. 167 Eine kurze Erläuterung der Novelle veröffentlichte der Kölner Oberlandesgerichtsrat Neukamp im Bank-Archiv 7 (1908), S. 209-211.

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ßerdem brauchten die Agrarkonservativen das Terminhandelsvcrbot für Getreide und Mühlenprodukte nicht preiszugeben. Wilhelm II. soll vor allem das Argument überzeugt haben, daß die deutschen Börsen seit 1897 massiv an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren hatten, so daß der Londoner Platz vom deutschen Börsengesetz profitiert habe.16* Das war übrigens auch die Argumentation der liberalen Imperialisten wie Siemens oder Max Weber. Der Centralverband hatte im Kampf um die Autonomie des Bankwesens einen großen, wenn auch keinen vollständigen Sieg errungen, denn die Organisation der Börsen beispielsweise wurde durch die Novelle nicht berührt. Die Interessengegensätze zwischen großen und kleinen Banken im Centralverband verschwanden mit der Börsennovelle nicht. Dies zeigte sich deutlich am weiteren Verlauf einer Initiative des Frankfurter Bankiertages 1902. Dort hatten zwei kleine Provinzbankiers eine Resolution eingebracht, welche die Einrichtung einer Kommission forderte, die über »das Verhältnis zu den Privatkunden schwebende Provisionsfragen, ferner den Bezug auf den Zuteilungsmodus bei Emissionen und ähnliche interne banktechnische Fragen« mit dem Vorstand des CVBB und der Stempelvereinigung verhandeln sollte.169 Der Zug der Filialgroßbanken in die Provinz hatte die Konkurrenz im deutschen Bankgewerbe enorm verschärft. Neugegründete Zweigstellen versuchten dabei regelmäßig, sich durch attraktive Geschäftskonditionen auf Kosten der eingesessenen Firmen und oft auch auf Kosten der eigenen Rentabilität ihr Terrain zu erobern. Diese Konkurrenz wurde zusätzlich angeheizt durch die Tatsache, daß die Großbanken der Stempelvereinigung für den Berliner Platz untereinander Regelungen zur Begrenzung eines Zins- und Provisionswettlaufs abgeschlossen hatten und ihre Rivalität in der Provinz um so heftiger austrugen.170 Auf drei Ebenen bedrohte das die Geschäftsmöglichkeiten der Provinzbankiers: erstens gewährten die Großbankfilialen außerordentlich hohe Habenzinsen auf Scheckkonten und Termingelder; zweitens eröffneten die Großbanken bei Provisionen für Wertpapierkommissionsgeschäfte eine erbarmungslose Preiskonkurrenz; und schließlich boten sie den Kunden viel kulantere Konditionen in der Kreditvergabe, als die Provinzbankiers das konnten.171 Diese nahmen nun den CVBB bei seinem Anspruch, »dazu beitragen zu kön168 Meier, S. 354f. Zu einer entgegengesetzten Beurteilung des Börsengesetztes von 1896 kommt Wetzet, S. 291-304, 399^404, der sogar eine zunehmende Effizienz der deutschen Börsen »unter dem Börsengesetz« konstatiert, wobei nicht immer klar wird, ob es sich um zwei unabhängige Variablen oder um eine Kausalbeziehung handelte. 169 Die Resolution wurde einstimmig angenommen. Die Kommission, die mit der Stempelvereinigung verhandeln sollte, bestand aus den Inhabern zweier mittelgroße Berliner und drei etwas kleinerer Provinzbanken. 1. Bankiertag, S. 88. 170 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 543. 171 Die Bank 6 (1913), S. 4f. Der Provisionswettlauf setzte selbstverständlich auch die anderen Berliner Banken einer ruinösen Konkurrenz aus. Im September 1895 gründeten eine Reihe mittelgroßer Berliner Banken »Kulissehäuser« (eine Kombination von Maklern und Banken), um

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nen, [daß] die Interessenkonflikte, welche heute noch vielfach zwischen Banken und Bankiers bestehen, zum Nutzen beider Teile beseitigt, oder doch ... wesentlich vermindert und gemildert werden«,172 und »die Rechte und Interessen des deutschen Bank- und Bankiergewerbes nach allen Richtungen hin zu vertreten« (§ 2 der Satzung des CVBB), und verlangten, daß der Bankenverband auf die Großbanken einwirke, um diese ruinöse Konkurrenz zu beenden. In seinem ausführlicher als sonst gehaltenen Geschäftsbericht für 1904 mußte der CVBB jedoch das Mißlingen seiner Bemühungen eingestehen.173 An zwei Punkten hatte es so ausgesehen, als könnten die Verhandlungen zwischen seinem Vorstand, der Stempelvereinigung und der Kommission zum Erfolg führen: beim Versuch, die Position der Provinzbankiers bei Wertpapieremissionen zu verbessern, und in der Provisionsfrage beim Verkehr mit Privatkunden. Bei Emissionen hatte man sich darauf geeinigt, Bonifikationen, die im Verkauf von Wertpapieren an Banken gewährt wurden, nicht an Privatkunden weiterzugeben, um so die Konkurrenz um die »Endabnehmer« zu verringern. Daß die Banken relativ schnell in dieser Frage eine Vereinbarung trafen, dürfte daran gelegen haben, daß selbst innerhalb der Hochfinanz in dieser Frage große Interessengegensätze herrschten. Auf der einen Seite standen dabei die D-Banken, Mendelssohn & Co. und S. Bleichröder, also die größten Emissionshäuser, mit ihrem Bestreben, zu emittierende Wertpapiere möglichst glatt unterzubringen, und die dazu ihren Vorteil, dem Publikum Preisnachlässe gewähren zu können, ausspielen wollten, und ihnen gegenüber die übrigen großen Banken, denen dieser Preisvorteil der ohnehin Übermächtigen ein Dorn im Auge war.174 Weil jedoch Reichsbank und Seehandlung sich jener Abmachung nicht anschlossen, um bei der Emission von Staatsanleihen freie Hand zu behalten, kam es zu keiner bindenden Vereinbarung. Noch schwieriger war eine Einigung in der auf diese Weise mit den Großbanken konkurrieren zu können. Daraufhin wendeten die Großbanken »Gewalt« an, um diesen Plan zu verhindern: Sie zogen sofort ihre kurzfristigen Gelder von diesen Firmen ab und verhängten weitere »Repressivmaßnahmen«, die zu einem quasi-Boykott führten. Einige Zeit, nachdem die mittleren Banken aufgegeben hatten, erhöhten die Großbanken dann selbst ihre Provisionen. Heinemann, S. 96f 172 So der Vorstand des CVBB in dem programmatischen Artikel »Was wir wollen«, in: BankArchiv 1 (1901), S. 2. 173 Bank-Archiv 4 (1905), S. 62 (auch für das Folgende). 174 GStA Dahlem Rep.109 Nr. 5077, Beschluß des CVBB 1903/04. Gefordert worden war eine solche Regelung von Provinzbanken, die als Emissionshäuscr bedeutender Anlagewerte auf nationaler Ebene in Frage kamen, aber nicht selbst in Berlin vertreten waren, wie z. B. der Breslauer DB, Eichborn (Breslau), der Rheinischen Disconto Ges. (Aachen), dem Schlesischen BV, Gebr. Arnhold (Dresden), von der Heydt, Kersten (Elberfeld),der ECA, Gebr. Bethmann, Speyer-Ellissen, J.S.H. Stern (Ffm), daneben auch von Banken, die durchaus mit einer Niederlassung in Berlin vertreten waren wie Schaaffhausen, die Mitteldeutsche C B und die Commerz DB, sowie von Berliner Banken, die nicht der Stempelvereinigung angehörten. Sie alle standen in Konkurrenz zu den Filialen und Depositenkassen der Großbanken, die, wenn sie die Bonifikationen an die Privatanleger weitergaben, einen unschätzbaren Preisvorteil besaßen.

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Provisionsfrage. Aus der Sicht der Stempelvereinigung hatten »Provinzialbankiers an den Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes eine ganze Reihe von Wünschen gerichtet, von denen die Mehrheit von vornherein als selbst beim besten Willen, der überall vorhanden ist, unerfüllbar abgelehnt werden mußte«.175 Zwar habe man, so der Geschäftsbericht des CVBB, den »Weg zu einem Abkommen gefunden«, doch »wurden im letzten Augenblick von einigen Seiten Schwierigkeiten gemacht, welche zu beseitigen nicht gelungen ist«. Auch der folgende Jahresbericht konnte keine Einigung vermelden.176 Tatsächlich waren es, berichtete der Berliner Privatbankier Kommerzienrat Albert Stäckel (E.J. Meyer) auf dem vierten Bankiertag 1912, keineswegs die Großbanken, sondern die Privatbankiers, die das Projekt zu Fall brachten, weil eine Reihe von ihnen erklärt hatte, sich sich unter keinen Umständen derartigen Festlegungen fügen zu wollen.177 Eine weitere Aufgabe, die sich der Centralverband seit seiner Gründung stellte, war der Kampf um die Monopolisierung des Berufsfeldes. Dabei handelte es sich in erster Linie um die Forderung nach einer Schutzbezeichnung für die Prädikate »Bankier« und »Bankgeschäft«. Hintergrund dieser Auseinandersetzung war die Praxis von Maklern, Hypotheken- und Grundstücksvermittlern sowie ehemaliger Bankiers, sich nebenberuflich Geschäften wie dem Verkauf von Effekten, dem Geldverleih oder der Aufbewahrung fremder Wertpapiere zu widmen und sich als »Bankier« zu bezeichnen. Anstoß war dabei der Umstand, daß diese »auch-Bankiers« vielfach ein unseriöses Geschäftsgebaren an den Tag gelegt hatten, die dann dem gesamten Bankierstand zugerechnet wurden.178 Praktisch versuchte der CVBB, den Begriff» Bankier« zu einem Gütesiegel für die zuverlässige Erledigung bestimmter Dienstleistungen zu machen und das Berufsfeld vor Gelegenheitsanbietern, die kein Interesse an Qualitätsstandards hatten, zu schützen. Dabei wandte sich der Centralverband dann auch gegen die »bucket-shops«,179 »Winkel-« oder »Scheinbankiers«, die ihre unwissenden Kunden zu Wertpapierkäufen animierten, diese Käufe an der Börse jedoch nicht ausführten und nur in ihren Büchern führten, weshalb sie praktisch als Buchmacher anzusehen waren. Außerdem kamen häufig betrügerische Praktiken dieser Firmen ans Tageslicht. Der Berliner Rechtsanwalt Arthur Nussbaum, ein regelmäßiger Autor im Bank-Archiv, nannte sie deswegen »Para175 GStA Dahlem Rep. 109 Nr. 5077, Vermerk der Stempelvereinigung. Die großen Berliner Banken gaben sich bereit, »erfüllbare und sachlich gerechtfertigte Wünsche der Provinzialbankiers im Interesse der Erhaltung und Stärkung des Standes, die zweifellos im öffentlichen Interesse, wie in dem der großen Banken und Bankinstitute, wie der staatlichen Institute liegt«, zu erfüllen. 176 Bank-Archiv 5 (1906), S. 82. 177 4. Bankiertag, S.121. 178 Eingabe des CVBB an das Amtsgericht Berlin; Bank-Archiv 2 (1903), S. 93f. 179 Die Zeitgenossen bemühten sich vergeblich, die Herkunft des Namens zu ergründen; vgl. die Zuschrift von C A . Wille an das Bank-Archiv 13 (1913), »Der Name bucket-shop«, S. 124.

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siten des Bankgewerbes«.180 Weil die »bucket-shops« in erster Linie eine Konkurrenz für die kleinen Privatbankiers darstellten, konnte der CVBB sich in dieser Auseinandersetzung der Unterstützung kleinerer Institute gewiß sein. Bereits im Januar 1902 fertigte Riesser für den Berliner Polizeipräsidenten ein Gutachten über die Frage der Berechtigung, jene Bezeichnungen zu führen, und geeignete Maßnahmen gegen ihren unberechtigten Gebrauch, an.181 Riesser erörterte darin eine Änderung des Strafgesetzbuches und ein Vorgehen des CVBB im Sinne des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs.182 Zwei Monate später präzisierte er unter Berücksichtigung von Rechtslage und Rechtsprechung seine Forderungen, wobei er ein Eingreifen des Gesetzgebers für nicht wünschenswert erklärte und die einzige Lösung in der Selbsthilfe der Bankiers und dem CVBB sah.183 Der Topos der Autonomie der Bankierwelt von staatlichen Interventionen zeigte sich auch auf diesem Gebiet. Tatsächlich ging Riesser in eigenem Namen wie als Präsident des Centralverbande$ wiederholt und erfolgreich in Berlin gegen Firmen vor, die sich den Status einer Bank anmaßten.184 Allerdings verzichteten die Bankiers dabei auf staatliche Unterstützung. In der Bankenquête sprachen sich Heiligenstadt (Preußische Centralgenossenschaftskasse), Mommsen und Riesser gegen gesetzlich Eingriffe aus, weil man nicht wisse, wie ein solcher Gesetzentwurf »aus dem Reichstag herauskommt« (so Mommsen in Anspielung auf die Radikalisierung der Eingriffe ins Börsenwesen, die im Verlauf des Zustandekommens des Börsengesetzes erfolgt war).185 Statt dessen wollten sie die Bekämpfung derjenigen, die nicht befugt sein sollten, sich »Bankier« zu nennen, dem CVBB (also sich selbst) überlassen. Bankiers kämpften entweder ohne staatliche Interventionen wie bei den »bucket-shops« oder gegen sie wie beim Börsengesetz.

180 Bank-Archiv 10 (1911), »Ist der Bucketshop ein Bankier?«, S. 359. Nussbaum hatte ein Jahr zuvor auch in der Zeitschrift Die Bank eine dreiteilige Artikelfolge über »Unlautere Geschäftsformen im Bankiergewerbe« veröffentlicht, die sich in erster Linie mit den »bucket-shops« beschäftigte. 181 Das Gutachten wurde veröffentlicht im Bank-Archiv 1 (1902) S. 51 f. Die Tatsache, daß der Präsident des CVBB bereits ein knappes Jahr nach Gründung des Verbandes zum offiziellen Ansprechpartner preußischer Behörden für Fragen des Bankwesens geworden war, zeigt, wie schnell es diesem gelang, als legitimer und alleiniger Sprecher des deutschen Bankwesens anerkannt zu werden. 182 Sog. »Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen« waren berechtigt, in Fällen einzuschreiten, in denen durch Täuschung der Anschein eines besonders günstigen Geschäfts erweckt wurde. 183 Bank-Archiv 1 (1902), S. 83-85. 184 Bank-Archiv 2 (1903), S. 124-126; S. l76f. 185 Bankenquête VI, S. 185, S. 209, Zitat S. 187.

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d) Hochfinanz und Politik 1908 bis 1914 Zwei Momente bestimmten das Verhältnis zwischen Bankwelt und politischer Macht nach der Novellierung des Börsengesetzes: der Konjunkturrückgang von 1907/08 und die wachsenden Ansprüche des Reiches und Preußens an den deutschen Kapitalmarkt. Die Banken sahen sich in der Folge vielfach zur Kooperation mit der Reichsbank gedrängt. Im folgenden sollen diese Maßnahmen - die Bankenquêtc von 1908/09 und die Aktivitäten des neuen Reichsbank-Präsidenten Havenstcin - vor dem Hintergrund der Interessen und Einstellungen der Hochfinanz und weiterhin das Kräfteverhältnis zwischen den Kontrahenten diskutiert werden. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, inwieweit das Wechselspiel zwischen Zentralnotenbank und großen Banken eine neue Form der Verschmelzung von Staat und Großkapital darstellte. Des weiteren werden zwei Debatten jener Zeit kurz gestreift, nämlich diejenige um die finanzielle Kriegsbereitschaft Deutschlands und über den deutschen Kapitalexport. Beide brachten nicht nur die außenwirtschaftlichen Probleme des Reichs zum Vorschein, sondern waren auch Kontroversen darüber, wie die Finanz- und Währungsverfassung Deutschlands aussehen sollte. Die Position, welche die Hochfinanz in diesen Auseinandersetzungen einnahm, und die Unterstützung und Gegnerschaft, die sie erfuhr, geben Aufschluß darüber, mit welchen Zielen sie diese Debatten führte und in welchem Ausmaß sich die Beziehungen zwischen Reichsleitung und Bankwelt nach der Jahrhundertwende veränderten. Schien mit der anstehenden Novellierung des Börsengesetzes die Bankwelt aus der politischen Arena wieder zu verschwinden, wurde sie im Gefolge der kurzen, aber schmerzhaften Wirtschaftskrise um 1907 erneut in den Strudel der tagespolitischen Auseinandersetzungen gerissen. Dieser Konjunkturrückgang war nicht zu vergleichen mit der Depression von 1873.1H6 Die Elektroindustrie blieb von ihm so gut wie unberührt, und an der Landwirtschaft ging er vollkommen vorbei. Die Kurse der Aktienbanken hatten gelitten, aber nur bei der Dresdner, der Darmstädter Bank und bei Schaaffhausen war es zu Dividendenkürzungen gekommen. Schon 1909 ging es in Handel und Bankwesen und auch im Bergbau sowie der Eisen- und Stahlindustrie wieder aufwärts. Die vorübergehenden Rückgänge der industriellen Produktion sind hier zu jedoch vernachlässigen. Obwohl sie in den folgenden Auseinandersetzungen sehr beklagt wurden, dienten sie doch vor allem als Beleg für Probleme in der Organisation des industriellen Kredits beziehungsweise im Banken- und Währungssystem. Viel wichtiger war die Tatsache, daß es sich hier in erster Linie um eine 186 Die Beurteilung der Rezession folgt Hentschel, S. 238-252; einen luziden Überblick über die Lage auf dem Geld- und Kapitalmarkt gibt Witt, Finanzpolitik, S. 192-199; ders., Innenpolitik und Imperialismus, S. 7-34.

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Kreditkrise handelte, welche die strukturelle Schwäche des deutschen Geldund Kapitalmarktes offenbarte. Dieser vermochte die steigenden Ansprüchen des hohen Kapitalbedarfs kaum zu befriedigen. Die Emissionen auf dem deutschen Kapitalmarkt waren zwischen 1886/90 und 1906/10 auf nicht weniger als das Dreifache angestiegen.187 Staatsanleihen belasteten in bislang ungekanntem Umfang den Markt, weil es sich für die Regierung als politisch unmöglich erwiesen hatte, eine an den Ausgaben orientierte Steuerpolitik zu betreiben und gleichzeitig Rücksicht auf die Konservativen zu üben. Im April 1906 emittierte das Preußenkonsortium 560 Mio. M Reichsanleihe und Preußische Consols, 1907 folgten 400 Mio. M Schatzanweisungen und in den beiden Jahren darauf 850 Mio. M bzw. 800 Mio. M schwebende und fundierte Staatsschulden Preußens und des Reiches. m Insgesamt betrug der Kurswert der zwischen 1906 und 1911 ausgegebenen Staatsanleihen über 4 Mrd M. Dieser Belastung konnte die Aufnahmefáhigkeit des deutschen Marktes nicht standhalten: Die Kurse der Staatsanleihen sanken seit 1906 rapide, und in ihrem Gefolge auch die Pfandbriefe der Bodenkredit-Institute.189 Das rief nun wieder die Agrarier auf den Plan, für die sich erstens der Realkredit verteuerte und die zweitens unter dem durch die Zinssteigerungen verursachten Wertverfall der Güter litten. Gleichzeitig zogen die Zinsen am kurzen Ende an: Bereits im Oktober 1906 erhöhte die Reichsbank den Diskontsatz auf 6 %, zwei Monate später auf 7 %. Während des ganzen Jahres 1907 ging der Satz nur auf einen Mindeststand von 5Vi % zurück und erreichte im November mit 7½ % seinen Höchststand. Bis zum Kriegsausbruch fiel er nur noch einmal, 1909, auf3½%; im Jahresdurchschnitt betrug er seitdem nicht mehr unter 4%.190Von agrarischer Seite wurde wiederholt behauptet, der Zinsfuß sei in Deutschland deshalb so hoch, weil die Großbanken ein Interesse daran hätten, »den einheimischen Bankdiskont so hoch wie möglich zu halten«191 - eine Argumentation, die ökonomisch unsinnig war und durch die Sitzungsprotokolle des Zentralausschusses der Reichsbank auch deutlich widerlegt wird. 187 Der Kurswert der Emissionen von Inlandswerten (ausländische Werte sind aus methodischen Gründen schwer zu beziffern) stieg von 4360 Mio. M im Jahrfünft von 1886 bis 1890 auf nur 4833 Mio. M in der folgenden Halbdekade. Die Periode 1896/1900 brachte eine Verdoppelungauf 8216 Mio. M, um 1901/06 wieder bei 8339 Mio. M zu stagnieren. Das Jahrfünft 1906/10 brachte dann mit 12615 Mio. M neuemittierter Wertpapiere einen absoluten Höhepunkt. V.a. Industrieaktien und -Obligationen sowie Kommunalanleihen waren für diese Steigerung verantwortlich. 4. Bankiertag, Tab. 22. 188 GStA Dahlem Rep. 109 Nr. 4976; Geschäftsberichte der Disconto-Gesellschaft für 1908 und 1909. 189 Zum Kursrückgang der Consols, Pfandbriefe (besonders der in Ostelbien tätigen Hypothekenbanken) und Kommunalobligationen vgl. Preußische Central-Bodencredit-Aktiengesellschaft,S. 58-61. 190 Die Reichsbank 1901-1925, S. 9Of 191 Soder freikonservative MdR Gamp-Massaunen; RT 12. Leg.-Per. II. Session 1909/11, S. 4573f.

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Bereits im Januar 1908 kam es im Reichstag aufgrund einer Interpellation des Grafen Kanitz zu einer Aussprache über die Kreditverhältnisse in Deutschland.192 Während Kanitz vor allem die bimetallistischen Gelüste der Agrarier artikulierte, predigten Gamp-Massaunen und der Antisemit Raab die Abschottung Deutschlands vom Weltmarkt und warnten vor einer Überflutung des deutschen Kapitalmarktes durch ausländische Wertpapiere. Gemeinsam machten sie die Verfassung der Reichsbank für das hohe Zinsniveau verantwortlich. Albert Südekum sprach nur aus, was sich hinter den Forderungen der Konservativen verbarg: »Daß die Reichsbank zu einer agrarischen Pumpstation degradiert würde«. In seiner Antwort auf die Interpellation Kanitz kündigte der Staatssekretär des Rdl, Bethmann Hollweg, eine »Vernehmung von Sachverständigen« anläßlich der für 1909 anstehenden notwendigen Verlängerung des Notenprivilegs der Reichsbank an. Als Themen dieser Anhörungen nannte Bethmann Hollweg die Fragen einer Erhöhung des Grundkapitals und des steuerfreien Notenkontingents der Reichsbank. Es ist bezeichnend für diese Fragenstellung, daß eine derartige Sachverständigenvernehmung nur von den Vertretern der Konservativen und Antisemiten, Gamp und Raab begrüßt wurde. Die Liberalen vermieden eine eindeutige Stellungnahme, die Sozialdemokraten gaben sich ablehnend.193 Tatsächlich hatte Bülow »den Parteiführern der rechten Seite des Reichstags« bereits im Sommer 1907 eine »Enquete über die Lage des Geldmarktes (Geldund Kreditverhältnisse)« versprochen.194 Genau besehen handelte es sich daher zu diesem Zeitpunkt um zwei Untersuchungen - eine über die Reichsbank, »um zu sehen, was an unserer Bankverfassung verändert werden kann, ohne die Grundlagen unseres Bankwesens und unseres wirtschaftlichen Lebens zu gefährden oder zu erschüttern«, und eine andere über das private Bankgewerbe. Weil Bülow jedoch gerade auf Norderney Urlaub machte, begann im Reichsamt des Inneren und im Reichsschatzamt ein Rätselraten über die Pläne des Kanzlers.195 Mittlerweise war der Plan einer Enquete über das private Bankgewerbe bekannt geworden und hatte die Alarmsirenen in den Direktionen der großen Banken schrillen lassen. Auf dem Bankiertag im September 1907 sprach sich Max (von) Schinckel entschieden gegen derartige Pläne aus, die nur Wasser auf die Mühlen der agrarischen Bankengegner leiten würde.196 Im Dezember 192 Die Interpellation trug den Wortlaut: »Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um den Unzuträglichkeiten zu begegnen, welche sich aus derjetzigen Höhe des Bankdiskonts ergeben?« DRT, 12. Leg.-Per., I. Session, 1907/08, Nr. 485. 193 RT 12. Leg.-Per. I. Session 1907/08, S. 2399-2405 (Kanitz), S. 2423-2429 (Gamp), S. 2441-2445 (Raab), S. 2439 (Südekum), S. 2429, S. 2439 und S. 2444. 194 BA Potsdam, RSA Nr. 1662, Bülow an Bethmnann-Hollweg (21.9. 1907). 195 Ebd., Stengel an Bethmann-Hollweg (26.9. 1907). 196 3. Bankiertag, S. 68f.

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wandte sich Arthur von Gwinner in einem zehnseitigen Schreiben an Bülow,197 um das Einberufen einer Enquete zu verhindern, die seiner Meinung nach überflüssig und nach den Erfahrungen der Börscnenquête 1892/93 kontraproduktiv sei. Vorsichtshalber machte Gwinner dabei gleich einige Vorschläge, um den Forderungen nach einer öffentlichen Untersuchung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er empfahl aus kosmetischen Gründen eine mäßige Erhöhung des Grundkapitals der Reichsbank, eine Anhebung ihres steuerfreien Notenkontingents um rund 150 Mio. M und ihre Ermächtigung, Einlagen in unbegrenztem Umfang verzinsen zu dürfen. Bei der letzten Frage stand Gwinner mit seiner Auffassung in der Bankwelt ziemlich allein. Daß er diese für den Vorstandssprecher der größten deutschen Depositenbank recht ungewöhnliche Haltung einnahm, dürfte aus der Angst vor einer gesetzlich erzwungenen Trennung des Effekten- vom Depositenbankwesen entstanden sein. Wie ernst er diese Gefahr nahm, zeigt eine Auseinandersetzung im Vorstand der Deutschen Bank: Gwinner empfahl, vorsichtshalber eine Deutsche DepositenBank AG zu gründen, um sich die Namens-Assoziierung zu sichern. Koch und Schröter, denen die innere Organisation der Bank unterstand, widersprachen heftigst und warnten, eine derartig defaitistische Haltung werde nur die Bankengegner stärken. Gwinner gab nach.198 Gwinners Ausführungen ließ sich, wie Bethmann Hollweg meinte, »in manchen Punkten die Berechtigung nicht absprechen«. Zu verhindern war die von den Konservativen geforderte Enquete allerdings nicht. Angesichts der schlechten Erfahrungen mit der Börsenenquêtekommission und »um die Sachverständigenvernehmung nicht ins Uferlose verlaufen zu lassen«, schlug Bethmann Hollweg Ende 1907 - die Enquêtekommission war noch nicht einmal in ihrer personellen Zusammensetzung fixiert, geschweige denn daß sie zusammengetreten wäre und Empfehlungen ausgesprochen hätte - einen Maßnahmen-Katalog vor, der bereits konkrete Gesetzesvorschläge enthielt.199 Neben der politisch wenig umstrittenen Idee einer mäßigen Vermehrung der Silber-Scheidemünzen sprach er sich für die Erhöhung des Grundkapitals der Reichsbank und ihres steuerfreien Notenkontingents sowie der Erlaubnis, in beschränktem Umfang verzinsliche Depositen anzunehmen, aus.20° Eine Trennung der Depositen- von den Effektenbanken lehnte Bethmann Hollweg »nach der geschichtlichen und der wirtschaftlichen Entwicklung des deut197 BA Potsdam, Reichskanzlei Nr. 350 a (11.12.1907), auch für das Folgende. 198 Seidenzahl, 100 Jahre Deutsche Bank, S. 4O6f. 199 BA Potsdam, RSA Nr. 1662, Bethmann-Hollweg an Stcngel (28.12.1907), auch für das Folgende. 200 Die übrigen Vorschläge betrafen die Verstärkung der ständigen zinslosen Mindestguthaben aufReichsbank-Girokonten und eine Erweiterung der Befugnis der Reichsbank zur Ausgabe kleiner Banknoten in Friedenszeiten auf 400 Mio. M. Zu den materiellen Interessen des bimetallistisch eingestellten MdR Otto Arendt an einer Erhöhung der Silberquote vgl. Witt, Finanzpolitik, S. 147; RT, 12. Leg.-Per. I. Sesion 1907/09, S. 2403f. (Kanitz) und S. 7057 (Arendt).

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sehen Bankwesens« ebenso ab wie die Verstaatlichung der Reichsbank. Dagegen schlug er die Veröffentlichung von Rohbilanzen durch die Aktienbanken mehrmals im Jahr vor. Obwohl Bethmann Hollweg es am liebsten gesehen hätte, wenn Gwinner auf sein Schreiben überhaupt keine Antwort erteilt worden wäre, zumindest aber »nur eine allgemein gehaltene Antwort« geben wollte, ist die Übereinstimmung zwischen dessen und seinen eigenen Vorschlägen offensichtlich. Dennoch wird man daraus keine Übereinstimmung ihrer Anschauungen schließen können. Bethmann Hollweg wollte »von vorn herein lediglich theoretische Fragen ausschließen«, wozu er die Verstaatlichungspläne zählte. Ihm waren die Interessen der Hochfinanz gleichgültig gegenüber denen der Reichsleitung, die Schaukelpolitik mit dem Bülow-Block fortzusetzen und die Liberalen nicht vor den Kopf zu stoßen, es sich vor allem aber mit den Konservativen nicht zu verscherzen. Die fortgesetzt hohen Zinsen hatten inzwischen den Reichsbank-Präsidenten Richard Koch ins Schußfeld der Kritik gebracht.201 Tatsächlich reichte der dreiundsiebzigjährige Koch, seit 1887 Vizepräsident und seit 1890 Präsident des Reichsbank-Direktoriums, im Dezember 1907 seinen Abschied ein. Die Hochfinanz sah ihn nur ungern scheiden. Koch hatte sich als energischer Verteidiger der Goldwährung hervorgetan, was ihn in Bankkreisen ebenso populär wie bei bimetallistischen Agrariern und Mittelstandspolitikern unbeliebt machte.202 Vor allem aber gab es während der Ära Koch (wie auch unter seinem Vorgänger Dechend, dem ersten Reichsbank-Präsidenten) keine Versuche der Einflußnahme der Reichsbank auf das private Bankgewerbe. Ausweislich der Sitzungsprotokolle des Zentralausschusses der Reichsbank stand die Politik der Geschäftsbanken bis 1908 für die Zentralnotenbank nicht zur Debatte.203 201 Zilch, Die Reichsbank, S. 60-63. 202 Riesser, Zum fünfzigjährigen Staatsdienst-Jubiläum von Richard Koch, in: Bank-Archiv 3 (1903) Nr. 2 S. 17-20 sowie die Würdigung Kochs durch Johannes Kaempf: RT, 12. Leg.-Per. I. Session 1907/09, S. 7065. Die Abgeordneten Raab und Arendt zogen dagegen ein ausgesprochen negatives Resümee von Kochs Arbeit, ebd. S. 7056 u. S. 7082. 203 BA Potsdam, RSA Nr. 1652-56; Die Sitzungen des Zentralausschusses liefen nach einem festen Schema ab: Ein Mitglied des Reichsbank-Direktoriums gab einen Überblick über den Status der Bank (Anlagen, Metallvorrat, Notenumlauf), woran sich eine Beratung über den Diskontund Lomba'rdsatz anschloß. In der Regel begnügte sich der Zentralausschuß mit einer billigenden Kenntnisnahme der Zinssätze, so daß es nur selten zu einer Diskussion kam. Den Abschluß bildete die Beratung über die Zulassung von Wertpapieren zum Lombardverkehr der Reichsbank; hier scheint es niemals zu Kontroversen gekommen zu sein. Auch Personalveränderungen wurden meist ohne Diskussion und einstimmig vom Zentralausschuß befürwortet. Die Zinspolitik der Reichsbank war praktisch der einzige Punkt, an dem es gelegentlich zu Auseinandersetzungen kam. Hier forderten die im Zentralausschuß vertretenen Bankiers gelegentlich etwas niedrigere Zinsen, sei es, daß sie eine stärkere Zinssenkung befürworteten oder sich gegen eine Erhöhung aussprachen, doch selbst bei diesen Anlässen stand niemals die Zmspolitik der Reichsbank in Frage, sondern nur die absolute Höhe der Sätze. Die Vorstellungen von Zentralausschuß und Direktorium - das in seinen Entscheidungen stets autonom blieb - waren dabei niemals weiter als einen halben Prozentpunkt voneinander entfernt!

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Der neue Reichsbank-Präsident Havenstein schien zunächst lediglich die von Koch cingeschlagenen Richtung fortzuführen - so wurde auch seine Antrittsrede im Reichstag anläßlich der Beratungen über die Interpellation Kanitz' verstanden -, und das war es auch, was die Hochfinanz von ihm erwartete. »Nach allen diesen Richtungen [Vermehrung des Goldbestandes, Ausbau des bargeldlosen Zahlungsverkehrs] ist ein Ausbau des Systems erwünscht und notwendig ... Ein Systemwechsel ist dagegen unmöglich«, erklärte Helfferich.2, .1791 , :2718;, 3686;,

Staatsarchiv Hamburg Auskunft betr. Athos Jürgen und Hermann Jürgen Buchheister, Albert Dalchow, Amandus de la Roy, Georg August Fedisch, Jacob Frensdorff, Eduard Constantin Hamberg, Wilhelm Heintze, Albert Hinrichsen, Gurt Korn, Ernst Müller, Rudolph Petersen, Gustav Pilster, Peter Rauers, F. August Schwarz, Julius Stern, Georg Wellge, Selly Werner; Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 405 Nr. 2519 Landesarchiv Berlin Auskunft betr. Familie Magnus und Firma F.Mart. Magnus; Archiv des Instituts zur Erforschung Historischer Führungsschichten, Bensheim Akten Farn. Andreae, Moritz Bonn, Otto Braunfels, Adelbert Deíbrück, Arthur von Gwinner, Karl Helfferich, Paul Jonas, Gustav von Klemperer, Farn, von Klitzing, Carl Klönne, Farn. Koenigs, Rudolph von Koch, Viktor von Magnus, Carl Michalowsky, Friedrich Moelle, Eduard Mosler, Farn. Mendelssohn, -Bartholdy, Freiherren von Oppenheim, Carl Parcus, Farn. Pühn, Farn. Rathenau, Arthur Salomonsohn, Gustav Schlieper, Farn. Schwabach, Georg von Siemens, Eduard von Simson, Farn. Speyer, Max Steinthal, Farn. Stern, Farn. Stroell, Franz Urbig, Farn. Warschauer, Farn. Wassermann, Max Winterfeldt; Archiv des Leo-Baeck-Instituts, New York Siegmund Bodenheimer, Mein Leben. Historisches Archiv der Deutschen Bank Akten Adelbert Deíbrück, Arthur von Gwinner, Elkan Meinemann, Rudolph von Koch, Karl Klönne, Paul Mankiewitz, Paul Millington-Herrmann, Friedrich Moelle, Arthur Salomonsohn, Gustav Schlieper, Georg Solmssen, Hermann Wallich, Oscar Wassermann, Vorstand 1945, Bergisch-Märkische Bank; Historisches Archiv der Dresdner Bank Akten Eugen Gutmann, Gustav Hartmann, Gustav von Klemperer, Waldemar Mueller, J J . Schuster; Bernard E. Goodman, Eugen Gutmann und seine Familie. Ein Enkel erzählt. Archiv der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank Bestand Vorstandsmitglieder der Bayerischen Hypo Archiv der ADCA-Bank AG, Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt Auskunft betr. Julius Favreau; Paul Harrwitz; Max Huth; Hugo Keller; F.J.A. List; Ernst Petersen; Ernst Schoen; Rudolph Wachsmuth; Hamburgisches Weltwirtschafts-Archiv Personen-Mappen./Eduard Beit von Speyer; James von Bleichröder; Bernhard Dernburg; Carl Fürstenberg; Eugen Gutmann; Herbert Gutmann; Arthur von Gwinner; Eduard C. Hamberg; Adolph von Hansemann; Carl Helfferich;Johanncs Kaempf; Eugen Landau; Paul Mankiewitz; Robert von Mendelssohn; Paul Millington-Herrmann; Johannes von Miquel;KarlMommsen; Eduard Mosler; í lenry Nathan; Eduard von Oppenheim; Simon Alfred von Oppenheim; Rudolph Petersen; Jacob Riesser; Ludwig Roland-Lücke; Arthur Salomonsohn; Max von Schinckel: Gustav Schlieper; Paul von Schwabach; Georg von Siemens; Georg Solmssen; Sir Edgar

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von Speyer; Max Steinthal; Felix M. Warburg; Fritz M. Warburg; Max M. Warburg; Paul M. Warburg; Oscar Wassermann. Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln PA Victor Wendelstadt, MS Soénius PA Koenigs Archiv der Industrie- und Handelskammer Darmstadt Auskunft über die Präsidenten der Kammer 1862 - 1982; Stadtarchiv Aachen Auskunft betr. Wilhelm Farwick; Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg Auskunft betr. Adalbert Reisen; Stadtarchiv Bremen Auskunft betr. Friedrich Gnmsehl, Peter Rauers und Friedrich Thorwart; Stadtarchiv Darmstadt Akten Friedrich Bodenstedt, Heinrich Bopp, Karl Friedrich Hedderich, August Parcus, Georg; Schmoller, Theodor Wendelstadt; Stadtarchiv Donauwörth Auskunft betr. David Selz; Stadtarchiv Düsseldorf Auskunft betr. Ernst Lindemann; Stadtarchiv Freiburg/Breisgau Auskunft betr. Isidor Haas; Stadtarchiv Frankfurt/Main S2Nr. 1533 LazarusJ. Speyer; Nr. 1047 Familie Bing; Nr. 1131 Lucien Picard;Nr. 1423 Theodor Stern; Nr. 6052 Familie Speyer; S 3 Nr. 11053 S.H. Stern; Stadtarchiv Hannover Auskunft betr. Selly Werner und Georg Wellge; Stadtarchiv Heilbronn Auskunft betr. Georg Schmoller; Evangelisches Kirchenregisteramt Heilbronn; Famüienregister S; Ehebuch 8; Taufbuch 14; Stadtarchiv Leipzig Auskunft betr. A.H. Exner, Otto Fiebinger, Albert Gentzsch, F.J.A. List, C.H. Favreau, Paul Harrwitz, Maximilian Huth, Hugo Keller und Rudolph Wachsmuth;

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Stadtarchiv Lübeck Auskunft betr. Ernst Schoen; Stadtarchiv Mannheim Auskunft betr. Wilhelm Köster und Carl Wingenroth; S 1 Nr. 2260 Richard Brosien; FB Laurent Bögel, Wilhelm Brandes, Richard Brosien, Carl Funck, Isidor Haas, Wilhelm Köster, Carl Wilhelm Zeiler; Stadtarchiv Marktredwitz Auskunft betr. Florentin Loew; Stadtarchiv München Polizeimeldebögen: Josef Böhm, Carl Brauser, H.C. Dietrich, Ludwig Frauenholz, Kajetan Hailer, Karl Hecht, Michael Kopplstãdter, Florentin Loew, Albrecht Otto, Josef Pütz, Karl Rasp, Adalbert Reisen, Hans Remshard, Josef Schreyer, David Selz, Theodor Sendtner, Andreas Siegel, Adolf Ströll, Friedrich Volz, Heinrich Wolíf, Eugen Zeitlmann; Stadtarchiv Regensburg FB Carl Brauser; Stadtarchiv Stuttgart Auskunft betr. Otto Fischer, Franz Intelmann, Julius von Lichtenberg, Alfred von Kauila; Stadtarchiv Weinheim Auskunft betr. Laurent Bögel, Carl Hecht;

b) Gedruckte Quellen Bericht der Börsenenquête-Kommission, Berlin 1893. Stenographische Berichte der Börsenenquête-Kommission, Berlin 1893. Bankenquête 1908/09. Stenographische Berichte. Die Verhandlungen der Gesamtkommission zu Punkt I - Vdes Fragebogens, Berlin 1910. Bankenquête 1908/09. Stenographische Berichte. Die Verhandlungen der Gesamtkommission zu Punkt VI des Fragebogens, Berlin 1910. Bankenquête 1908/09. Materialien zur Frage des Depositenwesens, Punkt VI des Fragebogens, Berlin 1910. Geschäftsberichte, div. Jahrgänge: Aktiengesellschaft für Boden- und Communal-Credit in Elsaß-Lothringen; Bank des Berliner Cassenvereins; Bank für Handel und Industne/Darmstädter und Nationalbank; Bayerische Hypotheken- und Wechselbank; Bayerische Vereinsbank; Berliner Handels-Gesellschaft; Breslauer Diskontobank; Commerz- und Diskontobank; Deutsche Bank; Disconto-Gesellschaft; Dresdner Bank; Mitteldeutsche Creditbank; Nationalbank für Deutschland; Norddeutsche Bank in Hamburg; Preußische Central-Bodencredit AG; Reichsbank; Rheinische Creditbank; Schaafïhausen'scher Bankverein; Schlesischer Bankverein; Vereinsbank in Hamburg; Württembergische Vereinsbank. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages. Verhandlungen des 1. Allgemeinen Deutschen Bankiertages, Berlin 1902

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Verhandlungen des 2. Allgemeinen Deutschen Bankiertages, Berlin 1904. Verhandlungen des 3. Allgemeinen Deutschen Bankiertages, Berlin 1907. Verhandlungen des 4. Allgemeinen Deutschen Bankiertages, Berlin 1912.

2. Zeitschriften, Serientitel und Lexika Adressbuch der Directoren und Aufsichtsräte, div. Jahrgänge. Der Aktionär Allgemeine Deutsche Biographie, hg. durch die Historische Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften, 56 Bde. Bank-Archiv Berliner Börsen-Courier Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog/Deutsches Biographisches Jahrbuch Die Bank Deutsches Banquierbuch, div. Jahrgänge. Deutsches Geschlechterbuch, Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien Encyclopedie de L'Alsace, 12 Bde., o.O. 1984. Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 19673. Gotha'ische Taschenbücher, Gothaische genealogische Taschenbücher/Genealogisches Handbuch des Adels. Große Jüdische National-Biographie, hg. von S. Wininger, 6 Bde. und 1 Ergänzungsband, o.O. 1925-36. Plutus Kreuz-Zeitung, Neue Preußische Zeitung »Lebensbilder« , Lebensbilder aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet; Lebensbilder aus Schwaben und Franken; Pommersche Lebensbilder; Schlesische Lebensbilder; Lebensläufe aus Franken; Badische Biographien; Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur; Beiträge zur Landeskunde [Beilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg]. Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland, 1789 - 1945, 4 Bde., hg. von Dieter Fricke, Köln 1983. Neue Deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 19 Bde. Plutus. Kritische Wochenschrift für Volkswirtschaft und Finanzwesen. Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild, 2 Bde., Berlin 1930. Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, hg. von der Historischen Kommission Westfalens, 15 Bde. Saling's Börsen-Jahrbuch, div. Jahrgänge Semi-Kürschner, hg. von Philipp Stauff, o.O. 1913 Sigilla Veri, Ph. StaufTs Semi-Kürschner. Lexikon der Juden, -Genossen und -Gegner aller Zeiten und Zonen, insbesondere Deutschlands, der Lehren, Gebräuche, Kunstgriffe und Statistiken der Juden sowie ihrer Trugnamen, Geheimbünde usw., hg. von E. Ekkehard, 4 Bde., o.O 19291931. Semigotha. Weimarer historisch-genealogisches Taschenbuch des gesamten Adels jehudäischen Ursprunges, Weimar 1912.

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Anhang 1: Vorstandsmitglieder, persönlich haftende Gesellschafter und Inhaber der Banken des Preußenkonsortiums1

1. Aktiengesellschaft für Boden- und Communal-Credit in Eisass-Lothringen, gegründet 1813 Jean North 1873-1892 Gabriel A. Blum 1873-1892 Rudolph Sengenwald 1892-1903 Emil Petri 1892-1898 Carl Gunzert 1898-(min.) 1918 Julius Schaller 1903-(min.) 1918 2. Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA), gegründet 1856 Friedrich Jacob Alfred List RudolfWachsmuth Julius Favreau Paul Julius Harrwitz Max Huth Karl Hugo Keller Ernst Petersen Ernst Schoen von Wildenegg

1861- -1882 1861- -1890 1890- -1915 1890- -1912 1890- -1903 1904--1920 1912--1927 1913- -1945

3. Bayerische Hypotheken- & Wechsel-Bank, gegründet 1835 (Hypothekenabteilung) Johann Baptist Stroell Friedrich Klee Adolf Stroell Ernst Pühn Eugen Zeitlmann Josef Schreyer Michael Kopplstaetter (kaufmännische Abteilung) Theodor Pühn Kajetan Hailer Ludwig Frauenholz Albrecht Otto Carl Brauser Hans Remshard August Schneider Heinrich Wolff

1871 - 1885 1875-1900 1885-1917 1900- 1920 1900-1934 1906 -(mind. 1935) 1913 -(mind. 1935) 1871 -1900 1875- 1885 1875-1901 1885-1911 1901 - 1914 1912-(mind. 1935) 1912- 1921 1912- 1919

1 Bei den Zeitangaben über die Inhaberschaft einiger Privatbankiers sowie bei einigen Manager-Bankiers handelt es sich um Schätzungen.

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(Versicherungsabteilung) Theodor Sendtner Karl Rasp Karl Hecht

1871 - 1895 1896-1923 1900-1906 4. Bayerische Vereinsbank, gegründet 1869 1869-1873 1873 1873-1884 1873 - 1897 1874-1885 1897 - 1928 1884-1908 1885 - 1905 1892-1896 1898-1917 1905-1938 1906-1921

Andreas Siegel Friedrich Preyss Adalbert Reisert Friedrich Volz Friedrich Baumann Adolf Pöhlmann Joseph Pütz David Selz Florentin Loew Josef Böhm Hans-Christian Dietrich Max Meyer

5. L. Behrens & Söhne, gegründet 1800 Eduard Ludwig Behrens sen. Wilhelm Leopold Behrens Jacob Frensdorff Eduard Ludwig Behrens jr. Theodor Ernst Behrens Eduard Constantin Hamberg George Eduard Behrens

1853-1895 1862-1883 1872-1888 1880-1923 1884-1921 1889-1925 1907 -(mind.) 1955 6. Berliner Bank, gegründet 1 8 8 9 1889 - 1897 1889-1905 1897 - 1904 1898-1903 1899-1902

Julian Goldschmidt Ernst Simon Carl Chrambach Georg Traube Johannes Klewitz

7. Berliner Handels-Gesellschaft, gegründet 1856 Johann Friedrich Ludwig Gelpcke Friedrich Gelpcke Wilhelm Conrad Wilhelm Seifert Hermann Schwieger Carl Fürstenberg Hermann Rosenberg Max Winterfeld Hans Winterfeld Gustav Ahrends Walther Rathenau

1856-1874 1860-1880 1860-1883 1874-1883 1882 1883-1929 1883-1902 1883-1902 1902 - 1903 1902-1914 1902 - 1907

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Eduard Mosler James Zutrauen Walter Merton Bruno Herbst Paul Wallich

1904-1910 1908-1909 1911-1913 1913-1918 1913-1915 8. S. Bleichröder, gegründet 1803

Gerson (von) Bleichröder Julius Schwabach Hans von Bleichröder Georg von Bleichröder James von Bleichröder Paul (von) Schwabach Albert (von) Blaschke

1855-1893 1866-1898 1881 - 1917 1885-1902 1914-(mmd.) 1928 1898-1938 1901-1916 9. Breslauer Discontobank, gegründet 1870

(Breslau) Paul Gaspard Friedenthal Julius Plaeschke Hugo Heimann Felix Guttmann Georg Pick Max Peter (seit 1896 in Berlin) Heinrich Haenisch Otto Schweitzer Max Korpulus Hans Vosberg Hermann Siemsen (Berlin) Paul Schubart Ernst Friedländer Curt Sobernheim (Gleiwitz) TheodorWinkler (seit 1897 in Breslau, seit 1902 in Berlin) (Kattowitz)

Adolf Landsberger

1870-1883 1870-1874 1871 - 1894 1874-1888 1888-1891 1894-1897 1893-1906 1900-1913 1905-1913 1907-1910 1912-1913 1897-1900 1897-1901 1897-1901 1894-1902 1900-1902

10. Commerz- und Di$conto-Banh, gegründet 1870 (Hamburg) Selly Werner Georg August Fedisch Ernest Müller Hermann Jürgen Buchheister Georg Wellge Wilhelm Heintze Gustav Pilster (seit 1904 in Berlin)

Ferdinand Lincke

1872-1873 1872-1876 1874-1891 1876-1880 1880-1901 1892-1908 1899-1926 1904-1931

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Curt Korn Amandus de la Roy (Berlin) Waldemar Risch Carl Harter Theodor Hemptenmacher Curt Sobernheim Lucien Picard Julius Rosenberger Ernst Simon (Frankfurt/M.) Carl Kolb Hugo Rosenberger Carl Brettauer

1904-1923 1903 - 1924 1897-1906 1904-1936 1909-1912 1911-1932 1897-1904 1914 - 1928 1905-1911 1899-1903 1899-1903 1897-1898

11. Darmstädter Bank (Bank für Handel und Industrie) } gegründet 1853 (Darmstadt) Theodor Wendelstadt August Ludwig Parcus Friedrich Bodenstedt (später in Berlin) Georg Schmoller Heinrich Bopp Carl Parcus Carl Friedrich Hedderich (Berlin) Johannes Kaempf Franz Dülberg Richard Michelet Jacob Riesser Bernhard Dernburg Paul Rump Theodor Winkler Maximilian von Klitzing Georg von Simson Hermann Marks Jean Andreae jr. Siegmund Bodenheimer Paul Bernhard (Frankfurt/M.) Jean Andreae sen.

1853 - 1880 1856-1875 1867-1882 1870-1875 1870-1876 1881 - 1909 1881 - 1912 1871 - 1899 1871 - 1887 1884-1901 1888-1905 1901 - 1906 1902 - 1906 1902-1905 1905-1918 1906-1928 1906-1914 1910-1924 1910-1931 1913-1924 1886-1910

12. Deîbrück, Leo & Co. (seit 1910 Deîbrück, Schickler & Co.), gegründet 1854 Adelbert Delbrück Heinrich Leo Felix Koenigs Ludwig Delbrück Carl Jörger Gustav Ratjen Ludwig Körte

1854 - 1890 1854 - 1894 1878-1901 1886-1913 1902 -(mind.) 1938 1913 - (mind.) 1928 1913-?

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13. Deutsche Bank, gegründet 1870 Georg (von) Siemens Hermann Wallich Friedrich Moelle Hermann Kaiser Max Steinthal Rudolph (von) Koch Paul Jonas Arthur (von) Gwinner Ludwig Roland-Lücke Paul Mankiewitz Carl Klönne Gustav Schröter Elkan Heinemann Carl Michalowsky Karl Helflerich Berthold Naphtali Paul Millington-Herrmann Oscar Wassermann Oscar Schlitter

1870-1900 1870-1894 1871 - 1872 1872-1874 1873 - 1906 1878-1909 1881 - 1886 1894-1919 1894 - 1900; 1901 - 1903; 1905 - 1907 1898-1923 1900-1914 1906-1925 1906 - 1922 1908- 1927 1908-1914 1911 1911-1928 1912-1933 1912-1932

14. Deutsche Genossenschafts-Bank von Soergel, Parrisius & Co., gegründet 1864 (Berlin) Alwin Soergel Siegmund Weill Carl Siebert (Frankfun IM.) Rudolf Parrisius (später in Berlin) Otto Meissner Friedrich Thorwart Conrad Meissner Hermann Malz

1864- 1875 1872-1904 1890-1902 1864-1901 1871 - 1894 1877-1904 1897-1904 1903 - 1904

Direktion der Disconto-Gesellschaft, gegründet 1851 Adolph (von) Hansemann Johannes (von) Miquel Adolph Salomonsohn Emil Hecker Emil Russell Alfred Lent Alexander Schoeller Max (von) Schinckel Arthur Salomonsohn Joseph Hoeter Ernst Enno Russell Franz Urbig Georg Solmssen Eduard Mosler

1857-1903 1869-1873 1869-1888 1869-1883 1876- 1900 1878-1902 1884-1911 1895- 1919 1895-1929 1900- 1907 1902-1929 1902- 1929 1911-1929 1911-1929

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Hermann Waller Hermann Fischer Gustav Schlieper

1911-1922 1914-1919 1914-1929 16. Dresdner Bank, gegründet 1812

(Dresden) Eugen Gutmann (seit 1884 in Berlin) Georg Arnstädt Emil Holländer (seit 1881 in Berlin) Gustav (von) Klemperer (Berlin) Gustav Hartmann Waldemar Mueller Friedrich Grimsehl Henry Nathan Johann Jacob Schuster Herbert M. Gutmann Felix Jüdell (Hamburg) Albert Dalchow (Frankfurt/M.) Louis von Steiger

1872-1920 1874-1908 1877-1895 1891 - 1913 1887-1895 1896-1913 1900-1903 1903 - 1932 1904-1909 1909-1931 1910-1925 1894-1907 1900-1909

11. Köster & Co., gegründet 1 8 5 6 Carl Wilhelm Köster (Frankfurt IM.) Carl Wingenroth (Mannheim)

1856-1883 ? - 1883

18. F.W Krause & Co. Bankgeschäft, gegründet 1858 Friedrich Wilhelm von Krause Agathon Friedrich Wilhelm von Krause Bruno Edler von der Planitz

1858-1923 (mind.) 1891-1893 (mind.) 1905 - (mind.) 1928

19. Leipziger Bank, gegründet 1838 Otto Fiebinger Bernhard Richter August Heinrich Exner Albert Gentzsch

1877-1895 ? - 1886 1887-1901 1895-1901 20. F. Mart. Magnus, gegründet 1821

Viktor von Magnus F. August Schüler Paul Magnus Georg Magnus

1869-1872

2 1 . Mendelssohn & Co., gegründet 1195 Paul Mendelssohn-Bartholdy sen.

1838-1874

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Franz (von) Mendelssohn sen. Ernst (von) Mendelssohn-Bartholdy Robert von Mendelssohn Franz von Mendelssohn jr. Paul von Mendelssohn-Bartholdy jr. Arthur Fischel

(mind.) 1865-1888 1874 - 1907 1886-1917 1892 - 1935 1902-1935 1902-1913

22. Mitteldeutsche Creditbank, gegründet 1 8 5 6 (Meiningen) Eduard Oberländer Heinrich Karl Vogtherr Louis Lübke Hubert Drysigacker Wilhelm Kircher Hermann Zehrung (Frankfurt IM.) Anton Gustav Wìttekind (seit 1879 in Berlin) Gustav Stilgebauer Carl E. Klotz-Hauck Robert Bansa Arthur Siebert Albert Katzenellenbogen Friedrich Reinhart (seit 1917 in Berlin) (Berlin) Ernst Steinthal Albert Ellendt Alexander Löwenthal Karl Mommsen August Weber

1857-1877 1867 - 1872 1873-1877 1878-1889 1878-1885 1889-1900 1872-1912 1873-1897 1886-1910 1886-1910 1896-1917 1897-1929 1910 - 1934 1873-1885 1880-1897 1896-1917 1897-1922 1913-1916

23. Nationalbank für Deutschland, gegründet 1881 Hermann Loewenfeld Richard Michelet Jacques Levy Julius Stern Cornehs Rozenraad Julius Peter Ernst Magnus Richard Witting Martin Schiff Emil Wittenberg Hans Winterfeld

1881 - 1886 1881 - 1884 1881 - 1886 1882-1914 1884-1885 1887- 1901 1890- 1903 1902- 1910 1907-1916 1911- 1924 1914- 1915

24. Norddeutsche Bank in Hamburg, gegründet 1 8 5 6 (Vorsund) Peter Rauers Albert Hinrichsen

1862-1891 1871 - 1872

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Siegmund Hinrichsen Max Schinckel Rudolph Petersen Athos Jürgen Buchheister Johann B. Schroeder (Geschäftsinhaber) Adolph (von) Hansemann Max (von) Schinckel Emil Russell Alexander Schoeller Alfred Lent Rudolph Petersen Arthur Salomonsohn Ernst Enno Russell

1872-1878 1872-1895 1879-1895 1888-1895 1891 - 1895 1895 - 1903 1895-1919 1895-1900 1895-1911 1895-1901 1900-1915 1902-1929 1912-1929

25. Sal. Oppenheim jr. & Cie., gegründet 1789 Simon (von) Oppenheim Abraham (von) Oppenheim Eduard von Oppenheim Albert von Oppenheim Simon Alfred von Oppenheim Emil von Oppenheim Ferdinand Rinkel

1828-1880 1828-1878 1880-1904 1880-1904 1893 - 1932 1893-1912 1904-1920

26. Ostbank fiir Handel und Gewerbe, gegründet 1898 (Posen) Ernst Michalowsky Naphtali Hamburger (Königsberg)

1898-1923 1898-1920

Richard Kraschutzski Eugen Simon Ludwig Kauffmann

1905-1907 1905-1908 1908-(mind.) 1914 21. H . C Plaut, gegründet 1847

Moritz Plaut Julius Gustav Model

1847-? 1874-1896

28. Preußische Central-Bodenkredit-Aktiengeselbchaft, gegründet 1870 (Präsidenten) Richard (von) Philipsborn Rudolf (von) Jacobi Hans Rüdorff Gottfried Klingemann Hans von Klitzing (Direktoren) Theodor Bossart Maximilian Herrmann

1870-1881 1881 - 1886 1886-1891 1891 - 1907 1907-1923 1870-1890 1870-1884

396 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Gottfried Klingemann Gotthard Schmiedeck Heinrich Ruhfus Friedrich Schwartz Ernst Lindemann Oscar Lübbeke

1885-1891 1890-1898 1891 - 1894 1895 -(mind.) 1920 1895-1928 1898-(mind.) 1920 Rheinische Creditbank, gegründet 1810

Carl Eckhard Carl Funck Louis Mayer W.M Brandes Wilhelm Zeiler Richard Brosien Laurent Bögel Isidor Haas Otto Riedel Otto Grünen Carl Jahr Fritz Nierhoff Hans Vogelgesang Josef Schayer August Reiser Ludwig Janzer

1870-1882 1870-1897 1871 - 1874 1874-1876 1873-1910 1897-1913 1898-1910 1898-1910 1905 - 1906 1907-1911 1910-1929 1910-1923 1910-1923 1911-1921 1911-1924 1912-1928 M A . von Rothschild & Söhne, gegründet 1808

Mayer Carl von Rothschild Wilhelm Carl von Rothschild

1855 - 1886 1855-1901

31. A Schaaffhausen'scher Bankverein, gegründet 1848 (Köln) Victor Wendelstadt Theodor Movius Ernst Koenigs Hanns Bürgers Carl Klönne (seit 1891 in Berlin) Albert Heimann Heinrich Schröder Walter Langen Josef Bestgen Wilhelm Farwick Franz Koenigs Otto Strack Hermann Fischer (1913 - 1914 in Berlin) Albert Wichterich (Berlin) Paul Kretzschmar Hugo Hartung

1848-1874 1858-1889 1871 - 1896 1875-1879 1879-1900 1888-1913 1889-1905 1897-1912 1901 - 1912 1909-1916 1912-1914 1909- 1919 1912-1919 1914-1915 1891 - 1904 1894-1906

397 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Siegfried Samuel Franz Woltze (seit 1902 in Essen) Siegmund Schwitzer Paul Thomas Ernst Schroeder (Essen) Carl Wiegand (1902 in Essen, 1902 - 1905 in Düsseldorf, 1905 - ? in Krefeld, danach bis 1914 in Düsseldorf)

1900-1912 1901 - 1905 1904-1914 1909-1915 1910-1913 1902-1914

32. Gebr. Schickler, gegründet 1796 1870-1885 1885-1905 1905-1910 1905-1914 1910-1913 1910 -(mind.) 1928 1913-?

Hermann Zwicker Arthur Zwicker Albert Nauen Wilhelm Keilich Ludwig Delbrück Carl Joerger Gustav Ratjen

33. Schlesischer Bankverein, gegründet 1 8 5 6 Joseph Graf von Hoverden Heinrich Fromberg August Moser Gustav Oskar Methner Conrad Fromberg Paul Wachler Ludwig Noack Emil Berve Ernst Martius Georg Cohn Jean Bucher

1856-1872 1856-1883 1870-1884 1873-1874 1880 - 1903 1884-1891 1891 - 1893 1893-1896, 1904-1917 1897-1913 1897-1917 1913-1917

34. Lazard Speyer-Ellissen, gegründet 1836 Lazarus Joseph Speyer Gustav Speyer Jaques Robert Speyer Georg Speyer Ignatz Schuster Wilhelm Bonn Bernhard Schuster Eduard Beit (von Speyer) Lucien Picard Albert Bing

1846-1876 1846- 1883 1868-1876 1868- 1902 1877-1885 1886-1903 1896-1903 1896- 1928 1904-1923 1906-1921 35. Jacob S . H . Stern, gegründet 1805

Siegmund Stern Theodor Stern

1872-? 1860-1900

398 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Otto Braunfels Wilhelm Theodor Stern Paul Stern Fritz Auerbach EmilJ.J. Wetzlar

1891-1917 1900-(mind.) 1913 1904-(mind.) 1928 1906-1909 1909-1916 36. Vereinsbank in Hamburg, gegründet 1 8 5 6

Rudolph Emanuel StofTert Bernhard Hahlo Ludwig Hauswedell Friedrich August Schwarz Albert Saucke Christian Eduard Frege Friedrich Heinemann Hermann Gerson Wilhelm Muus Gustav Nordquist C. Johannes Thomas

1856-1888 1856-1892 1880-1897 1880-1919 1888-1897 1898-1925 1901 - 1913 1902-1907 1902 - 1909 1910-1929 1910-1929

37. M M . Warburg & Co., gegründet 1198 Siegmund Warburg Moritz Warburg Aby S. Warburg Max M. Warburg Paul M. Warburg Fritz M. Warburg

1859-1889 1862-1910 1889-1933 1893-1938 1895-1914 1907 - 1938 38. Robert Warschauer & Co., gegründet 1849

Robert Warschauer sen. Eduard Hermann Veit Hugo Oppenheim Robert Warschauer jr. Carl Alb. Schwarz Otto (von) Mendelssohn-Bartholdy Alfred Cohn

1849-1884 1869-1898 1871 - 1904 1885-1898 1885-(mind.) 1891 1898-1904 1898-1904

39. Württembergische Vereinsbank2, gegründet 1869 Kilian Steiner Emanuel Benzinger Ludwig Colin Alfred (von) Kauila Hermann Rechkemmer Julius (von) Lichtenberg Otto Fischer Franz Intelmann

1869-1870 1869- 1903 1872-1896 1888- 1900 1895-1903 1904- 1914 1904-1924 1910-(mind.) 1921

2 Steiner von 1870 bis 1903 Delegierter des Aufsichtsrats im Vorsund; Kauila von 1900 bis 1924.

399 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Anhang 2: Betriebsergebnisse der Aktienbanken In den Jahren, für die keine Zahlen zu ermitteln waren, sind Lücken gelassen. In den Jahren vor und nach Gründung resp. Auflösung einer Bank stehen »—«.

1. Aktienkapital Jahresultimo; nominal in Mio M; in () das tatsächlich eingezahlte Kapital Deutsche DiscontoGesellschaft B a n k

1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902

32,7 39,84

15(6) 30 (15)

60 60

45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 60 60 60 60 60 60 60 75 75 75 75 75 75 75 100 150 150 150 150 150 160

60

60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 75 75 75 75 75 75 115 115 115 130 130 130 130 |

130

Dresdner

Bank

-

9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 15 15 24 24 36 36 36 36 36 48 60 60 60 70 70 70 85 85 110 110 130 130 130 130

Darmstädter Berliner A. SchaaffHandelsBank hausen'scher Gesellschaft B a n k v e r e i n

26 43 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 60 80 80 80 80 80 80 80 80 80 105 105 105 105 132

16,8 22,5 31,5 31,5 31,5 31,5 38,25 38,25

30 30 30 30 20 20 20 20 30 40 40 50 50 65 65 65 65 65 80 80 80 90 90 90 90

400 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

15,6 31,1

48 48 48 48 48 36 36 36 36 36 36 36 36 36 36 36 36 36 36 48 48 48 48 60 60 75 75 100 100 100 100

DiscontoDeutsche Gesellschaft Bank 1903 1904 1905 1906 1901 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

150 170 170 170 170 170 170 170 200 200 200 300

160 180 180 200 200 200 200 200 200 200 200 250

Dresdner Bank

130 160 160 170 180 180 180 200 200 200 200 200

A. SchaaffDarmstädter Berliner Handelshausen'scher Bank Gesellschaft Bankverein

132 154 154 154 154 154 160 160 160 160 160 160

100 (92,8)

100 100 100 110 110 110 110 110 110 110 110

100 125 125 145 145 145 145 145 145 145 145 100

401 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Berliner National- Commerz- Deutsche MittelGenossen- Bank und Disbank für deutsche Creditbank Deutschland contobank schaftsbank 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

18 24 48,9(36,45) 48,9 48,9 48,9 45 42 37,5 33 33 33 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 36 36 45 45 45 45 45 45 54 54 54 54 54 54 60 60 60 | 60

_ -

20 20 20 20 21 21 21 18 27 36 36 36 36 36 45 45 45 60 60 60 60 60 60 60 80 80 80 80 80 80 90 90 90 90

5,998 8,989 14,982 20,935 20,935 20,935 20,935 16,5 16,5 16,5 21,9 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 35 50 80 80 80 80 80 80 85 85 85 85 85 85 85 85 85 85

2,55

6

9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 15 15 21 21 21 21 21 21 21 21 28 28 36 36 36 36 30

-

-

(7,5) (7,5) (7,5) (7,5) (7,5) (7,5) (7,5) (7,5)

-

5 5 5 5 5 5 7,5 7,5 20 30 42 42 42 42 42 42

402 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

“ -

Breslauer Diskontobank 6 (1,5) 12 (6) 30 (21) 22,5 19,5 16,5 13,5 13,5 13,5 13,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 10,5 13,5 22,5 30 40 50 50 50 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25

-

Schlesischer N o r d Bankverein deutsche Bank 1870 1871 187 2 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 188l 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

15 18 22,5 22,5 22,5 22,5 20,1

18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 22,5 22,5 22,5 22,5 22,5 22,5

27 27 27 27 27 27 27 27 27 30 30 30 30 40 40 40 50 50 50

30 30 30 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 45 60 60 60 60 60 40 40 40 40 40 40 40 40 40 50 50 50 50 50 50 50 50 50 50 50

Rheinische Vereinsbank W ü r t t e m Creditbank bergische Hamburg Vereinsbank 30 (6) 30 (6) 30 (9) 30 (9) 30 (9) 30 (9) 30 (9) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(12) 30(15) 30(15) 30(15) 30(18) 30(18) 30(18) 30(18) 30(18) 30(21) 30(21) 30 (24) 30 (24) 30 (24) 30 (24) 30 (24) 30 (24)

30 30 30 30 30 30 30 30 30 30

3 5,2 9 12 15 15 15 15 15 15 15 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 21

24

24 24 30 30 30 40 40 40

6 6 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 15 15 15 15 15 15 15 15 18 20,1

30 40 40 46 46 46 50 70 70 75 75 85 85 95 95 95

95

Ostbank

“ ~ -

8 (7)

8 8 8 8 8 8 18 18 18 18 22,5 22,5 22,5

27 27 27

403 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Leipziger Bank

1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

9 9 9 13,5

18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 1.8 18 18 18 18 18 24 24 24 24 24 24 32 32 48 48 48 48

!

-

_ -

ADCA

Bayerische Hypo

15 21 24

34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 34,28 39,28 39,28 39,28 39,28 39,28 44,28 44,28 44,28 44,28 49,28 49,28 49,28 49,28 54,28 54,28 54,28 54,28

30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 39,95 39,95

42 42 42 42 50,4 50,4

60 60 75 75 75 75 80 80 90 90 90 90 90 110 110 | HO

60 60 60 60 |

60

Bayerische Vereinsbank 9 9 9

(1,8) (3,6) (6,3)

9 9 9 9 9 9 12,6 12,6 12,6 12,6 12,6 12,6 12,6 12,6 15,3 15,3

18 23,4 23,4 23,4

27 27 27 27 33 37,5 37,5 37,5 37,5 37,5 37,5 37,5 37,5 37,5 37,545

45 45 45 45 45 51

51

Preußische Centralboden 36(14,4) 36(14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 36(14,4) 3 6 (14,4) 36(14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 3 6 (14,4) 36(14,4) 36(18) 3 6 (18) 3 6 (18) 36(21,6) 3 6 (21,6) 36(21,6) 3 6 (25,2) 36(25,2) 36(28,8) 36(28,8) 36(28,8) 36(28,8) 36(28,8) 36(32,4)

36 36 39,6 39,6 39,6 39,6 39,6 44,4 44,4 44,4 44,4 | 44,4

404 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Boden- und Communalcredit

_ -

,

9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6

9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6 9,6

9,6

(4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (4,8) (7,2) (7,2) (7,2) (7,2) (7,2) (7,2) (7,2)

2. Bilanzsumme (in Mio M ) Disconto- Deutsche Gcselìschaft Bank 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

92,8 154,4 204,3 253,8 193,2 138,2 136,1 123,2 143,6 149,6 154,7 220,6 169,1 175,3 222,9 295,1 239,2 211,8 250,4 255,0 266,1 247,9 267,3 276,3 319,7 372,2 374,9 368,0 430,8 434,1 479,8 515,5 576,7 596,2 706,8 782,9 862,9 850,8 882,2 966,5 1083,9 1124,8 1160,2 1238,2 1404,5

11,1 35,6 96,9 130,0 145,0 136,7 190,5 134,4 146,5 174,5 169,3 220,7 213,7 259,0 289,0 298,3 232,6 336,1 390,7 439,2 423,3 402,8 416,8 426,3 459,4 579,3 569,3 721,6 811,7 868,8 897,0 997,2 1111,9 1218,7 1367,5 1557,1 1812,8 1871,7 1839,1 1891,7 2158,2 2137,2 2259,9 2245,6 2688,4

Dresdner Bank

_ -

16 19 19 23 25 22 31 30 66,0 73,0 90,0 102,0 104,2 131,5 133,8 180,0 244,4 194,6 186,3 219,3 219,0 270,0 337,9 367,8 432,5 487,6 578,8 605,5 507,4 573,8 634,8 890,8 930,5 1079,2 1012,0 1040,0 1181,0 1380,0 1453,0 1446,0 1538,1 1386,0

A. SchaaffDarmstädter Berliner hausen'scher HandelsBank Gesellschaft Bankverein 100,2 114,8 132,3 151,5 142,1 118,6 129,8 106,4 115,0 123,5 125,9 142,1 146,5 161,0 159,7 154,1 169,5 169,9 178,5 206,4 181,1 171,5 166,8 166,3 201,3 208,4 206,7 188,8 232,7 235,4 252,6 255,9 366,6 370,0 439,7 585,1 593,8 612,6 677,9 746,9 881,3 912,1 894,5 978,1 990,9

37,0 68,8 59,2 70,2 73,1 64,7 63,9 62,4 45,1 48,1 51,1 65,4 33,5 69,3 92,2 85,7 88,9 101,5 99,5 134,7 134,0 169,9 157,9 153,9 171,6 200,2 229,8 219,3 238,3 261,9 252,4 276,4 294,9 310,6 321,2 379,9 420,4 431,2 441,4 487,3 538,9 561,9 574,6 550,9 532,4

54,0 95,1 129,6 138,0 137,9 114,7 109,0 92,2 90,5 87,9 86,2 82,7 89,0 89,3 88,3 87,9 85,2 88,9 86,9 93,8 98,3 115,6 118,5 128,8 160,0 186,6 192,4 222,9 248,0 285,5 327,0 302,4 309,6 340,9 473,4 515,9 576,3 593,9 569,9 560,8 617,5 652,7 641,1 646,1 497,6

405 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

NationalMitteldeutsche bank für Creditbank Deutschland 1870 Í87l 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

_ -

54,1 82,5 88,6 125,8 124,4 97,2 88,8 81,7 74,7 67,9 67,4 62,3 64,1 66,9 65,3 70,9 70,7 70,8 79,7 84,0 84,7 83,2 79,3 77,2 89,5 93,5 86,1 102,2 104,1 124,6 134,1 127,6 122,3 129,2 141,0 158,3 169,9 169,5 178,5 201,1 221,1 230,9 223,8 258,7

24,5 36,8 35,0 36,6 38,5 62,9 52,4 64,6 93,4 90,0 82,1 90,6 94,2 118,7 157,7 148,1 149,2 167,1 178,7 178,4 141,0 165,0 186,6 212,2 297,9 342,6 323,3 334,1 400,2 435,1 481,8 456,4 426,0

306,9

396,8

Berliner Commerz- Deutsche Genossen- Bank und Discontobank schaftsbank bank 9,2 21,9 33,0 37,3 30,8 34,5 32,2 31,9 30,3 34,8 38,8 47,7 54,4 55,8 62,9 55,3 62,5 73,4 66,2 63,9 66,9 67,0 75,0 72,7 80,7 81,3 85 92,6 153,0 176,3 166,3 162,2 190,5 203,3 229,8 324,4 383,8 351,7 370,4 415,7 441,4 501,2 466,4

507,7

485,1

_

_ -

17,4 17,4

19,7 23,8 36,6 31,2 32,2 32,8 41,1 51,9

Breslauer Diskonto-

;

_ -

6,5

57,3 54,2 54,6 65,1 60,3 65,9 70,4 72,2 93,2 105,9 85,7 87,6 80,6

7,0 8,0 7,2 8,5 14,7 14,9 56,4 97,3 123,2 129,8 91,9 99,9 110,8

-

-

406 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

3,3 14,4 37,2 37,8 31,8 28,1

-

24,8 18,2 19,7 15,9 16,6 15,7 18,2 16,0 17,4 18,9 19,9 20,0 21,6 22,0 21,2 21,1 20,9 20,8 27,7 70,7 109,4 141,4 160,8 158,2 100,7 79,2 60,4 65,4 74,4 83,3 93,7 98,2 106,9 112,3 115,7 119,7

-

Schlesischer NordBankverein deutsche Bank 1870 1811 1872 1873 1874 1815 1816 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1901 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

25,2 43,2 37,8 37,5 32,4 30,1 28,3 29,0 30,0 28,6 29,1 29,4 30,9 34,5 33,8 38,8 47,5 46,4 45,7 46,6 51,1 48,8 59,3 58,5 59,6 62,5 70,5 75,2 80,4 81,8 84,5 91,8 125,1 183,9 160,4 165,4 165,7 173,5 177,5 204,0 232,8 216,0

59,4 75,5 67,8 71,3 78,4 76,4 89,7 89,1 106,4 101,6 108,4 113,4 109,3 113,5 113,6 134,8 131,2 145,2 155,5 149,8 146,1 163,9 147,3 148,7 142,3 148,8 162,5 160,2 156,9 162,1 157,9 197,9 219,1 220,3 254,3 240,7 257,4 269,8 249,5 280,6 289,4 275,5

Vereinsbank Württem- Rheinische Ostbank Hamburg Creditbank bergische Vereinsbank 22,7 30,2 40,6 22,8 22,9 23,8 25,8 35,5 34,9 40,6 36,0 39,5 34,6 38,4 46,9 47,9 55,1 50,1 53,4 61,0 59,2 61,2 63,2 65,8 68,4 69,5 62,4 66,3 72,6 86,3 97,8 105,4 109,2 113,3 117,0 133,3 143,9 159,4 160,3 166,4 177,0 193,3 178,4 186,8 203,0

_ 13,3 18,8 22,7 28,0 28,5 30,1 29,6 28,9 29,4 30,8 35,5 37,2 37,6 39,4 40,1 43,5 45,6 41,9 48,3 46,7 49,8 45,0 45,3 46,2 45,4 43,8 44,8 46,9 50,5 54,6 60,5 59,2 64,5 86,4 92,3 108,1 117,6 132,4 144,7 160,3 172,4 183,9 189,6 201,2

11,8 15,0 19,5 16,9 29,4 27,2 25,9 27,0 39,3 40,4 41,2 43,9 41,6 42,0 44,3 48,7 44,3 46,5 44,9 45,1 50,2 51,4 46,1 52,3 52,2 55,6 69,5 103,9 131,7 147,3 162,2 168,2 168,8 184,2 258,9 270,3 307,3 321,4 347,9 370,9 421,6 398,8 411,4 401,9

_ -

15,4 23,2 28,9 23,5 25,3 30,2 33,5 65,9 83,7 91,5 102,0 109,7 113,3 121,7 126,9 144,4 145,4

407 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Leipziger Bank

1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

35,7

26,3 28,6 29,7 33,5 34,2 36,4 28,9 103,7 35,8 43,5 45,7 43,0 49,3 49,7 67,6 98,8 105,8 114,5 122,4

_ _ -

Bilanzsumme

ADCA | AG für Boden- und Communalcredit davon Bilanzdavon Verwaltung Pfandbriefe Öffentlicher Pfandbriefe summe Gelder

29,5 39 52 60,9 64 68 69,1 67 66 69 71,6 75,1 79,8 89,0 91,6 91,6 97,5 97,7 30,4 107,7 112,7 124,7 126,0 124,9 133,2 126,9 129,3 143,2 144,2 181,7 155,3 249,0 233,0 255,7 265,7 288,9 308,6 362,8 382,5 377,5 401,2 417,9 458,8 496,0

504,3

2,4 2,8 4,1 4,7 6,8 8,6 9,1 9,9 10,2 11,8 12,5 14,9 15,3 22,1 23,2 25,8 25,9 27,1 75,8 30,2 34,0 34,2 31,4 30,2 29,3 26,4 29,2 28,2 28,2 28,1 26,9 24,7 22,4 19,0 16,4 14,9 13,7 12,8 11,0 10,2 8,6 7,8 6,7 6,2 5,2

_ _

_ -

18,9 67,7 54,6 57,7 57,4 56,6 64,1 65,6 71,6 81,0 83,4 89,7 95,1 102,9 69,2 73,1 33,5 76,2 76,2 78,4 75,1 73,6 84,5 98,7 111,7 118,6 124,9 129,9 130,8 135,4 146,1 155,2 162,1 171,7 174,1 180,3 187,9 196,2 204,6 210,8 216,0

0,0 0,0 0,0 5,0 5,8 7,9 7,9 7,8 7,7 11,4 13,1 15,0 18,1 22,3 25,4 29,8 15,2 35,0 38,7 40,4 41,5 44,4 52,5 65,7 77,9 87,1 95,0 99,5 100,9 104,5 114,9 122,6 129,7 138,7 141,6 147,8 155,3 163,1 169,5 175,7 181,1

| 222,9

185,4

408 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

_ -

13,6 54,3 42,7 40,5 39,3 36,2 40,3 42,2 42,5 44,4 45,2 49,8 54,8 57,5 17,1 17,0 12,1 11,2 11,6 6,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

Bayerische Hypo davon BilanzPfandbriefe summe

Bayerische Vereinsbank davon Bilanzsumme Pfandbriefe

158,0 154,6 177,0 215,3 256,3 273,0 299,0 327,1 345,3 370,8 384,7 403,9 408,1 414,9 426,0 436,3 488,1 512,4 556,1 586,5 616,6 637,5 658,5 690,0 723,1 739,2 774,3 846,9 904,3 935,1 969,2 1004,9 1024,7 1034,3 1040,9 1064,4 1109,6 1133,5 1171,5 1206,2 1259,5 1307,8 1337,0 1379,5 1415,0

6,8 12,5 32,1 37,4 45,5 53,3 60,0 4 64,1 72,1 85,8 95,0 101,3 105,1 111,0 125,5 129,5 142,4 151,2 182,1 190,2 201,1 228,7 248,6 264,9 305,8 298,0 304,1 331,9 357,2 375,0 391,7 409,8 413,9 427,4 434,9 446,1 459,0 484,4 551,3 585,8 615,3 647,9 651,9 682,8 709,7

73,8 76,7 99,7 128,8 164,5 195,8 226,4 255,7 277,3 299,9 314,3 324,0 332,3 340,5 352,3 360,4 398,4 428,5 465,7 495,5 523,4 538,2 557,3 574,3 591,9 607,7 637,0 703,6 748,1 777,5 797,5 831,7 848,1 869,3 885,2 910,0 933,6 955,9 983,5 1020,8 1062,4 1105,6 1132,0 1155,4 1181,0

0,0 1,4 9,1 19,5 27,7 35,9 2,5 47,1 54,3 62,9 68,6 74,4 79,1 85,5 97,8 103,7 114,0 119,8 143,2 152,0 153,0 175,5 189,6 201,1 226,5 228,9 238,6 252,7 263,8 271,7 278,9 298,9 307,2 318,1 328,1 335,8 344,2 361,4 385,4 412,4 434,4 457,5 473,1 478,5 490,1

Preußische Centralboden Bilanzdavon Pfandbriefe summe 17,7 36,6 87,9 108,6

172,1 178,2 182,6 191,8 203,9 208,7 218,3 226,3 258,2 301,3 367,5 399,9 434,8 475,7 509,1 535,2 561,6 560,4 581,4 603,9 637,1 680,3 738,5 770,3 772,8 795,4 817,4 879,6 941,1 997,3 1043,9 1063,2 1057,9 1063,6

2,0 19,0 67,6 88,7 111,1 129,2 131,9 137,6 140,1 151,2 157,5 161,7 170,3 180,2 184,2 192,6 200,7 211,4 225,2 259,9 289,3 316,3 342,0 372,3 397,7 420,7 450,3 465,9 476,9 487,7 502,0 532,3 553,7 600,5 612,1 608,0 626,5 644,5 681,0 724,0 755,5 787,8 802,9 796,9 789,9

409 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

3. Dividende (in %) DiscontoGcsellschaft 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

13,0 24,0 27,0 14,0 12,0 7,0 4,0 5,0 6,5 10,0 10,0 11,5 10,5 10,5 11,0 11,0 10,0 10,0 12,0 14,0 11,0 8,0 6,0 6,0 8,0 10,0 10,0 10,0 10,0 10,0 9,0 8,0 8,5 8,5 8,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,5 10,0 10,0 10,0 10,0 8,0

Deutsche Bank 5,0 8,0 8,0 4,0 5,0 3,0 6,0 6,0 6,5 9,0 10,0 10,5 10,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 10,0 10,0 9,0 8,0 8,0 9,0 10,0 10,0 10,0 10,5 11,0 11,0 11,0 11,0 11,0 12,0 12,0 12,0 12,0 12,0 12,5 12,5 12,5 12,5 12,5 10,0

Dresdner Bank

_ -

1,5 6,0 5,0 5,5 6,5 7,5 9,0 9,0 9,0 8,0 8,0 7,5 7,5 7,0 7,0 9,0 11,0 10,0 7,0 7,0 5,5 8,0 8,0 8,0 9,0 9,0 9,0 8,0 4,0 6,0 7,0 7,5 8,5 8,5 7,0 7,5 8,5 8,5 8,5 8,5 8,5 6,0

Darmstädter Berliner A. SchaaffBank Handelshausen'scher Gesellschaft Bankverein 10,0 15,0 15,0 10,0 10,0 6,0 6,0 6,75 6,75 9,5 9,5 10,0 8,25 8,25 7,0 6,5 7,0 7,0 9,0 10,5 9,0 5,25 5,25 5,25 7,0 8,25 8,0 8,0 8,0 7,0 6,0 4,0 6,0 6,0 7,0 8,0 8,0 6,0 6,0 6,5 6,5 6,5 6,5 6,5 4,0

9,0 12,5 12,5 6,5 7,0 5,0 0,0 0,0 0,0 5,0 5,5 6,0 0,0 7,0 9,0 8,0 9,0 9,0 10,0 12,0 9,5 7,5 6,0 5,0 7,0 8,0 9,0 9,0 9,0 9,5 8,0 7,0 7,5 8,0 8,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,5 9,5 8,5 5,0

410 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

8,5 12,5 14,0 8,0 5,5 0,0 0,0 2,22 3,0 3,3 3,3 3,5 4,0 4,0 4,0 4,0 4,0 4,0 4,0 5,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 8,0 8,0 7,5 5,0 5,0 6,0 7,25 8,25 8,5 7,0 7,0 7,5 7,5 7,5 5,0 3,0 5,0

Mitteldeutsche Creditbank 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

10,0 12,0 12,0

5,0 4,0 3,0 2,0 2,0 2,5 0,0 5,0 2,0 5,5 5,25 5,25

5,0 5,0 4,5 6,0 7,0 6,0 5,0 4,5 4,5 5,0 5,5 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 5,5 5,5 5,5 6,0 6,5 6,5 6,5 6,5 6,0 6,5 6,5 6,5 6,5 5,5

Nationalbank für Deutschland

_ -

7,0 6,5 5,5 3,0 4,0 2,0 6,0 9,0

10,0

9,0 6,5 5,0 4,5 6,5 8,5 8,5 8,5 8,5 8,5 6,5 3,0 5,0 5,0 6,0 7,0 7,5 6,0 6,0 6,5 7,0 7,0 7,0 6,0 0,0

Commerzund Discontobank

Deutsche Genossenschaftsbank

5,625 7,625 8,375

10,75 10,66

0,0 3,5 4,75

6,0 6,0 6,33

7,0 7,0 9,0 7,5 6,66 6,33 6,16 6,33

6,0 7,33

7,5 5,0 4,0 4,0 4,0 6,0 7,33

7,0 8,0 3,0 5,5 6,5 5,5 6,0 6,0 6,5 6,5 6,5 5,5 5,5 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 4,5

6,4 3,0 6,0 5,5 5,5 5,5 5,5 7,0 7,75

8,0 7,5 7,5 8,0 6,75 6,66

7,0 7,5 8,0 7,0 6,0

Berliner Bank

_ -

5,0 5,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 5,0 3,0 4,0 4,0

7,5 8,0 6,5 6,0 5,0 6,0 7,0 6,0 6,5 7,0 7,0 5,0 2,0 3,5 4,0

-

-

4,83

Breslauer Diskontobank

8,0 13,4 10,0

2,5 4,0 2,0 4,0 3,0 3,0 5,5 6,0 5,0 5,25

5,0 5,0 5,0 5,0 5,0 6,33

7,0 6,0 4,5 5,0 5,0 6,5 7,0 6,5 7,0 7,5 7,5 4,0 0,0 4,0 5,5 6,0 7,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0

-

411 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Schlesischer NordBankverein deutsche Bank 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

8,0 12,0 14,0 6,0 6,0 5,0 5,0 5,0 5,0 6,0 6,0 6,0 6,0 5,5 5,5 5,0 5,5 6,0 7,0 8,0 7,0 5,5 5,5 5,0 5,5 7,0 7,0 7,0 7,0 7,5 7,0 6,5 6,5 6,5 7,0 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 6,0

11,5 12,6 13,6 10,8 10,0 6,7 8,0 8,5 8,8 10,0 10,0 10,5 8,5 8,3 8,0 6,1 7,0 8,5 10,0 12,0 8,5 4,5 4,5 4,0 4,5 8,0 8,0 8,5 8,5 9,0 9,0 8,0 8,5 8,5 8,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,5 9,5 10,0 10,0 10,0 8,0

Vereinsbank Hamburg 11,25 11,25 13,75 10,55 11,11 9,8 10,0 11,55 7,75 7,0 6,66 8,33 8,0 7,0 7,5 7,5 7,5 7,5 9,5 11,25 11,0 9,5 7,75 8,75 8,0 8,75 9,0 9,0 9,0 9,5 9,0 8,0 7,5 8,0 8,5 8,5 9,0 9,0 9,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 7,5

WürttemRheinische Ostbank bergische Creditbank Vereinsbank

|

10,66 13,33 17,2 10,0 8,0 7,0 6,0 6,66 7,5 8,0 8,0 9,0 7,5 7,0 6,5 6,0 6,0 6,0 6,66 7,5 7,5 6,66 6,66 6,66 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 6,0

_ 10,06 12,0 5,0 6,0 6,75 4,0 4,0 5,0 6,0 6,5 7,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,5 7,0 7,5 7,5 7,0 6,5 6,5 6,5 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 5,0

412 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

_ “

6,0 7,0 7,0 5,5 6,0 6,0 6,5 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0

4,0

Leipziger Bank 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

10,6 8,28 10,4 9,53 7,5 6,66 4,9 5,66 5,5 7,0 7,5 7,5 6,0 7,0 7,0 6,4 5,8 5,0 6,66 7,5 6,5 6,5 6,0 6,0 6,0 7,5 9,0 10,0 10,0 10,0 9,0

-

ADCA

8,5 11,0 15,0 9,75 9,16 7,0 6,0 5,66 6,66 10,0 9,0 9,0 9,66 10,0 9,5 9,0 8,5 9,0 10,0 12,0 12,0 9,0 8,5 8,0 10,0 11,0 11,0 11,0 10,0 10,0 9,0 8,0 8,0 8,5 8,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 8,5 8,5 6,0

Bayerische Hypo 8,8 9,4 9,8 10,2 10,4 10,42 10,38 10,5 10,5 10,85 10,97 11,08 10,73 10,73 10,73 10,73 10,73 10,62 11,32 11,67 12,017 12,367 12,367 12,367 12,367 12,367 12,367 12,95 12,95 12,95 12,95 12,95 12,95 12,95 12,95 12,95 12,95 13,0 13,0 13,0 13,0 13,5 14,0 14,0 14,0

Bayerische Vereinsbank 12,0 7,14 7,33 6,0 6,5 7,0 7,0 7,0 7,0 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 7,5 8,0 8,0 8,0 8,5 8,5 8,5 8,5 8,5 8,5 8,5 8,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 8,0

Preußische Centralboden

Boden- und Communalcredit

7,0 9,5 9,5 9,5 9,5 9,5 9,5 9,5 9,5 9,5 8,5 8,75 8,75 8,75 8,75 8,75 8,75 8,75 9,5 10,0 10,0 9,5 9,5 9,5 9,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,5 9,5 9,5 9,5 8,5

_ -

3,0 8,0 8,0 8,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 5,6 6,0 6,0 6,0 4,0 6,5 6,75 7,0 7,0 6,0 3,0 4,5 5,0 6,0 6,5 7,5 8,0 6,66 8,0 8,5 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 9,0 10,0 10,0 10,0 10,0 10,0 10,0 9,0

413 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

4. Börsenkurs (Jahresultimo; in %) DiscontoGesellschaft 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

138,00 225,00 335,00 179,75 177,25 135,50 107,25 100,50 130,50 193,25 183,50 221,50 191,10 193,90 210,50 205,75 213,75 185,00 225,40 247,75 213,40 171,50 175,25 173,60 207,50 201,25 211,23 201,20 199,40 192,75 176,20 179,90 190,40 196,00 192,30 189,50 186,25 170,20 179,80 197,00 193,50 192,80 13,10 186,00 173,25

Deutsche Bank 103,375 118,00 115,875 84,50 89,00 77,50 80,00 89,10 100,75 145,30 153,50 163,25 147,50 148,00 157,00 156,00 171,50 157,50

170,50 173,50 159,40 147,00 152,50 153,00 171,60 185,70 196,00 209,60 207,00 207,30 196,90 202,10 212,50 223,90 235,90 241,70 242,50 227,60 241,90 248,60 263,50 264,90 248,80 248,00 222,00

Dresdner Bank

Darmstädter Bank

_ -

89,50 87,375 80,50 78,75 91,20 104,00 128,00 138,00 142,20 130,25 125,00 127,00 126,50 136,00 123,40 143,75 192,60 154,75 132,10 135,75 130,00 156,25 156,25 161,00 163,20 163,75 163,40 145,00 127,25 145,70 157,30 158,50 164,25 158,30 137,90 147,50 163,00 162,70 159,25 151,00 150,90 139,00

|

!

130,00 185,00 216,00 161,00 154,00 119,75 100,10 101,25 115,75 148,75 155,00 170,75 152,00 154,75 154,50 134,50 143,40 134,00 160,75 181,50 155,00 121,80 129,00 127,75 150,80 153,50 158,75 157,30 154,75 144,75 130,75 125,50 135,25 145,75 142,50 148,25 140,25 125,30 128,00 138,00 130,60 127,00 118,25 116,10 110,25

Berliner A. SchaaffHandelshausen'scher Gesellschaft B a n k v e r e i n 131,25 153,50 160,00 119,875 120,75 93,75 69,00 66,00 55,40 83,50 102,75 124,00 60,50 118,25 153,50 138,80 162,50 145,25 173,75 203,75 158,25 126,50 132,90 127,60 153,75 146,00 160,00 175,80 168,00 169,00 147,90 138,50 158,40 162,90 165,80 171,60 174,50 154,10 169,00 183,00 169,60 171,50 163,60 155,50 | 142,00

414 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

130,00 160,00 185,00 136,00 125,12 74,00 52,75 45,75 66,20 98,10 90,50 91,10 86,50 90,25 87,00 87,10 89,00 91,00 101,50 115,40 115,00 105,75 105,50 116,50 136,00 139,25 146,60 151,00 151,00 144,00 125,80 112,00 114,30 147,10 145,25 163,00 157,60 134,70 132,75 148,50 142,90 136,40 114,25 101,10 102,50

Mitteldeutsche Creditbank 1870 1871 1872 1873 1814 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

122,75 164,50 159,00 111,25 92,00 81,75 67,50 67,60 73,10 85,90 97,00 103,00 94,30 93,00 91,90 91,70 98,00 93,80 107,00 118,50 109,90 90,75 96,00 92,60 104,0 109,80 115,00 117,50 120,00 114,30 111,50 106,70 109,30 115,60 120,20 122,70 121,40 114,50 117,80 120,00 122,25 121,90 116,50 115,00 113,50

Nationalb a n k für Deutschland

_ 112,25 102,75 99,00 93,00 87,25 93,80 93,50 131,90 154,40 132,00 111,10 110,50 104,50 129,80 137,50 146,00 152,50 149,00 146,50 132,00 103,00 117,60 127,00 130,50 130,00 134,00 115,50 120,75 130,75 130,40 129,00 118,80 116,90 103,50

Commerzund Discontobank 100,375 123,00 127,50 91,00 80,75 82,50 96,00 93,00 101,00 117,30 123,00 143,30 132,10 127,30 126,00 119,00 124,25 121,50 132,75 135,00 123,25 108,50 100,00 100,00 119,75 130,60 130,30 144,50 121,50 118,25 117,75 111,00 115,40 122,40 122,00 122,75 122,25 107,40 108,00 116,40 115,00 117,25 110,00 107,25 103,75

Deutsche Genossenschaftsbank 112,00 135,00 148,00 106,50 100,00 98,00 88,00 88,50 91,10 113,00 119,75 136,00 129,00 126,50 137,00 135,00 136,50 125,00 135,00 138,30 129,00 122,25 115,90 112,80 116,75 118,40 120,40 118,40 118,20 115,00 109,75 101,00 96,00 100,20

-

Berliner Bank

_ 110,60 111,25 103,00 103,30 99,25 110,25 118,60 114,00 113,75 113,75 117,60 105,30 81,90 89,60 94,50 90,75

-

Breslauer Diskontobank 101,75 142,00 130,00 74,00 86,50 67,00 67,25 56,00 65,50 95,25 97,40 101,00 90,40 89,50 84,00 83,75 90,00 89,00 111,50 119,30 107,90 89,70 96,70 97,10 106,30 123,00 118,30 122,00 121,00 120,00 97,90 70,25 96,00 111,90 118,80 125,75 118,60 104,75 108,00 112,50 111,30 110,00

-

415 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Schlesischer Bankverein

1870 1871 1812 1813 1814 1815 1816 1811 1818 1879 1880

93,00 127,00 173,00 109,25 110,00 85,50 86,00 79,00 86,00 107,25 108,50 114,00 109,00 109,75 102,00 102,00 104,50 110,00 127,00 139,50 125,25 109,50 111,50 113,50 116,75 128,00 129,12 140,00 i 150,75 148,00 143,50 142,50 143,25 145,00 149,25 159,00 157,75 150,00 157,00 158,00 154,75 155,60 150,00 148,10 | 148,00

Norddeutsche Bank1 144,50 190,00 183,50 140,00 147,75 126,50 123,25 138,00 141,00 157,00 171,75 191,25 160,00 151,80 160,00 136,10 145,90 147,25 177,25 176,40 163,75 136,80 129,50 125,50

Vereinsbank Hamburg 113,75 120,37 125,50 122,00 124,75 116,00 117,80 122,00 119,00 120,00 120,00 126,00 117,25 117,12 117,75

Rheinische Württembergische Creditbank Vereinsbank 107,50 144,75 181,50 152,00 133,00 115,75 101,12 102,12 112,00 138,00 139,10 152,25 134,75 128,30 124,90 119,50 122,50 117,20 122,10 129,40 127,80 122,10 124,10 126,00 142,00 146,50 150,50 149,75 150,80

_ 118,00 128,00 109,75 99,75 94,75 85,25 83,75 83,25 107,00 109,18 116,00 109,50 108,00 112,37 113,50 122,70 117,90 125,00 125,00 122,95 116,80 120,50 121,00 131,00 136,50 138,50 138,70 143,50 142,50 142,50 141,00 140,00 140,20 146,50 142,90 144,90 137,30 133,90 139,40 138,90 138,50 132,40 126,20 | 123,00

Ostbank

_ -

1881 1882 1883 1884 1885 125,75 1886 1887 129,50 1888 138,50 1889 142,00 1890 138,25 1891 133,50 1892 138,80 1893 143,25 1894 149,25 1895 152,25 1896 159,30 1891 1898 115,00 168,25 168,50 1899 115,50 1900 139,00 113,50 163,75 158,50 1901 140,80 104,00 158,00 1902 148,00 106,75 152,00 116,75 154,25 1903 167,50 1904 151,90 120,00 152,50 127,00 1905 170,00 1906 149,40 124,20 1901 144,00 119,50 171,00 123,00 1908 151,00 127,20 174,25 1909 153,00 175,50 150,80 130,90 1910 171,00 1911 147,70 129,50 166,75 1912 135,70 120,00 163,00 124,50 1913 132,75 162,75 1914 | 131,40 | 122,00 | 1 Da sich seit 1895 die Aktien der Norddeutschen Bank vollständig im Besitz der DiscontoGesellschaft befanden, fand keine Kursnotierung mehr statt.

416 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Leipziger Bank

1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910

122,00 139,50 149,50 134,00 123,00 114,00 108,00 102,00 107,00 126,50 133,00 139,00 136,00 127,50 135,50 137,50 137,00 129,50 135,50 150,00 127,80 124,00 128,10 128,75 138,25 143,90 180,79 193,25 186,50 175,75 163,00 1,10

-

ADCA

117,25 152,50 188,25 147,375 158,80 123,50 109,80 100,30 113,00 147,25 154,00 163,75 157,75 169,00 179,75 173,00 174,00 172,80 194,25 212,50 209,50 166,00 163,00 176,50 193,90 216,00 216,50 218,00 215,90 197,40 186,50 168,00 174,00 179,80 181,00 178,00 176,50 163,90 164,50 176,50 176,00

Bayerische Hypo

207,60 198,00 205,50 217,50 258,00 259,80 269,40 257,00 246,50 249,20 259,50 281,00 264,00 284,20 299,50 297,50 294,25 302,75 297,00 314,50 326,40 317,00 314,00 312,00 304,00 279,00 276,00 294,00 299,00 299,50 307,25 293,00 279,00 289,50 296,50 289,00

Bayerische Vereinsbank

111,50 123,50 131,50 139,00 148,50 140,20 145,60 155,00 158,50 170,50 172,50 177,80 206,00 177,40 165,50 170,50 177,25 197,75 201,00 201,00 202,00 197,90 190,50 187,00 184,50 195,00 201,50 198,00 199,00 197,90 188,50 189,00 193,90 194,00

Preußische Centralboden

Boden- und Communalcredit 1

113,50 124,00 132,25 117,50 120,125 119,75 117,60 119,75 118,40 128,00 126,20 125,00 124,90 127,25 127,75 132,50 135,75 135,50 143,90 153,00 158,00 151,00 159,30 160,90 170,25 178,00 174,75 173,50 172,00 164,90 152,00 161,10 172,00 194,00 204,00 200,00 194,10 186,00 188,00 193,50 196,30

_ -

102,375 101,50 101,675

100,50 100,30 96,50 101,00

*707 (700) *740 *930 *940 *980 *997 *918 *965 (1045) *1110 *1095 *1025

1 Die Kurse der Aktiengesellschaft für Boden- und Communalcredit wurden nicht in Berlin und nur zeitweise in Frankfurt notiert. Die mit [*] versehenen Werte sind Notierungen der Straßburger Börse in Französischen Franc; diejenigen in () an der Basler Börse, ebenfalls in Französischen Franc

417 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Leipziger Bank 1911 1912

1913 1914

_ -

ADCA

171,75 162,50 156,50 145,00

Bayerische Hypo 290,00 303,00 300,00 295,25

Bayerische Vereinsbank 187,00 183,50 180,00 174,50

Preußische Centralboden 198,00 189,00 189,25 186,00

418 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Boden- und Communalcredit* *985

Personenregister Achterberg, Erich 21, 25, 147 Albert I. von Sachsen 270 Andreae, Jean sen. 299 Arendt, Otto 290, 308 Arnim, von (Ritterschaftsdirektor) 299 Arnstädt, Georg 54 Augustine, Dolores 12, 122, 226, 265 Baden, Max Prinz von 297 Ballin, Albert 184, 240f, 251, 268, 296 Bamberger, Ludwig 240, 259, 293 Barth, Theodor 209, 251, 277 Behrens, Familie 42, 44, 122, 157, 229, 348 Beit (von Speyer), Eduard 47, 113, 151, 160 Berlepsch, Hans von 68, 70 Bernhard, Georg 10, 22, 156, 195, 213, 223, 249, 280, 292 Bernstein, Otto 302 Bethmann Hollweg, Theobald von 289, 322f Beumer, Wilhelm 69 Bismarck, Otto von 10, 70, 79, 151, 183, l87f, 216, 262, 268f., 273, 286f, 297, 342, 348, 350 Bleichröder, Emma 243 Bleichröder, Familie 42,70,159,220,222, 239 Bleichröder, Gerson (von) l0f, 61, 148f., 151,154-157, 160, 187f, 191, 195, 213, 222,236,241,243,246, 252,26lf, 264, 268, 273, 277, 293, 349-351, 353f. Bleichröder, Hans von 75, 254 Bodenheimer, Siegmund 129, 140, 171, 175, 187,213,218,234,262 Böhme, Helmut 283 Bourdieu, Pierre 15-17, 19-21, 105

Bratz, Maria 29 Braun, Karl 251 Braunfels, Otto 123, 163, 213 Buch, Leopold von 299 Buchheister, AthosJ. 205 Bülow, Bernhard von 262, 296, 314, 322, 323-326 Büsing, Otto 251,312f Caprivi, Leo von 294 Cassis, Youssef 167,291 Cecil, Lamar 247 Claß, Heinrich 181 Cohn, Moritz 267 Conrad, Eduard 190 Däbritz, Walter 209 Dahrendorf, Ralf 152 Damme, Paul 288 Dechend, Hermann 324 Delbrück, Adelbert 31,47,94,96-98,101, 190, 198, 210, 216, 254f, 288, 299 Delbrück, Clemens (von) 332 Delbrück, Ludwig 75, 151, 268 Dernburg, Bernhard 78, 171, 174, 223, 258, 262, 295f. Dernburg, Emma 296 Dietrich, Hans-Christian 235 Disraeli, Benjamin 243, 264 Durkheim, Emile 17 Eckhard, Carl 79,127, 257, 270, 287, 293 Elias, Norbert 247 Ellissen, Familie 150 Escher, Alfred 261 Eulenburg, Franz 117 Farwick, Wilhelm 101 419

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Harter, Carl 173 Hartmann, Gustav 134, 146, 173 Härtung, Hugo 145, 206, 208f., 300 Hatzfeld, Grafen von 151 Hauptmann, Gerhard 256 Havenstein, Rudolf 66, 320, 325, 329f, 334, 337, 339f Hecker, Emil 198 Heiligenstadt, 319 Heimann, Albert 61, 135, 173 Heinemann, Elkan 134,144,171,185 Helfferich,Karl 11,37,94, l3lf, 134,251, 290, 295, 325, 330, 332, 335 Hellige, Hans Dieter 246 Hemptenmacher, Theodor 330 Henckel von Donnersmarck, Guido Graf 42 Henning, Hansjoachim 226 Heydt, August von der 104 Hindenburg, Frau von 297 Hinrichsen, Siegmund 277 Hoeter, Joseph 145 Gamp (-Massaunen), Karl (von) 298,305, Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig 322,325 von 289,295 Holländer, Emil 54 Gelpcke, Friedrich 190, 198 Hoverden, Joseph Graf von 229 Glagau, Otto 178, 181, 266, 279, 287 Huret, Jules 263 GodefTroy, Gustav 203 Hutten-Czapski, Bogdan von 257f. 296, Gordigiani, Guiletta 243 297 Gutmann, Eugen 42, 61, 112, 115, 125, 135,171, 221, 232-234, 26lf. Jacobi, Rudolf (von) 295 Gutmann, Fritz 232 Gwinner, Arthur (von) 42, 48, 65, 112, Jagow, Traugott von 285 l53f., 156, 209, 212, 256, 262,289,296, Jonas, Paul 97, 132,143 323, 326, 340, 349, 353, 355, 361 Kaelble, Hartmut 67, 253 Haber, Moritz von 86 Kaempf, Johannes 74, 78, 174, 262, 299, 311,341 Hagen, Louis 61, l00f, 118 Kaiser, Hermann 96 Hamberg, Eduard C. 122 Hansemann, Adolph (von) 87, 97, 103, Kanitz, Hans Graf von 298, 322, 325, 332f 105, 107, 109f, 112, 114, l53f, 160, l90f, 209,210, 213, 217, 229, 246, 252, Kapp, Friedrich 251 262, 265, 277, 349, 353 Kardorff, Wilhelm von 151 Hansemann, David 87, 103 Kempner, Maximilian 130 Kirdorf; Emil 252 Hansemann, Ferdinand von 107, 246 Klemperer, Gustav (von) 125 Hapke (Kommerzienrat) 70 Harden, Maximilian 184,240,251,262 Klemperer, Victor von 125

Fischel, Arthur 47,213,330 Fischer, Hermann 284 Fontane, Theodor 48, 254, 259, 352 Forckenbeck, Max von 190 Frankenberg und Ludwigsdorf, Daisy von 234 Frenkel, Hermann 281 Frensdorff, Jacob 47 Frentzel, Adolph 305 Frevert, Ute 236, 241 Friedländer (-Fuld), Fritz (von) 184 Friedrich I. von Baden 270 Friedrich III. 160,258 Fürstenberg, Aniela 184, 239f, 256, 261 Fürstenberg, Carl 49, 61, 71, 74, 97, 103, 105, 107, 110, 112, 118, 131, 135, 144, 150, 171,175, 184, 213,220, 240f, 243, 245f, 25lf, 260, 267f, 284, 288, 337, 349 Fürstenberg, Hans 107, 218, 220, 238f, 254, 259

420 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Klitzing, Max von 145, 175, 229 Klönne, Carl 64, 101, 134, 173, 213, 223 Koch, Richard (von) 305, 324f Koch, Rudolph (von) 73, 97, 131, 153, 323 Kocka, Jürgen 46,253 Koenigs, Familie 110 Kögel, Rudolf 189 Kopetzky, Wilhelm 313 Korach, Ernst 85 Köster, Carl Wilhelm 47 Krause, Wilhelm von 229, 244 Krupp von Bohlen und Halbach, Bertha 42 Landau, Eugen 61,175 Landau, Jacob 232 Landau, Luise 232 Landsburgh, Alfred 56, 268, 326 Langen, Eugen 99 Langen, Familie 99f. Langen, Gottlieb (von) 99 Langen, Johann Jakob 99 Langen, Walther 99, 101, 133 Lehndorff, Familie von 151, 158 Lent, Alfred 143 Leo, Heinrich 122 Lévi-Strauss, Claude 17 Lexis, Wilhelm 327 Liebermann von Sonnenberg, Max 276 Liebermann, Max 256 Liebknecht, Karl 71 List, Friedrich J.A. 296 Lumm, Karl von 339 Maaß, Louis 143 Magnus, Ernst 74 Magnus, Friedrich Martin (von) 89 Magnus, Paul Gustav (von) 90, 244 Magnus, Viktor von 89, 267 Mankiewitz, Paul 132,173,176,199,212, 264 Manteuffel, Otto von 104 Marx, Karl 17 Meinecke, Friedrich 254 Melchior, Carl 131

Mendelssohn (-Bartholdy), Familie 199, 228f.,256,351 Mendelssohn Bartholdy, Otto (von) 52, l55f, 157, 159, 161 Mendelssohn, Alexander 197 Mendelssohn, Franz (von) sen. 151, 160 Mendelssohn, Moses 159 Mendelssohn, Robert von 152, 243, 252, 260, 289 Mendelssohn-Bartholdy, Ernst (von) H2f, 132, 155, 157-159, 161,163, 199,217,277,305 Mendelssohn-Bartholdy, Paul sen. 197, 256 Mevssen, Gustav (von) 86, 91, 93f, 99, 103, 208 Meyer, Alexander 292 Meyer, Rudolph 266,279 Michalowsky, Carl 73, 128, 131,173 Miquel, Johannes (von) 127, 291, 293, 295f Mirbach-Sorquitten, Julius Graf von 290 Model, Julius Gustav 90 Model, Paul 90, 92 Moelle, Friedrich 96, 127 Möller, Theodor (von) 145 Mommsen,Karl 254,277,319,326, 335 Mommsen, Theodor 190,254 Mommsen, WolfgangJ. 253 Mosler, Eduard 64,131,173 Mosse,Werner 11,164 Mueller,Waldemar 61,145,173,281,284, 296,302,313,315 Müller (GORR) 329 Munch, Edvard 256 Naphtah, Berthold 173 Newman, Edward A. 88 Nussbaum, Arthur 318 Oldenburg-Januschau, Elard von 298 Oppenheim, Abraham (von) 86, 91, 160, 245, 267, 353 Oppenheim, Albert von 245 Oppenheim, Eduard von 245 421

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Oppenheim, Familie (Köln) 77, 245, 267 Oppenheim, Otto Georg 160 Oppenheim, Simon (von) 86, 155, 267, 353 Oppenheim, Simon Alfred von 61, 110, 118 Parcus, August Ludwig 127 Parcus,Carl 299 Paucker, Arnold 164 Petersen, Rudolph 203 Petri, Emil 293,295 Philipsborn, Richard (von) 127, 170 Picard, Lucien 47, 123 Platenius, Wilhelm August 96 Plaut, Moritz 90 Puttkamer, Robert von 189, 297 Raab, Friedrich 292, 322, 328, 333 Raphael, Edward Lewis 88 Rathenau, Emil 220, 245, 261 Rathenau, Erich 245 Rathenau, Familie 245, 256 Rathenau, Walther 11, 23, 134, Î46, 163, 182, 220, 245, 251, 256, 258f, 267 Reinhard, Max 256 Richter, Eugen 289 Rickert, Heinrich 251 Riess, Louis 197 Riesser,Jacob76,131,175,207f,251,281, 289, 294, 30lf, 312,315, 319, 336,347, 355 Rinkel, Ferdinand 110 Roland-Lücke, Ludwig 74, 207, 234 Rosenberg, Hermann 264 Rosenberg, Theophile 230 Rothschild, Alfred de 218 Rothschild, Amschel Mayer 29 Rothschild, Anselm von 117 Rothschild, Familie 40,42,110,150,157, 165, 171, 218, 229, 236, 273, 351, 356 Rothschild, Mayer Amschel 350 Rothschild, Mayer Carl von 41,190,252, 286, 349 Rothschild, Wilhelm Carl von 110

Ruhland, Gustav 294 Russell, Emil 69, 112, 127, 135, 173 Russell, Ernst Enno 140 Salomonsohn, Adolph 74, 76, 112, 176, 191,252,269 Salomonsohn, Arthur 75, 176, 262, 302, 313,327,330,340 Salomonsohn, Sara 191 Samuel, Siegfried 145 Sattler, Heinrich 182 Schinckel, Max (von) 77, 109, 143, 205, 235,257, 268, 288, 291, 3l2f, 322,329, 335 Schlieper, Gustav 129 Schlitter, Oscar 129,134, 173 Schmidt, Richard 338 Schmoller, Gustav 277f. Schoeller, Alexander 214 Schopenhauer, Arthur 209, 256 Schrader, Karl 190 Schröder, Heinrich 101,173 Schroeder, Johann B. 203 Schröter, Gustav 173, 323 Schubart, Paul 145 Schüler, Friedrich August 90 Schumann, Robert 256 Schumpeter, Joseph A. 236 Schuster-Gutmann, Johann Jacob 175 Schwabach, Familie 42, 220 Schwabach, Julius 242f,261 Schwabach, Leonie 234, 242f, 263 Schwabach, Paul (von) 158 Siemens, Elise (von) 244 Siemens, Familie 254 Siemens, Georg (von) 48, 73, 76, 78, 9597, 115, 127, 132, 144, 153, 156, 163, 190, 208f, 212, 240, 25lf, 254, 262, 277f, 289, 291, 293, 296f, 316, 335, 353-355 Siemens, Johann Georg 254 Siemens, Werner (von) 251 Simon, James 251,261 Simson, Georg von 52,175 Sobernheim, Curt 143 Solmssen, Georg 52, 176, 289

422 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Sombart, Werner 23, 162, 278 Sonnemann, Leopold 281 Speyer, Anna 112 Speyer, Familie 40, 150, 157 Speyer, Georg 113 Speyer, Gustav 151 Speyer, Hannah Lucie 151 Speyer, James 151,212 Spitzemberg, Hildegard Freifrau von 262 Springer, Friedrich 251 Stäckel, Albert 318 Stauß, Emil Georg (von) 161 Stegmann, Dirk 283 Stein, Hans-Konrad 226 Steiner, Kilian (von) 127, 277 Steinthal, Max 54,73, 96f, 112,132,173, 176,213,251 Stern, Familie 171,200 Stern, Fritz 11,158,247 Stern julius 242,256,262,264 Stinnes, Hugo 103 Stoecker, Adolf 181, 183, 187-189 Stoffen, Rudolph Emanuel 235 Strupp, Gustav 61 Stuebel, Heinrich 11 Südekum, Albert 322 Sydow, Reinhold von 333 Treitschke, Heinrich (von) 183,188, 254 Treue, Wilhelm 147 Ujest, Christian Kraft Herzog von 42 Urbig, Franz 140,143,235 Veblen, Thorstein 12, 19 Wachler, Paul 134 Wachsmuth, Rudolph 32, 78, 213, 256, 270, 296 Wagner, Adolph 182, 263, 266, 280f.

Wallich, Anna 239, 244 Wallich, Hermann 42, 72f, 95, 97, 144, 173, 176, 184, 191, 199, 210, 213, 235, 237,251,262 Wallich, Paul 52, 136, 140, 184, 213, 218, 231f.,234,255 Wangenheim, Conrad Frhr. von 328 Warburg, AbyM. 246 Warburg, Charlotte 238 Warburg, Familie 40, 110, 229, 335 Warburg, Max M. 218,238,244,267,278, 297,299,313,334,355 Warburg, Moritz 131,238,246 Warburg, Siegmund 230 Warschauer, Familie 228 Warschauer, Robert jr. 74, 91, 154, 199 Warschauer, Robert sen. 62, 196, 198, 261 Wassermann, Oscar 129, 137, 171, 173, 176 Weber, August 208,292,315 Weber, Max 10,17,49,164,167,220,278, 316 Weber, Wilhelm 215,265 Wedekind, Frank 256 Wehler, Hans-Ulrich 294 Weill, Siegmund 70, 235 Wendelstadt, Theodor 92 Wendelstadt, Victor 92 Wermuth, Adolf 328 Wilhelm I. 79, 160, 189, 265, 269f Wilhelm II. l50f, 156, 161, 187, 217, 267f,270,316,353 Winkler, Theodor 141 Winterfeld, Hans 140 Winterfeld, Max 199 Witt, Peter-Christian 81 Witting, Richard 262, 277, 291 Zilch, Reinhold 340

423 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Sachregister Aachener Disconto-Gesellschaft 109 AG für Boden- und Communalcredit 31, 47, 170, 200, 295 Aktiengesetz 100, 102, 280, 294 Aktienrechtsnovelle 92, 98f, 201, 294 Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt 35, 44, 77, 80, 296 Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft 118,220 Antisemitismus, sozialer/gesellschaftlicher 184 Arbeit (Berufs-, Erwerbsarbeit) 49f, 84, 115, l39f, 145, 209,212,215, 221-223, 242, 247, 253, 270, 291, 296, 346, 354 Arbeitsethos 115,133,139,158,174,196, 198,206,209,211,213-215,217,222f, 238,241,243,296,346,360 Arbeitsteilung in Leitungsgremien 134f, l7lf, 192,225,236f Arbeitsteilung zwischen Banken 31, 87, 101,139 Aufsichtsrat, Verhältnis zum Vorstand 25, 61,86,88,91-93,96-103,114,121,202, 205, 291 Aufsichtsratsverflechtungen 32, 45, 5759,60,64,98,115-117 Bank des Berliner Cassen-Vereins 116, 197-199 Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) 32,36,54,56f, 61,74,86, 91, 93f, 97, 110, 125, 135, 170, l74f, 199, 208, 262, 283, 296, 299, 311, 320 Bankenquete 207, 292, 3l9f, 325, 327329, 336 Bankiertag 206,288,300,312-314,316, 318, 322, 327, 334, 336, 338f

Bankkaufleute 40, 48, 52, 90, 101, 170, 187 Bayerische Hypotheken- und Wechselbank 77, 170, 300 Bayerische Vereinsbank 66, 77, 87, 125, 170, 200 L. Behrens & Söhne 157, 348 Gebr. Berend & Co. 198 Bergisch-Märkische Bank 55, 109 Berliner Antisemitismusstreit 188 Berliner Bank 16, 45-47, 77, 179, 287 Berliner Börsen-Courier 35,189 Berliner Handelsgesellschaft 54, 61-63, 86, 97, 103, 105, 107, 110f, 118, 131, 135, 140,144,163,166,168, 172, l74f, 190, l98f, 220, 245, 252, 264, 284, 288 Berufswahl 172, 234, 248, 250, 254 Besitzindividualismus 284, 301, 303 Bildungsbürgertum, bildungsbürgerlich 10, 136, 169, 177, 183, 190, 209, 229, 246,248,250f, 253-256,270,277,286, 347, 356f, 359 S. Bleichröder 61-63, 86, 103, 106, 118, 128,133, 144, l49f, 153,165, 215, 220, 242f, 246, 261,265,317 Börse 260, 274-279, 282, 292 Börse - Berlin 29, 32f, 35, 49f, 196 Börse - Frankfurt 34f, 39f, 299 Börsenausschuß 298 Börsenenquête 281, 305f, 323, 328 Börsengesetz 66,273,278,287, 292, 294, 298,300,303f, 306,308,310-312,314, 3l9f, 329, 335, 340-342,348, 356, 362 Börsenregister 306, 308-311, 315 Breest & Gelpcke 197, 199 Breslauer Diskontobank 57, 77, 87, 90, 116,141,145,287

424 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

bucket-shop 3l8f bürgerlich, Bürgerlichkeit 10, 67, 78, 80, 209, 216, 231, 237, 241, 247, 249, 262, 286,357-361 Bürgertum 10, 21, 67, 69, 122, 215, 225, 230, 248, 250, 253, 258, 266, 270, 356362 Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes 11, 131, 208, 273, 287, 294, 300f, 303, 3l2f, 315-319, 328,332,341,343,347,352 Centralverband deutscher Industrieller 69, 135, 173, 283 city, Londoner 51, 84, 87, 102, 112, 230, 342 Club von Berlin 50,260 Commerz- und Discontobank 36,61, 87, 96, 125,145, 173,203,330 Crédit Mobilier 32 R. Damme 288 Deichmann & Co. 149 Delbrück,Leo& Co. 31,47,62,89,91,94, 106, 110, 122,128,133,198,216 Delbrück, Schickler & Co. 123 Depositen 33, 65, 83, 173, 202, 204, 217, 292, 323, 328, 333, 339, 341, 346 Depositengesetz 340 Deutsche Bank 16,31,33,39,45,48, 5456, 62, 73f, 77, 87, 94, 96f., 101, 106, 109, 121, 125, 128, 131-134, 137, 140, 144, 149, l53f, 161, 173, 176, 182, Î84, 190,199, 206f, 210, 212, 216, 231, 283, 300f., 312, 323, 330, 345 Deutsche Demokratische Partei 286 Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co. 61,70,77, 86,104,106,108,287 Deutscher Handelstag 216,299,328 Deutsch-Überseeische Elektrizitätsgesellschaft 45 DifTerenzeinwand 309f Disconto-Gesellschaft 37-39, 45, 54-56, 62, 66, 75-77, 87, 97, 103, 105, 107, l09f, 118, 125, 135, 143, 145, 153, 174,

176, 190, 198, 204, 210, 214, 252, 261, 269, 283f., 291,313 Diskretion 119,150,301,330 Dresdner Bank 16, 36, 39, 53, 56, 61, 87, 100,108,116,125,135,166,l72f, 175, 221,232,234,281,283,313,315 Dynastiebildung 107, 150, 160, 168, 225 Ehrecke, Fromberg & Co. 111 Einkommen 25, 63, 114, 226, 233f, 254, 357, 358 J.L. Eltzbacher & Cie. 186 Emissionsstatistik 330, 332 Essener Credit-Anstalt 56 Ethnizitát, ethnische Struktur 27, 164— 169, 173-176, 192, 231, 252, 345, 349, 354, 359, 362 Expansion, räumliche 107-109,111, 168 Feld der Hochfinanz l5f, 26, 29, 32, 49, 53,55f., 62-65,69,76,89,102,108,120, 126,131, 134, 151, 165, l96f, 216,219, 291,345,350 Feld der Hochfinanz - Achsen/Strukturelemente 27, 169, 176, 196, 201, 284, 345, 358f Feste 148, l56f, 184, 240f, 26lf. Feudalisierung/Aristokratisierungdes Bürgertums 10, 67, 152, 159, 216, 224,241,249,266 Filialnetz 37,109,111 Finanzielle Kriegsbereitschaft 320, 334f, 337 Fortschrittspartei 70 Freie Vaterländische Vereinigung 289 Freikonservative, freikonservativ 284, 286, 305, 308 Freisinn, freisinnig 284 Friedenthal & Co. 104 Gelsenkirchener Bergwerks-AG 203 Goldwährung 30, 178, 293, 324f., 329, 336, 340 Großbürgertum, Großbourgeoisie 10,12, 425

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23,27,77,141,152,159,184,226f.,239, 241, 243, 246f, 252, 258, 264,266,270, 287, 349, 356 Gründerkrach, -krise 9, 13, 53, 87, 89, 155,178, 188, 277, 279, 280, 287, 304 Gründerprivilegien 93f Gute Gesellschaft 148,157,184,220,226, 240, 243, 247, 252, 259-262, 264, 271, 350f., 353, 363 Habitus 20f, 25, 27, 130, 144, 172, 177, 196,205f., 220,222f, 238,246,346,351, 354f., 357-360, 362 Hammer & Schmidt 338 Handelskammern 78, 196, 201, 294, 298f., 315 Handelsvertragsverein 156 Hannoversche Bank 56 Hansa-Bund 131,217,294,347 Hugo Heimann & Co. 104 Heiratsalter 235 N.Helfft&Co. 198 Helfft Gebrüder 198 Hibernia 131,288 Hofgesellschaft 247,251-253,257f, 260, 261f.,267 Hypothekenbanken 23,53,58, l69f, 179, 362

l47f, 168,173,190,198,202,219,221, 225, 243, 306, 352, 356 Kapital - symbolisches 19, 60, 69, 148f, 151,157,221,243,352 Kapitalexport 145, 182, 320, 329, 33lf, 362 Kapitalmarkt 24, 32, 46,49, 83,100,108, 115, l62f, 170,202,287,292,307,320322, 330, 334-337, 341, 343, 349-351, 353 Kapitalverflechtungen 32 Konditionenkartell 340 Konkurrenz im Bankwesen 34, 49, 51 f., 60, 85, 91,109,148, 219,261, 278,311, 316,319,326,346,350 Konnubium 123, 155, 228f, 232, 247250, 252, 357 Konservative, konservativ 76, 146, 156, l89f, 208, 217, 256, 278f, 281-285, 289,292f, 299,305,315,321-323,329, 333f,341f Konzentration im Bankwesen 9, 13, 26, 57f, 63, 129,136,180, 287, 341, 345 Köster&Co. 56,91,200 F.W. Krause & Co. 63, 77, 229 Friedrich Krupp AG 283 Kuhn, Loeb & Co. 246

Juristen 67,100,127,128-131,170f.,219, 251,260

Lebensstil 9,12,14,27,51f, 148,154,216, 221-223, 227, 247, 260-264, 266, 271, 353,355, 357f, 361 Leipziger Bank 80, 180, 338 A. Levy 100 LöbauerBank 292,315

Kaiserjuden 267 Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 217 Kapital -kulturelles l8f, 127, 205, 218, 220, 222, 239, 243, 253, 256, 271, 347, 350f Kapital -ökonomisches 18,20,27,40,43, 52f, 69, 84, 112, 115, 119, l47f, 161, l96f, 201,216,219,222,243,259,266, 274, 276, 349, 35lf, 356 Kapital -politisches 19 Kapital -soziales 18, 110f, 119,127,142,

Manager-Kapitalismus 83, 123, 168 F. Mart. Magnus 86, 89, 91, 103, 197 Mendelssohn & Co. 33, 51, 62f, 86, 89, 103,106,110,113,122,150, l52f, 163, 165, 195, 197, 213, 217, 252, 256, 261, 285, 317, 330 EJ. Meyer 198,318 Mitteldeutsche Creditbank 36,63,66,86, 94,135,283,315 Mittelstand 87, 180, 182, 184, 193, 273, 278, 289, 307, 324f, 329, 331, 361

Interessengemeinschaft 37, 55, 100, 116, 283

426 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35799-7

Mittwochsgesellschaft 256 Nationalbank für Deutschland 60-63,74, 77, 85, 96, 172, 175, 264, 283, 291 Nationalliberale Partei, nationalliberal 284, 286, 289, 292f, 297, 304, 312 Netzwerkspezialisten 61,119 Norddeutsche Affinerie 203 Norddeutsche Bank in Hamburg 37, 38, 41, 44, 54f, 66, 86, 109, 143, 203-205, 313 Nostroguthaben 341 Oberklassen 14,17, 21, 27,136,144,148, 160, 162, 177, 183, 187, 190-192, 196, 224f, 229f, 232, 236, 247, 249f, 252f., 257,259f, 263,265f, 270,276,290,342, 346, 348, 350-352, 355, 358f, 361, 363 Oberklassenhabitus 351, 353, 355, 361 Sah Oppenheim jr. & Cie. 38, 62, 86, 94, 103, 110, 118, 128, 133, 154, 163, 200, 262 Organisationsspezialisten 131 Ostbank 77 Padersteiner Bankverein 54 H.C. Plaut 47, 90f, 138 F. Plessner & Co. 89 Plutus 22, 141, 186,213 Preußenkonsortium 22, 26, 37f, 44, 58, 88,120,152,170,197,200,204,321,342 Preußische Central-Bodencredit-AG 87 Preußische Central-GenossenschaftsKasse 319 Protektion 141-143, 173 Provinzial-Disconto-Gesellschaft 109 Reichsbank 16, 25, 30, 32, 116, 174, 178, 197, 199, 204, 273, 289, 292, 297, 305, 317, 320-325, 327, 329f, 332, 334, 336f, 339f., 343, 350, 356 Reichsbank - Notenprivileg 289, 292, 322, 329 Reichsbank - Verstaatlichung 289, 324, 328

Reichsverband gegen die Sozialdemokratie 284 Ressource von 1794 50, 260 Rheinische Creditbank 35, 56, 62, 66, 77, 106,116,170,200 de Rothschild Frères 218 M A von Rothschild & Söhne 38, 62, 89, 115,163,165,200 Sächsische Bank 54, 305 Sächsische Creditbank 54 Sächsischer Bankverein 54 Salon 240-242, 256, 260, 265 A. Schaaffhausen'scher Bankverein 31, 36, 54, 6lf., 99-101, 110,116,125,132, 135, 145, 173, 186, 200, 206, 283, 320 Schantung-Bergbau-Gesellschaft 45 Schantung-Eisenbahn-Gesellschaft 45 Gebr. Schickler 86, 91, 103, 163, 197, 216 Schlesischer Bankverein 40, 55, 6lf, 66, 103,111 Schröder Gebr. & Co. 88 Schutzverband gegen agrarische Übergriffe 289 Schwiegersöhne der Großbankiers 227, 247, 250 Schwiegerväter der Großbankiers 248250 Seehandlung 25, 62, 174, 214, 305, 317 Sparkassen l79f, 336, 340 Isaak Michael Speyer 200 Lazard Speyer-Ellissen 48, 123, 154, 200 Stempelvereinigung/Vereinigung von Berliner Banken und Bankiers 39, 50, 295, 302, 3l0f, 3l6f, 327, 339f. Jacob S.H.Stern 123 Terminhandel 304,306-309,311,314 Terminhandelsverbot 306f, 315 Titelschacher 71 Vereine (gesellige, karitative usw.) 19, 50, 158, 183,244,259 Vereinheitlichung - Geschäftsprofile der Banken 65 427

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Vereinheitlichung - Habitusformen 354, 356 Vereinheitlichung - Sozialprofil 64f., 354 Vereinigte Königs- und Laurahütte 203 Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer 281,290 Vereinsbank in Hamburg 86, 88, 94, 201, 2O3f. Vermögen der Großbankiers 12, 16, 4 1 43, 52, 63, 68, 102, 106, 112-114, 119123,126, l48f, 152,155,162,180,2lOf, 222, 231-234, 243, 247, 254, 259, 271, 280, 285, 307, 346f.

Robert Warschauer & Co. 47, 86,39, 9'l, 1, 138, 154, 165, 174, 197, 199 A.& E. Wassermann 170 Wirtschaftliche Vereinigung 292,314 Wirtschaftsbürgertum, wirts;chaftsbürgerlich 11-13, 121, 125, 136 157, , 160, 187, 218, 223, 225-227, 22c, 232, :, 241, 248, 250, 252, 255f., 259, 263, 266f, 286, 348, 356f, 359 Wirtschaftsliberalismus, wirtschaft;liberal 207, 278, 288£, 304, 327.342,, 362 Württembergische Vereinsbank ; 1 , 3:5,5, 45, 77, 86, 99, 170

M M . Warburg & Co. 42,157

Zentrum 287,292,304-306,313

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